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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 499/19
vom
26. November 2019
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter
18 Jahren als Person über 21 Jahre u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:261119B3STR499.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 26. November 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 9. Juli 2019
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwölf rechtlich zusammentreffenden Fällen, der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und des Besitzes eines Butterflymessers schuldig ist;
b) dahin ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen, der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 13 rechtlich zusammentreffenden Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des unerlaubten Waffenbesitzes schuldig gesprochen. Es hat ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Diese führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und zur Nachholung eines Teilfreispruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den vom Landgericht unter II. 44. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte am 31. März 2017 47,42 g Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 7,92 g Tetrahydrocannabinol (THC). Von dem Cannabis waren jedenfalls 10 g zum Eigenkonsum, der Rest zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen. Das Landgericht hat diese Tat als Erwerb von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln mit Blick darauf bewertet, dass weder die zum Handeltreiben noch die zum Eigenkonsum bestimmte Wirkstoffmenge den Grenzwert von 7,5 g THC überstieg. Dies ist rechtsfehlerhaft, da der Angeklagte insgesamt eine über dem Grenzwert liegende Wirkstoffmenge besaß und sich daher wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 BtMG strafbar gemacht hat. Dieser Verbrechenstatbestand entfällt nicht dadurch, dass der Täter eine die nicht geringe Menge nicht erreichende Teilmenge zu Verkaufszwecken bestimmt. Vielmehr tritt in einem solchen Fall das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB tateinheitlich zu dem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzu (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2018 - 5 StR 68/18, NStZ 2019, 95 f. mwN).
3
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Der Schuldspruchänderung stehen weder das Verschlechterungsgebot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO noch § 265 StPO entgegen. Der hinsichtlich des Besitzes geständige Angeklagte hätte sich im Falle eines Hinweises nicht wirksamer verteidigen können.
4
Hiervon bleibt der Strafausspruch unberührt, da auszuschließen ist, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine andere Strafe festgesetzt hätte. Der von der Strafkammer herangezogene Strafrahmen des § 29 Abs. 3 BtMG entspricht demjenigen des § 29a Abs. 1 BtMG. Aus den Gründen, aus denen sie nach Gesamtabwägung eine Entkräftung der Regelwirkung abgelehnt hat, hätte sie ersichtlich keinen minder schweren Fall im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG angenommen.
5
2. Das Landgericht hat es unterlassen, den Angeklagten freizusprechen, soweit es hinsichtlich der Betäubungsmittelverkäufe an die Abnehmer D. und P. von einer geringeren Anzahl ausgeht als die im Eröffnungsbeschluss unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage. Diese hat dem Angeklagten zur Last gelegt, jeweils durch einzelne Taten Cannabis 15 Mal an den damals jugendlichen D. und insgesamt 68 Mal an den teils noch jugendlichen P. abgegeben zu haben. Dagegen hat sich das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe nicht von der gesamten Zahl der zuvor angenommenen Verkäufe zu überzeugen vermocht, sondern lediglich acht Lieferungen an D. und insgesamt 38 Übergaben an P. festgestellt. Weil es mithin nicht alle tatsächlichen Vorgänge als erwiesen angesehen hat, hätte es den Angeklagten im Übrigen freisprechen müssen. Dies gilt unabhängig davon, dass das Landgericht abweichend von der zugelassenen Anklage davon ausgegangen ist, eine Vielzahl einzelner Abgaben an jeweils einen Abnehmer stünden nicht im Verhältnis der Tatmehrheit, sondern der Tateinheit zueinander (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 2019 - 3 StR 48/19, NStZ-RR 2019, 211; vom 19. April 2016 - 3 StR 48/16, NStZ-RR 2016, 246). Der Senat holt den Teilfreispruch mit der sich nach § 467 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge nach.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

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(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

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Strafgesetzbuch - StGB | § 29 Selbständige Strafbarkeit des Beteiligten


Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 48/19
vom
16. April 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:160419B3STR48.19.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 16. April 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 11. September 2018, soweit es ihn betrifft , im Schuldspruch
a) dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist, und
b) dahin ergänzt, dass er im Übrigen freigesprochen wird; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und gegen ihn unter Einbeziehung einer Vorverurteilung eine Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verhängt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs (§ 354 Abs. 1 StPO analog) gemäß 1. a) der Beschussformel sowie - als Teilerfolg nach § 349 Abs. 4 StPO - gemäß 1. b) der Beschussformel. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten M. A. und dem strafunmündigen Zeugen H. am Abend des 24. März 2018 auf offener Straße in B. dem Zeugen K. Faustschläge gegen Kopf und Oberkörper versetzte. Als der Angeklagte ein Messer aus seiner Hosentasche zog, griff die Nebenklägerin aus Sorge um das Leben des Zeugen K. , ihres Lebensgefährten, in das Geschehen ein.Daraufhin rammte der Angeklagte ihr das Messer mit bedingtem Tötungsvorsatz wuchtig in den linken Oberbauch. In der Vorstellung, ihr möglicherweise tödliche Verletzungen zugefügt zu haben, rannte er anschließend davon.
3
Die Jugendkammer hat sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte, wie ihm mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hannover vom 28. Mai 2018 vorgeworfen worden war, nach dem Stich und vor seiner Flucht erfolglos versuchte, mit dem Messer auch den Zeugen K. zu verletzen.
4
2. Die auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung lautende Verurteilung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Stattdessen belegen die Feststellungen eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei (tatmehrheitlichen) Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Totschlag.
5
a) Das Landgericht hat die Konkurrenzen dahin beurteilt, dass die von ihm festgestellten Taten zum Nachteil des Zeugen K. einerseits- gefährliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) - sowie zum Nachteil der Nebenklägerin andererseits - versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 212 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, 5, §§ 22, 23 Abs. 1, § 52 StGB) - zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) stehen (s. UA S. 30), wenngleich es eine solche tateinheitliche Begehung von zwei gefährlichen Körperverletzungen im Urteilstenor nicht zum Ausdruck gebracht hat.
6
b) Diese Rechtsansicht hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen und deren Verletzung sind einer additiven Betrachtungsweise, wie sie etwa der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss sowie engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs , etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff, willkürlich und gekünstelt erschiene (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 1995 - 3 StR 221/95, BGHR StGB § 1 Entschluss, einheitlicher 11; Beschluss vom 10. Februar 2016 - 2 StR 391/15, BGHR StGB § 1 Entschluss, einheitlicher 1; Urteil vom 1. August 2018 - 3 StR 651/17, juris Rn. 38).
8
Gemessen daran ist die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin gegenüber derjenigen zum Nachteil des Zeugen K. materiellrechtlich selbständig (§ 53 StGB). Nach den Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte, nachdem er sich aus der körperlichen Auseinandersetzung mit dem Zeugen K. gelöst hatte, ein Klappmesser aus seiner Hosentasche und öffnete es. Die Nebenklägerin rannte auf die an der Auseinandersetzung Beteiligten zu und zog den Mitangeklagten M. A. weg. Erst danach versetzte der Angeklagte ihr den Messerstich aus Verärgerung über ihr Eingreifen (s. UA S. 9). Soweit die Jugendkammer in der rechtlichen Würdigung ausgeführt hat, "die Verletzungshandlungen" stünden "in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang" (UA S. 30), vermag dies - nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben - keine natürliche Handlungseinheit im Sinne des § 52 StGB zu begründen. Ein Fall, in dem die Annahme realkonkurrierender Einzeltaten willkürlich und gekünstelt erscheint, liegt nicht vor.
9
c) § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 224/13, StV 2014, 617, 618; KK-Gericke, StPO, 8. Aufl., § 358 Rn. 18 mwN). Allerdings bleibt aufgrund des Verschlechterungsverbots der Strafausspruch - ungeachtet der Frage des Beruhens (s. § 337 Abs. 1 StPO) - unberührt.
10
Auch § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte dagegen nicht anders hätte verteidigen können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 354 Rn. 16 mwN). Die hier vorgenommene rechtliche Bewertung der Konkurrenzen entspricht derjenigen in der Anklageschrift.
11
3. Darüber hinaus hat es das Landgericht versehentlich unterlassen (vgl. UA S. 30), den Angeklagten freizusprechen, soweit es sich nicht von der erfolglosen Messerattacke auf den Zeugen K. hat überzeugen können. Die von der Jugendkammer mit Eröffnungsbeschluss vom 26. Juli 2018 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage der Staatsanwaltschaft hatte diese weitere Tat als tatmehrheitlich begangene versuchte gefährliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB) beurteilt, sodass - unabhängig davon, ob die konkurrenzrechtliche Bewertung zutrifft - ein Teilfreispruch geboten war (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 321/11, NStZ 2012, 337, 338; Beschluss vom 19. April 2016 - 3 StR 48/16, NStZ-RR 2016, 246). Der Senat hat dies mit der sich aus § 467 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge nachgeholt.
Gericke Spaniol Wimmer RiBGH Dr. Tiemann Berg ist wegen einer Erkrankung gehindert zu unterschreiben. Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 48/16
vom
19. April 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln
ECLI:DE:BGH:2016:190416B3STR48.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 19. April 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 18. Mai 2015
a) dahin ergänzt, dass aa) die Angeklagten im Übrigen freigesprochen werden; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last, bb) die vom Angeklagten B. in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 auf die gegen ihn erkannte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen verurteilt, den Angeklagten K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten, den Angeklagten B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Die dagegen gerichteten, auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Das Landgericht hat jeweils rechtsfehlerhaft von einem Teilfreispruch abgesehen, soweit es sich in acht der den Angeklagten zur Last gelegten Fälle des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln (Fälle 184, 229, 262, 299, 311, 344, 389 und 399 der Anklageschrift) nicht von deren Täterschaft zu überzeugen vermocht hat (UA S. 39 f.). Den Angeklagten waren mit der Anklage jeweils 685 tatmehrheitlich begangene Fälle des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln vorgeworfen worden. Dem ist die Strafkammer im Eröffnungsbeschluss gefolgt. Insoweit ist den Angeklagten unter den Ziffern 184, 229, 262, 299, 311, 344, 389 und 399 jeweils zur Last gelegt worden, am 19. September 2013 sowie am 2., 7., 11., 12., 15., 20. und 21. Oktober 2013 im Zusammenwirken mit den zwei Mitangeklagten jeweils 1 bis 10 Gramm der unter den Bezeichnungen "Göttin Astarte" und "CM 21" vertriebenen Substanzen, die den in der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG genannten Wirkstoff AKB-48F enthielten, an verschiedene Abnehmer veräußert zu haben. Diese Vorwürfe hat das Landgericht nach der Beweisaufnahme als nicht erwiesen angesehen. Es hätte die Angeklagten deshalb, um den Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen, ohne Rücksicht auf die dem Urteil unter dem Gesichtspunkt der Bewertungseinheit zugrunde gelegte konkurrenzrechtliche Beurteilung der Verkaufsfälle als Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen teilweise freisprechen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 321/11, NStZ 2012, 337, 338 mwN; Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 3 StR 321/14, juris Rn. 2).
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2. Im Hinblick auf den Angeklagten B. hat die Strafkammer entgegen der Vorschrift des § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem die von dem Angeklagten in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung auf die gegen ihn erkannte Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist. Diese Entscheidung muss in der Urteilsformel zum Ausdruck kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 162/03, NStZ-RR 2003, 364). Da nach der Sachlage nur eine Anrechnung im Maßstab 1:1 in Betracht kommt, hat der Senat den grundsätzlich dem Tatrichter obliegenden Ausspruch über die Festsetzung des Anrechnungsmaßstabs nachgeholt und die Urteilsformel entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ergänzt (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2003 - 5 StR 162/03, NStZ-RR 2003, 364; vom 13. August 2009 - 3 StR 255/09, NStZ-RR 2009, 370).
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3. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Die Strafkammer hat ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf die Ausführungen des in der Hauptverhandlung gehörten psychiatrischen Sachverständigen damit begründet, dass bei den Angeklagten ein Hang, psychotrop wirkende Substanzen im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht festzustellen sei. Voraussetzung für die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 Satz 1 StGB sei, dass die berufliche, soziale und gesundheitliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten durch seinen Betäubungsmittelkonsum nachhaltig beeinträchtigt werde. Die "täglichen Aktivitäten bei der Abwicklung der eingehenden Bestel- lungen", die der Angeklagte B. "ohne Beeinträchtigung durch seinen Betäubungsmittelkonsum" ausgeführt habe, ließen die erforderliche nachhaltige Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit indes ausgeschlossen erscheinen. Eine nachhaltige Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Angeklagten K. könne "im Hinblick auf die Komplexität des Tatgeschehens" und die "Position", die er "in der Gruppierung eingenommen" habe, ebenfalls ausgeschlossen werden. Bei ihm sei im Übrigen mangels jeglicher Motivation, eine Therapie zu durchlaufen, nicht davon auszugehen, dass eine Entziehungsbehandlung innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen werden könne.
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b) Diese äußerst knappen Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 Satz 1 StGB verkannt hat. Ein Hang im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht nur - wovon die Strafkammer möglicherweise ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit vor; vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine physische Abhängigkeit bestehen muss (BGH, Beschlüsse vom 4. April 1995 - 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; vom 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10, juris Rn. 4). Insoweit sind die vom Landgericht getroffenen Feststellungen unzureichend.
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Bei der Prüfung der Schuldfähigkeit der Angeklagten hat die Strafkammer ausgeführt, dass der an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) leidende Angeklagte B. sich dahin eingelassen habe, seit seinem 16. Lebensjahr regelmäßig Amphetamin konsumiert und seinen Konsum während der Tatzeit auf bis zu 3 Gramm täglich gesteigert zu haben, an den Wochenenden auch auf bis zu 5 Gramm täglich. Außerdem habe er gelegentlich Kokain, LSD sowie zweimal im Monat Ecstasy und auch Pilze probiert. Hinsichtlich des Angeklagten K. hat sie ausgeführt, dass er an einer "Persönlichkeitsstörung aus dem dissozialen Formenkreis" leide, die aber im Hinblick auf die §§ 20, 21 StGB ebenso wenig bedeutsam sei wie sein "etwaiger Betäubungsmittelkonsum". Das lässt darauf schließen, dass die Strafkammer das Ausmaß des Betäubungsmittelkonsums der Angeklagten im Hinblick auf § 64 Satz 1 StGB nicht weiter hinterfragt und aufgeklärt hat, weil sie ihm in Anbetracht des weitgehend intakten Leistungsverhaltens der Angeklagten rechtsfehlerhaft von vornherein keine Relevanz für diese Vorschrift beigemessen hat. Sie hat dabei verkannt, dass einer Neigung der Angeklagten, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht ohne Weiteres entgegensteht , dass sie gleichwohl in der Lage waren, die abgeurteilten Straftaten zu begehen. Die Beeinträchtigung der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Rauschmittelkonsum indiziert zwar einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB, ihr Fehlen schließt diesen indes nicht aus (BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, juris Rn. 10; Beschluss vom 3. Februar 2016 - 1 StR 646/15, juris Rn. 11).
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c) Darüber hinaus steht auch die aktuelle Therapieunwilligkeit des Angeklagten K. seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht notwendig entgegen. Mangelnde Therapiebereitschaft kann zwar im Einzelfall gegen die Erfolgsaussicht der Maßregel (§ 64 Satz 2 StGB) sprechen. Liegt sie vor, so ist es jedoch geboten, im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände die Gründe des Motivationsmangels festzustellen und zu prüfen, ob eine Therapiewilligkeit für eine erfolgversprechende Behandlung geweckt werden kann; denn gerade auch darin kann das Ziel einer Behandlung im Maßregelvollzug bestehen (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 19. März 2004 - 2 StR 513/03, NStZ-RR 2004, 263; vom 15. Dezember 2009 - 3 StR 516/09, NStZ-RR 2010, 141).
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d) Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Angeklagten nicht von vornherein ausscheidet, muss über ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur die Angeklagten Revision eingelegt haben (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107; vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, StV 2008, 405, 406). Sie haben die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. dazu BGHSt 38, 362 f.).
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4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Ergänzend zu der Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
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Die Einwände der Beschwerdeführer, dass die - auch insoweit sachverständig beratene - Strafkammer sich bei der Feststellung der Wirkstoffkonzentration der von den Angeklagten vertriebenen Betäubungsmittel in Widerspruch zu dem von ihr als erwiesen angesehenen Erfahrungssatz gesetzt habe, wonach eine valide Hochrechnung aus einer Teilmenge eines Betäubungsmittels auf die Zusammensetzung und den Wirkstoffgehalt der Gesamtmenge nur vorgenommen werden könne, wenn mindestens 10 bis 30% der gesamten Menge untersucht worden seien, geht fehl. Den Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass dieser Erfahrungssatz dem Gutachten des Sachverständigen zufolge der von der Strafkammer vorgenommenen Hochrechnung nicht entgegen stand, weil die Angeklagten und ihre Mittäter die von ihnen bezogenen Substanzen zunächst vermischt und aus der auf diese Weise gewonnenen Gesamtmenge die von ihnen vertriebenen 1- bis 3-Gramm-Päckchen befüllt hatten (UA S. 58).
Becker Schäfer Gericke Spaniol Tiemann

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.