Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2012 - 3 StR 458/12
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass die Angeklagte wegen Betruges in 101 Fällen und wegen versuchten Betruges in 20 Fällen verurteilt ist,
b) im Ausspruch über die in den Fällen II. 2. 13, 14, 16, 18, 20, 21, 24, 25, 29, 30, 33, 34, 37, 45 bis 48, 50 bis 52 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie über die Gesamtstrafe jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung sowie zur Festsetzung von Einzelstrafen in den Fällen II. 2. 1 bis 12, 15, 17, 19, 22, 23, 26 bis 28, 31, 32, 35, 36, 38 bis 44, 49, 53 bis 58 der Urteilsgründe wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen "gewerbsmäßigen Betruges in 63 Fällen, versuchten gewerbsmäßigen Betruges in 20 Fällen und wegen Betruges in 38 Fällen" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung sachlichen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu einer Klarstellung des Schuldspruchs und hat zudem in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Der Senat hat den Schuldspruch dahin klargestellt, dass die Angeklagte wegen Betruges in 101 Fällen und wegen versuchten Betruges in 20 Fällen verurteilt ist. Das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere oder minderschwere Fälle wird nicht in die Urteilsformel aufgenommen (BGH, Urteil vom 21. April 1970 - 1 StR 45/70, BGHSt 23, 254, 256; Beschluss vom 12. Oktober 1977 - 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289). Die Kennzeichnung des Betrugs als "gewerbsmäßig" hat deshalb zu entfallen (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 5 StR 90/08, wistra 2008, 261 f.).
- 3
- 2. Die Strafzumessung hält in den Fällen II. 2. 13, 14, 16, 18, 20, 21, 24, 25, 29, 30, 33, 34, 37, 45 bis 48, 50 bis 52 der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat unter Abwägung allgemeiner, für alle Taten gleichermaßen geltender Strafzumessungsgesichtspunkte in den Fällen des vollendeten gewerbsmäßigen Betruges Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten, in denen des versuchten gewerbsmäßigen Betruges dagegen Strafen von acht Monaten verhängt, ohne diese Differenzierung zu begründen. Damit kann nicht nachvollzogen werden, warum die Angeklagte in den Versuchsfällen mit einer höheren Strafe belegt wurde. Auch wenn die Strafkammer insoweit von der Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2 i.V.m.
- 4
- Die Aufhebung der Einzelstrafen in den genannten Fällen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
- 5
- Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird Gelegenheit haben , die bisher unterbliebene Festsetzung von Einzelstrafen für die Fälle II. 2. 1 bis 12, 15, 17, 19, 22, 23, 26 bis 28, 31, 32, 35, 36, 38 bis 44, 49, 53 bis 58 der Urteilsgründe nachzuholen. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht dem nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 16. September 2010 - 4 StR 433/10, NStZ-RR 2010, 384). Jedoch darf die nun zu bildende Gesamtstrafe diejenige aus dem angefochtenen Urteil nicht übersteigen.
- 6
- Ergänzend bemerkt der Senat zu der Rüge der Verletzung des § 261 StPO: Soweit der Generalbundesanwalt unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2008 (3 StR 441/08, StraFo 2009, 115) die Rüge bereits für unzulässig erachtet, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Der Inhalt des Urteils ist bei gleichzeitig erhobener Sachrüge vom Revisionsgericht von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen (BGH, Beschluss vom 20.Juli 1995 - 1 StR 338/95, NJW 1998, 838) und kann daher den Sachvortrag der Revision zu einer Verfahrensrüge ergänzen. Aus der genannten Entscheidung des Senats ergibt sich nichts anderes. Dort ist lediglich dargelegt, dass es sich dennoch empfiehlt, auch die für die Verfahrensrüge relevanten, aus den Urteils- gründen ersichtlichen Umstände in den Revisionsvortrag mit aufzunehmen, damit dieser schon aus sich heraus verständlich ist.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Betrugs in drei Fällen schuldig ist, und
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbsmäßigen“ Betrugs in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten verurteilt und daneben gegen ihn ein Berufsverbot ausgesprochen. Die auf die Sachrüge und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Annahme von Tatmehrheit in den Fällen 1 bis 14 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Senat ändert die Verurteilung insoweit auf Tateinheit ab. Es ist auszuschließen, dass der Angeklagte sich gegen die Änderung des Konkurrenzverhältnisses wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
- 3
- Nach den Feststellungen führte der Angeklagte die Vermittlungsgeschäfte mit den geschädigten Verkäufern von Personenkraftwagen bzw. in den Fällen 3 und 10 der Urteilsgründe mit den geschädigten Käufern nicht selbst durch, sondern überließ dies innerhalb der von ihm zweimal umbenannten Gesellschaft den von ihm angestellten und angewiesenen gutgläubigen Tatmittlern (§ 263 Abs. 1 StGB i.V.m. § 25 Abs. 1 zweite Variante StGB). Die Feststellungen belegen keinen eigenständigen, nur jeweils einen der Einzelfälle fördernden Tatbeitrag des Angeklagten. Sofern er in Einzelfällen die betrügerisch erlangten Bargelder aus der Firmenkasse entnahm, geschah dies erst nach Tatbeendigung. Damit erschöpften sich die Tatbeiträge des Angeklagten im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs und sind damit als – uneigentliches – Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGHSt 49, 177, 184; BGHR StGB § 263 Täterschaft 1; BGH NStZ 1996, 296 f.).
- 4
- 2. Regelbeispiele sind nicht in der Urteilsformel aufzunehmen. Die Kennzeichnung als „gewerbsmäßig“ hat daher zu entfallen (vgl. auch unten 3b).
- 5
- 3. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
- 6
- a) Die Zusammenziehung der genannten 14 Fälle zu einer Tat ließe für sich genommen den Schuldumfang unberührt (vgl. BGHR StGB § 263 Täterschaft 1; BGH NStZ 1996, 296 f.; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2008 – 5 StR 572/07, Rdn. 5). Gleiches gilt in diesem Fallkomplex im Hinblick auf das vom Landgericht zutreffend angenommene Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit. Der Angeklagte beherrschte die GmbH und entzog ihr mittels überhöhter Mietzahlungen und weiterer Scheingeschäfte die zuvor betrügerisch erlangten Kaufpreisgelder (UA S. 15 ff). Vereinnahmt der Angeklagte für eine von ihm beherrschte GmbH Gelder, dann reicht es für die Gewerbsmäßigkeit aus, wenn er sich aus diesen Zahlungen bedient (BGHR StGB § 261 Strafzumessung 2; BGH wistra 2008, 104).
- 7
- Gleichwohl sind sämtliche – angesichts der Schadensbeträge in den Einzelfällen als empfindlich zu bewertenden – Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufzuheben. Dies ist schon deshalb geboten, weil das Landgericht der Strafzumessung einen durch die 16 Betrugstaten verursachten Schaden in Höhe von rund 232.000 Euro zugrundegelegt hat. Tatsächlich errechnet sich jedoch aus den festgestellten Schadensbeträgen in den Einzelfällen eine Summe von rund 157.000 Euro. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht den zu hoch angesetzten Gesamtschadensbetrag auch bei Verhängung der Einzelstrafen in den Blick genommen hat.
- 8
- b) Hinzu kommt insbesondere, dass die Gewerbsmäßigkeit der Betrugstaten in den Fällen 15 und 16 der Urteilsgründe, für welche das Landgericht allein wegen der Schadenshöhe die höchsten Einzelstrafen verhängt hat, nicht belegt ist (vgl. dazu BGH wistra 2008, 104; 1999, 465; 1994, 230, 232; BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 532/06, Rdn. 27).
- 9
- c) Der Senat hält die bisher getroffenen Feststellungen aufrecht. Er schließt aus, dass sich in einem neuen Rechtsgang in den Fällen 15 und 16 der Urteilsgründe Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit treffen lassen. Das Berufsverbot bleibt unberührt.
- 10
- 4. Damit sind drei Einzelstrafen und die Gesamtstrafe unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) neu festzusetzen. Dabei gilt hinsichtlich des ersten Fallkomplexes (Fälle 1 bis 14 der Urteilsgründe), dass die Höhe der bisherigen, nunmehr entfallenen Einzelstrafen überschritten werden darf. Allerdings darf die Summe der bisherigen Einzelstrafen aus den Fällen 1 bis 14 der Urteilsgründe bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten werden (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Der neue Tatrichter kann zu den aufrechterhaltenen Feststellungen nicht im Widerspruch stehende weitere Feststellungen treffen.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen unter Einbeziehung zweier weiterer Strafen aus einer aufgelösten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision führt aufgrund der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
- 2
- 1. Der Schuldspruch wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, jeweils begangen durch ungeschützten Geschlechtsver- kehr mit dem 13-jährigen Tatopfer, ist frei von Rechtsfehlern. Dagegen begegnet die Strafzumessung rechtlichen Bedenken, soweit die Strafkammer für die einzelnen Taten Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und acht Monaten verhängt hat. Diese Differenzierung im konkreten Strafmaß hat die Strafkammer, die lediglich allgemeine, für alle Taten gleichermaßen geltende Strafzumessungserwägungen angestellt hat, nicht begründet; sie ergibt sich - sieht man von der Tat ab, die zur Schwangerschaft geführt hat und bei der ein erhöhter Unrechts- und Schuldgehalt anzunehmen ist - auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Der Senat kann daher nicht überprüfen, wie das Landgericht zu den verhängten Strafen gekommen ist, und hebt alle Einzelstrafen auf.
- 3
- 2. Die Aufhebung der Einzelstrafen führt zum Wegfall der Gesamtstrafe; der neue Tatrichter erhält dabei Gelegenheit zur Prüfung, ob - entsprechend dem Hinweis des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift - dem Strafbefehl des Amtsgerichts Eisenach vom 31. August 2007 noch Zäsurwirkung zukommt.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des§ 349 Abs. 2 StPO. Jedoch war die fehlende Festsetzung der Einzelstrafe im Fall II. 32 der Urteilsgründe (Tat vom 10. Februar 2009) vom Senat nachzuholen.
- 2
- In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO hat der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts diese Einzelstrafe dem Strafrahmen des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG entnommen und die Mindeststrafe verhängt. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 17. August 2010 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Strafkammer für "alle" Taten den Strafrahmen des § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG zu Grunde legen wollte (UA 22) und Umstände , die ein Abweichen von der Regelwirkung des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG rechtfertigen könnten, "bei keiner Tat" (UA 23) angenommen hat. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Nachholung der Festsetzung nicht entgegen (BGH, Beschl. v. 14. Januar 1998 - 2 StR 606/97, BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 10 m.w.N.). Die Höhe der nunmehr festgesetzten Einzelstrafe schließt eine Benachteiligung des Beschwerdeführers aus (§ 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 StGB).
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
BUNDESGERICHTSHOF
a) bezüglich des Angeklagten S. , soweit dieser wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung verurteilt worden ist und im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) bezüglich des Angeklagten H. in vollem Umfang; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten mit Ausnahme derjenigen zur Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin Ha. durch den Brand. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2, § 26 StGB) und Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten H. hat es wegen schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2 StGB) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Der Angeklagte S. beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts; der Angeklagte H. wendet sich gegen den Strafausspruch. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
- 2
- Nach den Feststellungen stiftete der Angeklagte S. den Angeklagten H. und die mittlerweile verstorbene Mitangeklagte Har. dazu an, ein leer stehendes, renovierungsbedürftiges Fachwerkhaus in Brand zu setzen. Das Gebäude befand sich im Eigentum der S. Baubetreuung GmbH, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Angeklagte S. war. Die Angeklagten H und Har. setzten das Haus auftragsgemäß in Brand; es wurde durch das Feuer nahezu vollständig zerstört. Zur Tatzeit schlief in einem Wohnhaus, dessen Abstand zu dem Brandobjekt etwa sieben Meter betrug, die Zeugin Ha. . Sie erwachte infolge der durch das Feuer verursachten Helligkeit sowie der lauten Brandgeräusche und lief sodann aus dem Haus. In der Folgezeit meldete der Angeklagte S. den Schaden der Versicherung. Dabei verschwieg er, dass er selbst an der Tat beteiligt gewesen war. Die Versicherung zahlte an die S. Baubetreuung GmbH 33.190 € aus.
- 3
- I. Revision des Angeklagten S.
- 4
- Das Urteil hält der auf die Sachrüge veranlassten materiellrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand; denn die Annahme des Landgerichts , durch die Tat sei die Zeugin Ha. im Sinne des § 306 a Abs. 2 StGB in die Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung gebracht worden, wird durch die Feststellungen nicht ausreichend belegt. Zum weiteren Schuldspruch wegen Betruges und zu den übrigen Feststellungen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 5
- 1. § 306 a Abs. 2 StGB setzt als konkretes Gefährdungsdelikt voraus, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut - die Gesundheit eines Menschen - führt. In dieser Lage muss - was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt sein, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob ihre Gesundheit verletzt wird oder nicht. Zur Annahme einer konkreten Gesundheitsgefährdung in diesem Sinne reicht es noch nicht aus, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden (vgl. BGH NStZ 1999, 32, 33; Fischer, StGB 55. Aufl. § 306 a Rdn. 10,
11).
- 6
- Nach diesen Maßstäben lässt sich den getroffenen Feststellungen die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin Ha. nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Das Landgericht hat insbesondere zur Situation in dem Zeitpunkt, in dem die Zeugin ihr Haus verließ, keine ausreichend genauen Feststellungen getroffen. So bleibt etwa unklar, wie weit der Brand des Nachbarhauses zu dieser Zeit schon fortgeschritten war, ob die Schäden an dem von der Zeugin bewohnten Haus - zumindest teilweise - bereits eingetreten waren, oder ob sie der Einwirkung von Rauch oder Gasen ausgesetzt war. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung ist daher nicht hinreichend belegt.
- 7
- 2. Der dargelegte Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung einschließlich der insoweit verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und der Feststellungen, soweit sie die durch das Inbrandsetzen verursachte Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin betreffen. Die übrigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von dem Mangel nicht betroffen sind. Dasselbe gilt für die Verurteilung wegen Betruges und die hierfür verhängte Einzelstrafe.
- 8
- 3. Ergänzend bemerkt der Senat zu der Rüge der Verletzung des § 265 StPO:
- 9
- Der Auffassung des Generalbundesanwalts, der unter Hinweis auf die Entscheidung BGH NStZ-RR 1997, 65 die Zulässigkeit der Rüge bezweifelt, weil die Revision die Anklageschrift nicht vollständig mitgeteilt habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Inhalt der Anklage ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen; er muss deshalb nicht vom Revisionsführer im Einzelnen dargelegt werden. Allerdings empfiehlt sich die Mitteilung der für die Rüge bedeutsamen Umstände, um den Revisionsvortrag aus sich heraus verständlich zu machen (vgl. BGH StV 2002, 588, 589; Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 39 m. w. N.).
- 10
- Die Rüge ist indessen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen unbegründet.
- 11
- II. Revision des Angeklagten H.
- 12
- Die Revision des Angeklagten H. ist zwar auf den Strafausspruch beschränkt. Jedoch ist die Aufhebung des Schuldspruchs auf ihn zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO). Der Angeklagte H. ist wegen derselben Tat verurteilt worden wie der Angeklagte S. (vgl. Kuckein aaO § 357 Rdn. 8 m. w. N.) und der sachlichrechtliche Fehler, der zur teilweisen Aufhebung des Urteils gegen den Angeklagten S. führt, hat sich im Schuldspruch auch zum Nachteil des Angeklagten H. ausgewirkt. Da der Angeklagte H. allein wegen schwerer Brandstiftung verurteilt worden ist, war das Urteil, soweit es ihn betrifft , in vollem Umfang aufzuheben. Hinsichtlich der Feststellungen gilt das zur Revision des Angeklagten S. Ausgeführte.
- 13
- III. Abschließend weist der Senat auf Folgendes hin:
- 14
- Sollte der neue Tatrichter zwar nicht die objektiven Voraussetzungen der schweren Brandstiftung, jedoch einen auf die Herbeiführung einer konkreten Gesundheitsgefahr gerichteten bedingten Vorsatz der mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Angeklagten feststellen, wird eine Strafbarkeit des Angeklagten H. wegen versuchter schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2, §§ 22, 23 StGB) und des Angeklagten S. wegen Anstiftung hierzu (§ 306 a Abs. 2, §§ 22, 23, 26 StGB) in Betracht kommen (vgl. im Einzelnen Schünemann in LK 12. Aufl. § 26 Rdn. 38). Becker Miebach Sost-Scheible Hubert Schäfer