Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2014 - 3 StR 315/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte schuldig ist - des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, - des versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und - des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "sexuellen Missbrauchs von Personen unter 14 Jahren in sechs Fällen, davon in zwei Fällen als schwere sexuelle Misshandlung und in einem Fall als versuchte schwere Misshandlung , in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen" zu der Gesamtstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit der Sachrüge hat das Rechtsmittel den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Jedoch fasst der Senat den Schuldspruch entsprechend den Vorgaben des § 260 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO neu.
- 2
- Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Nach den Feststellungen missbrauchte der Angeklagte im Tatzeitraum zwischen dem 3. Juni 2004 und dem 2. Juni 2007 in sechs näher bezeichneten Fällen seinen zwischen elf und dreizehn Jahre alten Stiefsohn, dessen Betreuung und Erziehung er zusammen mit der Mutter übernommen hatte. In zwei dieser Fälle übte er den Oralverkehr an dem Kind aus, einmal versuchte er den Analverkehr. Im gesamten Tatzeitraum und darüber hinaus bis zum Jahr 2011 sei es zudem zu einer Vielzahl von sexuellen Übergriffen gekommen, deren Gesamtzahl sich nicht feststellen lasse. Durchschnittlich zweimal die Woche habe der Angeklagte seinen Stiefsohn missbraucht, wobei er überwiegend bei dem Nebenkläger masturbiert und weniger häufig den Oralverkehr ausgeübt habe. Einen Analverkehr habe der Angeklagte in maximal 40 Fällen versucht. Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung jeweils zulasten des Angeklagten den Zeitraum des Missbrauchs und die Anzahl der Missbrauchstaten berücksichtigt. Die angeklagten Taten seien lediglich eine "Teilmenge einer Vielzahl von Übergriffen, die aber zeitlich nicht mehr zu konkretisieren waren".
- 3
- Diese strafschärfende Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen , dass der Angeklagte noch sonstige - bisher nicht abgeurteilte - Straftaten begangen hat; dies gilt allerdings nur, wenn diese Taten prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abzuschätzen sind und eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 1995 - 3 StR 179/95, BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 2; vom 9. Oktober 2003 - 4 StR 359/03, bei Pfister NStZ-RR 2004, 353, 359 Nr. 37; vom 2. Juli 2009 - 3 StR 251/09, NStZ-RR 2009, 306). Diesen Anforderungen genügen die pauschalen Feststellungen zu einer Vielzahl weiterer Missbrauchstaten im Tatzeitraum nicht. So kann den Darlegungen schon nicht hinreichend entnommen werden, in wie viel weiteren Fällen es zu sexuellen Übergriffen gekommen ist. Das Landgericht geht zwar von einem "durchschnittlich" zweimal in der Woche stattgefundenen Missbrauch aus. Da es diese Missbrauchstaten jedoch "zeitlich nicht konkretisieren" kann, ist auch das Landgericht offensichtlich davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht im gesamten Zeitraum zwischen dem 3. Juni 2004 und dem Jahr 2011 an dem Nebenkläger zweimal wöchentlich sexuelle Handlungen vorgenommen hat. Darüber hinaus lässt sich aufgrund der Feststellungen nicht ermessen, in welchem Umfang der Angeklagte sich nach welchen gesetzlichen Tatbeständen, denen jeweils ein unterschiedlicher Unrechtsgehalt zugrunde liegt, strafbar gemacht haben soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Nebenkläger am 2. Juni 2007 vierzehn Jahre und am 2. Juni 2009 sechzehn Jahre alt wurde. Auch sagt der Umstand, dass der Angeklagte in "maximal" 40 Fällen den Anal- verkehr versucht haben soll, nichts darüber aus, in wieviel Fällen es vor dem 14. Geburtstag des Nebenklägers wenigstens zu solchen Übergriffen kam. Die nicht näher eingrenzbare Möglichkeit weiterer, nicht angeklagter Taten durfte das Landgericht deshalb bei der Strafzumessung nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigen.
- 4
- Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch auf dieser rechtsfehlerhaften Erwägung beruht; die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe können deshalb nicht bestehen bleiben.
- 5
- Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass sexuelle Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, den Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB begründen. Dass solche Sexualpraktiken stattgefunden haben, darf deshalb als solches nicht straferschwerend berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 3 StGB).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.
(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.
(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.
(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder - 3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.
(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.
(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.