Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2014 - 3 StR 440/14

bei uns veröffentlicht am11.12.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 440/ 1 4
vom
11. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Dezember 2014
gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1a StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 20. Mai 2014 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 13 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zehn Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in sechs Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer Serie von Sexualdelikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend stellt der Senat das Verfahren ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 13 der Urteilsgründe wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist.
3
Im verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des Schuldspruchs keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4
Dem Strafausspruch stehen in Ansehung von § 46 Abs. 3 StGB allerdings insoweit Rechtsbedenken entgegen, als das Landgericht in den Fällen des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs (§ 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB aF bzw. § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F.) die Ausübung des Oral- oder Analverkehrs bzw. des ungeschützten Geschlechtsverkehrs als "ein besonders hohes Maß an Missachtung des Rechts seiner Tochter auf sexuelle Selbstbestimmung" jeweils strafschärfend berücksichtigt und damit Umstände zum Nachteil des Angeklagten verwertet hat, die bereits Merkmale der Qualifikation sind (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 - 4 StR 88/14, juris Rn. 7; Beschluss vom 20. August 2014 - 3 StR 315/14, bei Pfister NStZ-RR 2014, 361, 367 (Nr. 40)).
5
Die Einzelstrafen in den Fällen 8 bis 17 des Urteils sind indes unter Abwägung der sonst festgestellten Tatumstände angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO. Die bei verfassungskonformer Auslegung erforderlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung des Revisionsgerichts nach der vorgenannten Vorschrift (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 136/05 u.a., NStZ 2007, 598) liegen vor. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit zur Stellungnahme zur Frage einer etwaigen Aufrechterhaltung der Einzelstrafen gemäß § 354 Abs. 1a StPO. Dem Senat steht ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung.
6
Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne die durch die Verfahrenseinstellung weggefallene Einzelstrafe von drei Jahren für die anderen Taten jeweils geringere Einzelstrafen und angesichts der verbleibenden Einsatzstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie der weiteren 32 Einzelfreiheitsstrafen , deren Summe 70 Jahre übersteigt, eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
7
Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den verbleibenden - durch sein Rechtsmittel entstandenen - Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO). Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2014 - 3 StR 440/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2014 - 3 StR 440/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2014 - 3 StR 440/14 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 176a Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2014 - 3 StR 440/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2014 - 3 StR 440/14 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2014 - 3 StR 315/14

bei uns veröffentlicht am 20.08.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 3 1 5 / 1 4 vom 20. August 2014 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbun

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Mai 2014 - 4 StR 88/14

bei uns veröffentlicht am 06.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR88/14 vom 6. Mai 2014 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – z

Referenzen

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

7
a) Allerdings hat das Landgericht bei der Strafzumessung in den Fällen II.1 bis 10 der Urteilsgründe gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. In diesen Fällen ist der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu Einzelfreiheitsstrafen in Höhe von einem Jahr und drei Monaten (Fälle II.1 bis 3 der Urteilsgründe) bzw. einem Jahr und neun Monaten (Fälle II.4 bis 10 der Urteilsgründe) verurteilt worden. Das Landgericht hat jeweils einen minder schweren Fall gemäß § 176a Abs. 4 – 2. Alt. – StGB angenommen; in den ersten drei Fällen hat es diesen Strafrahmen nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Zu Lasten des Angeklagten hat es u.a. berücksichtigt: „Die Taten 1. – 10. sind mit dem Eindringen in den Körper des Opfers verbunden gewesen.“ Damit hat es die Verwirklichung der Qualifikation in § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB strafschärfend verwertet und das in § 46 Abs. 3 StGB normierte Doppelverwertungsverbot verletzt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 1 5 / 1 4
vom
20. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. August 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 10. Januar 2014
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte schuldig ist - des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, - des versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und - des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "sexuellen Missbrauchs von Personen unter 14 Jahren in sechs Fällen, davon in zwei Fällen als schwere sexuelle Misshandlung und in einem Fall als versuchte schwere Misshandlung , in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen" zu der Gesamtstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit der Sachrüge hat das Rechtsmittel den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Jedoch fasst der Senat den Schuldspruch entsprechend den Vorgaben des § 260 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO neu.
2
Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Nach den Feststellungen missbrauchte der Angeklagte im Tatzeitraum zwischen dem 3. Juni 2004 und dem 2. Juni 2007 in sechs näher bezeichneten Fällen seinen zwischen elf und dreizehn Jahre alten Stiefsohn, dessen Betreuung und Erziehung er zusammen mit der Mutter übernommen hatte. In zwei dieser Fälle übte er den Oralverkehr an dem Kind aus, einmal versuchte er den Analverkehr. Im gesamten Tatzeitraum und darüber hinaus bis zum Jahr 2011 sei es zudem zu einer Vielzahl von sexuellen Übergriffen gekommen, deren Gesamtzahl sich nicht feststellen lasse. Durchschnittlich zweimal die Woche habe der Angeklagte seinen Stiefsohn missbraucht, wobei er überwiegend bei dem Nebenkläger masturbiert und weniger häufig den Oralverkehr ausgeübt habe. Einen Analverkehr habe der Angeklagte in maximal 40 Fällen versucht. Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung jeweils zulasten des Angeklagten den Zeitraum des Missbrauchs und die Anzahl der Missbrauchstaten berücksichtigt. Die angeklagten Taten seien lediglich eine "Teilmenge einer Vielzahl von Übergriffen, die aber zeitlich nicht mehr zu konkretisieren waren".
3
Diese strafschärfende Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen , dass der Angeklagte noch sonstige - bisher nicht abgeurteilte - Straftaten begangen hat; dies gilt allerdings nur, wenn diese Taten prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abzuschätzen sind und eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 1995 - 3 StR 179/95, BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 2; vom 9. Oktober 2003 - 4 StR 359/03, bei Pfister NStZ-RR 2004, 353, 359 Nr. 37; vom 2. Juli 2009 - 3 StR 251/09, NStZ-RR 2009, 306). Diesen Anforderungen genügen die pauschalen Feststellungen zu einer Vielzahl weiterer Missbrauchstaten im Tatzeitraum nicht. So kann den Darlegungen schon nicht hinreichend entnommen werden, in wie viel weiteren Fällen es zu sexuellen Übergriffen gekommen ist. Das Landgericht geht zwar von einem "durchschnittlich" zweimal in der Woche stattgefundenen Missbrauch aus. Da es diese Missbrauchstaten jedoch "zeitlich nicht konkretisieren" kann, ist auch das Landgericht offensichtlich davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht im gesamten Zeitraum zwischen dem 3. Juni 2004 und dem Jahr 2011 an dem Nebenkläger zweimal wöchentlich sexuelle Handlungen vorgenommen hat. Darüber hinaus lässt sich aufgrund der Feststellungen nicht ermessen, in welchem Umfang der Angeklagte sich nach welchen gesetzlichen Tatbeständen, denen jeweils ein unterschiedlicher Unrechtsgehalt zugrunde liegt, strafbar gemacht haben soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Nebenkläger am 2. Juni 2007 vierzehn Jahre und am 2. Juni 2009 sechzehn Jahre alt wurde. Auch sagt der Umstand, dass der Angeklagte in "maximal" 40 Fällen den Anal- verkehr versucht haben soll, nichts darüber aus, in wieviel Fällen es vor dem 14. Geburtstag des Nebenklägers wenigstens zu solchen Übergriffen kam. Die nicht näher eingrenzbare Möglichkeit weiterer, nicht angeklagter Taten durfte das Landgericht deshalb bei der Strafzumessung nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigen.
4
Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch auf dieser rechtsfehlerhaften Erwägung beruht; die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe können deshalb nicht bestehen bleiben.
5
Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass sexuelle Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, den Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB begründen. Dass solche Sexualpraktiken stattgefunden haben, darf deshalb als solches nicht straferschwerend berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 3 StGB).
Becker Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Spaniol

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.