Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2017 - 3 StR 249/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:220817B3STR249.17.0
bei uns veröffentlicht am22.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 249/17
vom
22. August 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:220817B3STR249.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 22. August 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zur rechtswidrigen Tat aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf eine Verfahrensbeanstandung und die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrüge versagt. Ob sie gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig erhoben ist, kann dahingestellt bleiben; jedenfalls ist sie, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, unbegründet.
3
2. Die Sachrüge führt zur Aufhebung der Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus.
4
a) Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
5
aa) Am Abend des 21. Juni 2016 entzündete der 41-jährige Beschuldigte in Selbsttötungsabsicht die Gardine des von ihm bewohnten Zimmers einer in einer städtischen Obdachlosenunterkunft befindlichen Drei-Zimmer-Wohnung. In der Folge brannte das Zimmer komplett aus, wobei der Fensterrahmen, die Fensterzarge, die Gardinenleiste und ein Türblatt Feuer fingen und selbständig brannten; die gesamte Wohnung war danach unbewohnbar. Für die Hausbewohner in den Obergeschossen bestand eine akute Gesundheitsgefahr, weil das Treppenhaus des Gebäudes - der Rettungsweg - in starkem Maße mit hochtoxischen Brandgasen durchzogen war. Die Folgen seines Handelns nahm der Beschuldigte billigend in Kauf.
6
Zur Tatzeit litt der Beschuldigte, der seit seinem 19. Lebensjahr regelmäßig ganz erhebliche Mengen an alkoholischen Getränken konsumiert und alkoholabhängig ist, an einer akuten psychotischen Symptomatik auf Grund einer durch Alkohol induzierten psychotischen Störung.
7
bb) Das Landgericht hat die verfahrensgegenständliche Tat als schwere Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB beurteilt. Es hat die alkoholinduzierte psychotische Störung als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB gewertet. Infolge der hierauf beruhenden akuten psychotischen Symptomatik sei das Steuerungsvermögen des Beschuldigten "aufgehoben und seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, jedenfalls eingeschränkt" gewesen (UA S. 7, 17, 20). Auf Grund der festgestellten, noch fortbestehenden Erkrankung des Beschuldigten sei auch in Zukunft mit hoher Wahr- scheinlichkeit zu erwarten, dass er rechtswidrige Taten - vergleichbar dem Anlassdelikt - begehen werde.
8
b) Sowohl die Wertungen zur Schuldunfähigkeit des Beschuldigten als auch diejenigen zu seiner Gefährlichkeit erweisen sich als rechtsfehlerhaft.
9
aa) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat auf Grund eines psychischen Defekts schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und des von ihm begangenen Anlassdelikts zu entwickeln; sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist der Tatrichter auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5; vom 29. April 2014 - 3 StR 171/14, juris Rn. 5; vom 16. September 2014 - 3 StR 372/14, juris Rn. 4; vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 594/16, juris Rn. 10; vom 21. Februar 2017 - 3 StR 535/16, juris Rn. 7).
10
bb) Die Annahme der Strafkammer, der Beschuldigte sei zur Tatzeit schuldunfähig gewesen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Es fehlen konkrete Feststellungen dazu, wie sich die zur Tatzeit bestehende alkoholinduzierte psychotische Störung auf den Beschuldigten und seine Handlungsmöglichkeiten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit auswirkte (s. hierzu BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2016 - 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 2. August 2016 - 2 StR 574/15, juris Rn. 6; vom 4. August 2016 - 4 StR 230/16, juris Rn. 13; vom 13. Oktober 2016 - 3 StR 351/16, juris Rn. 5).
11
(1) Die durch den psychischen Defekt hervorgerufene akute psychotische Symptomatik wird in den Urteilsgründen nicht näher präzisiert.
12
Zwar wird im Rahmen der Beweiswürdigung die Aussage der Zeugin B. , einer den Beschuldigten während der einstweiligen Unterbringung betreuenden Psychologin, wiedergegeben, der zufolge der Beschuldigte ihr gegenüber ca. ein halbes Jahr nach der Tat erklärt habe, er habe zur Tatzeit "Stimmen gehört" und "sich aus Angst … umbringen wollen" (UA S. 11). Ähnliches scheint die Zeugin Dr. N. , eine während der einstweiligen Unterbringung behandelnde Ärztin, bekundet zu haben, wenngleich der Inhalt ihrer Aussage etwas vage bleibt (vgl. UA S. 11 f.). Festgestellt hat die Strafkammer eine durch Stimmenhören ausgelöste Angst als Auslöser der Tat jedoch nicht, zumal im Rahmen der Beweiswürdigung ebenfalls mitgeteilt wird, der Beschuldigte habe "zu anderen Zeitpunkten mehrfach - aber gleichbleibend - eingestanden, sich nicht erinnern zu können" (UA S. 12). Als Konsequenz dessen hat sich die Strafkammer nicht näher damit auseinandergesetzt, inwieweit gerade diese auf psychotischem Erleben beruhende Tatmotivation das Unrechtsbewusstsein oder das Hemmungsvermögen des Beschuldigten zur Tatzeit beeinflusst hätte.
13
(2) Bereits im rechtlichen Ansatz ist zu beanstanden, dass die Strafkammer nicht unterschieden hat, inwieweit durch die - in den Urteilsgründen nicht präzisierte - akute psychotische Symptomatik die Fähigkeit des Beschuldigten, das Unrecht der Tat einzusehen, oder seine Fähigkeit betroffen war, nach dieser Einsicht zu handeln. Insoweit gilt:
14
Nimmt das Tatgericht eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters an, so ist seine Schuld gleichwohl nicht gemindert und § 21 StGB nicht anwendbar, wenn er das Unrecht seines Tuns im Tatzeitpunkt dennoch einsah; das Tatgericht hat vielmehr darüber zu befinden, ob die Einschränkung der Einsichtsfähigkeit auch tatsächlich zum Fehlen der Unrechtseinsicht führte und dem Täter dies vorzuwerfen ist; nur wenn beides zu bejahen ist, greift § 21 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. April 2005 - 2 StR 124/05, RuP 2006, 101; vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15, NStZ-RR 2015, 273 f.; vom 2. August 2016 - 2 StR 574/15, juris Rn. 6). Eine aufgehobene oder erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ist grundsätzlich erst zu prüfen, wenn der Täter das Unrecht der Tat einsah oder zumindest einsehen konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. September 1986 - 4 StR 470/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1; vom 28. August 2012 - 3 StR 304/12, juris Rn. 6; vom 13. August 2013 - 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369).
15
Diesen Vorgaben werden die eher knappen Urteilsausführungen zum Einfluss des festgestellten psychischen Defekts auf die Schuldfähigkeit zur Tatzeit nicht gerecht. Schon die Formulierung, das Steuerungsvermögen des Beschuldigten sei aufgehoben und seine Einsichtsfähigkeit jedenfalls eingeschränkt gewesen, lässt hier besorgen, dass die Strafkammer von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist. Auch die weiteren Urteilsausführungen deuten auf ein Verständnis der Strafkammer hin, wonach eine Differenzierung zwischen den Voraussetzungen der Einsichts- und der Steuerungsfä- higkeit nicht geboten ist; eine Subsumtion der psychischen Befindlichkeit des Beschuldigten unter diese Merkmale der §§ 20, 21 StGB findet nicht statt. Vielmehr ist die Kammer ohne nähere Darlegung davon ausgegangen, dass sowohl die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten - gegebenenfalls - als auch sein Hemmungsvermögen - sicher - aufgehoben waren.
16
Psychische Störungen, bei denen der Täter weder einsichts- noch steuerungsfähig ist, stellen jedoch allenfalls Ausnahmen dar (s. etwa BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 - 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167, 168; ferner BGH, Beschluss vom 13. August 2013 - 2 StR 128/13, aaO); jedenfalls bedarf das Vorliegen eines solchen Sonderfalls eingehender Begründung.
17
(3) Nach alledem vermag der Senat dem Generalbundesanwalt nicht darin zu folgen, dass sich "dem Gesamtkontext des Urteils ... noch hinreichend klar" entnehmen lasse, das Landgericht sei - allein - von der Aufhebung der Steuerungsfähigkeit ausgegangen.
18
cc) Die Gefährlichkeitsprognose der Strafkammer begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
19
(1) Eine zukünftig vom Beschuldigten ausgehende Gefahr ist nicht ausreichend dargetan. Die Strafkammer hat sich dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. K. unter ergänzender Berücksichtigung der Aussagen sachverständiger Zeugen angeschlossen und seine Prognose im Wesentlichen darauf gestützt, dass beim Beschuldigten seit dem Jahr 2004 psychotische Episoden bekannt seien, er nicht krankheitseinsichtig sei, es daher an der Behandlungsmotivation und -treue bei zugleich ausgeprägtem Suchtdruck mangele und eine Komorbidität mit weiteren Erkrankungen bestehe (vgl. UA S. 21 ff.).
20
Nicht in seine Überlegungen mit einbezogen hat die Strafkammer das strafrechtlich relevante Vorleben des Beschuldigten. Er ist lediglich einmal vorbestraft : Ca. acht Monate vor der verfahrensgegenständlichen Tat war er wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt worden. Sonstiges delinquentes Verhalten, das wegen Schuldunfähigkeit nicht hätte geahndet werden können, ist nicht festgestellt. Bei der Anlasstat handelt es sich mithin um das erste schwerwiegende Delikt, das dem Beschuldigten zur Last fällt, obwohl er schon zuvor über eine Zeitspanne von zwölf Jahren hinweg unter psychotischen Episoden bei fortwährender multipler Substanzabhängigkeit , insbesondere Alkoholsucht, litt. Dies hätte die Strafkammer erörtern müssen , anderenfalls der Gefahrenprognose von vornherein die notwendige Tatsachenfundierung fehlt; denn es ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger erheblicher Straftaten, wenn ein Täter trotz bestehenden psychischen Defekts jahrelang keine oder nur geringfügige rechtswidrige Taten begangen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; vom 13. Dezember 2011 - 5 StR 422/11, StV 2012, 209; vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, StV 2013, 206, 207 f.; vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 7; vom 8. Januar 2014 - 5 StR 602/13, StV 2015, 218, 219).
21
(2) Darüber hinaus hat die Strafkammer im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose rechtsfehlerhaft das Schweigen des Beschuldigten zu seinen Lasten gewürdigt.
22
Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass der Beschuldigte sich in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hat. Zwar ist dies nicht explizit dokumentiert. Jedoch werden von ihm abgegebene Erklärungen zur Sache - was zu erwarten gewesen wäre (s. auch LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 61 mwN) - nicht mitgeteilt; sämtliche Feststellungen zu seinen persönlichen Ver- hältnissen und zum Tatvorwurf werden im Rahmen der Beweiswürdigung mittels Zeugen- und Sachverständigenbeweis belegt.
23
Die Gefahr, dass der Beschuldigte künftig erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, hat die Strafkammer unter anderem mit diesem Schweigen begründet. Sie hat sich die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen zu Eigen gemacht, wonach für die Prognose "besonders negativ ... ins Gewicht" falle, "dass der Beschuldigte bisher und auch im Laufe der Hauptverhandlung keine Bereitschaft gezeigt habe, sich mit der Anlasstat kritisch auseinanderzusetzen" (UA S. 22). Es ist aber unzulässig, daraus, dass der Beschuldigte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, für ihn ungünstige Schlüsse auf seine Gefährlichkeit zu ziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2004 - 4 StR 452/04, juris Rn. 17; vom 15. Januar 2015 - 4 StR 419/14, juris Rn. 16; MüKoStGB/van Gemmeren, 3. Aufl., § 63 Rn. 99 mwN).
24
3. Folglich bedarf die Sache der neuen Verhandlung und Entscheidung. Hiervon ausgenommen sind allerdings die Feststellungen zur - vom Landgericht zutreffend als schwere Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB beurteilten - rechtswidrigen Tat, die auf einer mangelfreien Beweiswürdigung beruhen und von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen sind; sie können bestehen bleiben (s. § 353 Abs. 2 StPO). Becker Gericke Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Berg

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 2 StR 94/13, juris mwN). All dies gilt uneingeschränkt auch dann, wenn die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt wird; insbesondere sind auch in diesem Fall an die vorausgesetzte Gefährlichkeit des Täters keine geringeren Anforderungen zu stellen. Der Tatrichter muss die die Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13 juris).
10
aa) Die für die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades, der Täter werde infolge seines fortdauernden psychischen Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. September 2015 – 2StR 239/15; vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f. und vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16 Rn. 15 mwN); die Prognose muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12 Rn. 27 sowie BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Einzustellen in die Gefährlichkeitsprognose ist die konkrete Krankheitsund Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können (BGH aaO mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 521/15
vom
28. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280116B3STR521.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 29. Juni 2015 - mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung - mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zu den äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen, der Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz , der Körperverletzung in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz sowie der Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat wegen eines Teils der De- likte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und wegen der übrigen Straftaten auf eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten erkannt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen und der Unterbringung hat es zur Bewährung ausgesetzt. Schließlich hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen leidet der Angeklagte an einer paranoid-psychotischen Störung bei affektiver Grunderkrankung mit umschriebener Wahnbildung. Die affektive Grunderkrankung verursacht überwiegend manische, teils auch depressive Phasen. In der Zeit vom 20. November 2010 bis zum 22. September 2013 beging er die abgeurteilten Übergriffe gegen Polizeibeamte, einen Bekannten und Familienangehörige. Die Strafkammer hat dem gehörten Sachverständigen folgend für den gesamten Tatzeitraum nicht auszuschließen vermocht, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund seiner Grunderkrankung erheblich eingeschränkt war; bei einem Teil der Taten hat sie eine solche Einschränkung positiv festgestellt. Bei zwei Vorfällen hat sie nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben und seine Einsichtsfähigkeit erheblich eingeschränkt war.
3
2. Der Schuldspruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben; denn die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft. Letzteres bedingt auch die Aufhebung des Strafausspruchs und der Unterbringungsanordnung.
4
a) Wenn sich das Tatgericht - wie hier - darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss es dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht:
5
Das Landgericht hat es bereits unterlassen, das vom Sachverständigen diagnostizierte Störungsbild einem der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zuzuordnen. Sodann fehlt die Darlegung, wie die paranoid-psychotische Störung auf den Angeklagten und seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen eingewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 - 3 StR 274/14, juris Rn. 4). Die §§ 20, 21 StGB setzen voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit "bei Begehung der Tat" aufgehoben bzw. erheblich vermindert sind. Die Schuldfähigkeit ist deshalb in Bezug auf jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts - oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146). Hierauf kann allein unter Hinweis auf die allgemeine Diagnose nicht verzichtet werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. August 2013 - 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 2. Oktober 2007, aaO), denn deren Feststellung ist insbesondere auch bei bipolaren Störungen, bei denen eine große Bandbreite von Ausprägungen und Schweregraden besteht, für die Frage der Schuldfähigkeit nicht ausreichend aussagekräftig. In manischen Phasen kann es, je nach Ausprägung und Schwere, zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, aber auch der Ein- sichtsfähigkeit kommen. Vor diesem Hintergrund genügen die Ausführungen in den Urteilsgründen nicht, die sich in den Verurteilungsfällen insoweit im Wesentlichen in der Mitteilung im Rahmen der Beweiswürdigung erschöpfen, der Sachverständige habe bei vier Taten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit positiv festgestellt und im Übrigen auf der Grundlage der festgestellten Grunderkrankung nicht ausschließen können, dass der Angeklagte im gesamten Tatzeitraum krankheitsbedingt in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen sei.
6
b) Da deshalb weder auszuschließen ist, dass der Angeklagte in den Verurteilungsfällen voll schuldfähig war, noch dass er im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, muss über den Schuldspruch und die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat insgesamt neu verhandelt und entschieden werden. Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Aufhebung auch des freisprechenden Teils des Urteils nicht; denn nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist es möglich, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen (BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2015 - 4 StR 293/15, NStZ-RR 2015, 315, 316; vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1). Die jeweiligen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bei den einzelnen Taten beruhen auf einer mangelfreien Beweiswürdigung und sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Der Adhäsionsausspruch unterliegt ebenfalls nicht der Aufhebung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 406a Rn. 8 mwN).
7
3. Im Übrigen ist das neue Tatgericht auf Folgendes hinzuweisen:
8
a) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen der Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz verurteilt hat, belegen die bisherigen Feststellungen in den Fällen II. 2. und II. 3. der Urteilsgründe bereits die Voraussetzungen des § 4 GewSchG nicht. Die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 GewSchG setzt u.a. voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt; an die Entscheidung des Familiengerichts ist es insoweit nicht gebunden (BGH, Beschluss vom 28. November 2013 - 3 StR 40/13, BGHSt 59, 94). Tragfähige diesbezügliche Ausführungen enthalten die bisherigen Urteilsgründe - auch in ihrem Gesamtzusammenhang - nicht.
9
b) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN). Der Tatrichter muss die eine Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5). Hieran gemessen erscheinen die bisherigen, eher knappen Urteilsausführungen nicht bedenkenfrei.
10
c) Sollte das neue Tatgericht für die einzelnen Taten ebenfalls Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten verhängen, wird es § 47 StGB und die diesbezüglichen Darlegungsanforderungen zu beachten haben.
Becker Schäfer Gericke
Spaniol Tiemann
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann für die Anwendung der §§ 20, 21 StGB schon regelmäßig nicht offen bleiben, welche der Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB gegeben ist (vgl. Senat, Beschluss vom 12. November 2004 - 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 351 mwN). Der Tatrichter ist gehalten, konkrete Feststellungen zu den handlungsleitenden Auswirkungen der Störung zu den jeweiligen Tatzeitpunkten zu treffen (vgl. § 20 StGB). Deswegen darf auch nicht offen bleiben, ob die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit des Täters vermindert war (vgl. Senat, aaO, BGHSt 49, 347, 356 ff.). Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Juli 2002 - 2 StR 198/02, NStZ-RR 2002, 328; BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6) während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15; NStZ-RR 2015, 273; Senat, Urteil vom 17. April 2014 - 2 StR 405/12, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 4 mwN). Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne Weiteres zur Anwendung des § 21 StGB. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen hat der Tatrichter sich deshalb Klarheit darüber zu verschaffen, welche Alternative des § 21 StGB vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15; NStZ-RR 2015, 273, 274; Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6). Das hat das Landgericht versäumt.
13
Die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung , in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZRR 2014, 305, 306; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 24. April 2012 - 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Feststellungen dazu, ob und in welcher Weise die paranoid-halluzinatorische Psychose des Angeklagten Auswirkungen auf die Begehung der Diebstahlstat am 31. August 2013 hatte, hat das Landgericht nicht getroffen. Der Umstand, dass der Angeklagte bei der Tat in Rucksack und Hosentasche zwei Messer mit sich führte, lässt Rückschlüsse auf eine Beeinflussung der Tat durch die psychische Erkrankung des Angeklagten nicht zu. Soweit die Urteilsgründe in diesem Kontext auf psychosebedingte Verfolgungsideen des Angeklagten verweisen, entbehrt dies zudem einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Während der psychiatrische Sachverständige für seinen entsprechenden Befund die Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr. G. als Anknüpfungstatsachen herangezogen hat, geben die im Urteil wiedergegebenen Angaben dieses Zeugen in der Hauptverhandlung für ein nachhaltiges Verfolgungserleben des Angeklagten keinen Anhalt.
5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn u.a. zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Das Tatgericht muss die die Unter- bringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2014 - 3 StR 113/14, juris Rn. 5; vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5). Das Tatgericht ist insbesondere gehalten, konkrete Feststellungen zu den handlungsleitenden Auswirkungen der Störung zu den jeweiligen Tatzeitpunkten zu treffen (BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2016 - 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 2. August 2016 - 2 StR 574/15, juris Rn. 6).

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 8 1 / 1 5
vom
30. Juni 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. Juni 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 25. Februar 2015 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den Taten Ziffer III. der Urteilsgründe aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Die Feststellungen des Landgerichts zu den Taten des Beschuldigten beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
3
2. Die Anordnung der Unterbringung muss aufgehoben werden, da das Landgericht die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei entschieden hat.
4
a) Nach den Darlegungen des Landgerichts war die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bei den Taten III. 1. c) aa) und bb), III. 1 b) bb), III. 3. b) aa) der Urteilsgründe (Nr. 1 bis 4, 7 der Antragsschrift) aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie höchstwahrscheinlich ausgeschlossen, sicher aber erheblich beeinträchtigt, die Steuerungsfähigkeit hingegen vollständig erhalten geblieben.
5
Damit ist die gesetzliche Voraussetzung (vgl. § 63 StGB), dass der Beschuldigte diese fünf Taten im Zustand sicher festgestellter zumindest eingeschränkter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen hat, nicht belegt. Nimmt der Tatrichter eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters an, so muss er darüber befinden, ob diese sodann zum Fehlen der Unrechtseinsicht geführt oder ob der Täter gleichwohl das Unrecht der Tat eingesehen hat (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 13. November 1990 - 1 StR 514/90, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 3; vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6; Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, juris Rn. 7). Hat ihm die Einsicht gefehlt, so ist weiter zu prüfen, ob ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann. Ist ihm das Fehlen nicht vorwerfbar, so ist auch bei nur verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anwendbar. Nur wenn dem Täter die Einsicht gefehlt hat, dies ihm aber zum Vorwurf gemacht werden kann, lägen die Voraussetzungen des § 21 StGB in den Fällen verminderter Einsichtsfähigkeit vor. Hat dagegen der Angeklagte ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen, so ist seine Schuld nicht gemindert und § 21 StGB im Hinblick auf die verminderte Einsichtsfähigkeit nicht anwendbar (BGH, Beschluss vom 30. September 2014 - 3 StR 261/14, juris Rn. 3).
6
b) Gleiches gilt im Ergebnis für die übrigen drei Taten, bei denen das Landgericht neben der erheblichen Verminderung der Einsichtsfähigkeit auch eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten festgestellt hat. Die Anwendung des § 21 StGB kann nicht auf beide Alternativen - erheblich verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit - zugleich gestützt werden. Wie dargelegt ist eine verminderte Einsichtsfähigkeit strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat, während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne Weiteres zur Anwendung des § 21 StGB. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen hat der Tatrichter sich deshalb Klarheit darüber zu verschaffen, welche Alternative des § 21 StGB vorliegt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6 mwN). Ein Fall, in dem das Revisionsgericht ausnahmsweise aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe sicher entnehmen kann, dass das Landgericht von erhalten gebliebener Einsicht des Beschuldigten in das Tatunrecht ausgegangen ist, liegt nicht vor.
7
c) Über die psychische Befindlichkeit des Beschuldigten bei den Taten, deren Einfluss auf die Schuldfähigkeit und ggf. über die weiteren Voraussetzungen der Unterbringung nach § 63 StGB muss deshalb erneut befunden werden.
8
3. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden Bemerkungen :
9
a) Sollte die erneute Überprüfung ergeben, dass eine verminderte Schuldfähigkeit bei einzelnen oder allen Taten nicht allein auf einer Schizophrenie des Beschuldigten beruht, sondern auf dessen Alkoholabhängigkeit und Polytoxikomanie, so wäre auf die in solchen Fällen geltenden besonderen Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42) Bedacht zu nehmen. Den bisherigen Wertungen zur Schuldfähigkeit bei den Taten 5, 6 und 8 der Antragsschrift (UA S. 42 f.) lässt sich allerdings entnehmen , dass die Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit bereits allein auf die Psychose gestützt werden sollte und der Alkoholisierung lediglich noch eine verstärkende Wirkung zugemessen wurde.
10
b) Die Taten III. 1. b) bb) sowie III. 2. a) aa) der Urteilsgründe (Nr. 3, 4 und 5 der Antragsschrift) scheiden entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil nicht deshalb als Anlasstaten für eine Unterbringung aus, weil der Beschuldigte krankheitsbedingt den subjektiven Tatbestand nicht erfüllt hat. Es berührt den natürlichen Tatvorsatz nicht, wenn der Täter infolge seines Zustands Tatsachen verkennt, die jeder geistig Gesunde richtig erkannt hätte (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2008 - 3 StR 222/08, NStZ-RR 2008, 334; Beschluss vom 18. Juni 2014 - 5 StR 189/14, juris mwN). Diese Taten können deshalb grundsätzlich zum Anlass für eine neuerliche Unterbringung gemacht werden (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann für die Anwendung der §§ 20, 21 StGB schon regelmäßig nicht offen bleiben, welche der Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB gegeben ist (vgl. Senat, Beschluss vom 12. November 2004 - 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 351 mwN). Der Tatrichter ist gehalten, konkrete Feststellungen zu den handlungsleitenden Auswirkungen der Störung zu den jeweiligen Tatzeitpunkten zu treffen (vgl. § 20 StGB). Deswegen darf auch nicht offen bleiben, ob die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit des Täters vermindert war (vgl. Senat, aaO, BGHSt 49, 347, 356 ff.). Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Juli 2002 - 2 StR 198/02, NStZ-RR 2002, 328; BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6) während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15; NStZ-RR 2015, 273; Senat, Urteil vom 17. April 2014 - 2 StR 405/12, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 4 mwN). Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne Weiteres zur Anwendung des § 21 StGB. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen hat der Tatrichter sich deshalb Klarheit darüber zu verschaffen, welche Alternative des § 21 StGB vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15; NStZ-RR 2015, 273, 274; Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6). Das hat das Landgericht versäumt.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

6
3. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, widerspruchsfrei darzulegen , worauf die angenommene Schuldunfähigkeit des Beschuldigten beruht. Dies ist bislang nicht geschehen. Auf eine Erörterung, ob fehlende Einsicht oder fehlende Steuerungsfähigkeit die Schuldunfähigkeit begründet haben, kann nicht verzichtet werden. Der Schuldausschluss kann grundsätzlich nicht auf beide Alternativen des § 20 StGB gestützt werden. Die Frage der Steuerungsfähigkeit ist erst dann zu prüfen, wenn der Täter das Unrecht der Tat eingesehen hat oder einsehen konnte (BGH, Beschluss vom 9. September1986 - 4 StR 570/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Psychische Störungen, bei denen sowohl die Einsichts- als auch die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sind, stellen die Ausnahme dar (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 - 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 128/13
vom
13. August 2013
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. August 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 12. Dezember 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat angeordnet, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach Überzeugung der sachverständig beratenen Strafkammer befand sich der Beschuldigte aufgrund einer zur Tatzeit akuten schizophrenen Psychose bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Körperverletzungsde- likte in einem Zustand, in dem „nicht auszuschließen“ sei, dass seine Steuerungsfähigkeit vollständig aufgehoben war (§ 20 StGB); „unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes“ hat das Landgericht hingegen „gesichert“ festgestellt, „dass der Beschuldigte in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert ge- wesen sei (§ 21 StGB)“ (UA S. 19). Infolge seines Zustands seien auch in Zu- kunft von dem Beschuldigten, der aufgrund seines „systematischen Wahns“ (UA S. 21) keine Krankheitseinsicht zeige und jede medizinische Behandlung ablehne, “ähnlich gelagerte Gewaltdelikte“ (UA S. 20) zu erwarten.
3
2. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt.
4
Allein die Diagnose einer Schizophrenie führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. auch Senatsbeschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307 mwN). Erforderlich ist stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichtsoder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146 mwN). Soweit der Sachverständige und ihm folgend die Strafkammer darauf abstellt, dass „insbesondere der paranoid-halluzinatorische Einschlag der Psychose des Beschuldigten für diesen den Zwang verursacht habe, sich im Rahmen seiner paranoiden Wahr- nehmung zu wehren“ (UA S. 19),ist eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nicht ausreichend klar dargelegt.
5
Bei akuten Schüben einer Schizophrenie ist in der Regel davon auszugehen , dass der Betroffene schuldunfähig ist, weil bereits die Einsichtsfähigkeit aufgehoben sein wird (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146 mwN; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 9a). Bei erhaltener Unrechtseinsicht kann zwar auch (allein) die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sein (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 14. Juli 2010 – 2 StR 278/10). Die Frage der Steuerungsfähigkeit ist aber erst dann zu prüfen, wenn der Täter das Unrecht der Tat eingesehen hat oder einsehen konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 2012 – 3 StR 304/12 und vom 9. September 1986 – 4 StR 470/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Psychische Störungen, bei denen sowohl die Einsichts- als auch die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sind, stellen hingegen die Ausnahme dar (vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 2006 – 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167, 168). Das Landgericht hat sich erkennbar nicht mit solchen Fallkonstellationen auseinandergesetzt.
6
Die Unterbringungsanordnung kann auch nicht auf die Prognose des Revisionsgerichts gestützt werden, dass die erneute Hauptverhandlung keinesfalls volle Schuldfähigkeit ergeben und daher in jedem Falle wieder ein Ergebnis haben wird, das eine Unterbringung erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, aaO). Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB bedarf daher insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter.
7
3. Sollte gemäß § 416 Abs. 2 StPO das Sicherungsverfahren in das Strafverfahren überzuleiten sein (zur Möglichkeit einer Überleitung nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 416 Rn. 5 mwN), wird auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO hingewiesen. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 128/13
vom
13. August 2013
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. August 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 12. Dezember 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat angeordnet, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach Überzeugung der sachverständig beratenen Strafkammer befand sich der Beschuldigte aufgrund einer zur Tatzeit akuten schizophrenen Psychose bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Körperverletzungsde- likte in einem Zustand, in dem „nicht auszuschließen“ sei, dass seine Steuerungsfähigkeit vollständig aufgehoben war (§ 20 StGB); „unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes“ hat das Landgericht hingegen „gesichert“ festgestellt, „dass der Beschuldigte in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert ge- wesen sei (§ 21 StGB)“ (UA S. 19). Infolge seines Zustands seien auch in Zu- kunft von dem Beschuldigten, der aufgrund seines „systematischen Wahns“ (UA S. 21) keine Krankheitseinsicht zeige und jede medizinische Behandlung ablehne, “ähnlich gelagerte Gewaltdelikte“ (UA S. 20) zu erwarten.
3
2. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt.
4
Allein die Diagnose einer Schizophrenie führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. auch Senatsbeschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307 mwN). Erforderlich ist stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichtsoder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146 mwN). Soweit der Sachverständige und ihm folgend die Strafkammer darauf abstellt, dass „insbesondere der paranoid-halluzinatorische Einschlag der Psychose des Beschuldigten für diesen den Zwang verursacht habe, sich im Rahmen seiner paranoiden Wahr- nehmung zu wehren“ (UA S. 19),ist eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nicht ausreichend klar dargelegt.
5
Bei akuten Schüben einer Schizophrenie ist in der Regel davon auszugehen , dass der Betroffene schuldunfähig ist, weil bereits die Einsichtsfähigkeit aufgehoben sein wird (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146 mwN; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 9a). Bei erhaltener Unrechtseinsicht kann zwar auch (allein) die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sein (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 14. Juli 2010 – 2 StR 278/10). Die Frage der Steuerungsfähigkeit ist aber erst dann zu prüfen, wenn der Täter das Unrecht der Tat eingesehen hat oder einsehen konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 2012 – 3 StR 304/12 und vom 9. September 1986 – 4 StR 470/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Psychische Störungen, bei denen sowohl die Einsichts- als auch die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sind, stellen hingegen die Ausnahme dar (vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 2006 – 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167, 168). Das Landgericht hat sich erkennbar nicht mit solchen Fallkonstellationen auseinandergesetzt.
6
Die Unterbringungsanordnung kann auch nicht auf die Prognose des Revisionsgerichts gestützt werden, dass die erneute Hauptverhandlung keinesfalls volle Schuldfähigkeit ergeben und daher in jedem Falle wieder ein Ergebnis haben wird, das eine Unterbringung erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, aaO). Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB bedarf daher insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter.
7
3. Sollte gemäß § 416 Abs. 2 StPO das Sicherungsverfahren in das Strafverfahren überzuleiten sein (zur Möglichkeit einer Überleitung nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 416 Rn. 5 mwN), wird auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO hingewiesen. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng
5 StR 422/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 18. Juli 2011 mit den zugehörigen Feststellungen nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist, sowie im Maßregelausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Gegen den Schuldspruch ist rechtlich nichts zu erinnern. Entgegen den Einwendungen der Revision hat das sachverständig beratene Landgericht eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) zutreffend namentlich mit der Begründung ausgeschlossen, dass dieser in- nehalten konnte, nachdem er wieder in den Besitz des Personalausweises gelangt war.
3
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Die Annahme des für § 63 StGB erforderlichen dauerhaften Defekts mit Krankheitswert (vgl. dazu BGH, Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 26 f.; Beschlüsse vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385 f., und vom 8. Juli 1999 – 4 StR 269/99, NStZ 1999, 611, 612) ist allerdings nicht zu beanstanden. Dass bei dem Angeklagten nicht nur eine – für sich nicht ausreichende – dauerhafte Disposition besteht, in bestimmten , ihn belastenden Situationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Affektverarbeitung in den Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu geraten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2001 – 3 StR 373/01, NStZ 2002, 142, vom 24. September 1997 – 2 StR 443/97, BGHR StGB § 63 Zustand 27, und vom 1. September 1998 – 4 StR 367/98), wird von den Feststellungen getragen. Danach hat die diagnostizierte schwere Persönlichkeitsstörung des emotional-instabilen Typus (ICD 10: F 61.0) bei ihm bereits seit früher Kindheit zu beträchtlichen Einschränkungen der gesamten Lebensführung bis hin zur Verwahrlosung geführt.
5
b) Der Maßregelausspruch kann gleichwohl nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die weiter vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat. Die außerordentlich beschwerende Maßregel der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus setzt eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades voraus, dass von dem Betroffenen in Zukunft rechtswidrige Taten von Erheblichkeit zu erwarten sind; die bloße Möglichkeit genügt dementsprechend nicht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 15. Juli 1992 – 5 StR 333/92, NStZ 1992, 538, vom 8. Juli 1999 – 4 StR 269/99, NStZ 1999, 611, 612, und vom 16. Juli 2008 – 2 StR 161/08, Rn. 7; jeweils mwN).
6
Vier – vergleichsweise nicht sehr schwer wiegende und dementsprechend durchgehend mit Geldstrafe geahndete – Körperverletzungsdelikte hat der Angeklagte im Zeitraum von 2004 bis 2008 begangen. Auch die Anlasstat liegt in diesem Zeitraum. Zuvor und danach musste er trotz seines Defekts nicht verurteilt werden. Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung, dass länger währende Straffreiheit als gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten heranzuziehen ist (BGH NStZ 1999 aaO; LK/Schöch, 12. Aufl., § 63 Rn. 74).
7
Das Landgericht hat dies im Grundsatz auch nicht verkannt und stützend auf aggressives Verhalten des Angeklagten bei der psychiatrischen Exploration und im Vorfeld des zweiten Hauptverhandlungstags verwiesen. Indessen hat dieser seine Aggressionen im Zuge der Exploration zu beherrschen vermocht; am zweiten Hauptverhandlungstag konnte er Gleiches aufgrund vorsorglich vorgenommener Fesselung nicht unter Beweis stellen. Hinzu kommt, dass krankheitstypische Aggressionen, die Ausfluss solcher Belastungssituationen sind, nur eingeschränkt als Beleg für die allgemeine Gefährlichkeit des Betroffenen gelten können (vgl. zu Taten während einer strafrechtlichen Unterbringung LK/Schöch, aaO, § 63 Rn. 84 mwN).
8
3. Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung hat die Strafkammer maßgebend mit der Gefährlichkeit des Angeklagten begründet. Sie kann aus den vorgenannten Gründen schon deshalb nicht bestehen bleiben. Der Senat weist für die neu anzustellende Sozialprognose darauf hin, dass der Angeklagte bislang noch nicht zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Dass ihm nicht allein die Verurteilung zu Freiheitsstrafe in Verbindung mit entsprechenden Bewährungsweisungen und -auflagen hinreichende Warnung für künftige Legalbewährung sein kann, versteht sich daher nicht von selbst. Auch die wenig nachdrückliche Führung des Strafverfahrens in den Jahren 2009 und 2010 und die Straffreiheit des Angeklagten seit der verfahrensgegenständlichen Tat können hierbei nicht außer Betracht bleiben.
9
4. Sofern das neu entscheidende Tatgericht die Voraussetzungen des § 63 StGB bejahen sollte, wird – bei gegebener Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung – im Rahmen einer etwaigen Aussetzungsentscheidung nach § 67b Abs. 1 Satz 1 StGB eingehender als bislang nach alternativen, den Angeklagten weniger beschwerenden Weisungsoder Unterbringungsmöglichkeiten zu suchen sein.
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 224/12
vom
4. Juli 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juli 2012 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 16. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Beschuldigte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen trat der obdachlose Beschuldigte am 16. November 2010 in der Innenstadt von P. gegen einen Stromkasten. Als er deshalb von den Zeugen A. und H. He. zur Rede gestellt wurde, reagierte er mit den Worten: „Halt's Maul, sonst steche ich euch ab“. Anschließend entfernte er sich. Als ihm die beiden Zeugen und zwei weitere Personen nachliefen, blieb der Beschuldigte stehen, zog mit der rechten Hand ein Messer und richtete es auf seine Verfolger. Dabei rief er: „Haut ab, oder ich steche euch alle ab“ und fuchtelte mit dem Messer hin und her. Kurze Zeit später erschien die zwischenzeitlich alarmierte Polizei. Der Aufforderung, das Messer fallenzulassen , kam der Beschuldigte nicht nach, sodass schließlich gegen ihn Pfefferspray eingesetzt und zu seiner Entwaffnung körperliche Gewalt angewendet werden musste (Fall II. 1). Am 7. Dezember 2010 bezeichnete der Beschuldigte während einer gemeinsamen Zugfahrt die Zeugin S. ohne jeden Anlassals „Hure“ und „Schlampe“. Zugleich trat er ihr mit dem Fuß gegen den rechten Unterschenkel, wobei er schwere, massive Stiefel trug. Als ihn die Zeugin auf sein Verhalten ansprach, äußerte er „Ich bringe dich um“ und „Ich mache dich kalt“. Die Zeugin erlitt durch den Tritt mehrere Tage andauernde, nicht unerheb- liche Schmerzen und einen Schock. Auf der von der Polizei begleiteten Weiterfahrt kam es bei ihr mehrfach zu Weinkrämpfen (Fall II. 2). Am 23. März 2011 versetzte der Beschuldigte in F. auf offener Straße einer ihm unbekannten Schülerin, die sich mit zwei Mitschülerinnen auf dem Nachhauseweg befand, einen massiven Tritt in den Rücken. Dabei trug er erneut schwere Schnürstiefel. Da der Tritt durch den Schulranzen gedämmt wurde, kam es nicht zu länger andauernden Schmerzen. Die Schülerin erlitt einen Weinkrampf und war – wie ihre beiden Begleiterinnen – von dem Verhalten des Beschuldigten geschockt (Fall II. 3). Am 26. Oktober 2011 zeigte der Beschuldigte in der P. Innenstadt einem Polizeibeamten den ausgestreckten Mittelfinger und bezeich- nete ihn bei der anschließenden Personalienfeststellung als „Arschloch“ (Fall II. 4). Das Landgericht hat die festgestellten Vorfälle als Bedrohung (Fall II. 1), vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung (Fall II. 2), vorsätzliche Körperverletzung (Fall II. 3) und Beleidigung (Fall II. 4) gewertet.
3
Dem Gutachten des angehörten Sachverständigen folgend geht das Landgericht davon aus, dass der Beschuldigte „seit vielen Jahren“ an einer paranoiden Schizophrenie mit chronischem Residuum leidet. Aufgrund der Erkrankung treten bei ihm unterschiedlich akzentuierte Symptome wahnhafter Überzeugtheit auf. Die dadurch generierten Impulse werden von ihm, dem Grundmuster der festgestellten Taten entsprechend, in aggressiv feindseliger Weise umgesetzt. Stationären Aufenthalten in psychiatrischen Krankenhäusern in den Jahren 1987, 1994 und 1995 gingen jeweils „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ voraus, insbesondere auf Waldwegen, zumTeil mit Messern, durch Schubsen oder Fußtritte sowie Bedrohungen. Ein gegen den Beschuldigten im Jahr 1994 wegen des Verdachts der Körperverletzung geführtes Ermittlungsverfahren wurde wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Aufgrund dieser Erkrankung war die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei sämtlichen Taten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erheblich beeinträchtigt (§ 21 StGB) und nicht ausschließbar aufgehoben (§ 20 StGB).
4
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet, weil die unter II. 1 bis II. 3 festgestellten Taten dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen seien und davon auszugehen sei, dass der Angeklagte ohne Intervention auch in Zukunft ähnlich gelagerte Taten begehen werde.
5
2. Diese Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass von dem Beschuldigten aufgrund seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 63 StGB).
6
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist aufgrund ihrer zeitlichen Unbegrenztheit eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Sie darf deshalb nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 7. Januar 1997 – 5 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 230).
7
Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Dabei kann sich – wie in aller Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits allein aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergeben, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564; Beschluss vom 24. November 2004 – 1 StR 493/04, NStZ-RR 2005, 72, 73). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens dagegen nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304).
8
Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73,

74).


9
b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht tragfähig begründet.
10
Im Grundsatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die gewalttätigen Übergriffe des Beschuldigten in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe von erheblichem Gewicht sind. Dass auch eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Beschuldigte künftig diesen Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, hat es jedoch nicht hinreichend dargelegt.
11
Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts beruht auf der Erwägung, dass es sich bei den für die Anlasstaten ursächlichen psychotischen Impulsen um ein Symptom der bei dem Beschuldigten schon seit 1987 bestehenden Grunderkrankung handelt, das aufgrund seines regelhaften Auftretens auch in Zukunft immer wieder zu gleich gelagerten Taten führen wird (UA 7). Bei dieser Sachlage hätte es näherer Erörterung bedurft, warum der Beschuldigte in der Vergangenheit nicht häufiger durch Aggressionsdelikte in Erscheinung getreten ist und welche prognoserelevanten Schlüsse hieraus zu ziehen sind. Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit

27).


12
Die Feststellung, dass den stationären Aufenthalten des Beschuldigten in den Jahren 1987, 1994 und 1995 „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ vorausgegangen sind, ist ohne Aussagekraft, weil es an einer nachvollziehbaren Darstellung einzelner Vorfälle und ihrer Genese fehlt. Gleiches gilt für den Vorgang, der dem wegen Körperverletzung geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Straubing aus dem Jahr 1994 zugrunde lag, das wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden ist. Grundsätzlich kann auch lange zurückliegenden Taten eine indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose zukommen (BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11, Rn. 14; vgl.BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, BeckRS 2008, 13076, insoweit in NStZ 2008, 563 nicht abgedruckt), doch setzt dies regelmäßig voraus, dass diese Taten in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und ihre Ursache nicht vornehmlich in anderen nicht krankheitsbedingten Umständen zu finden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 540/01, BeckRS 2001, 30228853). Dies ist in den Urteilsgründen darzustellen und mit Tatsachen zu belegen.
13
Soweit das Landgericht auch die Todesdrohungen zum Nachteil der Zeugen He. (Fall II. 1) der mittleren Kriminalität zugeordnet hat, wird dies von den Feststellungen nicht belegt. Todesdrohungen gehören nur dann zu den erheblichen Straftaten, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202, 203; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dass die bedrohten Zeugen mit tödlichen Messerstichen gerechnet haben, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Tatsache, dass sie nach der ersten Drohung die Verfolgung des Beschuldigten aufnahmen, spricht eher für das Gegenteil.
14
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine abschließende Entscheidung vermochte der Senat nicht zu treffen, weil es nicht fernliegend ist, dass weitere Feststellungen getroffen werden können , die eine Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtfertigen.
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Bender Quentin
7
c) Auch eine zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten ist nicht ausreichend dargetan. Das Landgericht hat sich insoweit dem Sachverständigen angeschlossen , der aufgrund einer "Gesamtschau der hier zusammentreffenden ungünstigen Faktoren wie brüchiger Kompliance, Doppeldiagnose mit Sucht, Fehlen eines Betreuers, Fehlen eines sozialen Unterstützungsnetzwerks und Gewaltbereitschaft als Krankheitssymptom" (UA S. 15) dem Anlassdelikt vergleichbare Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostiziert hat. Damit fehlt die notwendige umfassende Erörterung unter Einschluss des bisherigen Lebens des Angeklagten. Seit dem Ausbruch der Erkrankung im Jahr 1996 ist der Angeklagte wenige Male zu geringen Geldstrafen verurteilt worden. Zweimal wurde auf eine Freiheitsstrafe unter einem Jahr erkannt, die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und die Strafe sodann jeweils erlassen. Zuletzt wurde der Angeklagte im Jahr 2000 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und Anfang 2013 wegen Diebstahls zu Geldstrafen verurteilt. Gegenstand und Hintergründe der Verurteilungen teilt das Landgericht ebenso wenig mit wie nähere Einzelheiten zu den im Jahr 2004 gegenüber der Ehefrau begangenen "Gewalttätigkeiten" und dem Ergebnis der daraufhin durchgeführten forensischpsychiatrischen Untersuchung. Damit stellt sich die verfahrensgegenständliche Tat jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen als das erste gravierende Delikt dar, für das sich der Angeklagte zu verantworten hatte. Angesichts der langen Zeitspanne, in der der Angeklagte bereits erkrankt ist, fehlt der Gefahrenprognose daher die erforderliche Tatsachenfundierung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 602/13
vom
8. Januar 2014
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2014 beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. September 2013 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Mit seiner Revision rügt der Beschuldigte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts suchte der spätestens seit 2002 an einer schizophrenen Psychose leidende, bislang unbestrafte Beschuldigte am Tattag um eine Aufnahme in einer psychiatrischen Einrichtung nach, wobei er sich in einem akut psychotischen Zustand befand. Im Zuge seiner Aufnahmebemühungen stürzte er sich auf einen Arzt, brachte ihn zu Boden und würgte ihn. Er war wahnhaft bedingt davon überzeugt, dass dieser Arzt gegen ihn sowie seine Freundin intrigiere und dafür verantwortlich sei, dass sein Kind in einer Pflegefamilie untergebracht sei. Erst durch mehrere kräftige Faustschläge einer Ärztin konnte er dazu gebracht werden, von seinem Opfer abzulassen.
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Dem Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen folgend hat das Landgericht angenommen, es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Beschuldigte auch zukünftig wenigstens gleichgewichtige Taten begehen werde.
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2. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht hinreichend, dass von dem Beschuldigten aufgrund seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (vgl. BGH, Urteile vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f., und vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt – wie hier – unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73, 74). Nach diesen Maßstäben hat die Strafkammer die Unterbringungsanordnung nicht tragfähig begründet.
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Die getroffene Gefährlichkeitsprognose beruht auf der Erwägung, bei aufgrund fehlender Krankheitseinsicht abzusehendem Behandlungsabbruch oder unzureichender Medikation sei – ungeachtet des Umstands, dass die hier erfolgte Verurteilung seine erste sei – hochwahrscheinlich mit erneuten psychotischen Exazerbationen und damit einhergehend mit der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten durch den Beschuldigten zu rechnen. Angesichts bislang fehlender Vorbelastung hätte es das Landgericht indessen nicht bei diesem knappen Hinweis belassen dürfen, sondern eingehend erörtern müssen, warum der Beschuldigte in der Vergangenheit nicht durch Aggressionsdelikte in Er- scheinung getreten ist und welche prognoserelevanten Schlüsse hieraus zu ziehen sind. Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine Straftaten begangen hat oder wie hier gänzlich unbelastet ist, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Taten (BGH, Beschlüsse vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; vom 13. Dezember 2011 – 5 StR 422/11, StV 2012, 209 Rn. 6, vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, StV 2013, 206 Rn. 11, jeweils mwN).
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Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann der Senat nicht die notwendigen Darlegungen entnehmen. Zu in der Vergangenheit häufi- gen „fremdaggressiven Verhaltensweisen“ fehlt jegliche Erläuterung; das Glei- che gilt für den Umstand, dass der Beschuldigte 2012 „ins Wasser sprang, wo- bei ein Suizidversuch nicht ausgeschlossen werden“ konnte (UA S. 3).
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3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine abschließende Bewertung vermochte der Senat nicht zu treffen, weil nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die eine Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtfertigen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die als Grundlage für die Gefährlichkeitsprognose heranzuziehende, vom Landgericht lediglich als (einfache) vorsätzliche Körperverletzung gewertete Anlasstat nicht allzu schwer wiegt und zudem gegenüber einem Betreuer begangen wurde, weswegen sie auch nicht mit vollem Gewicht als Beleg für die allgemeine Gefährlichkeit des Beschuldigten herangezogen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – 5 StR 422/11, aaO Rn. 7 mwN).
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Die Unterbringungsanordnung bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Angesichts der eher geringfügigen Anlasstaten , die während des Tatzeitraums keine Steigerung der Deliktschwere erkennen lassen, wird der neue Tatrichter im Rahmen derGefährlichkeitsprognose – eingehender, als bisher geschehen, – die vom Angeklagten in verschiedenen Einrichtungen gezeigten aggressiven Verhaltensweisen in den Blick zu nehmen und sich mit der im angefochtenen Urteil offen gebliebenen Frage zu befassen haben, inwieweit dieses Verhalten des Angeklagten bereits zu tätlichen Übergriffen auf andere Personen geführt hat. Der Senat weist ferner darauf hin, dass zulässiges Verteidigungsverhalten nicht zur Begründung der Gefährlichkeit des Angeklagten herangezogen werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 4 StR 452/04). Schließlich wird angesichts der besonders gelagerten Sachlage die Hinzuziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen zu erwägen sein.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.