Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2015 - 3 StR 214/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und dahin erkannt, dass von dieser Strafe wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sechs Monate als bereits vollstreckt gelten. Von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat die Jugendkammer abgesehen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Der Schuldspruch, die Kompensationsentscheidung und das Absehen von der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB weisen keinen den Angeklagten belastenden materiellrechtlichen Fehler auf.
- 3
- 2. Der Strafausspruch hält jedoch sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
- 4
- Das Landgericht hat gegen den zur Tatzeit am 25. November 2007 16 Jahre alten Angeklagten gemäß § 17 Abs. 2 JGG Jugendstrafe verhängt und dabei sowohl schädliche Neigungen als auch die Schwere der Schuld bejaht. Bei der Bestimmung der Strafhöhe hat es sich maßgebend am Erziehungsgedanken orientiert. Einen Härteausgleich, weil mehrere in weiteren Urteilen verhängte jugendstrafrechtliche Sanktionen bereits vollständig vollstreckt waren und die entsprechenden Entscheidungen deshalb nicht gemäß § 31 Abs. 2 JGG einbezogen werden konnten, hat es ausdrücklich deshalb abgelehnt , weil dieser "dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts zuwiderliefe".
- 5
- Damit hat die Jugendkammer nicht bedacht, dass dem Erziehungsgedanken bei der Bestimmung von Art und Dauer der Sanktion für die Tat des zum Zeitpunkt der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils bereits 23 Jahre und fast sieben Monate alten und damit im strafrechtlichen Sinne erwachsenen Angeklagten bereits nach der bisherigen Rechtsprechung ein allenfalls geringes Gewicht zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2006 - 1 StR 577/05, NStZ 2006, 587, 588; Urteil vom 31. August 2004 - 1 StR 213/04, juris Rn. 12). Schon dieser Rechtsfehler führt dazu, dass der Strafausspruch nicht bestehen bleiben kann. Der Senat muss deshalb hier nicht entscheiden, ob er in vollem Umfang der neueren Auffassung des 1. Strafsenats zustimmen könnte , der nunmehr weiter gehend und der - soweit ersichtlich - überwiegenden Ansicht in der Literatur (vgl. etwa Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 17 Rn. 14b; MüKoStGB/Radtke, JGG § 17 Rn. 60; HK-JGG/Laue, 2. Aufl., § 17 Rn. 28; aA etwa Eisenberg, JGG, 17. Aufl., § 17 Rn. 34a) folgend dazu neigt, bei einer auf die Schwere der Schuld gestützten Jugendstrafe die Erziehungsfähigkeit und -bedürftigkeit des jugendlichen oder heranwachsenden Straftäters generell nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013 - 1 StR 178/13, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 5 mit Anmerkung Eisenberg, NStZ 2013, 636). Er gibt allerdings zu erwägen, dass insbesondere auch verfassungsrechtliche Vorgaben (vgl. Budelmann, Jugendstrafrecht für Erwachsene?, S. 80 ff.) Anlass dazu sein könnten, die bisherige Rechtsprechung dahin weiter zu entwickeln, dass bei der Verhängung von Sanktionen gegen Straftäter, die zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung bereits das 21. Lebensjahr vollendet haben und somit im strafrechtlichen Sinne als erwachsen gelten, der Erziehungsgedanke nicht mehr nur von geringem Gewicht sein kann, sondern insgesamt kein taugliches Strafzumessungskriterium mehr ist. Dies könnte mit Blick auf § 89b Abs. 1 Satz 2 JGG jedenfalls für solche Täter gelten, die zu dem genannten Zeitpunkt das 24. Lebensjahr vollendet haben und deren Jugendstrafe deshalb regelmäßig im Strafvollzug für Erwachsene zu vollziehen ist (vgl. Eisenberg NStZ 2013, 636, 637).
- 6
- Die Aufhebung des Strafausspruchs lässt die Kompensationsentscheidung unberührt (BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 138).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.
(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.
(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.
(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.
(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.
(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
(1) An einem Verurteilten, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und sich nicht für den Jugendstrafvollzug eignet, kann die Jugendstrafe statt nach den Vorschriften für den Jugendstrafvollzug nach den Vorschriften des Strafvollzuges für Erwachsene vollzogen werden. Hat der Verurteilte das 24. Lebensjahr vollendet, so soll Jugendstrafe nach den Vorschriften des Strafvollzuges für Erwachsene vollzogen werden.
(2) Über die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug entscheidet der Vollstreckungsleiter.