Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2019 - 3 StR 181/19

bei uns veröffentlicht am05.06.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 181/19
vom
5. Juni 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:050619B3STR181.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. b) und 2. auf dessen Antrag - am 5. Juni 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2018
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; zudem hat es den Wert der Taterträge in Höhe von 10.525 € eingezogen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den zu Fall II.1.c) der Urteilsgründe (Tat 3) rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kaufte der Angeklagte neben der zum Weiterverkauf bestimmten nicht geringen Menge Amphetamin und Marihuana auch 200 g Marihuana zum Eigenkonsum. Da sowohl die Handelsmenge als auch die Eigenverbrauchsmenge jeweils oberhalb des Grenzwertes für die nicht geringe Menge lagen, hat er sich wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht; als Qualifikation verdrängt diese Vorschrift den Erwerb von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. September 2001 - 3 StR 268/01, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5; vom 13. März 2013 - 4 StR 547/12, juris Rn. 8; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29a Rn. 205 mwN).
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sicher auszu-
3
schließen ist, dass sich der geständige Angeklagte insoweit bei einem entsprechenden Hinweis anders als geschehen hätte verteidigen können.
4
2. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abzusehen, hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Zuschrift ausgeführt: "a) Schon die Ausführungen im Zusammenhang mit der Schuldfähigkeit (UA S. 15 f.), es lägen unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen eine mehr als zwölf Monate andauernde Abhängigkeit , ein starkes Verlangen und eine Art Zwang zum Konsum psychotroper Substanzen, eine verminderte Kontrolle über den Substanzgebrauch , eine Toleranzentwicklung gegenüber den Wirkungen der Substanzen und eine Einengung auf den Substanzgebrauch und ein anhaltender Substanzgebrauch trotz eindeutig schädlicher Folgen sowie Entzugserscheinungen vor, sind mit der Bewertung eines fehlenden Hanges nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen.

b) Darüber hinaus legt die Kammer einen unzureichenden Maßstab des Hanges i.S.d. § 64 StGB zu Grunde, wenn sie meint, dieser setze stets einen Konsum voraus, durch den Gesundheit sowie Arbeit- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt würden (UA S. 23). Denn ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben , wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 3 StR 645/17 -, juris m.w.N.). Wenngleich erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit oder der Arbeits- und Leis-
tungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommt und in der Regel mit übermäßigen Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (Senat , aaO).

c) Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass aus mehreren Laborbefunden eine zwischenzeitliche Suchtmittelabstinenz hervorgehe, ist dies für die Frage des Vorliegens eines Hanges nicht entscheidend. Denn auch Intervalle der Abstinenz stehen der Annahme eines Hanges nicht entgegen (Senat, aaO; BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2012 - 5 StR 87/12 -, NStZ-RR 2012, 271; vom 30. März 2010 - 3 StR 88/10 -, NStZ-RR 2010, 216). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 3 StR 645/17 -, juris). Gerade auch vor dem Hintergrund , dass sich der Angeklagte selbst als suchtkrank ansieht (UA S. 17), er nach wie vor unter Suchtdruck steht (vgl. UA S. 23) und er sich um eine dauerhafte Abstinenz erst bemüht (UA S. 23), kommt den Laborbefunden - wie auch das Landgericht erkannthat - nicht mehr als die Bedeutung einer Momentaufnahme zu.“
5
Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Erwägungen an.
3. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist, sind nicht ersichtlich. Da auch die für die Anordnung
6
der Maßregel erforderliche Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) angesichts der festgestellten hohen Therapiemotivation des Angeklagten nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden.
7
Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

8
Da nach den Feststellungen des Landgerichts von vornherein ein Teil des Amphetamins zum Handeltreiben und ein Teil zum Eigenverbrauch bestimmt war, durfte wegen der unterschiedlichen Auswirkungen bei der rechtlichen Einordnung und bei der Strafzumessung nicht offen bleiben, welcher Anteil für den späteren Verkauf vorgesehen war. Der Tatrichter hätte dies feststellen und notfalls unter Beachtung des Zweifelssatzes schätzen müssen (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2008 – 2 StR 531/07, NStZ-RR 2008, 153; vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29a Rn. 161 – 168). Bei Erwerbsvorgängen mit unterschiedlicher Zweckbestimmung richtet sich die rechtliche Einordnung nach den jeweiligen Einzelmengen. Liegt bereits die erworbene Gesamtmenge unter dem Grenzwert zur nicht geringen Menge, ist unerlaubtes Handeltreiben in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG gegeben. Übersteigt jedoch – was im vorliegenden Fall nahe liegt – die Gesamtmenge den Grenzwert , so kommt es auf die jeweiligen Teilmengen an: Bei einer nicht geringen Handelsmenge liegt unerlaubtes Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vor. Ist auch die restliche Eigenverbrauchsmenge nicht gering, ist Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer nicht geringen Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegeben, bei einer darunter liegenden Eigenverbrauchsmenge dagegen Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2001 – 3 StR 268/01, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5, auch zu der Fallkonstellation, dass bei einer nicht geringen Gesamtmenge Handels- und Eigenverbrauchsmenge jeweils unter dem Grenzwert bleiben).

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 645/17
vom
20. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:200218B3STR645.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 20. Februar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 12. Oktober 2017
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist,
b) im Ausspruch über die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis dahin neu gefasst, dass die Verwaltungsbehörde angewiesen wird, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen und ihm vor Ablauf dieser Zeit das Recht, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, nicht wieder zu erteilen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt ; zudem hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, "dem Angeklagten vor Ablauf von 12 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen und ihm vor Ablauf dieser Zeit das Recht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen wieder zu erteilen". Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs weist das Urteil keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Trotz der zweifelhaften Bewertung von MDMA als "harte Droge" (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 - 5 StR 705/98, juris Rn. 2; zum Meinungsstand Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vorbem. zu §§ 29 ff. Rn. 213 mwN; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 1 Rn. 364 mwN) hat der Strafausspruch Bestand, da die verhängte Rechtsfolge jedenfalls angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Auch die Überprüfung der Entscheidung zur Maßregel nach § 69a Abs. 1 Satz 1, § 69b Abs. 1 Satz 3, § 69 Abs. 1 StGB hat keinen Rechtsfehler ergeben; der Senat hat jedoch den Ausspruch über die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis wegen eines offensichtlichen Schreibversehens des Landgerichts neu gefasst und um das Wort "nicht" ergänzt.
3
2. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abzusehen, begegnet hingegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte "nach seinen Angaben" zunächst gelegentlich und seit dem Verlust seines Arbeitsplatzes vor etwa eineinhalb Jahren zunehmend Kokain, gelegentlich auch Heroin und vermehrt Alkohol, ohne dass es "zu einer verfestigten Regelmäßigkeit gekommen sei". In finanziell bedrängter Lage nutzte er seine Kontakte in die Betäubungsmittelszene, um sich als Kurier an einem größeren Betäubungsmittelgeschäft zu beteiligen. Nachdem er am Morgen des Tattages Heroin , Kokain und Alkohol "in den für ihn üblichen Bereichen" konsumiert hatte, transportierte er am Nachmittag - unter dem Einfluss der Rauschmittel, indes ohne erhebliche Beeinträchtigung seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit - im Kofferraum seines PKW 1.703,5 g einer MDMA-Zubereitung mit einem Wirkstoffanteil von 369 g MDMA-Base und 1.924,75 g Haschisch mit einem Wirkstoffanteil von ca. 273 g THC aus den Niederlanden über die Grenze in das Bundesgebiet, wo die Drogen gewinnbringend verkauft werden sollten. Über eine zum Führen des Kraftfahrzeugs erforderliche Fahrerlaubnis verfügte der Angeklagte nicht. Nach seiner Inhaftierung stellte er "nach eigenen Angaben" den Konsum von Rauschmitteln ein; ernsthafte Entzugserscheinungen habe er nicht gehabt.
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Die Strafkammer hat - ohne einen Sachverständigen beizuziehen - einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln verneint und hierzu ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der "weitgehend vage gebliebenen Angaben des Angeklagten" dazu nicht mehr als eine bloße Neigung zum Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum erkennbar sei.
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b) Zu dem Konsumverhalten des Angeklagten fehlt es bereits an hinreichenden Feststellungen. Die Ausführungen des Landgerichts lassen zudem besorgen, dass es seiner Entscheidung ein fehlerhaftes Verständnis des Begriffs "Hang" im Sinne des § 64 StGB zugrunde gelegt hat.
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aa) Hinsichtlich des Rauschmittelkonsums des Angeklagten sind die Feststellungen lückenhaft, weil das Urteil insoweit lediglich mitteilt, wie sich der Angeklagte dazu eingelassen hat; es fehlt indes an einer Darlegung, von welchem Ausmaß des Konsums sich die Strafkammer überzeugt hat. Auch im Rahmen der Begründung der Maßregelentscheidung verweist die Strafkammer nur auf die weitgehend vage gebliebenen Angaben des Angeklagten und darauf , dass er diese auf Nachfrage nicht habe ergänzen wollen, ohne hinreichende eigene Feststellungen zu treffen.
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bb) Für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2017 - 1 StR 587/16, juris Rn. 9; vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15, juris Rn. 7; Urteile vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, juris Rn. 10). Wenngleich erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommen und in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annah- me eines Hangs aus (BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15, juris Rn. 6; vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen (BGH, Beschlüsse vom 12. April 2012 - 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 30. März 2010 - 3 StR 88/10, NStZ-RR 2010, 216). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen , wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (BGH, Beschluss vom 7. Januar2009 - 5 StR 586/08, NStZ-RR 2009, 137).
9
Eine die aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe in den Blick nehmende Gesamtwürdigung lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Zudem lässt die Erwägung , bei dem Angeklagten sei (aufgrund seiner Angaben) nicht mehr als eine "bloße Neigung zum Betäubungsmittel- und Alkoholmissbrauch" erkennbar geworden , besorgen, dass die Strafkammer rechtsirrig die nach der mitgeteilten Einlassung des Angeklagten naheliegende eingewurzelte Neigung, immer wieder harte Drogen (Kokain und Heroin) sowie Alkohol zu konsumieren, als nicht ausreichend erachtet hat. Dieser hat (unwiderlegt) angegeben, seit längerer Zeit und seit eineinhalb Jahren zunehmend Rauschmittel konsumiert zu haben, und stand - positiv festgestellt - auch zum Tatzeitpunkt "in den für ihn üblichen Bereichen" unter dem Einfluss von Kokain, Heroin und Alkohol. Angesichts dieses Konsumverhaltens erscheint der Angeklagte ersichtlich sozial gefährdet und - wie das Fahren unter Einfluss von Rauschmitteln und die Kuriertätigkeit zeigen - gefährlich. Demgegenüber kommt dem vom Landgericht hervorgehobenen Fehlen ernsthafter Probleme oder Entzugserscheinungen in der Untersuchungshaft nur eingeschränkte Aussagekraft zu; soweit auf die Abstinenz des Angeklagten nach der Inhaftierung abgestellt wird, ist überdies nicht ersichtlich, dass diese als vom Angeklagten ausgehend zu werten ist und der Annahme eines Hangs entgegensteht.
10
c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil im Hinblick auf die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt. Angesichts dessen, dass der Angeklagte sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, ist es wahrscheinlich, dass er die Taten jedenfalls auch begangen hat, um den mitgeteilten Eigenkonsum befriedigen zu können; der erforderliche symptomatische Zusammenhang liegt daher nahe. Die Begehung weiterer Betäubungsmitteldelikte ist nach dem geschilderten Konsumverhalten des Angeklagten nicht ausgeschlossen. Gleiches gilt bezüglich einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel für den bisher nicht therapierten Angeklagten.
11
3. In der neuen Verhandlung wird die Vernehmung eines Sachverständigen erforderlich sein (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO).
Becker Spaniol Tiemann
Berg Hoch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 88/10
vom
30. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 30. März
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 1. Dezember 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht - von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat, - den Verfall von Wertersatz angeordnet hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und zu seinen Lasten einen Geldbetrag von 3.500 Euro für verfallen erklärt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Urteil begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat. Das Landgericht hat dies damit begründet, der Angeklagte habe keinen Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Diese rechtliche Bewertung wird indes von den insoweit widersprüchlichen Feststellungen nicht getragen. Zwar hat das sachverständig beratene Landgericht festgestellt, der Angeklagte habe seinen Kokain - und Cannabiskonsum stets steuern können. Er habe aus freiem Willen und nur in geselliger Runde zu Drogen gegriffen; ebenso habe er den Konsum über einen längeren Zeitraum ganz eingestellt und auch in der Haft nur anfangs unter leichteren Entzugserscheinungen gelitten. Andererseits hat es aber "aufgrund des jahrelangen Drogenkonsums" des Angeklagten eine "Drogenentwöhnungstherapie im Rahmen des § 35 BtMG für sinnvoll" erachtet. Dies wiederum legt die Annahme einer zumindest psychischen Abhängigkeit im Sinne einer auf Disposition beruhenden oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung des Angeklagten zum Betäubungsmittelkonsum und damit eines Hangs im Sinne von § 64 StGB nahe; das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz stünden dem nicht entgegen (vgl. hierzu Fischer, StGB 57. Aufl. § 64 Rdn. 9 m. w. N.).
3
Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil, denn da das Landgericht weiter festgestellt hat, dass der Angeklagte den aus den Taten erzielten Gewinn zumindest teilweise zur Finanzierung seines Drogenkonsums benötigte und im Übrigen therapiebereit ist, lassen sich auch die weiteren Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht ausschließen. Die Maßregel ginge einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG vor (BGH StV 2008, 405 und 2009, 353).
4
Über die Anordnung der Maßregel muss deshalb (wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen) neu verhandelt und entschieden werden; es werden hierzu insgesamt neue Feststellungen zu treffen sein. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, stünde der Anordnung der Maßregel nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Landgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
5
2. Auch die Verfallsanordnung hat keinen Bestand. Das Landgericht hat sie als zwingende Rechtsfolge angesehen, ohne zu prüfen, ob der Wert der insgesamt 3.500 Euro, die der Angeklagte nach den - von der Aufhebung unberührten - Feststellungen zum Tatgeschehen in den Fällen II. 1. bis 3. der Urteilsgründe als Provisionen erlangt hat, in dessen Vermögen noch vorhanden sind (§ 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB). Ein Wegfall der Bereicherung liegt nach den Umständen nicht fern; in diesem Falle wäre der Wertersatzverfall nicht zwingend anzuordnen, sondern läge im tatrichterlichen Ermessen.
6
Ergänzend bemerkt der Senat, dass eine Verfallsanordnung unmittelbar auf §§ 73 Abs. 1, 73 a Satz 1 StGB zu stützen wäre. Die Frage des erweiterten Verfalls gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73 d StGB stellt sich hier nicht, denn als Anknüpfungstaten kommen (nur) die abgeurteilten Fälle II. 1. bis 3. der Urteilsgründe in Betracht.
Sost-Scheible Pfister Hubert
Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 645/17
vom
20. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:200218B3STR645.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 20. Februar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 12. Oktober 2017
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist,
b) im Ausspruch über die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis dahin neu gefasst, dass die Verwaltungsbehörde angewiesen wird, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen und ihm vor Ablauf dieser Zeit das Recht, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, nicht wieder zu erteilen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt ; zudem hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, "dem Angeklagten vor Ablauf von 12 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen und ihm vor Ablauf dieser Zeit das Recht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen wieder zu erteilen". Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs weist das Urteil keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Trotz der zweifelhaften Bewertung von MDMA als "harte Droge" (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 - 5 StR 705/98, juris Rn. 2; zum Meinungsstand Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vorbem. zu §§ 29 ff. Rn. 213 mwN; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 1 Rn. 364 mwN) hat der Strafausspruch Bestand, da die verhängte Rechtsfolge jedenfalls angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Auch die Überprüfung der Entscheidung zur Maßregel nach § 69a Abs. 1 Satz 1, § 69b Abs. 1 Satz 3, § 69 Abs. 1 StGB hat keinen Rechtsfehler ergeben; der Senat hat jedoch den Ausspruch über die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis wegen eines offensichtlichen Schreibversehens des Landgerichts neu gefasst und um das Wort "nicht" ergänzt.
3
2. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abzusehen, begegnet hingegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte "nach seinen Angaben" zunächst gelegentlich und seit dem Verlust seines Arbeitsplatzes vor etwa eineinhalb Jahren zunehmend Kokain, gelegentlich auch Heroin und vermehrt Alkohol, ohne dass es "zu einer verfestigten Regelmäßigkeit gekommen sei". In finanziell bedrängter Lage nutzte er seine Kontakte in die Betäubungsmittelszene, um sich als Kurier an einem größeren Betäubungsmittelgeschäft zu beteiligen. Nachdem er am Morgen des Tattages Heroin , Kokain und Alkohol "in den für ihn üblichen Bereichen" konsumiert hatte, transportierte er am Nachmittag - unter dem Einfluss der Rauschmittel, indes ohne erhebliche Beeinträchtigung seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit - im Kofferraum seines PKW 1.703,5 g einer MDMA-Zubereitung mit einem Wirkstoffanteil von 369 g MDMA-Base und 1.924,75 g Haschisch mit einem Wirkstoffanteil von ca. 273 g THC aus den Niederlanden über die Grenze in das Bundesgebiet, wo die Drogen gewinnbringend verkauft werden sollten. Über eine zum Führen des Kraftfahrzeugs erforderliche Fahrerlaubnis verfügte der Angeklagte nicht. Nach seiner Inhaftierung stellte er "nach eigenen Angaben" den Konsum von Rauschmitteln ein; ernsthafte Entzugserscheinungen habe er nicht gehabt.
5
Die Strafkammer hat - ohne einen Sachverständigen beizuziehen - einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln verneint und hierzu ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der "weitgehend vage gebliebenen Angaben des Angeklagten" dazu nicht mehr als eine bloße Neigung zum Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum erkennbar sei.
6
b) Zu dem Konsumverhalten des Angeklagten fehlt es bereits an hinreichenden Feststellungen. Die Ausführungen des Landgerichts lassen zudem besorgen, dass es seiner Entscheidung ein fehlerhaftes Verständnis des Begriffs "Hang" im Sinne des § 64 StGB zugrunde gelegt hat.
7
aa) Hinsichtlich des Rauschmittelkonsums des Angeklagten sind die Feststellungen lückenhaft, weil das Urteil insoweit lediglich mitteilt, wie sich der Angeklagte dazu eingelassen hat; es fehlt indes an einer Darlegung, von welchem Ausmaß des Konsums sich die Strafkammer überzeugt hat. Auch im Rahmen der Begründung der Maßregelentscheidung verweist die Strafkammer nur auf die weitgehend vage gebliebenen Angaben des Angeklagten und darauf , dass er diese auf Nachfrage nicht habe ergänzen wollen, ohne hinreichende eigene Feststellungen zu treffen.
8
bb) Für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2017 - 1 StR 587/16, juris Rn. 9; vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15, juris Rn. 7; Urteile vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, juris Rn. 10). Wenngleich erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommen und in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annah- me eines Hangs aus (BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15, juris Rn. 6; vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen (BGH, Beschlüsse vom 12. April 2012 - 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 30. März 2010 - 3 StR 88/10, NStZ-RR 2010, 216). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen , wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (BGH, Beschluss vom 7. Januar2009 - 5 StR 586/08, NStZ-RR 2009, 137).
9
Eine die aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe in den Blick nehmende Gesamtwürdigung lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Zudem lässt die Erwägung , bei dem Angeklagten sei (aufgrund seiner Angaben) nicht mehr als eine "bloße Neigung zum Betäubungsmittel- und Alkoholmissbrauch" erkennbar geworden , besorgen, dass die Strafkammer rechtsirrig die nach der mitgeteilten Einlassung des Angeklagten naheliegende eingewurzelte Neigung, immer wieder harte Drogen (Kokain und Heroin) sowie Alkohol zu konsumieren, als nicht ausreichend erachtet hat. Dieser hat (unwiderlegt) angegeben, seit längerer Zeit und seit eineinhalb Jahren zunehmend Rauschmittel konsumiert zu haben, und stand - positiv festgestellt - auch zum Tatzeitpunkt "in den für ihn üblichen Bereichen" unter dem Einfluss von Kokain, Heroin und Alkohol. Angesichts dieses Konsumverhaltens erscheint der Angeklagte ersichtlich sozial gefährdet und - wie das Fahren unter Einfluss von Rauschmitteln und die Kuriertätigkeit zeigen - gefährlich. Demgegenüber kommt dem vom Landgericht hervorgehobenen Fehlen ernsthafter Probleme oder Entzugserscheinungen in der Untersuchungshaft nur eingeschränkte Aussagekraft zu; soweit auf die Abstinenz des Angeklagten nach der Inhaftierung abgestellt wird, ist überdies nicht ersichtlich, dass diese als vom Angeklagten ausgehend zu werten ist und der Annahme eines Hangs entgegensteht.
10
c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil im Hinblick auf die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt. Angesichts dessen, dass der Angeklagte sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, ist es wahrscheinlich, dass er die Taten jedenfalls auch begangen hat, um den mitgeteilten Eigenkonsum befriedigen zu können; der erforderliche symptomatische Zusammenhang liegt daher nahe. Die Begehung weiterer Betäubungsmitteldelikte ist nach dem geschilderten Konsumverhalten des Angeklagten nicht ausgeschlossen. Gleiches gilt bezüglich einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel für den bisher nicht therapierten Angeklagten.
11
3. In der neuen Verhandlung wird die Vernehmung eines Sachverständigen erforderlich sein (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO).
Becker Spaniol Tiemann
Berg Hoch

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

5 StR 485/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 15. Mai 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten E. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten E. und die Revision der Angeklagten M. werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Die Angeklagte M. hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das angefochtene Urteil weist lediglich betreffend den Angeklagten E. einen sachlich-rechtlichen Mangel auf, als das Landgericht die Prüfung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB unterlassen hat, obwohl sich dies aufdrängte. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. Oktober 2007 zutreffend ausgeführt:
2
„Hat ein Täter den Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen , und wird er wegen einer auf den Hang zurückzuführenden rechtswidrigen Tat verurteilt, so muss nach § 64 StGB das Gericht eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass er auch in Zukunft infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Ob von einer Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu Recht abgesehen worden ist, kann vom Revisionsgericht auf die Sachrüge hin überprüft werden, auch wenn – wie hier – nur der Angeklagte Revision eingelegt und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht vom Revisionsangriff ausgenommen hat (vgl. BGHSt 37, 5; BGHR StGB § 64 Ablehnung 5). Anlass hierfür besteht allerdings nur dann, wenn es nach den Urteilsfeststellungen nahe liegt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringungsanordnung gegeben sind (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung 10).
3
Dies ist hier der Fall.
4
Der Angeklagte ist alkohol- und betäubungsmittelabhängig (UA S. 9). Zur Finanzierung seines Kokainbedarfs war er insbesondere ab Februar 2006 auf die Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen angewiesen (UA S. 11), wobei er sich gerade durch den verfahrensgegenständlichen Transport von Betäubungsmitteln eine solche erhoffte (UA S. 21). Für die Strafkammer steht fest, dass die Tathandlungen nicht nur im Zusammenhang mit seiner Abhängigkeitserkrankung standen (UA S. 60), sondern durch diese ersichtlich begünstigt wurden (UA S. 67). Die Feststellungen ergeben weiter, dass der Angeklagte weiterhin ein Verlangen nach dem Konsum von Kokain empfindet und therapiewillig ist (UA S. 11).“
5
Die Frage der Unterbringung des Angeklagten E. in einer Entziehungsanstalt bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) der Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht. Für den Fall, dass es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anord- nen sollte, wird gemäß der jetzt geltenden Fassung der Vorschrift des § 67 Abs. 2 StGB auch über die Reihenfolge der Vollstreckung von Freiheitsstrafe und Maßregel zu entscheiden sein.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Jäger

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.