Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2017 - 3 StR 177/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:171017B3STR177.17.0
17.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 177/17
vom
17. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:171017B3STR177.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 17. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 15. Dezember 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten L. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S. zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Die dagegen gerichteten, auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Die - nicht sachverständig beratene - Strafkammer hat ihre Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Angaben der Angeklagten zu ihrem Betäubungsmittelkonsum vor der Tat eher "vage und wenig belastbar" erschienen, so dass eine Begutachtung der Angeklagten zur Frage eines Hanges , berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht geboten erschienen sei, "auch wenn die Tat darauf gerichtet" gewesen sei, "sich in den Besitz von Betäubungsmitteln zu bringen und insofern ein grundsätzlicher - wenn auch nicht zwangsläufig symptomatischer - Zusammenhang" zwischen dem Betäubungsmittelkonsum der Angeklagten und der Tat "durchaus zu sehen" sei. Der Angeklagte L. habe sich zudem dahin eingelassen, seit seiner Inhaftierung "im Grunde ohne Probleme" konsumfrei geblieben zu sein, so dass die Annahme eines Hanges fern liege. Im Hinblick auf den Angeklagten S. bestehe überdies keine konkrete Erfolgsaussicht. Er habe erst kurz vor seiner Inhaftierung wegen der abgeurteilten Tat zum wiederholten Male - zumindest auch aufgrund fehlender Mitwirkungsbereitschaft - eine Therapie vorzeitig beenden müssen. Er habe außerdem zu verstehen gegeben, trotz der vorzeitigen Beendigung seines jüngsten Therapieversuchs "genug mitgenommen" und seitdem auch "keine Probleme mehr" zu haben; damit habe er deutlich zum Ausdruck gebracht, nicht therapiewillig zu sein.
4
b) Diese Ausführungen stoßen auf durchgreifende rechtliche Bedenken. Sie stehen nicht in Einklang mit den Feststellungen zum Betäubungsmittelkonsum der Angeklagten, denen die Strafkammer die Angaben der Angeklagten zugrunde gelegt hat. Danach kam der Angeklagte L. erstmals im Alter von 14 oder 15 Jahren mit Cannabisprodukten in Kontakt und konsumierte seit seinem 17. Lebensjahr regelmäßig Marihuana, zuletzt täglich. Der Angeklagte S. kam erstmals mit 12 Jahren in Kontakt mit Cannabisprodukten und konsumierte seit seinem 13. oder 14. Lebensjahr regelmäßig, zuletzt täglich Marihuana, im letzten Jahr vor seiner Inhaftierung bis zu 4 g pro Tag. Dementsprechend hat die Strafkammer bei der Strafzumessung zugunsten beider Angeklagter berücksichtigt, "als Betäubungsmittelkonsument" eine höhere Tatneigung aufzuweisen als eine abstinent lebende Person. In Anbetracht dessen entbehrt die Annahme des Landgerichts, dass ein Hang der Angeklagten zum übermäßigen Rauschmittelkonsum fern liege, einer nachvollziehbaren Begründung.
5
Im Hinblick auf den Angeklagten S. , der bislang noch keiner Therapie unter den strukturierten Bedingungen des Maßregelvollzugs unterzogen war, steht auch dessen etwaige aktuelle Therapieunwilligkeit seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht notwendig entgegen. Mangelnde Therapiebereitschaft kann zwar im Einzelfall gegen die Erfolgsaussicht der Maßregel (§ 64 Satz 2 StGB) sprechen. Liegt sie vor, so ist es jedoch geboten, im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände die Gründe des Motivationsmangels festzustellen und zu prüfen, ob eine Therapiewilligkeit für eine erfolgversprechende Behandlung geweckt werden kann; denn gerade auch darin kann das Ziel einer Behandlung im Maßregelvollzug bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2004 - 2 StR 513/03, juris Rn. 4).
6
c) Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt deshalb - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur die Angeklagten Revision eingelegt haben (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107); sie haben die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
7
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Ergänzend zu der Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat zu der Inbegriffsrüge des Angeklagten L. :
8
Die Rüge ist unbegründet, weil der Angeklagte L. ausweislich der Urteilsgründe auf Vorhalt bestätigt hat, dass es das betreffende Gespräch zwischen ihm und dem wegen anderweitiger Taten verfolgten M. gegeben und dass das Gespräch "den aus der Verschriftung der Innenraumüberwachung des Fahrzeugs 'M. ' vorgehaltenen Inhalt gehabt" habe (UA S. 13).
Becker Schäfer Gericke Tiemann Hoch

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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


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Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

5 StR 485/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 15. Mai 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten E. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten E. und die Revision der Angeklagten M. werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Die Angeklagte M. hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das angefochtene Urteil weist lediglich betreffend den Angeklagten E. einen sachlich-rechtlichen Mangel auf, als das Landgericht die Prüfung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB unterlassen hat, obwohl sich dies aufdrängte. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. Oktober 2007 zutreffend ausgeführt:
2
„Hat ein Täter den Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen , und wird er wegen einer auf den Hang zurückzuführenden rechtswidrigen Tat verurteilt, so muss nach § 64 StGB das Gericht eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass er auch in Zukunft infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Ob von einer Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu Recht abgesehen worden ist, kann vom Revisionsgericht auf die Sachrüge hin überprüft werden, auch wenn – wie hier – nur der Angeklagte Revision eingelegt und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht vom Revisionsangriff ausgenommen hat (vgl. BGHSt 37, 5; BGHR StGB § 64 Ablehnung 5). Anlass hierfür besteht allerdings nur dann, wenn es nach den Urteilsfeststellungen nahe liegt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringungsanordnung gegeben sind (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung 10).
3
Dies ist hier der Fall.
4
Der Angeklagte ist alkohol- und betäubungsmittelabhängig (UA S. 9). Zur Finanzierung seines Kokainbedarfs war er insbesondere ab Februar 2006 auf die Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen angewiesen (UA S. 11), wobei er sich gerade durch den verfahrensgegenständlichen Transport von Betäubungsmitteln eine solche erhoffte (UA S. 21). Für die Strafkammer steht fest, dass die Tathandlungen nicht nur im Zusammenhang mit seiner Abhängigkeitserkrankung standen (UA S. 60), sondern durch diese ersichtlich begünstigt wurden (UA S. 67). Die Feststellungen ergeben weiter, dass der Angeklagte weiterhin ein Verlangen nach dem Konsum von Kokain empfindet und therapiewillig ist (UA S. 11).“
5
Die Frage der Unterbringung des Angeklagten E. in einer Entziehungsanstalt bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) der Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht. Für den Fall, dass es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anord- nen sollte, wird gemäß der jetzt geltenden Fassung der Vorschrift des § 67 Abs. 2 StGB auch über die Reihenfolge der Vollstreckung von Freiheitsstrafe und Maßregel zu entscheiden sein.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Jäger

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.