Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2013 - 2 StR 94/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Nach den zur Anlasstat getroffenen Feststellungen traf der Angeklagte am Abend des 30. Mai 2011 die ihm flüchtig bekannte Zeugin T. und den Zeugen F. . Nachdem sie sich zu dritt zunächst unterhalten hatten, fasste der Angeklagte an die Brust der Zeugin T. , was diese zurückwies. Auf die Aufforderung des Zeugen F. , die Örtlichkeit zu verlassen, wurde der Angeklagte aggressiv und bedrohte den Zeugen damit, ihn fertig zu machen. Zunächst ohne weitere Auseinandersetzung entfernte sich der Angeklagte, der eine Blutalkoholkonzentration von 1,63 Promille hatte, und holte aus seiner nahe gelegenen Wohnung eine Schreckschusspistole. Damit kehrte er zum Geschehensort zurück, an dem sich die Zeugin T. und der Zeuge F. weiterhin aufhielten, und schoss aus einer Entfernung von einem Meter zweimal gezielt dem Zeugen F. ins Gesicht. Der Zeuge F. erlitt an der Wange eine Schürfwunde und hatte einige Tage Schmerzen im Gesicht.
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- Die sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, der Angeklagte sei bei Tatbegehung vermindert schuldfähig gewesen (§ 21 StGB). Bei ihm sei nach der Anlasstat eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden. Diese Erkrankung habe, ohne dass Hinweise für eine akut psychotische Symptomatik zur Tatzeit vorlägen, die Handlungskompetenzen des Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit derart beeinträchtigt, dass die Voraussetzungen für eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit gegeben seien.
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- 2. Der Maßregelausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus werden nicht hinreichend belegt.
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- a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischenDefekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (st. Rspr.; vgl. jeweils mwN BGH, Beschlüsse vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, und vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141). Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschlüsse vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, Rn. 10, NStZ-RR 2009, 198, und vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, aaO).
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- b) Das landgerichtliche Urteil enthält schon zum Zustand des Angeklagten keine ausreichenden Feststellungen. Soweit das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen davon ausgeht, dass der Angeklagte an einer paranoiden Schizophrenie leide, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs - und Befundtatsachen nicht in ausreichendem Umfang wiedergegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307, und vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10). Die Urteilsgründe beschränken sich insoweit im Wesentlichen auf eine Mitteilung der Diagnose. Zu einem symptomatischen Zusammenhang zwischen der psychischen Störung des Angeklagten und der Anlasstat lassen sich den Entscheidungsgründen keine näheren Ausführungen entnehmen.
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- c) Auch die Gefährlichkeitsprognose begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Eine die Biographie des Angeklagten und seine Krankheitsge- schichte in den Blick nehmende Gesamtwürdigung wurde nicht erkennbar vorgenommen. Dabei hätte Berücksichtigung finden müssen, dass der 34 Jahre alte Angeklagte einschlägig offenbar nur einmal im Jahr 2006 strafrechtlich in Erscheinung trat und bei dieser vom Landgericht nicht weiter beschriebenen Vorverurteilung nur zu einer geringfügigen Geldstrafe verurteilt werden musste. Der länger währenden Straffreiheit des Angeklagten käme jedenfalls dann eine prognosegünstige Bedeutung zu, wenn bei ihm in diesen Zeiträumen bereits die diagnostizierte psychische Störung vorlag (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2012 – 5 StR 295/12, NStZ-RR 2012, 366, 367; Beschluss vom 11. März 2009 – 2StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199). Ob dies der Fall gewesen ist, kann den Urteilsgründen ebenso wenig entnommen werden wie der weitere Verlauf der angenommenen schizophrenen Erkrankung nach der Anlasstat vom Mai 2011. Hierauf näher einzugehen wäre das Landgericht auch deshalb gehalten gewesen, weil im Rahmen der Darstellung des Sachverständigengutachtens von "aktuell positiv wirksamen therapeutischen Maßnahmen" die Rede ist (UA S. 13). Im Übrigen erschöpfen sich die Ausführungen des Landgerichts zur Gefährlichkeitsprognose in einem Zitat der Darlegungen des Sachverständigen, der seinerseits überwiegend statistische Prognoseelemente für seine Beurteilung herangezogen hat.
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- d) Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus muss daher – wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – aufgrund neu zu treffender Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) nochmals geprüft und entschieden werden.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.