Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 2 StR 557/16

bei uns veröffentlicht am15.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 557/16
vom
15. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2017:150317B2STR557.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 2016 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Am 23. Dezember 2014 schlug der Angeklagte, der in den vergangenen zwanzig Jahren bereits mehrfach wegen Körperverletzungsdelikten strafrechtlich verfolgt worden war, dem Zeugen S. , mit dem er zusammen ein Zimmer in einer Übernachtungsstätte bewohnte und von dem er sich provoziert fühlte, mit der Faust ins Gesicht. Der Zeuge S. erlitt eine schmerzhafte Schwellung und eine Platzwunde im Bereich des linken Auges.
3
Fünf Tage später schlug der Angeklagte dem Zeugen T. , einem Mit- arbeiter der Übernachtungsstätte, „unvermittelt und kraftvoll“ mit der Faust ins Gesicht. T. erlitt eine schmerzhafte Schwellung im Bereich des Jochbeins.
4
Sachverständig beraten hat sich das Landgericht davon überzeugt, dass der Angeklagte im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit gehandelt habe. Zum Tatzeitpunkt habe bei dem Angeklagten eine „chronifizierte schizophrene Spektrumserkrankung“ bestanden; diese medikamentös behandelbare „Schizomanie zeichne sich als Wahnerkrankung mit affektiven Auffälligkeiten aus“. Bei dem Angeklagten käme es wegen dieses krankheitsbedingt „dauerhaft erhöhten Erregungsniveaus“ sowie fehlender sozialer Anpassungs- fähigkeit, Toleranz und Empathie immer wieder zu raptusartigen, unangekündigten Gewaltausbrüchen.
5
2. Die auf die Sachrüge durchgeführte umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
6
3. Der Maßregelausspruch hält hingegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) sind nicht hinreichend belegt.
7
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnah- me. Sie setzt neben der sicheren Feststellung mindestens einer im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangenen Anlasstat voraus, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, die schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die dazu notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2016 - 4 StR 185/16, StV 2016, 719, 720 und vom 28. Januar 2016 - 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135).
8
b) Das Landgericht hat mit der Körperverletzung zum Nachteil der Zeugen S. und T. zwei im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangene rechtswidrige Taten ausreichend festgestellt und in der Beweiswürdigung belegt. Die Gefahrenprognose begegnet aber durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
Denn die Strafkammer hat bei der Erstellung der Gefahrenprognose u.a. von der Staatsanwaltschaft Hamburg und der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main jeweils gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellte Verfahren gegen den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (Vorwurf des Schlages mit einem Besenstiel zum Nachteil des Zeugen A. ) bzw. wegenKörperverletzung zum Nachteil eines Mitgefangenen und weitere von den Amtsanwaltschaften Frankfurt am Main und Berlin jeweils gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellte Verfahren wegen Körperverletzungen als prognoseungünstige Umstände herangezogen. In den Urteilsgründen werden - insoweit wörtlich - lediglich die den Verfahren zugrunde liegenden jeweiligen Schlussberichte der Polizei, eine Strafanzeige bzw. der Bericht der Justizvollzugsanstalt mitgeteilt. Aus diesen ergibt sich aber nicht, dass die Taten auf der Erkrankung des Angeklagten beruhten , zumal er zumindest bei einem Teil der Taten offensichtlich (auch) alkoholisiert gewesen ist.
10
Das Landgericht hat außerdem zur Stützung seiner Prognose auf das letzte - einschlägige - Urteil durch das Amtsgericht Bonn vom 28. Februar 2008 verwiesen, mit dem der Angeklagte wegen im April/Mai 2007 begangener gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden war. Zwar werden in den Urteilsgründen die dazu getroffenen Feststellungen mitgeteilt. Aus diesen ergibt sich aber ebenfalls nicht, ob diese Taten auf der Erkrankung des - zum Tatzeitpunkt zudem erheblich alkoholisierten - Angeklagten beruhten, sodass deren Prognoserelevanz gleichfalls nicht beurteilt werden kann (vgl. auch Senat, Beschluss vom 8. August 2007 - 2 StR 296/07, StraFo 2007, 468; Eschelbach in: Matt/Renzikowski , StGB, § 63 Rn. 33).
11
4. Die Sache bedarf danach insoweit erneuter Prüfung. Der Tatrichter wird zu beachten haben, dass § 63 StGB durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuchs und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I 2016 S. 1610) mit Wirkung zum 1. August 2016 neu gefasst worden ist und diese Neufassung gemäß § 2 Abs. 6 StGB Anwendung findet (vgl. BT-Drucks. 18/7244, S. 41; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2016 - 4 StR 500/16 mwN).
12
Der Schriftsatz des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalt M. aus F. , vom 10. März 2017 hat bei der Beschlussfassung vorgelegen. Appl Eschelbach Zeng Bartel Grube

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 2 StR 557/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 2 StR 557/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 2 StR 557/16 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Strafprozeßordnung - StPO | § 153 Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit


(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 2 StR 557/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 2 StR 557/16 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2016 - 4 StR 500/16

bei uns veröffentlicht am 07.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 500/16 vom 7. Dezember 2016 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u. a. ECLI:DE:BGH:2016:071216B4STR500.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Gen

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2016 - 4 StR 185/16

bei uns veröffentlicht am 10.05.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 185/16 vom 10. Mai 2016 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2016:100516B4STR185.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. M

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2016 - 3 StR 521/15

bei uns veröffentlicht am 28.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 521/15 vom 28. Januar 2016 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:280116B3STR521.15.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Gen
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2017 - 2 StR 557/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2017 - 1 StR 164/17

bei uns veröffentlicht am 23.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 164/17 vom 23. Mai 2017 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2017:230517B1STR164.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 23. M

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Jan. 2018 - 2 StR 525/16

bei uns veröffentlicht am 10.01.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 525/16 vom 10. Januar 2018 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2018:100118U2STR525.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. J

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 185/16
vom
10. Mai 2016
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:100516B4STR185.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 3. November 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Beschuldigten im Sicherungsverfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Seine hiergegen gerichtete Revision hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen leidet der Beschuldigte „seit mindestens zehn Jahren“ an einer psychischen Erkrankung aus dem schizophrenen For- menkreis, die erstmals im Jahr 2005 diagnostiziert wurde. Seine Krankheit zeichnet sich durch Affektstörungen und einen Abstammungs- und Größenwahn aus. Hinzu kommen Allmachts- und Gewaltphantasien sowie ein paranoides Beeinträchtigungserleben.
3
a) Am 25. März 2013 schlug der sich „in einem akut psychotischen Zu- stand“ befindende Beschuldigte dem Mitarbeiter eines privaten Sicherheits- dienstes mit der Faust ins Gesicht, als dieser seine Personalien feststellen wollte. Am 17. Januar 2014 beschädigte er in der Wohnung des Zeugen T. eine Holztür durch Tritte und Schläge. Nachdem er die Wohnung verlassen hatte , schlug er mit einem 1,25 Meter langen und drei Zentimeter breiten Holzstab auf den Rücken des an ihm mit seinem Fahrrad vorbeifahrenden Zeugen H. . Dabei traf er jedoch lediglich dessen Rucksack, weshalb der Zeuge H. weder Verletzungen erlitt noch Schmerzen verspürte. Als ihn der Zeuge zur Rede stellte , fuchtelte der Beschuldigte mit dem Stock herum und fragte, ob er noch mehr wolle. Der Zeuge H. redete nun beschwichtigend auf den Beschuldigten ein, der daraufhin weiterging. Kurze Zeit später traf der Beschuldigte auf den Zeugen P. , der seinen Hund ausführte und sich mit einem Freund unterhielt. Der Beschuldigte schubste beide Personen beiseite und ging zwischen ihnen hindurch. Als der Zeuge P. ihn fragte, was er da mache, drehte sich der Beschuldigte um. Dabei schwang er den Holzstab in Richtung des Gesichts des Zeugen P. . Der Holzstab traf den Zeugen – wie von dem Beschuldigtenfür möglich gehalten und billigend in Kauf genommen – an der Nase. Der Zeuge erlitt hierdurch eine Schürfwunde. Herbeigerufene Polizeibeamte konnten den Beschuldigten beruhigen. Ihrer Aufforderung, seinen Stock niederzulegen, kam er nach. Kurz darauf legte er sich auf die Motorhaube des Polizeifahrzeugs und schlug mit beiden Fäusten auf diese ein. Als der Beschuldigte daraufhin von einem Polizeibeamten mit einem Armhebel zu Boden gebracht wurde, löste er sich mit großem Kraftaufwand aus dem Griff und wehrte sich mit Händen und Füßen gegen seine Festnahme. Dabei fasste er mit einer Hand an die Dienstwaffe des Beamten, riss an ihr und sagte sinngemäß, dass er ihm jetzt die Waffe wegnehmen werde. Der Polizeibeamte verhinderte dies durch einen gezielten Faustschlag. Der Einsatz von Reizstoff zeigte keine Wirkung. Schließlich konnte der Beschuldigte mit der Hilfe von Verstärkungskräften fixiert werden. Bei seiner anschließenden Einweisung in die LWL-Klinik D. zeigte sich der Beschuldigte sehr aggressiv und erklärte, Kindermörder, Messerstecher und „einer in der Dusche“ hätten ihn angegriffen. Er werde von einer auslän- dischen Bande bedroht und verfolgt. Ein Bandenmitglied – ein Mann mit Hund – habe ihn angegriffen. Am 11. Januar 2015 schlug und trat der „akut psychoti- sche“ Beschuldigte zusammen mit seinem Begleiter T. auf den Zeugen S. ein, der dadurch Prellungen und Hämatome erlitt. Bei seiner anschließenden Festnahme versuchte er einen der eingesetzten Polizeibeamten anzugreifen.
4
b) Das Landgericht hat die Vorfälle vom 17. Januar 2014 als versuchte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Schlag auf den Rücken des Zeugen H. ), gefährliche Körperverletzung gemäß § 224Abs. 1 Nr. 2 StGB (Schlag gegen die Nase des Zeugen P. ), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Sachbeschädigung gemäß §§ 113, 303 StGB (Verhalten bei der Festnahme) sowie Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB (Beschädigung der Tür) gewertet und als Anlasstaten für die Maßregelanordnung herangezogen. Daran anknüpfend ist die sachverständig beratene Strafkammer zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschuldigte aufgrund seiner psychischen Erkrankung auch künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit diesen Delikten vergleichbare, wenn nicht gar schwerwiegendere Taten begehen werde. Dabei hat sie auch den Faustschlag des Beschuldigten zum Nachteil des Sicherheitsdienstmitarbeiters vom 25. März 2013 (Körperverletzung gemäß § 223 StGB), seine Schläge und Tritte zum Nachteil des Zeugen S. am 11. Januar 2015 (gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) und den sich anschließenden Angriff auf die Polizeibeamten (§ 113 StGB) mit berücksichtigt.
5
2. Die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB sind nicht rechtsfehlerfrei dargetan.
6
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme. Sie setzt neben der sicheren Feststellung mindestens einer im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangenen Anlasstat voraus, dass eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, die schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die dazu notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135, 136; Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN).
7
b) Das Landgericht hat mit der Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen P. , den Sachbeschädigungen und dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zwar mehrere im Zustand der Schuldunfähigkeit begangene rechtswidrige Taten ausreichend festgestellt und in der Beweiswürdigung belegt. Die Gefahrenprognose begegnet aber durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
Denn die Strafkammer hat bei der Erstellung der Gefahrenprognose auch den von ihr als versuchte gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) bewerteten Schlag mit dem Holzstab zum Nachteil des Zeugen H. als prognoseungünstigen Umstand herangezogen und darin eine erhebliche Tat gesehen. Dass der Beschuldigte bei der Ausführung des Schlages tatsächlich mit einem auf den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gerichteten Vorsatz gehandelt hat, wird durch die Urteilsgründe aber nicht ausreichend belegt. Auch fehlen Feststellungen dazu, ob der Beschuldigte gegebenenfalls von der weiteren Tatausführung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Fall StGB strafbefreiend zurückgetreten ist, nachdem der Zeuge H. auf ihn beschwichtigend eingeredet hatte. Sollte der Beschuldigte tatsächlich durch den Zuspruch des Zeugen dazu veranlasst worden sein, von als möglich erkannten weiteren Gewalthandlungen Abstand zu nehmen, hätte dies bei der Gefährlichkeitsbeurteilung Berücksichtigung finden müssen.
9
Schließlich hat das Landgericht zur Stützung seiner Prognose auch auf einen Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 1. Dezember 2011 verwiesen , mit dem der Beschuldigte unter anderem wegen Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden war. Zwar werden in den Urteilsgründen die dazu getroffenen Feststellungen mitgeteilt. Aus diesen ergibt sich aber nicht, dass diese Taten auf der Erkrankung des Beschuldigten beruhten, sodass deren Prognoserelevanz nicht beurteilt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2007 – 2 StR 296/07, StraFo 2007, 468).
10
Die Sache bedarf danach erneuter Prüfung.
Sost-Scheible Franke Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 521/15
vom
28. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280116B3STR521.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 29. Juni 2015 - mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung - mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zu den äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen, der Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz , der Körperverletzung in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz sowie der Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat wegen eines Teils der De- likte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und wegen der übrigen Straftaten auf eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten erkannt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen und der Unterbringung hat es zur Bewährung ausgesetzt. Schließlich hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen leidet der Angeklagte an einer paranoid-psychotischen Störung bei affektiver Grunderkrankung mit umschriebener Wahnbildung. Die affektive Grunderkrankung verursacht überwiegend manische, teils auch depressive Phasen. In der Zeit vom 20. November 2010 bis zum 22. September 2013 beging er die abgeurteilten Übergriffe gegen Polizeibeamte, einen Bekannten und Familienangehörige. Die Strafkammer hat dem gehörten Sachverständigen folgend für den gesamten Tatzeitraum nicht auszuschließen vermocht, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund seiner Grunderkrankung erheblich eingeschränkt war; bei einem Teil der Taten hat sie eine solche Einschränkung positiv festgestellt. Bei zwei Vorfällen hat sie nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben und seine Einsichtsfähigkeit erheblich eingeschränkt war.
3
2. Der Schuldspruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben; denn die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft. Letzteres bedingt auch die Aufhebung des Strafausspruchs und der Unterbringungsanordnung.
4
a) Wenn sich das Tatgericht - wie hier - darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss es dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht:
5
Das Landgericht hat es bereits unterlassen, das vom Sachverständigen diagnostizierte Störungsbild einem der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zuzuordnen. Sodann fehlt die Darlegung, wie die paranoid-psychotische Störung auf den Angeklagten und seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen eingewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 - 3 StR 274/14, juris Rn. 4). Die §§ 20, 21 StGB setzen voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit "bei Begehung der Tat" aufgehoben bzw. erheblich vermindert sind. Die Schuldfähigkeit ist deshalb in Bezug auf jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts - oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146). Hierauf kann allein unter Hinweis auf die allgemeine Diagnose nicht verzichtet werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. August 2013 - 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 2. Oktober 2007, aaO), denn deren Feststellung ist insbesondere auch bei bipolaren Störungen, bei denen eine große Bandbreite von Ausprägungen und Schweregraden besteht, für die Frage der Schuldfähigkeit nicht ausreichend aussagekräftig. In manischen Phasen kann es, je nach Ausprägung und Schwere, zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, aber auch der Ein- sichtsfähigkeit kommen. Vor diesem Hintergrund genügen die Ausführungen in den Urteilsgründen nicht, die sich in den Verurteilungsfällen insoweit im Wesentlichen in der Mitteilung im Rahmen der Beweiswürdigung erschöpfen, der Sachverständige habe bei vier Taten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit positiv festgestellt und im Übrigen auf der Grundlage der festgestellten Grunderkrankung nicht ausschließen können, dass der Angeklagte im gesamten Tatzeitraum krankheitsbedingt in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen sei.
6
b) Da deshalb weder auszuschließen ist, dass der Angeklagte in den Verurteilungsfällen voll schuldfähig war, noch dass er im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, muss über den Schuldspruch und die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat insgesamt neu verhandelt und entschieden werden. Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Aufhebung auch des freisprechenden Teils des Urteils nicht; denn nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist es möglich, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen (BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2015 - 4 StR 293/15, NStZ-RR 2015, 315, 316; vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1). Die jeweiligen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bei den einzelnen Taten beruhen auf einer mangelfreien Beweiswürdigung und sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Der Adhäsionsausspruch unterliegt ebenfalls nicht der Aufhebung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 406a Rn. 8 mwN).
7
3. Im Übrigen ist das neue Tatgericht auf Folgendes hinzuweisen:
8
a) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen der Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz verurteilt hat, belegen die bisherigen Feststellungen in den Fällen II. 2. und II. 3. der Urteilsgründe bereits die Voraussetzungen des § 4 GewSchG nicht. Die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 GewSchG setzt u.a. voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt; an die Entscheidung des Familiengerichts ist es insoweit nicht gebunden (BGH, Beschluss vom 28. November 2013 - 3 StR 40/13, BGHSt 59, 94). Tragfähige diesbezügliche Ausführungen enthalten die bisherigen Urteilsgründe - auch in ihrem Gesamtzusammenhang - nicht.
9
b) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN). Der Tatrichter muss die eine Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5). Hieran gemessen erscheinen die bisherigen, eher knappen Urteilsausführungen nicht bedenkenfrei.
10
c) Sollte das neue Tatgericht für die einzelnen Taten ebenfalls Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten verhängen, wird es § 47 StGB und die diesbezüglichen Darlegungsanforderungen zu beachten haben.
Becker Schäfer Gericke
Spaniol Tiemann

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 500/16
vom
7. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u. a.
ECLI:DE:BGH:2016:071216B4STR500.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 7. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO analog
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 17. Juni 2016 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte zu Fall B. 6. der Urteilsgründe des Zuwiderhandelns gegen ein vollziehbares Waffenverbot durch Führen einer Schusswaffe in Tateinheit mit Bedrohung schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen, wobei es in diesem Fall zudem beim Versuch geblieben ist, Bedrohung in drei Fällen sowie – zu Fall B. 6. der Urteilsgründe – wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit einem Zuwiderhandeln gegen ein vollziehbares Waffenverbot durch Führen einer Schusswaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt lediglich zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs in Fall B. 6. der Urteilsgründe.
3
a) Die diesbezüglichen Feststellungen tragen neben dem rechtsfehlerfreien Schuldspruch wegen des genannten Vergehens gegen das Waffengesetz einen solchen nur wegen tateinheitlicher Bedrohung (§ 241 Abs. 1 StGB), nicht aber wegen tateinheitlicher versuchter Nötigung.
4
Auch unter Berücksichtigung der – lediglich beleidigenden – Äußerungen gegenüber dem in dem Reisebüro anwesenden Geschädigten R. kann den Feststellungen nicht entnommen werden, dass der Angeklagte bei seinem zweiten Besuch durch das Vorhalten der Druckgaspistole ein über die bloße Bedrohung des Geschädigten hinausgehendes Ziel verfolgte. Da weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dieser Änderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte, der die Tat im Grunde eingeräumt und sich bei dem Geschädigten entschuldigt hat, insoweit nicht anders hätte verteidigen können.
5
b) Einer Aufhebung des Strafausspruches bedarf es nicht. Die Änderung des Schuldspruches hinsichtlich des Falles B. 6. der Urteilsgründe wirkt sich auf den Einzelstrafausspruch von sechs Monaten Freiheitsstrafe nicht aus. Angesichts des Umstandes, dass bestimmend für die Festlegung des anzuwendenden Strafrahmens nach wie vor das tateinheitlich begangene Vergehen gegen das Waffengesetz bleibt, kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht eine geringere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hätte.
6
2. Im Übrigen ist die Revision – auch im Hinblick auf die Maßregelanordnung nach § 63 StGB – unbegründet.
7
Obgleich § 63 StGB durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuchs und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I 2016 S. 1610) mit Wirkung zum 1. August 2016 neu gefasst worden ist und diese Neufassung gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO auf den vorliegenden Fall Anwendung findet (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2007 – 3 StR 390/07, NJW 2008, 1173; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 345a Rn. 1; BT-Drucks. 18/7244, S. 41), hat die Unterbringungsanordnung Bestand. Die Neufassung der Anordnungsvoraussetzungen von § 63 StGB greift im Wesentlichen die Konkretisierungen auf, die vom Bundesverfassungsgericht und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in den vergangenen Jahren vorgenommen worden sind. Es handelt sich damit vorrangig um bestätigende Kodifizierungen (vgl. BT-Drucks. 18/7244, S. 42; BGH, Beschluss vom 3. August 2016 – 4 StR 305/16). Das Landgericht hat die der Anordnung der Unterbringung zugrunde liegende Gefährlichkeitsprognose anhand der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelt und bewertet. Seine dabei angestellten Erwägungen werden auch den Anforderungen des § 63 Satz 2 StGB nF gerecht. Der Senat kann daher ausschließen, dass die Unterbringungsanordnung auf der Nichtanwendung der Neufassung des § 63 StGB beruht.
8
3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen , den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten. Sost-Scheible Cierniak Bender Quentin Paul