Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2011 - 2 StR 459/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) der Angeklagte wegen Vergewaltigung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie wegen Vergewaltigung , versuchter Nötigung in zwei Fällen und Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt ist,
b) der Ausspruch über die Aufrechterhaltung der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aus dem Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 entfällt,
c) die zur Erfüllung der als Bewährungsauflage zum Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 gezahlten 600 Euro auf die erste Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren mit zwei Monaten angerechnet werden,
d) zwei Monate der Gesamtstrafen, die im Umfang von je einem Monat auf die beiden Gesamtstrafen angerechnet werden, zur Kompensation der Verzögerung des Revisionsverfahrens als vollstreckt gelten. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten der Vergewaltigung in drei Fällen, versuchter Nötigung in zwei Fällen und Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 bei Aufrechterhaltung der dort ausgesprochenen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- In den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe liegt weder ein Verfahrenshindernis im Sinne von § 151 StPO vor, noch hat das Landgericht mit seinem Urteil den Rahmen der von der zugelassenen Anklageschrift umgrenzten Tat im prozessualen Sinn verlassen (§ 264 Abs. 1 StPO). Im Fall II.1. unter- scheiden sich zwar die Angaben zu Tatzeit und Tatort im Anklagesatz einerseits und im Urteil andererseits, jedoch zeigt die Beschreibung des Tatbildes, dass derselbe Lebenssachverhalt gemeint ist. Im Fall II.2. der Urteilsgründe stimmen die Angaben zu Tatzeit und Tatort in Anklagesatz und Urteil überein, jedoch ist das Tatbild insoweit verändert, als - bei sonst gleichem Rahmengeschehen - an die Stelle eines erzwungenen Vaginalverkehrs ein Fall des erzwungenen Oralverkehrs getreten ist. Die Abweichung in der Darstellung der erzwungenen sexuellen Handlung beruht darauf, dass die Nebenklägerin im Vorverfahren allgemein von "Sex" gesprochen hatte, woraus die Ermittlungsbeamten auf vaginalen Geschlechtsverkehr geschlossen haben, während die Nebenklägerin erst in der Hauptverhandlung auf eine Frage nach dem Grund für einen geschilderten Würgereiz die erzwungene Handlung als Oralverkehr bezeichnet hat. In beiden Fällen ist die Identität des Verfahrensgegenstands nicht zweifelhaft , zumal hier nur einzelne näher konkretisierte Taten angeklagt und abgeurteilt wurden. Die Umgrenzungsmerkmale, die zur Identifizierung des historischen Lebenssachverhalts gebraucht werden können, sind variabel. Tatzeit und Tatort werden zwar in § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO als grundsätzlich geeignete Umgrenzungsmerkmale hervorgehoben. Sie können aber ersetzt werden, wenn die Tat durch andere Umstände ausreichend charakterisiert wird (vgl. BGH StV 1998, 580; KK/Schneider, StPO, 6. Aufl. § 200 Rn. 3; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl. § 200 Rn. 19). Diesen Anforderungen genügt die Tatbeschreibung im Anklagesatz; das Urteil des Landgerichts betrifft dieselben Ereignisse.
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- Der Schuld- und Strafausspruch ist dahin klarzustellen, dass die Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 in die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren erfolgt ist. Die Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aus dem Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 ist abgelaufen, so dass diese Maßregel entfällt. http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=35&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE013502307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=35&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE013106377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=35&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302339005&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=35&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE047002301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=35&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE047002301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/ - 5 -
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- Die von der Strafkammer unterlassene Anrechnung der erbrachten Bewährungsauflage steht in den Fällen des § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB, anders als in denen des § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB, nicht im Ermessen des Tatgerichts, sondern hat in aller Regel zu erfolgen (vgl. BGHSt 36, 378, 381). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ausnahme von diesem Grundsatz sind hier nicht ersichtlich. Da die erforderlichen Tatsachen im angefochtenen Urteil mitgeteilt werden, hat der Senat den Rechtsfehler auf die Sachrüge zu berücksichtigen; er kann die Anrechnungsentscheidung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst nachholen (vgl. BGH NStZ 2001, 163, 164). Er wählt als Anrechnungsmaßstab die Höhe der Tagessätze im Beschluss des Amtsgerichts Haldensleben vom 18. Juli 2005 (UA S. 7), das von 20 Euro pro Tag ausgegangen ist.
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- Zur Kompensation einer Verzögerung des Revisionsverfahrens ist ein Teil der Strafe als vollstreckt anzusehen. Der Senat stellt daher fest, dass zwei Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Die Anrechnung erfolgt anteilig im Umfang von je einem Monat auf beide Gesamtfreiheitsstrafen.
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- Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt nicht die Anwendung von § 473 Abs. 4 StPO.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Die Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung ist durch die Erhebung einer Klage bedingt.
(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.
(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, so ist für die Strafaussetzung nach § 56 die Höhe der Gesamtstrafe maßgebend.
(2) Ist in den Fällen des § 55 Abs. 1 die Vollstreckung der in der früheren Entscheidung verhängten Freiheitsstrafe ganz oder für den Strafrest zur Bewährung ausgesetzt und wird auch die Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so verkürzt sich das Mindestmaß der neuen Bewährungszeit um die bereits abgelaufene Bewährungszeit, jedoch nicht auf weniger als ein Jahr. Wird die Gesamtstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, so gilt § 56f Abs. 3 entsprechend.
(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person
- 1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, - 2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder - 3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,
- 1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder - 2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.