Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2018 - 2 StR 417/18

published on 23.10.2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2018 - 2 StR 417/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 417/18
vom
23. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
ECLI:DE:BGH:2018:231018B2STR417.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 12. April 2018 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in - nach dem schriftlichen Urteilstenor - drei Fällen, Missbrauchs von Kindern in 24 Fällen und Besitzes kinderpornografischer Schriften in Tateinheit mit Verbreitung kinderpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge eines Verstoßes gegen §§ 257c, 243 Abs. 4 Satz 2 StPO Erfolg.
2
Der Generalbundesanwalt hat zutreffend in seiner Antragsschrift vom 13. September 2018 ausgeführt: „Der gerügte Verfahrensverstoß liegt vor. Das Landgericht hat seine Informationspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO verletzt. (1) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende des Gerichts mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben. Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden und auf welche Resonanz diese bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, BVerfGE 133, 168, 215 f.; Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2016 - 2 StR 367/16, NStZ 2017, 244; Senatsurteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601; BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 152; vom 25. Februar 2015 - 4 StR 470/14, NStZ 2015, 353). Dementsprechend hat der Vorsitzende zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle Verlauf und Inhalt der Gespräche in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen (§ 273 Abs. 1a Satz 2 StPO), wobei die Dokumentationspflicht auch für erfolglos geführte Gespräche gilt, in deren Verlauf keine Verständi- gung zustande gekommen ist (vgl. Senatsurteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, Rn. 10, BGHSt 59, 252). Diesen Anforderungen genügen die im vorliegenden Fall erfolgten Mitteilungen über während zweier Unterbrechungen der Hauptverhandlung mit dem Ziel einer Verständigung geführten Gespräche nicht, weil lediglich deren Ergebnisse mitgeteilt wurden (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2016 - 2 StR 367/16, NStZ 2017, 244; BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2018 - 1 StR 532/17, Rn. 14, NStZ 2018, 363; vom 25. Februar 2015 - 4 StR 470/14, NStZ 2015, 353). Es blieb jeweils offen, welche Standpunkte von den Teilnehmern der Gespräche, insbesondere von der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft, vertreten wurden, und ob sie bei den anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen sind. Auch fehlt die Mitteilung, dass der Vorsitzende – bei beiden Erörterungen – auf (erhebliche) 'Beweisprobleme' in Bezug auf die angeklagten Taten zum Nachteil der Nebenklägerin, der Geschädigten R. , hingewiesen hatte. (2) Bei Verstößen gegen die Mitteilungspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO ist regelmäßig davon auszugehen, dass das Urteil darauf beruht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, NStZ 2015, 170, 172 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2018 - 1 StR 532/17, NStZ 2018, 363), da sich – bis auf eng begrenzte Ausnahmefälle – nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei gesetzesmäßigem Vorgehen infol- ge eines anderen Prozessverlaufs zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat seiner Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich dessen geständige Einlassung zugrunde gelegt (UA S. 8), die der Angeklagte – über seinen Verteidiger und von ihm bestätigt – im unmittelbaren Anschluss an die Verständigung und seiner Belehrung nach § 257c StGB abgegeben hatte (RB S. 5). […] Wegen des Einlassungsverhaltens des Angeklagten hatte die Strafkammer auch ausdrücklich von einer Vernehmung der – teilweise noch kindlichen – Geschädigten abgesehen (UA S. 14/15). Aus eigener Anschauung hatte der Angeklagte, der an den verständigungsbezogenen Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung nicht beteiligt war, keine Kenntnis vom wesentlichen Inhalt der Gespräche, insbesondere den unterschiedlichen Strafmaßvorstellungen der Verfahrensbeteiligten und der vom Gericht geäußerten vorläufigen Sachverhaltsbewertung. In derartigen Fällen ist nicht von vornherein auszuschließen, dass sich der Angeklagte bei einer ordnungsgemäßen Information zu einem anderen Verteidigungsverhalten entschlossen hätte und deshalb andere, für ihn günstigere Feststellungen , hätten getroffen werden können. Daran vermag auch der Umstand, dass der Angeklagte – wie die Revision selbst vorträgt (RB S. 4) – von seinem Verteidiger über den Inhalt der Verständigungsgespräche unterrichtet wurde. Diese von Verständnis und Wahrnehmung des Verteidigers beeinflusste Information vermag die erforderliche Unterrichtung durch das Gericht grundsätzlich nicht zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2016 - 2 StR 367/16, NStZ 2017, 244; Senatsurteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, Rn. 20, BGHSt 59, 252).“
3
Dem schließt sich der Senat an und bemerkt, dass der neue Tatrichter im Falle einer Verurteilung die Bildung einer Gesamtstrafe nicht dem Beschlussverfahren nach §§ 460 ff. StPO überlassen darf. Liegen die entsprechenden Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung vor, ist der Tatrichter hierzu grundsätzlich verpflichtet (BGH, Beschluss vom 18. September 1974 - 3 StR 217/74, BGHSt 25, 382, 383).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä
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published on 09.09.2021 17:29

Die Verständigung ist der sog. „Deal“ im Strafprozess. Schon umstritten ist, wie sie strafrechtsdogmatisch überhaupt einzuordnen ist. Die Verständigung ist eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den Verfahrensbe
Author’s summary

Die Verständigung ist der sog. „Deal“ im Strafprozess. Schon umstritten ist, wie sie strafrechtsdogmatisch überhaupt einzuordnen ist. Die Verständigung ist eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis des Verfahrens verständigt, § 257 c StPO. Häufigster Anwendungsfall dabei ist die Einigung über das zu erwartende Strafmaß, d. h. die Rechtsfolge, im Falle dass der Angeklagte geständig ist.
 
Primär dient dieses Institut natürlich dazu, Ressourcen zu schonen und damit Verfahren zu kürzen. Da die Ermittlung der „materiellen Wahrheit“, also der Sachverhalt, so wie er sich wirklich abgespielt hat, Ziel eines jeden Strafverfahrens ist, darf die Verständigung die Sachverhaltsaufklärung der Ermittlungsbehörden nicht verkürzen. Hier entsteht ein Dilemna zwischen der praktischen Notwendigkeit eines solchen Instituts und den extremen Bedenken, die gegen ein solches Institut sprechen; die Verfahrensgrundsätze werden durch einen solchen Deal nämlich nicht hinreichend bedacht. Das Verfahren wird hierdurch erheblich verkürzt und Grundsätze wie beispielsweise der Öffentlichkeitsgrundsatz können nicht derartig eingehalten werden, wie unsere Verfassung das von uns eigentlich verlangt. 

Zum Zwecke der Transparenz wurden entsprechende Protokollierungspflichten in unserer Strafprozessordnung normiert, um die Absprache mit den Verfahrensgrundsätzen in Einklang zu bringen. Die Einführung der Norm des § 257 c StPO am 4. 08 2009 stellte damit eigentlich einen Fortschritt dar – vorher entsprach es der Regel, dass Gerichte eine sog. informelle Absprache durchführten, d. h. illegale Absprachen außerhalb der Hauptverhandlung ohne jegliche Dokumentation. Problem hierbei ist, dass sich die Praxis seit Einführung des § 257 c StPO nicht an die ihr auferlegten Dokumentationspflichten hielt – das nennt das Bundesverfassungsgericht Vollzugsdefizit. Dies könnte dazu führen, dass die Norm in ihrer Gesamtheit früher oder später nicht mehr verfassungsgemäß ist:
 
Im Frühjahr 2013 entschied das Bundesverfassungsgericht nämlich, dass die Regelung zur Verständigung im Strafprozess – trotz eines erheblichen Vollzugsdefizits – derzeit „noch nicht“ verfassungswidrig seien. Was das genau bedeuten soll, ist unklar. In diesem Aufsatz möchte ich mich mit diesem Urteil auseinandersetzen. Es gilt als eines der wichtigsten Urteile des 21. Jahrhunderts zum Thema Strafprozessrecht.

2 BvR 2628/10 – Ein Überblick
Wie schon soeben erwähnt, setzte sich das Bundesverfassungsgericht im vorliegenden Verfahren damit auseinander, ob das Verständigungsgesetz in seiner Fassung mit der deutschen Verfassung in Einklang steht. Dies bejahte das höchstrichterliche Gericht, verwies aber auf den Vollzugsdefizit und legte demnach dem Gesetzgeber die Pflicht auf, die Schutzmechanismen (damit ist die Transparenz richterlichen Handelns und die Protokollierungspflichten im Rahmen einer Verständigung gemeint) immer wieder auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen sowie bei Gelegenheit nachzubessern.

Wie steht es mit den Verfahrensgrundsätzen?
Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Urteil der Reihe nach auf die wichtigen Verfahrensprinzipien ein, die im Rahmen einer Verständigung unbedingt Beachtung finden müssen:
Es beginnt mit dem Schuldgrundsatz, der sich aus der Menschenwürde (Art. 1 GG und Art. 2 I GG) und aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) ableitet. Trotz einer Einigung über das Strafmaß im Rahmen einer Verständigung bleibt es immer noch Ziel des Strafverfahrens den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Ohne einen solchen lässt sich das materielle Schuldprinzip gar nicht realisieren – Die Strafe die der Verurteilte erhält ist nämlich die Antwort auf seine persönliche Schuld! Auch das Institut der Verständigung kann einen solch wichtigen Verfahrensgrundsatz nicht lahmlegen.
Eine Verständigung kann damit niemals alleinige Urteilsgrundlage bilden, sondern das Gericht – muss wie sonst auch immer – hiervon überzeugt sein, § 261 StPO. Vielmehr müssen verständigungsbasierte Geständnisse auf ihre Richtigkeit überprüft werden (Verlinkung!).
 
Das Gericht weist auch darauf hin, dass der Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren durch die Verständigung nach § 257 c StPO nicht verletzt wird. Ein solcher gewährleistet das Recht eines jeden Beschuldigten, prozessuale Rechte wahrzunehmen sowie Übergriffe des Staates in einer angemessenen Art und Weise abwehren zu können. Wie dieses Verfahrensrecht ausgestaltet wird, liegt grundsätzlich in der Kompetenz des Gesetzgebers.
Darüber schreibt das Gericht in seinem Urteil über die Relevanz des Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit und der Unschuldsvermutung, die im Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 III GGverankert sind. Der Beschuldigte muss stets frei von jeglichem Zwang und eigenverantwortlich entscheiden können, ob und wie er im Strafprozess gegen sich selbst mitwirken möchte. Er muss also nicht an seiner eigenen Überführung mitwirken.
 
Die genannten Verfahrensgrundsätze lassen natürlich Zweifel aufkommen, inwieweit das Institut der Verständigung denn überhaupt mit diesen Verfahrensgrundsätzen in Einklang zu bringen ist. Außer Acht gelassen darf hierbei aber nicht, dass das Verständigungsgesetz vielmehr ein Versuch war, ein solches Institut mit der Verfassung in Einklang zu bringen, gerade weil es vorher der Praxis entsprach, eine solche ohne jegliche gesetzlich normierten Transparenzpflichten durchzuführen. Es entsprach also der Praxis einen solchen „Deal“ abzuschließen – und dies ohne Rücksicht darauf, dass ein solches Handeln unsere Verfassung und vielmehr die prozessualen Rechte eines jeden Beschuldigten mit Füßen trat.

Das Gericht schreibt in seinem Urteil, dass das Verständigungsgesetz das Risiko aufweisen würde, dass die Vorgaben, die uns die Verfassung an ein solches Institut vorschreibt, nur geringfügige Beachtung findet. Dies habe aber nicht zur Folge, dass es dem Gesetzgeber deshalb schlechthin verwehrt sei, eine solche Verfahrensvereinfachung dennoch grundsätzlich für zulässig zu erklären. Indem der Gesetzgeber an das Institut der Verständigung gewisse gesetzliche Vorgaben schuf, hat er damit kein „konsensuales Verfahrensmodell“ zwischen Beschuldigtem und Gericht geschaffen, sondern vielmehr die Verständigung als eine Art „Fremdkörper“ in unsere geltende Strafprozessordnung integriert.

Wieso sind Transparenz und Dokumentation von solchen Verständigungen so wichtig? 
Solche Pflichten, die der Gesetzgeber der Praxis mit seinem § 257 c StPO aufgebürdet hat sind deshalb bedeutsam, da sie eine effektive Kontrolle durch Öffentlichkeit, Staatsanwaltschaft und durch das Rechtsmittelgericht gewährt. Dadurch, dass die mit einer Verständigung verbundenen Handlungen umfassend in die öffentliche Hauptverhandlung einbezogen werden müssen, wird betont, dass sich auch bei dem Institut der Verständigung die richterliche Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ergeben muss. Der Staatsanwaltschaft wird hier eine herausragende Rolle zugeschrieben, denn ihr kommt eine Kontrollfunktion zu. Sie ist dazu verpflichtet, ihre Zustimmung zu einer gesetzeswidrigen Verständigung zu verweigern und muss vielmehr Rechtsmittel gegen Urteil einlegen, die auf einer solchen Verständigung beruhen.

Bundesverfassungsgericht versetzt sich in die Lage des BGH und nennt Revisionsgründe
Interessant ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht darlegt, dass ein Verstoß gegen die Transparenz-und Dokumentationspflichten die Rechtswidrigkeit der Verständigung zur Folge hat. Behält das Gericht die Verständigung dennoch bei, so stelle dies ein Revisionsgrund dar – ein Beruhen ließe sich also regelmäßig nicht ausschließen.
 
Dasselbe gelte dann, wenn der Angeklagte nicht über die Voraussetzungen und mit welchen Folgen das Gericht von dem in Aussicht gestellten Ergebnis abweichen kann belehrt wird. Eine solche Belehrung soll nämlich den Angeklagten in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich über seine Mitwirkung an der Verständigung schützen.
 
Diese Passagen des Urteils lassen seine Leser freilich etwas grübeln – denn solche Vorgaben, die das höchstrichterliche Gericht hier tätigt, sind eigentlich solche, die allein der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz der Justiz auferlegen sollte; nicht hingegen das Bundesverfassungsgericht. Es überschritt hier mithin seine Kompetenzen.

Über den Vollzugsdefizit
Nun zum Knackpunkt der Entscheidung:
Das Verständigungsgesetz sichere die verfassungsrechtlichen Vorgaben in hinreichender Weise; der in erheblichen Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führe derzeit noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung.
 
Was das Bundesverfassungsgericht kritisiert ist gar nicht das Gesetz in seiner jetzigen Fassung vom 4.08.2009 selbst; es ist vielmehr die Praxis, die sich nicht an die ihr auferlegten Transparenz und Protokollierungspflichten hält. Verfassungswidrig wäre der Gesetzestext allein dann, wenn die Schutzmechanismen in einer Art und Weise lückenhaft wären und damit (selbst gegen die Verfassung verstoßende) informelle Absprachen fördern würden – die Norm soll solche illegalen Absprachen aber gerade verhindern indem sie strenge Anforderungen an ein solches Institut aufstellt.  Problem ist hier also vielmehr die Praxis, die das Gesetz nicht oder nicht richtig anwendet.
Als Hauptgrund für den defizitären Vollzug wird in der im Gutachten genannten empirischen Studie nicht der strukturelle Mängel des gesetzlichen Regelungskonzeptes, sondern vielmehr eine „fehlende Praxisuntauglichkeit“ genannt.

Was folgt?
Was schlussfolgert das Bundesverfassungsgericht aus seinen Erwägungen? Was soll das überhaupt bedeuten, das Gesetz ist „noch“ verfassungskonform, „Schuld“ sei vielmehr die Praxis? Das höchstrichterliche Gericht meint in seinen Ausführungen, der Gesetzgeber müsse die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in derartiger Weise über die normierten Regelungen hinwegsetzen, so sei es als Aufgabe des Gesetzgebers anzusehen, diese Fehlentwicklung durch Maßnahmen entgegenzutreten. Wenn dies unterbleibt, so träte „ein verfassungswidriger Zustand“ ein.
 
Diese Begründung durch das Bundesverfassungsgericht wurde zu Recht in vielfacher Weise von der Literatur angegriffen. Und das aus vielerlei Gründen. Wieso? Der Senat legt dem Gesetzgeber die Pflicht auf, die Entwicklung sorgfältig zu beobachten. Zwingend ist diese „Verschiebung“ aber nicht. Vielmehr hätte sich der Senat einer endgültigen Entscheidung nicht entziehen dürfen – je nachdem wie er den defizitären Vollzug des Verständigungsgesetzes einschätzt (unabhängig davon, dass ein solcher nicht aus einer Schutzlücke des Gesetzes entspringt) hätte er sich somit für eine Verfassungsmäßigkeit oder eben Verfassungswidrigkeit entscheiden können. Die Frage, wieso der Senat warten möchte, und vielmehr eine „vorübergehende Lösung“ der „Noch-Verfassungsmäßigkeit“ einer endgültigen Entscheidung vorzieht, erschließt sich mir nicht.
 
Eine Frage habe ich mir außerdem noch gestellt: Was genau muss der Gesetzgeber jetzt tun? Schließlich ist es und bleibt es die Aufgabe des Gesetzgebers, Gesetze zu erlassen. Wenn das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber allerdings vorgibt, dass das Verständigungsgesetz den verfassungsmäßigen Anforderungen entspricht, so bleibt für den Gesetzgeber unklar, wann und wie er zu handeln hat, wenn das Vollzugsdefizit in der Praxis keine Besserung erfährt.

Dieses Urteil ist v. a. für die Gerichte relevant. Es bringt zum Ausdruck, dass sie sich an die Formvorschriften der Strafprozessordnung halten müssen. Tun sie dies nicht, so trete ein rechtswidriger Zustand ein, der zeitgleich einen Revisionsgrund ablichtet. Ein solches hat natürlich auch eine erhebliche Relevanz für den Beschuldigten - er ist als Subjekt des Strafprozesses besonders schützenswert. Die Verfahrensgrundsätze unserer Strafprozessordnung müssen zu seinem Schutze Anwendung finden. 

published on 11.01.2018 00:00

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published on 26.11.2019 00:00

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published on 30.07.2019 00:00

Nachschlagewerk: nein BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StPO § 273 Abs. 1a Satz 2 Wird in der Hauptverhandlung ein Vermerk über ein außerhalb der Hauptverhandlung geführtes Verständigungsgespräch verlesen , ist der Protokollierungspflicht des § 273
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.