Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Dez. 2015 - 2 StR 322/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 29. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten V. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 23 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in 19 Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Verfalls - sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Den Angeklagten K. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen auf der Grundlage einer Verständigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.
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- Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg. Das Urteil leidet an einem Darstellungsmangel.
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- 1. Das Landgericht hat seine Überzeugung von dem festgestellten Sachverhalt auf die Geständnisse der beiden Angeklagten gestützt. Zur Beweiswürdigung ist in den Urteilsgründen ausgeführt: „Die Feststellungen zur Sache […] beruhen auf den umfassenden und glaubhaften Geständnissen beider Angeklagten, die durch die in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Beweismittel bestätigt und ergänzt worden sind. Zwischen der Kammer und dem Angeklagten K. sowie der Staatsanwaltschaft ist eine Verständigung gemäß § 257 c StPO zustande gekommen. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass das von ihm abgelegte umfassende Geständnis zu den ihm noch vorgeworfenen Taten, das durch das übrige Beweisergebnis bestätigt und verifiziert worden ist, der Wahrheit entspricht. Soweit er sich dahin gehend eingelassen hat, dass er nicht als alleiniger Abnehmer des Rauschgifts, sondern in Absprache mit – von ihm nicht benannten Dritten – gehandelt hatte , konnte ihm dies nicht widerlegt werden und ist im Sinne seiner Einlassung ebenfalls in obige Feststellungen zur Sache eingeflossen. In Bezug auf den Angeklagten V. ist mangels Zustimmung der Staatsanwaltschaft keine Verständigung zustande gekommen […]. Sein gleichwohl zu den ihm noch vorgeworfenen Taten abge- legtes Geständnis war ebenfalls glaubhaft und ist durch die sonstigen Beweisergebnisse bestätigt und verifiziert worden. Auch seine Einlassung zu seiner Rolle bei den Rauschgiftgeschäften konnte ebenfalls nicht widerlegt werden und ist in diesem Sinne bei den Feststellungen zur Sache zugrunde gelegt worden.“
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- 2. Diese Beweiserwägungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand, denn sie sind lückenhaft.
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- a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, sich aufgrund des umfassenden Eindrucks der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Kontrolle ist auf die Prüfung beschränkt, ob dem Tatrichter dabei ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder der Tatrichter an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Die Überzeugung des Tatrichters muss darüber hinaus in den Feststellungen und der den Feststellungen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende objektive Grundlage finden (BGH, Beschluss vom 22. August 2013 – 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388). Die schriftlichen Urteilsgründe müssen deshalb nicht nur die für erwiesen erachteten Tatsachen, ihre rechtliche Würdigung sowie die für die Entscheidung der Straffrage maßgeblichen Erwägungen wiedergeben (vgl. § 267 StPO); der Tatrichter ist außerdem verpflichtet, seine Beweiserwägungen so geschlossen und aus sich heraus verständlich in den schriftlichen Urteilsgründen niederzulegen, dass die Beweiswürdigung einer revisionsgerichtlichen Kontrolle anhand des genannten Maßstabes einer sachlich-rechtlichen Überprüfung zugänglich ist (st. Rspr; Senat , Beschluss vom 21. Juli 2015 – 2 StR 75/14, juris; Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 StR 222/10; vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 mwN; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15, NStZ-RR 2015,
180).
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- Die sachlich-rechtliche Begründungspflicht umfasst auch die Verpflichtung , die Einlassung des Angeklagten jedenfalls in ihrem wesentlichen Inhalt wiederzugeben. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Angeklagte ein Geständnis ablegt (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2015 – 2 StR 75/14, juris), denn ein Geständnis enthebt den Tatrichter nicht von seiner Pflicht, dieses einer kritischen Prüfung auf Plausibilität und Tragfähigkeit hin zu unterziehen und zu den sonstigen Beweismitteln in Beziehung zu setzen. Legt der Tatrichter das Geständnis des Angeklagten seinen Feststellungen in vollem Umfange zugrunde, weil er es für glaubhaft erachtet, so ist er zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, es in den Urteilsgründen in allen seinen Einzelheiten zu dokumentieren, um dem Revisionsgericht eine Kontrolle seiner Entscheidung zu ermöglichen. Es kann vielmehr – je nach den Umständen des Einzelfalls – genügen, auf die Feststellungen Bezug zu nehmen. Erforderlich ist außerdem, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegt und begründet, aus welchen Gründen er das Geständnis des Angeklagten für glaubhaft erachtet. Decken sich die Angaben des Angeklagten mit sonstigen Beweisergebnissen und stützt der Tatrichter seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit des Geständnisses auch auf diese Beweisergebnisse, so ist er zu deren jedenfalls gedrängter Wiedergabe verpflichtet, da anderenfalls eine revisionsgerichtliche Überprüfung seiner Überzeugungsbildung nicht möglich ist. Diese Maßstäbe gelten auch in Fällen, in denen der Angeklagte im Rahmen einer Verfahrensverständigung ein Geständnis ablegt.
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- b) Gemessen an diesen Maßstäben hält die tatrichterliche Beweiswürdigung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft.
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- Unklar bleibt insbesondere, ob die beiden Angeklagten Angaben zur Vorgeschichte der Tat II. 2 der Urteilsgründe gemacht haben. Nach den Feststellungen übergab der Angeklagte V. dem Angeklagten K. im Auftrag einer oder mehrerer unbekannter Personen 25 Kilogramm Marihuana und sollte dafür, anders als in den übrigen zur Aburteilung führenden Fällen, als Ent- lohnung lediglich einen Geldbetrag in Höhe von 100 € pro Kilogramm Rauschgift erhalten. Das Landgericht hat diese Einlassung des Angeklagten als unwiderlegt angesehen und im Rahmen der rechtlichen Würdigung festgehalten, dass es nicht festzustellen vermochte, ob der Angeklagte über die bloße Auslieferung der Drogen hinaus auch die Bestellung des Angeklagten K. entgegen genommen, mit ihm die Modalitäten der Lieferung vereinbart hat und ob er damit beauftragt war, den Kaufpreis entgegen zu nehmen. In diesem Zusammenhang hätte es sich zu der Erörterung der Angaben der Angeklagte K. zu der Vorgeschichte dieser Tat gedrängt sehen müssen.
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- Darüber hinaus ist die tatrichterliche Erwägung, dass die Geständnisse der beiden Angeklagten durch die „in der Sitzungsniederschrift aufgefundenen Beweismittel bestätigt und ergänzt“ werden,nicht nachvollziehbar. Der Tatrich- ter teilt weder die erhobenen Beweismittel noch deren Beweisertrag mit. Zwar ist es regelmäßig weder erforderlich noch zweckmäßig, das Revisionsgericht im Einzelnen darüber zu unterrichten, welche Ergebnisse die im Hauptverhandlungsprotokoll verzeichneten Beweiserhebungen erbracht haben (BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 mwN). Stützt der Tatrichter seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Geständnisse jedoch auf außerhalb der Angaben der Angeklagten liegende Beweisergebnisse, so ist er gehalten, diese in den Urteilsgründen – jedenfalls gedrängt – wiederzugeben.
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- Der Senat vermag ein Beruhen des Urteils auf dem Erörterungsmangel zum Nachteil der Angeklagten nicht auszuschließen. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.