Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2017 - 2 StR 31/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:091017B2STR31.17.0
bei uns veröffentlicht am09.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 31/17
vom
9. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:091017B2STR31.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Oktober 2017 gemäß § 154 Abs. 2, § 354 Abs. 1a Satz 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 19. Oktober 2016 wird
a) das Verfahren in den Fällen II.1. und 2. der Urteilsgründe eingestellt; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten ;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und vorsätzlicher Körperverletzung schuldig ist;
c) das vorgenannte Urteil im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben und eine Einzelstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verhängt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Körperverletzung sowie wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen (Einzelstrafen von zwei Jahren und zehn Monaten sowie zweimal drei Monaten) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf Antrag des Generalbundesanwalts zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und hat insoweit den zum Schuldund Strafausspruch ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Aus prozessökonomischen Gründen stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen verurteilt ist. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch insoweit nicht. Erforderlich wären zumindest ergänzende Feststellungen des Tatgerichts zur Gefährdung des Maßregelzwecks. Von einer solchen kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich durch den Verstoß bzw. durch die Verstöße gegen die Weisung die Gefahr weiterer Straftaten erhöht hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - 1 StR 415/12, BGHSt 58, 72, 75; Beschluss vom 28. Mai 2008 - 1 StR 243/08, NStZ-RR 2008, 277, 278). Erforderlich ist, dass sich die Gefahr durch den Weisungsverstoß vergrößert oder die Aussicht ihrer Abwendung verschlechtert hat (BeckOK StGB/Heuchemer, 34. Ed. 1. Mai 2017, § 145a StGB Rn. 7). Es erschließt sich indes nicht, inwieweit der zweimalige Verstoß des Angeklagten gegen die Weisung , sich alle zwei Tage auf dem Polizeirevier zu melden, um sich dort einem Alkoholtest zu unterziehen, eine derartige Wahrscheinlichkeit begründet haben könnte.
3
Die Verfahrenseinstellung hat die Änderung des Schuldspruchs sowie den Wegfall der für die Taten festgesetzten Einzelstrafen von zweimal drei Monaten zur Folge. Sie zieht zudem die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
4
II. 1. Die Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
5
2. Hinsichtlich des verbleibenden Umfangs hat die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
6
3. Die grundsätzlich rechtsfehlerfrei bemessene (Einzel-) Freiheitsstrafe wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und vorsätzlicher Körperverletzung bedarf auf Antrag des Generalbundesanwalts allerdings insoweit der Abänderung, als es die Strafkammer unterlassen hat, im Hinblick auf die weitere Verurteilung durch das Amtsgericht Stralsund vom 21. Januar 2016 einen Härteausgleich vorzunehmen.
7
a) Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 21. Januar 2016 durch das Amtsgericht Stralsund wegen Diebstahls und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die Strafvollstreckung war am 24. Juni 2016 und damit vor Erlass des angegriffenen Erkenntnisses erledigt.
8
b) Der Nachteil, der darin liegt, dass eine an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung (Tatzeit im vorliegenden Verfahren 19. bis 21. Dezember 2015) nicht mehr in Betracht kommt, weil die frühere Strafe bereits vollstreckt oder anderweitig erledigt ist, ist bei der Bemessung der neu zu erkennenden Strafe auszugleichen (st. Rspr. BGH, Beschlüsse vom 9. November 2010 - 4 StR 441/10, NJW 2011, 868, 869; vom 9. November 1995 - 4 StR 650/95, BGHSt 310, 312; Urteil vom 23. Januar 1985 - 1 StR 645/84, BGHSt 33, 131). Dabei ist der Härteausgleich grundsätzlich nicht bei der Festsetzung der Einzelstrafen , sondern bei der Bemessung der Gesamtstrafe einzustellen (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 31/16, juris Rn. 4 mwN). Beschränkt sich - wie hier - der Gegenstand des neuen Verfahrens auf nur eine Tat, ist die dafür verhängte Einzelstrafe zu mildern (Fischer, StGB, 64. Aufl., § 55 Rn. 22a; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 29. Aufl. § 55 Rn. 30).
9
c) Um jede mögliche Beschwer des Angeklagten auszuschließen, hat der Senat die zutreffend bemessene und angemessene Einzelstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten um fünf Monate auf zwei Jahre und fünf Monate ermäßigt (§ 354 Abs. 1a Satz 2 StPO).
10
4. Die Überprüfung des Maßregelausspruchs lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
11
a) Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Hinweis auf dessen fehlende Therapiebereitschaft sowie die fehlende Aussicht, dessen Therapiebereitschaft zu wecken, zutreffend abgelehnt.
12
b) Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB ist rechtsfehlerfrei dargelegt. Die Reduzierung der für die Anlasstat verhängten Freiheitsstrafe aufgrund des vorzunehmenden Härteausgleichs berührt weder die Annahme der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB noch hat sie Auswirkung auf den von der auch insoweit sachverständig beratenen Strafkammer zutreffend fest- gestellten Hang des Angeklagten zu erheblichen Straftaten sowie dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit.
13
III. Da die gegen die Verurteilung insgesamt gerichtete Revision nur einen geringen Teilerfolg hat, ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den verbleibenden Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO). Appl Eschelbach Bartel Grube Schmidt

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 415/12
vom
18. Dezember 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
1. Ein nach § 145a Satz 1 StGB tatbestandsmäßiger Weisungsverstoß setzt eine
hinreichend bestimmte Weisung voraus. Maßgeblich dafür ist allein der durch das
Vollstreckungsgericht festgelegte Inhalt.
2. Versäumt der Verurteilte bei einer Meldeweisung die Vorstellung bei seinem Bewährungshelfer
innerhalb des gerichtlich festgelegten Meldezeitraums, liegt ein Weisungsverstoß
selbst dann vor, wenn mit dem Bewährungshelfer Termine außerhalb
dieses Zeitraums abgesprochen waren.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - 1 StR 415/12 - LG Passau
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
18. Dezember 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. a) Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 12. März 2012 insoweit mit den Feststellungen aufgehoben, als der Angeklagte vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung/Nötigung freigesprochen worden ist.
b) Die weitergehende Revision wird verworfen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Passau - Strafrichter - zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und ihm dem Grunde nach eine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft zugesprochen.
2
1. Diesem war mit der Anklage vorgeworfen worden, in dem Zeitraum zwischen August und Oktober 2010 in drei Fällen gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verstoßen und tatmehrheitlich eine besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Lasten der Nebenklägerin, der Zeugin A. , begangen zu haben. Im Einzelnen war ihm Folgendes zur Last gelegt worden:
3
a) Das Amtsgericht Leipzig hatte den Angeklagten im Jahre 2003 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. In Bezug auf die nach Vollverbüßung eintretende Führungsaufsicht habe das Landgericht Landshut eine Dauer von fünf Jahren angeordnet und in dem entsprechenden Beschluss dem Angeklagten die strafbewehrte Weisung erteilt, sich einmal monatlich zwischen dem 10. und 28. eines jeden Monats bei seinem Bewährungshelfer zu melden. Gegen diese ihm bekannte Weisung habe der Angeklagte in drei Fällen verstoßen, indem er die für August 2010 und für den 29. September 2010 vereinbarten Termine nicht eingehalten habe und einem für den 6. Oktober 2010 abgesprochenen Termin unentschuldigt ferngeblieben sei.
4
b) In dem Zeitraum vom 1. Dezember 2010, 18.00 Uhr, und 2. Dezember 2010, 2.00 Uhr, habe sich die geschädigte Zeugin A. in der Wohnung des Angeklagten in Pocking aufgehalten. Als dieser die Zeugin zu küssen versuchte, sie ihn jedoch wegzustoßen vermochte, habe der Angeklagte sie anschließend auf den Boden geworfen, sich auf sie gesetzt, ihr den Mund zugehalten und ihr gedroht, sie umzubringen. Unmittelbar danach habe der Angeklagte die Zeugin mit wenigstens einer Hand am Hals gewürgt, so dass diese keine Luft bekommen habe. Als die Zeugin sich gegen den Angeklagten zur Wehr setzen wollte, habe dieser mit der Faust auf ihr Auge geschlagen, um ih- ren Widerstand zu brechen. Sodann habe er der Zeugin die Jeans und den Slip aus- sowie seine Hose und Unterhose bis zu den Knien heruntergezogen.
5
Unter der Einwirkung der vorherigen Drohung und Gewaltanwendung habe der Angeklagte dann gegen den Widerstand der Zeugin den Vaginalverkehr mit dieser ausgeführt und dabei die von ihr erlittenen erheblichen Unterleibsschmerzen billigend in Kauf genommen. Nachdem die Zeugin zunächst der Aufforderung, seinen Penis in den Mund zu nehmen, nicht nachgekommen sei, habe der Angeklagte die Wangen der Zeugin gewaltsam so zusammengedrückt , dass diese den Mund öffnen musste und er sein Geschlechtsteil in deren Mund schieben konnte. Anschließend habe er den Oralverkehr ausgeführt. Die Zeugin A. habe durch das Vorgehen erhebliche Verletzungen im Bereich der Schamlippen und der Vagina sowie Hämatome im Gesicht, am Hals und im Körperbereich einschließlich eines Monokelhämatoms am linken Auge, eine Jochbeinfraktur und Würgemale am Hals erlitten.
6
2. Die Kammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
7
a) Bezüglich der nach voll verbüßter Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen Vergewaltigung eingetretenen Führungsaufsicht ordnete die zuständige Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 2. April 2009 eine Dauer von fünf Jahren an. Das Strafvollstreckungsgericht erteilte dem Angeklagten zudem die Weisung, sich einmal monatlich jeweils zwischen dem 10. und 28. eines Monats bei dem zuständigen Bewährungshelfer zu melden. Eine solche Meldung fand in den Monaten August, September und Oktober 2010 nicht statt; der Angeklagte hielt die vereinbarten Vorsprachetermine bei seiner Bewährungshelferin nicht ein. Die versäumten Termine waren auf den 29. September und 6. Oktober 2010 festgelegt worden. Ab Oktober kam der Angeklagte den Gesprächsterminen mit seiner Bewährungshelferin wieder nach. Es kam nicht zu Auffälligkeiten in der Person des Angeklagten, der zudem Kontakt zu dem für ihn zuständigen Sachbearbeiter im sog. HEADSProgramm bei der KPI Passau hielt (Fall II.2.a. des Urteils).
8
b) Im Hinblick auf den Vorwurf der Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A. konnte die Strafkammer lediglich feststellen, dass diese sich für einen nicht näher bekannten Zeitraum am 1. und 2. Oktober 2010 in der Wohnung des Angeklagten aufhielt. Jedenfalls vor 2.00 Uhr am 2. Oktober 2012 (richtig: 2010; insoweit handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler im tatrichterlichen Urteil) war die Zeugin (wieder) in der Wohnung des Angeklagten und verließ diese kurz nach 2.00 Uhr erneut. Bei dem Verlassen wies sie blutende Gesichtsverletzungen auf. Der Angeklagte verständigte gegen 2.15 Uhr selbst die Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums in Straubing und wies in dem Telefonat auf die erheblichen Verletzungen der Zeugin hin, deren Ursache er sich nicht erklären könne. Die daraufhin entsandten polizeilichen Einsatzkräfte trafen A. in der Wohnung des Zeugen S. an. Die Zeugin wies Schwellungen, Hautrötungen und Hautabschürfungen im Gesicht auf. Zudem hatte sie ein Monokelhämatom um das linke Auge und eine Jochbeinfraktur erlitten. Ihr Hals wies ebenfalls Hautrötungen, oberflächliche Hautdefekte und -abschürfungen auf. Weitere ähnliche Hautverletzungen fanden sich im Bereich des Rückens sowie an den Außen- und Innenseiten der Oberschenkel. Zudem hatte die Zeugin einen kleineren Schleimhautdefekt im Bereich der rechten großen Schamlippe sowie einen weiteren solchen Defekt im Scheidenvorhofbereich erlitten.
9
Nach dem Eintreffen der Polizei hatte die Zeugin A. auf die Frage eines der eingesetzten Beamten, ob der Angeklagte sie geschlagen und vergewaltigt habe, angegeben, dieser sei der Verursacher ihrer Gesichtsverletzungen (Fall II.2.b. des Urteils).
10
3. a) Das Tatgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (§ 145a StGB) auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Es fehle an der für die Tatbestandsmäßigkeit erforderlichen Gefährdung des Zwecks der Maßregel.
11
b) Der Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung und Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A. ist dagegen aus tatsächlichen Gründen erfolgt. Die Strafkammer hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Vergewaltigungs- und Körperverletzungshandlungen begangen hat. Eine Täterschaft des Angeklagten sei zwar angesichts der im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigten Indizien möglich. Aufgrund der erhobenen Beweistatsachen und Indizien verblieben aber so erhebliche Zweifel an der Verursachung der Verletzungen der Zeugin durch den Angeklagten , dass eine Verurteilung nicht in Betracht komme. Vieles spreche sogar für eine Tatbegehung durch einen anderen Täter, nämlich den Zeugen S. , der Frau A. auch bereits bei früheren Gelegenheiten misshandelt habe. Zudem habe der Zeuge einen auffälligen Belastungseifer gegenüber dem Angeklagten an den Tag gelegt, zumindest in Teilen falsch ausgesagt und versucht, die Zeugin A. von weiteren Zeugenaussagen vor Gericht abzuhalten.

12
c) Die Strafkammer hat aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen eine Verurteilung des Angeklagten auch insoweit für ausgeschlossen erachtet, als dieser selbst eingeräumt hat, der Zeugin A. im Anschluss an ein einvernehmlich durchgeführtes, aber letztlich mangels Erektion des Angeklagten erfolgloses Unterfangen, Vaginal- und Oralverkehr auszuführen, als Reaktion auf deren Bemerkung „Schlappschwanz“ eine Ohrfeige verabreicht zu haben. Insoweit fehlt es aus Sicht des Tatgerichts an den Verfolgungsvoraussetzungen des § 230 StGB. Im Übrigen sei es unklar, ob es tatsächlich zu der Ohrfeige gekommen sei. Die bloße entsprechende Einlassung des Angeklagten genüge für die Überzeugungsbildung nicht, weil für die Strafkammer völlig offen geblieben sei, was sich in der Tatnacht in der Wohnung des Angeklagten tatsächlich abgespielt habe.
13
Eine Verurteilung wegen Körperverletzung aufgrund dieser Ohrfeige komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die eingeräumte Ohrfeige nicht von der verfahrensgegenständlichen Tat i.S.v. § 264 Abs. 1 StPO erfasst sei. Maßgeblich für die prozessuale Tatidentität sei außer der örtlichen und zeitlichen Identität der tatsächlichen Geschehnisse auch die Wesensgleichheit des Sachund Unrechtskerns (Angriffsrichtung). Die fragliche Ohrfeige sei auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten aus einer völlig anderen Situation heraus entstanden, als der von der Anklage zugrunde gelegten.
14
4. Gegen den Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie erhebt drei Verfahrensrügen und wendet sich mit der Sachrüge insbesondere gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Die Entscheidung über die Zubilligung einer Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft dem Grunde nach greift sie mit der sofortigen Beschwerde an. Der Generalbundesanwalt vertritt die Revision, soweit diese sich mit der Sachrüge gegen den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung (Fall II.2.b.) richtet.

II.

15
Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen den Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf der Körperverletzung/Nötigung durch eine der Zeugin A. verabreichte Ohrfeige wendet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
16
1. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen der Verletzung von § 244 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 StPO sowie von § 261 StPO bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. Oktober 2012 ohne Erfolg.
17
2. Der Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a StGB (Fall II.2.a.) ist im Ergebnis nicht zu bestanden. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte zwar in den Monaten August, September und Oktober 2010 gegen die in dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 2. April 2009 angeordnete Weisung, Kontakt zu seinem zuständigen Bewährungshelfer zu halten, verstoßen. Es fehlt allerdings unter den gegebenen Verhältnissen an der von § 145a StGB geforderten Gefährdung des Zwecks der Maßregel.
18
a) Ein in § 145a Satz 1 StGB mit Strafe bedrohter Verstoß gegen eine Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht liegt vor, wenn der Betroffene das ihm auferlegte Verhalten nicht oder nicht vollständig erfüllt (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 145a Rn. 7; Roggenbuck, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Band 5, § 145a Rn. 13 mwN). Ein solcher Weisungsverstoß unterfällt aber nur dann dem objektiven Tatbestand, wenn die fragliche Weisung inhaltlich hinreichend bestimmt ist (OLG Dresden NStZ-RR 2008, 27; OLG München NStZ 2010, 218, 219; Groß, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 3, § 145a Rn. 9 mwN). Diesen Anforderungen genügt lediglich eine solche Weisung, die das von dem Betroffenen verlangte oder diesem verbotene Verhalten inhaltlich so genau beschreibt, wie dies von dem Tatbestand einer Strafnorm zu verlangen ist (Roggenbuck, aaO, § 145a Rn. 8). Ihm muss mit der Weisung unmittelbar verdeutlicht werden, was genau von ihm erwartet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2011 - 2 BvR 1165/11 bzgl. Weisungen nach § 56c StGB). Den Anforderungen an die Bestimmtheit der Weisung ist bei einer Meldeweisung wie hier auch dann genügt, wenn in dem anordnenden gerichtlichen Beschluss ein Zeitraum genannt ist, innerhalb dessen der Betroffene sich bei dem Bewährungshelfer zu melden hat. Die Festlegung des konkreten Termins innerhalb der in dem gerichtlichen Anordnungsbeschlussfestgelegten Periode (etwa „einmal im Monat“) kann dem Bewährungshelfer überlassen blei- ben (BVerfG aaO).
19
b) Nach den vom Tatgericht getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte in den Monaten August bis Oktober 2010 gegen die ihm durch die Strafvollstreckungskammer wirksam erteilte Weisung, „sich einmal monatlich jeweils zwischen dem 10. und 28. eines Monats bei dem zuständigen Bewährungshel- fer zu melden“, verstoßen.

20
aa) Die Nichtbefolgung dieser Weisung in den genannten Monaten ist tatbestandsmäßig i.S.v. § 145a Satz 1 StGB, obwohl die für den 29. September und den 6. Oktober 2010 mit der Bewährungshelferin abgesprochenen, vom Angeklagten aber versäumten Termine außerhalb des durch die Strafvollstreckungskammer bestimmten Zeitraums lagen. Maßgeblich für den Verstoß gegen eine wirksam erteilte Weisung ist lediglich die Nichtbefolgung des in dem gerichtlichen Beschluss verlangten oder verbotenen Verhaltens. Das nach § 145a Satz 1 StGB strafbare Verhalten wird im Sinne einer Blankettvorschrift erst durch den Inhalt der Weisung seitens des für deren Anordnung zuständigen Gerichts festgelegt. Die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG hängt angesichts dieser Struktur des § 145a StGB davon ab, dass die gerichtliche Weisung selbst inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Dies schließt es für Meldeweisungen aus, den im gerichtlichen Anordnungsbeschluss festgelegten Erfüllungszeitraum zur Disposition des Bewährungshelfers zu stellen. Abgesehen von den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes besteht auch keine gesetzliche Grundlage, die diesem eine inhaltliche Ausfüllung von Weisungen jenseits einer zulässigen Konkretisierung innerhalb der durch die gerichtliche Anordnung verbleibenden Spielräume (etwa die Festlegung des konkreten Vorsprachetermins im eröffneten Zeitraum) gestatten würde (vgl. BVerfG aaO).
21
bb) Der Angeklagte hat auch den Termin im August 2010 versäumt. Das Tatgericht hat zwar den für diesen Monat vereinbarten Termin nicht konkret festgestellt. Selbst wenn dieser aber für außerhalb des Zeitraums zwischen dem 10. und 28. August 2010abgesprochen gewesen sein sollte, verwirklichte das Unterbleiben einer Meldung des Angeklagten bei seiner Bewährungshelfe- rin im gerichtlich festgelegten Zeitraum nach dem Vorgenannten den objektiven Tatbestand von § 145a Satz 1 StGB.
22
c) Ob bei der Nichteinhaltung von Vorspracheterminen, die aufgrund einer Absprache mit dem zuständigen Bewährungshelfer außerhalb des in der gerichtlichen Anordnungsentscheidung bestimmten Zeitraums lagen, von einer vorsätzlichen Nichterfüllung einer Weisung ausgegangen werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn vorliegend fehlt es nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Tatgerichts jedenfalls an der Gefährdung des Maßregelzwecks. Von einer solchen kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich durch den Verstoß bzw. die Verstöße gegen die Weisung die Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Straftaten erhöht hat (Roggenbuck, aaO, § 145a Rn. 18; vgl. auch Senat, Beschluss vom 28. Mai 2008 - 1 StR 243/08, NStZ-RR 2008, 277; weitergehend Groß, aaO, § 145a Rn. 15). Hier schließt bereits der ununterbrochene Kontakt des Angeklagten zu dem für ihn zuständigen Polizeibeamten im Rahmen des in Bayern sog. HEADS-Programms die Annahme einer Gefährdung des Maßregelzwecks aus. Es kann daher offen bleiben, ob bereits aus einem Verstoß gegen bestimmte Weisungen eo ipso eine derartige Gefährdung resultieren kann (so Groß, aaO, § 145a Rn. 15).
23
3. Das angefochtene Urteil hält auch im Hinblick auf den Freispruch von dem Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung der Zeugin A. (Fall II.2.b.) insoweit stand, als die Strafkammer sich aus tatsächlichen Gründen nicht von der Täterschaft des Angeklagten im Hinblick auf die der Anklage zugrunde gelegten Körperverletzungsund Vergewaltigungshandlungen zu überzeugen vermochte.

24
a) Das Urteil genügt den von § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO gestellten Anforderungen an ein freisprechendes Urteil.
25
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat der Tatrichter in der Regel nach dem Tatvorwurf und der Einlassung des Angeklagten zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 StR 41/11 Rn. 6; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - 1 StR 134/11 Rn. 12). Hierauf kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, wenn Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen überhaupt nicht möglich waren (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1996 - 1 StR 405/96, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 12) oder bei einem Freispruch aus subjektiven Gründen die Urteilsgründe ohne Feststellungen zum objektiven Sachverhalt ihrer Aufgabe gerecht werden, dem Revisionsgericht die Überprüfung der Beweiswürdigung auf Rechtsfehler zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 14; BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 StR 41/11 Rn. 6).
26
Diesen Erfordernissen genügt das Urteil trotz der nur wenigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen. Die Strafkammer hat zunächst in einer geschlossen Darstellung offen gelegt, von welchem äußeren Geschehensablauf in der Tatnacht sie ausgegangen ist. Dabei hat sie insbesondere diejenigen ob- jektiven Umstände, wie die Benachrichtigung der Polizei durch den Angeklagten selbst, die ersten Angaben der Zeugin A. gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten und die bei der Zeugin vorhandenen Verletzungen, zum Gegenstand ihrer Feststellungen gemacht, die durch andere Erkenntnisquellen als die Aussage der Zeugin A. und die Einlassung des Angeklagten geklärt werden konnten. Warum sich die Strafkammer gehindert gesehen hat, zu darüber hinausgehenden Feststellungen zu den Geschehnissen in der Wohnung des Angeklagten zu gelangen, ergibt sich aus der insoweit umfassenden und rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung der Kammer (siehe nachstehend II.3.b). Dass die Strafkammer mit Ausnahme des Anrufs des Angeklagten bei der Polizei und deren Eintreffen in der Wohnung des Zeugen S. selbst die zeitlichen Abläufe in der Tatnacht nicht näher hat feststellen können, begründet keinen Darstellungsmangel des Urteils. Aus der Beweiswürdigung kann der Senat in den rechtlichen Anforderungen genügender Weise die Gründe für das Fehlen der Möglichkeit erkennen, weitere Feststellungen zu treffen.
27
b) Auch die Beweiswürdigung als solche ist rechtsfehlerfrei.
28
aa) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Ge- samtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 - 1 StR 408/10 Rn. 15, vom 7. Juni 2011 - 5 StR 26/11 Rn. 9 und vom 7. November 2012 - 5 StR 322/12 Rn. 10).
29
bb) Nach diesen Maßstäben enthält die durch die Strafkammer vorgenommene Beweiswürdigung in Bezug auf die Tatvorwürfe der Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung keine Rechtsfehler.
30
Das Tatgericht hat sich ausführlich mit der Einlassung des Angeklagten, der wegen Ausbleibens einer Erektion letztlich erfolglose Versuche des einvernehmlichen Oral- und Vaginalverkehrs mit der Zeugin A. angegeben, die Vornahme der in der Anklageschrift zugrunde gelegten Gewalthandlungen zum Zwecke der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs aber in Abrede gestellt hat, auseinandergesetzt. Es hat diese Einlassung nicht lediglich isoliert auf Plausibilität untersucht, sondern auch überprüft, ob diese durch die weiteren erhobenen Beweise widerlegt werden kann.
31
Bei diesen Beweisen handelt es sich vor allem um die Aussagen der Zeugin A. , die bei dieser vorhandenen Verletzungen, das Spurenbild in der Wohnung des Angeklagten sowie dessen Verhalten nach dem fraglichen Geschehen, insbesondere seinen Anruf bei der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Straubing. Dabei hat das Tatgericht - sachverständig beraten - die Aus- sagen der Zeugin A. umfassend auf ihre Glaubhaftigkeit untersucht und in eine Gesamtwürdigung eingestellt. Innerhalb dessen sind die gewonnenen Erkenntnisse über die Persönlichkeit der Zeugin, ihr Aussageverhalten in früheren Verfahren, in denen sie zu Unrecht Personen sexueller Übergriffe auf sie bezichtigt hatte, sowie die Versuche des Zeugen S. , das Aussageverhalten der Zeugin zu beeinflussen, berücksichtigt worden. Die Strafkammer hat unter Vermeidung von Lücken oder Widersprüchlichkeiten in der Beweiswürdigung insbesondere die in der Person der Zeugin A. liegenden Besonderheiten hinsichtlich ihrer Aussagetüchtigkeit und der nur in sehr geringem Umfang vorhandenen Fähigkeit, tatsächliche Gegebenheiten, wie hier das eigentliche Kerngeschehen der von ihr angegebenen gewaltsamen Erzwingung des Geschlechtsverkehrs seitens des Angeklagten, sprachlich präzise zu beschreiben , sorgfältig bedacht.
32
Dass sich die Strafkammer auf dieser Grundlage nicht von der Täterschaft des Angeklagten in Bezug auf die zum Zwecke der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs mit der Zeugin A. vorgenommenen Verletzungshandlungen hat überzeugen können, ist revisionsrechtlich hinzunehmen. Denn es ist Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- und entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Entspricht diese tatrichterliche Bewertung den vorstehend genannten Maßstäben, ist es dem Revisionsgericht verwehrt, auf der Grundlage einer gegebenenfalls abweichenden Beurteilung der Bedeutung von Indiztatsachen in die Überzeugungsbildung des Tatrichters einzugreifen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326; BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12 Rn. 15).
33
4. Das Urteil enthält aber Rechtsfehler, soweit das Tatgericht den Angeklagten auch vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung/Nötigung hinsichtlich des von ihm selbst eingeräumten Verhaltens, der Zeugin A. aus Verärgerung eine Ohrfeige gegeben und sie durch ein „Packen“ am Hals aus der Wohnung geworfen zu haben, freigesprochen hat. Die Strafkammer hat hier zu Unrecht einer Verurteilung entgegenstehende rechtliche Gründe, nämlich das Fehlen der Verfolgungsvoraussetzungen nach § 230 Abs. 1 StGB sowie fehlende Verfahrensgegenständlichkeit des fraglichen tatsächlichen Geschehens, angenommen und zudem überspannte Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung gestellt.
34
a) Die Strafkammer war entgegen ihrer offenbar als Hilfserwägung eingenommenen Rechtsauffassung nicht aus Rechtsgründen an der Aburteilung des vorstehend geschilderten Geschehens gehindert.
35
aa) Die von dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige sowie das damit verbundene Geschehen des Hinausdrängens der Zeugin A. war von der prozessualen Tat (§ 264 StPO) erfasst, die materiell den Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Gegenstand hat. Entgegen der Auffassung des Tatgerichts war dieses daher nicht durch den Umfang der Kognitionspflicht (vgl. Radtke, in: Radtke/ Hohmann, StPO, 2011, § 264 Rn. 63 mwN) gehindert, den Angeklagten wegen (einfacher) Körperverletzung zu verurteilen. Im Gegenteil gebot die innerhalb des durch Anklage und Eröffnungsbeschluss gebildeten Verfahrensgegenstandes bestehende umfassende Erkenntnispflicht des Gerichts gerade eine Aburteilung.
36
Wie das Tatgericht im rechtlichen Ausgangspunkt an sich zutreffend angenommen hat, ist die Tat im prozessualen Sinne (§§ 155, 264 StPO) der vom Eröffnungsbeschluss betroffene geschichtliche Lebensvorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden oder darauf bezogenen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 212 f.; BGH, Urteil vom 11. September 2007 - 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411). Zu dem von der Anklage und dem darauf bezogenen Eröffnungsbeschluss erfassten einheitlichen geschichtlichen Vorgang gehört dementsprechend alles, was mit diesem nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet (BGH jeweils aaO). Für die Beurteilung, ob ein bestimmtes tatsächliches Geschehen Teil der verfahrensgegenständlichen Tat ist, lassen sich über das Vorgenannte hinaus kaum generalisierbare Kriterien angeben; maßgeblich sind stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (BGH, Beschluss vom 13. November 1998 - StB 12/98, NJW 1999, 1413, 1414).
37
Auf der Grundlage dieses in erster Linie an den von der Anklage erfassten faktischen Verhältnissen orientierten prozessualen Tatbegriffs ist die von dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige Gegenstand der mit der Anklageschrift vom 4. März 2011 unter der dortigen Ziffer II. angeklagten Tat (§§ 155, 264 StPO) gewesen. Die Anklage ist in unveränderter Form durch Beschluss der Strafkammer vom 11. Juli 2011 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden. Sie umfasst den Zeitraum zwischen dem 1. Dezember 2010, 18.00 Uhr, sowie dem 2. Dezember 2010, 2.00 Uhr, und schildert in dem konkreten Anklagesatz ein Geschehen in der Wohnung des Angeklagten, das im Einzelnen bezeichnete Körperverletzungshandlungen zu Lasten der Zeugin A.
sowie gewaltsam erzwungenen Vaginal- und Oralverkehr mit dieser zum Gegenstand hat. Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte das Verabreichen der Ohrfeige während des von der Anklage umfassten Zeitraums in seiner Wohnung und zu Lasten von A. eingestanden. Wie die Strafkammer an sich nicht verkennt, liegt das eingeräumte straftatbestandsmäßige Verhalten nach den für die Beurteilung des einheitlichen Lebensvorgangs maßgeblichen Kriterien des Tatopfers und des Tatortes sowie der Tatzeit innerhalb des durch Anklage und Eröffnungsbeschluss umgrenzten Verfahrensgegenstandes.
38
Angesichts der für prozessuale Tatidentität sprechenden tatsächlichen Anhaltspunkte kann eine solche nicht durch das Abstellen auf normative Erwägungen , wie sie die Strafkammer mit dem Aspekt der „Angriffsrichtung“ angestellt hat, ausgeschlossen werden. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden , welche Bedeutung normativen Kriterien für die Bestimmung prozessualer Tateinheit überhaupt zukommen kann. Derartige Gesichtspunkte, wie etwa die „strafrechtliche Bedeutung des Vorgangs“, sind zwar in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelegentlich in die Beurteilung der Reichweite der prozessualen Tat einbezogen worden (etwa BGH, Urteil vom 18. Oktober 1995 - 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 300). Deren Bedeutung erschöpft sich allerdings darin, als ein Aspekt im Rahmen der umfassenden Beurteilung der prozessualen Tatidentität nach Maßgabe des Einzelfalls herangezogen zu werden. Sprechen die für die Bestimmung der Reichweite des Verfahrensgegenstandes maßgeblichen tatsächlichen Momente des Lebenssachverhalts, wie die hier vorliegenden, für die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat, kann die Heranziehung normativer Gesichtspunkte allein nicht dazu führen, entgegen dem sich durch die faktischen Verhältnisse ergebenden Bild eine einheitliche Tat i.S.v. § 264 StPO zu verneinen.

39
bb) Die gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Verfolgungsvoraussetzungen für eine Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB sind gegeben. Zwar hat die Zeugin A. keinen Strafantrag gestellt. Es ist aber seitens der Staatsanwaltschaft gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 StGB das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung erklärt worden. Selbst wenn man nicht bereits in der die gefährliche Körperverletzung zu Lasten der Zeugin umfassenden Anklage der Staatsanwaltschaft deren konkludente Erklärung bezüglich der in der Qualifikation des § 224 StGB enthaltenen (einfachen) Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) sehen wollte, hat diese in ihrer Revisionsbegründungsschrift eine solche Erklärung ausdrücklich abgegeben. Die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses kann auch noch in der Revisionsinstanz erfolgen (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 - 5 StR 346/11, StraFo 2012, 67).
40
b) Dem Vorstehenden entsprechend musste die Strafkammer ihre Kognitionspflicht auch auf das Tatgeschehen erstrecken, das die Ohrfeige und das Hinausdrängen der Zeugin zum Gegenstand hatte. Dem ist die Strafkammer an sich ungeachtet der von ihr angeführten rechtlichen Hinderungsgründe auch nachgekommen. Denn sie hat den Angeklagten wegen der Ohrfeige (auch) aus tatsächlichen Gründen nicht verurteilt, weil sie sich nicht vom Wahrheitsgehalt seines Geständnisses hat überzeugen können. Dabei hat sie aber die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen überspannt.
41
Dazu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
42
„… sie verkennt, dass es keine forensische Erfahrung gibt, wonach bei einem Geständnis stets ohne weiteres mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 1 StR 208/12, juris Tz. 7). Anhaltspunkte, die geeignet wären, nachvollziehbare Zweifel am Wahrheitsgehalt der vom Angeklagten eingeräumten Tathandlungen zu begründen, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, zumal dieser die Vergewaltigung von Anfang an bestritten hat und das Teilgeständnis für ihn keine Besserstellung bedeutete. Zudem hat die Kammer unberücksichtigt gelassen, dass auch die Zeugin A. bestätigt hat, vom Angeklagten geschlagen worden zu sein. Die ‚Heranziehung weiterer Be- weismittel‘ (UA S. 85) war danach für die tatrichterliche Überzeu- gungsbildung nicht erforderlich. Die Einlassung des Angeklagten war - wovon das Landgericht an anderer Stelle selbst ausgeht (UA S. 11 ff.) - ohnedies bereits hinreichend plausibel …“.
43
Dem folgt der Senat.
44
5. Im Hinblick auf diesen Rechtsfehler war das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an ein neues Tatgericht zurück zu verweisen. Die Aufhebung beschränkt sich auf den Freispruch vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A. im Hinblick auf die von dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige, die er dieser nach dem Versuch des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs verabreicht haben will, sowie das damit in Zusammenhang stehende tatsächliche Geschehen. Dabei handelte es sich ausweislich der im Urteil wiedergegebenen Einlassung des Angeklagten neben der Ohrfeige auch um das durch das Ergreifen der Zeugin am Hals bewirkte Hinausdrängen aus der Wohnung.
45
Die Voraussetzungen für eine Teilaufhebung des angefochtenen Urteils liegen vor. Eine solche ist bei mehreren materiell-rechtlich selbständigen Straftaten möglich (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276). So verhält es sich hier.
46
a) Die nach § 223 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßige Körperverletzung ist auf der Grundlage des in der Anklage bezeichneten tatsächlichen Geschehens in der Wohnung des Angeklagten einerseits und seiner Einlassung andererseits durch eine andere Handlung (i.S.v. §§ 52, 53 StGB) verwirklicht als die angeklagten Körperverletzungshandlungen. Während diese der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs gegen den Willen der Zeugin A. dienen sollten, hat der Angeklagte eine Körperverletzungshandlung eingeräumt, die zeitlichnach dem gescheiterten Versuch einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs erfolgte. Der Beweggrund, die Zeugin zu ohrfeigen, resultiert nach der Einlassung des Angeklagten aus deren provozierenden Äußerungen im Anschluss an die angestrebten geschlechtlichen Handlungen. Bei natürlicher Betrachtung stellt sich diese Körperverletzung damit materiell-strafrechtlich als eine andere Handlung dar als die angeklagten Körperverletzungshandlungen.
47
b) Die Annahme von materiell-rechtlicher Handlungsmehrheit (§ 53 StGB) steht einer einheitlichen prozessualen Tat i.S.v. § 264 StPO (oben II.4.a) nicht entgegen. Solche ist trotz Handlungsmehrheit im Sinne des materiellen Strafrechts gegeben, wenn zwischen den einzelnen Verhaltensweisen des Tä- ters eine innere Verknüpfung dergestalt besteht, dass ihre getrennte Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 212 f.; BGH, Urteil vom 11. September 2007 - 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411). So verhält es sich hier. Die eingeräumte Körperverletzung erfolgte nach der Einlassung des Angeklagten in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einem gescheiterten Geschlechtsverkehr und wurde durch eine von der Zeugin getätigte Äußerung als Reaktion auf die geschlechtlichen Handlungen ausgelöst. Die Durchführung von Geschlechtsverkehr bildet aber auch einen wesentlichen Teil des mit der Anklage unterbreiteten Verfahrensgegenstandes. Daran ändert der Umstand nichts, dass dem Angeklagten ausdrücklich nur die Durchführung mit Gewalt erzwungenen Geschlechtsverkehrs zum Nachteil der Zeugin A. vorgeworfen worden war. Für die Beurteilung der prozessualen Tatidentität kommt es - wie dargelegt - maßgeblich auf die Einheitlichkeit des Lebensvorgangs in tatsächlicher Hinsicht an.
48
c) Der Senat verweist die Sache im Umfang der Aufhebung gemäß § 354 Abs. 3 StPO an das Amtsgericht Passau - Strafrichter -. Da im Hinblick auf die Verwerfung der Revision gegen den Freispruch vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung lediglich noch der aus der von dem Angeklagten eingeräumten Ohrfeige zu Lasten der Zeugin A. sowie deren Hinausdrängen aus der Wohnung resultierende materiell-rechtliche Tatvorwurf den Gegenstand des Verfahrens bildet, ist die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nicht mehr begründet. Vielmehr liegt die Zuständigkeit des Amtsgerichts gemäß § 24 Abs. 1 GVG vor. Im Hinblick auf die Voraussetzungen von § 25 Nr. 2 GVG erfolgt die Zuweisung innerhalb dessen zum Strafrichter; § 26 Abs. 1 GVG steht dem nicht entgegen. Ob bei Zurückverweisung an das Amtsgericht bei der Entscheidung nach § 354 Abs. 3 StPO eine ausdrückliche Zuweisung zu dem Schöffengericht oder dem Strafrichter zwingend erforderlich ist, bedarf keiner Entscheidung (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2008 - 2 StR 290/07). Sie ist dem Revisionsgericht jedenfalls gestattet.
49
d) Angesichts der lediglich teilweisen Aufhebung des Urteils sind die den Freispruch vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung tragenden Feststellungen bestandskräftig geworden. In Bezug auf die noch anhängige Straftat ist der neue Tatrichter nicht gehindert, weitere Feststellungen zu treffen. Diese dürfen allerdings nicht im Widerspruch zu den bestehen bleibenden Feststellungen stehen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203, 204).

III.


50
Durch die Teilaufhebung des freisprechenden Urteils wird die Entschädigungsentscheidung genauso gegenstandslos wie die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00, insoweit in BGHSt 46, 130 ff. nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 22. März 2002 - 2 StR 569/01). Nack Rothfuß Jäger Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 243/08
vom
28. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Mai 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 21. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den 1941 geborenen Angeklagten vom Vorwurf des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (§ 145a StGB) in zwei Fällen wegen krankheitsbedingt fehlender Einsichtsfähigkeit freigesprochen , jedoch seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.
2
2. Nach den Feststellungen verurteilte das Landgericht München I den im Übrigen unbestraften Angeklagten im Jahr 2001 wegen zweier Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer vierjährigen Gesamtfreiheitsstrafe. Dem lag zugrunde, dass der Angeklagte am 4. und 31. Mai 2000 im Rahmen des von ihm ausgeübten Fahrdienstes mit dem Finger für dieses schmerzhaft in die Scheide eines siebenjährigen , körperlich behinderten und retardierten Mädchens eingedrungen war und es bei der zweiten Tat zudem erfolglos aufgefordert hatte, den Oralverkehr auszuüben.
3
Nach vollständiger Verbüßung der Strafe trat die unbefristete Führungsaufsicht ein. Durch Beschluss der zuständigen Strafvollstreckungskammer wurde der Angeklagte u.a. angewiesen, „Kontakte mit minderjährigen Kindern zu unterlassen … sowie Orte, an denen sich erfahrungsgemäß Kinder aufhalten (z.B. Spiel- und Sportplätze, Schwimmbäder, Schul- und Kindergartenbereiche) zu meiden“. Dieser ihm unter Hinweis auf die Strafbarkeit eines Verstoßes bekannt gegebenen Weisung zuwider begab sich der Angeklagte am 28. und 30. Juli 2006 jeweils zu einem Spielplatz. Dort bot er im ersten Fall einem siebenjährigen Mädchen einen Kaugummi an, im zweiten Fall sprach er einen siebenjährigen Jungen mit „Hallo“ an. Beide Kinder liefen daraufhin sofort ängstlich davon. Sie waren von ihren Eltern angewiesen worden, dem Angeklagten, dessen Vorstrafe im Wohnviertel bekannt war, aus dem Weg zu gehen.
4
Der Angeklagte leidet - „sehr wahrscheinlich … seit der Straftat im Jahre 2000“ - an einer Demenz bei Morbus Pick (ICD 10 F 02.0). Die beim Angeklagten bereits chronifizierte, nicht heilbare Krankheit führt über die Beeinträchtigung emotionaler Impulse und des Sozialverhaltens, Persönlichkeitsveränderungen , Sprach- und Gedächtnisstörungen und das Vollbild der Demenz mit Muskelversteifung, Pflegebedürftigkeit und Inkontinenz schließlich nach durchschnittlich sechs bis acht Jahren zum Tod. Infolge der Erkrankung ist die Fähigkeit , das Unrecht verbotenen Tuns einzusehen, vergleichbar derjenigen bei Kleinkindern. Daher konnte der Angeklagte sein Verhalten gegenüber den Kindern nicht als untersagte Kontaktaufnahmen erkennen.
5
Als Reaktion auf die beiden Taten wurde der Angeklagte im August 2006 nach dem bayerischen Unterbringungsgesetz in das I. -Klinikum eingewiesen. Dort befindet er sich aufgrund des (nicht rechtskräftigen) Beschlusses des Amtsgerichts München - Vormundschaftsgericht - längstens bis 13. Dezember 2009. In der Klinik hat der Angeklagte wenigstens fünfmal versucht , ebenfalls erkrankte Patientinnen zu küssen, am Nacken und an den Beinen zu streicheln sowie mit ihnen Händchen zu halten. Seit 18. Dezember 2006 steht er unter Betreuung u.a. für den Bereich der Gesundheitsfürsorge. Seit Ende 2007 nimmt der Angeklagte - ohne insoweit einsichtig zu sein - das sexualdämpfende Medikament „Androcur“, das auch als Depot verabreicht werden kann.
6
3. Danach hat das Landgericht die Demenz bei Morbus Pick zutreffend als krankhafte seelische Störung (§ 20 StGB) angesehen und den Angeklagten von den strafrechtlichen Vorwürfen freigesprochen. Dagegen ermöglichen die zum Tatgeschehen getroffenen Feststellungen keine abschließende Überprüfung der im Rahmen des § 63 StGB vorgenommenen Gefährlichkeitsprognose.
7
a) Zwar hat der Angeklagte durch sein Verhalten gegen Weisungen i.S.d. § 145a StGB verstoßen. Nicht jede derartige Zuwiderhandlung vermag aber die Annahme zukünftiger Gefährlichkeit zu begründen, welche für die außerordentlich beschwerende Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Voraussetzung ist. Auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) wird etwa die Nichterfüllung der Weisung, sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle oder einem Bewährungshelfer zu melden (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StGB), grundsätzlich nicht geeignet sein, eine zukünftige Gefährlichkeit für die Allgemeinheit zu prognostizieren.
8
b) Ob es sich bei den vom Angeklagten gezeigten Verhaltensweisen um solche lediglich formalen Gehorsamsverstöße gehandelt hat, lässt sich anhand der knappen Darstellung in den Urteilsgründen nicht abschließend beurteilen. Insbesondere bleibt offen, mit welcher Motivation der Angeklagte sich an die beiden Kinder gewandt hat. Zwar mag unter Berücksichtigung der Vorstrafe und dem in der Klinik gegenüber Mitpatientinnen gezeigten Verhalten die Annahme nicht fern liegen, dass er zu ihnen in näheren, möglicherweise sexuellen Kontakt kommen wollte. Das Landgericht hat aber eine derartige - sich auch nicht von selbst verstehende - sexuelle Intention nicht festgestellt. Diese lässt sich auch dem Urteil insgesamt nicht zweifelsfrei entnehmen. Deshalb bedarf die Sache neuer Verhandlung.
9
4. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen werden durch den Rechtsfehler nicht berührt und können daher bestehen bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
10
5. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, bei seiner Gefährlichkeitsprognose - und ggf. bei der Frage, ob die Vollstreckung einer erneut angeordneten Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt werden kann - insbesondere zu berücksichtigen, welchen Verlauf die Erkrankung des bald 67 Jahre alten Angeklagten genommen hat, ob und für voraussichtlich welchen Zeitraum dieser weiterhin auf landesgesetzlicher Grundlage untergebracht ist (vgl. BGH NStZ 2007, 465), ob und in welcher Ausgestaltung das Betreuungsverhältnis fortbesteht sowie ob und mit welcher Wirkung die sexualdämpfende Medikation fortgesetzt wird.
Nack Wahl Boetticher Elf Sander

Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 441/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Der Ausgleich für eine in dem Ausschluss einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung
liegende Härte ist bei der Verhängung zeitiger Freiheitsstrafen
nicht in Anwendung des Vollstreckungsmodells, sondern bei der
Bemessung der Strafe für die nunmehr abzuurteilende Tat vorzunehmen.
BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 441/10 - Landgericht Essen -
wegen schwerer Brandstiftung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. November 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. Mai 2010 im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung "unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Essen vom 20. Dezember 2007" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Gesamtstrafenausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken , weil die Strafkammer einen Härteausgleich für die wegen der Vollstreckung der Strafe nicht mehr mögliche Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe mit der Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 20 Euro aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Essen vom 10. Juli 2007 mit nicht tragfähiger Begrün- dung versagt hat. Der Ausgleich für eine in dem Ausschluss einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung liegende Härte ist bei der Verhängung zeitiger Freiheitsstrafen nicht in Anwendung des Vollstreckungsmodells, sondern bei der Bemessung der Strafe für die nunmehr abzuurteilende Tat vorzunehmen.
3
1. Grundgedanke der Vorschrift des § 55 StGB ist, dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren sollen, so dass der Täter im Endergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist, als wenn alle Taten in dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteiltworden wären. Scheitert eine nach § 55 StGB an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung daran, dass die zunächst erkannte Strafe bereits vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, so erfordert eine darin liegende Härte einen angemessenen Ausgleich (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 2 StR 403/09, NStZ 2010, 386).
4
Die Strafkammer hat eine einen Härteausgleich erfordernde Benachteiligung des Angeklagten durch die nicht mehr mögliche Gesamtstrafenbildung mit der Geldstrafe aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Essen vom 10. Juli 2007 deshalb verneint, weil sie wegen des Wegfalls der Zäsur durch die Verurteilung vom 10. Juli 2007 eine nachträgliche Gesamtstrafe mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 20. Dezember 2007 gebildet hat. Dabei hat sie allerdings nicht bedacht, dass die Vollstreckung der zweijährigen Freiheitsstrafe im Urteil vom 20. Dezember 2007 zur Bewährung ausgesetzt worden war. Die nur infolge der Erledigung der früher verhängten Strafe zwingend vorzunehmende Gesamtstrafenbildung mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus dem Urteil vom 20. Dezember 2007 hat für den Angeklagten den Verlust der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung zur Fol- ge, die bei einer nachträglichen Gesamtstrafe unter Einbeziehung der an sich gesamtstrafenfähigen Geldstrafe aus der Verurteilung vom 10. Juli 2007 bestehen geblieben wäre. Hierin liegt ein besonderer Nachteil, welcher einen Härteausgleich erforderlich macht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18; Urteil vom 2. März 1994 - 2 StR 740/93).
5
2. Der danach gebotene Härteausgleich ist hier bei der Festsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe vorzunehmen.
6
a) Der Nachteil, der darin liegt, dass eine an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht mehr in Betracht kommt, weil die frühere Strafe bereits vollstreckt oder anderweitig erledigt ist, ist nach der bisherigen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs bei der Bemessung der neu zu erkennenden Strafe auszugleichen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1982 - 4 StR 75/82, BGHSt 31, 102, 103; vom 23. Januar 1985 - 1 StR 645/84, BGHSt 33, 131, 132; vom 23. Juni 1988 - 4 StR 169/88, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 1; Urteil vom 15. September 1988 - 4 StR 397/88, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 15; vom 2. Mai 1990 - 3 StR 59/89, NStZ 1990, 436; Beschluss vom 9. November 1995 - 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 311; Urteil vom 30. April 1997 - 1 StR 105/97, BGHSt 43, 79, 80; Beschluss vom 8. Oktober 2003 - 2 StR 328/03, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 13; vom 16. September 2008 - 5 StR 408/08, NStZ-RR 2008, 370; vom 10. März 2009 - 5 StR 73/09, StV 2010, 240). Auf welche Weise der Tatrichter den Härteausgleich vornimmt, steht dabei in seinem Ermessen. Er kann von einer unter Heranziehung der bereits vollstreckten Strafe gebildeten "fiktiven Gesamtstrafe" ausgehen und diese um die vollstreckte Strafe mindern oder den Umstand, dass eine Gesamtstrafenbildung mit der früheren Strafe ausscheidet, unmittelbar bei der Festsetzung der neuen Strafe berücksichtigen. Erforderlich ist nur, dass er einen angemessenen Härteausgleich vornimmt und dies den Urteilsgründen zu entnehmen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Juli 1982 - 4 StR 75/82, aaO; vom 23. Januar 1985 - 1 StR 645/84, aaO). Kann der Ausgleich ausnahmsweise nicht bei der Gesamtstrafenbildung erfolgen, ist der Nachteil bei der Bemessung der Einzelstrafe zu kompensieren (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1997 - 1 StR 105/97, aaO).
7
b) Der 5. Strafsenat erachtet es nunmehr in Anknüpfung an seine Entscheidungen zum Härteausgleich bei lebenslanger Freiheitsstrafe (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 5 StR 433/09, NStZ 2010, 385; vom 23. Juli 2008 - 5 StR 293/08, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 15; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 2 StR 403/09, NStZ 2010, 386; vom 9. Dezember 2008 - 4 StR 358/08, NStZ-RR 2009, 104) auch bei der Verhängung zeitiger Freiheitsstrafen für vorzugswürdig, die Kompensation des Nachteils in Anwendung des Vollstreckungsmodells vorzunehmen, weil die Verwirklichung des Härteausgleichs nicht an der Tatschuld als der maßgeblichen Grundlage für die Strafhöhe anknüpfe und die Transparenz hinsichtlich des gewährten Ausgleichs und der Straffestsetzung erhöht werde (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18; vom 28. September 2010 - 5 StR 343/10).
8
c) Der Senat hält demgegenüber bei zeitiger Freiheitsstrafe daran fest, dass die Benachteiligung durch eine entgangene Gesamtstrafenbildung bei der Bemessung der nunmehr zu verhängenden Strafe auszugleichen ist. Bei dem Ausschluss einer an sich möglichen Gesamtstrafenbildung infolge der Vollstreckung der früheren Strafe handelt es sich um einen Nachteil, der aus der Anwendung zwingender strafzumessungsrechtlicher Vorschriften über die Ge- samtstrafe resultiert und damit einen unmittelbaren Zusammenhang zum Vorgang der Strafzumessung aufweist. Er ist vom Tatrichter ebenso wie andere schuld-unabhängige Zumessungsfaktoren im Rahmen der Strafzumessung zu bewerten und kann systematisch stimmig bei der Festsetzung der Strafe berücksichtigt werden. Anders als bei der - mit der Strafzumessung nicht wesensmäßig zusammenhängenden - Kompensation der Konventions- und Rechtstaatswidrigkeit von Verfahrensverzögerungen, für welche der Große Senat für Strafsachen die Vollstreckungslösung entwickelt hat (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124), besteht für den Ausgleich der in einer nicht mehr möglichen Gesamtstrafenbildung liegenden Härte kein Grund, diesen aus dem Vorgang der Strafzumessung herauszulösen und durch die bezifferte Anrechnung auf die verhängte Strafe gesondert auszuweisen.
9
d) Durch die Entscheidungen des 5. Strafsenats vom 26. Januar und 28. September 2010 ist der Senat nicht gehindert, wie dargelegt zu entscheiden. Den Beschlüssen ist entscheidungstragend nicht zu entnehmen, dass der gebotene Härteausgleich ausschließlich in Anwendung des Vollstreckungsmodells und nicht jedenfalls auch - entsprechend der bisherigen einheitlichen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs - bei der Festsetzung der Strafe erfolgen darf. Für dieses Verständnis spricht im Übrigen, dass der 5. Strafsenat bislang davon abgesehen hat, ein Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 GVG einzuleiten.
10
3. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Die zugehörigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Feststellungen bleiben möglich.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 31/16
vom
25. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
ECLI:DE:BGH:2016:250216B2STR31.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu 1. und 3. auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 29. Oktober 2015 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen
1
bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 52 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Nach Aufhebung dieses Urteils im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen durch Urteil des Senats vom 8. Juli 2015 – 2 StR 139/15 – hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Schuldspruch ist durch das Senatsurteil in Rechtskraft erwachsen.
2
Der neue Ausspruch des Landgerichts über die Einzelstrafen ist rechtsfehlerfrei. Jedoch begegnet die Entscheidung über die Gesamtfreiheitsstrafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat keine Feststellungen zu den Tatzeitpunkten und
3
dem Vollstreckungsstand der letzten beiden Vorverurteilungen getroffen. Soweit diese Vorstrafen zur Zeit des angefochtenen Urteils noch nicht vollstreckt waren , kam möglicherweise eine Gesamtstrafenbildung oder eine Entscheidung nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht; dies kann der Senat im Hinblick auf die mitgeteilten Urteilsdaten jedenfalls nicht ausschließen. Waren die Strafen dagegen bereits vollstreckt, so wäre vom Tatgericht die Frage eines etwaigen Härteausgleichs zu erörtern gewesen, insbesondere wenn die Geldstrafen als Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt wurden (vgl. Senat, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 StR 325/14; Beschluss vom 11. Februar 2016 - 2 StR 397/15). Die Strafkammer hat eine solche Prüfung unterlassen. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Vornahme eines Härteausgleichs eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt worden wäre. Der Härteausgleich ist - gegebenenfalls - in die Bemessung der Ge4 samtfreiheitsstrafe einzustellen und nicht bei der Festsetzung der Einzelfreiheitsstrafen zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1982 - 4 StR 75/82, BGHSt 31, 102, 103; Beschluss vom 27. Mai 2009 - 5 StR 187/09; Bußmann in Matt/Renzikowski, StGB 2013, § 55 Rn. 28; SSW/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 55 Rn. 20; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 55 Rn. 22a; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 32), weshalb die Einzelstrafen bestehen bleiben kön- nen (im Einzelfall anders BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 - 4 StR 423/15). Da die getroffenen Feststellungen von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind, können sie bestehen bleiben. Die neu zu treffende Entscheidung über den Strafausspruch kann
5
– entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts – nicht gemäß § 354 Abs. 1b StPO dem Beschlussverfahren gemäß § 460, § 462 StPO überlassen werden, weil die möglicherweise erforderliche Entscheidung über einen Härteausgleich nicht in den Regelungsbereich dieser Vorschriften fällt; sie ist dem Urteil des Tatgerichts nach Durchführung einer Hauptverhandlung vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 3 StR 337/13; Beschluss vom 17. September 2014 - 2 StR 325/14). Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.