Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2013 - 2 StR 163/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht Trier hat den Angeklagten L. wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Angeklagten S. und K. hat es jeweils des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung schuldig gesprochen und den Angeklagten S. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, den Angeklagten K. zu einer solchen von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung der Angeklagten S. und K. ging eine Verständigung (§ 257c StPO) voraus. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.
- 2
- 1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
- 3
- Die Angeklagten L. und K. sowie die nicht revidierenden Mitangeklagten St. und Si. arbeiteten im Sommer 2012 als selbständige Subunternehmer für die vom Angeklagten S. geführte G. GmbH an einem Bauvorhaben in F. . Die G. GmbH war wiederum von der B. GmbH, die im Tatzeitraum jedenfalls faktisch von den Geschädigten R. und Ku. geleitet wurde, als Subunternehmerin beauftragt worden. Nach Unstimmigkeiten über ihren sozialversicherungsrechtlichen Status stellten L. , K. , St. und Si. die Arbeiten ein, woraufhin die B. GmbH den Subunternehmervertrag mit der G. GmbH fristlos kündigte. In der Folge kam es zu Streitigkeiten über die Zahlung des noch ausstehenden Werklohns. Am 24. oder 25. Juli 2012 kam es zu einer Vereinbarung zwischen dem Angeklagten S. einerseits und den Geschädigten R. und Ku. andererseits, wonach ein Anspruch der G. GmbH auf den ausstehenden Werklohn bestehe, dieser aber nur nach Vorlage diverser Unterlagen, insbesondere steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Art, fällig sein sollte.
- 4
- Ende Juli/Anfang August 2012 berichtete der Angeklagte S. den Mitangeklagten L. K. , St. und Si. , dass der Geschädigte R. die Zahlung verweigere, da – was zutraf – nicht alle Unterlagen vorlägen und er – S. – nunmehr einen Rechtsanwalt beauftragt habe, um seine Forderung einzuklagen. S. zahlte den Mitangeklagten nach einer entsprechenden Ankündigung auch eine erste Rate in Höhe von 1.000,- Euro auf ihren Arbeitslohn. In einer Email vom 31. Juli 2012 warf S. dem Geschädigten Ku. u.a. vor, dass seine Betriebsführung darin bestehe, dass keiner Geld bekomme und immer versucht werde, sich herauszureden. Dies sei "ein klarer Fall für den Anwalt bzw. ein Betrugsverfahren". Auch die Behörden seien bereits informiert. Weiterhin gab der Angeklagte S. sinngemäß an, er habe "den Leuten" seine Forderungen "überreicht", so dass Ku. mit einem Besuch zu Hause rechnen müsse.
- 5
- Am 12. August 2012 begab sich der Angeklagte S. zusammen mit L. , K. , St. und Si. zum Wohnanwesen der Geschädigten R. und Ku. . Sie drangen in das Haus ein und verlangten unter wiederholter Androhung, den Geschädigten "aufs Maul zu schlagen", von diesen Geld. Weiter ließen sie sich von den Geschädigten deren Mobiltelefone aushändigen. Nach einem Fluchtversuch des Geschädigten R. entstand ein Gerangel , in dessen Verlauf der Angeklagte L. eine geladene Gaspistole zog und diese dem Geschädigten R. vorhielt. Dieses Vorgehen war mit den anderen Angeklagten, die bis dahin nichts von der Waffe wussten, nicht abgesprochen; trotzdem wirkten sie weiter an der Tat mit.
- 6
- Auf Vorschlag des Geschädigten R. fuhr dieser mit den Angeklagten L. , K. , St. nach W. , wo sich ein Bankautomat befindet. S. und Si. blieben mit der Gaspistole zurück und bewachten den Geschädigten Ku.. In W. steuerte der Geschädigte R. jedoch mit Vollgas die dortige Polizeiwache an und konnte nach einer Vollbremsung vor den überraschten Angeklagten flüchten, die daraufhin zu dem Wohnanwesen zurückkehrten , wo sie kurze Zeit später festgenommen werden konnten.
- 7
- Den Angeklagten L. , K. , St. und Si. war bei der Tatausführung bekannt, dass sie einen Zahlungsanspruch allenfalls gegen die G. GmbH, aber nicht gegen die B. GmbH hatten. Dem Angeklagten S.
- 8
- 2. Der Schuldspruch wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Urteils leidet, was das Vorstellungsbild der Angeklagten in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des angestrebten Vermögensvorteils angeht, an durchgreifenden Erörterungsmängeln.
- 9
- a) Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der zumindest bedingte Vorsatz des Täters erstrecken muss. Der Täter will sich oder einen Dritten dann zu Unrecht bereichern, wenn er einen Vermögensvorteil erstrebt, auf den er oder der Dritte keinen rechtlich begründeten Anspruch haben (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 402/10, NStZ 2011, 519 mwN). Stellt sich der Täter für die erstrebte Bereicherung eine in Wirklichkeit nicht bestehende Anspruchsgrundlage vor, so handelt er dagegen in einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 547/11, insoweit in StV 2013, 73 nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 328; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 253 Rn. 20, jeweils mwN).
- 10
- b) Das Landgericht hat seine Annahme, der Angeklagte S. habe nicht über die Existenz eines ihm zustehenden, rechtlich begründeten Anspruchs geirrt, wie folgt begründet: Dem Angeklagte sei auf Grund der am 24. bzw. 25. Juli 2012 geschlossenen Vereinbarung und vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen im Baugewerbe bewusst gewesen, dass die Fälligkeit seines Zahlungsanspruchs von der Vorlage sämtlicher Unterlagen abhängig war. Auf Grund des Email-Verkehrs mit dem Zeugen Ku. , insbesondere auf Grund zweier Emails vom 25. und 30. Juli 2012 habe er gewusst, dass noch nicht alle Unterlagen vorgelegt worden seien. Das Landgericht teilt indes schon den Inhalt dieser Emails nicht mit, so dass der Senat diese Wertung nicht nachvollziehen kann. Im Übrigen geht aus der Email vom 31. Juli 2012 an den Geschädigten Ku. hervor, dass der Angeklagte S. dessen Vorgehen als bloße Hinhaltetaktik und "klaren Fall für den Anwalt bzw. ein Betrugsverfahren" angesehen hat. Dies könnte aber dafür sprechen, dass er die Vorstellung hatte, einen von der Rechtsordnung anerkannten und daher gerichtlich durchsetzbaren Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 329) zu haben. Mit diesem Indiz hätte sich die Strafkammer auseinandersetzen müssen.
- 11
- c) Auch hinsichtlich der Mitangeklagten L. und K. greift die Beweiswürdigung der Strafkammer zu kurz. Danach sei diesen insbesondere auf Grund der vom Angeklagten S. geleisteten Ratenzahlung bewusst gewesen, dass allein dieser bzw. die G. GmbH Schuldner ihrer Lohnforderung gewesen sei. Eine Abtretung der Forderung der G. GmbH an die B. GmbH ließe sich den Umständen nicht entnehmen, zumal der Angeklagte S. gerade einen Rechtsanwalt mit ihrer Durchsetzung beauftragt habe. Diese Umstände sprechen zwar gegen die Annahme, die Mitangeklagten L. und K. eine irrig davon ausgegangen, auf die erstrebte Leistung einen eigenen Anspruch zu haben. Dagegen hat das Landgericht eine mögliche fremdnützige Bereicherungsabsicht nicht erkennbar bedacht. Nach den Feststellungen erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Mitangeklagten L. und K. handelten, um das Geld für die G. GmbH bzw. den Angeklagten S. einzutreiben, damit dieser in die Lage versetzt wird, ihre eigenen Lohnansprüche befriedigen zu können. In diesem Fall wäre aber zu erörtern gewesen, ob die Mitangeklagten davon ausgingen, dem Angeklagten S. habe ein rechtlich begründeter Anspruch zugestanden.
- 12
- d) Diese Erörterungsmängel nötigen zur Aufhebung des Schuldspruchs mit den Feststellungen, wobei sich die Aufhebung auch auf die – für sich genommen rechtsfehlerfreie – tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten L. wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe erstreckt.
- 13
- 3. Die Aufhebung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierenden , durch die materiell-rechtlichen Aufhebungsgründe in gleicher Weise betroffenen Mitangeklagten St. und Si. zu erstrecken.
moreResultsText
Annotations
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.
(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.