Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2015 - 2 StR 144/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2015:261115B2STR144.15.0
26.11.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 144/15
vom
26. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:261115B2STR144.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. November 2015 gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1, 44 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 29. Januar 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Untreue in 22 Fällen und des Betrugs in elf Fällen schuldig ist; die im Fall II.14 verhängte Einzelstrafe von zehn Monaten entfällt. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. 4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in dreiundzwanzig Fällen und wegen Betrugs in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, eine Adhäsionsentscheidung getroffen und dem Angeklagten für die Dauer von drei Jahren verboten, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben.
2
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist zulässig. Ihm war aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. Juni 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu gewähren. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Die Annahme zweier tatmehrheitlicher Vergehen der Untreue in den Fällen II. 13 und 14 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte, der als Rechtsanwalt tätig war, das Vertrauen der Geschädigten L. gewonnen und mit ihr vereinbart, sich um ihre finanziellen Angelegenheiten zu kümmern und ihr Vermögen gewinnbringend anzulegen. Am 30. Mai 2012 veranlasste er aufgrund ihm zuvor erteilter Kontovollmachten zwei Überweisungen in Höhe von jeweils 7.500 Euro von dem bei der C. bestehenden Konto der Geschädigten auf sein Geschäftsgirokonto (Fall II. 13) sowie auf sein Privatgirokonto (Fall II. 14) und verbrauchte die Geldbeträge vorgefasster Absicht gemäß für sich. Feststellungen zum exakten Zeitpunkt der Tathandlungen des Angeklagten oder zu den näheren Umständen der Überweisungen hat das Landgericht nicht getroffen.
5
b) Diese Feststellungen tragen die Annahme zweier tatmehrheitlicher Vergehen der Untreue nicht. Das Landgericht hat nicht erkennbar bedacht, dass angesichts des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit in Betracht kommen kann. Hätte der Angeklagte mehrere Überweisungsträger jeweils am selben Tag bei der C. eingereicht oder hätte er die beiden Überweisungen am 30. Mai 2012 aufgrund eines einheitlichen Tatentschlusses veranlasst, so läge die Annahme natürlicher Handlungseinheit nahe, auch wenn die Geldbeträge – wie festgestellt – auf verschiedene Konten des Angeklagten überwiesen worden sind (vgl. Senat, Beschluss vom 7. September 2005 – 2 StR 342/05, NStZ 2006, 100; BGH, Beschluss vom 11. September 2014 – 4 StR 207/14, wistra 2015, 17; Beschluss vom 12. Februar 2008 – 4 StR 623/07, NJW 2008, 1394, 1395; für den mehrfachen Einsatz einer entwendeten Kreditkarte an einem Geldautomaten vgl. Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2007 – 2 StR 457/07, wistra 2008, 220 f.).
6
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme zweier materiellrechtlich selbständiger Taten tragen könnten. Er ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst ab; § 265 StPO steht nicht entgegen, denn der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Tatvorwurf nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
7
d) Damit entfällt die für den Fall II. 14 verhängte Einzelstrafe von zehn Monaten. Im Hinblick auf die Einsatzstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten und die Vielzahl und Höhe der verbleibenden Einzelstrafen ist auszuschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Konkurrenzen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
8
2. Die Überprüfung des Urteils im Übrigen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
9
Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
10
Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht in den Fällen II. 30 bis 34 der Urteilsgründe von einer durch aktives Tun und nicht durch Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) verwirklichten Untreue ausgegangen ist.
11
Nach den Feststellungen ließ sich der Angeklagte für seine jeweiligen Mandanten bestimmte Gelder auf sein Geschäftsgirokonto überweisen und verwendete diese Gelder in Folge für eigene Zwecke. Er war dabei weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit in der Lage, die entsprechenden Beträge aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren und verwirklichte damit den Tatbestand der Untreue (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 24. Juli 2014 − 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277; Schmidt, NStZ 2013, 498, 500 f.).
12
Zwar kann der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen im Sinne des § 13 StGB liegen, wenn ein Rechtsanwalt den Tatbestand der Untreue allein dadurch verwirklicht, dass er pflichtwidrig seinem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern diese Gelder auf seinem Geschäftskonto belässt und der Vorwurf sich in einem bloßen Vorenthalten der Gelder erschöpft (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1997 – 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357). Tritt zur bloßen Entgegennahme des Geldes ein aktives Tun des Rechtsanwalts hinzu, indem er die Gelder beispielsweise anfordert, sie für eigene Zwecke verwendet oder ihren Eingang auf seinen Geschäftskonten leugnet, liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in aktivem Tun (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191). So liegt es hier. Die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte die Gelder für eigene Zwecke verwendete; in den Fällen II. 30 und 34 verschleierte er gegenüber seinen Mandanten außerdem den Eingang der für sie bestimmten Gelder, hielt sie mit Ausflüchten hin und spiegelte ihnen vor, ein gerichtliches Verfahren müsse eingeleitet werden (Fall II. 30) oder dauere noch an (Fall II. 34).
13
3. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision des Angeklagten scheidet eine Kostenteilung im Rahmen des § 473 Abs. 4 StPO aus.
Appl Eschelbach Ott Zeng Bartel

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 342/05
vom
7. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. September 2005
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 19. Januar 2005
a) in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte insgesamt einer Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug schuldig ist,
b) im Fall 3 der Urteilsgründe und im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in zwei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 14. Februar 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und wegen Nötigung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Es hat ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezo-
gen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts zu den Verfahrensrügen, dass die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO unzulässig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision das Schreiben des Oberstaatsanwalts E. nicht mitteilt. 1. Der Schuldspruch in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe wegen Betruges und Urkundenfälschung in zwei Fällen hat keinen Bestand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt: „Die Annahme des Tatrichters, die Fälle 1 und 2 der Anklage (UA S. 17 f.) stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken; nach den Feststellungen kommt insoweit vielmehr Tateinheit in Betracht. Beide Überweisungsvordrucke wurden am 12. Dezember 2002 ausgefüllt und mit der Unterschrift ‚T. versehen ’ (UA S. 21); beide Fälschungen wurden zeitgleich am 12. Dezember 2002 oder an einem der nächsten Tage bei der Sparkasse D. eingereicht und dort – wiederum zeitgleich – am 16. Dezember 2002 in der Weise bearbeitet, dass die Geldbeträge über 260,00 € und 2.850,00 € dem Konto des Beschwerdeführers gutgeschrieben wurden (UA S. 21). Fälscht ein Täter – wie hier – mehrere Urkunden und macht von ihnen sodann in einem Akt Gebrauch, liegt Tateinheit vor (vgl. Fischer/Tröndle 52. Aufl. § 267 StGB Rdnr. 44). Denn eine durch eine Fälschung einer Urkunde bereits vollendete Straftat wird durch das Gebrauchmachen der Fälschung erst beendet. ‚Dieselbe Handlung’ im Sinne von § 52 StGB
liegt daher auch vor, wenn das gleichzeitige Gebrauchmachen von mehreren gefälschten Urkunden zwei ursprünglich rechtlich selbstständige vollendete Handlungen beendet und damit zugleich bei der Erfüllung eines anderen Tatbestandes – hier des Betruges – mitwirkt (BGH VRS 21, 113, 118, 119; BGH, Urteil vom 23. Juli 1965 – 4 StR 340/65 S. 5).“ Der Senat kann den Schuldspruch selbst entsprechend korrigieren. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte ersichtlich nicht anders hätte verteidigen können. 2. Im Fall 3 der Urteilsgründe sind die Feststellungen widersprüchlich und belegen deshalb eine Gewaltanwendung im Sinne der §§ 113, 240 StGB durch den Angeklagten nicht. Nach den Urteilsfeststellungen UA S. 24 fuhr der Angeklagte nicht auf den Polizeibeamten zu, um ihn zum Ausweichen zu zwingen, sondern wich vielmehr seinerseits kurz vor Erreichen des Standortes des Polizeibeamten mit seinem Pkw nach rechts aus, um um ihn herumzufahren. Nach diesen Feststellungen fehlte dem Angeklagten der Vorsatz, den Polizeibeamten mit Gewalt zum Ausweichen und zur Unterlassung der beabsichtigten Verkehrskontrolle zu nötigen, den das Landgericht UA S. 61 f. bei der rechtlichen Würdigung zugrunde legt. Dies führt in diesem Fall zur Aufhebung und Zurückverweisung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass ein neuer Tatrichter Feststellungen treffen kann, die einen – eventuell bedingten – Nötigungsvorsatz des Angeklagten belegen, zumal der Angeklagte, obwohl sowohl der Polizeibeamte N. als auch der Angeklagte selbst jeweils nach rechts ausgewichen sind, mit einem Abstand von nur 70 cm an dem Beamten vorbeifuhr.
3. Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe und die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 3 der Urteilsgründe führen zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, Feststellungen zur Erledigung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Düren vom 18. Februar 2003 zu treffen und die Strafe, falls sie noch nicht vollstreckt sein sollte, hinsichtlich einer Gesamtstrafenbildung zu berücksichtigen oder anderenfalls einen Härteausgleich zu gewähren. Rothfuß Ernemann Fischer Roggenbuck Appl

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BESCHLUSS
4 StR207/14
vom
11. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 11. September 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 11. Februar 2014 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte – unter Freispruch im Übrigen – der Urkundenfälschung in 22 Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit Betrug, in 13 Fällen in Tateinheit mit versuchtem Betrug und in einem Fall in Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug sowie des Vortäuschens einer Straftat schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Urkundenfälschung in 23 Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit Betrug , in 14 Fällen in Tateinheit mit versuchtem Betrug und in einem Fall in Tateinheit mit Betrug oder Computerbetrug sowie wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt.
Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen planten der Angeklagte sowie sein gesondert verfolgter Mittäter O. Anfang 2013, unter Vorlage gefälschter Personalpapiere und Lohnabrechnungen bei einer unbestimmten Zahl von Banken Konten zu eröffnen, um so Überziehungskredite eingeräumt zu erhalten und über Zahlungskarten verfügen zu können, sowie ferner, im Internet Waren zu bestellen und durch Einreichung gefälschter Überweisungsträger zu bezahlen. In Ausführung dieses Tatentschlusses legte der Angeklagte u.a. am 13. Mai 2013 zwei zuvor durch O. gefälschte, auf den Namen „J. “ ausgestellte Überweisungsträger bei einer Filiale der Volksbank N. eG in M. vor, um die Übersendung zuvor bestellter Waren im Gesamtwert von mehr als 15.000 € zu bewirken. Zur Durchführung der Überweisungen und zur Versendung der Waren an den Angeklagten und den gesondert verfolgten O. kam es jedoch nicht, weil die Manipulationen beider Überweisungsträger auffielen (Fälle II.3 und 4 der Urteilsgründe).

II.


3
1. Das Landgericht hat – im Ausgangspunkt zutreffend – in beiden Fällen jeweils die Straftatbestände des versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung als erfüllt angesehen. Jedoch hält die Bewertung des Konkurrenzverhältnisses , wonach beide Handlungen in Tatmehrheit im Sinne von § 53 StGB zueinander stehen, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat in den genannten Fällen nicht erkennbar bedacht, dass bei Einreichung mehrerer gefälschter Überweisungsträger jeweils am selben Tag bei demselben Bankinstitut eine natürliche Handlungseinheit und damit jeweils auch nur eine Tat im Rechtssinne in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Februar 2008 – 4 StR 623/07, NJW 2008, 1394; Senatsbeschluss vom 15. Januar 2008 – 4 StR 648/07, wistra 2008, 182 f.).
4
2. Der Senat schließt aus, dass ein neuer Tatrichter Feststellungen treffen könnte, die in den Fällen II.3 und II.4 der Urteilsgründe jeweils eine Verurteilung wegen einer materiell-rechtlich selbständigen Tat tragen könnten; insoweit gilt mithin der Zweifelsgrundsatz (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2008 aaO). Er ändert deshalb den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst ab. § 265 StPO steht nicht entgegen; denn der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Tatvorwurf nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
5
Damit entfällt eine der in den beiden genannten Fällen verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten. Im Hinblick auf die in zwei Fällen verhängte Einsatzstrafe von zwei Jahren und drei Monaten sowie die Vielzahl und die Höhe der weiter verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen ist auszuschließen , dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Konkurrenzen auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte; diese hat deshalb Bestand.
6
3. Mit Blick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 623/07
vom
12. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
Veröffentlichung: ja
BGHSt: nein
BGHR: ja
Der Täter, der sich unbefugt Gelder von fremden Konten verschafft, indem
er Überweisungsträger der betreffenden Konten fälscht, erfüllt –
wenn die Überweisungsträger nur in automatisierter Weise auf ihre Echtheit
überprüft werden – den Tatbestand des Computerbetruges. Lässt
sich der Ablauf der Überweisung bei der bezogenen Bank nicht mehr aufklären
, kommt regelmäßig eine wahlweise Verurteilung wegen Betruges
oder Computerbetruges in Betracht.
BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 4 StR 623/07 – LG Rostock
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. Februar 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 19. Juni 2007
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte - des Betruges in drei Fällen (Fälle II. 19, 42, 43) - des Betruges oder Computerbetruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen (Fälle II. 3, 4/5) - des versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Fall II. 6) - des Betruges oder Computerbetruges in 25 Fällen (Fälle II. 10, 9/14, 7/8/16, 11/12/13/15/17, 21 bis 39, 60, 61) - des Missbrauchs einer Kreditkarte in zehn Fällen (Fälle II. 44/45, 46, 47, 48, 49/50, 51, 52/53, 54 bis

56)

- der Anstiftung zum tateinheitlich mit Urkundenfälschung begangenen Betrug oder Computerbetrug in zwei tateinheitlichen Fällen (Fälle II. 1/2) - der Beihilfe zum Betrug (Fall II. 40) - des Betruges in Tateinheit mit Missbrauch von Berufsbezeichnungen (Fall II. 59) - des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauch von Berufsbezeichnungen (Fall II. 57)
- des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen in sechs Fällen (Fälle II. 62 bis 67) - der Anstiftung zur Amtsanmaßung (Fall II. 20) - des Computerbetruges (Fall II. 18) - der Urkundenfälschung (Fall II. 58) sowie - des Diebstahls in Tateinheit mit Amtsanmaßung (Fall II. 41) schuldig ist,
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des Betruges in 35 Fällen, des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zehn Fällen, des versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in sieben Fällen, des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen in sechs Fällen, der Anstiftung zum tateinheitlich mit Urkundenfälschung begangenen Betrug in zwei Fällen, der Beihilfe zum Betrug, des Betruges in Tateinheit mit Missbrauch von Berufsbezeichnungen, des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauch von Berufsbezeichnungen , der Anstiftung zur Amtsanmaßung, des Computerbetruges, der Urkun- denfälschung und des Diebstahls in Tateinheit mit Amtsanmaßung für schuldig befunden und ihn danach unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung und zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch bedarf der Änderung dahin, dass der Angeklagte in den Fällen II. 44 bis 56 des Missbrauchs einer Kreditkarte (§ 266 b StGB) in 10 Fällen schuldig ist. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich insoweit jeweils des - gewerbsmäßig begangenen - Betruges gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht, trifft nicht zu.
3
a) Nach den Feststellungen beantragte der Angeklagte unter missbräuchlicher Verwendung der Daten eines Dr. Mathias J. schriftlich eine DEA Payback Visa Karte, worauf ihm eine entsprechende Karte der Landesbank Baden -Württemberg zugesandt wurde. Diese Kreditkarte wurde vom Angeklagten "in betrügerischer Absicht" als Zahlungsmittel zum Einkauf von Waren bzw. zur Begleichung von Dienstleistungen eingesetzt. Dadurch entstand "der kartenausgebenden Bank ... ein entsprechender Schaden" (UA 37).
4
b) Nach diesen Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen Betruges (in Tateinheit mit Urkundenfälschung) "lediglich" durch die Erlangung der Kreditkarte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und Verwendung unrichtiger Personalien schuldig gemacht (vgl. BGHSt 33, 244, 245 f.), den das Landgericht jedoch nicht ausgeurteilt hat. Dagegen hat der Angeklagte durch den Gebrauch der Kreditkarte die ihm durch deren Überlassung eingeräumte Möglichkeit , den Aussteller zu einer Zahlung zu veranlassen, missbraucht und dadurch den Tatbestand des § 266 b StGB erfüllt (BGH NStZ 1993, 283).
5
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Der Grundsatz der Spezialität bleibt gewahrt, denn er schließt eine Verurteilung wegen desselben Sachverhalts, hinsichtlich dessen die Auslieferung bewilligt worden ist, unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt nicht aus (st. Rspr.; vgl. Fischer StGB 55. Aufl. vor §§ 3-7 Rdn. 22 m.N.). Auch § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung durch den Senat nicht entgegen, denn der geständige Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
6
Zugleich ändert der Senat den Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte insoweit des Missbrauchs einer Kreditkarte statt in 13 Fällen lediglich in zehn Fällen schuldig ist. Denn nach den Feststellungen hat der Angeklagte in den Fällen II. 44/45, 49/50 sowie 52/53 die Visa Karte bei dem jeweils selben Vertragsunternehmen jeweils "zur Begleichung von zwei Forderungen" eingesetzt, sodass insoweit zu Gunsten des Angeklagten von natürlicher Handlungseinheit und damit rechtlich jeweils nur einer Tat auszugehen ist.
7
2. Die rechtliche Würdigung im angefochtenen Urteil hält der Nachprüfung auch nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten in den Fällen II. 1 und 2 der Anstiftung zum tateinheitlich mit Urkundenfälschung begangenen Betrug und in den Fällen II. 3 bis 5, 7 bis 10, 13 sowie 21 bis 39, 60 und 61 des - ebenfalls gewerbsmäßig begangenen - vollendeten Betruges nach § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB für schuldig befunden hat.
8
a) Nach den Feststellungen zu den Fällen II. 1 bis 17 verschaffte sich der Angeklagte jeweils Geld von fremden Konten, indem er entweder einen Dritten veranlasste, Überweisungsbelege der betreffenden Konten der Geschädigten zu fälschen und die Gelder über Drittkonten auf sein eigenes Privatkonto zu leiten (Fälle II. 1 und 2) oder die Fälschungen und betrügerischen Überweisungen selbst vornahm. In den Fällen II. 3 bis 5, 7 bis 10 und 13 wurden die Überweisungen ausgeführt. In diesen als jeweils vollendeter Betrug ausgeurteilten Einzelfällen könnte der Senat die Annahme von Betrug im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB nicht ohne Weiteres bestätigen.
9
aa) Das Landgericht hat zu der Art und Weise der Abwicklung der Überweisungen keine Feststellungen getroffen, obwohl es für die Subsumtion unter den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB darauf ankam.
10
Nach den Feststellungen bleibt unklar, im Hinblick auf welche konkreten Umstände Bankbedienstete täuschungsbedingt einer Fehlvorstellung erlegen sein sollen, zumal offensichtlich eine Vernehmung der Bankbediensteten nicht erfolgt ist (Senat NStZ 2000, 375, 376). Vielmehr liegt in diesen Fällen nahe, dass die betreffenden Banken die Überweisungsträger, soweit die Überweisungen ausgeführt worden sind, lediglich in automatisierter Weise geprüft haben, ohne dass die Fälschung auffiel und ohne dass ein Mitarbeiter des jeweiligen Kreditinstituts noch eine persönliche Kontrolle durchgeführt hat. Dann aber fehlte es für eine Strafbarkeit wegen Betruges an einer Täuschung und Irrtumserregung. Vielmehr hätte der Angeklagte unter diesen Umständen den Tatbestand des Computerbetruges (§ 263 a Abs. 1 StGB) nach der betrugsspezifischen Auslegung (vgl. Fischer aaO § 263 a Rdn. 11 m.N.) in der Tatvariante des unbefugten Verwendens von Daten erfüllt.
11
Wie bekannt ist, werden bei den Banken angesichts der massenhaften Abwicklung von Überweisungen gängige Belegerfassungssysteme verwendet, in denen auch die Unterschriften digitalisiert und in Datenbanken gespeichert werden. Diese Technik erlaubt es, anstelle des personal- und kostenintensiven visuellen, d.h. durch einen Mitarbeiter selbst vorgenommenen Vergleichs von Unterschriften Überweisungsformulare unterhalb bestimmter Beträge regelmäßig nicht mehr individuell, sondern nur noch maschinell auf ihre Echtheit zu prüfen , weshalb Täter darauf spekulieren können, dass gefälschte Überweisungen im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebes nicht entdeckt werden. Zwar kann ein Mitarbeiter des Kreditinstituts die Referenzunterschrift mit der Unterschrift des Beleges vergleichen. Faktisch wird sich dies aber auf Zweifelsfälle beschränken, in denen dann die Überweisungsträger von einer automatischen Weiterverarbeitung ausgeschlossen werden.
12
Der Senat schließt schon mit Blick auf den Zeitablauf aus, dass sich die Frage der Abwicklung noch aufklären lässt. Bei Unaufklärbarkeit des tatsächlichen Ablaufs ist aber die Wahlfeststellung zwischen Betrug und Computerbetrug zulässig (vgl. Fischer aaO § 263 a Rdn. 23 a.E.). Insoweit ist zur subjektiven Tatseite ohne weiteres davon auszugehen, dass der Täter in solchen Fällen jedenfalls bedingt sowohl die Täuschung und Irrtumserregung eines Bankbediensteten erreichen als auch - für den Fall einer automatisierten Prüfung - den Datenverarbeitungsvorgang „unbefugt“ beeinflussen will und sich deshalb sein Vorsatz auf beide Tatbestände erstreckt (vgl. dazu Goeckenjan JA 2006, 758 ff.).
13
bb) In den Fällen II. 6, 11, 12 sowie 14 bis 17, in denen die betrügerischen Überweisungen nicht ausgeführt worden sind, geht der Senat davon aus, dass hier die Ausführung deshalb unterblieben ist, weil das Belegerfassungs- system jeweils einen Zweifelsfall angezeigt hat und deshalb ein Mitarbeiter des jeweiligen Kreditinstituts persönlich mit der Überprüfung befasst worden ist. In diesen Fällen ist es deshalb auch zu einer Täuschungshandlung gegenüber einer natürlichen Person gekommen, weshalb das Landgericht insoweit im Ergebnis zu Recht von versuchtem Betrug ausgegangen ist.
14
cc) Jedoch bedarf der Schuldspruch in den Fällen II. 1 bis 17 insgesamt auch hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses der Einzelfälle der Änderung. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, sind die Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe nur eine einheitliche Anstiftung zum Betrug oder zum Computerbetrug und zur Urkundenfälschung. In den weiteren Fällen hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass in den Fällen, in denen der Angeklagte nach den Feststellungen jeweils am selben Tag bei dem selben Bankinstitut mehrere gefälschte Überweisungsträger eingereicht hat, eine natürliche Handlungseinheit und damit jeweils auch nur eine Tat im Rechtssinne in Betracht kommt (vgl. BGH NStZ 2006, 100; Senat, Beschluss vom 15. Januar 2008 - 4 StR 648/07). Die Frage ist nach dem Zweifelsgrundsatz zu lösen. Danach ist unter Berücksichtigung der „ohne Datum“ erfassten Überweisungsträger (Fälle II. 8 und 12) davon auszugehen, dass die Fälle 4 und 5 – insoweit in Tateinheit mit Urkundenfälschung –, die Fälle 7, 8 und 16, die Fälle 9 und 14 sowie die Fälle 11, 12, 13, 15 und 17 jeweils nur eine - vollendete - Tat des Betruges oder des Computerbetruges darstellen. Dahinter tritt die Versuchsstrafbarkeit der Einzelfälle, in denen die Überweisungen nicht ausgeführt worden sind, jeweils als subsidiär zurück (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 201 f.; Fischer aaO vor § 52 Rdn. 41).
15
Der Senat kann den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO insoweit selbst ändern. Auch hier stehen dem der Spezialitätsgrundsatz und § 265 StPO nicht entgegen.
16
b) Nach den gleichen Grundsätzen, wie vorstehend unter a) zu den Fällen II. 1 bis 17 ausgeführt, ist der Schuldspruch auch in den Fällen II. 21 bis 39 sowie 60 und 61 der Urteilsgründe dahin zu ändern, dass der Angeklagte insoweit jeweils des Betruges oder des Computerbetruges schuldig ist.
17
aa) Nach den Feststellungen beschaffte sich der Angeklagte in diesen Fällen eine Reihe von Kreditkartendaten mit zugehörigen Personaldaten der Kreditkarteninhaber und legte eine Vielzahl von E-Mail-Konten an. Unter Angabe von verschiedenen Personalien, E-Mail-Adressen und Kreditkartendaten beantragte er „per Internet“ (UA 28) bei den geschädigten Firmen Telefonguthaben , worauf diese Firmen die entsprechenden Vorwahlnummern, die vor den eigentlichen Zielwahlnummern zur Inanspruchnahme der Telefonguthaben benötigt werden, an die von dem Angeklagten angegebenen E-Mail-Adressen versandten. Der Angeklagte nutzte diese Daten jeweils zum Abtelefonieren der Guthaben selbst oder gab sie an Dritte weiter.
18
bb) Auch in diesen Fällen, die das Landgericht jeweils als - gewerbsmäßig begangenen - Betrug (§ 263 StGB) gewertet hat, kommt in Betracht, dass der Vorgang und die Abwicklung automatisch ohne unmittelbare Prüfung durch eine natürliche Person erfolgten (vgl. zum Onlinebanking Fischer aaO § 263 a Rdn. 11 und 16). Daher ist nach den oben ausgeführten Grundsätzen auch in diesen Fällen die Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage wegen Betruges oder Computerbetruges veranlasst.
19
3. Der Senat hebt den gesamten Strafausspruch auf.
20
In den Fällen II. 44 bis 56 ist die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche schon durch die Schuldspruchänderung zwingend veranlasst, weil der anzuwendende Strafrahmen des § 266 b Abs. 1 StGB deutlich milder als der von dem Landgericht angewandte Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB ist. Zur Aufhebung zwingt des weiteren die Schuldspruchänderung in den Fällen, in denen das Landgericht im Rahmen der Fälle II. 1 bis 17 der Urteilsgründe das Konkurrenzverhältnis nicht zutreffend bewertet hat.
21
Darüber hinaus begegnet jedenfalls die allgemein bei allen Taten zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Erwägung rechtlichen Bedenken, der Angeklagte habe "keinerlei Reue" gezeigt, sein Geständnis sei nicht durch Reue und den Willen zur Wiedergutmachung getragen, er habe nur zum Ausdruck gebracht, das Verfahren abkürzen zu wollen, um möglichst bald ein Leben in Freiheit verbringen zu können, sein Wille, sich bei den Opfern zu entschuldigen oder gar Wiedergutmachung zu leisten, habe er nicht andeutungsweise zum Ausdruck gebracht (UA 50; vgl. Fischer aaO § 46 Rdn. 50 f. m.N.).
22
Dem neuen Tatrichter soll danach Gelegenheit gegeben werden, über die - wenn auch vergleichsweise milden - Einzelstrafen insgesamt neu zu befinden. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht auch die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
23
Für das weitere Verfahren weist der Senat mit Blick auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zur im angefochtenen Urteil unterbliebenen Kompensation der im Urteil festgestellten Verfahrensverzögerung von etwa sechs Monaten (UA 50 a.E.) vorsorglich darauf hin, dass nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 - abweichend von der bisherigen Rechtsprechung eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht mehr im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung findet und deshalb ein Abschlag von der an sich verwirkten schuldangemessenen Strafe nicht mehr veranlasst ist. Vielmehr ist danach in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt. Ob die vergleichsweise geringfügige Verfahrensverzögerung hier mit Blick auf die insgesamt milde Gesamtstrafe für den Angeklagten noch hinzunehmen ist, ohne dass es über die Feststellung der Verfahrensverzögerung als solche hinaus einer Entschädigung in Form einer Anrechnung bedarf, hat der neue Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (vgl. S. 28 f. des Beschlussabdrucks der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 2 2 1 / 1 4
vom
24. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 30. Januar 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen 2 und 4 bis 9 der Urteilsgründe,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in dreizehn Fällen sowie wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz (vorsätzlicher unerlaubter Besitz von Munition) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es dem Angeklagten für die Dauer von drei Jahren verboten, den Beruf des Rechtsanwaltes auszuüben.
2
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
Nach den Feststellungen befand sich der als Rechtsanwalt tätig gewesene Angeklagte seit dem Jahr 2005 in finanziellen Schwierigkeiten. Spätestens im März 2007 fasste er den Entschluss, ihm treuhänderisch überwiesene Gelder seinem Vermögen einzuverleiben und sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. In den Fällen 1 bis 13 ließ sich der Angeklagte, der über kein Rechtsanwalts-Anderkonto verfügte, Gelder von oder für seine Mandanten auf sein Geschäftskonto überweisen und verwendete sie, um die Kosten für seine Kanzlei zu begleichen und private Verbindlichkeiten zu erfüllen. Ab Juli 2007 kam es auf dem Geschäftskonto zu Pfändungsmaßnahmen und mangels Deckung zu Rücklastschriften. Soweit der Angeklagte über weitere Einkünfte aus einer beratenden Tätigkeit und über Guthaben auf einem Privatkonto verfügte, beabsichtigte er nicht, dieses Geld zur Befriedigung oder Sicherung der Ansprüche seiner Mandanten einzusetzen. Hinsichtlich der ihm aus seiner anwaltlichen Tätigkeit gegenüber seinen Mandanten zustehenden Honoraransprüche erstellte er keine Abrechnungen und gab auch keine Aufrechnungserklärungen ab.
4
Im Fall 1 veranlasste der Angeklagte einen Mandanten, einen zur Weiterleitung bestimmten Gerichtskostenvorschuss auf sein Geschäftskonto einzuzahlen und verwendete den Geldbetrag vollständig für eigene Zwecke. In den Fällen 2 bis 13 war der Angeklagte jeweils mit der Geltendmachung zivilrechtlicher Forderungen, insbesondere in Verkehrsunfallsachen, beauftragt worden. Gegenüber der Haftpflichtversicherung bzw. den Anspruchsgegnern seiner Klienten gab er jeweils sein Geschäftskonto als Referenzkonto für Ausgleichszahlungen an. Zahlungen wurden daher auf dieses Konto geleistet. In den Fällen 2 und 4 bis 9 gingen zu unterschiedlichen Zeitpunkten mehrere Teilzahlungen ein. Einen Teil der eingegangenen Geldbeträge hob der Angeklagte entweder gleich ab oder er verschwieg die Geldeingänge bzw. deren Höhe gegenüber seinen Mandanten; teilweise zahlte er Gelder - sofern ihm möglich - erst auf mehrfache Aufforderung aus. Aufgrund der Tatvorwürfe wurde der Angeklagte im Jahr 2011 aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen.
5
Nach den zu Fall 14 getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte im Jahr 2008 Patronen des Kalibers 38 Special, obwohl er weder über einen Eintrag für eine Waffe dieses Kalibers in seiner Waffenbesitzkarte noch über einen Munitionserwerbschein verfügte. Die Munition konnte im Rahmen einer Durchsuchung in der Wohnung des Angeklagten sichergestellt werden.

II.

6
1. Der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.
7
a) Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall 14 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Besitzes von Munition verurteilt hat (§ 52 Abs. 3 Nr. 2b WaffG), ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, kam eine tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Erwerbs von Munition nicht in Betracht, da insoweit zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung bereits Verfolgungsverjährung eingetreten war (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB).
8
b) Auch der Schuldspruch in den Fällen 1, 3 und 10 bis 13 der Urteilsgründe ist nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat, indem er den Gerichts- kostenvorschuss bzw. die für seine Mandanten in Empfang genommenen Gelder nicht weiterleitete, sondern anderweitig verwendete, jeweils den Tatbestand der Untreue erfüllt. So begeht ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwaltsvertrages zur Weiterleitung bestimmte Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren, eine Untreue (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1988 - 3 StR 61/87, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 8; Beschluss vom 30. Oktober 2003 - 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54). Hier war das Geschäftskonto häufig überzogen und permanent Pfändungsmaßnahmen unterworfen, so dass eingehende Mandantengelder insoweit unmittelbar mit Eingang auf dem Konto dem Ausgleich des Solls dienten. Soweit dem Angeklagten in Einzelfällen möglicherweise Honoraransprüche in einer die Zahlungseingänge übersteigenden Höhe zustanden, hindert dies nicht die Annahme eines Vermögensnachteils. Zwar fehlt es an einem Vermögensnachteil, wenn der Täter einen fälligen Geldanspruch gegen das von ihm treuhänderisch verwaltete Vermögen hat und hierüber in entsprechender Höhe zu eigenen Gunsten verfügt, so dass der Treugeber von einer bestehenden Verbindlichkeit befreit wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1999 - 5 StR 667/98, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 46). Dies setzt aber voraus, dass die Verwendung der Mandantengelder nicht mit dem Vorsatz rechtswidriger Bereicherung erfolgt, sondern tatsächlich dem Zweck dient, bestehende Honoraransprüche zu befriedigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai1997 - 1 StR 638/97, NStZ-RR 1997, 298, 299; Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 313; Schmidt, NStZ 2013, 498, 500 f.). Daran fehlt es hier. Irgendwelche Honoraransprüche hat der Angeklagte in keinem der abgeurteilten Fälle beziffert und geltend gemacht, so dass es schon deshalb an einer möglicherweise in Betracht kommenden Aufrechnungslage fehlt. Vielmehr diente die Verwendung der Fremdgelder durch den Angeklagten einzig dazu, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der Kanzlei anfallenden Kosten begleichen und private Verbindlichkeiten erfüllen zu können.
9
c) Dagegen tragen die Feststellungen in den Fällen 2 und 4 bis 9 der Urteilsgründe eine Verurteilung wegen sieben tatmehrheitlich begangener Untreuetaten nicht. Nach den Feststellungen lag den Fällen 2 und 5, den Fällen 6 und 7 sowie den Fällen 4, 8 und 9 jeweils nur ein Mandatsauftrag zugrunde, im Rahmen dessen der Angeklagte die Gegenseite (im Fall 2/5 Miterben, in den beiden Fällen 6/7 und 4/8/9 jeweils eine Haftpflichtversicherung) zur Zahlung auf sein Geschäftskonto aufgefordert hatte. Den Urteilsgründen ist indes nicht zu entnehmen, ob die Zahlungen, die jeweils in zwei bzw. drei Tranchen erfolgten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf dem Geschäftskonto eingingen, auf ein oder mehrere Anspruchsschreiben des Angeklagten zurückgehen. Sollte sich die Tathandlung des Angeklagten in einem einmaligen Anspruchsschreiben unter Angabe seines Geschäftskontos für zu leistende Zahlungen erschöpfen , würde dies - auch wenn die Gegenseite mehrere Teilzahlungen erbracht hätte - nicht die Annahme von Tatmehrheit rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 1997 - 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357).
10
2. Die Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1, 3 und 10 bis 14 der Urteilsgründe haben keinen Bestand.
11
a) Das Landgericht hat in den Fällen 1, 3 und 10 bis 13 im Rahmen der Strafzumessung nicht erkennbar berücksichtigt, dass der Angeklagte aufgrund der verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfe aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen worden ist. Anwaltsrechtliche Sanktionen nach § 114 Abs. 1 BRAO sind als Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB aber bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen zu berücksichtigen , wenn der Rechtsanwalt durch sie seine berufliche und wirtschaft- liche Basis verliert (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 1991 - 3 StR 13/91, BGHR StGB § 356 Abs. 1 Rechtssache 1; Beschluss vom 2. Februar 2010 - 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.).
12
b) Der Strafausspruch erweist sich schließlich auch im Fall 14 als nicht frei von Rechtsfehlern. So hätte das Landgericht den Umstand, dass die Munition anlässlich einer Durchsuchung in der Wohnung des Angeklagten sichergestellt werden konnte, erkennbar zugunsten des Angeklagten berücksichtigen müssen, weil infolge der Sicherstellung keine Gefahr mehr für die öffentliche Sicherheit bestand.
13
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen 2 und 4 bis 9 der Urteilsgründe sowie der Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1, 3 und 10 bis 14 der Urteilsgründe hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge.
14
4. Auch der Maßregelausspruch hat keinen Bestand. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Untreuetaten jeweils unter Missbrauch seines Berufes begangen hat (vgl. Athing/Bockemühl in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 70 Rn. 9; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 70 Rn. 10). Die Erwägungen, auf die es die Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 70 Abs. 1 StGB gestützt hat, halten jedoch revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Im Rahmen der Bewährungsentscheidung hat das Landgericht ausgeführt, mit "Rücksicht auf das erstmalige Erleben einer Haft als auch einer Hauptverhandlung als Angeklagter" sei davon auszugehen, "dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung als Warnung dienen lassen und künftig […] keine Straftaten mehr begehen" werde. Dem widersprechend hat es zur Begründung der Anordnung des Berufsverbots darauf abgestellt, dass "in Anbetracht der Vielzahl der Fälle" und des "plan- und regelmäßigen Vorgehens des Angeklagten in größerem Umfang" damit zu rechnen sei, dass dieser "bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit weitere erhebliche rechtswidrige Taten […] begehen" werde.Zwar kann ein Berufsverbot grundsätzlich auch neben einer Bewährungsstrafe verhängt werden, etwa dann, wenn der Gefahr weiterer Straftaten gerade durch das Berufsverbot entgegengesteuert werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2003 - 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54; LK-Hanack, 12. Aufl., § 70 Rn. 43a); dies erfordert aber eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2009 - 5 StR 248/09, NStZ 2010, 170, 171), in deren Rahmen hier auch zu berücksichtigen gewesen wäre, dass die Verhängung eines Berufsverbots dann ausscheidet, wenn zu erwarten ist, dass der Angeklagte bereits durch die Verurteilung zu der verhängten Strafe oder jedenfalls durch deren Verbüßung von weiteren Taten abgehalten werden kann (BGH, Beschluss vom 12. September 1994 - 5 StR 487/94, NStZ 1995, 124). An einer solchen Gesamtwürdigung fehlt es hier.
15
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe (§ 55 StGB) mit den Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 2. September 2009 zwar zutreffend unterblieben ist, da die verhängte Gesamtgeldstrafe bereits im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden ist; jedoch wäre insoweit ein Härteausgleich zu erwägen gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 4 StR 587/00; Urteil vom 5. November 2013 - 1 StR 387/13). Fischer Appl Schmitt Ott Zeng

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR587/14
vom
29. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 29. August 2014 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Untreue in 76 Fällen verurteilt ist und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 76 Fällen sowie wegen Betruges in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Spätestens in den Jahren 2006/2007 geriet der als Rechtsanwalt tätige Angeklagte in finanzielle Schwierigkeiten. Die Einnahmen, die er durch den Betrieb seiner Einzelkanzlei erzielte, reichten zur Deckung des Lebensunterhaltes nicht mehr aus. Hinzu kam, dass der Angeklagte seinen Mandanten auf die gesetzlich vorgesehenen Rechtsanwaltsgebühren vielfach großzügige Nachlässe gewährte oder auf die Erhebung von Gebühren sogar ganz verzichtete. Finanzielle Engpässe überwand der Angeklagte in den Jahren 2006 und 2007 kurzfristig u.a. durch Privatdarlehen, die ihm aus dem Kreis seiner Familie gewährt wurden. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt war der Angeklagte vielfach mit der Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen aus Verkehrsunfällen, aber auch Erbschafts- und Unterhaltsansprüchen beauftragt. Für Geldzahlungen von Mandanten zur Weiterleitung an Dritte wie gleichermaßen zum Empfang von Geldern zur Weiterleitung an Mandanten nutzte der Angeklagte vier verschiedene Geschäftskonten; Anderkonten führte er nicht. Obwohl bei der Einrichtung der Konten keine Kontokorrentabreden getroffen wurden, gewährten die kontoführenden Banken dem Angeklagten im späteren Geschäftsverlauf dennoch nicht unerheblichen Dispositionskredit, was dazu führte, dass er die Konten häufig überzog. Der Angeklagte wusste, dass er berufsrechtlich verpflichtet war, für seine Mandanten eingegangene Gelder an diese bzw. von den Mandanten entrichtete Gelder an den bestimmungsgemäßen Empfänger unverzüglich weiterzuleiten. Gleichwohl entschloss er sich spätestens Ende des Jahres 2008, eingehende Gelder entgegen dieser Pflicht zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts und zur Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs auszugeben. In einer Vielzahl von Fällen verwendete der Angeklagte Gelder, um vordringliche Verbindlichkeiten gegenüber anderen Mandanten und Gläubigern zu erfüllen. Es entwickelte sich hieraus ein Kreislauf, der dazu führte, dass er Gelder entweder erheblich verspätet, unvollständig oder auch gar nicht an den bestimmungsgemäßen Empfänger auskehrte. In sämtlichen Fällen war der Angeklagte, wie er wusste, auch nicht in der Lage, die bestehenden Forderungen aus eigenen Mitteln zu erfüllen. Geldleistungen des Angeklagten erfolgten nur dann, wenn er Geld aus einem für einen anderen Empfänger bestimmten Zahlungseingang oder ein Darlehen eines Verwandten oder Bekannten erhalten hatte.
5
Die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils belegen jeden einzelnen tatbestandsrelevanten Zahlungseingang auf den Geschäftskonten des Angeklagten nebst den zu dem jeweiligen Zeitpunkt bestehenden (Gesamt-) Verbindlichkeiten. Danach sind den Konten des Angeklagten insgesamt 77 Zahlungen zugeflossen, wobei der für den Empfänger bestimmte Gesamtbetrag mitunter in zwei oder auch drei Teilbeträgen geleistet wurde. Nicht festgestellt hat das Landgericht, ob den Zahlungsflüssen Anforderungsschreiben des Angeklagten - und wenn ja wie viele - zugrunde liegen.
6
Ab dem Jahr 2009 beschloss der Angeklagte, nachdem ihm seine Banken weiteren Kredit nicht mehr gewährten, seine Liquiditätsengpässe durch die Aufnahme von Krediten bei Verwandten, Freunden, Bekannten und Mandanten zu überbrücken. Um diese zur Überlassung von Geld zu bewegen, spiegelte er ihnen vor, er stecke in kurzfristigen Zahlungsschwierigkeiten. Dabei war ihm bewusst, dass er selbst vermögenslos war und auch in absehbarer Zeit nicht mit den zur Rückführung nötigen Geldeingängen rechnen konnte. Gleichermaßen wusste er, dass ihm die Darlehen nur wegen seiner Berufsstellung als Rechtsanwalt oder aus freundschaftlicher Verbundenheit im Vertrauen auf seine Rückzahlungsfähigkeit gewährt wurden. Wie das Landgericht hervorhebt, kam es dem Angeklagten „allein darauf an, an die Darlehensbeträge zu gelangen“ (UA S. 28), wobei er die Beträge teilweise zur Erfüllung aufgelaufener Verbindlichkeiten gegenüber Mandanten einsetzte. Den Darlehensgebern entstand Schaden in Höhe der jeweils ausgereichten Darlehenssumme; insgesamt belief sich das Darlehensvolumen auf etwa 182.000 Euro.

II.


7
Die Ahndung der Untreue- und Betrugstaten ist nicht wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung ausgeschlossen (§ 78 Abs. 1 StGB). Die für Untreue und Betrug gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB geltende fünfjährige Verjährungsfrist war in keinem der zur Verurteilung gelangten Fälle abgelaufen.
8
1. Soweit der Angeklagte wegen Untreue verurteilt wurde (Ziffer C. I. des Urteils) kann dahinstehen, ob die Tatbegehung durch aktives Tun erfolgte und die Beendigung (§ 78a StGB) der Taten mit dem Verwenden der Gelder für eigene Zwecke eintrat oder ob sich dies bei Tatbegehung durch Unterlassen der Weiterleitung der Gelder (§ 13 StGB) jeweils auf denjenigen Zeitpunkt hinausschob , zu dem der Angeklagte den geschuldeten Betrag spätestens an den Berechtigten hätte weiterleiten müssen (vgl. dazu unten III. 2. b. cc.). Die Taten sind in sämtlichen Fällen auch unter Annahme aktiven Tuns als der im Rahmen dieser Prüfung für den Angeklagten günstigeren Begehungsform nicht verjährt, denn der Verjährungslauf wurde durch den Durchsuchungsbeschluss des Amts- gerichts Coburg vom 10. April 2013 rechtzeitig unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB).
9
Die Unterbrechungswirkung von Untersuchungshandlungen erstreckt sich grundsätzlich auf alle verfahrensgegenständlichen Taten, wenn in einem Verfahren wegen mehrerer Taten im prozessualen Sinn ermittelt wird, es sei denn der - insoweit maßgebliche - Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden ist erkennbar lediglich auf eine oder mehrere Taten beschränkt. Für die Bestimmung des Verfolgungswillens ist der Zweck der richterlichen Untersuchungsmaßnahme maßgeblich (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 5 StR 226/99, NStZ 2000, 427, 428 f.; Beschluss vom 27. Mai 2003 - 4 StR 142/03, NStZ 2004, 275 mwN; Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 215 mwN; Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 490/10, BGHSt 56, 146, 152 f.; Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 StR 524/10, NJW 2011, 2310, 2311). Hier ergibt sich die Unterbrechungswirkung bereits aus dem Wortlaut des Durchsuchungsbeschlusses. Denn dieser erfasste alle Handlungen des Angeklagten, durch welche er unter Verstoß gegen seine Pflichten als Rechtsanwalt von oder für Mandanten vereinnahmte Gelder nicht (rechtzeitig) weitergeleitet oder zweckentfremdet hat. Durch diese zusammenfassend kennzeichnenden Merkmale waren die Verdachtslage und der Umfang der Untersuchung hinreichend bestimmt dargelegt. Die umschriebene Begehungsweise genügt dem Bedürfnis, die von der Unterbrechung betroffenen Taten von denkbar ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen, auf die sich die Verfolgung nicht bezog, zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteile vom 20. Mai 1969 - 5 StR 658/68, BGHSt 22, 375, 385; vom 14. Juni 2000 - 3 StR 94/00, BGHR StGB § 78 Abs. 1 Tat 3; und vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 215 mwN). Die unter Ziffer C. I. des Urteils dargestellten Fälle waren damit alle von der verjährungsunterbrechenden Wirkung erfasst.
10
2. In den Fällen des Betruges (Ziffer C. II. des Urteils) begann die Verfolgungsverjährung mit der durch den jeweiligen Zahlungseingang beim Angeklagten eintretenden Tatbeendigung (§ 78a StGB). Der Verjährungslauf wurde hinsichtlich der Betrugstaten spätestens durch den - alle Taten erfassenden - Haftbefehl des Amtsgerichts Kronach vom 20. Januar 2014 unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB).

III.


11
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
12
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in 19 Fällen erweist sich im Ergebnis als rechtsfehlerfrei.
13
Soweit das Landgericht bei der Festsetzung der Einzelstrafen den unter Ziffer C. II. 8. festgestellten Fall als Ziffer C. II. 14. bezeichnet hat (UA S. 58), handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen; tatsächlich hat das Landgericht auch in diesem Fall eine Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten verhängt. Durch die auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht naheliegende Bejahung der Voraussetzungen des § 46a StGB ist der Angeklagte nicht beschwert.
14
2. Die Verurteilung wegen Untreue in 76 Fällen hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand.
15
a) Ein in diesem Umfang zur Aufhebung des Urteils führender Rechtsfehler liegt bereits darin, dass sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, welche der dort dargelegten Fälle dem Schuldspruch zugrunde liegen. In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage wurden dem Angeklagten bei identischer Schilderung des strafrechtlich relevanten Lebenssachverhalts 75 Fälle der Untreue vorgeworfen. Die Anzahl der festgestellten Zahlungseingänge bei dem Angeklagten, welche das Landgericht unterschiedslos als eigenständige Taten bewertet hat, beläuft sich auf 77 Fälle. Verurteilt hat das Landgericht den Angeklagten aber in 76 Fällen. Lässt sich - wie hier - nicht eindeutig erkennen, welche der festgestellten Taten zur Verurteilung geführt haben, führt dies zur Aufhebung des Urteils bereits im Schuldspruch, denn bei der Tenorierung der Anzahl der dem Angeklagten zur Last liegenden Fälle handelt es sich um eine sachlich-rechtliche Aussage, die der Berichtigung nur in Ausnahmefällen zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1952 - 5 StR 480/52, BGHSt 3, 245; Beschluss vom 17. März 2000 - 2 StR 430/99, NStZ 2000, 386). Ein solcher Ausnahmefall im Sinne eines offensichtlichen Schreib- oder Zählfehlers liegt hier nicht vor. Auch einer Auslegung, durch welche Klarheit über die abgeurteilten Fälle gewonnen werden könnte, sind die Feststellungen bei der vorliegenden Sachlage nicht zugänglich.
16
b) Ohnehin hat das Landgericht bei der konkurrenzrechtlichen Bewertung des festgestellten Geschehens einen rechtsfehlerhaften Maßstab angelegt.
17
aa) Ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwaltsvertrages zur Weiterleitung bestimmte Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren, macht sich der Untreue in der Variante des Treuebruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) strafbar (vgl. BGH, Urteile vom 16. Dezember 1960 - 4 StR 401/60, BGHSt 15, 342, 344; und vom 27. Januar 1988 - 3 StR 61/87, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 8; Beschlüsse vom 25. Juli 1997 - 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357; vom 30. Oktober 2003 - 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54; und vom 24. Juli 2014 - 2 StR 221/14, wistra 2015, 27, 28). Für den Mandanten oder einen von diesem bestimmten Empfänger eingehende Gelder hat er unverzüglich zu übermitteln oder, falls dies ausnahmsweise nicht sofort durchführbar ist, den Mandanten hiervon sofort in Kenntnis zu setzen und dafür besorgt zu sein, dass ein dem Geldeingang entsprechender Betrag bei ihm jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung steht (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1960 - 4 StR 544/59, NJW 1960, 1629 mwN). Hierauf hat das Landgericht auch zutreffend abgestellt. Das verwendete Geschäftskonto des Angeklagten war häufig überzogen, so dass eingehende Fremdgelder unmittelbar mit Eingang auf dem Konto dem Ausgleich des Solls dienten; teilweise verwendete der Angeklagte die Gelder zum Ausgleich anderer Verbindlichkeiten. Beides reicht für die Annahme einer Untreue in der Form des Treuebruchs aus. Die Feststellungen belegen damit allerdings nicht nur, wie das Landgericht meint, den Eintritt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung. Mit der Kontokorrentbuchung der Bank oder dem Abfluss des Zahlungseingangs vom Konto ist bei dem Berechtigten bereits ein endgültiger Vermögensschaden eingetreten (vgl. BGH, Urteil vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 336 ff.).
18
bb) Indes ist auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen die Bestimmung der Anzahl der verwirklichten Taten nicht möglich. Sie belegen nicht, ob die Zahlungen, die in zwei oder drei Teilbeträgen erfolgten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf den Geschäftskonten des Angeklagten eingingen , auf ein oder mehrere Anspruchsschreiben des Angeklagten zurückgehen. Sollte sich die Tathandlung des Angeklagten in einer einmaligen Zahlungsaufforderung unter Angabe seines Geschäftskontos für zu leistende Zahlungen erschöpfen, würde dies ungeachtet der Anzahl der daraufhin erhaltenen Zah- lungen nicht die Annahme von Tatmehrheit rechtfertigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 1997 - 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357; und vom 24. Juli2014 - 2 StR 221/14, wistra 2015, 27, 28).
19
cc) Untreue kann durch den Rechtsanwalt durch aktives Tun wie auch durch Unterlassen begangen werden. Verwirklicht er den Tatbestand ausschließlich dadurch, dass er pflichtwidrig dem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern auf seinem Geschäftskonto belässt , so ist hierauf die Strafmilderungsvorschrift des § 13 Abs. 2 StGB anwendbar , denn der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hier in einem Unterlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 1997 - 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357). Die Unterscheidung zwischen den Begehungsformen hat sich daran zu orientieren, ob zu dem bloßen Gelderhalt ein Tätigwerden des Rechtsanwalts (Anfordern des Geldes, Verwenden des Geldes zu eigenen Zwecken, Ableugnen des Zahlungseingangs) hinzutritt oder sich der Vorwurf in dem bloßen Untätigbleiben nach Zahlungserhalt erschöpft.
20
Die Bewertung der Konkurrenzen bleibt von der Begehungsform allerdings unberührt. Der Verwirklichung des Treuebruchtatbestands (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) durch Unterlassen stünde die fortgesetzte Leistungsunfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Entstehung der jeweiligen Zahlungspflicht nicht entgegen, denn er ist verpflichtet, für seine Leistungsfähigkeit zu den verschiedenen Zahlungszeitpunkten Sorge zu tragen (Rechtsgedanke der omissio libera in causa, vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 526/13, NStZ 2014, 158, 159; vgl. im Kontext von § 266a StGB BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 320).
21
c) Die vorstehenden Erwägungen führen zur Aufhebung der Verurteilung wegen Untreue in 76 Fällen und der Gesamtstrafe.
22
Der Aufhebung der zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht, weil sie von dem zur Urteilsaufhebung führenden Rechtsfehler nicht betroffen sind und auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen wurden. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, soweit diese nicht in Widerspruch zu den bisherigen stehen. Er wird aber auch zu bedenken haben, dass die Umstellung von mehreren auf eine geringere Anzahl an Taten für sich genommen - soweit nicht Unterlassungstaten angenommen werden - den Schuldumfang unberührt lässt. Den auf der Grundlage des neu gefassten Schuldspruchs festzusetzenden Einzelstrafen wären gegebenenfalls höhere Schadensbeträge zugrunde zu legen und bei der Bestimmung der Einzelstrafen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, NStZ-RR 2008, 168, 169). An der Erhöhung der Einzelstrafen ist der neue Tatrichter nicht gehindert; das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht dem nicht entgegen. Zu beachten ist lediglich, dass jeweils die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neuen Einzelstrafen nicht überschritten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Ferner darf die neu zu bildende Gesamtstrafe nicht höher sein als die bisherige (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 7. März 1989 - 5 StR 575/88, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 3; Beschlüsse vom 6. Oktober 1995 - 3 StR 346/95, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 7; und vom 19. November 2002 - 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12).
23
Schließlich bleibt im Hinblick auf die unter C. I. 26. festgestellte Tat im Falle unveränderter konkurrenzrechtlicher Bewertung - und damit dem Fortbe- stehen der Schadenshöhe von 25 Euro - anzumerken, dass bei der Prüfung der Regelwirkung der § 266 Abs. 2, § 243 Abs. 2, § 248a StGB nicht auf dieHöhe des tatsächlichen Schadens, sondern auf die Vorstellung des Angeklagten abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1995 - 2 StR 657/94).
Raum Rothfuß Jäger
Radtke Fischer

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.