Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Sept. 2015 - 2 StR 136/15

bei uns veröffentlicht am08.09.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 3 6 / 1 5
vom
8. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. September 2015
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2014 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2013 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen bei gleichzeitiger Einziehung des sichergestellten Rauschgifts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben war.
2
Mit nunmehr angefochtenem Urteil hat das Landgericht auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten erkannt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
3
2. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist nicht begründet. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
4
Das Landgericht hat zu den persönlichen Feststellungen des Angeklagten hinreichende eigene Feststellungen getroffen und diese dem Straf- und Maßregelausspruch rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt. Zwar hat es in den Urteilsgründen ausgeführt, dass "Folgender Sachverhalt des angefochtenen Urteils aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.5.2014 damit rechtskräftig festgestellt ist" (UA 3) und im Anschluss daran auch die insoweit aufgehobenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten aus dem Urteil vom 11. September 2013 wörtlich und in An- und Abführungszeichen gesetzt übernommen. Diese für sich genommen rechtsfehlerhafte Verfahrensweise nötigt entgegen der Ansicht der Revision jedoch nicht zur (erneuten ) Aufhebung des Urteils.
5
Nach Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen durch das Revisionsgericht ist der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter gehalten, eigene Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen und diese im Urteil mitzuteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2003 - 4 StR 467/03, StraFo 2004, 211; Senat, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; vgl. auch Appl, FS Rissing-van Saan, 2011, S. 35, 42). Hat der Angeklagte in dem neuen Verfahren dieselben Angaben gemacht, wie sie in dem früheren, jedoch insoweit aufgehobenen Urteil enthalten sind, kann zwar auf die aufgehobenen Feststellungen aus dem früheren Urteil nicht Bezug genommen werden; sie können jedoch - auch im Wortlaut - in das neue Urteil übernommen werden, sofern kein Zweifel daran verbleibt, dass es sich um neue, eigenständig getroffene Feststellungen handelt (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 3 StR 24/00, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 3; Beschlüsse vom 14. Oktober2008 - 4 StR 167/08, NStZ-RR 2009, 148, 149 sowie 4 StR 172/08, NStZ-RR 2009, 91, 92; Senat, Urteil vom 28. März 2012 - 2 StR 592/11, NStZ-RR 2012, 272; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 354 Rn. 46). Diesen Anforderungen hat das Landgericht entsprochen, indem es im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt hat, dass sich die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten u.a. aus seinen glaubhaften Angaben, die Feststellungen zu seinen Vorstrafen aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen und mit dem Angeklagten besprochenen (neu eingeholten) Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 18. November 2014 ergeben (UA 12). Die Feststellungen zum Ausmaß seiner Drogensucht beruhen ebenfalls auf seinen eigenen Angaben in der neuen Hauptverhandlung sowie auf dem Gutachten der Sachverständigen nach vorangegangener Exploration (UA 13). Diese Ausführungen belegen, dass sich das Landgericht - anders als in den Ausführungen auf UA 3 zum Ausdruck gebracht - nicht an die vom Senat aufgehobenen Feststellungen aus dem Urteil vom 11. September 2013 gebunden gesehen und vielmehr zutreffend eigenständig inhaltsgleiche Feststellungen getroffen hat. Appl Eschelbach Ott Zeng Bartel

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 467/03
vom
4. Dezember 2003
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. Dezember 2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 7. Juli 2003 im Strafausspruch mit den die strafrechtliche Vorbelastung des Angeklagten betreffenden Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 9. Juli 2002 wegen gemeinschaftlich begangener schwerer räuberischer Erpressung zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat das Urteil durch Beschluß vom 18. März 2003 - 4 StR 83/03 - im Strafausspruch mit den Feststellungen auf und verwies die Sache insoweit an das Landgericht zurück. Nunmehr hat es den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Strafausspruch kann wiederum nicht bestehen bleiben. Allerdings hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Revision - wie der General- bundesanwalt in seiner Antragschrift vom 28. Oktober 2003 näher dargelegt hat - die innerprozessuale Bindung an die Feststellungen des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils, die den rechtskräftigen Schuldspruch betreffen (vgl. BGHSt 30, 340, 342; Senatsbeschluß NStZ 1999, 259 f.), beachtet. Dagegen hat das Landgericht bei den zur Person des Angeklagten getroffenen Feststellungen hinsichtlich seiner strafrechtlichen Vorbelastung rechtsfehlerhaft "auf die Gründe des angefochtenen Urteils vom 09.07.2002, und zwar Seite 9 unten bis 20 unten ... Bezug genommen" (UA 5). In dieser Bezugnahme liegt - wie die Revision zu Recht rügt - ein Sachmangel, der zur Aufhebung des Urteils zwingt.
Da das Urteil des Landgerichts vom 9. Juli 2002 durch die Entscheidung des Senats vom 18. März 2003 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben worden ist, waren damit alle Feststellungen aufgehoben, die sich ausschließlich auf den Strafausspruch beziehen. Deshalb durften sie für das neue Urteil nicht mehr, auch nicht im Wege der Bezugnahme, herangezogen werden. Vielmehr hätte das Landgericht insoweit umfassend eigene Feststellungen treffen und in den Urteilsgründen mitteilen müssen (vgl. BGHSt 24, 274 f.; BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 15, 16, 18).
Auf dem Rechtsfehler beruht das angefochtene Urteil auch. Denn das Landgericht hat bei der Strafbemessung ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten gewertet, daß er sich auch nach der einschlägigen Verurteilung durch das Landgericht Stuttgart vom 16. Juli 1987 "nicht aus seinem kriminellen Umfeld gelöst", sondern "mit seinem damaligen Mittäter P. ... im Rahmen der 1998
begangenen Brandstiftung erneut zusammengearbeitet" habe (UA 7). Damit hat es im früheren Urteil geschilderte Umstände der der Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Hof vom 18. Juli 2001 zugrundeliegenden Taten herangezogen, deren Kenntnis es allein aufgrund der Verlesung des Bundeszentralregisterauszuges nicht haben konnte. Der Senat kann nicht mit genügender Sicherheit ausschließen, daß das Landgericht ohne den aufgezeigten Rechtsfehler auf eine niedrigere als die an sich nicht unangemessene Strafe erkannt hätte. Über diese ist deshalb neu zu befinden.
Von dem aufgezeigten Rechtsfehler betroffen - und deshalb mitaufzuheben - sind lediglich die Feststellungen zu der strafrechtlichen Vorbelastung des Angeklagten. Die übrigen Feststellungen können dagegen bestehen bleiben. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch, soweit das Landgericht zur Begründung der Höhe der gegen den Angeklagten zu verhängenden Strafe im Vergleich zu den gegen die Mittäter verhängten Strafen darauf abgestellt hat, daß diese "bis zur Tat ... noch nicht wegen vergleichbar schwerer Delikte (Verbrechen) vorbestraft" waren (UA 9). Die Revision kann - wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat - nicht damit gehört werden, daß die beiden als Zeugen vernommenen Mittäter Angaben zu ihren Vorstrafen nicht gemacht haben und deshalb diese Feststellung nicht auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruht. Darauf, ob auch die in dieser Sache als Staatsanwältin tätig gewesene Zeugin K. zu den Vorstrafen der Mittäter vernommen worden ist, kommt es deshalb nicht an; abgesehen davon, ist das Vorbringen der Revision zum Verfahrensgang, soweit es diese Zeugin betrifft,
erst mit der Gegenerklärung nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist angebracht und schon deshalb unbeachtlich.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 592/11
alt: 2 StR 347/09 vom
28. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 24. August 2011 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Trier vom 19. März 2009 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat das Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, weil die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung rechtlicher Überprüfung nicht standgehalten hatte (Urteil vom 4. November 2009 - 2 StR 347/09, NStZ-RR 2010, 77). Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil hat der Senat mit Beschluss vom selben Tag als unbegründet verworfen. Mit nunmehr angefochtenem Urteil hat das Landgericht auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren erkannt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Nach den insoweit bindenden Feststellungen zum Schuldspruch im Urteil des Landgerichts vom 19. März 2009 nahm der Angeklagte zwischen Juni 2007 und Mai 2008 in 20 Fällen sexuelle Handlungen an dem damals 12 bzw.
13 Jahre alten Enkelsohn seiner ehemaligen Lebensgefährtin vor, wobei er in allen Fällen u.a. den Analverkehr vollzog. Diese Taten beging der Angeklagte, der mit Urteil vom 20. Juli 2005 (8007 Js 22851/03.Ls) durch das Amtsgericht Trier bereits wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden war, innerhalb laufender Bewährungszeit.
3
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist nicht begründet.
4
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO).
5
2. Die Überprüfung aufgrund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
6
a) Das Landgericht hat zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hinreichende eigene Feststellungen getroffen und diese dem Straf- und Maßregelausspruch rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt. Zwar hat es in den Urteilsgründen ausgeführt, dass "infolge der auf den Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen beschränkten Teilaufhebung (...) die Feststellungen zur Person des Angeklagten und zur Sache in Rechtskraft erwachsen" seien (UA S. 3) und im Anschluss daran die insoweit aufgehobenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten aus dem Urteil vom 19. März 2009 wörtlich und in An- und Abführungszeichen gesetzt übernommen. Diese für sich genommen rechtsfehlerhaften Ausführungen nötigen aber entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht zur (erneuten) Aufhebung des Urteils.
7
Nach Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen durch das Revisionsgericht ist der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter gehalten, eigene Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen und diese im Urteil mitzuteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2003 - 4 StR 467/03, StraFo 2004, 211; Senat, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; vgl. auch Appl, FS Rissing-van Saan, S. 35, 42). Hat der Angeklagte in dem neuen Verfahren dieselben Angaben gemacht, wie sie in dem früheren, jedoch insoweit aufgehobenen Urteil enthalten sind, kann zwar auf die aufgehobenen Feststellungen aus dem früheren Urteil nicht Bezug genommen werden; sie können jedoch - auch im Wortlaut - in das neue Urteil übernommen werden, sofern kein Zweifel daran verbleibt, dass es sich um neue, eigenständig getroffene Feststellungen handelt (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 3 StR 24/00, BGHR StPO § 267 Abs. 1 S. 1 Bezugnahme 3; Beschlüsse vom 14. Oktober 2008 - 4 StR 167/08, NStZ-RR 2009, 148, 149 sowie 4 StR 172/08, NStZ-RR 2009, 91, 92; Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 354 Rn. 46). Diesen Anforderungen hat das Landgericht entsprochen, indem es im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt hat, dass zum Lebensweg des Angeklagten "die Beweisaufnahme keine weitergehenden Feststellungen erbracht", der Angeklagte "die in dem angefochtenen Urteil zu seiner Person getroffenen Feststellungen ausdrücklich als zutreffend bezeichnet und diese vor der Kammer im Einzelnen wiederholt" habe und keine Veranlassung bestanden habe, die Angaben in Zweifel zu ziehen (UA S. 7). Diese Ausführungen belegen, dass sich das Landgericht - anders als in den Ausführungen auf UA S. 3 zum Ausdruck gebracht - nicht an die vom Senat aufgehobenen Feststellungen aus dem Urteil vom 19. März 2009 gebunden gesehen und zutreffend eigenständig inhaltsgleiche Feststellungen getroffen hat.
8
b) Auch im Übrigen ist die Strafzumessung rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im Hinblick auf die konkreten Tatumstände und das Bewährungsversagen des Angeklagten eine Milderung des Strafrahmens nach § 176a Abs. 4 StGB abgelehnt hat.
9
c) Die Maßregelanordnung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern.
10
aa) Die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung sind, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 4. November 2009 festgestellt hat, erfüllt. Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I 2300) enthält keine dem Angeklagten günstige Änderung.
11
bb) Das Landgericht hat - sachverständig beraten - mit tragfähiger Begründung festgestellt, dass der Angeklagte, bei dem eine homophile Alterspädophilie vorliegt, infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Entgegen den Ausführungen der Revision steht dieser Annahme nicht entgegen, dass sich die Anlasstaten wie schon die früher abgeurteilten Taten gegen ein aus dem sozialen Umfeld des Täters stammendes Opfer richteten (vgl. hierzu bereits die Ausführungen im Senatsurteil vom 4. November 2009, NStZ-RR 2010, 77 mwN). Das Landgericht hat zudem ausdrücklich in den Blick genommen, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931 ff.) die hier maßgeblichen Bestimmungen über die Sicherungsverwahrung verfassungswidrig sind und diese bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber - längstens bis 31. Mai 2013 - nur nach Maßgabe der Gründe jener Entscheidung weiter anwendbar bleiben. Danach unterliegt die Anordnung der Maßregel einer "strikten Verhält- nismäßigkeitsprüfung". Gemessen daran ist die Verhältnismäßigkeit in der Regel nur gewahrt, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (vgl. Senat, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11, NStZ 2012, 32; Urteil vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 305/11, StV 2012, 213, 214; Beschluss vom 20. Oktober 2011 - 2 StR 288/11). Rechtlich zutreffend hat das Landgericht Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, deren Begehung durch den Angeklagten auch künftig zu erwarten ist, im konkreten Fall als solchermaßen "schwere Sexualstraftaten" im Sinne der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts eingeordnet (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 328/11, StV 2012, 212, 213, Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11, BGHR StGB § 66 Strikte Verhältnismäßigkeit 1, vom 11. August 2011 - 3 StR 221/11 und vom 26. Oktober 2011 - 5 StR 267/11, NStZ-RR 2012, 9).
12
Das Landgericht hat sich sowohl im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung als auch bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung erschöpfend mit der Frage auseinandergesetzt, ob andere geeignete Maßnahmen gegeben sind, um der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit zu begegnen oder diese zumindest erheblich abzuschwächen. Dies hat es mit tragfähiger Begründung verneint. Entgegen dem Revisionsvorbringen musste sich das Landgericht dabei nicht ausdrücklich mit dem Umstand befassen, dass der Angeklagte erstmals zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und bislang "praktisch nicht" therapiert wurde. Die Wirkungen eines erstmals erlebten längeren Strafvollzugs und von in diesem Rahmen (möglicherweise) wahrgenommenen Therapieangeboten können zwar im Einzelfall wesentliche gegen die Anordnung der Maßregel sprechende Gesichtspunkte darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 5 StR 421/10, StV 2011, 276). Ein Absehen von der Anordnung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit kommt in Ausübung des in § 66 Abs. 2 StGB eingeräumten Ermessens aber nur dann in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteilserlasses die Erwartung begründet ist, der Täter werde hierdurch eine Haltungsänderung erfahren, sodass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige Prognose gestellt werden kann. Zum Zeitpunkt des Urteilserlasses noch ungewisse positive Veränderungen und lediglich mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug können indes nicht genügen. Vielmehr bedarf es - worauf der Senat bereits in seinem Urteil vom 4. November 2009 hingewiesen hat (vgl. NStZ-RR 2010, 77, 78) - zumindest konkreter Anhaltspunkte für einen Behandlungserfolg (vgl. auch BGH, Urteile vom 5. Februar 1985 - 1 StR 833/84, NStZ 1985, 261; vom 19. Juli 2005 - 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337, 338 und vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172 sowie Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl. § 66 Rn. 233). Solche sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Das Verhalten des Angeklagten im Strafvollzug und zukünftig möglicherweise eintretende Haltungsänderungen werden demnach im Rahmen der obligatorischen Prüfung nach § 67c Abs. 1 StGB zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Urteile vom 4. Februar 2004 - 1 StR 474/03, NStZ-RR 2004, 202, 203, und vom 19. Juli 2005 - 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337; Fischer StGB 59. Aufl. § 66 Rn. 36). Ernemann Appl Berger Eschelbach Ott