Bundesgerichtshof Urteil, 28. März 2012 - 2 StR 592/11

bei uns veröffentlicht am28.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 592/11
alt: 2 StR 347/09 vom
28. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 24. August 2011 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Trier vom 19. März 2009 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat das Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, weil die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung rechtlicher Überprüfung nicht standgehalten hatte (Urteil vom 4. November 2009 - 2 StR 347/09, NStZ-RR 2010, 77). Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil hat der Senat mit Beschluss vom selben Tag als unbegründet verworfen. Mit nunmehr angefochtenem Urteil hat das Landgericht auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren erkannt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Nach den insoweit bindenden Feststellungen zum Schuldspruch im Urteil des Landgerichts vom 19. März 2009 nahm der Angeklagte zwischen Juni 2007 und Mai 2008 in 20 Fällen sexuelle Handlungen an dem damals 12 bzw.
13 Jahre alten Enkelsohn seiner ehemaligen Lebensgefährtin vor, wobei er in allen Fällen u.a. den Analverkehr vollzog. Diese Taten beging der Angeklagte, der mit Urteil vom 20. Juli 2005 (8007 Js 22851/03.Ls) durch das Amtsgericht Trier bereits wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden war, innerhalb laufender Bewährungszeit.
3
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist nicht begründet.
4
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO).
5
2. Die Überprüfung aufgrund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
6
a) Das Landgericht hat zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hinreichende eigene Feststellungen getroffen und diese dem Straf- und Maßregelausspruch rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt. Zwar hat es in den Urteilsgründen ausgeführt, dass "infolge der auf den Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen beschränkten Teilaufhebung (...) die Feststellungen zur Person des Angeklagten und zur Sache in Rechtskraft erwachsen" seien (UA S. 3) und im Anschluss daran die insoweit aufgehobenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten aus dem Urteil vom 19. März 2009 wörtlich und in An- und Abführungszeichen gesetzt übernommen. Diese für sich genommen rechtsfehlerhaften Ausführungen nötigen aber entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht zur (erneuten) Aufhebung des Urteils.
7
Nach Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen durch das Revisionsgericht ist der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter gehalten, eigene Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen und diese im Urteil mitzuteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2003 - 4 StR 467/03, StraFo 2004, 211; Senat, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; vgl. auch Appl, FS Rissing-van Saan, S. 35, 42). Hat der Angeklagte in dem neuen Verfahren dieselben Angaben gemacht, wie sie in dem früheren, jedoch insoweit aufgehobenen Urteil enthalten sind, kann zwar auf die aufgehobenen Feststellungen aus dem früheren Urteil nicht Bezug genommen werden; sie können jedoch - auch im Wortlaut - in das neue Urteil übernommen werden, sofern kein Zweifel daran verbleibt, dass es sich um neue, eigenständig getroffene Feststellungen handelt (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 3 StR 24/00, BGHR StPO § 267 Abs. 1 S. 1 Bezugnahme 3; Beschlüsse vom 14. Oktober 2008 - 4 StR 167/08, NStZ-RR 2009, 148, 149 sowie 4 StR 172/08, NStZ-RR 2009, 91, 92; Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 354 Rn. 46). Diesen Anforderungen hat das Landgericht entsprochen, indem es im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt hat, dass zum Lebensweg des Angeklagten "die Beweisaufnahme keine weitergehenden Feststellungen erbracht", der Angeklagte "die in dem angefochtenen Urteil zu seiner Person getroffenen Feststellungen ausdrücklich als zutreffend bezeichnet und diese vor der Kammer im Einzelnen wiederholt" habe und keine Veranlassung bestanden habe, die Angaben in Zweifel zu ziehen (UA S. 7). Diese Ausführungen belegen, dass sich das Landgericht - anders als in den Ausführungen auf UA S. 3 zum Ausdruck gebracht - nicht an die vom Senat aufgehobenen Feststellungen aus dem Urteil vom 19. März 2009 gebunden gesehen und zutreffend eigenständig inhaltsgleiche Feststellungen getroffen hat.
8
b) Auch im Übrigen ist die Strafzumessung rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im Hinblick auf die konkreten Tatumstände und das Bewährungsversagen des Angeklagten eine Milderung des Strafrahmens nach § 176a Abs. 4 StGB abgelehnt hat.
9
c) Die Maßregelanordnung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern.
10
aa) Die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung sind, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 4. November 2009 festgestellt hat, erfüllt. Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I 2300) enthält keine dem Angeklagten günstige Änderung.
11
bb) Das Landgericht hat - sachverständig beraten - mit tragfähiger Begründung festgestellt, dass der Angeklagte, bei dem eine homophile Alterspädophilie vorliegt, infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Entgegen den Ausführungen der Revision steht dieser Annahme nicht entgegen, dass sich die Anlasstaten wie schon die früher abgeurteilten Taten gegen ein aus dem sozialen Umfeld des Täters stammendes Opfer richteten (vgl. hierzu bereits die Ausführungen im Senatsurteil vom 4. November 2009, NStZ-RR 2010, 77 mwN). Das Landgericht hat zudem ausdrücklich in den Blick genommen, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931 ff.) die hier maßgeblichen Bestimmungen über die Sicherungsverwahrung verfassungswidrig sind und diese bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber - längstens bis 31. Mai 2013 - nur nach Maßgabe der Gründe jener Entscheidung weiter anwendbar bleiben. Danach unterliegt die Anordnung der Maßregel einer "strikten Verhält- nismäßigkeitsprüfung". Gemessen daran ist die Verhältnismäßigkeit in der Regel nur gewahrt, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (vgl. Senat, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11, NStZ 2012, 32; Urteil vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 305/11, StV 2012, 213, 214; Beschluss vom 20. Oktober 2011 - 2 StR 288/11). Rechtlich zutreffend hat das Landgericht Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, deren Begehung durch den Angeklagten auch künftig zu erwarten ist, im konkreten Fall als solchermaßen "schwere Sexualstraftaten" im Sinne der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts eingeordnet (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 328/11, StV 2012, 212, 213, Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11, BGHR StGB § 66 Strikte Verhältnismäßigkeit 1, vom 11. August 2011 - 3 StR 221/11 und vom 26. Oktober 2011 - 5 StR 267/11, NStZ-RR 2012, 9).
12
Das Landgericht hat sich sowohl im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung als auch bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung erschöpfend mit der Frage auseinandergesetzt, ob andere geeignete Maßnahmen gegeben sind, um der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit zu begegnen oder diese zumindest erheblich abzuschwächen. Dies hat es mit tragfähiger Begründung verneint. Entgegen dem Revisionsvorbringen musste sich das Landgericht dabei nicht ausdrücklich mit dem Umstand befassen, dass der Angeklagte erstmals zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und bislang "praktisch nicht" therapiert wurde. Die Wirkungen eines erstmals erlebten längeren Strafvollzugs und von in diesem Rahmen (möglicherweise) wahrgenommenen Therapieangeboten können zwar im Einzelfall wesentliche gegen die Anordnung der Maßregel sprechende Gesichtspunkte darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 5 StR 421/10, StV 2011, 276). Ein Absehen von der Anordnung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit kommt in Ausübung des in § 66 Abs. 2 StGB eingeräumten Ermessens aber nur dann in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteilserlasses die Erwartung begründet ist, der Täter werde hierdurch eine Haltungsänderung erfahren, sodass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige Prognose gestellt werden kann. Zum Zeitpunkt des Urteilserlasses noch ungewisse positive Veränderungen und lediglich mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug können indes nicht genügen. Vielmehr bedarf es - worauf der Senat bereits in seinem Urteil vom 4. November 2009 hingewiesen hat (vgl. NStZ-RR 2010, 77, 78) - zumindest konkreter Anhaltspunkte für einen Behandlungserfolg (vgl. auch BGH, Urteile vom 5. Februar 1985 - 1 StR 833/84, NStZ 1985, 261; vom 19. Juli 2005 - 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337, 338 und vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172 sowie Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl. § 66 Rn. 233). Solche sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Das Verhalten des Angeklagten im Strafvollzug und zukünftig möglicherweise eintretende Haltungsänderungen werden demnach im Rahmen der obligatorischen Prüfung nach § 67c Abs. 1 StGB zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Urteile vom 4. Februar 2004 - 1 StR 474/03, NStZ-RR 2004, 202, 203, und vom 19. Juli 2005 - 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337; Fischer StGB 59. Aufl. § 66 Rn. 36). Ernemann Appl Berger Eschelbach Ott

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 467/03
vom
4. Dezember 2003
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. Dezember 2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 7. Juli 2003 im Strafausspruch mit den die strafrechtliche Vorbelastung des Angeklagten betreffenden Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 9. Juli 2002 wegen gemeinschaftlich begangener schwerer räuberischer Erpressung zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat das Urteil durch Beschluß vom 18. März 2003 - 4 StR 83/03 - im Strafausspruch mit den Feststellungen auf und verwies die Sache insoweit an das Landgericht zurück. Nunmehr hat es den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Strafausspruch kann wiederum nicht bestehen bleiben. Allerdings hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Revision - wie der General- bundesanwalt in seiner Antragschrift vom 28. Oktober 2003 näher dargelegt hat - die innerprozessuale Bindung an die Feststellungen des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils, die den rechtskräftigen Schuldspruch betreffen (vgl. BGHSt 30, 340, 342; Senatsbeschluß NStZ 1999, 259 f.), beachtet. Dagegen hat das Landgericht bei den zur Person des Angeklagten getroffenen Feststellungen hinsichtlich seiner strafrechtlichen Vorbelastung rechtsfehlerhaft "auf die Gründe des angefochtenen Urteils vom 09.07.2002, und zwar Seite 9 unten bis 20 unten ... Bezug genommen" (UA 5). In dieser Bezugnahme liegt - wie die Revision zu Recht rügt - ein Sachmangel, der zur Aufhebung des Urteils zwingt.
Da das Urteil des Landgerichts vom 9. Juli 2002 durch die Entscheidung des Senats vom 18. März 2003 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben worden ist, waren damit alle Feststellungen aufgehoben, die sich ausschließlich auf den Strafausspruch beziehen. Deshalb durften sie für das neue Urteil nicht mehr, auch nicht im Wege der Bezugnahme, herangezogen werden. Vielmehr hätte das Landgericht insoweit umfassend eigene Feststellungen treffen und in den Urteilsgründen mitteilen müssen (vgl. BGHSt 24, 274 f.; BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 15, 16, 18).
Auf dem Rechtsfehler beruht das angefochtene Urteil auch. Denn das Landgericht hat bei der Strafbemessung ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten gewertet, daß er sich auch nach der einschlägigen Verurteilung durch das Landgericht Stuttgart vom 16. Juli 1987 "nicht aus seinem kriminellen Umfeld gelöst", sondern "mit seinem damaligen Mittäter P. ... im Rahmen der 1998
begangenen Brandstiftung erneut zusammengearbeitet" habe (UA 7). Damit hat es im früheren Urteil geschilderte Umstände der der Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Hof vom 18. Juli 2001 zugrundeliegenden Taten herangezogen, deren Kenntnis es allein aufgrund der Verlesung des Bundeszentralregisterauszuges nicht haben konnte. Der Senat kann nicht mit genügender Sicherheit ausschließen, daß das Landgericht ohne den aufgezeigten Rechtsfehler auf eine niedrigere als die an sich nicht unangemessene Strafe erkannt hätte. Über diese ist deshalb neu zu befinden.
Von dem aufgezeigten Rechtsfehler betroffen - und deshalb mitaufzuheben - sind lediglich die Feststellungen zu der strafrechtlichen Vorbelastung des Angeklagten. Die übrigen Feststellungen können dagegen bestehen bleiben. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch, soweit das Landgericht zur Begründung der Höhe der gegen den Angeklagten zu verhängenden Strafe im Vergleich zu den gegen die Mittäter verhängten Strafen darauf abgestellt hat, daß diese "bis zur Tat ... noch nicht wegen vergleichbar schwerer Delikte (Verbrechen) vorbestraft" waren (UA 9). Die Revision kann - wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat - nicht damit gehört werden, daß die beiden als Zeugen vernommenen Mittäter Angaben zu ihren Vorstrafen nicht gemacht haben und deshalb diese Feststellung nicht auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruht. Darauf, ob auch die in dieser Sache als Staatsanwältin tätig gewesene Zeugin K. zu den Vorstrafen der Mittäter vernommen worden ist, kommt es deshalb nicht an; abgesehen davon, ist das Vorbringen der Revision zum Verfahrensgang, soweit es diese Zeugin betrifft,
erst mit der Gegenerklärung nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist angebracht und schon deshalb unbeachtlich.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 167/08
vom
14. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. Oktober 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 16. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er wegen Nötigung in 19 Fällen verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14. Dezember 2005 wegen Vergewaltigung in elf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, und wegen sexueller Nötigung unter Einbeziehung einer durch Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 11. September 2002 verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und wegen Vergewaltigung in elf weiteren Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung, unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 15. Juli 2003 zu einer weiteren Gesamtfrei- heitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das vorbezeichnete Urteil bezüglich der Fälle 8 a, 28 b und 29 a (jeweils Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung) sowie 19 b (sexuelle Nötigung) im Strafausspruch, in allen übrigen Fällen insgesamt jeweils mit den Feststellungen aufgehoben. Die Aufhebung der Schuldsprüche erfolgte deshalb, weil in diesen Fällen durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen keine der Tatbestandsvarianten des § 177 Abs. 1 StGB belegt war.
2
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen sexueller Nötigung und wegen Nötigung in zehn Fä llen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten und wegen Vergewaltigung in zwei Fällen , jeweils in Tateinheit mit Körperverletzung, sowie wegen Nötigung in neun Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt, wobei es jeweils dieselben Strafen einbezogen hat wie im ersten Urteil. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
3
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Nötigung (§ 240 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB) in 19 Fällen nicht. Sie belegen nicht, dass der Angeklagte die Zeugin B. in diesen Fällen durch ausdrückliche oder konkludente Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Vornahme der sexuellen Handlungen genötigt hat. Das Landgericht stützt die Feststellungen zur Sache allein auf die geständige Einlassung des Angeklagten [UA 19]. Zu deren Inhalt teilt das Urteil lediglich mit, dass der Angeklagte die "dargelegten Geschehnisse vollumfänglich" einge- räumt habe; dazu, ob der Angeklagte damit auch Drohungen im Sinne des § 240 StGB zugegeben hat, verhält sich das Urteil nicht. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung heißt es lediglich: "Dem Angeklagten war jeweils bewusst, dass die Geschädigte nicht freiwillig die sexuellen Handlungen vornahm bzw. an sich vornehmen ließ. Dem Angeklagten war insbesondere bei Begehung der jeweiligen Taten bewusst, dass er die auslandsspezifische Hilflosigkeit der Nebenklägerin in den jeweiligen Fällen und die Tatsache ausnutzte, dass sich die Zeugin aus Angst vor ausländer- und strafrechtlichen Konsequenzen ihres illegalen Aufenthalts nicht gegen die sexuellen Übergriffe der Angeklagten zu wehren wagte" [UA 19/20].
4
All dem lässt sich, wie die Revision zu Recht beanstandet, nicht entnehmen , dass der Angeklagte der Zeugin mit der Zufügung eines empfindlichen Übels auch nur konkludent gedroht hat.
5
Ein Rückgriff auf die Sachdarstellung im Urteil kann in diesem Zusammenhang nicht erfolgen. Diese besteht in der wörtlichen Wiedergabe der vom Senat aufgehobenen Feststellungen des ersten landgerichtlichen Urteils. Das Landgericht hat verkannt, dass, wenn die Feststellungen des früheren Urteils aufgehoben worden sind, der neu entscheidende Tatrichter umfassende eigene Feststellungen treffen und in den Urteilsgründen mitteilen muss (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 42 m.w.N.). Nur wenn die neue Hauptverhandlung die Richtigkeit der Feststellungen des aufgehobenen Urteils ergeben hat, dürfen sich die neuen Feststellungen an diese anlehnen; es ist dann sogar zulässig, in dem Umfang den Text des aufgehobenen Urteils wörtlich zu übernehmen (vgl. Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 354 Rdn. 71; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 354 Rdn. 46; beide m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Die im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Feststellungen können offensichtlich nicht allein auf Grund des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung abgelegten Geständnisses getroffen sein; eine weitere Beweiserhebung, etwa durch Vernehmung der Geschädigten oder gegebenenfalls durch Verlesung von Niederschriften über ihre früheren Vernehmungen, ist nicht erfolgt.
6
2. Die vom Landgericht für die vier rechtskräftig festgestellten Taten verhängten maßvollen Einzelstrafen werden von der Aufhebung der Schuldsprüche in den übrigen Fällen nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 172/08
vom
14. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. Oktober 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten [K. ] wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 21. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er wegen Nötigung in drei Fällen verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14. Dezember 2005 wegen Vergewaltigung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen in den Fällen 28 e, 28 g und 28 i der Urteilsgründe insgesamt, im Fall 28 c im Strafausspruch sowie im Gesamtstrafausspruch aufgehoben. Die Aufhebung der Schuldsprüche erfolgte, weil bezüglich dieser Taten keine der Tatbestandsvarianten des § 177 Abs. 1 StGB durch die vom Landgericht getroffenen Feststel- lungen belegt war. Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen Nötigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, so dass es auf die Verfahrensrüge, die sich auf die Beweiswürdigung hinsichtlich der als Nötigung ausgeurteilten Taten bezieht, nicht ankommt; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Nötigung (§ 240 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB) in den Fällen 28 e, 28 g und 28 i der Urteilsgründe nicht. Sie belegen nicht, dass der Angeklagte die Zeugin B. jeweils durch eine ausdrückliche oder konkludente Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Vornahme der sexuellen Handlungen genötigt hat. Das Landgericht stützt sich insoweit auf folgende Feststellungen , die auf den "umfassenden Geständnissen" des Angeklagten und seiner Mitangeklagten beruhen: "Den Angeklagten war jeweils bewusst, dass die Geschädigte nicht freiwillig die sexuellen Handlungen vornahm bzw. an sich vornehmen ließ. Den Angeklagten war insbesondere bei Begehung der jeweiligen Taten bewusst, dass sie die auslandsspezifische Hilflosigkeit der Nebenklägerin in den jeweiligen Fällen und die Tatsache ausnutzten, dass sich die Zeugin aus Angst vor ausländer- und strafrechtlichen Konsequenzen ihres illegalen Aufenthalts nicht gegen die sexuellen Übergriffe der Angeklagten zu wehren wagte" [UA 50].
3
Diese pauschal gehaltenen Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte der Zeugin die von ihr nicht gewollten Handlungen durch Drohung mit einem empfindlichen Übel aufgezwungen hat.
4
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass das Einrücken umfangreicher Feststellungen eines aufgehobenen Urteils durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, wenn offensichtlich ist, dass diese nicht allein auf Grund des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung abgelegten Geständnisses getroffen sein können, und weitere Beweise nicht erhoben wurden. Bei einer Aufhebung des Urteils im Ganzen ist für die Übernahme bisheriger Feststellungen kein Raum. Eine Bezugnahme auf Feststellungen, die mit dem früheren Urteil aufgehoben worden sind, wird auch nicht dadurch zulässig, dass sie mit dem Hinweis verbunden wird, die neue Hauptverhandlung habe zu denselben Feststellungen geführt (vgl. BGHSt 24, 274, 275; BGH NStZ 2000, 441; vgl. auch Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 42 m. w. N.). Der Tatrichter muss insoweit vielmehr umfassend eigene Feststellungen treffen und in den Urteilsgründen mitteilen. Nur wenn die neue Hauptverhandlung die Richtigkeit der Feststellungen des aufgehobenen Urteils ergeben hat, dürfen sich die neuen Feststellungen an diese anlehnen; dann ist es sogar zulässig, in dem Umfang den Text des aufgehobenen Urteils wörtlich zu übernehmen (vgl. Hanack in Löwe /Rosenberg StPO 25. Aufl. § 354 Rdn. 71; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 354 Rdn. 46, beide m. w. N.).
5
2. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den drei Fällen bedingt die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe. Der Strafausspruch bezüglich der Vergewaltigung (Fall 28 c) ist dagegen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und kann bestehen bleiben.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 184/11
vom
7. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
6. Juli 2011 in der Sitzung am 7. Juli 2011, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mainz vom 5. November 2010 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Aufgrund einer auf die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat dieses Urteil aufgehoben, soweit von der Anordnung der Maßregel abgesehen wurde. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht erneut ausgesprochen, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung der Maßregel zurückgewiesen wird. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die auf eine Verfahrensrüge sowie die Sachbeschwerde gestützt ist. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
Nach den bindend gewordenen Feststellungen zur Anlasstat hatte der frühere Mitangeklagte T. von dem Geschädigten S. die Zahlung von 5.000 Euro als „Strafe“ dafür gefordert, dass dieser Wohnungen, welche die Lebensgefährtin des T. angemietet hatte, um sie Prostituierten als „Ter- minwohnungen“ anzubieten, Dritten gegenüber als unrentabel bezeichnet hatte. Der Zahlungsforderung hatte T. mit der Bemerkung Nachdruck verliehen , dass er S. „mit dem Schädel an die Wand schlagen“ werde, „dass das Blut spritzt“. Am 17. August 2008 sollte die Geldübergabe erfolgen. Der vielfach vorbestrafte Angeklagte begleitete T. zur Gaststätte von S. , wobei er zwei Taschenmesser und einen Teleskopschlagstock mit sich führte und eine Weste mit dem Emblem des Motorradclubs Hell´s Angels trug. Spätestens auf dem Weg zu der Gaststätte erfuhr der Angeklagte von der unberechtigten Zahlungsforderung und der Drohung durch T. gegenüber S. . Bei der polizeilich überwachten Geldübergabe wurden T. und der Angeklagte verhaftet.
3
Das Landgericht hat festgestellt, dass die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung vorliegen. Es hat jedoch ausgeführt, es könne nicht feststellen, dass der Angeklagte im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB in der zum Urteilszeitpunkt geltenden Fassung infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei ist das Gericht den Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. gefolgt. Danach liege bei dem Angeklagten zwar eine akzentuierte Persönlichkeit mit dissozialen Zügen vor, die aber nicht als dissoziale Persönlichkeitsstörung einzustufen sei und auch keine Psychopathie nach dem Konzept von Hare darstelle. In der Haft wegen früherer Straftaten habe er mit Erfolg ein Antiaggressionstraining absolviert. Es sei auch eine Nachreifung der Persönlichkeit eingetreten. Früher unter Alkohol- oder Drogeneinfluss begangene aggressive Durchbrüche spielten nun keine Rolle mehr. Der Angeklagte habe erkannt, dass seine früheren Körperverletzungstaten im Kneipenmilieu sinnlos gewesen seien und bereue nun die Verletzung der Opfer. Jüngere Betäubungsmitteldelikte des Angeklagten seien von anderer Bedeutung als die vorher begangenen Gewaltdelikte, die nun nicht mehr zu erwarten seien. Anders zu bewerten seien geplante Taten im kriminellen Milieu. Insoweit sei dem Angeklagten zwar eine Problematik bewusst, aber er distanziere sich bisher nicht von dem Motorradclub. Immerhin sei aber eine Veränderung in seinem Verhalten auch während der Haft zu verzeichnen. Er habe einen stabilen Familiensinn und zeige eine darauf bezogene Lebensführung. Insgesamt könne nicht von einer persönlichkeitsgebundenen Bereitschaft zur Begehung von erheblichen Straftaten ausgegangen werden. Die versuchte schwere räuberische Erpressung sei ein Vermögensdelikt, die auch durch die bloße Drohung mit Gewalt begangen werden könne, ohne dass es zu einer Gewaltanwendung und der Verletzung von Opfern kommen müsse. Hintergrund dieser Tat und der vorangegangenen, auf Gewinnerzielung gerichteten Betäubungsmitteldelikte seien Schulden des Angeklagten gewesen. Der früher auch vorhandene übermäßige Alkohol- und Drogenkonsum spiele keine Rolle mehr.

II.

4
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil ist unbegründet.
5
1. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg.
6
Ihr liegt zu Grunde, dass die Staatsanwaltschaft den Hilfsbeweisantrag gestellt hatte, zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte sich nach der letzten Haftentlassung weiterhin in einem kriminellen Umfeld bewege, in dem die Begehung von Gewalttaten zum Selbstverständnis der Gruppe gehöre, die Vernehmung des für Rockerkriminalität zuständigen Kriminaloberkommissars als Zeuge durchzuführen. Das Landgericht hat den Beweisantrag im Urteil mit Hinweis darauf abgelehnt, dass die Strafkammer von derselben Tatsacheneinschätzung ausgehe und der Befund offenkundig sei. Die Beschwerdeführerin hält dies für rechtsfehlerhaft, nachdem die vernommenen Sachverständigen milieubedingte Straftaten des Angeklagten wegen der Zugehörigkeit zu den Hell´s Angels für wahrscheinlich erachtet hatten.
7
Die Rüge ist unbegründet. Die Annahme von Allgemeinkundigkeit der behaupteten Tatsache ist rechtlich unbedenklich. Eine Verkennung der Zielrichtung des Antrags der Staatsanwaltschaft liegt nicht vor. Das Landgericht hat nicht übersehen, dass „die Begehung von Gewalttaten zum Selbstverständnis“ des Motorradclubs Hell´s Angels gehört und die Zugehörigkeit des Angeklagten zu diesem Umfeld ein Risikofaktor für die künftige Begehung von Straftaten durch den Angeklagten ist. Das Landgericht ist demnach von denselben Tatsachen ausgegangen wie die Beschwerdeführerin; es hat sie nur anders bewertet.
8
2. Die Sachrüge ist ebenfalls unbegründet.
9
a) Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 66 StGB nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. April 2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10 - (NJW 2011, 1931 ff.) verfassungswidrig ist. Er gilt vorläufig bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013 weiter. Während der Dauer seiner Weitergeltung muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um einen verfassungs- widrigen Eingriff in das Freiheitsrecht handelt. Der hohe Wert dieses Grundrechts beschränkt das übergangsweise zulässige Eingriffsspektrum. Danach dürfen Eingriffe nur soweit reichen, wie sie unerlässlich sind, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrechtzuerhalten. Die Sicherungsverwahrung darf nur nach Maßgabe einer besonderen Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter. In der Regel wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei einer Anordnung der Sicherungsverwahrung nur gewahrt sein, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist. Insoweit gilt in der Übergangszeit ein strengerer Verhältnismäßigkeitsmaßstab als bisher (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - 5 StR 192/11).
10
b) Jedenfalls nach diesem Maßstab ist es ausgeschlossen, dass das angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler beruht.
11
Gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. muss die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergeben, dass er infolge eines Hangs zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dies wäre bei einer Gefahr der Wiederholung solcher Körperverletzungstaten, wie sie der Angeklagte in der Vergangenheit mit schweren Verletzungsfolgen für die Opfer begangen hatte, der Fall, sofern ein Hang zu derartigen Taten noch als gegenwärtiger Zustand festzustellen wäre (vgl. BGHSt 50, 188, 196). Insoweit hat das Landgericht aber im Einklang mit den Ausführungen der Sachverständigen ausgeführt, solche Körperverletzungen infolge impulsiver Durchbrüche und vor dem Hintergrund eines damaligen Substanzmissbrauchs seien nicht mehr zu erwarten.
12
Rechtlich bedenklich kann die weitere Überlegung des Landgerichts erscheinen , dass die nach dem Jahr 1998 begangenen Taten des Angeklagten nicht mehr auf aggressive Impulsdurchbrüche zurückzuführen seien, sondern dabei handele es sich um „Straftaten, zu denen sich der Angeklagte bewusst entschlossen“ habe. Dies stünde der Annahme eines Hangs nicht entgegen; gerade vorausgeplante Taten können auf einen Hang zurückzuführen sein. Das Landgericht hat jedoch bei seiner Überlegung zugleich einen Bezug zu Art und Schwere der Delikte, die vom Angeklagten wahrscheinlich in Zukunft zu erwar- ten sind, dahin hergestellt, die „Integration in die kriminelle Subkultur“ ergebe noch keine „fest verwurzelte Neigung“ des Angeklagten, „sich auf `kriminelle Weise´ Geld oder andere Wertgegenstände zumeist mittels Gewaltanwendung oder Drohung zu verschaffen“. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Die Straftaten, für deren künftige Begehung durch den Angeklagten nach Ansicht des Landgerichts ein Hang und eine Wahrscheinlichkeit besteht, besitzen nicht die erforderliche Erheblichkeit zur Anordnung der Sicherungsverwahrung nach dem Übergangsrecht; für schwerere Delikte besteht hingegen keine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
13
Der Hang im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB muss sich auf „erhebli- che“ Straftaten beziehen (Fischer, StGB 58. Aufl. § 66 Rn. 30; LK/Rissing-van Saan StGB 12. Aufl. § 66 Rn. 143 ff.; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 66 Rn. 29). Was darunter zu verstehen sein soll, ist im Gesetzestext nicht nach Deliktsgruppen bestimmt. Insbesondere ist dies auch dadurch geschehen , dass unter den erheblichen Straftaten „namentlich“ solche zu verste- hen seien, „durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird“ (vgl. BGHSt 24, 153, 154). Während nach der anfänglichen Fassung des Gesetzes die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch bei Tätern in Betracht gekommen war, von denen vorwiegend kleinere Diebstähle oder Betrügereien zu erwarten waren, sollte nach der Neufassung die Maßregelanordnung bei Tätern, die zu derartigen und zu ähnlichen Taten neigen, welche die öffentliche Sicherheit nicht schwerwiegend stören, vermieden werden. Im Rahmen der jüngeren Reformen (vgl. dazu Boetticher in: Festschrift für Widmaier, 2008, S. 871, 881 ff.; Schöch in: Festschrift für Roxin, 2011, Bd. 2, S. 1193, 1196 ff.) wurde der Cha- rakter der Sicherungsverwahrung als „letzte Notmaßnahme der Kriminalpolitik“ (BT-Drucks. V/4094 S. 19) zur Verhinderung besonders schwerer Kriminalität weiter betont. Dies gilt für die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. April 2011 bestehende Rechtslage in der Übergangszeit erst recht. Demgemäß darf ein Täter, dessen Hang sich nur auf die Begehung von Straftaten der leichten oder allenfalls mittleren Kriminalität richtet, nicht in Sicherungsverwahrung genommen werden. Die Annahme, ein Angeklagter sei ein Hangtäter , setzt allerdings nicht voraus, dass die Straftaten, aus denen diese Eigenschaft abgeleitet wird, gleichartig sind oder sich gegen dasselbe Rechtsgut richten. Es ist andererseits selbstverständlich, dass bei Straftaten verschiedener Art der Nachweis ihrer für einen kriminellen Hang und für die Gefährlichkeit des Täters kennzeichnenden Bedeutung einer besonders sorgfältigen Begründung bedarf (vgl. BGHSt 16, 296, 297; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 10). Diese hat das Landgericht abgegeben. Hierbei hat es die für einen Hang des Angeklagten sprechenden Umstände durchaus gesehen, aber im Einzelnen dargelegt, weshalb es ein dauerhaft stabiles Verhaltensmuster nicht annehmen kann.
14
Betäubungsmitteldelikte, deren künftige Begehung durch den Angeklagten im Umfeld der Hell´s Angels möglich erscheinen, sind nach dem im Sinne der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts zu § 66 StGB geltenden Maßstab kein ausreichender Grund zu der Annahme, der Angeklagte habe einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten. Durch Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, auch in nicht geringer Menge, wird zwar das Rechtsgut der Volksgesundheit verletzt oder gefährdet (vgl. BGHSt 38, 339, 342 f.). Das reicht aber, soweit jedenfalls keine besonderen Umstände hinzutreten, die den Betäubungsmittelhandel für Leib oder Leben Anderer im Einzelfall konkret gefährlich erscheinen lassen, nach dem derzeit geltenden Verhältnismäßigkeitsmaßstab nicht zur Anordnung der Sicherungsverwahrung aus. Gleiches gilt erst recht für ein Fahren ohne Fahrerlaubnis durch den Angeklagten mit seinem Motorrad. Zwar hat der Angeklagte einen Hang hierzu, jedoch wiegt ein solches Vergehen schon nach bisherigem Recht nicht schwer genug (vgl. BGHSt 19, 98, 99).
15
Das Landgericht hat schließlich nicht übersehen, dass es sich bei der versuchten schweren räuberischen Erpressung um ein Vermögensdelikt mit einer Droh- und Gewaltkomponente handelte. Weil diese Tat jedoch von dem Angeklagten nur im Sinne einer sukzessiven Mittäterschaft aufgrund eines spontanen Entschlusses zur Mitwirkung an der von dem Mittäter T. bereits begonnenen Tat gefördert wurde und es nicht zu einer Gewaltanwendung gekommen ist, begegnet es keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, diese Tat nicht als ausreichendes Symptom für einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten anzusehen. Dafür war es nach Ansicht des Landgerichts von Bedeutung, dass eine räuberische Erpressung auch mit einer bloßen Drohung begangen werden kann. Einen Symptomcharakter der Tat für ein hangbedingtes Raubdelikt, das mit einer Anwendung von Gewalt mit schweren Verletzungsfolgen für die Opfer verbunden ist, musste es aus der Anlasstat für die Maßregelprüfung nicht entnehmen.
16
Auch im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Mitgliedschaft zu dem Motorradclub Hell´s Angels den äußeren Umständen zugeordnet hat, bei denen es sich nicht um ein die Persönlichkeit des Ange- klagten bestimmendes Element handele. Seiner „Integration in die kriminelle Subkultur“ ist nicht schon als solcher zu entnehmen, dass deshalb ein „Hang“ des Angeklagten zur Begehung schwerer Straftaten bestehe. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht zugleich eine Neigung zur Tatbegehung dauerhaft oder sogar irreversibel (vgl. NK/Böllinger/Pollähne StGB 3. Aufl. § 66 Rn. 90) im Persönlichkeitsgefüge des Täters verankert ist. Eine solche Verankerung hat das Landgericht aber mit seinem Hinweis auf die festgestellten Veränderungen in der Persönlichkeit und im Verhalten des Angeklagten ausgeschlossen. Fischer Appl Berger Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 305/11
vom
19. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Oktober
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 15. März 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit darin die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Die Maßregel entfällt.
Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die in der Revisionshauptverhandlung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Maßregelausspruch beschränkt wurde. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der Angeklagte am 26. August 1982 in A. , am 15. September 1982 in L. , am 25. Februar 1985 in M. , am 3. Juli 1989 in B. und am 28. Au- gust 1989 in H. jeweils einen Banküberfall unter Drohung mit einer Scheinwaffe und versuchte am 10. Oktober 1989 in E. eine weitere derartige Tat. Er wurde wegen der ersten beiden Verbrechen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, wegen der dritten Tat zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und wegen der letzten dieser Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten sowie zur anschließenden Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Es kam ferner zu zwei Verurteilungen wegen Betäubungsmitteldelikten. Ab Juni 2003 wurde die Sicherungsverwahrung des Angeklagten vollzogen; seine Entlassung aus dem Maßregelvollzug erfolgte am 5. Mai 2010. Der Angeklagte konnte danach nicht im Berufsleben Fuß fassen. Nachdem auch seine alkoholkranke Lebensgefährtin in finanzielle Schwierigkeiten geriet, entschloss sich der Angeklagte erneut dazu, eine Bank zu überfallen.
3
2. Der Angeklagte ging wieder nach dem gewohnten Muster vor.
4
a) Am 19. Oktober 2010 fuhr er nach G. , trank sich in einer Gaststätte Mut an, erwarb - wie in allen Fällen zuvor - in einem Kaufhaus eine Spielzeugpistole und beging gegen 13.00 Uhr einen Überfall auf die Filiale der S. - Bank. Dort bedrohte er die Bankmitarbeiter Ma. , O. und Bu. sowie eine Kundin, die Zeugin R. . Er erklärte dabei: „Dies ist ein Überfall“, hielt die Scheinwaffe in Richtung der Bankangestellten Ma. sowie der Zeugin R. und forderte die Herausgabe von Bargeld. Da seine Aufforderung zu- nächst nicht ernst genommen wurde, sagte er: „Wenn Sie mir kein Geld geben, muss ich die Frau erschießen“. Damit war die Zeugin O. gemeint,doch be- zog die Zeugin R. die Drohung auf sich, verspürte Todesangst und geriet in Panik. Der Angeklagte erzwang schließlich die Herausgabe von 3.000 Euro Bargeld. Die Zeugin R. hat das Geschehen bis heute nicht verarbeitet und wagt es kaum noch, alleine in die Stadt zu gehen.
5
b) Nachdem die Beute aus dem Überfall in G. rasch verbraucht war, fuhr der Angeklagte nach Ha. und traf dort den Sohn seiner Lebensgefährtin ebenfalls in desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen an. Daraufhin entschloss er sich abermals zu einem Banküberfall, zumal er glaubte, dass es darauf „nicht mehr ankomme“. Am 26. Oktober 2010 fuhr er nach E. , trank in einer Gaststätte zur Beruhigung Bier, erwarb in einem Kaufhaus wieder eine Spielzeugpistole und suchte gegen 14.15 Uhr die Filiale der C. bank in der Innenstadt auf. Er begab sich zum Kassenschalter, richtete den Lauf der halb in seiner Jackentasche verdeckten Spielzeugpistole auf die BankangestellteRa. und erklärte: „Das ist ein Überfall“. Die Zeugin Ra. nahm dies zunächst nicht ernst und lachte ihrer Kollegin Ge. zu, die aber schon einen Alarmknopf drückte. Der Aufforderung des Angeklagten, das Bargeld herauszugeben, widerstand die Zeugin Ra. zunächst mit der Bemerkung, dass dies wegen einer Ausgabesperre nicht rasch möglich sei. Sie versuchte den Angeklagten in ein Gespräch zu verwickeln. Der hinzu kommende Bankangestellte K. wurde vom Angeklagten ebenfalls in Schach gehalten. Da die Herausgabe von Geld auf sich warten ließ und Kunden die Bank betraten, betonte der Angeklagte: „Wenn nicht gleich Geld kommt, muss ich von der Waffe Gebrauch machen“. Die Zeugin Ra. holte daraufhin 600 Euro in Papiergeld und Münzrollen hervor, steckte dieses Geld in eine Plastiktasche und übergab es dem Angeklagten , der mit der Beute floh.
6
3. Das Landgericht hat die Taten als schwere räuberische Erpressung in zwei Fällen bewertet und den Angeklagten zu Einzelstrafen von je fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, die es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten zusammengezogen hat. Ferner hat es nach § 66 Abs. 1 StGB in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Es hat ausgeführt, der Angeklagte sei wegen eines Hanges zur Begehung gleicharti- ger Taten im Sinne der §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB, für die aufgrund des eingeschliffenen Verhaltensmusters eine hohe Rückfallgefahr bestehe, für die Allgemeinheit gefährlich. Die Maßregelanordnung sei verhältnismäßig, da durch künftige Taten gleicher Art erhebliche psychische Beeinträchtigungen von Bankangestellten und Kunden zu befürchten seien.

II.

7
Die Revision des Angeklagten ist wirksam auf den Maßregelausspruch beschränkt worden (vgl. schon BGH, Urteil vom 27. Januar 1955 - 4 StR 594/54, BGHSt 7, 101, 102 f.). Sie ist begründet, denn der Maßregelausspruch kann keinen Bestand haben.
8
Das Landgericht hat an sich rechtsfehlerfrei die formellen und materiellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 1 StGB a.F. bejaht. Die Änderung der Norm durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300), das am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, ergibt auch unter Beachtung des Meistbegünstigungsprinzips aus Art. 316e Abs. 2 EGStGB keine andere Bewertung zugunsten des Angeklagten. Jedoch sind beide Fassungen des § 66 Abs. 1 StGB nach der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 derzeit wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 1 GG verfassungswidrig; die Vorschrift gilt vorläufig nur unter eingeschränkten Voraussetzungen weiter (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931, 1945).
9
Die Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts bildet in der Übergangszeit die Rechtsgrundlage für Eingriffsmaßnahmen (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 2011, § 31 Rn. 227) in das Freiheitsrecht des Angeklagten. Sie tritt dabei vorläufig an die Stelle eines Ge- setzes im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 3, 104 Abs. 1 GG (krit. Hillgruber JZ 2011, 861, 863) und enthält eine außerordentliche Eingriffsermächtigung, die eng auszulegen ist.
10
Während der Dauer der Weitergeltung von § 66 Abs. 1 StGB muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Freiheitsrecht handelt. Der hohe Wert dieses Grundrechts beschränkt das übergangsweise zulässige Eingriffsspektrum. Danach dürfen Eingriffe nur soweit reichen, wie sie unerlässlich sind, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrechtzuerhalten. Die Sicherungsverwahrung darf derzeit nur nach Maßgabe einer besonders strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird ihre Anordnung in der Regel nur verhält- nismäßig sein, „wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist“ (BVerfG aaO).Danach sind erhöhte Anforderungen sowohl an die Konkretisierung der Rückfallprognose als auch an den Wert der gefährdeten Rechtsgüter zu stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11; Beschluss vom 4. August 2011 - 3 StR 235/11; Beschluss vom 13. September 2011 - 5 StR 189/11; s.a. Senat, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11). Im Hinblick auf die Eigenschaft der Maßregel als Sicherungsmittel kommt es bei der auf den Einzelfall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, anders als bei der gesetzgeberischen Vorbewertung durch den Katalog tauglicher Vor- und Anlasstaten, prinzipiell nicht auf die Bezeichnung des Straftatbestands an, dessen Verletzung für die Zukunft droht, auch nicht auf den durch gesetzliche Strafrahmen im Voraus gewichteten Schuldumfang, sondern auf die Bedeutung des vor Rückfalltaten des Angeklagten zu schützenden Rechtsguts , ferner auf den Grad der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Rechtsgutsverletzung und gegebenenfalls auf die mögliche Verletzungsintensität.
11
Der Grad der Wahrscheinlichkeit gleichartiger Rückfalltaten ist im vorliegenden Fall vom Landgericht rechtsfehlerfrei als hoch eingeschätzt worden. Die von dem Angeklagten ausgehenden Gefahren rechtfertigen es unter den besonderen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten der Weitergeltungsanordnung allerdings nicht, gegen ihn die Sicherungsverwahrung anzuordnen.
12
Der Staat hat die Aufgabe, die Rechtsgüter potentieller Tatopfer vor Verletzungen durch Straftaten zu schützen. Je existentieller die betroffenen Güter für den Einzelnen sind, desto intensiver muss der staatliche Schutz vor Beeinträchtigungen sein (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 186). Für die Anwendung des § 66 StGB sind aufgrund der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts als zu schützende Rechtsgüter das Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und die sexuelle Selbstbestimmung potenzieller Tatopfer (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) von Bedeutung. Die Gewichtung dieser Rechtsgüter durch das Bundesverfassungsgericht ist bei der strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Maßregelanordnung in der Übergangszeit zu beachten. Danach reichen etwa Betäubungsmitteldelikte regelmäßig nicht als Maßregelanlass aus (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11; Beschluss vom 11. August 2011 - 4 StR 279/11); andererseits genügen schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11; Beschluss vom 11. August 2011 - 3 StR 221/11) oder Vergewaltigung (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11).
13
Raubdelikte im Sinne des zwanzigsten Abschnitts des Strafgesetzbuchs (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F.) können schwere Gewalttaten im Sinne der Weitergeltungsanordnung sein. Das gilt aber nicht ausnahmslos. Einfacher Raub oder räuberische Erpressung unter Anwendung von physischer Gewalt gegen Personen, schwerer oder besonders schwerer Raub sowie schwere oder besonders schwere räuberische Erpressung unter Anwendung von physischer Gewalt oder Einsatz objektiv gefährlicher Tatmittel zählen unzweifelhaft zu den „schweren Gewalttaten“. Werden dagegen zur Tatbegehung ausschließlich Drohungen ausgesprochen, die der Täter tatsächlich nicht realisieren will, und ist angesichts objektiv ungefährlicher Tatmittel keinesfalls mit einer Gewalteskalation zu rechnen, die Leib oder Leben von Opfern konkret gefährdet, dann wird durch zukünftige Taten kein Rechtsgut bedroht, dessen Schutz die Anwendung der verfassungswidrigen Norm auch in der Übergangszeit rechtfertigen könnte. Verbrechen nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB stellen, wenn aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit allein der Einsatz objektiv ungefährlicher Scheinwaffen zu erwarten ist, daher für sich genommen in der Regel keine ausreichend schweren Prognosetaten für die Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgrund der Weitergeltungsanordnung dar. Eine allein psychische Beeinträchtigung reicht in der Regel nicht aus.
14
Der Senat schließt im vorliegenden Einzelfall mit Blick auf die stets gleichartigen Vor- und Anlasstaten des Angeklagten eine hohe Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefährdung von Leib oder Leben künftiger Tatopfer durch vergleichbare Rückfalltaten aus. Der Angeklagte hatte bei allen Vor- und Anlasstaten stets die Anwendung von Gewalt angedroht, diese aber nie angewendet oder dies auch nur versucht. Die von ihm verwendeten Mittel waren durchweg objektiv ungefährliche Spielzeugpistolen. Es gibt derzeit keine konkreten Hinweise darauf, dass künftige Rückfalltaten vom Angeklagten mit größerem Gewaltpotential begangen werden könnten als die bisherigen Taten. Deshalb ist die Maßregelanordnung nach dem Maßstab des Übergangsrechts hier unverhältnismäßig und muss entfallen.
15
Rechtsprechung anderer Senate (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2011 - 4 StR 362/11) steht dem nicht entgegen. Soweit im Beschluss des 3. Strafsenats vom 4. August 2011 - 3 StR 235/11 - eine andere Wertung anklingt, war diese für die dortige Entscheidung nicht tragend. Fischer Schmitt Berger Herr RiBGH Prof. Dr. Krehl ist wegen Erholungsurlaub an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 288/11
vom
20. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 7. Januar 2011 aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte und die Staatskasse haben die Kosten des Rechtsmittels je zur Hälfte zu tragen; die Staatskasse hat auch die Hälfte der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Ent- ziehungsanstalt und in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Seine auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit der Maßregelausspruch hinsichtlich der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung betroffen ist; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung kann keinen Bestand haben. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB a.F. bejaht und auch zutreffend dargelegt, dass die Änderung der Norm durch das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 zu keiner abweichenden Beurteilung zugunsten des Angeklagten führt (vgl. Art. 316e Abs. 2 EGStGB). In materieller Hinsicht erweist sich die Anordnung der Sicherungsverwahrung jedoch nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - Rn. 172, NJW 2011, 1931, 1946), welche die Strafkammer bei Erlass der angefochtenen Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte, als nicht mehr verhältnismäßig.
3
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (aaO) ist die Vorschrift des § 66 StGB verfassungswidrig und gilt nur vorläufig bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber weiter. Während der Dauer der Weitergeltung muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Freiheitsrecht handelt. Nach der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts darf die Regelung der Sicherungsverwahrung nur nach Maßgabe einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung" angewandt werden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter. In der Regel wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei einer Anordnung der Sicherungsverwahrung nur gewahrt sein, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist. Insoweit gilt in der Übergangszeit ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Verhältnismäßigkeitsmaßstab (Senat, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11; BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - 5 StR 192/11; Beschluss vom 4. August 2011 - 3 StR 235/11).
4
Nach diesem Maßstab sind Betäubungsmitteldelikte, deren Begehung nach den Feststellungen des Landgerichts von dem Angeklagten künftig allein zu erwarten sind (UA S. 108), nicht als ausreichend schwere Straftaten anzusehen , auf die sich nach der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts der kriminelle Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. StGB beziehen muss. Durch Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, auch in nicht geringer Menge, wird zwar das Rechtsgut der Volksgesundheit verletzt oder gefährdet (vgl. BGHSt 38, 339, 342 f.). Das reicht aber, soweit jedenfalls keine besonderen Umstände hinzutreten, die den Betäubungsmittelhandel im Einzelfall konkret gefährlich erscheinen lassen, nicht aus, diese Delikte schweren Gewalttaten gleichzustellen, bei denen die nach der Verfassung besonders geschützten Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Tatopfer (Art. 2 Abs. 2 GG) gefährdet sind (Senat, Beschluss vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. August 2011 - 4 StR 279/11).
5
2. Im Hinblick auf die unterbliebene Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der gegen den Angeklagten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf es keiner Abänderung des Urteils. Denn eine Anordnung über die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel nach § 67 Abs. 2 S. 2 StGB könnte nicht mehr getroffen werden, weil sich der nach der Rechtsprechung zulässige Vorwegvollzug durch die vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft bereits erledigt hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 5 StR 551/08; Beschluss vom 1. September 2009 - 3 StR 349/09).

Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach
6
Für einen Hang des Angeklagten auch zu erheblichen Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern ließen sich zwar die vom Landgericht gewürdigten Vortaten anführen, zu denen auch Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 StGB zählten, die grundsätzlich „schwere Sexualstraftaten“ im Sinne der Weitergeltungsanordnung des Bun- desverfassungsgerichts darstellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11 und vom 11. August 2011 - 3 StR 221/11). Die letzten dieser Taten lagen jedoch über zwölf Jahre zurück. Das darin vom Landgericht erkannte, aber ohne Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose erachtete „Abschwächen der Deliktsintensität“ (UA S. 55, 59) hätte bereits bei der für das Vorliegen eines Hangs vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller konkreten Umstände berücksichtigt werden müssen, die für die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Taten maßgebend sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 208/11
vom
2. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
2. August 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 10. Februar 2011 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in acht Fällen, sexuellen Missbrauch eines Kindes in zwei Fällen und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, Tatwerkzeuge eingezogen und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge sowie eine Einzelbeanstan- dung gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Während der Schuld- und Strafausspruch rechtsfehlerfrei sind, hält die Maßregelanordnung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, die Anordnung verstoße gegen das Verbot der doppelten Bestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG), weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2009 (NStZ 2010, 263) die Sicherungsverwahrung als Strafe eingeordnet habe; eine solche dürfe neben der erkannten Freiheitsstrafe nicht mehr verhängt werden.
4
Diese Einordnung der Sicherungsverwahrung hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Erörterung getroffen, ob die nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB, § 7 Abs. 2 JGG) sowie die nachträgliche Entfristung der erstmals angeordneten Sicherungsverwahrung (§ 67d Abs. 3 StGB) gegen das Verbot rückwirkender Straferhöhung (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK) verstoßen. Sie hat keine Bedeutung für die gleichzeitige Verhängung von Strafe und Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Oktober 2010 - Nr. 24478/03 G. ./. Deutschland - sowie Urteile vom 9. Juni 2011 - Nr. 30493/04 S. ./. Deutschland - und 31047/04 und 43386/08 M. ./. Deutschland; vgl. schon BVerfG, Beschluss vom 27. September 1995 - 2 BvR 1734/90, NStZ-RR 1996, 122).
5
2. Hingegen bestehen gegen die Annahme eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF durchgreifende Bedenken. Dieses Merkmal verlangt nach der ständigen Rechtsprechung einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 3 StR 399/09). Das Vorliegen eines solchen Hangs hat der Tatrichter unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände darzulegen (BGH, Beschluss vom 27. September 1994 - 4 StR 528/94, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 8). Diese Würdigung bedarf in den Fällen von § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB, bei denen Vortaten und Vorverbüßungen fehlen, besonderer Sorgfalt. In diese Würdigung ist auch einzubeziehen, wenn sich der Täter über längere Zeiträume straflos verhalten hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2011 - 1 StR 645/10, NStZ-RR 2011, 204).
6
An dieser sorgfältigen Gesamtwürdigung fehlt es vorliegend. Es hätte der Würdigung auch all der Umstände bedurft, die das Landgericht (ausschließlich ) zur Begründung seiner Überzeugung angeführt hat, warum die bei dem Angeklagten festgestellte "homosexuelle Hauptströmung" mit einer "Präferenz auf vorpubertierende Jungen" nicht zu einer Einschränkung der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Die Strafkammer hat dabei darauf abgestellt, dass der Angeklagte zwar in den Jahren 1978, 1981, 1983, 1986 und 1994 immer wieder bestraft wurde, indes nach seiner letzten Entlassung aus dem Strafvollzug im Frühjahr 1997 beruflich einen Abschluss erlangte, wieder über längere Phasen hinweg arbeitete sowie mehrere Jahre eine auch sexuell erfüllte Beziehung zu einer erwachsenen Frau hatte. Auch nach deren Beendigung im Jahr 2003 habe er sich weitere sechs Jahre straffrei verhalten. Dies belege, dass der Angeklagte grundsätzlich zu normgerechtem Verhalten fähig sei. Diese Umstände, die das Landgericht - insoweit rechtsfehlerfrei - bei der Entscheidung über die Schuldfähigkeit des Angeklagten erwogen hat, hätten auch bei der über einen Hang nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB der Erörterung bedurft.
7
3. Zudem lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, dass sich das Landgericht bei der auf § 66 Abs. 2 StGB gestützten Anordnung der Sicherungsverwahrung des ihm dabei eingeräumten Ermessens bewusst war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2003 - 3 StR 481/02, NStZ 2004, 438). Dass das Landgericht eine Ermessensentscheidung getroffen hat, wird nicht ausdrücklich angesprochen. Der Senat kann dies - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe nicht sicher entnehmen. Die Erwägungen des Landgerichts zur möglicherweise eintretenden Haltungsänderung des Angeklagten während des Strafvollzugs befinden sich in dem Abschnitt der Urteilsgründe, der sich mit der Gefährlichkeit des Angeklagten befasst. Sie schließen auch sprachlogisch ("Dabei ist …") an die Darlegung der Gefahrenprognose an. Die dabei neben anderen zitierte Entscheidung (BGH, Urteil vom 19. Juli 2005 - 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337) betrifft die Frage, unter welchen (außergewöhnlichen) Umständen bei der Prognose ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Entlassung abgestellt werden kann.
8
Das Revisionsgericht kann die fehlende Ermessensentscheidung nicht ersetzen; sie ist dem neuen Tatrichter vorbehalten (BGH, Beschluss vom 21. August 2003 - 3 StR 251/03, NStZ-RR 2004, 12).
9
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
10
Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) sind u.a. die hier anzuwendenden Be- stimmungen über die Sicherungsverwahrung als mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat aber angeordnet, dass die Vorschriften bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber - längstens bis 31. Mai 2013 - nach Maßgabe der Gründe seiner Entscheidung weiter anwendbar bleiben. Danach bedarf es wegen der derzeit verfassungswidrigen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung", wenn sie gleichwohl angeordnet werden soll. In der Regel wird die Anordnung nur verhältnismäßig sein, wenn "eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist" (BVerfG aaO Rn. 172).
11
Der Senat versteht die vom Bundesverfassungsgericht geforderte "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" dahin, dass bei beiden Elementen der Gefährlichkeit - mithin der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 - 4 StR 164/11) - ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab anzulegen ist. Hierzu im Einzelnen:
12
a) Hinsichtlich der Erheblichkeit weiterer Straftaten kommen regelmäßig nur "schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten" in Betracht. Hierin liegt, ansonsten wäre die genannte Maßgabe ohne Inhalt, eine Einschränkung gegenüber den Taten, die nach bisher geltendem Recht Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung darstellen. Dies gilt sowohl für die Straftatenkataloge als auch für die Beschreibung der Taten, auf die sich der Hang beziehen muss. Nicht alle "erheblichen Straftaten", durch welche die Opfer "seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden" (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF bzw. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB), sind auch "schwere Gewalt- oder Sexualstrafta- ten" im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung von § 66 StGB.
13
Nach Ansicht des Senats sind Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176a Abs. 2 StGB) wegen der dafür angedrohten Mindeststrafe von zwei Jahren sowie der für die Tatopfer damit regelmäßig verbundenen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als "schwere Sexualstraftaten" im vorstehenden Sinn anzusehen.
14
b) Die Wahrscheinlichkeit der Begehung solcher Taten muss "aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten" sein. Auch dies stellt höhere Anforderungen als die bislang vom Gesetz als Beurteilungsgrundlage für die Gefährlichkeitsprognose geforderte "Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten". Der neue Tatrichter wird, sofern er erneut zur Feststellung eines Hangs gelangt, die Gefährlichkeit aus konkreten Umständen herleiten und sich dabei insbesondere auch damit auseinandersetzen müssen, dass sich der Angeklagte über einen langen Zeitraum straffrei verhalten hat. VRiBGH Becker befindet Pfister Schäfer sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Pfister Mayer Menges

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 221/11
vom
11. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und zu 2. auf dessen Antrag -
am 11. August 2011 gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 1. Dezember 2010 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.
C) Tat 9 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte - des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, in einem Falle in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, - des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen, - des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und - des sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen - schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, in einem Falle in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, - sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen und - sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren im Falle II. C) Tat 9 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO ein, denn die Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen (§ 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB aF). Danach ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung aufgrund zuvor genossenen Alkohols "in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit noch erheblich vermindert war". Ist indes die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen , erheblich vermindert, so kommt es für die Beurteilung seiner Schuldfähigkeit entscheidend darauf an, ob ihm deswegen diese Einsicht fehlt oder ob er gleichwohl über sie verfügt. Hat der Täter nicht die Einsicht in das Unerlaubte seines Handelns und kann ihm dies auch nicht vorgeworfen werden, so handelt er nach § 17 Satz 1 StGB ohne Schuld (BGH, Beschluss vom 1. März 2011 - 3 StR 450/10; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 21 Rn. 3 mwN). Das Landgericht stellt aber weder fest, dass der Angeklagte das Unerlaubte seines Handelns ungeachtet der erheblichen Beeinträchtigung seiner Einsichtsfähigkeit erkannte , noch, dass ihm diese Einsicht aus vorwerfbaren Gründen fehlte.
3
Die Einstellung führt zu der in der Entscheidungsformel enthaltenen Änderung des Schuldspruchs. Die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren hat gleichwohl Bestand. Angesichts der verbleibenden zwölf Einzelfreiheitsstrafen - unter anderem sechs Jahre und sechs Monate, sechs Jahre, dreimal vier Jahre sowie drei Jahre - kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht die Gesamtstrafe bei Wegfall der für diese Tat verhängten Freiheitsstrafe von acht Monaten milder bemessen hätte.
4
2. Auch im Falle II. B) Tat 7 der Urteilsgründe hat der Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen (§ 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB aF) keinen Bestand. Dazu, ob der hier Geschädigte auf Grund altersbedingter Unreife außerstande war, eine verantwortliche Entscheidung über die Duldung der sexuellen Handlungen des Angeklagten zu treffen (vgl. Fischer aaO § 182 Rn. 12), verhält sich das Urteil nicht. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte sein Glied vielmehr unter Ausnutzung des Umstands in den After des Geschädigten ein, dass dieser nach Alkoholgenuss eingeschlafen war.
5
Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen insoweit jedoch eine Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person (§ 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Der Senat ändert deshalb den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte, der diesen Tatvorwurf eingeräumt hat, bei dessen zutreffender rechtlicher Bewertung nicht anders hätte verteidigen können. Mit Blick auf den im Vergleich zu § 182 Abs. 2 StGB aF höheren Strafrahmen des § 179 Abs. 1 StGB ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine geringere Einzel- und Gesamtstrafe erkannt hätte.
6
3. Die weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
7
a) Insbesondere ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) nicht zu beanstanden. Ohne Rechtsfehler geht das Landgericht davon aus, dass der Angeklagte eine ausgeprägte , tief verwurzelte Neigung zum Geschlechtsverkehr mit Kindern und Jugendlichen hat, der er nun über mehrere Jahre hinweg mit sich steigernder Intensität und Gewaltbereitschaft nachgegangen ist. Sachverständig beraten kommt es zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin sexuelle Praktiken wie Oral- und Analverkehr mit männlichen Kindern und Jugendlichen ausüben und diese dadurch seelisch und auch körperlich schädigen wird. Danach begründen konkrete, aus Person und Verhalten des Angeklagten abzuleitende Umstände die Gefahr, dass er weitere, auch schwere Sexualstraftaten im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung von § 66 StGB begehen wird. Nach Ansicht des Senats ist sexueller Missbrauch eines Kindes nach § 176a Abs. 2 StGB wegen der dafür an- gedrohten Mindeststrafe von zwei Jahren sowie der für die Tatopfer damit regelmäßig verbundenen erheblichen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als "schwere Sexualstraftat" im vorbezeichneten Sinne anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11 zu Taten nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB).
8
b) Ebenso wenig ist die vom Landgericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung (§ 66 Abs. 2 und 3 StGB) angestellte Erwägung zu beanstanden, auch der - überhaupt erstmalige - Vollzug einer Freiheitsstrafe von elf Jahren lasse beim Angeklagten keine durchgreifende, die Sicherungsverwahrung entbehrlich machende Haltungsänderung erwarten. Ohne Rechtsfehler schließt das Landgericht aus der Entwicklung der Einlassungen des Angeklagten, dass sein (Teil-)Geständnis und die Bekundung von Therapiebereitschaft bislang eher prozesstaktischer Motivation entsprangen. Sind zum Zeitpunkt der Aburteilung positive Veränderungen durch den nachfolgenden Strafvollzug zwar denkbar, aber nicht sicher zu erwarten, so muss die Prüfung, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung (noch) erfordert, dem späteren Verfahren nach § 67c Abs. 1 StGB vorbehalten bleiben (Fischer aaO § 66 Rn. 36).
Schäfer Pfister von Lienen Mayer Menges
5 StR 267/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Oktober 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. September 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 21 Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 77 Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch Jugendlicher in drei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs Jugendlicher in 33 Fällen und wegen Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die gegen das Urteil gerichtete Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte in der Zeit von Mitte Juni 2002 bis Oktober 2007 an 16 Jungen im Alter zwischen elf und 15 Jahren – oftmals gegen Entgelt – sexuelle Handlungen unterschiedlichen Ausmaßes bis hin zum wechselseitigen Oralverkehr vor.
3
Das Landgericht hat Einzelstrafen zwischen sechs Monaten und vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verhängt. Das Vorliegen minder schwerer Fälle hat es in allen in Betracht kommenden Fällen verneint. Ferner hat es die Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB aF angenommen.
4
2. Die Einwendungen gegen den Schuldspruch sind unbegründet. Auch die Zumessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe hält sachlichrechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere besorgt der Senat trotz wiederholter uneingeschränkter Erwähnung noch nicht, dass das Landgericht im Rahmen der Einzel- und Gesamtstrafbildung im Nachhinein erkennbar gewordene schwere psychische Schäden von Tatopfern sowie den besonderen Aufwand und das systematische Vorgehen, durch das der Angeklagte die Jungen an sich gebunden hatte, zu weitgehend zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, ferner die Strafen nicht ausreichend differenziert und unter teilweise zu weitreichender Anlastung krimineller Energie gebildet hätte (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 661).
5
3. Indes hält die Begründung des Maßregelausspruchs – ungeachtet der Maßgaben der durch das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931) erlassenen Weitergeltungsanordnung zu § 66 Abs. 2 StGB aF, welche die Strafkammer noch nicht berücksichtigen konnte – sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
Die Strafkammer begründet ihre Überzeugung vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2, 3 Satz 2 StGB aF maßgebend auch damit, dass der Angeklagte seine Taten „bagatellisiere und aufgrund seiner histrionischen Persönlichkeit sein eigenes Verhalten schönfärbe, so dass eine ech- te Einsicht in sein Fehlverhalten nicht zu erkennen“ sei. Diese und weitere Erwägungen zur Einlassung des Angeklagten (UA S. 240 f.) lassen besorgen , dass die Strafkammer bei der Prüfung des Hangs und im Rahmen der Gefahrenprognose sowie der Ermessensentscheidung zulässiges Verteidigungsverhalten zu dessen Nachteil verwertet hat. Bei der Verwendung der Begriffe der Bagatellisierung oder der mangelnden Einsicht hat es nämlich nicht etwa auf eine Geringschätzung eingestandenen Unrechts abgestellt, sondern im Wesentlichen das Bestreiten von die Strafbarkeit begründenden und das Behaupten von schuldmindernden tatsächlichen Umständen herangezogen. Der Versuch eines Angeklagten, das ihm vorgeworfene Verhalten sachlich anders darzustellen oder wegen tatsächlicher Umstände in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, stellt indessen zulässiges Verteidigungsverhalten dar (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2009 – 1 StR 300/09, NStZ 2010, 270), das ihm im Zuge der Maßregelanordnung nicht angelastet werden darf (BGH, Beschlüsse vom 13. September 2011 – 5 StR 189/11; vom 5. April 2011 – 3 StR 12/11, StV 2011, 482; vom 13. November 2007 – 3 StR 341/07, StV 2008, 301; vom 25. Februar2000 – 2 StR 555/99, StV 2002, 19; Urteil vom 16. September 1992 – 2 StR 277/92, NJW 1992, 3247). Andernfalls wäre der Angeklagte ge- zwungen, seine Verteidigungsstrategie aufzugeben, will er hinsichtlich der Sicherungsverwahrung einer ihm ungünstigen Entscheidung entgegenwirken (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2000 aaO).
7
4. Das neue Tatgericht wird bei seiner Entscheidung über den Maßregelausspruch die Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 zu beachten haben. Danach gelten die hier anzuwendenden und für verfassungswidrig erklärten Vorschriften über die Sicherungsverwahrung bis zum 31. Mai 2013 fort; die Regelungen dürfen aber nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden (BVerfG aaO). In der Regel wird die Verhältnismäßigkeit nur dann gewahrt sein, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (BVerfG aaO Rn. 172; BGH, Urteile vom 7. Juli 2011 – 5 StR 192/11, und vom 4. August 2011 – 3 StR 175/11). Ein entsprechend strenger Maßstab ist demnach sowohl hinsichtlich der Erheblichkeit der Taten als auch bei der Prüfung der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung anzulegen (BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 5 StR 189/11; Urteil vom 4. August 2011 – 3 StR 175/11).
8
Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB können im Hinblick auf die hohe Strafdrohung und die für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen grundsätzlich – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – als schwere Sexualstraftaten im vorgenannten Sinn bewertet werden (vgl. zur Vergewaltigung BGH, Urteil vom 4. August 2011 – 3 StR 175/11). Ob die Gefahr künftiger Begehung gerade solcher Taten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Angeklagten abzuleiten ist, wird das neue Tatgericht namentlich unter Berücksichtigung der langen Dauer der Untersuchungshaft sowie der erstmaligen Verhängung einer erheblichen Freiheitsstrafe sorgsam zu prüfen haben.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay
5 StR 421/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Dezember 2010

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. März 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
1. Nach den Feststellungen der Strafkammer nahm der mehrfach einschlägig vorbestrafte, homosexuell-pädophile und mit dem HI-Virus infizierte Angeklagte im Juni 2009 über einen Zeitraum von mehr als zwei Tagen sexuelle Handlungen mit dem 13-jährigen D. vor (Oralverkehr an dem Jungen; Reiben des Glieds am Anus des Jungen; Penetration und orale Stimulation des Angeklagten durch den Jungen, letztere unter Verwendung eines Kondoms). Für dieses Tatgeschehen verhängte die Strafkammer eine Einzelstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Des Weiteren wurde der Angeklagte zu zwei Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und neun Monaten verurteilt, weil er einen zehn- und einen elfjährigen Jungen mehrfach an deren unbedeckte Geschlechtsteile gefasst hatte.
3
Der Angeklagte wendet sich gegen diese Verurteilung und macht die Verletzung formellen und sachlichen Rechts geltend. Die Revision hat hinsichtlich der Anordnung der Sicherungsverwahrung Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
4
2. Die Unterbringung nach § 66 Abs. 2 StGB, dessen formelle Voraussetzungen gegeben sind, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts. Daher müssen die Urteilsgründe nachvollziehbar erkennen lassen, dass und aus welchen Gründen das Tatgericht von seiner Ermessensbefugnis Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschluss vom 28. September 1990 – 5 StR 414/90, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 4; Beschluss vom 4. Januar 1994 – 4 StR 718/93, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 5 m.w.N.). Dabei müssen sie die nach den Zweckvorstellungen der Vorschrift erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigen.
5
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Strafkammer hat wesentliche Umstände nicht erwogen, die gegen die Anordnung der Sicherungsverwahrung sprechen können. Sie lässt vor allem unberücksichtigt, dass der Angeklagte bislang praktisch nicht therapiert wurde , was nunmehr bei für ihn erstmaligem Vollzug einer längeren Freiheitsstrafe zu erwarten ist.
6
Darüber hinaus hat sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt , dass die an D. – einverständlich – vorgenommenen sexuellen Handlungen nach ihrer Intensität und dem Grad ihrer Eignung, schwerwiegende seelische Schäden beim Opfer hervorzurufen, nicht nur von den beiden übrigen abgeurteilten Taten, sondern auch von denjenigen Taten deutlich abweichen, derentwegen der Angeklagte vorbestraft ist. Insoweit kam es allenfalls zu Berührungen der geschädigten Jungen an deren unbedeckten Geschlechtsteilen und gelegentlich zum Onanieren vor den Kindern. Schwere Tatfolgen bei den Geschädigten wurden nicht festgestellt. Der Angeklagte wendete nie Gewalt an, sondern nutzte von ihm geschaffene „spielerische“ Situationen aus, um die sexuellen Handlungen an den Jungen vorzunehmen. Reagierten die Kinder ablehnend, ließ er von ihnen ab. Diese Gesichtspunkte sind von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung des Ausmaßes der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr. Sie hätten deshalb bei der Ausübung des Ermessens bedacht werden müssen. Die Einschätzung der Strafkammer, dass „unter Berücksichtigung der hohen Zahl der Opfer in der Vergangenheit und den drei Opfern der hier zu beurteilenden Taten“ die Anordnung der Sicherungsverwahrung unerlässlich und verhältnismäßig sei, betont einseitig zulasten des Angeklagten diesen Teilaspekt seiner bislang begangenen Taten.
7
Bei dem hier vorliegenden Ermessensfehler bedurfte es keiner Aufhebung von Feststellungen.
Brause Raum Schneider König Bellay

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 466/10
vom
3. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Februar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin E. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist
b) sowie zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in acht Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt und ihn verurteilt, an die Adhäsionsklägerinnen Schmerzensgeld nebst Zinsen zu zahlen. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten, mit der Sachrüge begründeten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft namentlich gegen die vom Landgericht abgelehnte Anordnung der Sicherungsverwahrung.
2
Eine Beschränkung der Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung , die sich daraus ergeben könnte, dass die Revisionsbegründung nur dazu Ausführungen enthält (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 344 Rn. 6), wäre unwirksam. Denn zwischen den ausgesprochenen Einzelstrafen sowie der Gesamtfreiheitsstrafe einerseits und der Maßregel der Sicherungsverwahrung andererseits besteht im vorliegenden Fall ein nicht ausschließbarer untrennbarer Zusammenhang, weil das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung auch mit Blick auf die zu verbüßende lange Freiheitsstrafe abgesehen hat (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 318 Rn. 26).
3
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung und - insoweit nur zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - des gesamten Strafausspruchs.
4
1. Nach den Feststellungen zur Person ist der 68 Jahre alte Angeklagte mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestraft.
5
a) Mit Urteil vom 20. Dezember 1993 verurteilte ihn das Landgericht Hannover wegen fortgesetzten sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er im Zeitraum 1981 bis 1986 in einer Vielzahl von Fällen seine zu den Tatzeitpunkten zwischen acht und 13 Jahre alte Tochter an der Scheide berührt sowie einen Finger in ihre Scheide eingeführt, im Frühjahr 1991 vier zwischen fünf und neun Jahre alte Mädchen an der Scheide und am Rücken gestreichelt und im Zeitraum von Sommer 1992 bis 17. Juni 1993 ein acht Jahre altes Mädchen im Scheidenbereich gestreichelt und geküsst hatte. Am 30. Juni 1995 wurde er unter Aussetzung eines Strafrestes von 360 Tagen zur Bewährung aus der Strafhaft entlassen.
6
b) Am 16. März 1999 sprach das Landgericht Hannover den Angeklagten des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 30 Fällen schuldig und verhängte gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Er hatte im Zeitraum von Juli bis Dezember 1997 ein sechs Jahre altes Mädchen am ganzen Körper gewaschen, sein erigiertes Glied zwischen dessen Schenkel gesteckt und es veranlasst, sein Glied anzufassen. Nach vollständiger Verbüßung der Strafe wurde er am 13. August 2002 aus der Strafhaft entlassen.
7
2. Nach den zur Sache getroffenen Feststellungen berührte der Angeklagte zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum vom 16. September 2002 bis zum 31. Dezember 2006 in seiner Wohnung in H. die am 12. Mai 1995 geborene S. mindestens bei fünf Gelegenheiten an der Scheide und leckte sie in einem weiteren Fall an der Scheide (Fälle 1 bis 6 der Urteilsgründe). Außerdem küsste er die am 7. Mai 2001 geborene E. bei zwei Gelegenheiten in den Sommerferien 2008 in seinem auf einem Campingplatz in C. abgestellten Wohnmobil im Scheidenbereich (Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe).
8
3. Das Landgericht hat jeweils minder schwere Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern wegen der einschlägigen Vorstrafen, der Verbüßung von Freiheitsstrafen in der Gesamthöhe von sechs Jahren und sechs Monaten, dem langen Tatzeitraum, der Anzahl der Fälle, der Tatmodalitäten sowie der psychischen Tatfolgen für die Geschädigten abgelehnt, ist vom Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB ausgegangen und hat aus fünf Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten (Fälle 1 bis 5 der Urteilsgründe) und drei Einzelstrafen von einem Jahr und zehn Monaten (Fälle 6 bis 8 der Urteilsgründe) eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Von der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt:
9
Sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB für die Anordnung von Sicherungsverwahrung lägen vor. In Übereinstimmung mit den Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen Dr. P. sei ein Hang des Angeklagten zur Begehung von Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu bejahen. Diagnostisch sei bei ihm eine Pädophilie mit einer Orientierung auf präpubertäre Mädchen gegeben. Es fehle bei ihm an einer intensiven Auseinandersetzung mit seinen Straftaten. Die Hartnäckigkeit seiner Delinquenz stehe in einem engen Zusammenhang mit seinen narzisstischen , hochgradig egozentrischen sowie zwanghaften Persönlichkeitszügen, seiner fehlenden Selbstkritik, einem ausgeprägten Empathiemangel, seinem erheblichen manipulativen Geschick sowie einer verzerrten Realitätserfahrung. Diese Besonderheiten der Persönlichkeit erschwerten eine nachhaltige Veränderung. Ein sozialer Raum, der ihn nach Entlassung aus der Strafhaft von gleichartigen Straftaten abhalten könnte, sei nicht gegeben. Da der Angeklagte eine hohe persönlichkeitsgebundene Bereitschaft zeige, seine auf präpubertäre Mädchen ausgerichteten erotisch-sexuellen Interessen auszuleben, seien von ihm in der Zukunft gleichartige und erhebliche Straftaten durch gewaltfreies, manipulatives Verhalten innerhalb zuvor aufgebauter Beziehungen zu erwarten, sodass er für die Allgemeinheit gefährlich sei. Eine durchgeführte Prostataoperation und das fortgeschrittene Alter könnten bei ihm nicht als wesentlich die Rückfallgefahr mindernde Umstände gewertet werden.
10
Die nach § 66 Abs. 2 StGB zu treffende Ermessensentscheidung führe jedoch im Ergebnis dazu, dass die Sicherungsverwahrung nicht anzuordnen sei. Es sei zu erwarten, dass sich der Angeklagte, der über eine gut durch- schnittliche Intelligenz verfüge, die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe hinreichend zur Warnung dienen lasse. Er habe seine Bereitschaft zur Durchführung einer längerfristigen Gruppentherapie erklärt und erkannt, dass er bei einer weiteren vergleichbaren Tat eine Freiheitsstrafe zu erwarten habe, die ihn wegen seines fortgeschrittenen Alters für den Rest seines Lebens in Strafhaft bringe, und er zudem mit der Anordnung von Sicherungsverwahrung rechnen müsse, um deren Nichtverhängung er gekämpft und die er nur knapp vermieden habe. Vor diesem Hintergrund werde der Umstand relativiert, dass er bereits zwei Tatkomplexe mit nachfolgender mehrjähriger Strafhaft unbeeindruckt überstanden habe. Hinzu komme, dass ihn die zu verbüßende Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren wegen seines fortgeschrittenen Alters erheblich schwerer und länger treffen werde als die bisher verbüßten Strafen. Deshalb sei vom Beginn einer Änderung seines Bewusstseins und von einer ersten Bewegung in seiner bisher starren Haltung auszugehen, die sein weiteres Verhalten bestimmen werden. Die erklärte Therapiebereitschaft sei nicht als "prozesstaktisches Verhalten" zu werten, sondern als ein Bemühen, sich mit der Neigung zum Kindesmissbrauch kritisch auseinander zu setzen. Auch die Entschuldigung in der Hauptverhandlung und das Anerkenntnis der Schmerzensgeldforderungen belegten die erforderliche substantielle Änderung in der Lebenseinstellung. Bei der Ermessensausübung sei auch zu berücksichtigen, dass die Anlasstaten nicht von hoher Intensität seien und nach Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe Führungsaufsicht eintrete, wodurch eine weitergehende intensive Kontrolle und Betreuung mit dem Ziel der Risikovermeidung erreicht werden könne.
11
4. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat, weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
12
a) Gemäß Artikel 316e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EGStGB sind für die Entscheidung die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung anzuwenden.
13
b) Die Anordnung von Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters und ist deshalb der Kontrolle durch das Revisionsgericht nur eingeschränkt zugänglich (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 1 StR 300/09, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensausübung 1). Dieser soll die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Täter schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass § 66 Abs. 2 StGB - im Gegensatz zu Absatz 1 der Vorschrift - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt (BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 1 StR 300/09, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensausübung 1). Die maßgeblichen Gründe für seine Ermessensentscheidung muss der Tatrichter nachvollziehbar darlegen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 1 StR 300/09, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensausübung 1; BGH, Urteil vom 9. Juni 1999 - 3 StR 89/99, NStZ 1999, 473, 474), um dem Revisionsgericht die Nachprüfung der Ermessensentscheidung zu ermöglichen.
14
Für die Beurteilung, ob ein Angeklagter infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist und deshalb die Anordnung von Sicherungsverwahrung geboten erscheint, kommt es grundsätzlich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Urteilserlasses an. Eine noch ungewisse Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Strafvollzug bleibt bei der Prognose außer Betracht; ihr wird erst am Ende des Vollzugs im Rahmen der Prüfung gemäß § 67c Abs. 1 StGB Rechnung getragen. Das Absehen von der Anordnung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit kommt in Ausübung des in § 66 Abs. 2 und 3 StGB eingeräumten Ermessens nur dann in Betracht, wenn erwartet werden kann, der Täter werde sich die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs hinreichend zur Warnung dienen lassen, sodass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige Prognose gestellt werden kann. Dabei darf der Tatrichter im Rahmen der Ermessensentscheidung auch die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen berücksichtigen (BGH, Urteil vom 20. Juli 1988 - 2 StR 348/88, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3; BGH, Urteil vom 28. Mai 1998 - 4 StR 17/98, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6; BGH, Urteil vom 5. Februar 1985 - 1 StR 833/84, NStZ 1985, 261; BGH, Urteil vom 4. September 2001 - 1 StR 232/01, NStZ 2002, 30, 31). Der Erwartung müssen aber stets konkrete Anhaltspunkte und hinreichende Gründe zugrunde liegen. Nur denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug reichen nicht aus (BGH, Urteil vom 5. Februar 1985 - 1 StR 833/84, NStZ 1985, 261; BGH, Urteil vom 13. März 2007 - 5 StR 499/06, NStZ 2007, 401).
15
c) Gemessen an diesen Maßstäben hält die Ablehnung der Anordnung von Sicherungsverwahrung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
16
Eine Erwartung, der langjährige Freiheitsentzug und das hohe Lebensalter des Angeklagten würden die erforderliche substantielle Änderung in seiner Lebenseinstellung und Lebensführung bewirken, findet in den Feststellungen keine Grundlage. Die Strafkammer hat lediglich die denkbare Möglichkeit einer Haltungsänderung zum Ausdruck gebracht, jedoch nicht belegt, dass eine solche zu erwarten ist, indem sie von deren Beginn und einer ersten Bewegung spricht und in Übereinstimmung mit der Sachverständigen lediglich nicht aus- schließt, dass es zu einer Umorientierung des Angeklagten kommen könne, falls er sich einer sozialtherapeutischen Gruppentherapie unterziehe, diese zu Ende führe und im Anschluss an eine solche Therapie weitere stabilisierende Faktoren hinzukämen. Sie selbst geht - der Sachverständigen folgend - davon aus, dass erst am Ende einer erfolgreichen therapeutischen Behandlung das dann noch bestehende Rückfallrisiko beurteilt werden könne, nachdem der Angeklagte so lange an seinem Lebensstil festgehalten habe und die Besonderheiten seiner Persönlichkeit mit einer narzisstischen und zwanghaften Akzentuierung den sozialtherapeutischen Zugang erschwere und ihm den Weg zu einer nachhaltigen Veränderung verstelle. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht den Beginn einer Verhaltensänderung mit deren erwartbaren Erfolg gleichgesetzt hat.
17
5. Die gebotene Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Sicherungsverwahrung anzuordnen, führt - allerdings nur zu Gunsten des Angeklagten - auch zur Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Im Hinblick auf die Erwägungen im Urteil zu den möglichen Auswirkungen eines langfristigen Strafvollzugs auf das zukünftige Verhalten des Angeklagten vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafen niedriger ausgefallen wären, wenn zugleich die Sicherungsverwahrung angeordnet worden wäre (BGH, Urteil vom 8. September 1987 - 1 StR 393/87, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1; BGH, Urteil vom 31. Mai 1988 - 1 StR 182/88, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 2).
18
6. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
19
Bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 66 Abs. 2 StGB sind vor allem die Persönlichkeit des Angeklagten, seine einschlägigen Vorstrafen und die Rückfallgeschwindigkeit in den Blick zu nehmen. Zwar ist es bei einem Mehrfachtäter nicht von vornherein völlig ausgeschlossen, trotz Vorliegen eines Hanges zum sexuellen Missbrauch von Kindern und einer daraus resultierenden Gefährlichkeit für die Allgemeinheit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abzusehen. Angesichts der Feststellung, der Angeklagte habe die Anlasstaten nach zwei einschlägigen Verurteilungen und der Verbüßung von insgesamt sechs Jahren und sechs Monaten Strafhaft begangen, sowie des Umstandes, dass die sechs Straftaten zum Nachteil der Geschädigten S. auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlich als schwerer sexueller Missbrauch von Kindern gemäß § 176a Abs. 1 (§ 176a Abs. 1 Nr. 4 aF) StGB zu würdigen gewesen wären mit der Folge einer höheren Strafandrohung , müssen Anhaltspunkte von Gewicht für eine Haltungsänderung vorliegen. Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer

(1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer wegen derselben Tat oder Taten angeordneten Unterbringung vollzogen und ergibt die vor dem Ende des Vollzugs der Strafe erforderliche Prüfung, dass

1.
der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erfordert oder
2.
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unverhältnismäßig wäre, weil dem Täter bei einer Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 2 in Verbindung mit § 66c Absatz 1 Nummer 1 nicht angeboten worden ist,
setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Der Prüfung nach Satz 1 Nummer 1 bedarf es nicht, wenn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug weniger als ein Jahr vor dem Ende des Vollzugs der Strafe angeordnet worden ist.

(2) Hat der Vollzug der Unterbringung drei Jahre nach Rechtskraft ihrer Anordnung noch nicht begonnen und liegt ein Fall des Absatzes 1 oder des § 67b nicht vor, so darf die Unterbringung nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Das Gericht ordnet den Vollzug an, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist der Zweck der Maßregel nicht erreicht, rechtfertigen aber besondere Umstände die Erwartung, daß er auch durch die Aussetzung erreicht werden kann, so setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Ist der Zweck der Maßregel erreicht, so erklärt das Gericht sie für erledigt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 474/03
vom
4. Februar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Februar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2003 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision gegen das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung; sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist begründet. I. Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der 1952 geborene Angeklagte vor der hier abgeurteilten Tat bereits vier Banküberfälle. Im Jahr 1982 überfiel er die Volksbank S. , wo er ca. 14.000 DM erbeutete, und auf der Flucht sodann eine Zweigstelle der Volksbank F. ; dort erreichte er die Herausgabe von 16.000 DM. Nachdem er seine Beute durch Glücksspiele verbraucht hatte, überfiel er schließlich eine Bank in D. und erwirkte die Übergabe von 97.000 DM. Deswegen verurteilte ihn das Landgericht Düsseldorf 1984 wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten,
die der Angeklagte verbüßte. Während eines Hafturlaubes überfiel er 1988 eine Bankfiliale in K. . Dort nahm er im Kassenraum 50.000 DM an sich und erreichte schließlich vom Filialleiter die Herausgabe weiterer 112.000 DM. Wegen dieser Tat verurteilte ihn das Landgericht Karlsruhe 1988 wegen schwerer räuberischer Erpressung zur Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten. Nachdem der Angeklagte zwischenzeitlich noch wegen Sachbeschädigung , begangen bei einem Fluchtversuch aus der Justizvollzugsanstalt, zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, wurde er im August 1999 aus der Strafhaft entlassen. Im August des Jahres 2002 sah der Angeklagte dem Verlust seines Arbeitsplatzes entgegen; er war zudem verschuldet. Mit zwei Bekannten erwog er, eine Bank zu überfallen. Nachdem drei verschiedene Objekte ins Auge gefaßt waren, überfiel er schließlich am 26. August 2002 gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten P. die Filiale der Kreissparkasse E. in O. . Der Angeklagte und P. führten je eine Schreckschußpistole bei sich, die für einen unbefangenen Beobachter wie echte Schußwaffen aussahen. Der Angeklagte hatte überdies - wie schon bei einem der früheren Überfälle - eine Bombenattrappe vorbereitet, mit der er die in einer gesicherten Kassenbox stehende Kassiererin zum Öffnen der Zugangstür zwingen wollte. P. war mit einer Gesichtsmaske aus Armeebeständen ausgestattet , der Angeklagte hatte lediglich eine Baseballmütze auf dem Kopf und verzichtete sonst auf Tarnung. Er trat vor die Kassenbox, zog aus dem mitgeführten Rucksack seine Schreckschußwaffe und richtete diese durch das Sicherheitsglas auf die Kassiererin. Gleichzeitig stellte er seine Bombenattrappe direkt an das Sicherheitsglas und sagte: "Dies ist ein Überfall. Jetzt geht gleich eine Bombe hoch. Machen Sie die Tür auf!" Als die Kassiererin erwiderte, der
Angeklagte solle "den Blödsinn" lassen, betrat auch der Mittäter P. die Bank und hielt seine Waffe in der Hand. Er ging zielstrebig zu den hinteren Büroräumen. Die Kassiererin fürchtete nun um ihr Leben und öffnete die Zugangstür zur Kassenbox. Der Angeklagte richtete weiter seine Waffe auf sie und befahl ihr, sich auf den Boden zu legen. Er ging zum Schalter und packte die auf dem Kassentisch liegenden Geldscheine ein. Er befahl der Zeugin, sie solle auf dem Boden liegen bleiben und ging dann zum Ausgang. Der Mittäter P. hatte im rückwärtigen Büroraum seine Waffe auf die junge Filialleiterin gerichtet, die im dritten Monat schwanger war, in Panik geriet und Todesangst verspürte. Auch sie mußte sich auf den Boden legen und die Arme spreitzen. Sie versuchte jedoch, sich etwas auf die Seite zu legen, da sie panische Angst hatte, sich in ihrem Zustand auf den Bauch zu legen. Sie flehte den Mittäter P. an, ihr nichts zu tun. Als dieser hörte, daß der Angeklagte dabei war, die Bank zu verlassen, drehte er sich um und folgte diesem. Beide fuhren davon. Die Beute belief sich auf knapp 50.000 Euro. Die beiden Bankbediensteten befanden sich infolge des Überfalls in einem Schockzustand. Die Filialleiterin war völlig aufgelöst, mußte einen Arzt aufsuchen und war für zwei Wochen krankgeschrieben. Sie mußte danach therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen , ist nach der Geburt ihres Kindes beurlaubt und hat sich nicht vorstellen können, wieder ihre Funktion als Filialleiterin auszuüben oder im Kassenbereich zu arbeiten. Das Landgericht hat von der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten abgesehen. Die formellen Voraussetzungen seien zwar erfüllt (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB). Der für die Anordnung erforderliche Hang des Angeklagten zu erheblichen Straftaten sei indessen nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellbar (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Bei dem Angeklagten bestehe zwar ein "erhöhtes Rückfallrisiko". Er verfüge aber über ein
intaktes Wertesystem. Auf ihn könne durchaus positiv eingewirkt werden, wie seine positive Entwicklung nach einer fast zweijährigen Sozialtherapie im Rahmen des Vollzuges zeige. Das erhöhte Rückfallrisiko mindere sich bereits durch die erkannte vieljährige Freiheitsstrafe. Der Angeklagte werde nach der zu erwartenden vollständigen Verbüßung nahezu 60 Jahre alt sein. Dadurch mindere sich die Rückfallwahrscheinlichkeit, "jedenfalls für die Begehung von Banküberfällen". Aus einer erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit könne zudem nicht unmittelbar auf einen inneren Hang geschlossen werden. Sicherungsverwahrung sei die ultima ratio strafrechtlicher Sanktionen. Deshalb seien besondere Anforderungen an die Feststellung der Voraussetzungen zu stellen. Zudem unterscheide sich die neue Tat des Angeklagten von früheren Taten. Hier sei der Tatentschluß in Vorgesprächen mit dem Mittäter wechselseitig bestärkt worden. Der Angeklagte selbst habe am Tattag noch zweimal Vorwände gefunden , um die Tat bei verschiedenen angefahrenen Objekten nicht auszuführen , dann aber nicht über "genügend Kraft" verfügt, seine Bedenken auszusprechen und das Vorhaben "abzublasen". II. Die Begründung, mit der das Landgericht die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung verneint hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 1. Soweit die Strafkammer ausführt, ein Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten sei nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellbar , läßt dies besorgen, daß sie die Anforderungen an die Annahme eines solchen Hanges überspannt hat (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen läßt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten
entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wie- der straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet; ebenso aber auch derjenige , der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Entscheidend ist das Bestehen eines solchen Hanges, nicht dessen Ursache (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; BGH NStZ 1999, 502; BGH, Beschluß vom 20. Februar 2002 - 2 StR 486/01). Die Strafkammer hat ausgeführt, aus der - von ihr angenommenen - erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit könne nicht unmittelbar auf einen inneren Hang geschlossen werden. Sie hätte sich in diesem Zusammenhang näher mit den Vorverurteilungen und den Umständen, unter denen es zu diesen wie auch zur verfahrensgegenständlichen Tat kam, auseinandersetzen müssen. Der Angeklagte hat nach drei Banküberfällen aus einem Hafturlaub heraus erneut 1988 eine einschlägige Tat begangen und zwei langjährige Freiheitsstrafen verbüßen müssen. Zwar ist er nach seiner Haftentlassung etwa drei Jahre nicht straffällig geworden, hat dann aber, in einer schwieriger werdenden Lebenssituation im Alter von 50 Jahren die neue Tat begangen. Unter diesen Umständen hätte die Strafkammer darauf eingehen müssen, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß der Angeklagte den durch seine Lebenslage bedingten Einflüssen und der von anderen Personen ausgehenden Versuchung letztlich nachgab. Dies deutet auf innere Haltlosigkeit und Willensschwäche hin, in deren Folge der Angeklagte Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Auch darin kann eine fest eingewurzelte Neigung gründen, in entsprechenden Situationen schwerwiegende Straftaten zu begehen. Nach der Begehung des fünften Banküberfalls liegt solches eher nahe. 2. Schließlich geben die Urteilsgründe Anlaß zu der Annahme, daß das Landgericht auch für die Gefährlichkeitsprognose von einem nicht zutreffenden
Maßstab ausgegangen sein könnte. Es hat ausgeführt, das erhöhte Rückfallrisiko mindere sich durch die erkannte vieljährige Freiheitsstrafe; der Angeklagte werde nach der zu erwartenden vollständigen Verbüßung nahezu 60 Jahre alt sein. Bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung ist für die Gefährlichkeitsprognose (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich der Zeitpunkt der Aburteilung maßgeblich (vgl. BGHSt 25, 59, 61; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 3; BGH NStZ 2002, 535; siehe zu § 66 Abs. 2 StGB auch BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 - 1 StR 102/03 - UA S. 21). Die Frage, ob die Gefährlichkeit zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft noch vorhanden sein wird, muß grundsätzlich einer Überprüfung nach § 67 c Abs. 1 StGB vor Ende des Vollzuges der Strafe vorbehalten bleiben. Der Tatrichter darf - zumal bei der Frage einer obligatorischen Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB - dem Alter des Angeklagten und den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzuges allenfalls dann Bedeutung beimessen, wenn schon bei Urteilsfindung mit Sicherheit angenommen werden kann, daß aufgrund dessen eine Gefährlichkeit des Täters bei Ende des Vollzuges der Strafe nicht mehr bestehen wird. Die bloße Möglichkeit künftiger Besserung oder die Hoffnung auf sich ändernde Umstände können die Gefährlichkeit jedoch nicht ausräumen (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 3; BGH, NStZ 2002, 535; NStZ-RR 1998, 206; BGH, Urteil vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00; Urteil vom 20. Februar 2002 - 2 StR 486/01). Die Würdigung der Strafkammer, die genannten Umstände (vieljährige Freiheitsstrafe, Lebensalter nach Verbüßung nahezu 60 Jahre) minderten die Rückfallwahrscheinlichkeit, wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Charakterisierung des Angeklagten und die Prognose legen eher nahe, daß eine nicht mehr bestehende Gefährlichkeit zum
Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft nicht sicher wird angenommen wer- den können. Das deutet die Strafkammer selbst an, indem sie von einer erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit ausgeht. III. Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung muß mithin neu befunden werden. Auch der Ausspruch über die Freiheitsstrafe kann danach keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat hervorgehoben, daß sie auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte, wenn sie die Sicherungsverwahrung hätte anordnen müssen. Vorsorglich weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, daß zwischen der Bemessung der Höhe einer zu verhängenden Freiheitsstrafe und der Anordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung kein unmittelbarer und notwendiger Zusammenhang besteht. Die Zumessung der Strafe folgt grundsätzlich der Schuld des Täters; die Wirkungen, die von ihr für das künftige Leben des Täters zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen (§ 46 Abs. 1 StGB; vgl. auch BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1). Die Sache ist an eine allgemeine Strafkammer zurückzuverweisen, weil lediglich gegen den erwachsenen Angeklagten neu zu verhandeln und zu entscheiden ist.
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