Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2016 - 2 ARs 386/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:071116B2ARS386.15.0
bei uns veröffentlicht am07.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 386/15
vom
7. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
hier: Antwort auf den Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom
15. Oktober 2015 - 3 StR 63/15
ECLI:DE:BGH:2016:071116B2ARS386.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2016 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 3. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 2. Strafsenats, der an dieser festhält.

Gründe:

1
1. Der 3. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden:
2
"Der Tatrichter übt sein Ermessen bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft aus, wenn er im Rahmen einer Gesamtwürdigung der schuldmindernden Umstände die Versagung der Strafrahmenmilderung allein auf den Umstand stützt, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf von diesem verschuldeter Trunkenheit beruht."
3
Er hat daher mit Beschluss vom 15. Oktober 2015 (3 StR 63/15) bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob deren Rechtsprechung dem entgegensteht und ob - sollte dies der Fall sein - daran festgehalten wird.
4
2. Der Senat versteht den Anfragebeschluss so, dass der 3. Strafsenat der Auffassung ist, dass jede verschuldete Trunkenheit eines Angeklagten in einem Maße schulderhöhend wirkt, dass allein deswegen die Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt werden kann und es dabei nicht auf das Vorliegen einschlägiger Vorerfahrungen des Täters oder sonst das Risiko erhöhendes Verhalten ankommt. Denn der 3. Strafsenat sieht im Ergebnis keinen Ermessensfehler darin, dass das Tatgericht dem Angeklagten die fakultative Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB allein deswegen versagt hat, weil dieser sich schuldhaft durch Alkoholgenuss in den Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit versetzt hat, obwohl das Landgericht Feststellungen zu einer vorhersehbar alkoholbedingten Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund persönlicher oder situativer Verhältnisse des Einzelfalls nicht getroffen hat.
5
3. Der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats steht Rechtsprechung des 2. Strafsenats entgegen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05 -, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40; Beschluss vom 7. September 2015 - 2 StR 350/15, NStZ-RR 2016, 74); an dieser hält er fest.
6
Ob bei Vorliegen verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eine Strafrahmenmilderung vorzunehmen oder zu versagen ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Senat, Beschluss vom 7. September 2015 - 2 StR 350/15, aaO); seine Wertung ist vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen , wenn sie erkennbar auf einer vollständigen Tatsachengrundlage beruht (Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40 mwN). Eine schematische Behandlung der Frage einer fakultativen Strafrahmenmilderung allein wegen Vorliegens eines selbst zu verantwortenden Alkoholrausches hält der Senat daher nicht für angebracht; vielmehr ist eine differenzierte, auf eine Verschuldensprüfung im Einzelfall abstellende Lösung vorzuziehen.
7
Danach spricht es bei selbst zu verantwortender Trunkenheit des Täters in der Regel zwar gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls infolge der Alkoholisierung das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant erhöht hat. Umgekehrt rechtfertigt aber der Umstand, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf von diesem verschuldeter Trun- kenheit beruht, für sich allein die Versagung einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB nicht. Diese Erwägungen gelten nach Auffassung des Senats gleichermaßen im Rahmen der Prüfung eines unbenannten minder schweren Falls nach § 213 StGB.
8
Der Tatrichter hat über die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit einer Strafrahmenmilderung auf Grund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte zu entscheiden, wobei ihm bei der Bewertung der für die Feststellung einer vorwerfbaren Vorhersehbarkeit relevanten objektiven und subjektiven Umstände ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt ist. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (Senat, Beschluss vom 7. September 2015 - 2 StR 350/15; Urteil vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15). Zwar kann die Minderung der Tatschuld durch schulderhöhende Umstände kompensiert werden. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Täter die Begehung von Straftaten vorausgesehen hat oder hätte voraussehen können, weil er aus früheren Erfahrungen weiß, dass er unter Alkohol- oder Drogenkonsum zur Begehung von Straftaten neigt (Senat, Beschluss vom 7. September 2015 - 2 StR 350/15, NStZ-RR 2016, 74) oder sich für ihn aus anderen Umständen ergibt, dass es bei Alkoholisierung zu Straftaten kommen könnte (Senat, Urteile vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40 und vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15).
9
Die Ansicht des anfragenden 3. Strafsenats, es liege kein Ermessensfehler darin, dass das Tatgericht dem Angeklagten die fakultative Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB allein deswegen versagt hat, weil dieser sich schuldhaft durch Alkoholgenuss in den Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit versetzt hat, berücksichtigt nicht, dass das Tatgericht auf Grund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte zu entscheiden hat. Nicht nachzuvollziehen vermag der Senat daher, wie eine "Gesamtwürdigung" aller relevanten Gesichtspunkte - wie in der dem Anfragebeschluss zugrunde liegenden Entscheidung - ermessensfehlerfrei vorgenommen worden sein sollte, wenn der Tatrichter die Versagung der Strafrahmenmilderung allein (ausschließlich) auf einen Umstand gestützt hat.
10
Die der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats zugrunde liegende Rechtsauffassung greift mit Blick auf den Schuldgrundsatz zu kurz (vgl. LK/Schöch, 12. Aufl., § 21 Rn. 56; Lackner/Kühl, 28. Aufl., § 21 Rn. 4a mwN), insbesondere lässt sie unberücksichtigt, dass jede Schulderhöhung wenigstens (einfache) Fahrlässigkeit als geringste Schuldform voraussetzt. Aus diesem Grund ist für eine Versagung der Strafrahmenmilderung zumindest Fahrlässigkeit des Täters, also Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit bezüglich eines rechtswidrigen Ereignisses in objektiver und subjektiver Hinsicht erforderlich, etwa Vorerfahrungen mit vergleichbaren Straftaten oder die Alkoholisierung in einer Umgebung, in der sich aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalles das Risiko der Begehung von Straftaten erhöht hat (BGH, Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239, 242). Das allgemeinkundige Wissen, dass eine alkoholische Berauschung generell die Hemmschwelle gegenüber sozial auffälligen und aggressiven Verhalten zu senken pflegt, reicht insoweit nicht (vgl. Senat, Urteil vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15).
11
Damit kann eine Strafrahmenmilderung wegen eigenverantwortlich herbeigeführter Trunkenheit nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB nur dann abgelehnt bzw. ein unbenannter minder schwerer Fall im Sinne von § 213 StGB verneint werden , wenn im Rahmen der Ermessensentscheidung geprüft und berücksichtigt wurde, ob sich aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Ein- zelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung vorhersehbar signifikant erhöht hat. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des 5. Strafsenats in der genannten Entscheidung an. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

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Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 132


(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena

Strafgesetzbuch - StGB | § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags


War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde

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(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 6 3 / 1 5
vom
15. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Oktober 2015 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Der Tatrichter übt sein Ermessen bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft aus, wenn er im Rahmen einer Gesamtwürdigung der schuldmindernden Umstände die Versagung der Strafmilderung allein auf den Umstand stützt, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf von diesem verschuldeter Trunkenheit beruht.
2. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob deren Rechtsprechung dem entgegensteht und ob - sollte dies der Fall sein - daran festgehalten wird.

Gründe:

1
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit sachlichrechtlichen Beanstandungen.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der bislang sowohl in Deutschland als auch in seiner litauischen Heimat strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene Angeklagte seinen Mitbewohner nach gemeinsamem Alkoholkonsum durch massive Gewalteinwirkung gegen den Brust- und Bauchbereich sowie durch einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand gegen den Kopf. Den Anlass für die mit bedingtem Tötungsvorsatz vorgenommenen Verletzungen hat das Schwurgericht ebenso wenig feststellen können wie den genauen Grad der Alkoholisierung des Angeklagten. Es ist sachverständig beraten davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund einer mittelgradigen Berauschung bei erhalten gebliebener Unrechtseinsicht nicht ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war.
3
Das Landgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. Für einen benannten minder schweren Fall des Totschlags (§ 213 Alternative 1 StGB) hat es keinen Anhaltspunkt gefunden. Einen sonstigen minder schweren Fall (§ 213 Alternative 2 StGB) hat es sowohl unter Berücksichtigung allein der allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkte als auch unter Hinzuziehung des wegen der Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht ausschließbaren vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB abgelehnt und auch von einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung, die auf die Erwägungen zur Frage des Vorliegens eines unbenannten minder schweren Falles gemäß § 213 StGB Bezug nimmt, hat das Landgericht sodann zugunsten des Angeklagten dessen durch die Alkoholisierung als konstellativem Faktor beeinflusste affektive Aufladung in der Tatsituation mildernd berücksichtigt.
4
II. Der Senat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten zu verwerfen. Die Überzeugung des Landgerichts von der Täterschaft des Angeklagten sowie vom Ausschluss einer über das Maß eines mittleren Rausches hinausgehenden Alkoholisierung beruht auf einer rechtlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung. Der Senat hält auch die Strafzumessung für rechtsfehlerfrei. Anlass zu dem Anfrageverfahren gibt die Strafrahmenwahl des Tatrichters.
5
1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, bei einer alkoholbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit wohne dem Umstand, dass diese auf einer vom Täter selbst zu verantwortenden, verschuldeten Trunkenheit beruht, ein schulderhöhendes Moment inne, das die Versagung der Strafrahmenmilderung nach § 213 bzw. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB rechtfertige. Eine Alkoholkrankheit oder Alkoholüberempfindlichkeit, die ein Verschulden hinsichtlich der Trunkenheit ausgeschlossen hätte, hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei verneint und deshalb wegen des vorwerfbaren übermäßigen Alkoholkonsums eine Strafrahmenverschiebung abgelehnt (UA S. 48 f.).
6
2. Bei dieser Wertung hat sich das Landgericht erkennbar auf die Entscheidung des Senats im Urteil vom 27. März 2003 (3 StR 435/02, NJW 2003, 2394) gestützt.
7
Dort hat der Senat - in die Entscheidung nicht tragenden Erwägungen - ausgeführt, dass eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in der Regel nicht in Betracht komme, wenn die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf verschuldeter Trunkenheit beruhe. Versetze sich der Täter schuldhaft in einen Rausch, so liege allein darin ein Umstand, der die durch die Herabsetzung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen könne. Eine vorangegangene Straffälligkeit des Täters unter Alkoholeinfluss in einem Ausmaß, dass dieser damit rechnen kann, unter Alkoholeinfluss ein der Anlasstat vergleichbares Delikt zu begehen, sei nicht erforderlich.
8
Er hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Für ein Absehen von der Strafmilderung sprächen zum einen die Überlegungen des historischen Gesetzgebers , der ursprünglich die Strafmilderung bei verschuldeter Trunkenheit ausdrücklich ausschließen und nach Aufgabe dieses Vorhabens die schuld- hafte Herbeiführung der verminderten Schuldfähigkeit jedenfalls als schulderschwerenden Umstand berücksichtigt wissen wollte. Zum anderen bestehe ein Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung des Vollrausches in § 323a StGB, die das schuldhafte Sich-Berauschen zwar unter der Voraussetzung einer rechtswidrigen Rauschtat aber unabhängig davon unter Strafe stelle, ob sich der Täter aus früheren Ereignissen des Risikos der Begehung von Straftaten unter Alkoholeinfluss hätte bewusst sein können. Zuletzt habe der Gesetzgeber in § 7 WStG für militärische Straftaten, Straftaten, die gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen, und solche, die Soldaten in Ausübung des Dienstes begehen , die Strafmilderung wegen selbstverschuldeter Trunkenheit unterschiedslos ausgeschlossen (zu den Einzelheiten vgl. Senat aaO).
9
3. Diese Entscheidung des Senats hat in der Folgezeit Widerspruch erfahren : Die Berufung auf die Intentionen des historischen Gesetzgebers sei nicht zulässig, da diese gerade nicht zum Inhalt der Norm geworden seien (Neumann, StV 2003, 527, 528; Scheffler, Blutalkohol 2003, 449). Das Spannungsverhältnis zu § 323a StGB könne im Bereich der mittleren Kriminalität dadurch aufgelöst werden, dass die Strafe wegen Vollrausches durch den nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen nach oben begrenzt werde (Neumann aaO, 529). Die durch §§ 21, 49 Abs. 1 StGB im Bereich der schweren Kriminalität eröffnete erhebliche Absenkung der Strafdrohung und die darin zum Ausdruck kommende geringere Schuld könne durch das verschuldete Sich-Betrinken nicht ausgeglichen werden (Frister, JZ 2003, 1019). Dies gelte insbesondere für den Bereich der absoluten Strafdrohung. Auch wird vorgeschlagen , zur Angleichung auch bei § 323a StGB vorauszusetzen, dass der Täter seine Rauschtat vorhersehen können müsse (Scheffler aaO, 450). Zuletzt könne die Sondervorschrift des § 7 WStG als Argument für die Versagung einer Strafrahmenmilderung nicht dienen, denn sie sei allein den Besonderheiten des Wehrstrafrechts geschuldet (Rau, JR 2004, 401, 404 unter Verweis auf Neumann, StV 2003, 527, 530; Streng, NJW 2003, 2963, 2964).
10
4. Es kann hier dahinstehen, ob diese Kritik in Einzelpunkten gerechtfertigt ist. Es geht in vorliegendem Revisionsverfahren nicht um die Frage, ob eine Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn die alkoholbedingt erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Täters auf selbstverschuldeter Trunkenheit beruht. Entscheidungserheblich ist vielmehr, ob der Tatrichter das ihm durch § 21 StGB eingeräumte Ermessen im konkreten Fall rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, weil er von der ihm durch die Vorschrift eröffneten Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung keinen Gebrauch gemacht und dies entscheidend auf das Argument gestützt hat, der Angeklagte habe seine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit durch verschuldete Trunkenheit selbstverantwortlich herbeigeführt.
11
Einen derartigen Ermessensfehlgebrauch vermag der Senat nicht zu erkennen. Maßgeblich hierfür sind folgende Erwägungen, auf die bereits seine Überlegungen im Urteil vom 27. März 2003 (aaO) aufbauen:
12
Durch seine von ihm zu verantwortende Berauschung versetzt sich der Täter in einen Zustand der - was allgemein bekannt ist - durch Enthemmung, Verminderung von Einsichts- und Unterscheidungsvermögen und Verschlechterung von Reaktionsfähigkeit und Körperbeherrschung und die damit einhergehende gesteigerte Gefährlichkeit gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 1961 - 1 StR 139/61, BGHSt 16, 124, 125). Auch § 7 WStG beruht auf dieser Erkenntnis (vgl. Schölz/Lingens, WStG, 4. Aufl., § 7 Rn. 1 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien, wonach dadurch wirksam der Gefahr begegnet werden soll, die der militärischen Disziplin "erfahrungsgemäß" durch den Alkoholmissbrauch droht). In der verschuldeten Herbeiführung eines Rausches liegt somit keine wertneutrale, sozialübliche Erscheinung, sondern im Hinblick auf die allgemeine Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit des Berauschten ein selbstständiges, rechtlich fassbares, strafwürdiges Unrecht (KK-Rengier, OWiG, 4. Aufl., § 122 Rn. 8 mwN). Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber das schuldhafte Sich-Berauschen in § 323a StGB und § 122 OWiG tatbestandlich normiert. Er hat lediglich den Bereich der Strafbarkeit des schuldhaften SichBerauschens durch die Einfügung einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit bzw. der Bußgeldbewehrung dahin eingeschränkt, dass ein "folgenloses" SichBetrinken nicht geahndet werden soll, während derjenige, der im Rausch eine rechtswidrige Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht, für die er nicht bestraft oder mit Geldbuße belegt werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war bzw. nicht vorwerfbar gehandelt hat oder dies zumindest nicht auszuschließen ist, wegen der Berauschung mit Strafe oder Geldbuße geahndet wird. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch zwanglos, warum das SichBerauschen in dem einen Fall als Straftat und in dem anderen lediglich als Ordnungswidrigkeit eingestuft wird (aA Fischer, StGB, 62. Aufl., § 323a Rn. 17). Dies beruht darauf, dass der Gesetzgeber das Sich-Berauschen im Grundsatz als strafwürdiges Unrecht bewertet, die Strafbarkeit indes je danach ausgeschlossen oder zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft hat, ob bzw. in welchem Umfang sich die gesteigerte Gefahr für die Rechtsgüter Dritter oder die Allgemeinheit , die von einem Berauschten ausgeht, tatsächlich in einer konkreten rechtswidrigen Straftat oder Ordnungswidrigkeit niedergeschlagen hat.
13
Ebenso wenig lässt sich der Annahme, schon allein der schuldhafte Vollrausch begründe das Tatunrecht (BGH, Urteil vom 2. Mai 1961 - 1 StR 139/61, BGHSt 16, 124, 125 f.; s. auch BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1956 - GSSt 2/56, BGHSt 9, 390, 396), entgegenhalten, damit wäre ein Umstand unrechtsbegründend , der nach dem Gesetzeswortlaut nur nicht ausschließbar sein müsse (so ebenfalls Fischer aaO). Denn dies verkennt, dass der Rausch feststehen muss; nicht ausschließbar darf lediglich sein, dass der Täter infolge des Rausches bei Begehung der Rauschtat schuldunfähig war bzw. nicht vorwerfbar gehandelt hat.
14
Weder für die Straftat nach § 323a StGB noch für die Ordnungswidrigkeit nach § 122 OWiG ist vorausgesetzt, dass sich der Täter im Zeitpunkt des SichBerauschens bewusst war oder hätte bewusst sein können, dass er im Rausch zur Begehung von Straftaten oder ordnungswidrigem Verhalten neige (BGH, Urteil vom 12. April 1951 - 4 StR 78/50, BGHSt 1, 124, 125; Urteil vom 23. November 1951 - 2 StR 491/51, BGHSt 2, 14, 18; Urteil vom 2. Mai1961 - 1 StR 139/61, BGHSt 16, 124 f.; s. aber auch BGH, Beschluss vom 7. Mai 1957 - 5 StR 127/57, BGHSt 10, 247, 249 f.; KK-Rengier aaO, Rn. 25; Göhler/Gürtler, OWiG, 16. Aufl., § 122 Rn. 7a; Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 122 Rn. 2, 14).
15
Nach alledem ist nach Ansicht des Senats nicht zweifelhaft, dass allein das verantwortliche Sich-Berauschen des Täters vor der Tat für sich ein schulderhöhender Umstand ist, der im Rahmen der Ermessensausübung nach § 21 StGB Berücksichtigung zu finden hat. Die sich daran anschließende Frage , ob dieser Umstand geeignet ist, im konkreten Fall die erhebliche alkoholbedingte Minderung der Schuldfähigkeit im Tatzeitpunkt so weit auszugleichen, dass das Absehen von der Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB gerechtfertigt ist, betrifft indes Wertungen, die, wie die Strafzumessung generell , Sache des Tatrichters ist und vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Danach gilt, dass der Tatrichter zwar eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen schuldrelevanten Gesichtspunkte vorzunehmen (BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Straf- rahmenverschiebung 40) und einer wertenden Betrachtung zu unterziehen hat, deren revisionsgerichtliche Überprüfung sich indes darauf beschränkt, ob die dafür wesentlichen tatsächlichen Grundlagen vom Tatrichter hinreichend ermittelt und bei der Wertung ausreichend berücksichtigt worden sind (BGH, Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239, 241). Ist dies indes geschehen , so kann das Revisionsgericht nur beanstanden, dass das Tatgericht gesetzlich vorgegebene Wertungsmaßstäbe missachtet oder eine gerechtem Schuldausgleich nicht mehr entsprechende Strafe verhängt hat.
16
Einen gesetzlichen Wertungsmaßstab dahin, dass eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB dem infolge schuldhaften SichBerauschens in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkten Täter nur dann versagt werden darf, wenn ihm zumindest bewusst sein konnte, dass sich infolge seiner Alkoholisierung das Risiko strafbaren oder ordnungswidrigen Verhaltens signifikant erhöhen werde, vermag der Senat - entsprechend obiger Darlegungen - nicht zu erkennen. Ob dem Gesetz nicht vielmehr - wie der Senat in seinem Urteil vom 27. März 2003 erwogen hat - ein gegenteiliger Bewertungsmaßstab zu entnehmen ist, bedarf - wie dargelegt - hier keiner Entscheidung.
17
Hat der Tatrichter - wie hier - bei der Strafrahmenwahl neben der alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit alle relevanten weiteren schuldmildernden Gesichtspunkte berücksichtigt, so liegt daher grundsätzlich kein Ermessensfehlgebrauch darin, dass er dem Angeklagten die fakultative Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB (oder die Annahme eines minder schweren Falles) allein deswegen versagt, weil dieser sich schuldhaft durch Alkoholgenuss in den Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit versetzt hat.
18
5. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der beabsichtigten Entscheidung Rechtsprechung der anderen Strafsenate entgegensteht.
19
a) Das Urteil des Senats vom 27. März 2003 ist von den anderen Strafsenaten unterschiedlich aufgenommen worden.
20
aa) Der 1. Strafsenat ist der Ansicht des Senats zunächst gefolgt und hat die Versagung der Strafmilderung gebilligt, da die erheblich verminderte Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit beruhte. Dies spreche auch ohne einschlägige Vorverurteilungen in der Regel gegen eine Verschiebung des Strafrahmens (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 - 1 StR 254/04, NStZ 2005, 151, 152; zuvor bereits Beschluss vom 5. August 2003 - 1 StR 302/03, bei Schäfer, JR 2004, 425). Er hat indes in einer jüngeren Entscheidung die Nichterörterung einer aufgrund von angenommener verminderter Schuldfähigkeit in Betracht kommenden Strafrahmenverschiebung beanstandet und dabei im Sinne der bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, die Strafrahmenverschiebung könne "nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Umständen dann abgelehnt werden, wenn der Täter schon früher unter Alkoholeinfluss straffällig geworden ist und deshalb wusste, dass er in einem solchen Zustand zu Straftaten neigt" (BGH, Beschluss vom 25. März

2014

- 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, 239).
21
bb) Der 2. Strafsenat hat alsbald - nach Aufhebung des Strafausspruchs auf Revision der Staatsanwaltschaft - in einem Hinweis an den neuen Tatrichter ausgeführt, "dass er zu der in der Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 27. März 2003 - 3 StR 435/02 geäußerten Rechtsauffassung ebenfalls neigt, wonach bei einer auf verschuldeter Trunkenheit beruhenden erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit eine Strafrahmenverschie- bung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in der Regel nicht in Betracht kommen sollte" (BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 - 2 StR 106/03, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 32; vgl. auch Beschluss vom 10. September 2003 - 2 StR 304/03, bei Schäfer aaO, 426). In einer späteren Entscheidung hat er dies indes relativiert und eine gegen die Zubilligung der Strafrahmenverschiebung gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft verworfen. Zunächst sei "von der Allgemeinkundigkeit des Umstands auszugehen, dass eine alkoholische Berauschung generell die Hemmschwelle gegenüber sozial auffälligem und aggressivem Verhalten zu senken pflegt. Deshalb meint der Senat, dass bei selbst zu verantwortender Trunkenheit in der Regel eine Strafrahmensenkung nicht geboten ist. Diese kommt jedoch bei besonderen Umständen in der Person des Täters oder in der Tat in Betracht. Wenn der Täter über keine Vorerfahrungen der Art verfügt, dass er persönlich unter Alkoholeinfluss zu rechtsgutsverletzendem Verhalten neigt, oder wenn sich für ihn zum Zeitpunkt der Berauschung auch aus sonstigen Umständen kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass es unter der Wirkung der konkreten Alkoholisierung zu Straftaten kommen könnte, so stellt dies einen Umstand dar, der eine Strafrahmenmilderung rechtfertigen kann" (BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40).
22
cc) Der 5. Strafsenat hat dem Anliegen des Senats, zu einer Änderung der Rechtsprechung zu kommen, grundsätzlich beigepflichtet, indes mit leichten Modifikationen an der alten Rechtsprechung festgehalten (vgl. Schäfer aaO: "bisheriger Rechtsprechung nicht widersprechend"). Zwar sei für die Versagung der Strafrahmenmilderung nicht mehr erforderlich, dass der Täter schon einmal unter Alkoholeinfluss vergleichbare Straftaten begangen hat. Auch müsse das Vorverhalten nicht zu Vorstrafen oder einem Strafverfahren geführt haben. Die generelle Erhöhung des Risikos der Begehung strafbarer Handlungen nach Alkoholgenuss sei aber für sich allein nicht ausreichend, um den Schuldgehalt des Täters zu erhöhen und schon deshalb die regelmäßige Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung bei selbstverschuldeter Trunkenheit zu rechtfertigen. Diese komme vielmehr nur in Betracht, "wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht" habe (BGH, Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239). Die risikoerhöhenden persönlichen Verhältnisse könnten beispielsweise in der Neigung zu Aggressionen oder Gewalttätigkeiten unter Alkoholeinfluss bestehen , die der Tatsituation etwa in der Alkoholaufnahme in gewaltbereiten Gruppen oder gewaltgeneigten Situationen (BGH, Urteil vom 11. Juni 2008 - 5 StR 612/07, NStZ 2008, 619, 620). Bei bislang nicht bestraften und auch sonst unauffälligen Tätern sei das Straftatenrisiko nicht signifikant erhöht (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 5 StR 456/08, NStZ 2009, 202, 203; Urteil vom 7. Mai 2009 - 5 StR 64/09, NStZ 2009, 496, 497). Gleiches gelte, wenn die neue Tat in eine gänzlich andere Richtung weise als die früheren unter Alkoholeinfluss begangenen Taten (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 - 5 StR 510/09, NStZRR 2010, 234, 235) oder wenn gleichartige Kriminalität schon mehr als zehn Jahre zurückliege (BGH, Beschluss vom 10. März 2010 - 5 StR 62/10, juris Rn. 10).
23
dd) Der 4. Strafsenat hat sich der Rechtsprechung des 5. Strafsenats angeschlossen und in Fällen, in denen der Angeklagte bislang niemals unter Alkoholeinfluss aggressiv war (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 4 StR 314/05, NStZ 2006, 274) bzw. nicht wegen eines Gewaltdelikts verurteilt war (BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 - 4 StR 444/05, NStZ-RR 2006, 185, 186) eine signifikante Risikoerhöhung verneint.
24
ee) Der Senat selbst war nach seiner Entscheidung vom 27. März 2003 nur mit Fallgestaltungen befasst, in denen die zur verminderten Schuldfähigkeit führende Trunkenheit vom Angeklagten jeweils nicht verschuldet war, weil dieser entweder alkoholkrank oder alkoholüberempfindlich war (BGH, Beschluss vom 16. Januar 2008 - 3 StR 479/07, NStZ 2008, 330) oder eine solche Konstellation vom Tatrichter hätte erörtert werden müssen (BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 - 3 StR 84/08, NStZ 2009, 258; Beschluss vom 2. August 2012 - 3 StR 216/12, NStZ 2012, 687).
25
b) Danach könnte die Rechtsprechung der anderen Strafsenate dahin verstanden werden, dass sie es grundsätzlich für ermessensfehlerhaft halten, wenn der Tatrichter bei sonst rechtsfehlerfreier Würdigung eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB allein mit der Begründung ablehnt , die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit beruhe auf dessen Trunkenheit, die er aber durch zu verantwortendes Sich-Berauschen schuldhaft selbst herbeigeführt habe, und nicht gleichzeitig festgestellt ist, dass dem Angeklagten zumindest bewusst sein konnte, dass sich infolge seiner Alkoholisierung das Risiko strafbaren Verhaltens erhöhen werde.
26
III. Der Senat fragt daher bei den anderen Strafsenaten an, ob ihre Rechtsprechung in diesem Sinne zu verstehen ist und - sollte dies der Fall sein - ob an dieser Rechtsprechung festgehalten wird (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG).
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 350/15
vom
7. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:070915B2STR350.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. September 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 22. April 2015
a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung und Beleidigung, sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StGB).
2
1. Das Landgericht hat angenommen, dass das Hemmungsvermögen des Angeklagten bei Begehung sämtlicher verfahrensgegenständlicher Taten infolge akuten Drogenkonsums nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen sei. Während es im Fall II. 3. der Urteilsgründe unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrunds des § 21 StGB einen minder schweren Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat, hat es eine Strafmilderung in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe abgelehnt, weil der Angeklagte bereits in der Vergangenheit straffällig geworden sei, sich von strafrechtlichen Sanktionen bislang unbeeindruckt gezeigt und im Fall II. 1. zugleich mehrere Straftatbestände verwirklicht habe.
3
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
4
a) Ob bei Vorliegen verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eine Strafmilderung vorzunehmen oder zu versagen ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 – 2 StR 419/05, StV 2006, 465, 466). Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen , dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30). Eine Strafrahmenverschiebung ist daher in der Regel vorzunehmen, wenn nicht andere, die Schuld des Täters erhöhende Umstände dem entgegenstehen (Senat, aaO) oder der Täter die Begehung von Straftaten vorausgesehen hat oder hätte voraussehen können, etwa, weil er aus früheren Erfahrungen weiß, dass er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zur Begehung von Straftaten neigt (BGH, Beschluss vom 25. März 2014 – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, 239; Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 78).
5
b) An der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung aller wesentlichen Tatumstände und der Täterpersönlichkeit fehlt es hier.
6
aa) Das Landgericht hat hinsichtlich der als tateinheitliches Vergehen des (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis, der (vorsätzlichen) Körperverletzung und der Beleidigung gewürdigten Tat II. 1. zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass er "in der Vergangenheit mit einer Vielzahl von Delikten straffällig" geworden sei und sich von strafrechtlichen Sanktionen bislang unbeeindruckt gezeigt habe. Insoweit fehlt es jedoch an näheren Feststellungen zu Einzelheiten. Unerörtert bleibt auch, ob der Angeklagte frühere einschlägige Delikte ebenfalls – wie hier – unter Drogeneinfluss begangen hat. Schließlich hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen, dass der Angeklagte letztmals im Jahr 2003 wegen einer einschlägigen Tat verurteilt worden ist und die im Jahr 2006 erfolgte letztmalige Verurteilung bereits geraume Zeit zurück liegt. Dies wäre bei der Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu berücksichtigen gewesen.
7
bb) Auch hinsichtlich der Tat II. 2. fehlt es an erforderlichen Feststellungen. Zwar hat das Landgericht insoweit berücksichtigt, dass die letzte einschlägige Tat im Jahr 2005 begangen worden ist und damit nahezu ein Jahrzehnt zurück liegt. Die näheren Einzelheiten dieser einschlägigen Vorverurteilung sind jedoch nicht mitgeteilt. Damit bleibt insbesondere offen, ob der Angeklagte auch diese frühere Verurteilung unter dem Einfluss berauschender Mittel begangen hat.
8
3. Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Ermessensentscheidung zu milderen Einzelstrafen und insgesamt auch zu einer milderen Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre.
9
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird die beiden Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe neu zuzumessen haben. Dies kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen geschehen; ergänzende Feststellungen sind möglich. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 350/15
vom
7. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:070915B2STR350.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. September 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 22. April 2015
a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung und Beleidigung, sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StGB).
2
1. Das Landgericht hat angenommen, dass das Hemmungsvermögen des Angeklagten bei Begehung sämtlicher verfahrensgegenständlicher Taten infolge akuten Drogenkonsums nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen sei. Während es im Fall II. 3. der Urteilsgründe unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrunds des § 21 StGB einen minder schweren Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat, hat es eine Strafmilderung in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe abgelehnt, weil der Angeklagte bereits in der Vergangenheit straffällig geworden sei, sich von strafrechtlichen Sanktionen bislang unbeeindruckt gezeigt und im Fall II. 1. zugleich mehrere Straftatbestände verwirklicht habe.
3
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
4
a) Ob bei Vorliegen verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eine Strafmilderung vorzunehmen oder zu versagen ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 – 2 StR 419/05, StV 2006, 465, 466). Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen , dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30). Eine Strafrahmenverschiebung ist daher in der Regel vorzunehmen, wenn nicht andere, die Schuld des Täters erhöhende Umstände dem entgegenstehen (Senat, aaO) oder der Täter die Begehung von Straftaten vorausgesehen hat oder hätte voraussehen können, etwa, weil er aus früheren Erfahrungen weiß, dass er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zur Begehung von Straftaten neigt (BGH, Beschluss vom 25. März 2014 – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, 239; Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 78).
5
b) An der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung aller wesentlichen Tatumstände und der Täterpersönlichkeit fehlt es hier.
6
aa) Das Landgericht hat hinsichtlich der als tateinheitliches Vergehen des (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis, der (vorsätzlichen) Körperverletzung und der Beleidigung gewürdigten Tat II. 1. zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass er "in der Vergangenheit mit einer Vielzahl von Delikten straffällig" geworden sei und sich von strafrechtlichen Sanktionen bislang unbeeindruckt gezeigt habe. Insoweit fehlt es jedoch an näheren Feststellungen zu Einzelheiten. Unerörtert bleibt auch, ob der Angeklagte frühere einschlägige Delikte ebenfalls – wie hier – unter Drogeneinfluss begangen hat. Schließlich hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen, dass der Angeklagte letztmals im Jahr 2003 wegen einer einschlägigen Tat verurteilt worden ist und die im Jahr 2006 erfolgte letztmalige Verurteilung bereits geraume Zeit zurück liegt. Dies wäre bei der Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu berücksichtigen gewesen.
7
bb) Auch hinsichtlich der Tat II. 2. fehlt es an erforderlichen Feststellungen. Zwar hat das Landgericht insoweit berücksichtigt, dass die letzte einschlägige Tat im Jahr 2005 begangen worden ist und damit nahezu ein Jahrzehnt zurück liegt. Die näheren Einzelheiten dieser einschlägigen Vorverurteilung sind jedoch nicht mitgeteilt. Damit bleibt insbesondere offen, ob der Angeklagte auch diese frühere Verurteilung unter dem Einfluss berauschender Mittel begangen hat.
8
3. Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Ermessensentscheidung zu milderen Einzelstrafen und insgesamt auch zu einer milderen Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre.
9
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird die beiden Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe neu zuzumessen haben. Dies kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen geschehen; ergänzende Feststellungen sind möglich. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 350/15
vom
7. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:070915B2STR350.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. September 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 22. April 2015
a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung und Beleidigung, sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StGB).
2
1. Das Landgericht hat angenommen, dass das Hemmungsvermögen des Angeklagten bei Begehung sämtlicher verfahrensgegenständlicher Taten infolge akuten Drogenkonsums nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen sei. Während es im Fall II. 3. der Urteilsgründe unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrunds des § 21 StGB einen minder schweren Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat, hat es eine Strafmilderung in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe abgelehnt, weil der Angeklagte bereits in der Vergangenheit straffällig geworden sei, sich von strafrechtlichen Sanktionen bislang unbeeindruckt gezeigt und im Fall II. 1. zugleich mehrere Straftatbestände verwirklicht habe.
3
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
4
a) Ob bei Vorliegen verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eine Strafmilderung vorzunehmen oder zu versagen ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 – 2 StR 419/05, StV 2006, 465, 466). Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen , dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30). Eine Strafrahmenverschiebung ist daher in der Regel vorzunehmen, wenn nicht andere, die Schuld des Täters erhöhende Umstände dem entgegenstehen (Senat, aaO) oder der Täter die Begehung von Straftaten vorausgesehen hat oder hätte voraussehen können, etwa, weil er aus früheren Erfahrungen weiß, dass er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zur Begehung von Straftaten neigt (BGH, Beschluss vom 25. März 2014 – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, 239; Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 78).
5
b) An der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung aller wesentlichen Tatumstände und der Täterpersönlichkeit fehlt es hier.
6
aa) Das Landgericht hat hinsichtlich der als tateinheitliches Vergehen des (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis, der (vorsätzlichen) Körperverletzung und der Beleidigung gewürdigten Tat II. 1. zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass er "in der Vergangenheit mit einer Vielzahl von Delikten straffällig" geworden sei und sich von strafrechtlichen Sanktionen bislang unbeeindruckt gezeigt habe. Insoweit fehlt es jedoch an näheren Feststellungen zu Einzelheiten. Unerörtert bleibt auch, ob der Angeklagte frühere einschlägige Delikte ebenfalls – wie hier – unter Drogeneinfluss begangen hat. Schließlich hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen, dass der Angeklagte letztmals im Jahr 2003 wegen einer einschlägigen Tat verurteilt worden ist und die im Jahr 2006 erfolgte letztmalige Verurteilung bereits geraume Zeit zurück liegt. Dies wäre bei der Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu berücksichtigen gewesen.
7
bb) Auch hinsichtlich der Tat II. 2. fehlt es an erforderlichen Feststellungen. Zwar hat das Landgericht insoweit berücksichtigt, dass die letzte einschlägige Tat im Jahr 2005 begangen worden ist und damit nahezu ein Jahrzehnt zurück liegt. Die näheren Einzelheiten dieser einschlägigen Vorverurteilung sind jedoch nicht mitgeteilt. Damit bleibt insbesondere offen, ob der Angeklagte auch diese frühere Verurteilung unter dem Einfluss berauschender Mittel begangen hat.
8
3. Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Ermessensentscheidung zu milderen Einzelstrafen und insgesamt auch zu einer milderen Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre.
9
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird die beiden Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe neu zuzumessen haben. Dies kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen geschehen; ergänzende Feststellungen sind möglich. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 504/15
vom
24. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:240816U2STR504.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. August 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 22. Juni 2015 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass im Fall II. 2 der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung entfällt. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf sachlich-rechtliche Einwendungen gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch.
2
Die Revision des Angeklagten hat den aus dem Urteilstenor ersichtlichen geringen Teilerfolg und führt zum Wegfall des Schuldspruchs wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Fall II. 2 der Urteilsgründe; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Nach einer gemeinsam mit Freunden in einer Diskothek verbrachten Nacht begegnete der erheblich alkoholisierte und infolge einer körperlichen Auseinandersetzung mit unbekannten Dritten aggressiv gestimmte Angeklagte am 19. Oktober 2014 gegen 5.30 Uhr in einer Grünanlage der ihm unbekannten 75 Jahre alten Nebenklägerin. Seine Frage, ob er ihr helfen könne, beantwortete die Nebenklägerin dahin, dass er sie in Ruhe lassen solle. Aus Wut über diese Zurückweisung versetzte der Angeklagte ihr unvermittelt einen Faustschlag ins Gesicht, in dessen Folge die dem Angeklagten körperlich deutlich unterlegene Nebenklägerin zu Boden stürzte. Anschließend schlug der Angeklagte mehrfach wuchtig mit der Faust auf Gesicht und Kopf der Nebenklägerin ein.
Dabei war ihm bewusst, dass diese Faustschläge geeignet waren, die Nebenklägerin lebensgefährlich zu verletzen. Er ließ schließlich von der laut um Hilfe rufenden, erhebliche Gesichtsverletzungen aufweisenden Nebenklägerin ab und entfernte sich.
5
2. Nach einiger Zeit fasste der Angeklagte den Entschluss, zur Nebenklägerin zurückzukehren. Er packte die mittlerweile auf einer Parkbank sitzende , durch die vorhergehenden Misshandlungen erheblich verletzte und wehrlose Nebenklägerin, riss sie zu Boden und setzte sich auf sie. Anschließend versetzte er ihr zielgerichtet einen weiteren wuchtigen Faustschlag gegen den Kopf, durch den sie Schmerzen erlitt; er öffnete seine Hose, entblößte seinen erigierten Penis und forderte die Nebenklägerin durch eine Geste auf, den Oralverkehr an ihm zu vollziehen. Die sich zur Wehr setzende Nebenklägerin kniff den Angeklagten in die Hoden. Daraufhin schob der Angeklagte Hose und Unterhose der Nebenklägerin gegen ihren Widerstand nach unten, stieß seine flache Hand mit „äußerst massiver Wucht“ in die Vagina der Nebenklägerin und bewegte sie mehrere Male heftig hin und her. Dabei fügte er ihr, wie er erkannte und billigte, schwere, den Bauchraum und den Darm eröffnende lebensgefährliche Pfählungsverletzungen zu. Die Nebenklägerin schrie vor Schmerzen laut auf, rief anhaltend um Hilfe und kotete sich ein. Schließlich ließ der Angeklagte von der schwer verletzten Frau ab und entfernte sich.
6
Die Nebenklägerin wurde von Polizeikräften in ein Krankenhaus transportiert und ihr Leben durch eine sofortige Notoperation gerettet. Die erlittenen ausgeprägten Pfählungsverletzungen erforderten eine Rekonstruktion von Vulva und Vagina der Nebenklägerin; sie befand sich bis zum 27. Oktober 2014 in stationärer Behandlung und litt noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung unter den Folgen des Tatgeschehens.

7
Sachverständig beraten ist das Landgericht, das aufgrund der vagen Trinkmengenangaben des Angeklagten sowie einer sehr langen Trinkzeit zwischen 12.00 Uhr am Vortag und 3.30 Uhr am Tattag eine maximale Blutalkoholkonzentration nicht zu berechnen vermochte, von einer möglichen Blutalkoholkonzentration von 4,34 Promille ausgegangen, es hat angenommen, dass die Schuldfähigkeit des trinkgewohnten Angeklagten infolge des zuvor genossenen Alkohols nicht ausschließbar erheblich vermindert (§ 21 StGB) gewesen ist.

II.

8
Die Revision des Angeklagten:
9
1. Die Feststellungen, die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhen, tragen den Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung im Fall II. 2 der Urteilsgründe, nicht jedoch den Schuldspruch wegen tateinheitlich hierzu verwirklichter vorsätzlicher Körperverletzung.
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision bestehen keine Zweifel daran, dass der Angeklagte den Straftatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) und b) StGB verwirklicht hat. Die Handlungen des Angeklagten sind – entgegen der Auffassung der Revision – ungeachtet der Frage, ob die Tat eher „Wut- und Bestrafungscharakter“ trug, als sexuelle Handlungen im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB) anzusehen.
11
Bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogenen Handlungen kommt es auf die Motivation des Täters nicht an (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049). Gleichgültig ist deshalb, ob er die sexuelle Handlung aus Wut, als Akt der Bestrafung , aus Sadismus oder aus anderen Gründen vornimmt (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11, BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 9, NStZ-RR 2013, 10, 12). Der ausdrücklichen Feststellung einer sexuellen Absicht des Täters bedarf es bei objektiv sexualbezogenen Handlungen, anders als bei äußerlich ambivalenten Handlungen, nicht. Insoweit genügt es, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, BGHR StGB § 184g Sexuelle Handlung 2, NStZ-RR 2008, 339, 340). Hieran bestehen ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen keine Zweifel.
12
b) Jedoch hält die Annahme, der Angeklagte habe tateinheitlich hierzu den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) verwirklicht , indem er der Nebenklägerin einen Faustschlag versetzte, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
13
Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe diente der Faustschlag bereits der Umsetzung des Tatentschlusses des Angeklagten, die Nebenklägerin zur Vornahme einer sexuellen Handlung - der Ausführung des Oralverkehrs an sich - zu nötigen. Er war damit Teil der gezielt zum Zwecke der sexuellen Nötigung seines Opfers eingesetzten Gewalt des Angeklagten, die mit der in unmittelbarem Anschluss verwirklichten besonders schweren Vergewaltigung eine Tat im Rechtssinne bildete. Bei dieser Sachlage wird – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB von § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) StGB verdrängt (Fischer StGB, 63. Aufl., § 177 Rn. 105a).

14
Die Korrektur des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Die Strafkammer hat die tateinheitliche Verwirklichung dieses Delikts ausdrücklich nicht strafschärfend berücksichtigt (UA S. 53). Vor diesem Hintergrund schließt der Senat aus, dass der Tatrichter eine mildere Strafe verhängt hätte, wenn er die Konkurrenzverhältnisse, die den Schuldgehalt der Tat im Übrigen unberührt lassen, rechtsfehlerfrei beurteilt hätte.
15
3. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
16
a) Die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe sein Opfer „aus nichtigem Anlass angegriffen“ und die Tat aus „nicht nachvollziehbarem Anlass“ begangen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
17
aa) Allerdings wäre es rechtlich bedenklich, wenn der Tatrichter dem Angeklagten mit der genannten Erwägung das Fehlen verständlicher Motive für seine Tat strafschärfend zur Last gelegt hätte. Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung sind strafmildernd, das bloße Fehlen verständlicher Motive jedoch nicht strafschärfend zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 23. März 2011 – 2 StR 35/11; Beschluss vom 17. April 2012 – 2 StR 73/12, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 37; Beschluss vom 15. September 2015 – 2 StR 21/15, NStZ-RR 2016, 40; vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 73; 76b a.E.; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 9. Januar 2013 – 5 StR 395/12, BGHR StGB § 224 Strafzumessung 1). Es wäre rechtsfehlerhaft, dem Fehlen eines Strafmilderungsgrunds strafschärfende Bedeutung beizumessen (Niemöller, GA 2012, 337 ff.).

18
bb) Die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung hat sich jedoch am sachlichen Gehalt der tatrichterlichen Ausführungen und nicht an ihren – möglicherweise missverständlichen oder sonst unzulänglichen – Formulierungen zu orientieren (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.; Senat, Urteil vom 9. Oktober 2013 – 2 StR 119/13, StV 2014, 478, 479). Die vom Tatrichter gebrauchte Formulierung, der Angeklagte habe die Nebenklägerin „aus nichtigem Anlass“ angegriffen, stellte ersichtlich auf das Tatmotiv ab; nach den Feststellungen entschloss sich der Angeklagte zu dem körperlichen Angriff auf die Nebenklägerin, weil er sich durch die erfolgte Zurückweisung seines Angebots, ihr zu helfen, „provoziert und verärgert“ fühlte. Die Kammer hat durch die genannte Strafzumessungserwägung ersichtlich nicht einen fehlenden Strafmilderungsgrund strafschärfend berücksichtigt, sondern – rechtlich unbedenklich – auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Anlass und Tat abgestellt. Der Tatrichter hat damit die Tätermotivation und da- mit zugleich die aus der Tat sprechende „Gesinnung“ im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB als besonders verwerflich charakterisiert und strafschärfend berücksichtigt. Dies ist – wie beispielsweise das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes zeigt, der die Tat bei einem „eklatanten Missverhältnis zwischen Anlass und Tat“als Mord qualifiziert und mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht (vgl. Fischer StGB, 63. Aufl., § 211 Rn. 18) – von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
19
b) Zu einer Erörterung des vertypten Strafmilderungsgrunds des TäterOpfer -Ausgleichs (§ 46a StGB) bestand vorliegend kein Anlass. Zwar hat der Angeklagte an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld gezahlt und sich zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldbetrags verpflichtet. Es fehlt jedoch – wiedie tatrichterliche Feststellung, die Nebenklägerin habe diese Entschuldi- gung des Angeklagten „mit starrer Miene aufgenommen“ (UA S. 17) belegt – erkennbar an dem von § 46a Nr. 1 StGB vorausgesetzten kommunikativen, auf einen umfassenden friedensstiftenden Ausgleich der Tatfolgen angelegten Prozess zwischen Täter und Opfer (BGH, Urteil vom 3. November 2011 – 3 StR 267/11, NStZ-RR 2012, 43; Senat, Urteil vom 11. September 2013 – 2 StR 131/13, BGHR StGB § 46a Anwendungsbereich 4, NStZ-RR 2013, 372).
20
c) Auch die Bemessung der Gesamtstrafe begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar hat die Strafkammer insoweit zunächst pauschal auf die für die Bemessung der Einzelstrafen maßgeblichen, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verwiesen (vgl. UA S. 54). Anschließend hat sie jedoch auf den strafmildernden Umstand des engen zeitlichen, örtlichen und situativen Zusammenhangs beider Taten abgestellt und den gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB erforderlichen eigenständigen Strafzumessungsakt damit – wie geboten – an „gesamtstrafenspezifischen Kriterien“ (Senat, Beschluss vom 5. August 2010 – 2 StR 340/10; vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 217/13, StraFo 2013, 477; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 54 Rn. 6 mwN) orientiert. Ausgehend hiervon hat sie die im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten als Einsatzstrafe maßvoll auf acht Jahre und sechs Monate erhöht. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

III.

21
Die Revision der Staatsanwaltschaft:
22
Die ungeachtet der Schuldspruchkorrektur im Fall II. 2 der Urteilsgründe wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 149/96, NStZ-RR 1996, 267) hat Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht die zugunsten des Ange- klagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB. Auch die Strafzumessung im engeren Sinne hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
23
1. Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung ist die Entscheidung über die fakultative Strafrahmenverschiebung nur eingeschränkt zugänglich; insoweit steht dem Tatrichter ein weiter Ermessensspielraum zu (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1 StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37). Es ist Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2016 – 4 ARs 16/15). Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (BGH, Urteil vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 f.; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
24
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (Senat, Beschluss vom 7. September 2015 – 2 StR 350/15, NStZ-RR 2016, 74; BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30). Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit jedoch auf zu verantwortender Trunkenheit, so spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung vorhersehbar signifikant erhöht hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 ARs 21/15; Beschluss vom 1. März 2016 – 5 ARs 50/15; weitergehend aber BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – 3 StR 63/15, NStZ 2016, 203; Urteil vom 27. März 2003 – 3 StR 435/02, NJW 2003, 2394; Beschluss vom 28. April 2016 – 4 ARs 16/15). Dabei ist als allgemeinkundig vorauszusetzen , dass eine alkoholische Berauschung generell die Hemmschwelle gegenüber sozial auffälligem und aggressivem Verhalten zu senken pflegt (vgl. Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 – 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40). Weiß der Täter oder muss er damit rechnen, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neigt und trinkt er trotzdem Alkohol, so spricht dies in der Regel gegen die Annahme einer Strafrahmenverschiebung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. März 2014 – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, und vom 10. Mai 2016 – 1 ARs 21/15). Einschlägiger Vorverurteilungen bedarf es insoweit nicht (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37). Die genannten Umstände erhöhen die Schuld und können zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Schuldfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen.
25
2. Gemessen hieran hält die tatrichterliche Ermessensentscheidung im Fall II. 1 und im Fall II. 2 auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs rechtlicher Überprüfung nicht stand.
26
Die vom Landgericht angestellten Erwägungen lassen besorgen, dass es von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
27
Das Landgericht ist von einer verschuldeten Trunkenheit ausgegangen. Es hat im Rahmen seiner Entscheidung berücksichtigt, dass der Angeklagte nur fünf Monate vor der verfahrensgegenständlichen Tat wegen einer unter dem Einfluss von Alkohol begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt und ihm mit Bewährungsbeschluss vom 20. Mai 2014 aufgegeben worden ist, mit seinem Bewährungs- helfer „die eventuelle Notwendigkeit von Therapiemaßnahmen zu den Problembereichen Alkohol und Aggressivität zu klären“.Ungeachtet dieser Vorverurteilung hat es dem Angeklagten eine Strafmilderung infolge verschuldeter Trunkenheit nicht versagt, weil es nicht festzustellen vermochte, dass „der Angeklagte selbst davon ausging, dass er erneut eine anlasslose Gewalttat bzw. ei- ne noch darüber hinausgehende Gewalttat begehen könnte“ (UA S. 45) und dass er „sich in Bezug auf die von ihmgetrunkene Alkoholmenge überschätzt und gedacht“ habe, „es wird schon gut gehen“ (UA S. 46). Diese Formulierun- gen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist und nicht hinreichend bedacht hat, dass die Versagung einer Strafmilderung infolge verschuldeter Trunkenheit nicht voraussetzt , dass der Täter Art und Schwere der unter Alkoholeinfluss begangenen konkreten Tat sicher voraussieht oder hätte vorhersehen können undmüssen. Es genügt insoweit, dass er bei Anspannung der ihm möglichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass er unter dem Einfluss von Alkohol zu Straftaten neigt. Dies lag hier jedenfalls nahe. Die vom Landgericht festgestellten und im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung nicht gänzlich unberücksichtigt gebliebenen Vorverurteilungen betrafen jeweils Gewaltdelikte und belegen, dass der Angeklagte zu aggressivem Verhalten neigt. Dass Alkohol generell geeignet ist, aggressive Verhaltensweisen zu verstärken, liegt auf der Hand. Bei dieser Sachlage erscheint nicht nachvollziehbar, inwiefern den Angeklagten unter Schuldgesichtspunkten entlasten sollte, dass er unter diesen besonderen Vorzeichen nicht bereit war, den von ihm und seinem Freundeskreis gepflegten „Lebensstil“, zu dem der übermäßige Genuss von Wodka am Wo- chenende gehörte, zu verändern und hinsichtlich der enthemmenden Wirkung von Alkohol eine gewisse „Gleichgültigkeit“ an den Tag legte.
28
3. Auch die Strafzumessung im engeren Sinne weist Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf.
29
a) Bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat der Tatrichter, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte die Nebenklägerin sowohl körperlich schwer misshandelt (§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) StGB) als auch in die Gefahr des Todes gebracht (§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe b) StGB) und damit zwei Qualifikationstatbestände mit jeweils fünfjähriger Mindeststrafandrohung verwirklicht hat. Unberücksichtigt blieb außerdem, dass der Angeklagte zunächst erfolglos versuchte, die Nebenklägerin zum Oralverkehr zu nötigen, und nach dem Misslingen dieses Versuchs eine sie besonderserniedrigende, sadistisch anmutende sexuelle Handlung an ihr vorgenommen hat.
30
b) Bedenken begegnet schließlich auch die strafmildernde Berücksichtigung der vollzogenen Untersuchungshaft von sechs Monaten. Untersuchungshaft ist, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund; sie wird gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet. Anderes gilt nur in Fällen, in denen der Vollzug von Untersuchungshaft ausnahmsweise mit ungewöhnlichen , über das übliche Maß deutlich hinausgehenden Beschwernissen verbunden ist (Senat, Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 303/13, NStZ-RR 2014, 82, 83). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (Senat, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier.
31
Diese Mängel führen zur Aufhebung der Einzelstrafen und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich um Wertungsfehler handelt. Ergänzende Feststellungen , die den bereits getroffenen Feststellungen nicht widersprechen, sind möglich.

IV.

32
Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Entscheidung über die gegen die tatrichterliche Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

V.

33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO.

34
Die der inzwischen verstorbenen Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen waren dem Angeklagten aufzuerlegen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. September 1983 – 3 Ws 180/83, MDR 1984, 250; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 59. Aufl., § 472 Rn. 1; a.A. KKStPO /Gieg, § 472 Rn. 2). Fischer Krehl Eschelbach RinBGH Dr. Ott ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschrift gehindert. Fischer Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 350/15
vom
7. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:070915B2STR350.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. September 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 22. April 2015
a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung und Beleidigung, sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StGB).
2
1. Das Landgericht hat angenommen, dass das Hemmungsvermögen des Angeklagten bei Begehung sämtlicher verfahrensgegenständlicher Taten infolge akuten Drogenkonsums nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen sei. Während es im Fall II. 3. der Urteilsgründe unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrunds des § 21 StGB einen minder schweren Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat, hat es eine Strafmilderung in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe abgelehnt, weil der Angeklagte bereits in der Vergangenheit straffällig geworden sei, sich von strafrechtlichen Sanktionen bislang unbeeindruckt gezeigt und im Fall II. 1. zugleich mehrere Straftatbestände verwirklicht habe.
3
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
4
a) Ob bei Vorliegen verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eine Strafmilderung vorzunehmen oder zu versagen ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 – 2 StR 419/05, StV 2006, 465, 466). Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen , dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30). Eine Strafrahmenverschiebung ist daher in der Regel vorzunehmen, wenn nicht andere, die Schuld des Täters erhöhende Umstände dem entgegenstehen (Senat, aaO) oder der Täter die Begehung von Straftaten vorausgesehen hat oder hätte voraussehen können, etwa, weil er aus früheren Erfahrungen weiß, dass er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zur Begehung von Straftaten neigt (BGH, Beschluss vom 25. März 2014 – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, 239; Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 78).
5
b) An der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung aller wesentlichen Tatumstände und der Täterpersönlichkeit fehlt es hier.
6
aa) Das Landgericht hat hinsichtlich der als tateinheitliches Vergehen des (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis, der (vorsätzlichen) Körperverletzung und der Beleidigung gewürdigten Tat II. 1. zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass er "in der Vergangenheit mit einer Vielzahl von Delikten straffällig" geworden sei und sich von strafrechtlichen Sanktionen bislang unbeeindruckt gezeigt habe. Insoweit fehlt es jedoch an näheren Feststellungen zu Einzelheiten. Unerörtert bleibt auch, ob der Angeklagte frühere einschlägige Delikte ebenfalls – wie hier – unter Drogeneinfluss begangen hat. Schließlich hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen, dass der Angeklagte letztmals im Jahr 2003 wegen einer einschlägigen Tat verurteilt worden ist und die im Jahr 2006 erfolgte letztmalige Verurteilung bereits geraume Zeit zurück liegt. Dies wäre bei der Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu berücksichtigen gewesen.
7
bb) Auch hinsichtlich der Tat II. 2. fehlt es an erforderlichen Feststellungen. Zwar hat das Landgericht insoweit berücksichtigt, dass die letzte einschlägige Tat im Jahr 2005 begangen worden ist und damit nahezu ein Jahrzehnt zurück liegt. Die näheren Einzelheiten dieser einschlägigen Vorverurteilung sind jedoch nicht mitgeteilt. Damit bleibt insbesondere offen, ob der Angeklagte auch diese frühere Verurteilung unter dem Einfluss berauschender Mittel begangen hat.
8
3. Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Ermessensentscheidung zu milderen Einzelstrafen und insgesamt auch zu einer milderen Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre.
9
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird die beiden Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe neu zuzumessen haben. Dies kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen geschehen; ergänzende Feststellungen sind möglich. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 504/15
vom
24. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:240816U2STR504.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. August 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 22. Juni 2015 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass im Fall II. 2 der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung entfällt. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf sachlich-rechtliche Einwendungen gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch.
2
Die Revision des Angeklagten hat den aus dem Urteilstenor ersichtlichen geringen Teilerfolg und führt zum Wegfall des Schuldspruchs wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Fall II. 2 der Urteilsgründe; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Nach einer gemeinsam mit Freunden in einer Diskothek verbrachten Nacht begegnete der erheblich alkoholisierte und infolge einer körperlichen Auseinandersetzung mit unbekannten Dritten aggressiv gestimmte Angeklagte am 19. Oktober 2014 gegen 5.30 Uhr in einer Grünanlage der ihm unbekannten 75 Jahre alten Nebenklägerin. Seine Frage, ob er ihr helfen könne, beantwortete die Nebenklägerin dahin, dass er sie in Ruhe lassen solle. Aus Wut über diese Zurückweisung versetzte der Angeklagte ihr unvermittelt einen Faustschlag ins Gesicht, in dessen Folge die dem Angeklagten körperlich deutlich unterlegene Nebenklägerin zu Boden stürzte. Anschließend schlug der Angeklagte mehrfach wuchtig mit der Faust auf Gesicht und Kopf der Nebenklägerin ein.
Dabei war ihm bewusst, dass diese Faustschläge geeignet waren, die Nebenklägerin lebensgefährlich zu verletzen. Er ließ schließlich von der laut um Hilfe rufenden, erhebliche Gesichtsverletzungen aufweisenden Nebenklägerin ab und entfernte sich.
5
2. Nach einiger Zeit fasste der Angeklagte den Entschluss, zur Nebenklägerin zurückzukehren. Er packte die mittlerweile auf einer Parkbank sitzende , durch die vorhergehenden Misshandlungen erheblich verletzte und wehrlose Nebenklägerin, riss sie zu Boden und setzte sich auf sie. Anschließend versetzte er ihr zielgerichtet einen weiteren wuchtigen Faustschlag gegen den Kopf, durch den sie Schmerzen erlitt; er öffnete seine Hose, entblößte seinen erigierten Penis und forderte die Nebenklägerin durch eine Geste auf, den Oralverkehr an ihm zu vollziehen. Die sich zur Wehr setzende Nebenklägerin kniff den Angeklagten in die Hoden. Daraufhin schob der Angeklagte Hose und Unterhose der Nebenklägerin gegen ihren Widerstand nach unten, stieß seine flache Hand mit „äußerst massiver Wucht“ in die Vagina der Nebenklägerin und bewegte sie mehrere Male heftig hin und her. Dabei fügte er ihr, wie er erkannte und billigte, schwere, den Bauchraum und den Darm eröffnende lebensgefährliche Pfählungsverletzungen zu. Die Nebenklägerin schrie vor Schmerzen laut auf, rief anhaltend um Hilfe und kotete sich ein. Schließlich ließ der Angeklagte von der schwer verletzten Frau ab und entfernte sich.
6
Die Nebenklägerin wurde von Polizeikräften in ein Krankenhaus transportiert und ihr Leben durch eine sofortige Notoperation gerettet. Die erlittenen ausgeprägten Pfählungsverletzungen erforderten eine Rekonstruktion von Vulva und Vagina der Nebenklägerin; sie befand sich bis zum 27. Oktober 2014 in stationärer Behandlung und litt noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung unter den Folgen des Tatgeschehens.

7
Sachverständig beraten ist das Landgericht, das aufgrund der vagen Trinkmengenangaben des Angeklagten sowie einer sehr langen Trinkzeit zwischen 12.00 Uhr am Vortag und 3.30 Uhr am Tattag eine maximale Blutalkoholkonzentration nicht zu berechnen vermochte, von einer möglichen Blutalkoholkonzentration von 4,34 Promille ausgegangen, es hat angenommen, dass die Schuldfähigkeit des trinkgewohnten Angeklagten infolge des zuvor genossenen Alkohols nicht ausschließbar erheblich vermindert (§ 21 StGB) gewesen ist.

II.

8
Die Revision des Angeklagten:
9
1. Die Feststellungen, die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhen, tragen den Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung im Fall II. 2 der Urteilsgründe, nicht jedoch den Schuldspruch wegen tateinheitlich hierzu verwirklichter vorsätzlicher Körperverletzung.
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision bestehen keine Zweifel daran, dass der Angeklagte den Straftatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) und b) StGB verwirklicht hat. Die Handlungen des Angeklagten sind – entgegen der Auffassung der Revision – ungeachtet der Frage, ob die Tat eher „Wut- und Bestrafungscharakter“ trug, als sexuelle Handlungen im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB) anzusehen.
11
Bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogenen Handlungen kommt es auf die Motivation des Täters nicht an (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049). Gleichgültig ist deshalb, ob er die sexuelle Handlung aus Wut, als Akt der Bestrafung , aus Sadismus oder aus anderen Gründen vornimmt (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11, BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 9, NStZ-RR 2013, 10, 12). Der ausdrücklichen Feststellung einer sexuellen Absicht des Täters bedarf es bei objektiv sexualbezogenen Handlungen, anders als bei äußerlich ambivalenten Handlungen, nicht. Insoweit genügt es, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, BGHR StGB § 184g Sexuelle Handlung 2, NStZ-RR 2008, 339, 340). Hieran bestehen ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen keine Zweifel.
12
b) Jedoch hält die Annahme, der Angeklagte habe tateinheitlich hierzu den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) verwirklicht , indem er der Nebenklägerin einen Faustschlag versetzte, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
13
Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe diente der Faustschlag bereits der Umsetzung des Tatentschlusses des Angeklagten, die Nebenklägerin zur Vornahme einer sexuellen Handlung - der Ausführung des Oralverkehrs an sich - zu nötigen. Er war damit Teil der gezielt zum Zwecke der sexuellen Nötigung seines Opfers eingesetzten Gewalt des Angeklagten, die mit der in unmittelbarem Anschluss verwirklichten besonders schweren Vergewaltigung eine Tat im Rechtssinne bildete. Bei dieser Sachlage wird – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB von § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) StGB verdrängt (Fischer StGB, 63. Aufl., § 177 Rn. 105a).

14
Die Korrektur des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Die Strafkammer hat die tateinheitliche Verwirklichung dieses Delikts ausdrücklich nicht strafschärfend berücksichtigt (UA S. 53). Vor diesem Hintergrund schließt der Senat aus, dass der Tatrichter eine mildere Strafe verhängt hätte, wenn er die Konkurrenzverhältnisse, die den Schuldgehalt der Tat im Übrigen unberührt lassen, rechtsfehlerfrei beurteilt hätte.
15
3. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
16
a) Die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe sein Opfer „aus nichtigem Anlass angegriffen“ und die Tat aus „nicht nachvollziehbarem Anlass“ begangen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
17
aa) Allerdings wäre es rechtlich bedenklich, wenn der Tatrichter dem Angeklagten mit der genannten Erwägung das Fehlen verständlicher Motive für seine Tat strafschärfend zur Last gelegt hätte. Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung sind strafmildernd, das bloße Fehlen verständlicher Motive jedoch nicht strafschärfend zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 23. März 2011 – 2 StR 35/11; Beschluss vom 17. April 2012 – 2 StR 73/12, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 37; Beschluss vom 15. September 2015 – 2 StR 21/15, NStZ-RR 2016, 40; vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 73; 76b a.E.; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 9. Januar 2013 – 5 StR 395/12, BGHR StGB § 224 Strafzumessung 1). Es wäre rechtsfehlerhaft, dem Fehlen eines Strafmilderungsgrunds strafschärfende Bedeutung beizumessen (Niemöller, GA 2012, 337 ff.).

18
bb) Die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung hat sich jedoch am sachlichen Gehalt der tatrichterlichen Ausführungen und nicht an ihren – möglicherweise missverständlichen oder sonst unzulänglichen – Formulierungen zu orientieren (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.; Senat, Urteil vom 9. Oktober 2013 – 2 StR 119/13, StV 2014, 478, 479). Die vom Tatrichter gebrauchte Formulierung, der Angeklagte habe die Nebenklägerin „aus nichtigem Anlass“ angegriffen, stellte ersichtlich auf das Tatmotiv ab; nach den Feststellungen entschloss sich der Angeklagte zu dem körperlichen Angriff auf die Nebenklägerin, weil er sich durch die erfolgte Zurückweisung seines Angebots, ihr zu helfen, „provoziert und verärgert“ fühlte. Die Kammer hat durch die genannte Strafzumessungserwägung ersichtlich nicht einen fehlenden Strafmilderungsgrund strafschärfend berücksichtigt, sondern – rechtlich unbedenklich – auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Anlass und Tat abgestellt. Der Tatrichter hat damit die Tätermotivation und da- mit zugleich die aus der Tat sprechende „Gesinnung“ im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB als besonders verwerflich charakterisiert und strafschärfend berücksichtigt. Dies ist – wie beispielsweise das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes zeigt, der die Tat bei einem „eklatanten Missverhältnis zwischen Anlass und Tat“als Mord qualifiziert und mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht (vgl. Fischer StGB, 63. Aufl., § 211 Rn. 18) – von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
19
b) Zu einer Erörterung des vertypten Strafmilderungsgrunds des TäterOpfer -Ausgleichs (§ 46a StGB) bestand vorliegend kein Anlass. Zwar hat der Angeklagte an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld gezahlt und sich zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldbetrags verpflichtet. Es fehlt jedoch – wiedie tatrichterliche Feststellung, die Nebenklägerin habe diese Entschuldi- gung des Angeklagten „mit starrer Miene aufgenommen“ (UA S. 17) belegt – erkennbar an dem von § 46a Nr. 1 StGB vorausgesetzten kommunikativen, auf einen umfassenden friedensstiftenden Ausgleich der Tatfolgen angelegten Prozess zwischen Täter und Opfer (BGH, Urteil vom 3. November 2011 – 3 StR 267/11, NStZ-RR 2012, 43; Senat, Urteil vom 11. September 2013 – 2 StR 131/13, BGHR StGB § 46a Anwendungsbereich 4, NStZ-RR 2013, 372).
20
c) Auch die Bemessung der Gesamtstrafe begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar hat die Strafkammer insoweit zunächst pauschal auf die für die Bemessung der Einzelstrafen maßgeblichen, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verwiesen (vgl. UA S. 54). Anschließend hat sie jedoch auf den strafmildernden Umstand des engen zeitlichen, örtlichen und situativen Zusammenhangs beider Taten abgestellt und den gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB erforderlichen eigenständigen Strafzumessungsakt damit – wie geboten – an „gesamtstrafenspezifischen Kriterien“ (Senat, Beschluss vom 5. August 2010 – 2 StR 340/10; vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 217/13, StraFo 2013, 477; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 54 Rn. 6 mwN) orientiert. Ausgehend hiervon hat sie die im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten als Einsatzstrafe maßvoll auf acht Jahre und sechs Monate erhöht. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

III.

21
Die Revision der Staatsanwaltschaft:
22
Die ungeachtet der Schuldspruchkorrektur im Fall II. 2 der Urteilsgründe wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 149/96, NStZ-RR 1996, 267) hat Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht die zugunsten des Ange- klagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB. Auch die Strafzumessung im engeren Sinne hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
23
1. Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung ist die Entscheidung über die fakultative Strafrahmenverschiebung nur eingeschränkt zugänglich; insoweit steht dem Tatrichter ein weiter Ermessensspielraum zu (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1 StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37). Es ist Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2016 – 4 ARs 16/15). Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (BGH, Urteil vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 f.; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
24
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (Senat, Beschluss vom 7. September 2015 – 2 StR 350/15, NStZ-RR 2016, 74; BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30). Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit jedoch auf zu verantwortender Trunkenheit, so spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung vorhersehbar signifikant erhöht hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 ARs 21/15; Beschluss vom 1. März 2016 – 5 ARs 50/15; weitergehend aber BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – 3 StR 63/15, NStZ 2016, 203; Urteil vom 27. März 2003 – 3 StR 435/02, NJW 2003, 2394; Beschluss vom 28. April 2016 – 4 ARs 16/15). Dabei ist als allgemeinkundig vorauszusetzen , dass eine alkoholische Berauschung generell die Hemmschwelle gegenüber sozial auffälligem und aggressivem Verhalten zu senken pflegt (vgl. Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 – 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40). Weiß der Täter oder muss er damit rechnen, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neigt und trinkt er trotzdem Alkohol, so spricht dies in der Regel gegen die Annahme einer Strafrahmenverschiebung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. März 2014 – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, und vom 10. Mai 2016 – 1 ARs 21/15). Einschlägiger Vorverurteilungen bedarf es insoweit nicht (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37). Die genannten Umstände erhöhen die Schuld und können zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Schuldfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen.
25
2. Gemessen hieran hält die tatrichterliche Ermessensentscheidung im Fall II. 1 und im Fall II. 2 auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs rechtlicher Überprüfung nicht stand.
26
Die vom Landgericht angestellten Erwägungen lassen besorgen, dass es von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
27
Das Landgericht ist von einer verschuldeten Trunkenheit ausgegangen. Es hat im Rahmen seiner Entscheidung berücksichtigt, dass der Angeklagte nur fünf Monate vor der verfahrensgegenständlichen Tat wegen einer unter dem Einfluss von Alkohol begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt und ihm mit Bewährungsbeschluss vom 20. Mai 2014 aufgegeben worden ist, mit seinem Bewährungs- helfer „die eventuelle Notwendigkeit von Therapiemaßnahmen zu den Problembereichen Alkohol und Aggressivität zu klären“.Ungeachtet dieser Vorverurteilung hat es dem Angeklagten eine Strafmilderung infolge verschuldeter Trunkenheit nicht versagt, weil es nicht festzustellen vermochte, dass „der Angeklagte selbst davon ausging, dass er erneut eine anlasslose Gewalttat bzw. ei- ne noch darüber hinausgehende Gewalttat begehen könnte“ (UA S. 45) und dass er „sich in Bezug auf die von ihmgetrunkene Alkoholmenge überschätzt und gedacht“ habe, „es wird schon gut gehen“ (UA S. 46). Diese Formulierun- gen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist und nicht hinreichend bedacht hat, dass die Versagung einer Strafmilderung infolge verschuldeter Trunkenheit nicht voraussetzt , dass der Täter Art und Schwere der unter Alkoholeinfluss begangenen konkreten Tat sicher voraussieht oder hätte vorhersehen können undmüssen. Es genügt insoweit, dass er bei Anspannung der ihm möglichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass er unter dem Einfluss von Alkohol zu Straftaten neigt. Dies lag hier jedenfalls nahe. Die vom Landgericht festgestellten und im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung nicht gänzlich unberücksichtigt gebliebenen Vorverurteilungen betrafen jeweils Gewaltdelikte und belegen, dass der Angeklagte zu aggressivem Verhalten neigt. Dass Alkohol generell geeignet ist, aggressive Verhaltensweisen zu verstärken, liegt auf der Hand. Bei dieser Sachlage erscheint nicht nachvollziehbar, inwiefern den Angeklagten unter Schuldgesichtspunkten entlasten sollte, dass er unter diesen besonderen Vorzeichen nicht bereit war, den von ihm und seinem Freundeskreis gepflegten „Lebensstil“, zu dem der übermäßige Genuss von Wodka am Wo- chenende gehörte, zu verändern und hinsichtlich der enthemmenden Wirkung von Alkohol eine gewisse „Gleichgültigkeit“ an den Tag legte.
28
3. Auch die Strafzumessung im engeren Sinne weist Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf.
29
a) Bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat der Tatrichter, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte die Nebenklägerin sowohl körperlich schwer misshandelt (§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) StGB) als auch in die Gefahr des Todes gebracht (§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe b) StGB) und damit zwei Qualifikationstatbestände mit jeweils fünfjähriger Mindeststrafandrohung verwirklicht hat. Unberücksichtigt blieb außerdem, dass der Angeklagte zunächst erfolglos versuchte, die Nebenklägerin zum Oralverkehr zu nötigen, und nach dem Misslingen dieses Versuchs eine sie besonderserniedrigende, sadistisch anmutende sexuelle Handlung an ihr vorgenommen hat.
30
b) Bedenken begegnet schließlich auch die strafmildernde Berücksichtigung der vollzogenen Untersuchungshaft von sechs Monaten. Untersuchungshaft ist, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund; sie wird gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet. Anderes gilt nur in Fällen, in denen der Vollzug von Untersuchungshaft ausnahmsweise mit ungewöhnlichen , über das übliche Maß deutlich hinausgehenden Beschwernissen verbunden ist (Senat, Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 303/13, NStZ-RR 2014, 82, 83). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (Senat, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier.
31
Diese Mängel führen zur Aufhebung der Einzelstrafen und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich um Wertungsfehler handelt. Ergänzende Feststellungen , die den bereits getroffenen Feststellungen nicht widersprechen, sind möglich.

IV.

32
Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Entscheidung über die gegen die tatrichterliche Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

V.

33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO.

34
Die der inzwischen verstorbenen Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen waren dem Angeklagten aufzuerlegen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. September 1983 – 3 Ws 180/83, MDR 1984, 250; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 59. Aufl., § 472 Rn. 1; a.A. KKStPO /Gieg, § 472 Rn. 2). Fischer Krehl Eschelbach RinBGH Dr. Ott ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschrift gehindert. Fischer Bartel

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf
zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen
eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB,
wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse
des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar
signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob
dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu
bestimmen; seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter
revisionsgerichtlicher Überprüfung.
BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04
LG Potsdam

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 17. August 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. August
2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P
als Verteidiger für den Angeklagten G ,
Rechtsanwalt V
als Verteidiger für den Angeklagten M ,
Justizhauptsekretärin N ,
Justizangestellte R
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Juli 2003 in den Strafaussprüchen gegen die Angeklagten G und M mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Revision des Angeklagten M gegen dieses Urteil wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung jeweils – unter Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund erheblicher Alkoholisierung – zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Während die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen lediglich den Strafausspruch beanstandet, wendet sich der Angeklagte M mit der Sachrüge umfassend gegen seine Verurteilung.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts spricht der Angeklagte G seit dem Jugendalter dem Alkohol zu und ist deutlich alkoholgewöhnt. Er ist mehrfach wegen Eigentums- und Verkehrsdelikten, darunter auch Trunkenheit im Verkehr, vorbestraft. Am Tattag hatte er von den frühen Morgenstunden an über den Tag verteilt mehrere Flaschen Bier getrunken, bevor er mit dem ebenfalls bereits angetrunkenen, bislang unbestraften Angeklagten M den später Geschädigten Pi in der Absicht aufsuchte, diesen zu mißhandeln. Die Angeklagten hatten über Pi das von ihnen nicht weiter überprüfte Gerücht gehört, er habe ein kleines Mädchen vergewaltigt. Gemeinsam wollten beide „ihre Freude an Gewalttätigkeit an ihm ausleben“.
In der Wohnung von Pi schlugen und traten die Angeklagten sogleich auf diesen ein und forderten ihn auf zuzugeben, daß er das Mädchen vergewaltigt habe. Der Geschädigte mußte in einem vom Angeklagten G gesteuerten PKW zu dem wegen Beihilfe an dem strafbaren Geschehen inzwischen rechtskräftig verurteilten K mitkommen. Dort mißhandelten G und M ihr Opfer unter Beschimpfungen weiter, so daß Pi schließlich im Gesicht blutete und sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Anschließend fuhren alle gemeinsam mit dem Auto des G zu einem Imbiß und sodann über Land; der Geschädigte mußte nun in den Kofferraum steigen. An einem Wehr wurde er von den Angeklagten halb entkleidet und in das 15 bis 18 Grad kalte Wasser gestoßen. Nach einiger Zeit zogen die Angeklagten den Geschädigten schließlich wieder an Land, traten auf ihn ein, bis er das Bewußtsein verlor, und ließen ihn halbnackt und bewußtlos liegen. Pi erlitt durch die Mißhandlungen der Angeklagten vielfache Prellungen, eine Rippenfraktur und eine – unbehandelt lebensgefährliche – traumatische Hirnblutung, zudem eine Unterkühlung und Herzrhythmusstörungen. Während des sich über mehrere Stunden hinziehenden Tatgeschehens hatten
beide Angeklagte nicht unerhebliche Mengen Bier und andere alkoholische Getränke zu sich genommen.
Das Landgericht hat den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 (i.V.m. § 52 Abs. 2) StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund der Alkoholisierung der Angeklagten und dadurch verursachter erheblicher Verminderung der „Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit“ (richtig: Steuerungsfähigkeit, vgl. Tröndle /Fischer, StGB 52. Aufl. § 21 Rdn. 5 m.w.N.) verschoben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Trunkenheit desAngeklagten G sei am Tattag nicht verschuldet gewesen, weil er bislang weitgehend vom Alkohol beherrscht wurde; mangels Einlassung des Angeklagten M auch sei zu dessen Gunsten davon auszugehen, daß seine Trunkenheit unverschuldet gewesen sei.

II.


Die auf den jeweiligen Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
1. Die Beschwerdeführerin hat ihre Rechtsmittel wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Wie sich aus der Revisionsbegründungsschrift vom 24. September 2003 ergibt, sollen allein die zugunsten der Angeklagten vorgenommenen Strafrahmenverschiebungen und damit die verhängten Rechtsfolgen angegriffen werden; nur insoweit wird die Sachrüge ausgeführt. Ungeachtet der Erhebung einer nicht ausdrücklich beschränkten Sachrüge und eines umfassenden Aufhebungsantrags ist dem Revisionsvortrag deshalb eine Beschränkung der Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch zu entnehmen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; BGH, Urteil vom 16. März 2004 – 5 StR 364/03). Diese Beschränkung ist auch wirksam, da die Feststellungen des Landgerichts zum Schuldspruch weder widersprüchlich oder lückenhaft und damit ergänzungsbedürftig noch mit den Feststellungen zum Strafausspruch untrennbar verknüpft sind. Für die Frage der
Strafzumessung bilden die Feststellungen zum Schuldspruch eine tragfähige Grundlage, auch wenn sie – was der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend angedeutet hat – eine weitergehende strafrechtliche Bewertung des Geschehens zum Nachteil der Angeklagten hätten rechtfertigen können.
2. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei aufgrund von plausiblen Trinkmengenangaben des Angeklagten G , von Zeugenbeschreibungen über den Zustand der Angeklagten und eines insgesamt auf erhebliche Enthemmung hindeutenden Tatbildes bei beiden Angeklagten sachverständig beraten zu dem Ergebnis gelangt, daß ihre Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war.
3. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gleichwohl zu Recht die zu Gunsten der Angeklagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB.

a) Der 3. Strafsenat hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die bisherige – in sich eher uneinheitliche und teils sogar widersprüchliche – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bei vorwerfbarer Alkoholisierung grundsätzlich überdacht werden sollte (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31 mit Anmerkungen : Foth NStZ 2003, 597; Frister JZ 2003, 1019; Neumann StV 2003, 527; Scheffler Blutalkohol 2003, 449; Streng NJW 2003, 2963; zustimmend der 2. Strafsenat in BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 32). Der Senat pflichtet diesem Anliegen bei, gelangt indes zu dem folgenden differenzierenden und bisheriger Rechtsprechung nicht tragend widersprechenden Ergebnis:
Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Beruht die
erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit , spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu bestimmen. Seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung und ist regelmäßig hinzunehmen , sofern die dafür wesentlichen tatsächlichen Grundlagen hinreichend ermittelt und bei der Wertung ausreichend berücksichtigt worden sind.

b) Die vom Senat gefundene Lösung beruht insbesondere auf folgenden Erwägungen:
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß eine erhebliche Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit grundsätzlich den Schuldgehalt der Tat vermindert (vgl. BGHSt 7, 28, 30; BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; so auch schon RGSt 69, 314, 317). Dies allein zwingt jedoch nicht zu einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB. Dem Tatrichter ist in Fällen erheblich verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB grundsätzlich ein Ermessen bei der Entscheidung eingeräumt , ob er aufgrund dieses Umstandes die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB durch eine Verschiebung des anzuwendenden Strafrahmens mildert oder nicht (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 21). Nach dem Gesetzeswortlaut des § 21 StGB „kann“ die Strafe lediglich gemildert werden; weder „muß“ noch „soll“ der Strafrahmen verschoben werden. Der Gesetzgeber hat damit zu erkennen gegeben, daß auch eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB für sich allein weder zwingend noch in der Regel zu einer durchgreifenden Verringerung des Schuldumfangs führt (vgl. auch Foth in Festschrift für Hannskarl Salger, 1995, S. 31, 37).
Die Minderung der Tatschuld durch Einschränkung der Schuldfähigkeit kann nämlich durch schulderhöhende Umstände kompensiert werden
(st. Rspr., vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 21 Rdn. 20 ff. m.w.N.; BVerfGE 50, 5, 11 f.). Der 3. Strafsenat sieht einen solchen Umstand generell in jeder vorwerfbar herbeigeführten Alkoholisierung (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Dabei kommt indes nicht ausreichend zur Geltung , daß jede Schulderhöhung wenigstens (einfache) Fahrlässigkeit als geringste Schuldform voraussetzt. Notwendige Elemente solcher Fahrlässigkeit sind Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des rechtswidrigen Ergebnisses ganz allgemein (objektiv) und speziell für den Täter (subjektiv). Bezugspunkt des schulderhöhenden Moments muß zudem das konkret begangene Unrecht sein; es bedarf also einer bestimmten subjektiven Beziehung zu der später begangenen rechtswidrigen Handlung (Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 22).
Trotz verbreiteten vielfachen Alkoholgebrauchs und -mißbrauchs kommt es nur in einem Bruchteil der Fälle erheblicher Alkoholisierung zu einer rechtswidrigen Tat. Häufig ist eine Gefährdung anderer gänzlich ausgeschlossen (vgl. Spendel in LK 11. Aufl. § 323a Rdn. 224). Andererseits ist nicht zu verkennen, daß Alkohol das Risiko der Begehung strafbarer Handlungen generell erhöht; ein großer Teil der Straftaten gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Selbstbestimmung wird unter Alkoholeinfluß begangen. Dieser Befund rechtfertigt indes nicht die Annahme, es sei stets objektiv und subjektiv vorhersehbar, daß bei erheblicher Alkoholisierung in der konkreten Situation die Begehung von Straftaten durch den Betrunkenen drohe. Dies hängt vielmehr von der jeweiligen Person des Täters und von der Situation ab, in der getrunken wird oder in die sich der Täter betrunken begibt.
(1) Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Strafmilderung bei erheblicher Alkoholisierung zu versagen, wenn der Täter die für ihn besonders ungünstige Wirkung des Alkoholgenusses kannte und wußte oder wissen mußte, daß er dann zu Gewalttätigkeiten oder anderen Straftaten neigt (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; vgl. Trönd-
le/Fischer aaO § 21 Rdn. 25 m.w.N.). Damit kommt es also darauf an, ob besondere Umstände in der Person des Täters im konkreten Einzelfall vorhersehbar das Risiko der Begehung rechtswidriger Taten signifikant erhöht haben. Soweit in diesem Zusammenhang teilweise zusätzlich gefordert wird, der Täter müsse schon zuvor nach Ausmaß und Intensität mit der jetzigen Tat vergleichbare Straftaten begangen haben (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 6, 14, 16; weitere Nachweise bei Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 21 Rdn. 20), hält der Senat daran nicht fest. An die Vergleichbarkeit sind schon nach bisheriger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4). Zu differenzieren ist hier allenfalls nach weit zu fassenden Deliktsgruppen. Wer unter dem Einfluß erheblicher Mengen Alkohol – wie er aufgrund persönlicher Vorerfahrung weiß oder wissen muß – zu gewalttätigen Übergriffen auf andere neigt, den trifft in Hinblick auf die enthemmende Wirkung des Alkohols in Fällen der Gewaltkriminalität grundsätzlich ein schulderhöhender Fahrlässigkeitsvorwurf; anderes gilt nur, wenn die bisher unter Alkoholeinfluß begangenen Straftaten ganz anderer Art waren als die nunmehr zu beurteilende, wenn also die neue Tat so unvergleichbar mit den früheren ist, daß der Täter mit Ähnlichem gar nicht re chnen kann (BGHR aaO). Entscheidend ist somit regelmäßig nicht die äußerliche Vergleichbarkeit der einzelnen Taten, sondern die nämliche Wurzel des jeweiligen deliktischen Verhaltens (Jähnke aaO § 21 Rdn. 22).
Bei alldem müssen die Vorerfahrungen nicht unbedingt zu Vorstrafen oder auch nur Strafverfahren geführt haben. Denn es geht in diesem Zusammenhang um das Wissen des Täters von seiner Gefährlichkeit und nicht notwendig um den – gegebenenfalls hinzutretenden – Gesichtspunkt der Warnfunktion einer früheren Verurteilung.
(2) Die Gefahr der Begehung von Straftaten in erheblich alkoholisiertem Zustand kann indes signifikant und vorhersehbar nicht nur durch die Person des Täters, sondern auch durch die Umstände der jeweiligen Situati-
on erhöht werden. Wer in einer gefahrträchtigen Lage in erheblichem Maße dem Alkohol zuspricht, dem kann schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er sich mit einer gewissen Leichtfertigkeit in die Tatsituation gebracht hat (BGH NStZ 1990, 537, 538). Vorwerfbar ist dabei, daß in einer solchen Situation trotz konkreter Vorhersehbarkeit der durch eine weitere Alkoholisierung drohenden Rechtsbrüche getrunken wird (vgl. auch Jähnke aaO). Insbesondere in stark emotional aufgeladenen Krisensituationen wird die Gefahr von Gewalttätigkeiten durch die enthemmende Wirkung erheblicher Alkoholisierung regelmäßig vorhersehbar erhöht (vgl. BGH NStZ 1990, 537, 538). Gleiches gilt für das Trinken in Gruppen, aus denen heraus – gerade auch aufgrund gruppendynamischer Prozesse – leicht Straftaten gegen andere begangen werden. Wer sich etwa in einer Gruppe marodierender Hooligans oder gewaltbereiter Radikaler betrinkt, muß konkret mit der Begehung von Straftaten im trunkenen Zustand rechnen. Die Alkoholisierung kann – wenn nicht bereits die Grundsätze der actio libera in causa eine Strafmilderung ausschließen – auch nicht demjenigen zugute kommen, der sich in Fahrbereitschaft betrinkt, also weiß oder damit rechnen muß, noch als Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 316 Rdn. 54; König in LK 11. Aufl. § 316 Rdn. 243).
Es macht für die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB auch keinen relevanten Unterschied, ob der Täter in einer erkennbar gewaltträchtigen Situation enthemmend dem Alkohol zuspricht oder sich, sofern ihm dies insoweit vorzuwerfen ist, bereits durch Trunkenheit enthemmt, bewußt in eine solche Situation begibt. Wer sich schon angetrunken einer gewaltbereiten Gruppe anschließt, dem kann schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er trotz der bekanntermaßen enthemmenden Wirkung seiner Alkoholisierung eine gewaltträchtige Situation aufgesucht hat.
In diesem Zusammenhang muß es auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Trunkenheit als solche vorwerfbar ist oder nicht, da auch
letzterenfalls andere schulderhöhende Momente die Versagung der Strafmilderung rechtfertigen können (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände ist es deshalb nicht ohne weiteres ausgeschlossen, auch einem alkoholabhängigen Täter zwar nicht die Alkoholisierung als solche , aber – bei insoweit noch vorhandener Hemmungsfähigkeit – als schulderhöhend vorzuwerfen, daß er sich bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben hat, obwohl er wußte oder wissen mußte, daß er sich dort infolge seiner Beherrschung durch den Alkohol nur eingeschränkt werde steuern können. Je eher ein alkoholabhängiger Täter von den infolge seines Zustandes von ihm ausgehenden Gefahren für andere weiß – etwa aufgrund früher unter Alkoholeinfluß begangener Straftaten – und je schwererwiegend die Straftaten sind, mit deren Begehung er rechnet oder rechnen muß, desto weniger wird eine Strafmilderung in Betracht kommen, wenn er sich dessen ungeachtet in eine gewaltträchtige Situation begeben hat und ihm dies vorzuwerfen ist (vgl. auch BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29).
(3) Auch in anderer Weise kann an ein konkret tatbezogenes Verschulden des Täters vor Tatbeginn angeknüpft und eine Strafmilderung trotz Tatbegehung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit aufgrund vorhergehender schulderhöhender Momente versagt werden. So hat nach den Grundsätzen der – im Rahmen des § 21 StGB unproblematisch anwendbaren (vgl. Lenckner/Perron aaO § 21 Rdn. 11 m.w.N.) – actio libera in causa eine Strafmilderung regelmäßig auszuscheiden, wenn sich die Vorstellung des Täters in nicht berauschtem Zustand schon auf eine bestimmte Tat bezogen hat (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3; § 21 Strafrahmenverschiebung 22; BGH NStZ 1999, 448). Wurde der Tatentschluß zu einer Zeit gefaßt, in der eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens noch nicht vorlag, wird deshalb zumeist für eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kein Raum sein (vgl. BGHSt 34, 29, 33; BGH, Beschluß vom 15. April 1999 – 4 StR 93/99, zitiert bei Detter NStZ 1999, 495; BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3). Verstärkt gilt dies, wenn
der Täter sich gar gezielt berauscht hat, um hierdurch vorhandene Hemmungen gegen eine Tatausführung abzubauen.
(4) Die Wertung, ob im Falle erheblicher Minderung der Steuerungsfähigkeit der Strafrahmen gemildert werden soll oder nicht, hat grundsätzlich der Tatrichter anhand einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4 und Strafrahmenverschiebung 21). Ihm obliegt es auch, die Begriffe der objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit strafbaren Verhaltens bei vorwerfbarer Alkoholisierung anhand der besonderen Umstände in der Person des Täters und in der Situation des Tatgeschehens in wertender Betrachtung auszufüllen. Seine Bewertung wird das Revisionsgericht, wenn sie auf einer vollständigen Auswertung der maßgeblichen Tatsachengrundlagen beruht, regelmäßig hinzunehmen haben, auch wenn anderes vertretbar oder gar näherliegend gewesen wäre.
Bei Anwendung der genannten Grundsätze wird bei Gewaltdelikten in vielen Fällen eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nach vorwerfbarer Alkoholisierung ausscheiden. Zumeist liegen entweder in der Person des Täters oder doch zumindest in der Situation Umstände vor, die in Zusammenhang mit der Alkoholisierung das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant erhöht haben. An die Überzeugungsbildung des Tatrichters dürfen dabei nicht übertrieben hohe Anforderungen gestellt werden; die vielfältig verheerenden Wirkungen übermäßigen Alkoholgebrauchs sind allgemeinkundig.
Im Rahmen der Abwägung aller schuldrelevanten Umstände kann auch von Bedeutung sein, welchen Grad die Enthemmung durch Alkoholisierung innerhalb des durch § 21 StGB abgesteckten Rahmens erreicht hat. Eine solchermaßen differenzierende Bestimmung des Umfangs und der Auswirkungen verminderter Schuldfähigkeit auf die Tatschuld setzt jedoch
nachvollziehbare Darlegungen des Tatrichters voraus (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 2, 17).
Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände des Einzelfalls können auch solche schulderhöhenden Momente gegen eine Strafmilderung sprechen, die nicht unmittelbar mit der Berauschung verknüpft sind (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 11; BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Hierzu können eine Mehrzahl von Geschädigten oder mitverwirklichte Straftatbestände ebenso zählen wie die näheren Umstände der Tatausführung oder andere Tatmodalitäten (vgl. BT-Drucks. aaO; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5 und Strafzumessung 18). Auch einem erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit verminderten Täter kann nämlich die Art der Tatausführung – etwa eine besonders gefühlskalte, rücksichtslose oder brutale Tatbegehung – schulderhöhend vorgeworfen werden (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 15 und Strafzumessung 4, 18). In diesem Fall wird der Tatrichter jedoch zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu beachten haben, daß diese Umstände die Tatschuld nicht im gleichen Ausmaß wie bei nicht berauschten Tätern erhöhen, sofern sie ihren Grund in der erheblichen Verminderung der Hemmungsfähigkeit haben (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 28, 33 m.w.N.; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5); eine Ausnahme hiervon kommt indes in Betracht, wenn dem Täter in Hinblick auf seine bisherigen Erfahrungen unter Alkoholeinfluß vor dem Hintergrund des von ihm weiterhin nicht gezähmten Alkoholgenusses gerade eine derart schwerwiegende Art seines Tatverhaltens zum Vorwurf gemacht werden müßte (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 15).
(5) In Fällen, in denen die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe in Frage steht, wird der Tatrichter besonders darauf Bedacht zu nehmen haben , daß der schuldmindernde Umstand einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit angesichts der Absolutheit der Strafdrohung ohne Strafrahmenverschiebung bei der konkreten Strafzumessung nicht berücksichtigt
werden kann; die Frage der Strafrahmenverschiebung gewinnt im Vergleich zur Prüfung bei zeitigen Freiheitsstrafen deshalb ungleich mehr an Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 4 StR 54/04). Dies wird zu besonders sorgfältiger Prüfung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände sowie zu einer im Zweifel eher zurückhaltenden Gewichtung zu Lasten des Täters Anlaß geben müssen (vgl. BGH StV 2003, 499). Wenn allein die Wahl zwischen lebenslanger Freiheitsstrafe und einer zeitigen Freiheitsstrafe besteht, müssen deshalb besondere erschwerende Gründe vorliegen, um die mit den Voraussetzungen des § 21 StGB verbundene Schuldminderung so auszugleichen, daß die gesetzliche Höchststrafe verhängt werden darf (st. Rspr., vgl. BGHR § 21 Strafrahmenverschiebung 7, 8, 12, 18, 25; vgl. auch BVerfGE 50, 5, 11). Gebieten solche Umstände wie etwa das schuldsteigernde Tatbild die Versagung einer Strafrahmenverschiebung und die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe, wird eine Feststellung besonderer Schuldschwere nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB trotz erheblich verminderter Schuldfähigkeit nur in besonders gravierenden Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluß vom 14. Juni 1999 – 5 StR 177/99; vgl. auch BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 25).
Bedenklich kann aus entsprechenden Gründen auch die Verhängung der für das Delikt vorgesehenen zeitigen Höchststrafe aus dem nicht nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB geminderten Strafrahmen trotz erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit sein (vgl. RGSt 69, 314, 317).
(6) Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß das, was für Alkohol gilt, nicht ohne weiteres gleichermaßen auf andere Genuß- und Betäubungsmittel übertragen werden kann (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tage – 5 StR 591/03). Die enthemmende und hierdurch teils aggressionsfördernde Wirkung des Alkohols ist allgemein bekannt. Bei Betäubungsmitteln sind die Wirkungsweisen dagegen differenzierter und unter Umständen weniger konkret vorhersehbar, zumal die Dosierung und die individuelle Verträglichkeit meist von Fall zu Fall erheblichen Schwankungen unterliegen.

c) Dem gefundenen Ergebnis widersprechen weder die historischen Absichten des Gesetzgebers noch der Rechtsgedanke des § 323a StGB.
(1) Die Überlegungen des historischen Gesetzgebers sprechen nicht für einen Grundsatz, wonach im Falle vorwerfbarer Alkoholisierung eine Strafmilderung stets zu versagen ist (Neumann StV 2003, 527, 528 m.w.N.; vgl. aber BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31; Foth DRiZ 1990, 417, 418 ff.; ders. NStZ 2003, 597, 598; zur historischen Entwicklung ausführlich : Rautenberg, Verminderte Schuldfähigkeit, 1984, S. 9 ff. m.w.N.; Schnarr in: Hettinger [Hrsg.], Reform des Sanktionenrechts, 2001, Band 1, S. 7 ff.). Eine dem heutigen § 21 StGB entsprechende Vorschrift wurde erstmals durch das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl. I, 995) in das deutsche Strafgesetzbuch eingeführt. Aus der amtlichen Gesetzesbegründung ergeben sich für die aufgeworfene Frage keine tragfähigen Hinweise (vgl. ReichsAnz 1933, Nr. 277, Erste Beilage, S. 1, linke Spalte). Die Gesetzesänderung fußte indes auf der umfangreichen kriminalpolitischen Reformdiskussion der Zwanziger Jahre (hierzu näher Foth, jeweils aaO; Rautenberg aaO). Dabei wurde zwar auch eine gesetzliche Ausnahme der vorgesehenen Milderung bei vorwerfbarer Alkoholisierung vorgeschlagen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 des Amtlichen Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1925; ebenso bereits § 18 Abs. 2 des Entwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1919 und § 63 Abs. 2 des Vorentwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1909; ausführlich hierzu Rautenberg aaO). Gegen diese Vorschläge wurden jedoch auch zur damaligen Zeit gewichtige Bedenken geltend gemacht (vgl. Alsberg in Aschrott/Kohlrausch [Hrsg.], Reform des Strafrechts, 1926, S. 51, 73 ff.). Letztlich sind die in den Entwürfen verschiedentlich vorgesehenen ausdrücklichen Ausnahmen bei vorwerfbarer Alkoholisierung nicht Gesetz geworden. In den Beratungen der Reichstagsvorlage von 1927 wurde hierzu erklärt, den Reichsrat hätten zwei Gründe veranlaßt, den vorgesehenen Ausschluß einer Strafmilderung bei Trunkenheit (§ 17 Abs. 2 Satz 2 des Amtlichen Entwurfs von 1925) zu strei-
chen und statt der obligatorischen eine fakultative Milderung vorzuschlagen: Zum einen erscheine die Konsequenz unerträglich, dem ganz betrunkenen Täter eine Milderung zu gewähren, nicht aber dem nur halb betrunkenen; zum anderen sei nicht einzusehen, warum die Frage der Selbstverschuldung nur bei der Trunkenheit berücksichtigt werden sollte (vgl. Rautenberg DtZ 1997, 45, 47 m.w.N.). Dies legt nahe anzunehmen, daß der Gesetzgeber in Kenntnis entgegenstehender Vorschläge bewußt auf eine solche Regelung verzichtet hat, also gerade keine zwingende Versagung der Strafmilderung in diesen Fällen wollte (Neumann StV 2003, 527, 528). In der Gesetzesbegründung von 1933 heißt es lediglich, die Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit sei Grundlage für eine Strafmilderung, wobei das Gesetz von den Beschlüssen der Reichstagsausschüsse insoweit abweiche, als die Milderung nicht zwingend sei, sondern in das Ermessen des Richters gestellt werde (ReichsAnz aaO).
Die Gesetzesmaterialien zur Reform des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs in den Sechziger Jahren, die zur Formulierung des § 21 StGB in der heutigen Form geführt hat, sprechen gleichermaßen für eine differenzierende Lösung. § 21 StGB wurde einerseits als Kann-Vorschrift konzipiert , um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Verminderung der Schuldfähigkeit nicht notwendig zu einer Minderung der Schuld in ihrer Gesamtheit führt; im Rahmen einer Gesamtwürdigung sollten außer dem Grad der Schuldfähigkeit auch andere schuldrelevante Umstände berücksichtigt werden können (BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Hierzu gehören nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur unmittelbar der Tat anhaftende Schuldumstände wie etwa eine große Anzahl getöteter Menschen, sondern auch schuldrelevante Umstände vor der Tat wie insbesondere die schuldhafte Herbeiführung der verminderten Schuldfähigkeit (ebd.). Ausdrücklich sprach sich der Gesetzgeber andererseits gegen eine Vorschrift aus, wonach die Strafmilderung – entsprechend den Vorschlägen in den Entwürfen von 1909 und 1925 – bei vorwerfbarer Alkoholisierung stets zu versagen sei (BT-Drucks. IV/650, S. 142 rechte Spalte). Zu der entsprechenden Regelung
in § 7 WStG, wonach bei selbstverschuldeter Trunkenheit eine Strafmilderung ausscheidet, wenn die Tat eine militärische Straftat ist, gegen das Kriegsvölkerrecht verstößt oder in Ausübung des Dienstes begangen wurde, wird dabei auf die besonderen Anforderungen an militärische Disziplin verwiesen. In das allgemeine Strafrecht könne dieser Rechtsgrundsatz nicht ohne weiteres übertragen werden (ebd.).
Gerade die Vorschrift des § 7 WStG läßt sich systematisch stimmig eher erklären, wenn es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach bei vorwerfbarer Alkoholisierung grundsätzlich mangels Minderung der Gesamtschuld von einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Abstand zu nehmen ist. Gäbe es nämlich einen solchen Grundsatz, wäre § 7 WStG überflüssig. Unverständlich wäre in diesem Fall auch die Beschränkung des Milderungsverbots auf militärische Straftaten und solche, die gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen oder in Ausübung des Dienstes begangen werden. Aus § 7 WStG folgt vielmehr im Umkehrschluß, daß „selbstverschuldete“ Trunkenheit in anderen Fällen durchaus die Strafe mildern kann, also nicht stets jede Strafmilderung aufgrund des Umstandes ausscheidet, daß der Rauschzustand vorwerfbar herbeigeführt wurde.
Schließlich hat der Gesetzgeber auch im Rahmen der Reformdiskussion anläßlich der deutschen Wiedervereinigung trotz entsprechender Vorschläge gerade nicht diejenigen Normen des Strafrechts der DDR übernommen , wonach eine Strafmilderung bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit ausscheidet, wenn sich der Täter schuldhaft in einen die Zurechnungsfähigkeit vermindernden Rauschzustand versetzt hat (§ 16 Abs. 2 Satz 3 StGBDDR; vgl. auch § 15 Abs. 3 StGB-DDR; dazu näher Neumann StV 2003, 527 mit Fn. 3; Rautenberg DtZ 1997, 45).
(2) Auch die Vorschrift des § 323a StGB spricht nicht für eine Versagung der Strafmilderung in allen Fällen schuldhafter Alkoholisierung. Das Vergehen des Vollrauschs ist von allen anderen Straftatbeständen tatsäch-
lich und rechtlich verschieden (BGHSt 1, 275, 277). Es handelt sich zudem bei dieser Strafnorm um „eine der umstrittensten, wenn nicht die strittigste des ganzen Strafgesetzbuchs“ (Spendel in LK 11. Aufl. § 323a Rdn. 1). Auch der Bundesgerichtshof ist deshalb bislang nicht zu einem durchgehend einheitlichen Verständnis dieser Vorschrift gelangt (vgl. etwa BGHSt 10, 247 einerseits, BGHSt 16, 124 andererseits). Der Ort, den – in den Schwierigkeiten der Sache angelegten (vgl. Spendel aaO § 323a Rdn. 2) – Streit zum Verständnis des § 323a StGB zu klären, kann indes nicht die hier zur Entscheidung stehende Frage sein, ob bei zu verantwortender Alkoholisierung eine Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte oder nicht (vgl. Streng NJW 2003, 2963, 2965).
Die Anwendung des Vollrauschtatbestandes setzt stets voraus, daß der Täter aufgrund nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit wegen seines rechtswidrigen Tuns ansonsten überhaupt nicht bestraft werden könnte. Für eine solche Regelung gibt es unzweifelhaft ein kriminalpolitisches Bedürfnis (vgl. BGHSt [GS] 9, 390, 395; Spendel aaO § 323a Rdn. 2). Diese Frage stellt sich im Rahmen des § 21 StGB jedoch nicht, weil es hier nicht um die Alternative völliger Straflosigkeit, sondern lediglich um die Strafrahmenwahl geht (vgl. Neumann StV 2003, 527, 529). Bei § 21 StGB spielen deshalb Gesichtspunkte eine Rolle, die im Rahmen des § 323a StGB aufgrund der notwendigen Struktur des Vollrauschtatbestandes keine Berücksichtigung finden können.
Zudem geht es bei § 21 StGB nicht wie bei § 323a StGB um Rauschzustände, die (zumindest nicht ausschließbar) wegen aufgehobener Schuldfähigkeit den Schuldvorwurf bezüglich des rechtswidrigen Tuns vollständig entfallen lassen. Der Vorschrift des § 323a StGB läßt sich nicht der Rechtsgedanke entnehmen, jeder Rausch, wie stark er auch sei, werde von der Rechtsordnung mißbilligt; aus § 323a StGB läßt sich lediglich folgern, daß ein Rausch dann als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn er (zumindest nicht ausschließbar) zur völligen Aufhebung der Steuerungsfä-
higkeit führt, sich der Täter also im Umgang mit seiner Umwelt zu einem völlig unberechenbaren Risiko macht.
Die Ansicht, eine die Steuerungsfähigkeit lediglich vermindernde Alkoholisierung sei für sich schon rechtswidrig oder zumindest schulderhöhend , würde zudem zu Spannungen mit anderen Rechtsgrundsätzen führen. Im Zusammenhang mit der Gastwirtshaftung hat der Bundesgerichtshof etwa festgestellt, daß der Ausschank und Genuß alkoholischer Getränke in Gastwirtschaften zu den allgemein als sozial üblich anerkannten Verhaltensweisen gehört, auch wenn dies nicht selten zu körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen bis zur Grenze der rechtlichen Verantwortlichkeit führt (BGHSt 19, 152, 154). Die Verabreichung alkoholischer Getränke wird als sozial übliches und von der Allgemeinheit gebilligtes Verhalten deshalb auch nicht als pflichtwidrig oder rechtswidrig angesehen (BGHSt 26, 35, 37 f.; vgl. auch Streng NJW 2003, 2963, 2965 m.w.N.). Dies gilt solange, als der Trinkende, sei es auch nur eingeschränkt, rechtlich verantwortlich ist. Anders verhält es sich nur, wenn die Trunkenheit offensichtlich einen solchen Grad erreicht, daß der Trunkene nicht mehr Herr seiner Entschlüsse ist und nicht mehr eigenverantwortlich handeln kann (BGHSt 26, 35, 38).
Hinzu kommt folgendes: Das Spannungsverhältnis zwischen § 323a StGB einerseits und §§ 21, 49 Abs. 1 StGB andererseits läßt sich aufgrund der derzeitigen Gesetzesfassung nicht ohne jeden Wertungswiderspruch lösen (Neumann StV 2003, 527, 528 ff.; Streng NJW 2003, 2963, 2965). Ungereimt erscheint es einerseits, wenn bei Straftaten mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe dem vermindert schuldfähigen Betrunkenen eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gewährt wird und ihm dann eine geringere Strafe droht als demjenigen, der rauschbedingt (zumindest nicht ausschließbar) schuldunfähig handelt (vgl. BGH StV 1997, 73, 75; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Dem wird freilich dadurch Rechnung zu tragen sein, daß bei der Strafzumessung im Rahmen des § 323a StGB auf Grundlage des in § 323a Abs. 2 StGB zum Ausdruck ge-
kommenen Rechtsgedankens darauf Bedacht genommen wird, welcher Strafrahmen sich dem weniger Betrunkenen öffnen würde (vgl. BGHR StGB § 323a Strafzumessung 5). Die Auflösung des Widerspruchs durch die generelle Versagung einer Strafrahmenverschiebung bei vorwerfbarer Alkoholisierung (so BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31) geht in Fällen schwererer, den Strafrahmen des § 323a Abs. 1 StGB überschreitender Delikte über das Gebotene hinaus und führt sogleich zu anderen, weit gewichtigeren Wertungswidersprüchen (vgl. Neumann StV 2003, 527, 529). Diese ergeben sich augenfällig bei schwerwiegenden Verbrechen, etwa Tötungsdelikten , wenn dem Täter bei verschuldeter Alkoholisierung jede Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt wird, bei noch höherer Alkoholisierung , die nicht ausschließbar zur Schuldunfähigkeit führt, dann anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe oder eines Strafrahmens von Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren nur noch Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren gemäß § 323a Abs. 1 StGB angedroht ist (Neumann aaO; vgl. hierzu auch die Gesetzgebungsvorschläge zur Änderung des § 323a StGB in BT-Drucks. 14/545 und 14/759, ablehnend BT-Drucks. 14/9148).

d) Die vom Tatgericht vorgenommene Zubilligung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB begegnet hier letztlich durchgreifenden Bedenken.
(1) In Anwendung der oben genannten Grundsätze hätte sich das Landgericht bei der notwendigen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände bei dem Angeklagten G nicht zur Begründung der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit der Überlegung begnügen dürfen, dessen Alkoholisierung sei unverschuldet, weil er weitgehend vom Alkohol beherrscht werde. Es hätte auch erwägen müssen, ob dem etwa schulderhöhend entgegensteht, daß dieser Angeklagte sich zu dem späteren Opfer in der festen Absicht begeben hat, an diesem seine Freude an Gewalttätigkeiten auszuleben, und dabei ersichtlich in Kauf nahm, infolge seiner Alkoholisierung besonders enthemmt zu sein, zudem durch weitere
Alkoholisierung zunehmend enthemmt zu werden. Auch demjenigen, der weitgehend durch Alkohol beherrscht wird, kann unter Umständen schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er sich trotz Vorhersehbarkeit – zumal weiterer – alkoholischer Enthemmung bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben hat. Aus den vom Tatrichter getroffenen Feststellungen zu dem schon in der Ausgangssituation gewaltträchtigen Tatgeschehen erschließt sich zwanglos, daß für ihn bei Beginn des Tatgeschehens ohne weiteres vorhersehbar war, daß seine vorhandene und weiter drohende Alkoholisierung das Risiko erheblicher Gewalttaten signifikant erhöht hat; vieles spricht auch dafür, daß er das Aufsuchen dieser gewaltträchtigen Situation ohne weiteres vermeiden konnte.
Es ist zudem nicht ausgeschlossen, daß einer Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bereits die oben genannten Grundsätze der actio libera in causa entgegenstehen. Hierfür reichen indes die bisherigen Feststellungen nicht aus, zumal angesichts des sich über mehrere Stunden hinziehenden Tatgeschehens; es bleibt nämlich unklar, ob der Angeklagte G , als er den Entschluß faßte, das Opfer zu mißhandeln, bereits in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war oder nicht (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3).
(2) Bei dem Angeklagten M entbehrt die Annahme, auch dessen Trunkenheit sei unverschuldet gewesen, bereits jeder tatsächlichen Grundlage. Das Landgericht hat diese Feststellung ohne nähere Angaben allein auf die Anwendung des Zweifelsatzes gestützt. Der Zweifelsatz bedeutet indes nicht, daß das Gericht von der dem Angeklagten günstigsten Fallkonstellation auch dann ausgehen muß, wenn hierfür – wie vorliegend – keine Anhaltspunkte bestehen (BGH NJW 2003, 2179 m.w.N.). Ohne weitere tatsächliche Anhaltspunkte wird der neue Tatrichter dem Angeklagten M nicht unterstellen dürfen, daß seine Trunkenheit unverschuldet ist; die Feststellungen zu seinem Vorleben bieten hierfür keinerlei Anlaß. Bei der etwaigen Prüfung einer erneuten Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wird
die Strafkammer in Anwendung der oben genannten Grundsätze einerseits zwar bedenken müssen, daß M nach den bisherigen Feststellungen bislang nicht durch Gewalttaten unter Alkoholeinfluß auffällig geworden ist. Gegen eine Strafrahmenverschiebung dürfte andererseits aber sprechen, daß er sich bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben und in dieser weiter dem Alkohol zugesprochen hat.
(3) Es läßt sich auch nicht ausschließen, daß der Rechtsfolgenausspruch auf einer etwa fehlerhaft zugebilligten Strafrahmenverschiebung beruht. Die Höhe der verhängten Strafen erscheint zwar für die von der Staatsanwaltschaft noch beim Schöffengericht angeklagte Tat im Ergebnis nicht unangemessen. Angesichts des gesamten Tatbildes läßt sich von Seiten des Revisionsgerichts aber auch nicht etwa feststellen, daß eine etwas schwerere Bestrafung nicht mehr schuldangemessen wäre.
(4) Die Feststellungen des Tatgerichts zum Strafausspruch – und damit auch diejenigen zu den Voraussetzungen des § 21 StGB – sind insgesamt aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter wird danach (sachverständig beraten) die bisherigen Befunde zur Alkoholisierung der Angeklagten , namentlich in Hinblick auf die Fahrfähigkeiten G s und fehlende Angaben bei M , kritisch zu hinterfragen haben. Gegebenenfalls wird zumindest bei dem Angeklagten G zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) vorliegen und diese Maßregel deshalb neben der Strafe anzuordnen ist.

III.


Die Revision des Angeklagten M ist offensichtlich unbegründet. Die tatgerichtlichen Feststellungen zu seiner sicheren Identifizierung als Mittäter – bei mißlungenem Alibibeweis – sind sachlichrechtlich nicht zu beanstanden. Zulässige verfahrensrechtliche Beanstandungen im Zusammenhang mit Wiedererkennungsleistungen sind nicht erhoben worden.
Basdorf Häger Gerhardt Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 504/15
vom
24. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:240816U2STR504.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. August 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 22. Juni 2015 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass im Fall II. 2 der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung entfällt. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf sachlich-rechtliche Einwendungen gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch.
2
Die Revision des Angeklagten hat den aus dem Urteilstenor ersichtlichen geringen Teilerfolg und führt zum Wegfall des Schuldspruchs wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Fall II. 2 der Urteilsgründe; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Nach einer gemeinsam mit Freunden in einer Diskothek verbrachten Nacht begegnete der erheblich alkoholisierte und infolge einer körperlichen Auseinandersetzung mit unbekannten Dritten aggressiv gestimmte Angeklagte am 19. Oktober 2014 gegen 5.30 Uhr in einer Grünanlage der ihm unbekannten 75 Jahre alten Nebenklägerin. Seine Frage, ob er ihr helfen könne, beantwortete die Nebenklägerin dahin, dass er sie in Ruhe lassen solle. Aus Wut über diese Zurückweisung versetzte der Angeklagte ihr unvermittelt einen Faustschlag ins Gesicht, in dessen Folge die dem Angeklagten körperlich deutlich unterlegene Nebenklägerin zu Boden stürzte. Anschließend schlug der Angeklagte mehrfach wuchtig mit der Faust auf Gesicht und Kopf der Nebenklägerin ein.
Dabei war ihm bewusst, dass diese Faustschläge geeignet waren, die Nebenklägerin lebensgefährlich zu verletzen. Er ließ schließlich von der laut um Hilfe rufenden, erhebliche Gesichtsverletzungen aufweisenden Nebenklägerin ab und entfernte sich.
5
2. Nach einiger Zeit fasste der Angeklagte den Entschluss, zur Nebenklägerin zurückzukehren. Er packte die mittlerweile auf einer Parkbank sitzende , durch die vorhergehenden Misshandlungen erheblich verletzte und wehrlose Nebenklägerin, riss sie zu Boden und setzte sich auf sie. Anschließend versetzte er ihr zielgerichtet einen weiteren wuchtigen Faustschlag gegen den Kopf, durch den sie Schmerzen erlitt; er öffnete seine Hose, entblößte seinen erigierten Penis und forderte die Nebenklägerin durch eine Geste auf, den Oralverkehr an ihm zu vollziehen. Die sich zur Wehr setzende Nebenklägerin kniff den Angeklagten in die Hoden. Daraufhin schob der Angeklagte Hose und Unterhose der Nebenklägerin gegen ihren Widerstand nach unten, stieß seine flache Hand mit „äußerst massiver Wucht“ in die Vagina der Nebenklägerin und bewegte sie mehrere Male heftig hin und her. Dabei fügte er ihr, wie er erkannte und billigte, schwere, den Bauchraum und den Darm eröffnende lebensgefährliche Pfählungsverletzungen zu. Die Nebenklägerin schrie vor Schmerzen laut auf, rief anhaltend um Hilfe und kotete sich ein. Schließlich ließ der Angeklagte von der schwer verletzten Frau ab und entfernte sich.
6
Die Nebenklägerin wurde von Polizeikräften in ein Krankenhaus transportiert und ihr Leben durch eine sofortige Notoperation gerettet. Die erlittenen ausgeprägten Pfählungsverletzungen erforderten eine Rekonstruktion von Vulva und Vagina der Nebenklägerin; sie befand sich bis zum 27. Oktober 2014 in stationärer Behandlung und litt noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung unter den Folgen des Tatgeschehens.

7
Sachverständig beraten ist das Landgericht, das aufgrund der vagen Trinkmengenangaben des Angeklagten sowie einer sehr langen Trinkzeit zwischen 12.00 Uhr am Vortag und 3.30 Uhr am Tattag eine maximale Blutalkoholkonzentration nicht zu berechnen vermochte, von einer möglichen Blutalkoholkonzentration von 4,34 Promille ausgegangen, es hat angenommen, dass die Schuldfähigkeit des trinkgewohnten Angeklagten infolge des zuvor genossenen Alkohols nicht ausschließbar erheblich vermindert (§ 21 StGB) gewesen ist.

II.

8
Die Revision des Angeklagten:
9
1. Die Feststellungen, die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhen, tragen den Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung im Fall II. 2 der Urteilsgründe, nicht jedoch den Schuldspruch wegen tateinheitlich hierzu verwirklichter vorsätzlicher Körperverletzung.
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision bestehen keine Zweifel daran, dass der Angeklagte den Straftatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) und b) StGB verwirklicht hat. Die Handlungen des Angeklagten sind – entgegen der Auffassung der Revision – ungeachtet der Frage, ob die Tat eher „Wut- und Bestrafungscharakter“ trug, als sexuelle Handlungen im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB) anzusehen.
11
Bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogenen Handlungen kommt es auf die Motivation des Täters nicht an (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049). Gleichgültig ist deshalb, ob er die sexuelle Handlung aus Wut, als Akt der Bestrafung , aus Sadismus oder aus anderen Gründen vornimmt (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11, BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 9, NStZ-RR 2013, 10, 12). Der ausdrücklichen Feststellung einer sexuellen Absicht des Täters bedarf es bei objektiv sexualbezogenen Handlungen, anders als bei äußerlich ambivalenten Handlungen, nicht. Insoweit genügt es, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, BGHR StGB § 184g Sexuelle Handlung 2, NStZ-RR 2008, 339, 340). Hieran bestehen ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen keine Zweifel.
12
b) Jedoch hält die Annahme, der Angeklagte habe tateinheitlich hierzu den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) verwirklicht , indem er der Nebenklägerin einen Faustschlag versetzte, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
13
Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe diente der Faustschlag bereits der Umsetzung des Tatentschlusses des Angeklagten, die Nebenklägerin zur Vornahme einer sexuellen Handlung - der Ausführung des Oralverkehrs an sich - zu nötigen. Er war damit Teil der gezielt zum Zwecke der sexuellen Nötigung seines Opfers eingesetzten Gewalt des Angeklagten, die mit der in unmittelbarem Anschluss verwirklichten besonders schweren Vergewaltigung eine Tat im Rechtssinne bildete. Bei dieser Sachlage wird – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB von § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) StGB verdrängt (Fischer StGB, 63. Aufl., § 177 Rn. 105a).

14
Die Korrektur des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Die Strafkammer hat die tateinheitliche Verwirklichung dieses Delikts ausdrücklich nicht strafschärfend berücksichtigt (UA S. 53). Vor diesem Hintergrund schließt der Senat aus, dass der Tatrichter eine mildere Strafe verhängt hätte, wenn er die Konkurrenzverhältnisse, die den Schuldgehalt der Tat im Übrigen unberührt lassen, rechtsfehlerfrei beurteilt hätte.
15
3. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
16
a) Die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe sein Opfer „aus nichtigem Anlass angegriffen“ und die Tat aus „nicht nachvollziehbarem Anlass“ begangen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
17
aa) Allerdings wäre es rechtlich bedenklich, wenn der Tatrichter dem Angeklagten mit der genannten Erwägung das Fehlen verständlicher Motive für seine Tat strafschärfend zur Last gelegt hätte. Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung sind strafmildernd, das bloße Fehlen verständlicher Motive jedoch nicht strafschärfend zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 23. März 2011 – 2 StR 35/11; Beschluss vom 17. April 2012 – 2 StR 73/12, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 37; Beschluss vom 15. September 2015 – 2 StR 21/15, NStZ-RR 2016, 40; vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 73; 76b a.E.; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 9. Januar 2013 – 5 StR 395/12, BGHR StGB § 224 Strafzumessung 1). Es wäre rechtsfehlerhaft, dem Fehlen eines Strafmilderungsgrunds strafschärfende Bedeutung beizumessen (Niemöller, GA 2012, 337 ff.).

18
bb) Die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung hat sich jedoch am sachlichen Gehalt der tatrichterlichen Ausführungen und nicht an ihren – möglicherweise missverständlichen oder sonst unzulänglichen – Formulierungen zu orientieren (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.; Senat, Urteil vom 9. Oktober 2013 – 2 StR 119/13, StV 2014, 478, 479). Die vom Tatrichter gebrauchte Formulierung, der Angeklagte habe die Nebenklägerin „aus nichtigem Anlass“ angegriffen, stellte ersichtlich auf das Tatmotiv ab; nach den Feststellungen entschloss sich der Angeklagte zu dem körperlichen Angriff auf die Nebenklägerin, weil er sich durch die erfolgte Zurückweisung seines Angebots, ihr zu helfen, „provoziert und verärgert“ fühlte. Die Kammer hat durch die genannte Strafzumessungserwägung ersichtlich nicht einen fehlenden Strafmilderungsgrund strafschärfend berücksichtigt, sondern – rechtlich unbedenklich – auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Anlass und Tat abgestellt. Der Tatrichter hat damit die Tätermotivation und da- mit zugleich die aus der Tat sprechende „Gesinnung“ im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB als besonders verwerflich charakterisiert und strafschärfend berücksichtigt. Dies ist – wie beispielsweise das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes zeigt, der die Tat bei einem „eklatanten Missverhältnis zwischen Anlass und Tat“als Mord qualifiziert und mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht (vgl. Fischer StGB, 63. Aufl., § 211 Rn. 18) – von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
19
b) Zu einer Erörterung des vertypten Strafmilderungsgrunds des TäterOpfer -Ausgleichs (§ 46a StGB) bestand vorliegend kein Anlass. Zwar hat der Angeklagte an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld gezahlt und sich zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldbetrags verpflichtet. Es fehlt jedoch – wiedie tatrichterliche Feststellung, die Nebenklägerin habe diese Entschuldi- gung des Angeklagten „mit starrer Miene aufgenommen“ (UA S. 17) belegt – erkennbar an dem von § 46a Nr. 1 StGB vorausgesetzten kommunikativen, auf einen umfassenden friedensstiftenden Ausgleich der Tatfolgen angelegten Prozess zwischen Täter und Opfer (BGH, Urteil vom 3. November 2011 – 3 StR 267/11, NStZ-RR 2012, 43; Senat, Urteil vom 11. September 2013 – 2 StR 131/13, BGHR StGB § 46a Anwendungsbereich 4, NStZ-RR 2013, 372).
20
c) Auch die Bemessung der Gesamtstrafe begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar hat die Strafkammer insoweit zunächst pauschal auf die für die Bemessung der Einzelstrafen maßgeblichen, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verwiesen (vgl. UA S. 54). Anschließend hat sie jedoch auf den strafmildernden Umstand des engen zeitlichen, örtlichen und situativen Zusammenhangs beider Taten abgestellt und den gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB erforderlichen eigenständigen Strafzumessungsakt damit – wie geboten – an „gesamtstrafenspezifischen Kriterien“ (Senat, Beschluss vom 5. August 2010 – 2 StR 340/10; vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 217/13, StraFo 2013, 477; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 54 Rn. 6 mwN) orientiert. Ausgehend hiervon hat sie die im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten als Einsatzstrafe maßvoll auf acht Jahre und sechs Monate erhöht. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

III.

21
Die Revision der Staatsanwaltschaft:
22
Die ungeachtet der Schuldspruchkorrektur im Fall II. 2 der Urteilsgründe wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 149/96, NStZ-RR 1996, 267) hat Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht die zugunsten des Ange- klagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB. Auch die Strafzumessung im engeren Sinne hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
23
1. Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung ist die Entscheidung über die fakultative Strafrahmenverschiebung nur eingeschränkt zugänglich; insoweit steht dem Tatrichter ein weiter Ermessensspielraum zu (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1 StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37). Es ist Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2016 – 4 ARs 16/15). Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (BGH, Urteil vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 f.; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
24
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (Senat, Beschluss vom 7. September 2015 – 2 StR 350/15, NStZ-RR 2016, 74; BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30). Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit jedoch auf zu verantwortender Trunkenheit, so spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung vorhersehbar signifikant erhöht hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 ARs 21/15; Beschluss vom 1. März 2016 – 5 ARs 50/15; weitergehend aber BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – 3 StR 63/15, NStZ 2016, 203; Urteil vom 27. März 2003 – 3 StR 435/02, NJW 2003, 2394; Beschluss vom 28. April 2016 – 4 ARs 16/15). Dabei ist als allgemeinkundig vorauszusetzen , dass eine alkoholische Berauschung generell die Hemmschwelle gegenüber sozial auffälligem und aggressivem Verhalten zu senken pflegt (vgl. Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 – 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40). Weiß der Täter oder muss er damit rechnen, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neigt und trinkt er trotzdem Alkohol, so spricht dies in der Regel gegen die Annahme einer Strafrahmenverschiebung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. März 2014 – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, und vom 10. Mai 2016 – 1 ARs 21/15). Einschlägiger Vorverurteilungen bedarf es insoweit nicht (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37). Die genannten Umstände erhöhen die Schuld und können zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Schuldfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen.
25
2. Gemessen hieran hält die tatrichterliche Ermessensentscheidung im Fall II. 1 und im Fall II. 2 auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs rechtlicher Überprüfung nicht stand.
26
Die vom Landgericht angestellten Erwägungen lassen besorgen, dass es von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
27
Das Landgericht ist von einer verschuldeten Trunkenheit ausgegangen. Es hat im Rahmen seiner Entscheidung berücksichtigt, dass der Angeklagte nur fünf Monate vor der verfahrensgegenständlichen Tat wegen einer unter dem Einfluss von Alkohol begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt und ihm mit Bewährungsbeschluss vom 20. Mai 2014 aufgegeben worden ist, mit seinem Bewährungs- helfer „die eventuelle Notwendigkeit von Therapiemaßnahmen zu den Problembereichen Alkohol und Aggressivität zu klären“.Ungeachtet dieser Vorverurteilung hat es dem Angeklagten eine Strafmilderung infolge verschuldeter Trunkenheit nicht versagt, weil es nicht festzustellen vermochte, dass „der Angeklagte selbst davon ausging, dass er erneut eine anlasslose Gewalttat bzw. ei- ne noch darüber hinausgehende Gewalttat begehen könnte“ (UA S. 45) und dass er „sich in Bezug auf die von ihmgetrunkene Alkoholmenge überschätzt und gedacht“ habe, „es wird schon gut gehen“ (UA S. 46). Diese Formulierun- gen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist und nicht hinreichend bedacht hat, dass die Versagung einer Strafmilderung infolge verschuldeter Trunkenheit nicht voraussetzt , dass der Täter Art und Schwere der unter Alkoholeinfluss begangenen konkreten Tat sicher voraussieht oder hätte vorhersehen können undmüssen. Es genügt insoweit, dass er bei Anspannung der ihm möglichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass er unter dem Einfluss von Alkohol zu Straftaten neigt. Dies lag hier jedenfalls nahe. Die vom Landgericht festgestellten und im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung nicht gänzlich unberücksichtigt gebliebenen Vorverurteilungen betrafen jeweils Gewaltdelikte und belegen, dass der Angeklagte zu aggressivem Verhalten neigt. Dass Alkohol generell geeignet ist, aggressive Verhaltensweisen zu verstärken, liegt auf der Hand. Bei dieser Sachlage erscheint nicht nachvollziehbar, inwiefern den Angeklagten unter Schuldgesichtspunkten entlasten sollte, dass er unter diesen besonderen Vorzeichen nicht bereit war, den von ihm und seinem Freundeskreis gepflegten „Lebensstil“, zu dem der übermäßige Genuss von Wodka am Wo- chenende gehörte, zu verändern und hinsichtlich der enthemmenden Wirkung von Alkohol eine gewisse „Gleichgültigkeit“ an den Tag legte.
28
3. Auch die Strafzumessung im engeren Sinne weist Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf.
29
a) Bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat der Tatrichter, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte die Nebenklägerin sowohl körperlich schwer misshandelt (§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) StGB) als auch in die Gefahr des Todes gebracht (§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe b) StGB) und damit zwei Qualifikationstatbestände mit jeweils fünfjähriger Mindeststrafandrohung verwirklicht hat. Unberücksichtigt blieb außerdem, dass der Angeklagte zunächst erfolglos versuchte, die Nebenklägerin zum Oralverkehr zu nötigen, und nach dem Misslingen dieses Versuchs eine sie besonderserniedrigende, sadistisch anmutende sexuelle Handlung an ihr vorgenommen hat.
30
b) Bedenken begegnet schließlich auch die strafmildernde Berücksichtigung der vollzogenen Untersuchungshaft von sechs Monaten. Untersuchungshaft ist, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund; sie wird gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet. Anderes gilt nur in Fällen, in denen der Vollzug von Untersuchungshaft ausnahmsweise mit ungewöhnlichen , über das übliche Maß deutlich hinausgehenden Beschwernissen verbunden ist (Senat, Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 303/13, NStZ-RR 2014, 82, 83). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (Senat, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier.
31
Diese Mängel führen zur Aufhebung der Einzelstrafen und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich um Wertungsfehler handelt. Ergänzende Feststellungen , die den bereits getroffenen Feststellungen nicht widersprechen, sind möglich.

IV.

32
Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Entscheidung über die gegen die tatrichterliche Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

V.

33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO.

34
Die der inzwischen verstorbenen Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen waren dem Angeklagten aufzuerlegen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. September 1983 – 3 Ws 180/83, MDR 1984, 250; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 59. Aufl., § 472 Rn. 1; a.A. KKStPO /Gieg, § 472 Rn. 2). Fischer Krehl Eschelbach RinBGH Dr. Ott ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschrift gehindert. Fischer Bartel

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.