Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juli 2015 - 2 ARs 141/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Mit Beschluss vom 6. November 2012 setzte das Landgericht Duisburg - Strafvollstreckungskammer - die Vollstreckung der weiteren Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie die Vollstreckung von Strafresten aus Urteilen des Landgerichts Aachen und des Amtsgerichts Düren zur Bewährung aus. Mit Schreiben vom 9. Mai 2014 teilte der Bewährungshelfer mit, dass sich der Verurteilte seit dem 3. April 2014 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Aachen befinde. Am 23. Juni 2014 erhielt das Landgericht Duisburg eine Abschrift der zum Landgericht Aachen erhobenen Anklage. Seit dem 14. November 2014 befindet sich der Verurteilte aufgrund rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Aachen in Straf- bzw. Organisationshaft in der Justizvollzugsanstalt Aachen. Am 22. Januar 2015 beantragte die Staatsanwaltschaft Aachen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung.
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- Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg.
- 3
- Die einmal begründete sachliche und örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg blieb gemäß § 462a Abs. 1 Satz 2 StPO auch nach der mit Beschluss vom 6. November 2012 erfolgten Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung für die Entscheidung über den Widerruf bestehen.
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- Die Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Aachen im April 2014 führte nicht dazu, dass die Fortwirkungszuständigkeit des Landgerichts Duisburg beendet und das Landgericht Aachen für die Entscheidung über den Widerruf gemäß § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO örtlich zuständig wurde, weil zu diesem Zeitpunkt nicht Straf- oder Organisationshaft, sondern Untersuchungshaft gegen den Verurteilten vollstreckt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2013 - 2 ARs 267/13, NStZ-RR 2013, 389, 390; BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 ARs 164/12, NStZ-RR 2012, 358; KK/StPO-Appl, 7. Aufl. § 462a Rn. 21, 25 m.w.N.).
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- Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ist auch nicht auf die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen übergegangen, als die in der Justizvollzugsanstalt Aachen vollzogene Untersuchungshaft mit Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Aachen vom 6. November 2014 (Aktenzeichen: 68 KLs 504 Js 356/14 - 13/14) am 14. November 2014 in Organisations-/Strafhaft überging. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg bereits mit der Frage des Bewährungswiderrufs befasst, was bis zur abschließenden Entscheidung einen Zuständigkeitswechsel verhindert.
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- Mit Eingang des Schreibens des Bewährungshelfers vom 9. Mai 2014 und mit Übersendung der Anklageschrift vom 23. Juni 2014 war die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg mit der Frage des Widerrufs der Strafaussetzung befasst im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 358).
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- Mit einer Widerrufssache befasst ist ein Gericht schon, sobald eine nachträgliche Entscheidung von Amts wegen erforderlich sein kann, weil Tatsachen aktenkundig sind, die einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung erfordern können (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 ARs 164/12, NStZ-RR 2012, 358). Solche Tatsachen können der Eingang einer Mitteilung, dass der Verurteilte sich in anderer Sache in Untersuchungshaft befindet, oder die Erhebung einer neuen Anklage sein. Dass die Strafvollstreckungskammer nach derartigen Eingängen daraufhin nichts veranlasst, sondern den Ausgang des Verfahrens abwartet, lässt ihre (fortwirkende) örtliche Zuständigkeit nicht entfallen (BGH, Beschluss vom 27. August 2013 - 2 ARs 267/13, NStZ-RR 2013, 389, 390; KK/StPO-Appl, 7. Aufl. § 462a Rn. 17).
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Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.
(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.
(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.
(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.
(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.
(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.
(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.