Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2013 - 2 ARs 267/13

bei uns veröffentlicht am27.08.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 267/13
2 AR 206/13
vom
27. August 2013
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen Diebstahls
Az.: 2132 Js 14858/09 Staatsanwaltschaft Hannover
Az.: 83/87/72 BRs 16/11 Landgericht Hannover
Az.: NZS 24 StVK 2225/13 Landgericht Oldenburg - Strafvollstreckungskammer
bei dem Amtsgericht Vechta -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 27. August 2013 beschlossen:
Zuständig für die Entscheidung über den Widerruf der mit Beschluss des Landgerichts Hannover vom 1. November 2011 bewilligten Reststrafenaussetzung zur Bewährung ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover.

Gründe:

I.


1
Die Verurteilte befand sich zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. Juni 2011 in der JVA Hannover. Mit Beschluss vom 1. November 2011 setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung aus.
2
Am 21. Januar 2013 teilte der Bewährungshelfer der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover mit, dass sich die Verurteilte seit dem 17. Januar 2013 in der JVA Vechta Abteilung Hildesheim in Untersuchungshaft befand. Am 28. Januar 2013 übersandte die Staatsanwaltschaft der Strafvollstreckungskammer die neue Anklageschrift, aufgrund derer die Verurteilte am 11. April 2013 vom Amtsgericht Hannover rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt wurde; daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft Hannover den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung.
3
Die Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Hannover und des Landgerichts Oldenburg beim Amtsgericht Vechta halten sich jeweils für unzuständig für die Entscheidung über den Widerrufsantrag.

II.

4
Zuständig für die Entscheidung über den Widerrufsantrag ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover.
5
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift ausgeführt: „Der Bundesgerichtshof ist als gemeinsames oberes Gericht nach § 14 StPO zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits der in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken liegenden Landgerichte berufen. Die mit der Aufnahme der Angeklagten in die JVA Hannover zur Verbüßung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. Juni 2011 gemäß § 462a Abs. 1 S. 1 StPO begründete örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover blieb nach § 462a Abs. 1 S. 2 StPO nach der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung bestehen. Sie besteht für die Entscheidung über einen Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung auch fort und ist insoweit nicht auf die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg beim Amtsgericht Vechta übergegangen. Als die in der JVA Vechta Abteilung Hildesheim (zur Zuständigkeit am Sitz der JVA auch bei Vollstreckung in einer Außenstelle BGH Beschl. v. 8. September 1978 - 2 ARs 289/78 - BGHSt 28, 135; KK-StPO/Appl 6. Aufl. § 462a Rn. 14) verbüßte Untersuchungshaft mit der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Hannover am 19. April 2013 in Strafhaft überging, war die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Hannover nämlich bereits mit der Frage des Bewährungswiderrufs befasst. Mit einer Sache befasst ist ein Gericht schon, sobald eine nachträgliche Entscheidung von Amts wegen erforderlich sein kann, weil Tatsachen aktenkundig sind, die einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung erfordern können (BGH Beschl. v. 14. August 1981 - 2 ARs 174/81 - BGHSt 30, 189; BGH Beschl. v. 19. Juni 2013 - 2 ARs 227/13 m.w.N.; KKStPO /Appl § 462a Rn. 18). Solche Tatsachen wurden hier bereits vor dem 19. April 2013 aktenkundig, also zu einem Zeitpunkt, als die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover noch im Rahmen ihrer Fortwirkungszuständigkeit örtlich zuständig war, nämlich durch die am 21. Januar 2013 eingegangene Mitteilung des Vollstreckungsblatts durch den Bewährungshelfer, aus dem sich ergab, dass die Verurteilte sich in Untersuchungshaft befand (vgl. BGH Beschl. v. 11. Juli 2012 - 2 ARs 164/12 - NStZ-RR 2012, 358; Beschl. v. 19. Juni 2013 - 2 ARs 227/13 m.w.N.; KK-StPO/Appl § 462a Rn. 17), sowie durch die am 28. Januar 2013 durch die Staatsanwaltschaft Hannover mitgeteilte Anklageschrift (vgl. BGH Beschl. v. 16. Dezember 2009 - 2 ARs 424/09 - BGHSt 54, 272, 274; KK-StPO/Appl aaO.). Beide Mitteilungen gaben Anlass , die Frage des Bewährungswiderrufs von Amts wegen zu prüfen. Unerheblich ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, ob es tatsächlich zu einer Verurteilung kommt. Denn befasst ist ein Gericht auch dann, wenn es zunächst nichts veranlasst, sondern den Ausgang des neuen Verfahrens abwartet, aus dem sich Widerrufsgründe ergeben können (BGH aaO.; KK-StPO/Appl aaO.).“
6
Dem schließt sich der Senat an.
Fischer Appl Krehl Ott Zeng

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(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte z

Strafprozeßordnung - StPO | § 14 Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht


Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

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bei uns veröffentlicht am 28.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 A R s 1 4 1 / 1 5 2 A R 9 0 / 1 5 vom 28. Juli 2015 in der Strafvollstreckungssache gegen Az.: 75 StVK 585/12 FA Landgericht Duisburg Az.: 75 StVK 588/12 BEW Landgericht Duisburg Az.: 75 StVK 589/12 BEW Landgericht Dui

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 ARs 5/16 vom 8. Dezember 2016 in dem Strafvollstreckungsverfahren gegen wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a. Az.: 426 Js 15448/04 VRS LG Potsdam ECLI:DE:BGH:2016:081216B2ARS5.16.0 Der 2. Strafsena

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Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 227/13
2 AR 156/13
vom
19. Juni 2013
in der Strafvollstreckungssache
gegen
hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 14 StPO
Az.: 055 StVK 128/11, 055 StVK 152/11 Landgericht Düsseldorf
Az.: 33 e StVK 11-12/13 Landgericht Aachen
Az.: 501 Js 302/06 V, 601 Js 280/10 V Staatsanwaltschaft Aachen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 19. Juni 2013 beschlossen:
Zuständig für die Entscheidung über den Widerruf der mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 27. April 2011 bewilligten Reststrafenaussetzung zur Bewährung ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf.

Gründe:

1
1. Der Verurteilte befand sich zur Vollstreckung zweier Freiheitsstrafen aus Urteilen des Amtsgerichts Aachen seit Oktober 2010 in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf. Mit Beschluss vom 27. April 2011 setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf nach Teilverbüßung die Vollstreckung der Reststrafen zur Bewährung aus.
2
Am 15. September 2011 teilte der zuständige Bewährungshelfer dem Landgericht Düsseldorf mit, dass sich der Proband wegen zwischenzeitlich begangener schwerer Straftaten in Untersuchungshaft befand. Auf entsprechende Berichtsanfrage des Landgerichts Düsseldorf informierte der Bewährungshelfer über den Fortgang des Verfahrens, das mit Urteil des Landgerichts Aachen vom 12. März 2012 - rechtskräftig seit dem 22. November 2012 - endete. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verbüßt der Verurteilte seitdem in der Justizvollzugsanstalt Aachen.
3
Mit Beschlüssen vom 23. Januar 2013 hat das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Düsseldorf die weitere, die Strafaussetzung zur Bewährung betreffenden Entscheidungen aus den Urteilen des Amtsgerichts Aachen an das Landgericht Aachen - Strafvollstreckungskammer - abgegeben.
4
Am 12. Februar 2013 beantragte die Staatsanwaltschaft Aachen bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen, die dem Verurteilten durch Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Düsseldorf vom 27. April 2011 gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Aachen zu widerrufen. Das Landgericht Aachen hält die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf für zuständig, das die Akten gemäß § 14 StPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt hat.
5
2. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: "Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen (§ 14 StPO). Für die Beantwortung der - hier streitigen - Frage, welche Strafvollstreckungskammer für die beantragte Widerrufsentscheidung örtlich zuständig ist, ist auszugehen von dem Grundsatz, dass für anstehende Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig ist, in deren Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, in der sich der Verurteilte befindet oder zuletzt befand (KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 14f.). Diese Regelung der örtlichen Zuständigkeit wird durch § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO dahingehend präzisiert, dass insofern abzustellen ist auf den Zeitpunkt, zu dem eine erstmalige Befassung mit der konkreten Angelegenheit - hier mit dem Widerruf der Bewährung - gegeben war (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2006 - 2 ARs 302/06, NStZ-RR 2007, 94; KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 462a Rn. 16; Meyer-Goßner StPO 55. Auflage 2012 § 462a Rn. 9). Eine mit der ersten Befassung in der Sache begründete örtliche Zuständigkeit wird, soweit es diese konkrete Sache anbelangt, durch eine Verlegung des Verurteilten in eine in einem anderen Landgerichtsbezirk befindliche Justizvollzugsanstalt beziehungsweise durch eine neuerliche Aufnahme eines Verurteilten in den Strafvollzug nicht berührt (BGH, Beschluss vom 14. August 1981 - 2 ARs 174/81, BGHSt 30, 189; Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 ARs 164/12; Meyer-Goßner StPO 55. Auflage 2012 § 462a Rn. 13). Vor diesem Hintergrund ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf für die Entscheidung über den beantragten Widerruf der durch Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 27. April 2011 gewährten Reststrafenaussetzung zur Bewährung örtlich zuständig. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf war mit dieser Sache bereits befasst, bevor der Verurteilte in neuerliche Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Aachen aufgenommen wurde. Eine Befassung im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO liegt nicht erst dann vor, wenn die betreffende Strafvollstreckungskammer tatsächlich tätig wird, sondern bereits dann, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die eine Entscheidung - hier einen Widerruf - unter Umständen erforderlich machen (BGH, Beschluss vom 14. August 1981 - 2 ARs 174/81, BGHSt 30, 189; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 2 ARs 441/10, BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 ARs 164/12, KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). Solche Tatsachen wurden bereits vor Beginn der neuerlichen Strafhaft des Verurteilten am 22. November 2012 aktenkundig, also zu einem Zeitpunkt, als die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf noch im Rahmen ihrer Fortwirkungszuständigkeit örtlich zuständig war. Mit Schreiben vom 14. September 2011, eingegangen beim Landgericht Düsseldorf am 15. September 2011, teilte der Bewährungshelfer zu den Bewährungsheften mit, das sich der Verurteilte wegen des dringenden Tatverdachts neuer Straftaten seit dem 24. August 2011 in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf in Untersuchungshaft befindet (Bl. 22 BewH 501 Js 302/06 und Bl. 25 BewH 601 208/10). Unerheblich ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, ob es tatsächlich zu einer Verurteilung kommt. Denn befasst ist das Gericht auch dann, wenn die Kammer zunächst nicht veranlasst, sondern den Ausgang des neuen Verfahrens abwartet, aus dem sich Widerrufsgründe ergeben können (OLG Düsseldorf NStZ 1982, 47; KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). So ist die bislang zuständige Strafvollstreckungskammer mit der Frage des Bewährungswiderrufs schon dann befasst, wenn ein Bewährungshelfer mitteilt, sein Proband befinde sich in Untersuchungshaft (BGH, Beschluss vom 22. November 2000 - 2 ARs 302/00, KK-StPOAppl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). Vorliegend war der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf aufgrund der Mitteilung des Bewährungshelfers vom 14. September 2011 bekannt, dass der Angeklagte unter anderem einer räuberischen Erpressung, mithin eines Verbrechens , dringend verdächtig war, so dass Anlass bestand, die Frage des Bewährungswiderrufs von Amts wegen zu prüfen."
6
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Fischer Appl Berger Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 164/12
2 AR 96/12
vom
11. Juli 2012
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln u.a.
Az.: 24 AR 117/12 Generalstaatsanwaltschaft Dresden
Az.: 830 Js 34788/02 Staatsanwaltschaft Chemnitz
Az.: 93 StVK 218/11 Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund
Az.: II StVK 17/12 Landgericht Chemnitz
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 11. Juli 2012 beschlossen:
Für die Entscheidung über den Widerruf der durch Beschluss des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal vom 1. März 2010 gewährten Reststrafenaussetzung zur Bewährung ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Chemnitz zuständig.

Gründe:


1
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift an den Senat unter anderem ausgeführt: "Für die Beantwortung der - hier streitigen - Frage, welche Strafvollstreckungskammer für die beantragte Widerrufsentscheidung örtlich zustän- dig ist, ist auszugehen von dem Grundsatz, dass für anstehende Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig ist, in deren Bezirk die JVA liegt, in der sich der Verurteilte befindet oder zuletzt befand (KK-StPO-Appl, 6. Aufl. 2008, § 462a Rn. 14f.). Diese Regelung der örtlichen Zuständigkeit wird durch § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO dahingehend präzisiert, dass insofern abzustellen ist auf den Zeitpunkt, zu dem eine erstmalige Befassung mit der konkreten Angelegenheit - hier dem Widerruf der Bewährung - gegeben war (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2006 - 2 ARs 302/06, NStZ-RR 2007, 94; KK-StPO-Appl, 6. Aufl. 2008, § 462a Rn. 16; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 462a Rn. 9). Eine mit der ersten Befassung in einer Sache begründete örtliche Zuständigkeit wird, soweit es diese konkrete Sache anbelangt, durch eine Verlegung des Verurteilten in eine in einem anderen Landgerichtsbezirk befindliche JVA beziehungsweise durch eine neuerliche Aufnahme eines Verurteilten in den Strafvollzug nicht berührt (BGH, Beschluss vom 14. August 1981 - 2 ARs 174/81, BGHSt 30, 189; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 462a Rn. 13). Vor diesem Hintergrund ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Chemnitz für die Entscheidung über den beantragten Widerruf der durch Beschluss des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal vom 1. März 2010 gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG gewährten Reststrafenaussetzung zur Bewährung örtlich zuständig. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Chemnitz war mit dieser Sache bereits befasst, bevor der Verurteilte in neuerliche Strafhaft, zunächst in der JVA Hamm, später in der JVA Bochum, aufgenommen wurde. Eine Befassung im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO liegt nicht erst dann vor, wenn die betreffende Strafvollstreckungskammer tatsächlich tätig wird, sondern bereits dann, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die eine Entscheidung - hier einen Widerruf - unter Umständen erforderlich machen (BGH, Beschluss vom 14. August 1981 - 2 ARs 174/81, BGHSt 30, 189; BGH, Beschluss vom 21.12.2010 - 2 ARs 441/10; KK-StPO-Appl, 6. Aufl. 2008, § 462a Rn. 17). Solche Tatsachen wurden bereits vor Beginn der neuerlichen Strafhaft des Verurteilten am 23. August 2011 aktenkundig, also zu einem Zeitpunkt, als die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Chemnitz noch im Rahmen ihrer Fortwirkungszuständigkeit örtlich zuständig war: Am 1. Juni 2011 wurde zum Bewährungsheft mitgeteilt, dass der Verurteilte wegen des dringenden Tatverdachts neuerlicher Straftaten aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Meschede am 30. Mai 2011 in Untersuchungshaft genommen worden war (BewH Bd. II Bl. 216 ff.). Unerheblich ist, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Chemnitz zu diesem Zeitpunkt - wie bereits erwähnt - die Bewährungsaufsicht tatsächlich nicht führte, sondern diese rechtsfehlerhaft vom Amtsgericht Meschede wahrgenommen wurde. Entscheidend ist allein, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Chemnitz zu diesem Zeitpunkt für Entscheidungen im Sinne des § 453 Abs. 1 StPO zuständig war (BGH, Beschluss vom 21.12.2010 -2 ARs 441/10; KK-StPO-Appl, 6. Aufl. 2008, § 462a Rn. 19)."
2
Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.
Becker Fischer Appl Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 227/13
2 AR 156/13
vom
19. Juni 2013
in der Strafvollstreckungssache
gegen
hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 14 StPO
Az.: 055 StVK 128/11, 055 StVK 152/11 Landgericht Düsseldorf
Az.: 33 e StVK 11-12/13 Landgericht Aachen
Az.: 501 Js 302/06 V, 601 Js 280/10 V Staatsanwaltschaft Aachen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 19. Juni 2013 beschlossen:
Zuständig für die Entscheidung über den Widerruf der mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 27. April 2011 bewilligten Reststrafenaussetzung zur Bewährung ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf.

Gründe:

1
1. Der Verurteilte befand sich zur Vollstreckung zweier Freiheitsstrafen aus Urteilen des Amtsgerichts Aachen seit Oktober 2010 in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf. Mit Beschluss vom 27. April 2011 setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf nach Teilverbüßung die Vollstreckung der Reststrafen zur Bewährung aus.
2
Am 15. September 2011 teilte der zuständige Bewährungshelfer dem Landgericht Düsseldorf mit, dass sich der Proband wegen zwischenzeitlich begangener schwerer Straftaten in Untersuchungshaft befand. Auf entsprechende Berichtsanfrage des Landgerichts Düsseldorf informierte der Bewährungshelfer über den Fortgang des Verfahrens, das mit Urteil des Landgerichts Aachen vom 12. März 2012 - rechtskräftig seit dem 22. November 2012 - endete. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verbüßt der Verurteilte seitdem in der Justizvollzugsanstalt Aachen.
3
Mit Beschlüssen vom 23. Januar 2013 hat das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Düsseldorf die weitere, die Strafaussetzung zur Bewährung betreffenden Entscheidungen aus den Urteilen des Amtsgerichts Aachen an das Landgericht Aachen - Strafvollstreckungskammer - abgegeben.
4
Am 12. Februar 2013 beantragte die Staatsanwaltschaft Aachen bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen, die dem Verurteilten durch Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Düsseldorf vom 27. April 2011 gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Aachen zu widerrufen. Das Landgericht Aachen hält die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf für zuständig, das die Akten gemäß § 14 StPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt hat.
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2. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: "Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen (§ 14 StPO). Für die Beantwortung der - hier streitigen - Frage, welche Strafvollstreckungskammer für die beantragte Widerrufsentscheidung örtlich zuständig ist, ist auszugehen von dem Grundsatz, dass für anstehende Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig ist, in deren Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, in der sich der Verurteilte befindet oder zuletzt befand (KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 14f.). Diese Regelung der örtlichen Zuständigkeit wird durch § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO dahingehend präzisiert, dass insofern abzustellen ist auf den Zeitpunkt, zu dem eine erstmalige Befassung mit der konkreten Angelegenheit - hier mit dem Widerruf der Bewährung - gegeben war (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2006 - 2 ARs 302/06, NStZ-RR 2007, 94; KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 462a Rn. 16; Meyer-Goßner StPO 55. Auflage 2012 § 462a Rn. 9). Eine mit der ersten Befassung in der Sache begründete örtliche Zuständigkeit wird, soweit es diese konkrete Sache anbelangt, durch eine Verlegung des Verurteilten in eine in einem anderen Landgerichtsbezirk befindliche Justizvollzugsanstalt beziehungsweise durch eine neuerliche Aufnahme eines Verurteilten in den Strafvollzug nicht berührt (BGH, Beschluss vom 14. August 1981 - 2 ARs 174/81, BGHSt 30, 189; Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 ARs 164/12; Meyer-Goßner StPO 55. Auflage 2012 § 462a Rn. 13). Vor diesem Hintergrund ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf für die Entscheidung über den beantragten Widerruf der durch Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 27. April 2011 gewährten Reststrafenaussetzung zur Bewährung örtlich zuständig. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf war mit dieser Sache bereits befasst, bevor der Verurteilte in neuerliche Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Aachen aufgenommen wurde. Eine Befassung im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO liegt nicht erst dann vor, wenn die betreffende Strafvollstreckungskammer tatsächlich tätig wird, sondern bereits dann, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die eine Entscheidung - hier einen Widerruf - unter Umständen erforderlich machen (BGH, Beschluss vom 14. August 1981 - 2 ARs 174/81, BGHSt 30, 189; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 2 ARs 441/10, BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 ARs 164/12, KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). Solche Tatsachen wurden bereits vor Beginn der neuerlichen Strafhaft des Verurteilten am 22. November 2012 aktenkundig, also zu einem Zeitpunkt, als die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf noch im Rahmen ihrer Fortwirkungszuständigkeit örtlich zuständig war. Mit Schreiben vom 14. September 2011, eingegangen beim Landgericht Düsseldorf am 15. September 2011, teilte der Bewährungshelfer zu den Bewährungsheften mit, das sich der Verurteilte wegen des dringenden Tatverdachts neuer Straftaten seit dem 24. August 2011 in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf in Untersuchungshaft befindet (Bl. 22 BewH 501 Js 302/06 und Bl. 25 BewH 601 208/10). Unerheblich ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, ob es tatsächlich zu einer Verurteilung kommt. Denn befasst ist das Gericht auch dann, wenn die Kammer zunächst nicht veranlasst, sondern den Ausgang des neuen Verfahrens abwartet, aus dem sich Widerrufsgründe ergeben können (OLG Düsseldorf NStZ 1982, 47; KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). So ist die bislang zuständige Strafvollstreckungskammer mit der Frage des Bewährungswiderrufs schon dann befasst, wenn ein Bewährungshelfer mitteilt, sein Proband befinde sich in Untersuchungshaft (BGH, Beschluss vom 22. November 2000 - 2 ARs 302/00, KK-StPOAppl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). Vorliegend war der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf aufgrund der Mitteilung des Bewährungshelfers vom 14. September 2011 bekannt, dass der Angeklagte unter anderem einer räuberischen Erpressung, mithin eines Verbrechens , dringend verdächtig war, so dass Anlass bestand, die Frage des Bewährungswiderrufs von Amts wegen zu prüfen."
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Dem schließt sich der Senat an.
Becker Fischer Appl Berger Eschelbach