Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:150616B1STR72.16.0
bei uns veröffentlicht am15.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 72/16
vom
15. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. + 2.: unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
zu 3.: Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:150616B1STR72.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 8. Oktober 2015
a) im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Einziehung des Betäubungsmittels – auch hinsichtlich des ehemaligen Mitangeklagten M. – und
b) hinsichtlich des Angeklagten H. im Ausspruch über den Vorwegvollzug der Maßregel aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte T. und den Angeklagten H. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge „mit“ unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von jeweils sieben Jahren und drei Monaten, den Angeklagten N. wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäu- bungsmitteln in nicht geringer Menge „mit“ Beihilfe zum unerlaubten Handel- treiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und den Angeklagten M. wegen „Beihilfezur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten H. in einer Entziehungsanstalt, den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Maßregel sowie die Einziehung des „sichergestellten Rauschgifts“ und mehrerer Mobiltelefone angeordnet. Die Revisionen der Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts. Darüber hinaus beanstanden die Revisionen der Angeklagten T. und N. das Verfahren. Sie haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

I.

2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Am 3. September 2014 verbrachten die Angeklagten 418,34 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 254,2 g in dem vom Angeklagten H. geführten Pkw auf der Bundesautobahn A 6 über den ehemaligen Grenzübergang Waidhaus-Autobahn aus der Tschechischen Republik in das Bundesgebiet. Die Angeklagte T. befand sich auf dem Beifahrersitz, der Angeklagte N. und der ehemals Mitangeklagte M. saßen auf der Rückbank des Fahrzeugs. Die im Pkw befindlichen Betäubungsmittel waren in drei Druckverschlusstüten aufgeteilt, von denen eine mit einem Inhalt von 25,87 g in einer Packung Damenbinden im Koffer der Angeklagten T. aufbewahrt wurde und die beiden anderen mit 195,58 g und 196,89 g sich je in einem Schuh befanden, die in einer Einkaufstüte verstaut waren. Die Angeklagte T. hatte die Betäubungsmittel zuvor beschafft und in ihrem Koffer und den Schuhen versteckt und diese sodann in das Tatfahrzeug gelegt. Das im Eigentum der Schwester der Angeklagten T. stehende Tatfahrzeug hatte der Angeklagte N. in Kenntnis des beabsichtigten Methamphetamintransports zum Abfahrtsort nach Prag gebracht. Die Betäubungsmittel sollten – was sämtlichen Angeklagten bekannt war – über Deutschland nach Schweden transportiert und dort gewinnbringend weiterverkauft werden, wobei die Übergabe der Betäubungsmittel in Schweden durch den Mitangeklagten M. erfolgen sollte.
4
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht hinsichtlich der Angeklagten H. und T. den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zu Grunde gelegt und das Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 30 Abs. 2 BtMG verneint. Hinsichtlich des Angeklagten N. hat das Landgericht den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert, ohne jedoch die Voraussetzungen eines minder schweren Falles ausdrücklich zu erörtern. Dabei hat das Landgericht zu Lasten der Angeklagten u.a. berücksichtigt, „dass es sich bei Metamphetamin gerichtsbe- kannterweise um eine extrem gefährliche und gesundheitsschädigende Droge mit hohem Suchtpotential handelt“ bzw. auf „die gerichtsbekannt hohe Gefährlichkeit von Metamphetamin“ abgestellt und diese Umstände im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne erneut strafschärfend berücksichtigt.

II.

5
Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht vollumfänglich stand.
6
1. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Rechtsmittel bedarf lediglich die Revision des Angeklagten H. der Erörterung.
7
Der Angeklagte hat seine Revision durch Schreiben vom 13. Dezember 2015 – am 16. Dezember 2015 bei der gemeinsamen Einlaufstelle des Landgerichts , der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts Weiden i.d. OPf. eingegangen – zurückgenommen. Seine Verteidigerin, Frau Rechtsanwältin To. , hat mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 – am selben Tag bei der gemeinsamen Einlaufstelle eingegangen – die Rücknahme der Revision durch den Angeklagten für gegenstandslos erklärt. Nach Einholung dienstlicher Erklärungen durch den Senat im Freibeweisverfahren zur zeitlichen Abfolge des Eingangs der oben genannten Schreiben konnte letztlich nicht zweifelsfrei geklärt werden, welches der beiden Schreiben früher beim zuständigen Gericht eingegangen ist, sodass die Revision als zulässig anzusehen ist (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 2. September 1960 – 4 StR 311/60, NJW 1960, 2202; vom 3. Mai 1991 – 3 StR 70/91 und vom 19. Mai 1994 – 1 StR 132/94, NStZ 1994,

447).

8
2. Den von den Angeklagten T. und N. erhobenen Verfahrensrügen bleibt der Erfolg aus den zutreffenden Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts versagt.
9
3. Die Revisionen der Angeklagten haben auf die erhobenen Sachrügen jedoch den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, weil die Strafzumessung des Landgerichts und die Anordnung der Einziehung revisionsgerichtlicher Prüfung nicht standhalten.
10
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Er allein ist aufgrund des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, in der Lage, die für die Strafzumessung bestimmenden entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2StR 355/80, BGHSt 29, 319 mwN; vom 4. Februar 2004 – 5 StR 511/03, wistra 2004, 262 [263]; vom 29. Juni 2005 – 1 StR 149/05, NStZ 2006, 568; vom 7. Juni 2006 – 2 StR 42/06, wistra 2006, 343 [344]; vom 7. November 2007 – 1 StR 164/07, wistra 2008, 58 f. und vom 19. Januar 2012 – 3 StR 413/11, NStZ-RR 2012, 168; Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 349). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (BGH, Urteile vom 29. Juni 2005 – 1StR 149/05, NStZ 2006, 568 und vom 7. November 2007 – 1 StR 164/07, wistra 2008, 59; Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 349).
11
Vorliegend sind die Zumessungserwägungen des Landgerichts in sich fehlerhaft, weil es im Rahmen der konkreten Strafzumessung einzelnen Strafzumessungsgründen erkennbar ein zu hohes Gewicht beigemessen hat.
12
Grundsätzlich kommt im Rahmen der Strafzumessung der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit eine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 4 StR 202/00, StV 2000, 613; Patzak in Körner /Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 208), wobei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diesbezüglich ein für die Strafzu- messung maßgebliches Stufenverhältnis von sog. „harten“ Drogen, wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 – 4 StR 393/97, NStZ-RR 1998, 148; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 4 StR 202/00, StV 2000, 613) über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 1990 – 2StR 275/90, StV 1990, 494; vom 10. Februar 1993 – 2 StR 20/92, NStZ 1993, 287; vom 30. Oktober 1996 – 2 StR 508/96, StV 1997, 75 und vom 26. März 2014 – 2 StR 202/13, StV 2015, 353), bis hin zu sog. „weichen“ Drogen , wie Cannabis (dazu BGH, Urteile vom 2. Dezember 1986 – 1 StR 599/86, StV 1987, 203 und vom 28. Januar 2009 – 5 StR 465/08), besteht (vgl. insgesamt Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 114, 126, 209 ff. mwN).
13
Die straferschwerende Bewertung des Landgerichts, dass es sich bei Methamphetamin „gerichtsbekannterweise um eine extrem gefährliche und gesundheitsschädigende Droge mit hohem Suchtpotential handelt“, sowie inhalt- lich ähnliche Formulierungen begegnen im vorliegenden Fall durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Senat besorgt deshalb, dass das Landgericht Methamphetamin als mindestens so gefährlich wie Heroin eingeschätzt und damit das in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte vorgenannte Stufenverhältnis außer Acht gelassen hat. Zutreffend ist zwar, dass es sich bei dem Rauschgift Methamphetamin um ein durchaus gefährliches Betäubungsmittel mit hohem Suchtpotential handelt (so BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 1StR 7/15, NStZ-RR 2015, 283). Dies bedeutet allerdings nicht ohne weite- res, dass es hinsichtlich seiner Gefährlichkeit mit „harten“ Drogen, wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack, gleichzusetzen ist (dazu auch BGH, Urteil vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, NJW 2012, 400 [401 aE]), zumal eine solche Annahme durch das Landgericht auch nicht näher belegt wurde.
14
b) Des Weiteren ist die unterbliebene Prüfung, ob hinsichtlich des Angeklagten N. die Voraussetzungen eines minder schweren Falles gemäß § 30 Abs. 2 BtMG vorliegen, hier rechtsfehlerhaft.
15
Hier lag unter den gegebenen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles gerade für den Angeklagten N. infolge der fehlenden Vorstrafen, der sozialen Einordnung in der Tschechischen Republik, der finanziellen Unterstützung der Familie in Vietnam, der Sicherstellung des Betäubungsmittels , insbesondere aber infolge des Vorliegens des vertypten Milderungsgrundes der Beihilfe und vor allem seines untergeordneten Tatbeitrages sowie des vom Landgericht nicht festgestellten Eigeninteresses – auch in Anbetracht der Art und Menge des Betäubungsmittels – nicht fern und hätte infolgedessen der ausdrücklichen Erörterung durch das Landgericht bedurft.
16
4. Auch die Einziehungsanordnung des Landgerichts erweist sich im Hinblick auf das Betäubungsmittel als nicht frei von Rechtsfehlern. Die einzuziehenden Gegenstände sind im Urteilstenor konkret zu bezeichnen, um Klarheit über den Umfang der Einziehung für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde zu schaffen und um eine ordnungsgemäße Vollstreckung zu ermöglichen (BGH, Urteile vom 6. Oktober 1955 – 3 StR 279/55, BGHSt 8, 205 [211 f.] und vom 15. März 1994 – 1 StR 179/93, NJW 1994, 1421). Die Anord- nung der Einziehung des „sichergestellten Rauschgifts“ ist zu unbestimmt und genügt den vorliegenden Anforderungen nicht. Vielmehr hätte es der Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Betäubungsmittels im Urteilstenor bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2007 – 1 StR 251/07, NStZ 2007, 713).
17
5. Gemäß § 357 StPO war die Aufhebung des Urteils aufgrund der fehlerhaften Zumessungserwägungen und Einziehungsanordnung auf den Mitangeklagten M. zu erstrecken, der seine Revision im Verlauf des Verfahrens vor dem Senat zurückgenommen hat (zur Revisionserstreckung bei Revisionsrücknahme vgl. BGH, Urteile vom 11. Februar 1958 – 1 StR 589/57, NJW 1958, 560; vom 14. Mai 1996 – 1 StR 51/96, NJW 1996, 2663 [2665] und vom 28. Oktober 2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275 [276, 299]).
18
6. Die Anordnung des Vorwegvollzugs der Maßregel hinsichtlich des Angeklagten H. gemäß § 67 Abs. 2 Satz 4 StGB war infolge der Aufhebung des Urteils im Strafausspruch ebenfalls aufzuheben. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB bleibt davon unberührt.
19
7. Im Übrigen waren die weitergehenden Revisionen der Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und bleiben bestehen.

III.

20
Im Hinblick auf die Bemessung einer gegen den MitangeklagtenM. zu verhängenden Jugendstrafe weist der Senat auf § 18 Abs. 2 JGG hin. Danach ist die Jugendstrafe so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen , inwieweit dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folge der Strafe für die weitere Entwicklung des Jugendlichen /Heranwachsenden abgewogen worden ist (dazu BGH, Urteil vom 19. Februar 2014 – 2 StR 413/13, NStZ 2014, 407; Beschlüsse vom 28. Februar 2012 – 3StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186 mwN; vom 17. Juli 2012 – 3 StR 238/12 und vom 8. Januar 2015 – 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154). Hieran fehlt es, wenn die Begründung wesentlich oder gar ausschließlich mit solchen Zumessungserwägungen vorgenommen wird, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 14. Juli 1994 – 4 StR 367/94). Eine abschließende lediglich formelhafte Erwähnung der erzieherischen Erforderlichkeit der verhängten Jugendstrafe genügt den Erfordernissen des § 18 Abs. 2 JGG nicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2012 – 3 StR 238/12 und vom 8. Januar 2015 – 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154). Raum Graf Jäger RiinBGH Dr. Fischer ist in Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Bär

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

5 StR 511/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. Februar 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Februar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K
als Verteidiger für den Angeklagten B ,
Rechtsanwalt R
als Verteidiger für den Angeklagten I ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten B gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Juni 2003 werden verworfen.
Der Angeklagte B hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und die durch diese Rechtsmittel den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des Betruges in 45 Fällen für schuldig befunden und Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten gegen B sowie von drei Jahren und neun Monaten gegen I verhängt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten B sowie die zu Ungunsten beider Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich die Angeklagten zusammen, um Kunden gegen Eigenkapitalbeteiligung ab 50.000 Darlehen in Millionenhöhe zu vergeben, für welche diese keinen Kapitaldienst (weder Zins noch Tilgung) hätten erbringen müssen. Das Vorhaben ging angeblich auf eine von B entwickelte Geschäftsidee zurück, die tatsächlich jedoch nicht realisierbar war und später von den Angeklagten
auch nie in Angriff genommen wurde. Der in Berlin als Rechtsanwalt und Notar tätige gesondert Verfolgte Be erklärte sich nach entsprechender Einführung bereit, bei den Geschäften mitzuwirken, insbesondere für die Beschaffung von Grundschulden zu sorgen, die zur Absicherung des von den Kunden vorab zu erbringenden Eigenkapitals dienen sollten. Ferner richtete er ein Treuhandkonto ein, auf welches die Kunden das Eigenkapital einzahlten. Die Angeklagten verwendeten die eingesammelten Gelder zu einem beträchtlichen Teil für die Einrichtung eines aufwendigen Geschäftsbetriebs und für sich selbst. Insgesamt verursachten sie zwischen Februar und Mai 2002 bei 45 Kunden, welche durch die Angeklagten selbst, den gesondert Verfolgten Be und durch eingeschaltete Vermittler angeworben wurden, über die Eigenkapitaleinzahlungen einen Gesamtschaden von knapp 3,5 Millionen Euro. Die vom gesondert Verfolgten Be beigebrachten Grundschulden waren wertlos.

II.


Die übereinstimmend auf die Sachrüge gestützten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft sind unbegründet.
1. Die Staatsanwaltschaft wendet sich zunächst dagegen, daß das Landgericht hinsichtlich der abgeurteilten Betrugstaten den Qualifikationstatbestand des banden- und gewerbsmäßigen Betruges nach § 263 Abs. 5 StGB außer acht gelassen habe. Sie ist der Auffassung, aus den Feststellungen der Strafkammer ergäbe sich bereits zweifelsfrei, daß die Angeklagten nicht nur gewerbsmäßig gehandelt, sondern auch mit dem gesondert verfolgten Rechtsanwalt und Notar Be eine Bande gebildet hätten.
Aus den Urteilsgründen ergibt sich jedoch – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin – nicht zwingend das Vorliegen bandenmäßiger Begehung der Betrugstaten durch die Angeklagten. Auch ein Erörterungsmangel des Tatgerichts liegt insoweit nicht vor.


a) Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluß von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Ein „gefestigter Bandenwille“ oder ein „Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse“ ist nicht erforderlich (BGHSt 46, 321).
Die Feststellungen zur Verstrickung des gesondert Verfolgten Be in die Betrugstaten der Angeklagten beruhen allein auf deren geständigen Einlassungen in der Hauptverhandlung. Ausweislich der Urteilsgründe wurden keine weiteren Zeugen vernommen, insbesondere wurde der von den Angeklagten belastete gesondert Verfolgte Be selbst nicht gehört. Explizit weisen die Urteilsgründe nicht einmal Be s Bösgläubigkeit aus, wenngleich diese angesichts des Geschäftskonzepts und namentlich der Wertlosigkeit der von ihm vermittelten Grundschulden auf der Hand liegt. Insbesondere lassen die Urteilsfeststellungen aber einen übereinstimmenden Tatplan der Angeklagten und Be s auf der Basis übereinstimmender Bösgläubigkeit nicht gesichert erkennen, wie es für eine Bandenabrede hier erforderlich wäre. Auch weist die Strafkammer erst in der Beweiswürdigung darauf hin, beide Angeklagten hätten sich darauf berufen, daß von Be ohne ihr Zutun Darlehensnehmer geworben wurden. Aus dieser Formulierung ist zu schließen, daß die Strafkammer diese Einlassungen, welche in der Hauptverhandlung nicht verifiziert wurden, lediglich als unwiderlegt angesehen und letztlich – insoweit sachlichrechtlich nicht beanstandenswert – bei der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten zugrunde gelegt hat.
Nicht möglich ist es jedoch, allein mit diesen Einlassungen zweifelsfrei die Voraussetzungen des § 263 Abs. 5 StGB zu belegen oder hieraus auch nur einen insoweit bestehenden unerläßlichen näheren Erörterungsbedarf abzuleiten. Wie der Generalbundesanwalt selbst aufzeigt, wurden die Angeklagten in der Hauptverhandlung nach ihren Einlassungen auch nicht gemäß
§ 265 StPO auf eine – über die Anklage, welche allein § 263 Abs. 1 und Abs. 3 StGB bezeichnet, hinausgehende – rechtliche Beurteilung des Sachverhalts gemäß § 263 Abs. 5 StGB hingewiesen. Auch die Staatsanwaltschaft , die darauf nicht hingewirkt hat, ging in der Hauptverhandlung offensichtlich ebensowenig wie bei Anklageerhebung davon aus, daß bandenund gewerbsmäßige Betrugstaten vorliegen.
Ob es aufgrund der vorliegenden Anhaltspunkte, wie der Wertlosigkeit der von Be beschafften Grundschulden, für die Wirtschaftsstrafkammer nahegelegen hätte, im Rahmen ihrer Sachaufklärungspflicht weitere Beweise über ein für den vermißten Qualifikationstatbestand ausreichendes Maß der Einbindung des Be in die Betrugstaten der Angeklagten zu erheben, hätte – wenn die Staatsanwaltschaft hierzu keine Beweisanträge gestellt hat – in der Revision im Wege der Aufklärungsrüge geltend gemacht werden müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen.
2. Die Beschwerdeführerin ist zudem der Auffassung, das Landgericht habe bei der Strafzumessung nicht bedacht, daß die Angeklagten zwei Regelbeispiele des § 263 Abs. 3 StGB verwirklicht haben, und habe nicht ausreichend die erheblichen und einschlägigen Vorstrafen der Angeklagten berücksichtigt.

a) Die Strafzumessung des Landgerichts begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Revisionsgericht kann bei der Strafzumessung, die grundsätzlich Sache des Tatrichters ist, nur eingreifen, wenn Rechtsfehler vorliegen. Das ist namentlich dann der Fall, wenn der Tatrichter fehlerhafte Erwägungen anstellt, wenn erforderliche Erwägungen oder Wertungen unterblieben sind und das Urteil auf dem Mangel beruhen kann oder wenn sich die Strafe nicht im Rahmen des Schuldangemessenen hält. Im Hinblick auf diesen Spielraum ist eine exakte Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen; in Zweifelsfällen muß
die Strafzumessung des Tatrichters hingenommen werden (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 1; jew. m.w.N.).

b) Die Wirtschaftsstrafkammer ist hier zutreffend von besonders schweren Fällen des Betruges gemäß § 263 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen, da die Angeklagten bei der Begehung der Betrugstaten gewerbsmäßig handelten. Freilich erfüllten die von den Angeklagten bei den Anlegern jeweils verursachten Schadenssummen, die in der überwiegenden ! #"$ ! #% & ' !( ) Anzahl der Fälle 50.000 auch die Voraussetzungen des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles des Betruges gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB (vgl. BGH NJW 2004, 169, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Indes hätte die Annahme eines zweiten Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 Satz 2 StGB zu keiner weiteren Strafrahmenverschiebung geführt. Sie belegt allenfalls verstärkt, daß die Strafkammer zu Recht von besonders schweren Fällen des Betruges ausgegangen ist, was sich nicht zwingend aus der Verwirklichung eines Regelbeispiels ergibt, sondern vielmehr eine Gesamtabwägung erfordert (vgl. BGHR StGB vor § 1/besonders schwerer Fall – Verneinung 2; Franke in MünchKomm. StGB § 46 Rdn. 78). Der Senat schließt aus, daß das Landgericht die Höhe der verursachten Schäden im Einzelfall und auch die beträchtliche Summe des Gesamtschadens nicht ausreichend bei der Strafzumessung berücksichtigt hätte. Beide Gesichtspunkte hat die Strafkammer ausdrücklich strafschärfend erwähnt (UA S. 21) und die Einzelstrafen nach der Schadenshöhe gestaffelt.

c) Es ist auch nicht zu besorgen, daß die Wirtschaftsstrafkammer die Vorstrafen beider Angeklagten nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt hätte. Das Landgericht führt bei seiner Strafzumessung neben der Tatsache, daß beide Angeklagten vielfältig und einschlägig vorbestraft sind, ausdrücklich strafschärfend auf, daß diese sich auch nicht durch den bereits erlittenen (bei B sogar beträchtlichen) Strafvollzug und zur Tatzeit jeweils laufende Bewährungen von den Straftaten abhalten ließen.
Insgesamt sind die verhängten Strafen angesichts der einschlägigen Vorbelastungen zwar sehr milde, aber noch nicht unvertretbar niedrig.

III.


Die vom Angeklagten B nicht näher ausgeführte Sachrüge ist unbegründet. Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten ergeben.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 149/05
vom
29. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Juni
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23. November 2004 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen sowie wegen unerlaubten Besitzes einer Schußwaffe und von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 13.000 € angeordnet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte - vom Generalbundesanwalt vertretene - Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Gesamtstrafenausspruch beschränkt; sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 1. Der Angeklagte erwarb in der Zeit von 1996 bis 2001 in 16 Fällen von einem Lieferanten aus Köln jeweils zwischen 5 und 100 kg - insgesamt 507,8 kg - Haschisch zum Weiterverkauf sowie - zu einem geringen Teil - zum
Eigenkonsum. Im November 2003 war er ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Besitz einer Pistole und von Munition. Das Landgericht hat als Einzelstrafen für das Handeltreiben mit 100 kg Haschisch eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren (Einsatzstrafe), für die weiteren 15 Fälle des Handeltreibens jeweils eine Freiheitsstrafe zwischen zwei Jahren und drei Jahren und zehn Monaten und für den Verstoß gegen das Waffengesetz eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen festgesetzt. 2. Die Gesamtstrafenbildung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von Tat und Täterpersönlichkeit gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 349). Diese Grundsätze gelten auch für die Bildung der Gesamtstrafe (BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5). An die Begründung der Strafhöhe sind allerdings um so größere Anforderungen zu stellen, je mehr sich die Strafe der unteren oder oberen Grenze des Zulässigen nähert. So ist auch die Gesamtstrafenbildung dann eingehend zu begründen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten wird (BGHSt 24, 268, 271). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil jedoch gerecht. Das Landgericht hat die Erhöhung der Einsatzstrafe von fünf Jahren um lediglich ein Jahr rechtsfehlerfrei begründet.
Die Kammer hat dabei dem Angeklagten in erster Linie ein Geständnis "von ganz außergewöhnlichem Wert" zugute gehalten, mit dem er die im Kern nahezu ausschließlich tragende Verurteilungsgrundlage gelegt habe und das als eine bewußte Wahrnehmung der Verantwortung für eigenes Fehlverhalten zu betrachten sei. Weiterhin hat sie u.a. als strafmildernd gewertet, daß der 47jährige Angeklagte nicht vorbestraft und - außerhalb seiner betäubungsmittelrechtlichen Verfehlungen - sozial gut eingegliedert ist. Zu Lasten des Angeklagten hat sie insbesondere den "objektiv sehr gravierenden Unrechtsgehalt" der Taten gewertet, die allerdings zum Teil lange zurückliegen würden. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Staatsanwaltschaft, daß die Kammer hierbei die hohen Gesamtmengen der gehandelten Betäubungsmittel nicht gebührend berücksichtigt habe. Der hohe Unrechtsgehalt der Taten konnte sich hier offensichtlich nur aus der Menge des gehandelten Haschischs ergeben, so wie die Kammer dies in den der Festsetzung der Einzelstrafen vorangestellten Strafzumessungserwägungen - die sich nicht auf die Beurteilung der Einzeltaten beschränken, sondern das gesamte Tatgeschehen berücksichtigen - auch konkret dargelegt hat. Die Revision geht, wie den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zu entnehmen ist, im übrigen selbst - zu Recht - davon aus, daß die Kammer den im Rahmen der Festsetzung der Einzelstrafen angestellten allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch für die Bemessung der Gesamtstrafe Bedeutung beigemessen hat. Der Revision ist zwar zuzugeben, daß die Verbüßung von Untersuchungshaft grundsätzlich nicht zu einer Strafmilderung führen muß (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 20). Es stellt jedoch keinen Rechtsfehler dar, wenn das Landgericht dem Angeklagten zugute hält, daß die lange Verfahrensdauer durch die - erstmalige - Inhaftierung noch erschwert wurde.
Richtig geht die Revision schließlich auch davon aus, daß auch die mit der Anordnung des Wertersatzverfalls verbundene Vermögenseinbuße in der Regel keinen Strafmilderungsgrund darstellt (vgl. BGH NStZ 2001, 312). Das schließt indessen nicht aus, daß das Landgericht die Höhe der Strafe und die Anordnung des Verfalls im Hinblick auf die heutigen Vermögensverhältnisse des Angeklagten "in gewissem Umfang" aufeinander abstimmen konnte (vgl. BGH NStZ 1995, 491, 492). Angesichts der umfassenden Würdigung durch die Kammer und der von ihr hervorgehobenen Besonderheiten des vorliegenden Falles kann nicht die Rede davon sein, die Gesamtstrafe erweise sich hier nicht mehr als gerechter Schuldausgleich. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 164/07
vom
7. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. November 2006 wird verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision und die dem Angeklagten durch das Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Betruges in zwölf Fällen und Verstößen gegen das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz bzw. das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Straftaten lagen folgende Tatbestände zugrunde:
2
Der Angeklagte hatte u.a. statt Elchfleisch billigeres Hirschfleisch, statt Gamsfleisch billigeres Mufflonfleisch, statt Frischfleisch Fleisch mit Konservierungsmitteln bzw. Tiefkühlware geliefert. In einem Fall erfolgte eine unhygienische Schlachtung von Fasanen, die jedoch nicht zu einer Substanzbeeinträch- tigung des verarbeiteten Fleisches führte, wenngleich der Normalverbraucher in Kenntnis der Schlachtumstände den Verzehr abgelehnt hätte.
3
Von den weiteren Vorwürfen des Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung durch unbefugte Veränderung des Mindesthaltbarkeitsdatums hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Es hat von der Verhängung eines Berufsverbotes gegen ihn abgesehen. Die Kammer hat es als ausreichend erachtet, im Rahmen des Bewährungsbeschlusses dem Angeklagten die Weisung zu erteilen, für die Dauer von drei Jahren sich jeglicher Tätigkeit im Bereich der Herstellung und Verarbeitung sowie Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren zu enthalten. Der Angeklagte ist nunmehr als Handelsvertreter/Makler im Lebensmittelbereich tätig.
4
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die Verletzung sachlichen Rechts und erstrebt insbesondere eine Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte freigesprochen wurde. Weiterhin beanstandet sie den Strafausspruch sowohl im Hinblick auf die Höhe der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe als auch in Bezug auf die Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung. Sie wendet sich ferner gegen die unterbliebene Anordnung eines Berufsverbots. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

I.

5
Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern. Die Staatsanwaltschaft beanstandet ohne Erfolg, das Landgericht habe den Angeklagten in den Fällen III. der Urteilsgründe von den weiteren Vorwürfen des Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung durch unbefugte Veränderung des Mindesthaltbarkeitsdatums zu Unrecht freigespro- chen. Das Landgericht konnte schon nicht feststellen, dass der Angeklagte in den konkreten, der Anklage zu Grunde liegenden Fällen das Mindesthaltbarkeitsdatum tatsächlich verändert hat (UA S. 36, 37). Hierzu hat die Beweisaufnahme - so die Urteilsfeststellungen - keinen sicheren Nachweis erbracht, was auch die Beschwerdeführerin nicht beanstandet. Der Angeklagte war daher - wie geschehen - aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Auf die Rechtsfrage , ob der Angeklagte überhaupt zur Veränderung berechtigt gewesen wäre, kommt es somit nicht an.

II.

6
Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf:
7
1. Die Staatsanwaltschaft greift die Strafzumessung insgesamt an. Sie rügt, die ausgeworfenen Einzelstrafen beruhten auf rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen und verließen ebenso wie die gefundene Gesamtstrafe den Bereich tatrichterlichen Ermessens, weil sie nicht mehr als angemessener Schuldausgleich angesehen werden könnten. Die Strafkammer habe wesentliche strafzumessungsrelevante Gesichtspunkte unerörtert gelassen.
8
Die Strafzumessung unterliegt nur in eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters , auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Person des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; BGH NJW 1995, 340; BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03; BGH, Beschl. vom 29. Juni 2005 - 1 StR 149/05). Diese Grundsätze gelten auch für die Bildung der Gesamtstrafe und für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung (BGHR § 54 Abs. 1 StGB Bemessung 5 und 11; BGH, Urt. vom 24. März 1999 - 3 StR 556/98).
9
a) An diesen revisionsrechtlichen Maßstäben gemessen hält die Strafzumessung - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt - rechtlicher Überprüfung "noch stand". Das Landgericht hat dem Angeklagten mehrere, als erheblich bewertete Milderungsgründe zugute gehalten. Das dagegen gerichtete Vorbringen der Staatsanwaltschaft läuft im Wesentlichen darauf hinaus, diese Umstände abweichend zu werten. Dies ist im Revisionsverfahren unzulässig. Rechtsfehler, die ein Eingreifen des Revisionsgerichts rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Kammer hat zwar in acht Fällen als Einzelstrafe jeweils die Mindeststrafe des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB verhängt und ist dementsprechend auch zu einer milden Gesamtstrafe gekommen. Dies überschreitet jedoch noch nicht die Grenzen dessen, was im Hinblick auf die Gesamtumstände bei dem nicht vorbestraften Angeklagten als gerechter Schuldausgleich anzusehen ist.
10
b) Rechtsfehlerhaft wäre es allerdings, wenn der Tatrichter die erkannten Strafen nur deshalb in der Höhe ausgesprochen hätte, damit die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nach § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden konnte - wie die Staatsanwaltschaft vorträgt - (vgl. BGHSt 29, 319, 321; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; BGH, Urt. vom 13. Dezember 2001 - 4 StR 363/01). Dies ist dem angefochtenen Urteil indes nicht zu entnehmen. Dass das Landgericht - wie nahe liegend anzunehmen ist - die Frage der Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung bei der Findung schuldangemessener Sanktionen mitberücksichtigt hat, begründet für sich noch keinen durchgreifenden Rechtsfehler (BGH, Urt. vom 13. Dezember 2001 - 4 StR 363/01).
11
c) Die Strafzumessungserwägungen sind auch nicht lückenhaft. Der Tatrichter braucht im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Bemessung der Strafe bestimmend sind, § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO; eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 2; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 18; BGH, Beschl. vom 23. Oktober 1992 - 2 StR 483/92; BGH, Beschl. vom 19. Juli 2002 - 2 StR 255/02). Wenn vom Tatrichter nicht jeder zu Gunsten oder zu Lasten eines Angeklagten sprechende Umstand ausdrücklich angesprochen wird, so lässt das noch nicht ohne weiteres annehmen, er habe ihn übersehen. Ein Rechtsfehler liegt erst vor, wenn ein wesentlicher, die Tat prägender Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde (BGH StV 1994, 17; BGH, Beschl. vom 19. Juli 2002 - 2 StR 255/02). Das ist hier nicht zu besorgen. Entgegen dem Vorbringen der Revision hat der Tatrichter in seine Überlegungen auch einbezogen, dass die Straftaten das Vertrauen der Verbraucher in den ordnungsgemäßen Ablauf des Fleischhandels und der Fleischgewinnung erschüttert und Verunsicherung ausgelöst haben (UA S. 91). Der Tatrichter hat die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände umfassend gewürdigt.
12
d) Soweit die Revision rügt, den von der Kammer wesentlich strafmildernd berücksichtigten Umständen des Unternehmensverlustes und des öffentlichen Drucks komme vorliegend wegen des "lediglich losen Zusammenhangs" mit dem Ermittlungs- und Gerichtsverfahren keine wesentliche Bedeutung zu, bleibt ihr der Erfolg ebenfalls versagt. Die Kammer wertete den Verlust des Unternehmens infolge der Beschlagnahme des Warenbestandes, der Kontosperrung durch die Banken und der Insolvenzanmeldung sowie die persönliche Haftung des Angeklagten und den Druck durch die mediale Berichterstattung, dem der Angeklagte ausgesetzt war, als "vorweggenommene Bestrafung" erkennbar strafmildernd (UA S. 84, 85 f.).
13
Der zentrale Vorwurf in der öffentlichen Diskussion war geprägt durch die Begriffe "Gammelfleisch" und "Ekelfleisch". Dadurch wurde nach den Urteilsfeststellungen der Eindruck vermittelt, der Angeklagte habe gesundheitsgefährdendes Fleisch in den Verkehr gebracht und bedenkenlos die Gesundheit des Verbrauchers seinen finanziellen Zielen untergeordnet.
14
Diese Umstände durfte das Landgericht grundsätzlich auch als Strafmilderungsgründe heranziehen. Zwar sind nachteilige, typische und vorhersehbare Folgen für den Täter nicht schlechthin strafmildernd. Wer bei seiner Tat bestimmte Nachteile für sich selbst (zwar nicht gewollt, aber) bewusst auf sich genommen hat, verdient in der Regel keine strafmildernde Berücksichtigung solcher Folgen (BGH wistra 2005, 458; Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 46 Rdn. 55). Gehen jedoch die Tatfolgen - wie vorliegend - für den Angeklagten durch Insolvenz und persönliche Inanspruchnahme für Kreditverbindlichkeiten in ihrer wirtschaftlichen Dimension über den bloßen Betrugsschaden hinaus, so dürfen sie zugunsten des Angeklagten in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGH, Urt. vom 22. März 2006 - 5 StR 475/05). Dies gilt auch für den besonderen Druck der medialen Berichterstattung, der weit über das hinausging , was jeder Straftäter über sich ergehen lassen muss, dessen Fall in das Licht der Öffentlichkeit gerät - so das Landgericht -. Die Tendenz zur Emotionalisierung des Sachverhalts und Vorverurteilung war mit einer erheblichen seelischen Belastung für den Angeklagten verbunden.
15
e) Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen beanstandet, die Strafkammer sei "im Wesentlichen von einem zu geringen Schuldumfang" des Angeklagten ausgegangen, setzt sie nur die eigene Bewertung an die Stelle der des Tatrichters, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen. Der Tatrichter hat das Gesamtgewicht der Taten berücksichtigt und dabei unter anderem zutreffend auf die Schadenshöhe, die Anzahl der Taten und die vom Angeklagten aufgebrachte kriminelle Energie abgehoben. Er hat sehr wohl unterschieden zwischen juristischem Schaden - der vollen Kaufpreiszahlung - und dem wirtschaftlichen Vermögensvorteil des Angeklagten - der Preisdifferenz zwischen den Fleischarten - (UA S. 69, 72, 76, 78).
16
2. Gegen die Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 2 StGB wendet die Beschwerdeführerin ein, besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB lägen nicht vor. Mit diesem Vorbringen setzt die Beschwerdeführerin wiederum in unzulässiger Weise ihre eigene Wertung an die Stelle der Auffassung des Landgerichts. Auch mit dieser Rüge kann die Beschwerdeführerin deshalb nicht durchdringen. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB, die es "als gerade noch gegeben" ansieht, wenngleich es sich "um einen Grenzfall handelt" (UA S. 95), eingehend und mit vertretbaren Erwägungen begründet. Es hat auf das Zusammentreffen - schon erwähnter - mehrerer durchschnittlicher Milderungsgründe abgestellt, welche die Bedeutung besonderer Umstände erlangen können. Auch diese Entschei- dung hält sich im Rahmen des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums.
17
3. Die Darlegungen der Strafkammer, mit denen sie verneint, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebietet, halten rechtlicher Prüfung ebenfalls stand. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46; BGH StV 1998, 260; BGH NStZ 2001, 319; BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 13). Das Landgericht hat die Verneinung des § 56 Abs. 3 StGB eingehend und mit vertretbaren Erwägungen begründet. Es hat bei der Prüfung dieser Frage nochmals die gesamten Tatumstände und die Persönlichkeit des Angeklagten gewürdigt. Mit Rücksicht auf die vom Landgericht angeführten Milderungsgründe , insbesondere bei Beachtung der persönlichen Folgen der Taten für den Angeklagten u.a. durch den Verlust seines Unternehmens, ist die Annahme der Kammer hinzunehmen, die Rechtstreue der Bevölkerung werde nicht ernsthaft beeinträchtigt und es werde von der Allgemeinheit bei Kenntnis der festgestellten Sachlage, die sich wesentlich von der in der öffentlichen Berichterstattung unterscheidet, nicht als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen, dass die Vollstreckung der Strafe im vorliegenden Fall zur Bewährung ausgesetzt wird (vgl. BGH wistra 2000, 96). Das Landgericht hat sehr wohl unterschieden zwischen den im Rahmen der Ermittlungen aufgedeckten Missständen in anderen Betrieben und der individuellen Tatschuld des Angeklagten, die nicht dazu führen könne, an ihm ein Exempel zu statuieren.

III.

18
Schließlich weist auch die Entscheidung des Landgerichts, von der Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB abzusehen, keinen Rechtsfehler auf. Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Maßregel der Besserung und Sicherung "Berufsverbot" soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen. Sie kann unter anderem gegen denjenigen angeordnet werden, der wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde, die er unter Missbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen hat, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung dieses Berufs erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen wird (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03).
19
Eine solche Gefahr hat die Strafkammer nicht festgestellt. Sie hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots verneint , weil sie bei der von ihr vorgenommenen Gesamtwürdigung des Angeklagten und der Taten zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich keine Gefahr erkennen , dass der Angeklagte bei weiterer Ausübung seines Berufes erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Sie sei davon überzeugt, dass es zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreiche, im Rahmen "einer Auflage bzw. Weisung im Bewährungsbeschluss anzuordnen, dass der Angeklagte sich während der Dauer von drei Jahren jeglicher Tätigkeit im Bereich der Herstellung und Verarbeitung sowie Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren zu enthalten hat" (UA S. 38). Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Der Senat vermag keinen Ermessensfehler in der von der Strafkammer angestellten Ge- samtwürdigung zu erkennen. Der Gesetzgeber hat dem Tatrichter bewusst einen weiten Ermessensspielraum zur Verfügung gestellt, um unbillige Ergebnisse bei dieser schwerwiegenden Rechtsfolge zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03; Urt. vom 24. April 2007 - 1 StR 439/06). Die Kammer ist unter Würdigung der Person des Angeklagten und seiner Taten zu der - revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbaren - Prognose gelangt, dass dieser in Verbindung mit seinem bisher ausgeübten Beruf im Bereich des (Wild-)Fleischhandels künftig keine erheblichen Rechtsverletzungen begehen werde. Die Strafkammer ist jedenfalls davon überzeugt, dass die im Bewährungsbeschluss angeordnete Weisung zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreicht. Diese Erwägungen der Kammer sind nachvollziehbar und lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen.
20
Es kann dahinstehen, ob die Weisung, zeitweise im Bereich der Herstellung , Ver- und Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren nicht tätig zu sein, zulässig ist (so BGHSt 9, 258, 260; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 56c Rdn. 24; Groß in MK-StGB § 56c Rdn. 12, 23) oder ob dies nur unter den in § 70 StGB angegebenen Voraussetzungen angeordnet werden darf (so Ostendorf in NK 2. Aufl. § 56c Rdn. 4; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 56c Rdn. 1; Horn in SK-StGB 41. Lfg. § 56c Rdn. 7; OLG Hamm NJW 1955, 34), weil es einem zeitigen Berufsverbot gleichkomme. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB verneint. Die Frage, ob die im Bewährungsbeschluss nach § 268a Abs. 1 StPO angeordnete Weisung zulässig ist, unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Kontrolle (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 268a Rdn. 10).
Nack Boetticher Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 413/11
vom
19. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Januar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Staatsanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 6. Mai 2011 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen fügte der Angeklagte bei zwei Gelegenheiten aus Verärgerung und Überforderung dem zwei Jahre alten Sohn seiner Lebensgefährtin am Rücken mit einer heißen Flüssigkeit eine großflächige Verbrühung sowie weitere schwerwiegende, schmerzhafte Verletzungen zu, an deren Folgen das Kind verstarb.
2
Gegen das Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision. Sie beanstandet mit der Sachrüge Rechtsfehler bei der Strafzumessung und hält insbesondere die verhängte Strafe für unvertretbar milde. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.
3
1. Die Strafkammer hat einen minder schweren Fall der Körperverletzung mit Todesfolge abgelehnt und ist vom Regelstrafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB ausgegangen. Innerhalb des Strafrahmens von drei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe hat es zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er noch jung sowie nur geringfügig vorbestraft ist, im Tatzeitraum innerlich angespannt und mit seiner Lebenssituation überfordert war, spontan handelte, erstmals Untersuchungshaft verbüßt und sich für ihn die Haftsituation vergleichsweise hart darstellt. Zu seinen Lasten hat sie das hohe Maß der in multipler Form angewendeten Gewalt, die sich gegen ein ihm wehrlos ausgeliefertes Opfer richtete, die Misshandlungen an besonders schmerzempfindlichen Körperregionen, die über eine Woche lang andauernden Schmerzen sowie die Verwirklichung von zwei Straftatbeständen gewertet.
4
2. Die dem Tatgericht obliegende Strafzumessung hält sachlich rechtlicher Überprüfung stand. Revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler in dem Sinne, dass die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen, bestimmende Strafzumessungstatsachen übergangen wurden oder sich die verhängte Freiheitsstrafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs offenkundig löst (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 441/10, NStZ 2011, 270; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 337 Rn. 34), liegen nicht vor.
5
Den Umstand, dass der Angeklagte das Kleinkind mehrfach mit direktem Vorsatz grob und mit roher Gewalt misshandelte, hat das Landgericht ausdrücklich bei der Strafzumessung straferschwerend gewichtet. Dasselbe gilt für die ihm zugefügten intensiven körperlichen Schmerzen. Es ist nicht zu besorgen , dass es die seelischen Qualen sowie die psychischen Belastungen, die das Tatopfer in den letzten Wochen vor seinem Tod erleiden musste, und die Tatfolgen für dessen Familie dabei unberücksichtigt gelassen hat, zumal diese Gesichtspunkte in mehreren Urteilspassagen angesprochen sind. Dass in den Strafzumessungsgründen eine Erwägung nicht ausdrücklich wiederholt wird, lässt nicht ohne weiteres den Schluss zu, das Tatgericht habe sie bei der Zumessung der Strafe übersehen (BGH, Beschluss vom 2. März 1989 - 1 StR 7/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 18). Den Versuch des Angeklagten , Tatspuren zu beseitigen, durfte die Strafkammer nicht zu seinen Lasten werten (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 49 mwN), sein Verteidigungsverhalten (vgl. Fischer, aaO Rn. 52, 53) musste sie nicht zwingend als bestimmenden Strafzumessungsgrund ausdrücklich in die Strafzumessung einstellen. Mit der Formulierung "Strafmildernd war … zu berücksichtigen, dass er erstmals Untersuchungshaft verbüßt und dass sich für ihn die Haftsituation vor dem Hintergrund des Tatvorwurfs und der damit verbundenen Reaktionen von Mitgefangenen härter gestaltet als bei anderen Gefangenen." hat sie ohne durchgreifenden Rechtsfehler eine besondere Haftempfindlichkeit zum Ausdruck gebracht und nicht lediglich den Vollzug von Untersuchungshaft an sich strafmildernd berücksichtigt (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 - 2 StR 34/06, NStZ 2006, 620 f.; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 70-73). Entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft ist die verhängte Freiheitsstrafe von neun Jahren angesichts der Strafzumessungstatsachen nicht offenkundig so unvertretbar milde, dass sie sich von ihrer Bestimmung löst, einen gerechten Schuldausgleich herbeizuführen , und somit außerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Beurteilungsspielraums liegt. Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 164/07
vom
7. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. November 2006 wird verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision und die dem Angeklagten durch das Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Betruges in zwölf Fällen und Verstößen gegen das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz bzw. das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Straftaten lagen folgende Tatbestände zugrunde:
2
Der Angeklagte hatte u.a. statt Elchfleisch billigeres Hirschfleisch, statt Gamsfleisch billigeres Mufflonfleisch, statt Frischfleisch Fleisch mit Konservierungsmitteln bzw. Tiefkühlware geliefert. In einem Fall erfolgte eine unhygienische Schlachtung von Fasanen, die jedoch nicht zu einer Substanzbeeinträch- tigung des verarbeiteten Fleisches führte, wenngleich der Normalverbraucher in Kenntnis der Schlachtumstände den Verzehr abgelehnt hätte.
3
Von den weiteren Vorwürfen des Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung durch unbefugte Veränderung des Mindesthaltbarkeitsdatums hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Es hat von der Verhängung eines Berufsverbotes gegen ihn abgesehen. Die Kammer hat es als ausreichend erachtet, im Rahmen des Bewährungsbeschlusses dem Angeklagten die Weisung zu erteilen, für die Dauer von drei Jahren sich jeglicher Tätigkeit im Bereich der Herstellung und Verarbeitung sowie Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren zu enthalten. Der Angeklagte ist nunmehr als Handelsvertreter/Makler im Lebensmittelbereich tätig.
4
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die Verletzung sachlichen Rechts und erstrebt insbesondere eine Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte freigesprochen wurde. Weiterhin beanstandet sie den Strafausspruch sowohl im Hinblick auf die Höhe der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe als auch in Bezug auf die Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung. Sie wendet sich ferner gegen die unterbliebene Anordnung eines Berufsverbots. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

I.

5
Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern. Die Staatsanwaltschaft beanstandet ohne Erfolg, das Landgericht habe den Angeklagten in den Fällen III. der Urteilsgründe von den weiteren Vorwürfen des Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung durch unbefugte Veränderung des Mindesthaltbarkeitsdatums zu Unrecht freigespro- chen. Das Landgericht konnte schon nicht feststellen, dass der Angeklagte in den konkreten, der Anklage zu Grunde liegenden Fällen das Mindesthaltbarkeitsdatum tatsächlich verändert hat (UA S. 36, 37). Hierzu hat die Beweisaufnahme - so die Urteilsfeststellungen - keinen sicheren Nachweis erbracht, was auch die Beschwerdeführerin nicht beanstandet. Der Angeklagte war daher - wie geschehen - aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Auf die Rechtsfrage , ob der Angeklagte überhaupt zur Veränderung berechtigt gewesen wäre, kommt es somit nicht an.

II.

6
Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf:
7
1. Die Staatsanwaltschaft greift die Strafzumessung insgesamt an. Sie rügt, die ausgeworfenen Einzelstrafen beruhten auf rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen und verließen ebenso wie die gefundene Gesamtstrafe den Bereich tatrichterlichen Ermessens, weil sie nicht mehr als angemessener Schuldausgleich angesehen werden könnten. Die Strafkammer habe wesentliche strafzumessungsrelevante Gesichtspunkte unerörtert gelassen.
8
Die Strafzumessung unterliegt nur in eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters , auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Person des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; BGH NJW 1995, 340; BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03; BGH, Beschl. vom 29. Juni 2005 - 1 StR 149/05). Diese Grundsätze gelten auch für die Bildung der Gesamtstrafe und für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung (BGHR § 54 Abs. 1 StGB Bemessung 5 und 11; BGH, Urt. vom 24. März 1999 - 3 StR 556/98).
9
a) An diesen revisionsrechtlichen Maßstäben gemessen hält die Strafzumessung - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt - rechtlicher Überprüfung "noch stand". Das Landgericht hat dem Angeklagten mehrere, als erheblich bewertete Milderungsgründe zugute gehalten. Das dagegen gerichtete Vorbringen der Staatsanwaltschaft läuft im Wesentlichen darauf hinaus, diese Umstände abweichend zu werten. Dies ist im Revisionsverfahren unzulässig. Rechtsfehler, die ein Eingreifen des Revisionsgerichts rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Kammer hat zwar in acht Fällen als Einzelstrafe jeweils die Mindeststrafe des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB verhängt und ist dementsprechend auch zu einer milden Gesamtstrafe gekommen. Dies überschreitet jedoch noch nicht die Grenzen dessen, was im Hinblick auf die Gesamtumstände bei dem nicht vorbestraften Angeklagten als gerechter Schuldausgleich anzusehen ist.
10
b) Rechtsfehlerhaft wäre es allerdings, wenn der Tatrichter die erkannten Strafen nur deshalb in der Höhe ausgesprochen hätte, damit die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nach § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden konnte - wie die Staatsanwaltschaft vorträgt - (vgl. BGHSt 29, 319, 321; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; BGH, Urt. vom 13. Dezember 2001 - 4 StR 363/01). Dies ist dem angefochtenen Urteil indes nicht zu entnehmen. Dass das Landgericht - wie nahe liegend anzunehmen ist - die Frage der Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung bei der Findung schuldangemessener Sanktionen mitberücksichtigt hat, begründet für sich noch keinen durchgreifenden Rechtsfehler (BGH, Urt. vom 13. Dezember 2001 - 4 StR 363/01).
11
c) Die Strafzumessungserwägungen sind auch nicht lückenhaft. Der Tatrichter braucht im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Bemessung der Strafe bestimmend sind, § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO; eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 2; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 18; BGH, Beschl. vom 23. Oktober 1992 - 2 StR 483/92; BGH, Beschl. vom 19. Juli 2002 - 2 StR 255/02). Wenn vom Tatrichter nicht jeder zu Gunsten oder zu Lasten eines Angeklagten sprechende Umstand ausdrücklich angesprochen wird, so lässt das noch nicht ohne weiteres annehmen, er habe ihn übersehen. Ein Rechtsfehler liegt erst vor, wenn ein wesentlicher, die Tat prägender Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde (BGH StV 1994, 17; BGH, Beschl. vom 19. Juli 2002 - 2 StR 255/02). Das ist hier nicht zu besorgen. Entgegen dem Vorbringen der Revision hat der Tatrichter in seine Überlegungen auch einbezogen, dass die Straftaten das Vertrauen der Verbraucher in den ordnungsgemäßen Ablauf des Fleischhandels und der Fleischgewinnung erschüttert und Verunsicherung ausgelöst haben (UA S. 91). Der Tatrichter hat die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände umfassend gewürdigt.
12
d) Soweit die Revision rügt, den von der Kammer wesentlich strafmildernd berücksichtigten Umständen des Unternehmensverlustes und des öffentlichen Drucks komme vorliegend wegen des "lediglich losen Zusammenhangs" mit dem Ermittlungs- und Gerichtsverfahren keine wesentliche Bedeutung zu, bleibt ihr der Erfolg ebenfalls versagt. Die Kammer wertete den Verlust des Unternehmens infolge der Beschlagnahme des Warenbestandes, der Kontosperrung durch die Banken und der Insolvenzanmeldung sowie die persönliche Haftung des Angeklagten und den Druck durch die mediale Berichterstattung, dem der Angeklagte ausgesetzt war, als "vorweggenommene Bestrafung" erkennbar strafmildernd (UA S. 84, 85 f.).
13
Der zentrale Vorwurf in der öffentlichen Diskussion war geprägt durch die Begriffe "Gammelfleisch" und "Ekelfleisch". Dadurch wurde nach den Urteilsfeststellungen der Eindruck vermittelt, der Angeklagte habe gesundheitsgefährdendes Fleisch in den Verkehr gebracht und bedenkenlos die Gesundheit des Verbrauchers seinen finanziellen Zielen untergeordnet.
14
Diese Umstände durfte das Landgericht grundsätzlich auch als Strafmilderungsgründe heranziehen. Zwar sind nachteilige, typische und vorhersehbare Folgen für den Täter nicht schlechthin strafmildernd. Wer bei seiner Tat bestimmte Nachteile für sich selbst (zwar nicht gewollt, aber) bewusst auf sich genommen hat, verdient in der Regel keine strafmildernde Berücksichtigung solcher Folgen (BGH wistra 2005, 458; Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 46 Rdn. 55). Gehen jedoch die Tatfolgen - wie vorliegend - für den Angeklagten durch Insolvenz und persönliche Inanspruchnahme für Kreditverbindlichkeiten in ihrer wirtschaftlichen Dimension über den bloßen Betrugsschaden hinaus, so dürfen sie zugunsten des Angeklagten in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGH, Urt. vom 22. März 2006 - 5 StR 475/05). Dies gilt auch für den besonderen Druck der medialen Berichterstattung, der weit über das hinausging , was jeder Straftäter über sich ergehen lassen muss, dessen Fall in das Licht der Öffentlichkeit gerät - so das Landgericht -. Die Tendenz zur Emotionalisierung des Sachverhalts und Vorverurteilung war mit einer erheblichen seelischen Belastung für den Angeklagten verbunden.
15
e) Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen beanstandet, die Strafkammer sei "im Wesentlichen von einem zu geringen Schuldumfang" des Angeklagten ausgegangen, setzt sie nur die eigene Bewertung an die Stelle der des Tatrichters, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen. Der Tatrichter hat das Gesamtgewicht der Taten berücksichtigt und dabei unter anderem zutreffend auf die Schadenshöhe, die Anzahl der Taten und die vom Angeklagten aufgebrachte kriminelle Energie abgehoben. Er hat sehr wohl unterschieden zwischen juristischem Schaden - der vollen Kaufpreiszahlung - und dem wirtschaftlichen Vermögensvorteil des Angeklagten - der Preisdifferenz zwischen den Fleischarten - (UA S. 69, 72, 76, 78).
16
2. Gegen die Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 2 StGB wendet die Beschwerdeführerin ein, besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB lägen nicht vor. Mit diesem Vorbringen setzt die Beschwerdeführerin wiederum in unzulässiger Weise ihre eigene Wertung an die Stelle der Auffassung des Landgerichts. Auch mit dieser Rüge kann die Beschwerdeführerin deshalb nicht durchdringen. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB, die es "als gerade noch gegeben" ansieht, wenngleich es sich "um einen Grenzfall handelt" (UA S. 95), eingehend und mit vertretbaren Erwägungen begründet. Es hat auf das Zusammentreffen - schon erwähnter - mehrerer durchschnittlicher Milderungsgründe abgestellt, welche die Bedeutung besonderer Umstände erlangen können. Auch diese Entschei- dung hält sich im Rahmen des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums.
17
3. Die Darlegungen der Strafkammer, mit denen sie verneint, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebietet, halten rechtlicher Prüfung ebenfalls stand. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46; BGH StV 1998, 260; BGH NStZ 2001, 319; BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 13). Das Landgericht hat die Verneinung des § 56 Abs. 3 StGB eingehend und mit vertretbaren Erwägungen begründet. Es hat bei der Prüfung dieser Frage nochmals die gesamten Tatumstände und die Persönlichkeit des Angeklagten gewürdigt. Mit Rücksicht auf die vom Landgericht angeführten Milderungsgründe , insbesondere bei Beachtung der persönlichen Folgen der Taten für den Angeklagten u.a. durch den Verlust seines Unternehmens, ist die Annahme der Kammer hinzunehmen, die Rechtstreue der Bevölkerung werde nicht ernsthaft beeinträchtigt und es werde von der Allgemeinheit bei Kenntnis der festgestellten Sachlage, die sich wesentlich von der in der öffentlichen Berichterstattung unterscheidet, nicht als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen, dass die Vollstreckung der Strafe im vorliegenden Fall zur Bewährung ausgesetzt wird (vgl. BGH wistra 2000, 96). Das Landgericht hat sehr wohl unterschieden zwischen den im Rahmen der Ermittlungen aufgedeckten Missständen in anderen Betrieben und der individuellen Tatschuld des Angeklagten, die nicht dazu führen könne, an ihm ein Exempel zu statuieren.

III.

18
Schließlich weist auch die Entscheidung des Landgerichts, von der Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB abzusehen, keinen Rechtsfehler auf. Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Maßregel der Besserung und Sicherung "Berufsverbot" soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen. Sie kann unter anderem gegen denjenigen angeordnet werden, der wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde, die er unter Missbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen hat, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung dieses Berufs erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen wird (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03).
19
Eine solche Gefahr hat die Strafkammer nicht festgestellt. Sie hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots verneint , weil sie bei der von ihr vorgenommenen Gesamtwürdigung des Angeklagten und der Taten zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich keine Gefahr erkennen , dass der Angeklagte bei weiterer Ausübung seines Berufes erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Sie sei davon überzeugt, dass es zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreiche, im Rahmen "einer Auflage bzw. Weisung im Bewährungsbeschluss anzuordnen, dass der Angeklagte sich während der Dauer von drei Jahren jeglicher Tätigkeit im Bereich der Herstellung und Verarbeitung sowie Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren zu enthalten hat" (UA S. 38). Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Der Senat vermag keinen Ermessensfehler in der von der Strafkammer angestellten Ge- samtwürdigung zu erkennen. Der Gesetzgeber hat dem Tatrichter bewusst einen weiten Ermessensspielraum zur Verfügung gestellt, um unbillige Ergebnisse bei dieser schwerwiegenden Rechtsfolge zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03; Urt. vom 24. April 2007 - 1 StR 439/06). Die Kammer ist unter Würdigung der Person des Angeklagten und seiner Taten zu der - revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbaren - Prognose gelangt, dass dieser in Verbindung mit seinem bisher ausgeübten Beruf im Bereich des (Wild-)Fleischhandels künftig keine erheblichen Rechtsverletzungen begehen werde. Die Strafkammer ist jedenfalls davon überzeugt, dass die im Bewährungsbeschluss angeordnete Weisung zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreicht. Diese Erwägungen der Kammer sind nachvollziehbar und lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen.
20
Es kann dahinstehen, ob die Weisung, zeitweise im Bereich der Herstellung , Ver- und Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren nicht tätig zu sein, zulässig ist (so BGHSt 9, 258, 260; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 56c Rdn. 24; Groß in MK-StGB § 56c Rdn. 12, 23) oder ob dies nur unter den in § 70 StGB angegebenen Voraussetzungen angeordnet werden darf (so Ostendorf in NK 2. Aufl. § 56c Rdn. 4; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 56c Rdn. 1; Horn in SK-StGB 41. Lfg. § 56c Rdn. 7; OLG Hamm NJW 1955, 34), weil es einem zeitigen Berufsverbot gleichkomme. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB verneint. Die Frage, ob die im Bewährungsbeschluss nach § 268a Abs. 1 StPO angeordnete Weisung zulässig ist, unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Kontrolle (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 268a Rdn. 10).
Nack Boetticher Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 2 0 2 / 1 3
vom
26. März 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 26. März 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten X. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 30. Oktober 2012, soweit es ihn betrifft ,
a) im Fall II.6 der Urteilsgründe dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch sowie in der Anordnung über den Verfall von Wertersatz mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten A. wird vorgenanntes Urteil , soweit es ihn betrifft,
a) im Fall II.6 der Urteilsgründe dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen II.1, II.2, II.4, II.5 sowie in Bezug auf die Einzelstrafen der Fälle II.7 - II.11 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch, insoweit auch hinsichtlich des früheren Mitangeklagten V. , mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Auf die Revision des Angeklagten M. wird vorgenanntes Urteil, soweit es ihn betrifft, hinsichtlich der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.9 und II.10 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 4. Auf die Revision des Angeklagten K. wird vorgenanntes Urteil , soweit es ihn betrifft, hinsichtlich der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.1 und II.9/10 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 5. Auf die Revision des Angeklagten C. wird vorgenanntes Urteil, soweit es ihn betrifft, hinsichtlich der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.4 und II.8 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 6. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 7. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
2
den Angeklagten X. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handel- treibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur versuchten unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Verabredung eines Verbrechens des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren,
3
den Angeklagten A. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handel- treibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur versuchten unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Verabredung eines Verbrechens des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Jahren,
4
den Angeklagten M. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handel- treibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren,
5
den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren,
6
den Angeklagten C. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäu- bungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen versuchter unerlaubter Einfuhr eines Grundstoffes, der zur Herstellung von Betäubungsmitteln bestimmt ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren.
7
Außerdem hat es Wertersatzverfallentscheidungen gegen die Angeklagten X. , A. und C. getroffen. Die Revisionen der Angeklagten haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie offensichtlich unbegründet.
8
I. Die Revision des Angeklagten X.
9
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift genannten Gründen ohne Erfolg.
10
2. Die Sachrüge führt hinsichtlich des Schuldspruchs zu einer Berichtigung der Verurteilung im Fall II.6; im Übrigen bleibt auch sie ohne Erfolg.
11
Die Feststellungen zu Fall II.6 tragen - wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt hat - nicht den Schuldspruch wegen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich hinzutretender Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Insoweit fehlt es an der erforderlichen Haupttat der Zeugen L. und G. , die 20 km von P. entfernt auf dem Weg nach Deutschland angehalten wurden und daher noch nicht zur Einfuhr unmittelbar angesetzt hatten. Das festgestellte Verhalten des Angeklagten erfüllt jedoch die Voraussetzungen der versuchten Anstiftung gemäß § 30 Abs. 1 StGB zu einem Verbrechen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, das in Tateinheit zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht. Der Senat stellt den Schuldspruch um. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders hätte verteidigen können.
12
3. Der Rechtsfolgenausspruch weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten lediglich bei der Gesamtstrafenbildung und bei der Verfallsanordnung auf; im Übrigen ergeben sich keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
a) Die Änderung des Schuldspruchs im Fall II.6 erfordert keine Aufhebung des hierfür erfolgten Strafausspruchs. Die Strafkammer hat die Strafe dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen und die Erfüllung eines weiteren Tatbestands lediglich strafschärfend berücksichtigt. Dies bleibt von der Änderung des Schuldspruchs unberührt; im Übrigen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer unter Zugrundelegung des richtigen Schuldspruchs eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte.
14
b) Die Einzelstrafaussprüche erweisen sich auch ansonsten nicht als rechtsfehlerhaft. Insbesondere hat die Strafkammer hinsichtlich der Taten im Zusammenhang mit der Herstellung von Amphetamin nicht - wie bei den anderen Angeklagten - berücksichtigt, dass es sich insoweit um "gefährliche und harte" Drogen handelte. Zutreffend ist sie hinsichtlich des Angeklagten X. vielmehr davon ausgegangen, dass es sich um eine Droge mittlerer Gefährlichkeit handelt (UA S. 141).
15
c) Der Gesamtstrafausspruch begegnet hingegen durchgreifenden Bedenken , weil die Verurteilung des Angeklagten vom 4. Januar 2011 durch ein belgisches Gericht in den Strafzumessungserwägungen eine unzureichende Würdigung erfahren hat. Ausländische Strafen sind wegen des damit verbundenen Eingriffs in deren Vollstreckbarkeit zwar nicht gesamtstrafenfähig (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 - Härteausgleich 8); liegen aber ansonsten die Voraussetzungen einer Gesamtstrafenbildung vor, muss der Tatrichter regelmäßig einen Härteausgleich vornehmen, dies insbesondere dann, wenn es in der Addition beider Strafen zu einer Überschreitung der gesetzlichen Höchstgrenzen kommt (vgl. BGH StV 2000, 196). Zwar berücksichtigt die Strafkammer , dass die in Belgien verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren als ausländische Verurteilung nicht gesamtstrafenfähig ist, und nimmt auch einen nicht näher ausgeführten Härteausgleich vor. Der Senat besorgt jedoch, dass die Strafkammer dem im vorliegenden Fall nicht das erforderliche Gewicht beigemessen hat, vor allem auch deshalb, weil sie nicht ausdrücklich in den Blick nimmt, dass beide Strafen zusammen zu einer Gesamtverbüßungsdauer von insgesamt 18 Jahren führen.
16
d) Die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 1.000.000 € hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Berechnung der Kammer, die von einer Menge von 90 kg Amphetaminsulfat mit einem Wirkstoffanteil von 66% Amphetaminbase ausgeht, zur Erreichung eines Wirkstoffgehalts von 10% eine Verlängerung mit Streckmitteln auf die 6-fache Menge, 540 kg, für möglich hält und so bei einem Verkaufspreis von 2.000 € pro Kilogramm zu einem Betrag von mindestens 1.000.000 € gelangt, wird von den Feststellungen nicht getragen. Die Feststellungen gehen - wie der Generalbundesanwalt zu Recht hervorhebt - davon aus, dass die ölige Amphetaminbase von 68 kg (und nicht das Amphetaminsulfat von 90 kg) einen Wirkstoffgehalt von 66% reiner Amphetaminbase aufweist, weshalb ein niedrigerer Betrag (von 880.000 €) für den Wertersatzverfall anzunehmen wäre. Der Senat nimmt diesen Widerspruch zum Anlass, die Verfallsanordnung aufzuheben, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu einer neuen, in sich stimmigen Berechnung zu geben.
17
II. Die Revision des Angeklagten A.
18
1. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge ergibt mit Ausnahme einer Schuldspruchberichtigung im Fall II.6, hinsichtlich der auf die Revision des Angeklagten X. verwiesen wird, keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
19
2. Der Rechtsfolgenausspruch weist durchgreifende Rechtsfehler in den Einzelstrafaussprüchen II.1, II.2, II.4, II.5, II.7 - II.11 auf, was die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich zieht. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.
20
a) Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass sich seine Taten auf große Mengen gefährlicher und harter Drogen erstreckten (UA S. 143). Dies erweist sich als fehlerhaft, soweit Fälle betroffen sind, die die Herstellung von Ampthetamin betreffen (II.1, II.2, II.4, II.5, II.7 - II.11) bzw. darauf gerichtet sind (Fall II.8). Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei Amphetamin (und Ecstasy) im Vergleich zu Heroin und Kokain nicht um "harte" Drogen (BGH NStZ-RR 2013, 150; StV 1997, 75). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne die rechtsfehlerhafte Berücksichtigung dieser Erwägung zu niedrigeren Einzelfreiheitsstrafen gekommen wäre.
21
b) Dieser Rechtsfehler zieht gemäß § 357 StPO die Aufhebung des Strafausspruchs in den Fällen II.7 - II.11 (sowie des Gesamtstrafenausspruchs) hinsichtlich des nicht revidierenden früheren Mitangeklagten V. nach sich; auch insoweit berücksichtigt die Strafkammer, dass dessen Taten sich auf ganz erhebliche Mengen als "gefährlich einzustufender" Drogen bezogen (UA S. 144). Auch wenn die Kammer in diesen auf die Herstellung von Amphetaminbase bezogenen Fällen insoweit nicht von "harten" und gefährlichen Drogen wie bei dem Angeklagten A. spricht, lässt die gleichlautende Bezeichnung als "gefährlich" einzustufende Droge besorgen, dass der Strafzumessung des Landgerichts auch insoweit eine fehlerhafte Einschätzung zugrunde liegt, die die Höhe der betroffenen Einzelstrafen zu Lasten des Mitangeklagten V. beeinflusst hat (vgl. dazu näher die weitere Begründung im Rahmen der Revision des Angeklagten C. ).
22
III. Die Revision des Angeklagten M.
23
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche sowie des Gesamtstrafenausspruchs; im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet.
24
Auch hinsichtlich dieses Angeklagten berücksichtigt die Strafkammer zu seinen Lasten, dass er "als gefährlich einzustufende Drogen in großen Mengen" hergestellt hat. Der Senat besorgt auch insoweit, dass dem eine unzutreffende Einschätzung der hergestellten Amphetaminbase zugrunde liegt (s. dazu schon oben II. a.E.), und hebt die Strafaussprüche auf. Im Übrigen weist die Strafe im Fall II.10 einen weiteren Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Landgericht berücksichtigt nicht, dass das Betriebsgrundstück an diesem Tag von Ermittlungskräften observiert wurde, die die Tatbeteiligten festnahmen und die Betäubungsmittel sicherstellten. Es liegt nahe, dass es sich bei dieser Überwachung der Tat um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund handelt, den das Landgericht bei der Strafzumessung ausdrücklich hätte anführen müssen (vgl. zuletzt BGH NStZ 2013, 662). Der Wegfall der Einzelstrafen entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
25
IV. Die Revision des Angeklagten K.
26
Während die Überprüfung des Schuldspruchs keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO), begegnet der Strafausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat wie schon bei den Mitangeklagten M. und V. die hergestellten Betäubungsmittel als "gefährliche Drogen" eingestuft (s.o.) und nicht berücksichtigt, dass die Tat II.10, zu der der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, überwacht war (vgl. BGH NStZ 2013, 662). Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche und des Gesamtstrafenausspruchs.
27
V. Die Revision des Angeklagten C.
28
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift genannten Gründen ohne Erfolg.
29
2. Der Schuldspruch, der Strafausspruch im Fall II.3 sowie die Verfallsanordnung begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Dagegen weisen die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.4 und II.8 Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
30
a) Im Rahmen des Strafausspruchs zu Fall II.4 hat die Strafkammer zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass sich die Tat auf die Herstellung einer "gefährlichen" Droge in einer erheblichen Menge bezog (UA S. 146), und hat die gleiche Strafe von drei Jahren Freiheitsstrafe verhängt wie gegen den Angeklagten A. . Bei diesem hat das Landgericht von "harter und gefährlicher" Droge gesprochen, weshalb der Senat besorgt, dass der Bezeichnung "gefährliche" Droge im Rahmen der Strafzumessung für den Angeklagten C. die gleiche fehlerhafte Wertung zugrunde liegt wie bei dem Angeklagten A. (s. oben zu II.2 a). Im Übrigen hätte sich in der Strafbemessung niederschlagen müssen, dass der Angeklagte lediglich 5.000 € aus der Tat erlangt hat, während A. 15.000 € daraus verblieben sind.
31
b) Der Strafausspruch im Fall II.8 erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil eine Begründung für die Anwendung des Strafrahmens gemäß § 19 Abs. 3 GÜG fehlt. Das Landgericht ist offenbar davon ausgegangen, dass der Angeklagte C. "gewerbsmäßig" gehandelt habe (§ 19 Abs. 3 Nr. 1 GÜG), begründet dies aber nicht. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich nicht entnehmen, dass der Angeklagte C. schon bei und während der hier gescheiterten versuchten Einfuhr von Grundstoffen von einer wiederholten Tatbegehung ausgegangen ist, mit der er sich eine nicht nur vorüber gehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen wollte. An der ursprünglichen Verbrechensabrede war der Angeklagte C. , der lediglich einen Auftrag für eine Einfuhr mit einer beabsichtigten Entlohnung über 50.000 € erhalten hatte, nicht beteiligt (UA S. 44). Dass er zum Zeitpunkt seines Tätigwerdens für diesen Auftrag bereits von weiteren Containerlieferungen ausging , ist nicht festgestellt und kann auch nicht daraus entnommen werden, dass nach dem Scheitern des ersten Einfuhrversuchs über erneute Lieferungen gesprochen worden ist. Im Übrigen hätte die Strafkammer bei angenommener Gewerbsmäßigkeit im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung erörtern müssen, ob nicht insbesondere mit Blick auf das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes nach § 23 Abs. 2 StGB die Regelwirkung des besonders schweren Falles gemäß § 19 Abs. 3 GÜG entfallen kann. Fischer Appl Krehl Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 315/10
vom
17. November 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Für Methamphetaminracemat - (RS)-(methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan - beginnt die
nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei
10 g der wirkungsbestimmenden Base.
BGH, Urteil vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10 - LG Verden
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. November
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 18. März 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Der an der Chemie interessierte Angeklagte betrieb ab 1995 ein häusliches Labor und forschte dort unter anderem an (legalen) Amphetaminderivaten. In einem später eingestellten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Zuwiderhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz stellte die Staatsanwaltschaft im November 1999 die Laboreinrichtung kurzzeitig sicher. Nach anschließender Pfändung durch einen privaten Gläubiger nahm der Angeklagte sie 2001 wieder in Besitz und lagerte sie zunächst im Hause seiner Eltern ein.
5
Nach einem Umzug im Jahre 2009 beschloss der Angeklagte, der sich zwischenzeitlich einer operativen Behandlung wegen eines Prostatakarzinoms unterzogen und als Dauerfolge u.a. eine erektile Dysfunktion davongetragen hatte, sein Labor wieder aufzubauen. Beim Sichten der eingelagerten Bestände fiel ihm ein Glaskolben mit einer kristallinen Substanz auf, deren Herkunft das Landgericht nicht hat klären können. Nach seinen früheren Forschungen hielt es der Angeklagte zumindest für möglich, dass es sich dabei um Methamphetamin -Hydrochlorid handelte. Er erwärmte eine Probe, inhalierte diese und empfand die Wirkung wie erhofft als "angenehm, blutdruck- und sinnsteigernd und vor allem … erektionsfördernd". Für den beabsichtigten weiteren Konsum verpackte er die Substanz in Klemmtüten, die er - nebst der Erwärmung dienender Folienstreifen - versteckt in seinem Schlafzimmer verwahrte. Bei einer Durchsuchung am 13. Mai 2009 fanden sich dort neun Klemmtüten, die insgesamt 915,8 g Methamphetamin-Hydrochlorid-Gemisch mit einem Reinheitsgrad von 99,5 % enthielten. Die Base bestand stereochemisch aus Methamphetaminracemat - (RS)-(methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan - mit gleichen Anteilen der Enantiomere des Methamphetamins, also des "rechtsdrehenden" (2S)-N- Methyl-1-phenylpropan-2-amin (auch d-Methamphetamin; gemäß Anl. II zu § 1 BtMG: Methamphetamin), und des "linksdrehenden" (R)-(methyl)(1phenylpropan -2-yl)azan (auch l-Methamphetamin; gemäß Anl. II zu § 1 BtMG: Levmethamphetamin).
6
b) Das Landgericht hat das Gewicht des in dem Gemisch enthaltenen Hydrochlorid-Salzes mit 911 g und die Menge der Base hiernach mit 731,96 g errechnet (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89, 90). Den Grenzwert der nicht geringen Menge der Base im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hat es, beraten durch den Sachverständigen Dr. D. , Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie beim Bundeskriminalamt Wiesbaden, wie bei (2S)-Methamphetamin (vgl. hierzu BGH aaO) mit 5 g angenommen. Im Hinblick auf das besondere Gefährdungspotential aller drei der in Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG als verkehrsfähig, aber nicht verschreibungsfähig aufgeführten stereochemischen Erscheinungsformen sei es nicht angezeigt, das Methamphetamin-Racemat wegen seines Levmethamphetamin -Anteils insoweit anders zu behandeln, zumal die Stoffe nicht auf getrennten Märkten gehandelt würden. Zwar liege die Wirksamkeit von Levmethamphetamin unter der von (2S)-Methamphetamin, was damit zu erklären sei, dass letzteres in höherem Maße geeignet sei, an die maßgeblichen Rezeptoren im Gehirn anzudocken und damit das Zentralnervensystem zu beeinflussen. Jedoch könne Levmethamphetamin leichter über Rezeptoren etwa in Herz und Nieren aufgenommen werden und wirke damit stärker auf das periphersympathische Nervensystem. Im Vergleich zum (2S)-Methamphetamin liege der Wirkungsgrad des Racemats damit jedenfalls bei "deutlich mehr als 50 %". Letztlich sei dieser Unterschied zu vernachlässigen, denn bei rechtsmissbräuchlichem Konsum werde in allen Fällen die therapeutisch wirksame Dosis um ein Vielfaches und die Grenze zur Risikodosis bei weitem überschritten.
7
c) Davon ausgehend hat das Landgericht bei der Bemessung der Strafe zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass das in seinem Besitz befindliche Gemisch den Grenzwert der nicht geringen Menge "um das 146,329fache" überschritten habe.
8
2. Der Senat ermittelt den Grenzwert der nicht geringen Menge von Methamphetamin-Racemat - anders als das Landgericht - mit 10 g der wirkungsbestimmenden Base. Nach Anhörung der Sachverständigen Dr. D. und Prof. Dr. Da. , Institut für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Düsseldorf, kann der Senat keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse feststellen, die es rechtfertigen, den Grenzwert für dieses Amphetaminderivat zu Lasten des Angeklagten anders zu beurteilen als für den Grundstoff Amphetamin. Im Einzelnen:
9
a) Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen gegen den methodischen Ansatz des Landgerichts, den Grenzwert der nicht geringen Menge von Methamphetamin-Racemat ungeachtet im Raum stehender Unterschiede im Wirkungsgrad deshalb an den für (2S)-Methamphetamin anzugleichen, weil bei rechtsmissbräuchlichem Konsum ohnehin stets die Grenze zur Risikodosis überschritten werde. Zu Ende gedacht würde dies die Bedeutung des Wirkstoffgehalts für die Bemessung des Unrechtsgehalts der Tat relativieren, denn die präzise Ermittlung eines Vielfachen der nicht geringen Menge hätte vor einem Hintergrund möglicher nicht unerheblicher Unterschiede im Wirkungsgrad der einzelnen Substanzen nur noch eine begrenzte Aussagekraft.
10
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 2. November 2010 - 1 StR 581/09, NJW 2011, 1462, 1464 f.) ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels vielmehr stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Wirkungsintensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten, das zu bemessen ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (BGH, Urteil vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318, 321 ff.). Nicht zu verkennen ist, dass sich - etwa wegen des Fehlens getrennter Märkte - ein praktisches Bedürfnis ergeben kann, zwei oder mehrere Substanzen mit gleicher Wirkungsweise, aber unterschiedlicher Wirkungsintensität einheitlich zu behandeln. Dem müsste indes dadurch Rechnung getragen werden, dass insgesamt der Wert für diejenige Erscheinungsform zugrunde gelegt wird, welche die geringste Wirkungsintensität aufweist (vgl. zu den Amphetaminderivaten MDA, MDMA und MDE BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 267 f.).
11
b) Nach diesen Maßstäben hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge für Amphetamin mit 10 g Amphetamin-Base bestimmt (Urteil vom 11. April 1985 - 1 StR 507/84, BGHSt 33, 169; vgl. auch Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 48). Amphetamin ist nach Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG das Racemat (RS)-1-phenylpropan-2-ylazan, bestehend aus dem "rechtsdrehenden" Dexamphetamin [(S)-1-phenylpropan-2ylazan; Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG] und dem "linksdrehenden" Levamphetamin [(R)-1-phenylpropan-2-ylazan; Anl. II zu § 1 Abs. 1 BtMG]. Im Einzelnen hat sich der Bundesgerichtshof davon leiten lassen, dass die hohe Dosis für den nicht Amphetamingewohnten bei 50 mg anzunehmen sei, indes Toleranzent- wicklung und der Wunsch, stärkere Effekte zu erleben, zu immer stärkeren Dosen führten. Bei intravenöser Verabreichung könnten so Einzeldosen von 160 mg bis zu zehnmal täglich oder von 1.000 mg in Abständen von wenigen Stunden erreicht werden. Bei oraler Einnahme könne es zu Einzeldosen von 200 mg Amphetamin und mehr kommen. Der Missbrauch führe zu psychischer, wenn auch nicht zu körperlicher Abhängigkeit. Er könne indes nicht nur psychische , sondern auch schwerwiegende physische Folgeschäden nach sich ziehen. Zu beobachten seien überwache Zustände, ängstliche Getriebenheit, Aggressivität , Depressionen, illusionäre Verkennungen, Störungen des Urteilsvermögens , Depersonalisationserscheinungen, Hyperthermie, Kreislaufkollaps oder Herzversagen sowie Gehirnschädigungen. Persönlichkeitsveränderungen gingen mit beruflichem und sozialem Abstieg einher. "Amphetamin-Psychosen" träten nicht nur als Folge eines chronischen Missbrauchs, sondern auch als akutes Vergiftungssymptom auf. Als psychisches Stimulans erweise sich Amphetamin häufig als Schrittmacher für eine Polytoxikomanie. Die Gefahr einer Wiederaufnahme der Missbrauchsgewohnheiten nach einer Entzugsperiode sei hoch. Todesfälle seien andererseits eher selten. In Abwägung dieser Umstände hat der Bundesgerichtshof die nicht geringe Menge schließlich beim 200-fachen der Einzeldosis von 50 mg als erreicht angesehen (vgl. Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 48).
12
c) Für (2S)-Methamphetamin hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge mit 5 g Methamphetamin-Base festgelegt (Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Ausgehend von einer Wirkungsweise sowie von physischen und psychischen Missbrauchsfolgen, die denen des Amphetamins ähneln, hat er für ausschlaggebend erachtet, dass die pharmakodynamische Wirkung von (2S)-Methamphetamin bei oraler Aufnahme etwa eineinhalb- bis zweimal so stark sei wie die von Amphetamin; in der Kon- sumform des Rauchens - die bei Amphetamin nicht möglich sei - wirke es mindestens doppelt so stark und vor allem erheblich schneller, weil aufgrund höherer Lipophilie die Blut-Hirn-Schranke schneller überwunden werde. Auch gelange beim Rauchen das gesamte aufgenommene Rauschgift unmittelbar zum Gehirn, während beim oralen Konsum mehrere Stunden bis zur vollständigen Resorption im Körper vergehen könnten. Für diese gefährlichste und heute gängigste Konsumform sei daher eine Gleichsetzung in der Wirkung mit "Crack" (Kokain-Base) gerechtfertigt; sie falle für die Festlegung des Grenzwerts erheblich ins Gewicht. Zu demselben Ergebnis führe es, wenn man die nicht geringe Menge - wie bei Amphetamin - beim 200-fachen einer Konsumeinheit als erreicht annehme, denn für den an Methamphetamin nicht Gewohnten sei eine Einzeldosis von 25 mg bereits sehr hoch.
13
d) Der Senat gelangt jedenfalls für das hier in Frage stehende Methamphetamin-Racemat wie beim Amphetamin-Racemat (Amphetamin) zu einem Grenzwert der nicht geringen Menge von 10 g Base. Nach gegenwärtigem Forschungsstand finden sich keine Belege dafür, dass die Wirkungsintensität und die Gefährlichkeit dieser Substanz signifikant höher liegen als beim Ausgangsstoff Amphetamin.
14
aa) Wie schon in den oben genannten Urteilen des Bundesgerichtshofs beschrieben, sind sich Amphetamin und dessen methyliertes Derivat in ihrer Wirkung weitestgehend ähnlich. Unter anderem in den USA werden beide Stoffe medizinisch zur Behandlung von Narkolepsie, Aufmerksamkeitsdefiziten, Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und Adipositas eingesetzt. Wegen ihrer stimmungsanhebenden, das Selbstvertrauen, die Konzentrationsfähigkeit, die Energie und die Wachheit steigernden Wirkung werden sie nicht selten missbräuchlich verwendet. Dauerkonsum und Überdosierung können dabei zu Ver- wirrung, Aggressivität, paranoiden Halluzinationen und Panikzuständen führen. In unmittelbarem Zusammenhang mit der durch eine Dauerstimulation hervorgerufenen körperlichen Erschöpfung ist auch mit Herzkreislaufbeschwerden bis hin zu lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen zu rechnen. Namentlich Methamphetamin gilt - bei einer geschätzten Jahresproduktion von 290 Tonnen - als die weltweit zweitpopulärste illegale Droge nach Cannabis, wenngleich es in Deutschland neben Amphetamin bislang nur eine untergeordnete Rolle spielt. Trotz der hohen Zahl der Konsumenten dieser Droge sind indes Todesfälle weltweit eher selten zu beobachten.
15
bb) Zu folgen ist dem Landgericht insoweit, als unterschiedliche Grenzwerte für (2S)- und (RS)-Methamphetamin auch bei Betrachtung der konkreten Wirkintensität nicht gerechtfertigt erscheinen. Wie der Sachverständige Prof. Dr. Da. dargelegt hat, erbrachten Tierversuche den Nachweis, dass Methamphetamin nach der körperlichen Aufnahme größtenteils zu Amphetamin metabolisiert, welches dann insbesondere im frontalen Cortex kumuliert. Danach ist zu vermuten, dass bei chronischem Missbrauch von Methamphetamin die Gesamtwirkung ohnehin wesentlich von der zentralen Wirkung des im Zentralnervensystem angereicherten Amphetamins bestimmt wird. Zwar dürfte, wie ebenfalls aus Tierversuchen abzuleiten ist, die Toxizität des (RS)- Methamphetamins nur etwa 30 bis 50 % derjenigen des (2S)- Methamphetamins betragen. Eine Studie an Konsumenten (Mendelson J. et al., Human Pharmacology of the Methamphetamine Stereoisomers, Clin Pharmacol Ther 80:403-420; 2006) zeigt jedoch auf, dass gleiche Dosen des Racemats und des (2S)-Methamphetamins insbesondere in Bezug auf das Herzkreislaufsystem vergleichbare pharmakodynamische Wirkungen hervorrufen; die entsprechende Dosis des (R)-Methamphetamins blieb demgegenüber wirkungslos. Als Ursache wird vermutet, dass das im Racemat vorhandene (R)- Methamphetamin die beschriebene Metabolisierung des Anteils an (2S)- Methamphetamin in (S)-Amphetamin fördert.
16
cc) Indes sieht der Senat nach Anhörung der Sachverständigen keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die es rechtfertigen könnten, den Grenzwert der nicht geringen Menge jedenfalls bei (RS)-Methamphetamin niedriger anzusetzen als bei (RS)-Amphetamin.
17
(1) Für die Gleichbehandlung von Amphetamin und Methamphetamin spricht zunächst die in den USA zu beobachtende weitgehend unterschiedslose medizinische Applikation beider Wirkstoffe. Unabhängig davon, ob Amphetamin oder Methamphetamin zur Anwendung kommt, beträgt die übliche Dosis 5 mg alle 4 bis 6 Stunden. Die Dosierung für die Langzeitbehandlung von Kindern mit ® ADHS ab 6 Jahren wird für Methamphetamin (Desoxyn ) mit 20 bis 25 mg pro ® Tag und für Amphetamin (ADDERALL XR ) mit maximal 30 mg pro Tag empfohlen.
18
(2) Unter Berücksichtigung des meist erheblich geringeren Körpergewichts von Kindern ergeben sich hieraus zugleich Bedenken dagegen, 20 bis 30 mg Methamphetamin im Falle missbräuchlicher Einnahme der Substanz bereits als eine die Bestimmung des Grenzwerts der nicht geringen Menge maßgeblich beeinflussende hohe Dosis anzusehen. Der Wirkstoffgehalt der in Deutschland bislang sichergestellten illegalen Methamphetamin-Tabletten beträgt demgegenüber durchschnittlich 25 bis 60 mg; in dieser Bandbreite bewegen sich nach bisherigen Erkenntnissen auch die Dosen, die schon Erstkonsumenten zum Erreichen des gewünschten Rauschzustandes einnehmen. In der medizinischen Fachliteratur werden Mengen zwischen 5 und 30 mg als niedrige , auch für die klinische Erprobung der Substanz am Menschen verwendete Dosen bezeichnet (Cruickshank et Dyer, A Review of the Clinical Pharmacology of Methamphetamine, Addiction 104:1085-1099, 1088; 2009). Hart et al. (Acute Physiological and Behavioral Effects of Intranasal Methamphetamine in Humans , Neuropsychopharmacology 33, 1847-1855, 1848 f; 2008) berichten über eine klinische Untersuchung der Wirkung von Methamphetamin auf den Menschen , bei der Einzeldosen von bis zu 50 mg/70 kg Körpergewicht verabreicht wurden; die aus Sicherheitsgründen festgelegte Höchstdosis betrug 60 mg.
19
(3) Auch sonst finden sich in der Fachliteratur keine Belege dafür, dass Methamphetamin im Vergleich zu Amphetamin einen höheren Wirkungsgrad und eine erhöhte Gefährlichkeit aufweist.
20
Die Überlegung, Methamphetamin verfüge auf Grund der veränderten chemischen Strukturen über eine verbesserte Lipophilie mit der Folge gesteigerter Bioverfügbarkeit und Wirkung, erweist sich letztlich nicht als tragfähig. Zwar stimmten beide vom Senat angehörten Sachverständigen darin überein, dass die weitere Methylgruppe des Methamphetamins dessen gegenüber Amphetamin gesteigerte Lipophilie aus organisch-chemischer Sicht geradezu aufdrängt. Die Aussagekraft der von Prof. Dr. Da. benannten experimentellen Studien, welche diese auf theoretischen Grundannahmen beruhende Erwartung nicht bestätigten, sondern für beide Substanzen ein annähernd gleiches Verteilungsvolumen - ca. 3,7 bis 4 l/kg - ergaben (Cook et al., Pharmacokinetiks of Methamphetamine self-administered to human subjects by smoking S-(+)- methamphetamine hydrochloride, Drug Metabolism Disposition 21:717-723; 1993; de la Torre et al., Clinical Pharmacokinetics of amfetamine and related substances, Clinical Pharmacokinetics 43:157-185; 2004), hat indes auch der Sachverständige Dr. D. , der den Wirkungsgrad von Methamphetamin bis zu zweimal höher einschätzt, nicht in Frage gestellt.
21
Ebenso wenig lässt sich eine erhöhte Gefährlichkeit von Methamphetamin überzeugend mit der bei dieser Substanz verbreiteten Konsumform des Rauchens begründen. Im Vergleich zur oralen Aufnahme kommt es hier - wie bei der intravenösen Applikation - zwar zu einem bis zu zehnfach schnelleren Wirkungseintritt, jedoch liegt die dadurch erreichbare maximale Wirkstoffkonzentration im Körper durchschnittlich um etwa die Hälfte niedriger (Cruickshank et Dyer aaO 1087). Gleichermaßen kann die Bioverfügbarkeit von Methamphetamin beim Rauchen belastbar lediglich mit 67 % der vom Konsumenten verwendeten Dosis angenommen werden; dieser Wert entspricht im Wesentlichen dem bei der oralen Aufnahme erzielten und liegt deutlich unter dem bei intranasaler Anwendung erreichbaren Wert (Cruickshank et Dyer aaO; Hart et al., Acute Physiological and Behavioral Effects of Intranasal Methamphetamine in Humans , Neuropsychopharmacology 33, 1847-1855, 1848; 2008). Im Übrigen dürfte auch die Annahme, bei Amphetamin scheide eine solche die Anflutung beschleunigende - und damit möglicherweise das Suchtverhalten beeinflussende - Konsumform mangels genügender Flüchtigkeit des Stoffes aus, in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen. Jedenfalls bei Amphetaminhydrochlorid steht die Höhe des Siedepunkts dem Rauchen nicht entgegen (vgl. http://www.suchtmittel.de/info/amphetamin/000292.php). Aber auch beim Rauchen von Gemischen des Sulfatsalzes wurden im Kondensat teils nicht unerhebliche Wirkstoffkonzentrationen nachgewiesen (Pawlik et Mahler, Smoke analysis of adulterated illicit drug preparations, Toxichem Krimtech 78:200-210;

2011).


22
Schließlich ergeben sich auch Bedenken, die durch die einzelnen Konsumformen von Methamphetamin einerseits und Kokain andererseits erzielbaren Anflutungseffekte gleichzusetzen. Nach der Untersuchung von Hart et al. (aaO 1847, 1850 f.) erreichen bei intranasaler Aufnahme (der jedenfalls in den USA weitaus häufigsten Konsumform), intravenöser Verabreichung und Inhalieren (Rauchen) von Methamphetamin gleichermaßen sowohl die kardiovaskulären Wirkungen als auch das subjektive Rauschempfinden durchschnittlich innerhalb von 15 Minuten ihren Höhepunkt. Dies entspricht im Wesentlichen auch den Werten, welche die Studie von Fowler et al. (J Nucl Med 48:17241732 , 1729; 2007) zur Auswirkung intravenös verabreichten d- und l- Methamphetamins auf das Verhalten von Primaten ermittelt hat. Die von Fowler et al. darüber hinaus angestellten vergleichenden Untersuchungen mit Kokain ergaben demgegenüber einen Durchschnittswert von 4 Minuten (aaO 1729 f.).
23
(4) Der Senat sieht sich bei seinem Ergebnis im Einklang auch mit der Rechtslage in der Republik Österreich. Die Untergrenze der die einzelnen Begehungsweisen des unerlaubten Umgangs mit Suchtstoffen jeweils qualifizierenden tatbezogenen Menge, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (§§ 28b, 31b ÖstSMG), wird dort für Amphetamin und seine Derivate ohne weitere Differenzierung ebenfalls einheitlich bestimmt und bei 10 g der Reinsubstanz angesetzt (Anhang 3 zur ÖStSuchtgift-Grenzmengenverordnung; vgl. auch Oberster Gerichtshof , Urteil vom 20. Dezember 1995 - 13 Os 126/95 unter Verweis auf das Gutachten des Beirats zur Bekämpfung des Missbrauchs von Alkohol und anderen Suchtmitteln vom 10. Mai 1985 [abgedruckt in Foregger/Litzka, Suchtgiftgesetz , 2. Aufl., S. 105 ff.]).
24
In der Schweiz wird zwar bei der Bestimmung der Menge, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann (Art. 19 Ziff. 2 Buchst. a SchwBetmG), nunmehr für Methamphetamin mit 12 g MethamphetaminHydrochlorid (= 9,68 g Base) ein noch schärferer Grenzwert vorgeschlagen als für Kokain (18 g; Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Rechts- medizin vom Juni 2010 zur Gefährlichkeit von Methamphetamin). Dieser Vorschlag orientiert sich aber im Wesentlichen nur am Urteil des (deutschen) Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 2008 (2 StR 86/08, BGHSt 53, 89) und an der darin mitgeteilten Auffassung der angehörten Gutachter. Weiterreichende Forschungsergebnisse liegen ihm nicht zugrunde.
25
(5) Die vom Sachverständigen Dr. D. im Weiteren als Beleg für eine bessere Bioverfügbarkeit von Methamphetamin herangezogenen Veröffentlichungen sind für die zu treffende Entscheidung nicht ergiebig. Nichols (in: Cho et Segal, Amphetamine and its Analogs, 1994, S. 6) greift zwar die These auf, Methamphetamin weise fast die zweifache Potenz von Amphetamin auf, lässt aber wiederum nicht erkennen, worauf diese Annahme beruht. Die Abhandlung von Li et al. (Br J Clin Pharmacol 69: 187-192; 2010) enthält keine aussagekräftigen Hinweise auf eine höhere Bioverfügbarkeit von Methamphetamin im Vergleich zu Amphetamin, sondern befasst sich in erster Linie mit den Metaboliten, die in Abhängigkeit von der jeweiligen stereochemischen Beschaffenheit des verabreichten Methamphetamins beim Abbau typischerweise entstehen. Im Übrigen haben weder Hart et al. noch Fowler et al. in ihren oben angesprochenen Studien Vergleiche zwischen Methamphetamin und Amphetamin angestellt.
26
3. Ob danach für (2S)-Methamphetamin weiterhin der Auffassung gefolgt werden kann, es wirke bis zu zweimal stärker als Amphetamin (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89), kann offen bleiben, denn der Senat hat nur über den Grenzwert bei (RS)-Methamphetamin zu entscheiden.
Becker Pfister von Lienen Mayer Menges

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 251/07
vom
20. Juni 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2007 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1, 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Dr. B. und D. V. wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30. November 2006 - auch soweit es den Mitangeklagten Da. B. betrifft - im Ausspruch über die Einziehung von bei den Angeklagten sichergestellten Gegenständen dahin ergänzt und neu gefasst, dass 145,06 g Kokain, 4.603 g Streckmittel, die bei dem Angeklagten Dr. B. sichergestellten Mobiltelefone der Marken Samsung SGH-E 810, Nokia 2600, Motorola und Sagem, die bei dem Angeklagten D. V. sichergestellten Mobiltelefone der Marken Motorola E 1000, Panasonic EBGD 87, Nokia 7650 und Sony, die bei dem Angeklagten Da. B. sichergestellten Mobiltelefone der Marken Nokia 3100, Samsung SGH-X 48, Samsung E 700 IMEI, Nokia 8310, Motorola, Siemens C 60, Samsung SGH-A 800 sowie die bei dem Angeklagten Dr. B. sichergestellte Handgranate, Typ M75, eingezogen werden. 2. Im Übrigen werden die Revisionen der Angeklagten Dr. B. und D. V. verworfen. 3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten Dr. B. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen , davon in einem Fall bandenmäßig, sowie wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten D. V. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen, davon in zwei Fällen bandenmäßig, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren sowie den nicht revidierenden Angeklagten Da. B. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Des Weiteren hat es den Verfall von Wertersatz sowie die Einziehung der „sichergestellten Betäubungsmittel und Streckmittel“, der „sichergestellten Mobiltelefone der Angeklagten “sowie der sichergestellten Handgranate“ angeordnet.
2
Der Angeklagte V. erhebt eine Verfahrensrüge. Zudem wenden sich beide Angeklagte mit der Sachrüge gegen das Urteil. Die Rechtsmittel haben im Wesentlichen keinen Erfolg.
3
I. Der Angeklagte V. macht in den Fällen II. 5 (Fall 3, 5. Unterfall der Anklageschrift vom 11. April 2006) und II. 7 (Fall 4, 2. Unterfall der Anklage) der Urteilsgründe ein Beweisverwertungsverbot geltend. Das Landgericht habe Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem unzulässigen Einsatz eines „vermeintlich Verdeckten Ermittlers“ zu seinen Lasten verwertet.
4
Die Rüge bleibt erfolglos. Nach den Urteilsgründen hat das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten V. in diesen beiden Fällen - ebenso wie in den anderen, in denen der Angeklagte V. verurteilt wurde - nicht auf Erkenntnisse des von den deutschen Behörden eingesetzten , verdeckt ermittelnden Beamten eines ausländischen Polizeidienstes gestützt. Vielmehr hat es seine Überzeugungsbildung in beiden Fällen in erster Linie auf die Angaben des Zeugen Vu. sowie im Fall II. 7 zusätzlich auf die des observierenden Zeugen L. gestützt (UA S. 49 f. und S. 54 ff.). Soweit in die Beweiswürdigung im Fall II. 7 des Urteils SMS und Wortprotokolle von Telefonüberwachungsmaßnahmen eingeführt wurden, handelt es sich ausschließlich um solche, an denen der von den deutschen Behörden eingesetzte ausländische „Verdeckte Ermittler“ nicht beteiligt war. Die Taten, an denen der in Deutschland eingesetzte ausländische Polizeibeamte beteiligt war und die Gegenstand der Hauptverhandlung waren, betrafen Fälle 5, 3. Unterfall und 7, 1. und 2. Unterfall der Anklageschrift vom 11. April 2006, mithin die Fälle II. 12, 14 und 15 der Urteilsgründe, in denen der Anklagte V. nicht verurteilt wurde. Den in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem von den deutschen Behörden eingesetzten ausländischen Polizeibeamten kam somit für die Verurteilung des Angeklagten V. - anders als für die des nicht revidierenden Da. B. - keine Bedeutung zu.
5
Unabhängig davon hätte kein Beweisverwertungsverbot vorgelegen. Es beschwert den Angeklagten nicht, dass die Staatsanwaltschaft beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Konstanz die Zustimmung zum Einsatz von bis zu drei Verdeckten Ermittlern, unter denen auch bis zu zwei ausländische Polizeibeamte sein durften, eingeholt hat. Ohne Rechtsfehler hat es das Landgericht in seinem Beschluss vom 15. Oktober 2006 dahingestellt sein lassen, ob ein ausländischer Polizeibeamter überhaupt als Verdeckter Ermittler nach § 110a StPO eingesetzt werden konnte. Verdeckte Ermittler sind gemäß § 110a Abs. 2 StPO nur Beamte im Sinne der §§ 2, 35 ff. BRRG (vgl. Schäfer in Löwe/ Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 110a Rdn. 12; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 110a Rdn. 3). Dies verlangen nicht nur die besondere Ermittlungstätigkeit und die damit einhergehende Gefährdung, sondern auch die erforderliche straffe Führung sowie die wirksame, auch disziplinarrechtliche Dienstaufsicht über den Verdeckten Ermittler (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 42). Solange es keine gesetzliche Regelung gibt, die Polizeibeamte einer ausländischen Behörde ausdrücklich Beamten im Sinne der §§ 2, 35 ff. BRRG gleichstellt, richtet sich deren verdeckter Einsatz nicht nach den Vorschriften der §§ 110a ff. StPO (vgl. Nack in KK 5. Aufl. § 110a Rdn. 5). Die hier erteilte richterliche Zustimmung zum Einsatz als „Verdeckter Ermittler“ war somit nicht erforderlich. Verdeckt ermittelnde Beamte des ausländischen Polizeidienstes sind deshalb zu behandeln wie von der Polizei eingesetzte Vertrauenspersonen. Wurde für ihren Einsatz dennoch eine richterliche Zustimmung - wie vorliegend - eingeholt, so kann die Verwertbarkeit der Angaben der Vertrauensperson oder sonstiger daraus resultierender Beweismittel nicht durch einen möglichen Fehler des Zustimmungsbeschlusses des Ermittlungsrichters beeinträchtigt sein.
6
II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge der beiden Angeklagten hat weder im Schuldspruch noch im Strafausspruch einen die Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
7
III. Der Senat vermag dem Antrag des Generalbundesanwalts nicht zu folgen, im Wege der Berichtigung des Tenors einen höheren Verfall von Wertersatz anzuordnen, weil sich aus den Urteilsgründen möglicherweise ein Rechenfehler ergibt. Es muss bei der aus dem Urteilstenor ersichtlichen und verkündeten Höhe verbleiben (vgl. BGH, Beschl. vom 17. Dezember 1999 - 1 StR 630/99). http://127.0.0.1:50001/Xaver/start.xav?SID=&startbk=heymanns_bgh_ed_bghst&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-26-258'%5D&anchor=el [Link] http://127.0.0.1:50001/Xaver/start.xav?SID=&startbk=heymanns_bgh_ed_bghst&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-26-266'%5D&anchor=el - 6 -
8
IV. Über die Einziehung der im Tenor des angefochtenen Urteils nicht ausreichend bezeichneten Gegenstände hatte der Senat - wie im Einzelnen aus dem Tenor ersichtlich - neu zu entscheiden. Sind Gegenstände einzuziehen, ist es grundsätzlich tunlich, die Gegenstände in der Urteilsformel oder, sofern es sich um eine Vielzahl von Gegenständen handelt, jedenfalls in einer Anlage hierzu (vgl. BGHSt 9, 88, 90) so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung geschaffen ist. Bei der Einziehung von Betäubungsmitteln gehört dazu auch die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem Urteilstenor ergeben muss. Diesen Anforderungen wird die Kennzeichnung der einzuziehenden Gegenstände in der Urteilsformel nicht vollständig gerecht. Dem Antrag des Generalbundesanwalts, das Urteil deshalb im Ausspruch über die Einziehung aufzuheben, brauchte der Senat jedoch nicht zu folgen. Der Senat kann gemäß § 354 Abs. 1 StPO die Entscheidung selbst treffen, wenn die Urteilsgründe die erforderlichen Angaben enthalten (vgl. BGHSt 26, 258, 266; BGH, Beschl. vom 5. Dezember 1991 - 1 StR 719/91; BGH, Beschl. vom 13. Februar 2004 - 3 StR 501/03; BGH, Beschl. vom 28. November 2006 - 4 StR 404/06; BGH, Beschl. vom 25. April 2007 - 2 StR 86/07). Soweit die Einziehung der „sichergestellten Betäubungsmittel“ angeordnet worden ist, die das Landgericht zutreffend auf § 33 Abs. 2 BtMG gestützt hat, enthalten die Urteilsgründe die bei Betäubungsmitteln erforderlichen Angaben über deren Art und Menge, so dass der Senat die konkrete Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände insoweit nachholen kann. Gleiches gilt für die nach den insoweit getroffenen Feststellungen ebenfalls rechtlich nicht zu beanstandende Einziehung der bei dem Angeklagten Dr. B. sichergestellten Handgranate gemäß § 24 Abs. 1 Kriegswaffenkontrollgesetz.
9
Auch in Bezug auf die Anordnung der Einziehung der "sichergestellten Streckmittel und der zu den Taten benutzten sichergestellten Mobiltelefone der Angeklagten“ enthalten die Urteilsgründe unter Berücksichtigung der Verzeichnisse der Beweisstücke noch die erforderlichen Angaben, damit der Senat selbst Klarheit über den Umfang der Einziehung schaffen kann. Hinsichtlich der Streckmittel konnte die Einziehung unabhängig von der Eigentümerstellung erfolgen , da die konkrete Gefahr besteht, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, § 74 Abs. 1 und 2 Nr. 2 StGB.
10
Die Einziehungsentscheidung war gemäß § 357 StPO auch auf den nicht revidierenden Angeklagten Da. B. zu erstrecken. Nack Wahl Boetticher Kolz Graf

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 1 3 / 1 3
vom
19. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Februar
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht
bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 30. April 2013 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es eine Adhäsionsentscheidung zu Gunsten des Nebenklägers H. B. getroffen. Seine dagegen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts sah sich der Angeklagte zusammen mit Freunden am 2. Oktober 2012 die Übertragung eines Fußball- spiels zwischen Galatasaray Istanbul und Sporting Braga im Café Sp. in E. an. Zu ihrer Verärgerung verlor Galatasaray das Spiel, worüber sich der Zeuge Co. , der der Gruppe um die Nebenkläger H. und Hü. B. angehörte, lustig machte. Co. geriet deshalb mit dem Cousin des Angeklagten , dem Zeugen C. in einen verbalen Streit. H. B. versuchte diesen zunehmend heftiger werdenden Streit zu schlichten, geriet dabei aber mitC. in eine körperliche Auseinandersetzung. Um C. zu unterstützen, griff nunmehr auch der Angeklagte ein. Im Verlaufe dieser Auseinandersetzung versetzte H. B. dem Angeklagten einen Faustschlag gegen den Kopf, während H. B. selbst die Schulter ausgekugelt wurde.
3
Nach Trennung der Kontrahenten durch umstehende Personen entfernte sich der Angeklagte und ging in Richtung seines Elternhauses. Da er wegen des erlittenen Faustschlags noch immer wütend auf H. B. war, machte er nach wenigen Minuten aber wieder kehrt, um sich bei H. B. zu revanchieren. Noch vor Erreichen des Cafés Sp. traf er auf seinen Cousin C. , der sich ihm anschloss. Unterwegs zog der Angeklagte ein Butterflymesser aus seiner Hosentasche, öffnete es und hielt es offen vor sich. Einer seiner Freunde , der Zeuge A. , hielt ihn deshalb fest, ließ ihn aber nach Androhung von Schlägen wieder los.
4
Bei der Gruppe um H. und Hü. B. angekommen griff C. sogleich den H. B. an. Dieser war wegen seiner Schulterverletzung kaum wehrfähig, weshalb mehrere Personen aus seiner Gruppe versuchten, den Angeklagten , der ihn ebenfalls angreifen wollte, zurückzudrängen. Hü. B. gelang es schließlich, den Angeklagten festzuhalten und von hinten zu umklammern. Nachdem sich der Angeklagte aufgrund des Eingreifens umstehender Personen aus dieser Umklammerung lösen konnte, stellte er sich frontal vor Hü. B. und stach ihm, dessen Tod billigend in Kauf nehmend, mit voller Wucht in den Brustkorb. Anschließend setzte er weitere Stiche in den Oberkörper und das Gesicht des Hü. B. , der schließlich nicht mehr atmen konnte und sich blutüberströmt vorn über beugte; der Angeklagte wurde festgehalten und weggedrängt.
5
Während oder nach der Auseinandersetzung mit Hü. B. gelang es dem Angeklagten zudem, einen gezielten Stich gegen H. B. zu setzen. Der Stichkanal von sechs Zentimeter Länge verlief tangential zur Hautoberfläche am Schulterblatt.Seinen Freund Al. , der ihn zurückhalten wollte, stach der Angeklagte versehentlich ca. sieben Zentimeter tief in den Rücken.
6
2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen als versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB zum Nachteil des Hü. B. sowie als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB zum Nachteil des H. B. gewertet. Das Verfahren wegen der Tat zum Nachteil des Al. hat es gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Gegen den zur Tatzeit 19 Jahre und fünf Monate alten Angeklagten hat es Jugendstrafrecht angewandt und wegen der Schwere der Schuld eine Jugendstrafe in Höhe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt.

II.


7
1. Der Schuldspruch beruht auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Auch sonst sind Rechtsfehler nicht ersichtlich.
8
2. Der Strafausspruch hält indes der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
a) Die Jugendkammer ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass wegen der Schwere der Schuld die Verhängung von Jugendstrafe erforderlich ist. Das Vorliegen des Anordnungsgrundes des § 17 Abs. 2 Satz 2 JGG versteht sich angesichts der getroffenen Feststellungen aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe von selbst (vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013 - 1 StR 178/13).
10
Die Ausführungen der Jugendkammer lassen zwar nicht erkennen, dass sie sich bewusst war, dass bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung nach allgemeinem Strafrecht keine selbständige Bedeutung zukommt, sondern in erster Linie auf die innere Tatseite abzustellen ist. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist aber jedenfalls insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. November 2009 - 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281 mwN; vom 14. August 2012 - 5 StR 318/12, NStZ 2013, 289, 290). Dies ist vorliegend ohne weiteres möglich. Der Angeklagte ist - obgleich schon eine gewisse Beruhigung eingetreten und er auf dem Heimweg war - mit einem offen geführten Messer gezielt zur Revanche gegen H. B. geschritten. Er hat sich weder von Freunden abhalten lassen, die sich ihm in den Weg gestellt haben , noch von Hü. B. , dem er mehrere gezielte Stiche in den Oberkörper beibrachte. In der Tat des Angeklagten offenbaren sich daher eine hohe Gewaltbereitschaft und geringe Hemmschwelle zur Begehung einer das Leben gefährdenden Körperverletzung, denn der Angeklagte hat eine schwere und in Bezug auf Hü. B. zudem tödliche Verletzung von mehreren Personen bewusst in Kauf genommen. Vor diesem Hintergrund begründen das Persönlichkeitsbild und die in der Tat zum Ausdruck gekommene charakterliche Haltung des Angeklagten offensichtlich auch die Schwere seiner Schuld.
11
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen jedoch die Erwägungen , mit denen die Jugendkammer die Höhe der Strafe begründet hat.
12
Gemäß § 18 Abs. 2 JGG bemisst sich die Höhe der Jugendstrafe - auch wenn deren Verhängung vollständig auf die Schwere der Schuld gestützt wird - vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186, 187 mwN).
13
Diesen Anforderungen genügen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht. Die Urteilsgründe verhalten sich zum Erziehungsgedanken nur formelhaft und stellen - wie bei einem Erwachsenen - ausschließlich auf das Gewicht des Tatunrechts und auf die Tatfolgen ab.
14
aa) Den Erziehungsgedanken hat die Jugendkammer nur im Rahmen der von ihr vorgenommenen Gesamtabwägung "aller" - an dieser Stelle nicht ausgeführten - Umstände nach § 18 Abs. 2 JGG erwähnt und gefolgert, dass "zur Ermöglichung der erforderlichen erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten" die Verhängung einer Jugendstrafe in der erkannten Höhe erforderlich sei. Weiter hat sie ausgeführt, dass insbesondere die Verhängung einer "aussetzungsfähigen" Jugendstrafe von bis zu zwei Jahren dafür nicht ausreiche. Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht aber grundsätzlich nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281).
15
bb) Den Urteilsgründen lässt sich auch in ihrem Zusammenhang nicht entnehmen, dass die Jugendkammer den Erziehungsgedanken in der erforderlichen Weise beachtet hat.
16
Eine Abwägung von strafzumessungsrelevanten Umständen hat die Jugendkammer überhaupt nur im Rahmen einer vorangestellten Prüfung eines minder schweren Falls des versuchten Totschlags nach § 213 StGB oder der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 StGB vorgenommen. Dies begegnet schon im Ansatz grundsätzlichen Bedenken.
17
Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass - unbeschadet der Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 3 JGG - die Frage, ob nach Erwachsenenstrafrecht ein minder schwerer Fall vorläge, auch für die Bemessung der Jugendstrafe von Bedeutung sein kann, weil darin die Bewertung des Tatunrechts durch den Gesetzgeber zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 1987 - 3 StR 482/87, BGHR JGG § 18 Abs. 1 Satz 3 minder schwerer Fall 3 mwN; Beschluss vom 25. Februar 1992 - 5 StR 36/92, MDR 1992, 631; kritisch dazu Senat, Urteil vom 4. April 2007 - 2 StR 37/07). Die landgerichtliche Erörterung eines minder schweren Falls steht aber in keinerlei Kontext und lässt insbesondere nicht erkennen, dass es sich insoweit nur um eine hypothetische Betrachtung handeln kann, dass bei Anwendung von Erwachsenenrecht ein minder schwerer Fall nicht anzunehmen gewesen wäre. Dementsprechend wird auch nicht deutlich, ob und wenn ja, welches Gewicht das Gericht einem hypothetischen Vergleich beigemessen hat.
18
Die Erwägungen, die das Landgericht im Rahmen dieser Prüfung angestellt hat, lassen auch keine erzieherischen Gesichtspunkte erkennen. Es handelt sich vielmehr vornehmlich um solche, die auch im Erwachsenenstrafrecht für die Bemessung der Rechtsfolgen maßgeblich sind, wie zum Beispiel, dass der Übergriff auf Hü. B. besonders brutal war und zu massiven Verletzungen mit erheblichen gesundheitlichen Folgen geführt hat und dass der Angeklagte mehrere Qualifikationsvarianten der Körperverletzung verletzt hat.
19
Dass bei dem Angeklagten ein Erziehungsbedürfnis vorliegt, welches die Verhängung einer zu verbüßenden Haftstrafe erfordert, versteht sich auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht von selbst. Zwar erweisen sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit des Angeklagten, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, für die Bewertung der Schuld als ebenso bedeutsam wie für das Erziehungsbedürfnis (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1995 - 5 StR 470/94, NStZ-RR 1996, 120). Das Landgericht durfte aber nicht in erster Linie auf das Gewicht des Tatunrechts abstellen, sondern hätte sich nach den getroffenen Feststellungen insbesondere damit auseinandersetzen müssen, ob der Tat nicht Ausnahmecharakter zukommt und ob auch mit Rücksicht auf die bisher problemlos verlaufene Persönlichkeitsentwicklung und Unbestraftheit des Angeklagten die Verbüßung einer längeren Jugendstrafe zu seiner Erziehung erforderlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juli 1995 - 2 StR 309/95, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 10). Hierbei hätte es auch die Folgen der Verbüßung einer längeren Jugendstrafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten abwägen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 1989 - 1 StR 108/89, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 3; BGH, Beschluss vom 14. Januar 1992 - 5 StR 657/91, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 7).
20
c) Das neue Tatgericht hat über die Strafaussprüche deshalb insgesamt neu zu entscheiden. Die Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Fischer Schmitt Krehl Ott Zeng

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 238/12
vom
17. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 17. Juli
2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25. Januar 2012, soweit es ihn betrifft , im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Jugendstrafe ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Landgericht hat auf den zur Tatzeit 18 Jahre alten Angeklagten gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG rechtsfehlerfrei Jugendstrafrecht angewendet. Jedoch halten weder die Begründung schädlicher Neigungen des Angeklagten noch die Ausführungen der Jugendkammer zur Strafhöhe sachlichrechtlicher Überprüfung stand.
3
1. Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch unter Umständen verborgen, angelegt waren. Sie müssen schließlich auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5).
4
Diese Voraussetzungen werden durch die Feststellungen nicht belegt. Soweit das Landgericht auf die von ihm für bestimmend erachteten konkreten Strafzumessungsgesichtspunkte abstellt, betreffen diese überwiegend das objektive Tatunrecht; sie sind deshalb für das Vorliegen schädlicher Neigungen weitgehend unergiebig. Bei den von der Jugendkammer daneben angeführten Vorbelastungen des Angeklagten handelt es sich lediglich um zwei Verfahren wegen Diebstahls bzw. Sachbeschädigung, bei denen gemäß § 45 Abs. 1 bzw. 2 JGG von der Verfolgung abgesehen bzw. das Verfahren nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt wurde. In einem dritten Verfahren wurde der Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gesprochen, weil er sich im Rahmen einer Identitätsfeststellung gegen einen Polizeibeamten gewehrt und ein T-Shirt mit der Aufschrift "Fuck the Police" gezeigt hatte. Die ihm deswegen auferlegten Arbeitsstunden hat der Angeklagte abgeleistet. Aus diesen Sachverhalten ergeben sich keine tragfähigen Anhaltspunkte für das Vor- liegen schädlicher Neigungen; sie belegen vielmehr lediglich vergleichsweise geringfügige, jugendtypische Verfehlungen.
5
2. Gemäß § 18 Abs. 2 JGG bemisst sich die Höhe der Jugendstrafe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186, 187 mwN).
6
Diesen Anforderungen genügen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht. Das Landgericht hat zunächst auf das weitgehende Geständnis des Angeklagten, dessen Vorbelastungen sowie die objektiven Tatumstände abgestellt. Daneben hat es ausgeführt, die Strafe müsse in angemessener Relation zu der nach Erwachsenenstrafrecht zugemessenen Strafe eines Mittäters stehen. Der Erziehungsgedanke findet sodann Erwähnung lediglich in der nicht näher substantiierten Wendung, die verhängte Strafe sei "erzieherisch geboten" und eine geringer bemessene Strafe sei nicht geeignet, "dem Nacherziehungsbedarf des Angeklagten wirksam Rechnung zu tragen". Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht grundsätzlich nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281). Eine Abwägung zwischen dem Tatunrecht und den Folgen der Verbüßung der verhängten Strafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten fehlt ebenfalls.
Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 8 1 / 1 4
vom
8. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
8. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 22. Mai 2014 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen Körperverletzung zur Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er ohne weitere Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
2
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist aufgrund der fehlenden Angaben der den Mangel enthaltenden Tatsachen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
Die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch hält hingegen revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand:
4
Das Landgericht hat bei dem zu den Tatzeiten zwanzig Jahre und vier Monate bzw. zwanzig Jahre und acht Monate alten Angeklagten aufgrund seines Werdegangs Reifeverzögerungen angenommen und deshalb auf ihn gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendrecht angewandt. Zur Begründung der Verhängung von Jugendstrafe hat es lediglich ausgeführt, dass bereits in den zurückliegenden Verurteilungen aus den Jahren 2010 und 2011 der jeweilige Tatrichter von dem Vorliegen schädlicher Neigungen ausgegangen sei und die nunmehr abzuurteilenden Taten dies erneut belegen würden.
5
Diese knappen Wendungen reichen zur Begründung schädlicher Neigungen nicht aus. Um solche handelt es sich bei erheblichen Anlage- oder Erziehungsmängeln , die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie müssen schon vor der Tat angelegt gewesen sein und noch zum Urteilszeitpunkt bestehen; es müssen deshalb weitere Straftaten des Angeklagten zu befürchten sein (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287 mwN). Hier fehlen insbesondere sämtliche Angaben dazu, dass auch im Zeitpunkt der Urteilsfindung bei dem Angeklagten noch schädliche Neigungen bestanden. Ausführungen dazu waren auch nicht entbehrlich, weil zwischen den Taten und dem Urteil zwölf bzw. acht Monate lagen und der mittlerweile 21-jährige Angeklagte in der Untersuchungshaft an einer (weiteren) berufsvorbereitenden Maßnahme mit Besuch der Berufsschule teilgenommen hat.
6
Auch im Übrigen genügt die Strafzumessung nicht den Anforderungen, die § 18 Abs. 2 JGG an sie stellt. Nach dieser Vorschrift ist die Höhe der Ju- gendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186 mwN). Das Landgericht hat demgegenüber vorrangig auf die Vorbelastungen des Angeklagten abgestellt und für zwei der drei Taten jeweils einen entlastenden Gesichtspunkt genannt. Daneben hat es weitere dem Erwachsenenstrafrecht entlehnte Strafzumessungsgesichtspunkte wie die Rückfallgeschwindigkeit , die Begehung der Tat unter Führungsaufsicht sowie den Schuldausgleich und den Sühnegedanken berücksichtigt. Der Erziehungsgedanke findet Erwähnung nur insoweit, als die Strafkammer "von einem Gesamterziehungsbedarf" ausgeht, "der die Verhängung einer zur Bewährung aussetzbaren Strafe ausschließt." Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht indes grundsätzlich nicht aus (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287 mwN).
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol