Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2016 - 1 StR 523/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:060416B1STR523.15.0
bei uns veröffentlicht am06.04.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 523/15
vom
6. April 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:060416B1STR523.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 28. Mai 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte H. der Steuerhinterziehung in 39 Fällen sowie des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 47 Fällen für schuldig erachtet und gegen sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 70 Euro verhängt. Den Angeklagten U. hat es der Steuerhinterziehung in 39 Fällen sowie des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 29 Fällen für schuldig erachtet und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 70 Euro verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren (jeweils auf Verfahrens- und Sachrügen) gestützten Revisionen, die in vollem Umfang Erfolg haben.

I.


3
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
Die Angeklagten sind miteinander verheiratet und betrieben im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemeinsam ein Taxi- und Mietwagenunternehmen. Zusätzlich unterhielten sie auch einige Schulbusse. Das Unternehmen war auf die Angeklagte H. angemeldet, der Angeklagte U. war jedoch als gleichberechtigter Partner im Unternehmen tätig.
5
Die Angeklagten beschäftigten Taxi- und Mietwagenfahrer auf Stundenlohnbasis. In 2008 hatten sie ca. 18 Mitarbeiter, die laut Arbeitsverträgen jedenfalls in 2008 jeweils zwischen 100 und 200 Stunden tätig waren. Die Mitarbeiter arbeiteten in einem Schichtsystem und erfassten ihre Arbeitsstunden auf sogenannten Fahrtenkontrollblättern.
6
Um Steuern und Sozialabgaben zu verkürzen, hatten die Angeklagten mit ihren Mitarbeitern vereinbart, dass sie nicht die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden , sondern jeweils weniger als diese auf den Fahrtenkontrollblättern eintrugen und den übrigen Arbeitslohn unversteuert und ohne Abgabe von Sozialversicherungsbeiträgen erhalten sollten. Zudem manipulierten die Angeklagten jedenfalls bis 2005 mindestens an neun Fahrzeugen die Tachometer und stellten deren Laufleistung zwischen 9.000 km und 120.000 km zurück.
7
Von den tatsächlich erzielten Umsätzen verkürzten die Angeklagten auf diese Weise in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen 2004 bis 2008 ca. 20 % bis 30 %. Die genaue Höhe der Verkürzung konnte das Landgericht auf- grund von fehlenden Buchhaltungsunterlagen nicht mehr feststellen und hat daher die Besteuerungsgrundlagen geschätzt.
8
Ausgangspunkt und damit Grundlage der Schätzung waren die in den Jahren gefahrenen Kilometer der einzelnen PKW, aus welchen das Landgericht die Umsätze für die Taxis, Mietwagen und Schulbusse ermittelt hat.
9
Nach den auf den genannten Schätzungen beruhenden Feststellungen haben die Angeklagten in den Besteuerungszeiträumen 2004, 2005 und 2006 insgesamt 12.479 Euro, 16.703 Euro und 28.727 Euro Umsatzsteuer verkürzt. In den Voranmeldungszeiträumen Januar 2007 bis September 2008 lagen die Umsatzsteuerverkürzungsbeträge zwischen 159 Euro und 4.264 Euro.
10
Für die Veranlagungszeiträume 2004, 2005 und 2006 errechnete das Landgericht insgesamt eine Verkürzung von 23.251 Euro, 18.840 Euro und 33.524 Euro Einkommensteuer und 13.797 Euro, 11.289 Euro und 17.888 Euro Gewerbesteuer.
11
Die vom Landgericht geschätzte Lohnsteuerverkürzung für die Anmeldungszeiträume Oktober 2004 bis zum zweiten Quartal 2008 lag zwischen 1.166 Euro und 4.972 Euro und für das Jahr 2006 bei 20.577 Euro. Die vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge betrugen nach den Feststellungen für die Zeiträume September 2004 bis Juli 2008 zwischen 803 Euro und 4.521 Euro im Monat.

II.


12
Die Revisionen der Angeklagten haben bereits auf die Sachrügen hin Erfolg , weil die zum Schuld- und Strafausspruch getroffenen Feststellungen sachlich -rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten. Eines weiteren Eingehens auf die von beiden erhobene Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
13
1. Dem Landgericht waren angesichts der fehlenden (unmittelbaren) Beweismittel, insbesondere aufgrund der mangelhaften Buchführung der Angeklagten , die Besteuerungsgrundlagen nicht bekannt. Es war daher berechtigt die Besteuerungsgrundlagen durch Schätzung zu ermitteln (a). Bei der konkreten Umsetzung der Schätzungsmethode sind dem Landgericht jedoch Fehler unterlaufen, die dazu führen, dass bereits die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen nicht durch eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung getragen werden (b).
14
a) Das Landgericht war dem Grunde nach zur Schätzung berechtigt.
15
aa) Auch im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13, wistra 2014, 276, vom 4. Februar 1992 – 5 StR 655/91, wistra 1992, 147 und vom 10. September 1985 – 4 StR 487/85, wistra 1986, 65; Urteil vom 26. Oktober 1998 – 5 StR 746/97, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 1, 2), wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, aber ungewiss sind. So verhält es sich hier.
16
bb) Dem Gericht war es nicht möglich, aus den Aufzeichnungen und Unterlagen der Angeklagten die Besteuerungsgrundlagen in zutreffender Höhe festzustellen. Die Angeklagten haben ihre steuerpflichtigen Umsätze bzw. Einnahmen bewusst falsch aufgezeichnet, indem sie auf den Fahrtenkontrollblättern weniger Arbeitsstunden als tatsächlich geleistet durch ihre Angestellten eintragen ließen, um auf diese Weise Einnahmen zu verschleiern und Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben zu verkürzen. Dementsprechend waren bereits die der Besteuerung zugrunde zu legenden Ursprungsaufzeichnungen falsch und die Ermittlung der Einnahmen und Umsätze durch Schätzung dem Grunde nach zulässig.
17
Überdies hatten die Angeklagten jedenfalls bis 2007 ihre steuerliche Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Betriebseinnahmen verletzt, da sie die Schichtzettel der Mitarbeiter nicht aufbewahrten und auch keine tägliche Übertragung des Inhalts der Schichtzettel in ein Kassenbuch erfolgte (vgl. BFH, Beschluss vom 25. Oktober 2012 – X B 133/11, BFH/NV 2013, 341). Gerade derartige Aufzeichnungen hätten es dem Landgericht jedoch ermöglicht sich davon zu überzeugen, dass die aufgezeichneten Einnahmen den tatsächlichen Einnahmen entsprachen. Fehlen derartige Unterlagen, ist das Tatgericht gehalten, sich seine Überzeugung von dem wirklichen Sachverhalt auf Grund sonstiger Anhaltspunkte zu bilden und den Umfang der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aus Hilfstatsachen zu erschließen (Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 82).
18
b) Die vom Landgericht gewählte Schätzungsmethode erweist sich hingegen als rechtsfehlerhaft, so dass die Schätzung der Höhe nach der revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhält.
19
aa) Zwar obliegen die Ermittlung und Darlegung der Besteuerungsgrundlagen einschließlich der Schätzung dem Tatrichter in freier und eigenverantwortlicher richterlicher Überzeugungsbildung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. März 2005 – 5 StR 461/04, NStZ-RR 2005, 209, 211; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308, 309). Allerdings hat er in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345).
20
Ziel der Schätzung ist es, aus den vorhandenen Anhaltspunkten in einem Akt des Schlussfolgerns und der Subsumtion diejenigen Tatsachen zu ermitteln , von deren Richtigkeit der Tatrichter überzeugt ist (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345; vgl. auch BFH, Urteil vom 26. Februar 2002 – X R 59/98, BFHE 198, 20, BStBl II 2002, 450). Die Schätzung ist so vorzunehmen, dass sie im Ergebnis einem ordnungsgemäß durchgeführten Bestandsvergleich bzw. einer ordnungsgemäßen Einnahmeüberschussrechnung möglichst nahekommt (BFH, Urteil vom 19. Januar 1993 – VIIIR 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594, Rn. 23). Sie muss daher schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (BFH, Urteil vom 28. Januar 1992 – VIII R 28/90, BFHE 168, 30, BStBl II 1992, 881). Soweit Tatsachen zur Überzeugung des Tatrichters feststehen, hat er diese der Schätzung zugrunde zu legen. Die im Rahmen des Steuerstrafverfahrens erfolgende Schätzung steht zudem unter dem Gebot, dass sich unüberwindbare Zweifel zugunsten des Angeklagten auswirken müssen (Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht , 8. Aufl., § 370 Rn. 81). Dementsprechend müssen die vom Besteuerungsverfahren abweichenden Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) eingehalten werden (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – 1 StR 283/09, wistra 2010, 148). Erforderlichenfalls hat der Tatrichter einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang festzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – 1 StR 283/09, wistra 2010, 148 sowie Jäger in Klein, AO, 12. Aufl., § 370 Rn. 96 mwN). Das bedeutet u.a., dass der Tatrichter die Schät- zung der Höhe nach auf den Betrag zu begrenzen hat, der „mindestens“ hinter- zogen worden ist (Rüsken in Klein, AO, 12. Aufl., § 162 Rn. 19a).
21
bb) Diesen Grundsätzen entspricht die vom Landgericht vorgenommene Schätzung nicht.
22
Das Landgericht hat die Laufleistung (gefahrene Kilometer) der jeweiligen im Unternehmens- bzw. Betriebsvermögen befindlichen PKW mit einer festgestellten Größe „Umsatz pro Kilometer“ multipliziert, um die Einnahmen bzw. die Umsätze zu ermitteln. Im Ausgangspunkt handelt es sich hierbei um eine sachgerechte Schätzungsmethode (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 11. November 2014, 6 K 206/11).
23
Bei seiner Schätzung hat es zunächst jeweils für die im Unternehmen befindlichen Fahrzeuge die Gesamtkilometerleistung festgestellt und sodann pauschal eine durchschnittliche Nutzung in Kilometern pro Tag errechnet, die es auf die Nutzung pro Jahr hochrechnet. Dieses (rein rechnerische) Ergebnis entspricht nicht stets dem tatsächlichen Sachverhalt.
24
Die Kammer übersieht, dass für einige PKW die Kilometerleistung pro Jahr aus den vorhandenen Unterlagen vorlagen. Anhand der dem Urteil als Anlage beigefügten Übersichten war erkennbar, dass die PKW zum Teil in den Besteuerungs- bzw. Veranlagungszeiträumen sehr unterschiedliche Laufleistungen pro Jahr aufwiesen, die aufgrund von Rechnungen der Werkstätten, der Dekra und des TÜVs u.ä. jedenfalls annähernd nachvollziehbar waren. Diese Feststellungen hätte die Kammer bei ihrer Schätzung nicht unbeachtet lassen dürfen. Die pauschale Schätzung der Kilometer pro Tag / pro Jahr führt im Ergebnis zu erheblichen Verschiebungen für einzelne PKW. Eine hohe Kilometer- leistung in einem Jahr hat eine niedrige Schätzung in einem anderen Jahr zur Folge.
25
So wurde beispielsweise der PKW Touran mit dem amtlichen Kennzeichen im Zeitraum zwischen der Anmeldung am 21. November 2005 und dem 28. Dezember 2006 (ca. Besteuerungszeitraum/Veranlagungsjahr 2006) für 73.321 km betrieblich genutzt, in den darauffolgenden Monaten bis zum 23. November 2007 für weitere 121.007 km (ca. Besteuerungszeitraum /Veranlagungsjahr 2007). Die Kammer ist jedoch bei ihrer Schätzung davon ausgegangen, dass der PKW für 100.845 km sowohl im Jahr 2006 als auch 2007 genutzt wurde. Der PKW Passat mit dem amtlichen Kennzeichen wurde z.B. im Besteuerungs- bzw. Veranlagungszeitraum 2004 tatsächlich für ca. 65.000 km betrieblich genutzt. Die Kammer schätzt jedoch aufgrund der beschriebenen Methode eine jährliche Kilometerleistung von 97.440 km. Derartige Unterschiedsbeträge finden sich bei weiteren PKW, von deren einzelner Darstellung abgesehen wird.
26
Aufgrund der z.T. festgestellten sehr geringen Verkürzungsbeträge hinsichtlich der einzelnen Taten vermag der Senat nicht auszuschließen, dass derartige Verschiebungen den jeweiligen Schuldsprüchen die Grundlage entzogen hätten. Die Durchführung der damit an sich möglichen Schätzungsmethode ist damit nicht frei von Rechtsfehlern.
27
Dies gilt sowohl für die Umsatz-, Einkommen-, Gewerbe- und Lohnsteuer als auch für die geschätzten Sozialversicherungsabgaben, da Grundlage der Gesamtschätzung jeweils die Kilometerleistung der PKW ist, die zu den entsprechenden Umsätzen führt. Die Kammer ermittelt aus dem jeweils geschätzten Bruttoumsatz die Umsatzsteuer, schätzt Gewinne hinsichtlich der Einkommensteuer - und Gewerbesteuer hinzu und geht davon aus, dass die Lohn- summe als Grundlage der Lohnsteuer bzw. der Sozialversicherungsabgaben 37 % der Umsätze beträgt.
28
Da die Ergebnisse der Schätzung sämtlichen Schuldsprüchen zugrunde liegen und das Landgericht jeweils lediglich geringe Hinterziehungsbeträge festgestellt hat, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass bei rechtsfehlerfreier Schätzung die Schuldsprüche für sämtliche verfahrensgegenständliche Taten entfallen.
29
2. Wie die Kammer bereits selbst ausgeführt hat, fehlt es auch hinsichtlich der Tat 26 wegen Umsatzsteuerhinterziehung November 2008 an der Feststellung eines Hinterziehungsbetrages. Die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass die angemeldete Umsatzsteuer die geschätzte Umsatzsteuer um 78 Euro übersteigt. Bei einer Überprüfung der Schätzung und damit auch der Steuerhinterziehung wegen Umsatzsteuer November 2008 wird die neue Kammer die Berechnung zu überprüfen haben.
30
3. Hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen Januar 2007 bis November 2007, Januar 2008, März 2008 bis September 2008 fehlt es zudem an Feststellungen dazu, ob die Angeklagten eine Umsatzsteuerzahllast oder eine Umsatzsteuererstattung angemeldet haben und dementsprechend ob eine Zustimmung des Finanzamtes erforderlich gewesen wäre (§ 168 Satz 2 AO). Der Senat kann deshalb nicht nachprüfen, ob diese Taten vollendet worden sind (vgl. Senat, Beschlüsse vom 19. August 2015 – 1 StR 178/15, wistra 2015, 476 und vom 23. Juli 2014 – 1 StR 196/14, NStZ 2015, 282).

III.


31
1. Der Senat hebt das Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht eine erneute Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu ermöglichen (II.1.), Rechenfehler (II. 2.) zu beheben und neue fehlerfreie Feststellungen (II. 3.) zu treffen. Sollte das Landgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass andere Berechnungsmethoden ebenfalls ähnliche Mängel aufweisen , bleibt es ihm unbenommen, auf andere durchaus auch pauschalere Schätzungsmethoden zurückzugreifen.
32
Erweist sich eine konkrete Ermittlung oder Schätzung der tatsächlichen Umsätze von vorneherein oder nach entsprechenden (darzulegenden) Berechnungsversuchen als nicht möglich und fehlerbehaftet, kann pauschal geschätzt werden, auch unter Heranziehung der Richtwerte für Rohgewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13, wistra 2014, 276; Urteil vom 28. Juli 2010 – 1 StR 643/09, wistra 2011, 28; BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 3) oder z.B. unter Heranziehung von Erfahrungssätzen vergleichbarer Betriebe (Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 83).
33
Der Senat weist zudem darauf hin, dass die jeder Schätzung anhaftende Ungenauigkeit im Hinblick auf nicht ins Gewicht fallende Taten auch durch eine Einstellung des Verfahrens – insoweit – begegnet werden kann.
34
2. Sollte das Landgericht zu dem Ergebnis kommen, dass eine andere Schätzungsmethode zum Wegfall oder zum Eintritt einer Verkürzung führt, hat es dies unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. August 2009 – 1 StR 206/09, BGHSt 54, 133 [teilweise abgedruckt], wistra 2009, 475 und BGH, Beschluss vom 4. März 2008 – 5 StR 594/07, wistra 2008, 217, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen).
Graf Jäger Cirener
Radtke Bär

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

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:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 15. Mai 2013 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit zwei weiteren Fällen der Steuerhinterziehung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte wurde im August 1999 zum (Mit-)Geschäftsführer der F. GmbH ( ) bestellt. Mit dem dama- ligen Alleingesellschafter und Geschäftsführer C. kam der Angeklagte mündlich überein, dass nunmehr der Angeklagte alleiniger Gesellschafter der F. GmbH sein sollte. Eine Übertragung der Geschäftsanteile erfolgte zunächst nicht. Diese wurden von C. treuhänderisch für den Angeklagten verwaltet. Alle wesentlichen geschäftlichen Entscheidungen traf ab diesem Zeitpunkt ausschließlich der Angeklagte. Der formelle Gesellschafter C. nahm keinen Einfluss auf die Geschicke der F. GmbH; ihm flossen auch keine Gewinnausschüttungen mehr zu. Die Übertragung der Geschäftsanteile erfolgte schließlich mit notarieller Urkunde vom 2. Juli 2010.
5
Die F. GmbH betrieb ein italienisches Speiselokal. Ab dem Jahr 2005 wurde eine Gutscheinaktion „2 für 1“ bzw. „4 für 2“ durchgeführt. Dabei erhielten Kunden bei Vorlage eines entsprechenden Gutscheins die günstigere von zwei Hauptspeisen bzw. die beiden günstigsten von vier Hauptspeisen gratis.
6
Der Angeklagte verwendete für die F. GmbH eine Registrierkasse, die - grundsätzlich fortlaufend nummeriert - alle Geschäftsvorfälle aufzeichnete. Die Tagesausdrucke (sog. Z-Bons) wurden der Buchhaltung der Gesellschaft zugrunde gelegt. Im Zeitraum Januar 2003 bis Dezember 2008 manipulierte der Angeklagte die Registrierkasse bzw. die aufgezeichneten Daten dahingehend, dass er tatsächlich erzielte und aufgezeichnete Umsätze aus dem System entfernte , sodass diese auf den Z-Bons nicht mehr erschienen. Zu diesem Zweck ließ er durch seine Mitarbeiter Bestellungen auf sog. Trainingskellner buchen, deren Umsätze bei Ausdruck der Z-Bons unberücksichtigt blieben. Weiterhin wurden aufgezeichnete Umsätze ohne rechtlichen Grund storniert. Zur Verschleierung der Kassenmanipulationen beeinflusste der Angeklagte das Kassensystem dahingehend, dass die zuletzt aufgezeichneten Umsätze nicht mehr auslesbar waren und die Belegzählung von neuem begann. Die nicht verbuchten Umsätze entnahm der Angeklagte aus der F. GmbH und verwendete sie für seine private Lebensführung.
7
In den jeweils am selben Tag beim Finanzamt eingereichten Körperschaftsteuer -, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2003 bis 2007 sowie in den Umsatzsteuervoranmeldungen der Monate Januar bis Dezember 2008 waren entsprechende Umsätze in Höhe von 89.174,59 Euro in 2003, 79.026,05 Euro in 2004, 117.992,56 Euro in 2005, 197.756,27 Euro in 2006, 193.101,12 Euro in 2007 sowie jeweils 17.316,79 Euro in den Monaten Januar bis Dezember 2008 nicht enthalten. Aufgrund der unrichtigen Angaben wurden Steuern in Höhe von insgesamt mehr als 408.000 Euro zu niedrig festgesetzt und damit verkürzt.
8
2. Das Landgericht hat - nachdem es eine konkrete Ermittlung mangels verlässlicher Berechnungsgrundlagen als nicht möglich angesehen hat - die Mehrumsätze im Wege einer pauschalen Schätzung ermittelt. Da es für andere Schätzungsmethoden an einer ausreichenden Tatsachengrundlage fehlte, hat es dabei den Gesamtumsatz auf der Grundlage der durch das Bundesministerium der Finanzen jährlich herausgegebenen Richtsatzsammlung ermittelt, indem es einen Rohgewinnaufschlag von 300 % auf die in den Gewinnermittlungen enthaltenen Wareneinsatzbeträge vorgenommen hat.
9
Das Landgericht hat auch hinsichtlich der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer der Jahre 2003 bis 2007 eine Steuerverkürzung angenommen. Dabei hat es die Entnahmen der nicht verbuchten Betriebseinnahmen durch den Angeklagten als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt, die den Gewinn der Gesellschaft nicht minderten, und nicht als Betriebsausgaben in Form von Geschäftsführervergütungen. Der Angeklagte sei aufgrund eines mit C. mündlich geschlossenen Treuhandvertrages als wirtschaftlicher Eigentümer der Geschäftsanteile der F. GmbH anzusehen.

II.


10
1. Die Revision macht mit der Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) geltend , das Landgericht hätte die Ehefrau des formellen Gesellschafters C. , D. , als Zeugin vernehmen müssen. Aus der in der Hauptverhandlung verlesenen notariellen Urkunde vom 2. Juli 2010 hinsichtlich der Abtretung der Geschäftsanteile an den Angeklagten ergebe sich, dass D. ebenfalls Gesellschafterin der F. GmbH gewesen sei. Ihre Vernehmung hätte ergeben, dass sie sich nicht - auch nicht konkludent - mit dem Angeklagten darüber geeinigt habe, „dass dieser die Geschäftsanteile an der F. GmbH treuhänderisch verwalten solle“.
11
Es kann dahinstehen, ob die Aufklärungsrüge bereits unzulässig ist, weil der Inhalt der in der fraglichen notariellen Urkunde in Bezug genommenen „Vorurkunde“ nicht mitgeteilt worden ist (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).Die Aufklärungsrüge ist jedenfalls unbegründet, denn das Landgericht musste sich zur Vernehmung der Ehefrau des Gesellschafters C. nicht gedrängt sehen.
12
a) Allein aus dem Umstand, dass ausweislich des notariellen Abtre- tungsvertrags vom 2. Juli 2010 die von den „Ehegatten C. /D. “ an der F. GmbH gehaltenen Geschäftsanteile von 25.000 DM und 25.000 DM zu diesem Zeitpunkt auf den Angeklagten übertragen worden sind, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass C. nicht im Jahr 1999 Inhaber sämtlicher Gesellschaftsanteile der F. GmbH war und diese nicht von da an treuhänderisch für den Angeklagten halten konnte. Für die Annahme, dass ein Teil der Gesellschaftsanteile zu irgendeinem Zeitpunkt bis zur formellen Übertragung auf den Angeklagten im Jahr 2010 nicht treuhänderisch für diesen gehalten worden sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte, zumal nach den Urteilsfeststellungen noch bis zum Jahr 2008 allein C. als formeller Gesellschafter Gesellschafterversammlungen abhielt und den jeweiligen Jahresabschluss genehmigte (UA S. 15).
13
b) Zudem hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei vom Vorliegen einer Vereinbarungstreuhand zwischen dem Angeklagten und C. überzeugt (zu den Anforderungen an ein Treuhandverhältnis vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. September 2012 - 1 StR 140/12, BGHSt 58, 1; vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317 und vom 11. Oktober 2005 - 5 StR 65/05, wistra 2006, 20, jeweils mwN auch aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Selbst wenn die Geschäftsanteile an der F. GmbH C. lediglich zum Teil zuzurechnen gewesen sein sollten, wäre der Angeklagte - unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Treuhandvereinbarung (vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 2012 - 1 StR 140/12, BGHSt 58, 1; Urteil vom 19. April 1999 - II ZR 365/97, BGHZ 141, 207) - jedenfalls in diesem Umfang gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 41 Abs. 1 Satz 1 AO als wirtschaftlicher Eigentümer der Geschäftsanteile anzusehen.
14
2. Die übrigen Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg.

III.


15
Die auf die Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch. Auch der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
16
Der näheren Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
17
1. Die Würdigung des Landgerichts, bei den Entnahmen des Angeklagten handele es sich um verdeckte Gewinnausschüttungen, die den Gewinn nicht minderten (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), und nicht um Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG), wird von den auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.
18
2. Das Landgericht hat die der Berechnung der verkürzten Steuern zugrunde liegenden Mehrumsätze in nicht zu beanstandender Weise im Wege der Schätzung ermittelt.
19
a) Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ist zulässig, wenn - wie hier - feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist. Zur Durchführung der Schätzung kommen die auch im Besteuerungsverfahren anerkannten Schätzungsmethoden zur Anwendung. Der Tatrichter muss dann in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist. Erweist sich eine konkrete Ermittlung oder Schätzung der tatsächlichen Umsätze von vorneherein oder nach entsprechenden Berechnungsversuchen als nicht möglich, kann pauschal geschätzt werden, auch - wie hier - unter Heranziehung der Richtwerte für Roh- gewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 - 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233; Beschluss vom 24. Mai 2007 - 5 StR 58/07, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung

3).


20
b) Das Landgericht hat der Schätzung ohne Rechtsfehler einen Rohgewinnaufschlagsatz von 300 % zugrunde gelegt. Ausgehend von den genannten Grundsätzen durfte es eine Schätzung auf der Basis der Richtsatzsammlung vornehmen. Auch im Übrigen ist die Schätzung frei von Rechtsfehlern. Zwar liegt der vom Landgericht zugrunde gelegte Prozentsatz über den amtlichen Mittelwerten der Richtsatzsammlung für Pizzerien von 270 % in den Jahren 2003 bis 2006 bzw. 285 % in den Jahren 2007 und 2008. Bei der Festsetzung des Rohgewinnaufschlagsatzes muss sich das Gericht jedoch nicht zugunsten eines Angeklagten an den unteren Werten der in der Richtsatzsammlung genannten Spannen orientieren, wenn sich Anhaltspunkte für eine positivere Ertragslage ergeben (BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 - 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233). So verhielt es sich auch hier. Denn das Landgericht hat derartige Anhaltspunkte ohne Rechtsfehler in der „überdurchschnittlichen guten Lage“ und der „jedenfalls mittleren Preisgestaltung“ des Restaurants gesehen. Zudem durfte es die durch „Auslesung“ der Registrierkasse im Mai 2009 für einen Zeit- raum von 19 Tagen festgestellten Umsätze der F. GmbH sowie die Erkenntnisse des als Zeugen gehörten Steuerfahnders Fe. aus den von diesem vorgenommenen Fahndungsprüfungen heranziehen.
21
c) Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht zu besorgen, dass das Landgericht bei der Ermittlung der Gesamtumsätze die Gutscheinaktion „2 für 1“ oder „4 für 2“ ab dem Jahr 2005 unberücksichtigt gelassen hat. Zwar hat das Landgericht die auf Grundlage der in den Gewinnermittlungen enthaltenen Wa- reneinsatzbeträge und eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 300 % ermittelten Umsätze nicht um Erlösschmälerungen aufgrund der Gutscheinaktion gekürzt. Jedoch hat es die umsatzmindernden Auswirkungen der Gutscheinaktion ersichtlich bereits bei der Höhe des Rohgewinnaufschlagsatzes berücksichtigt. Das Landgericht hat bei der Bemessung des Rohgewinnaufschlagsatzes in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass dieser ohne die Erlösschmälerungen aufgrund der Gutscheinaktion noch höher anzusetzen gewesen wäre. In den Jahren vor 2005 hat es lediglich zugunsten des Angeklagten davon abgesehen, einen höheren Wert zugrunde zu legen (UA S. 27/28).
22
3. Allerdings ist die Berechnung der verkürzten Gewerbesteuer der Jahre 2003 bis 2007 nicht frei von Rechtsfehlern. Denn das Landgericht hat nicht bedacht , dass die in Bezug auf die verdeckten Gewinnausschüttungen zusätzlich anfallende Gewerbesteuer auch die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer selbst mindert. Es hätte deshalb den bei Berechnung der Körperschaftsteuerverkürzung unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerrückstellung ermittelten Gewinn auch der Berechnung der Gewerbesteuerverkürzung zugrunde legen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - 1 StR 199/10; Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310). Wegen der lediglich geringfügigen Abweichung zum tatsächlichen Verkürzungsumfang schließt der Senat aber aus, dass sich der Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
RiBGH Dr. Wahl befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Raum Raum Rothfuß Jäger Radtke

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO.

2

1. Der vom Kläger angeführte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist nicht in der gebotenen Form dargelegt worden.

3

a) Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert. Des Weiteren muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig ist. In Bezug auf die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 2008 XI B 202/07, BFH/NV 2009, 118, und vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.). Hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits früher die Rechtsfrage entschieden, so muss die Beschwerde eingehend begründen, warum gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH für notwendig gehalten wird. Dazu ist insbesondere darzulegen, welche neuen gewichtigen, vom BFH nicht geprüften Einwendungen im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung erhoben werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 28. September 2000 III B 126/98, BFH/NV 2001, 461; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 33).

4

b) An einem solchen Vorbringen fehlt es. Der Kläger hat in seiner Beschwerdebegründung bereits keine hinreichend konkretisierte Rechtsfrage herausgestellt.

5

aa) Wollte man das Vorbringen des Klägers dahingehend verstehen, dass er die Rechtsfrage aufwirft, ob die fehlende Aufbewahrung der sog. Schichtzettel eine Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde nicht begründet, wenn der Steuerpflichtige den Inhalt der Schichtzettel unmittelbar nach deren Erhalt und Auszählung der Kasse in ein Kassenbuch in Form von Listen überträgt, gleichgültig ob er die Schichtzettel täglich oder in größeren Zeitabständen erhält, fehlt es zumindest an einem hinreichenden Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit einer solchen Rechtsfrage.

6

Der XI. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02 (BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599) mit Verweis auf das BFH-Urteil vom 13. Juli 1971 VIII 1/65 (BFHE 103, 34, BStBl II 1971, 729) ausdrücklich ausgeführt, dass die Aufbewahrung der Schichtzettel --als Einnahmeursprungsaufzeichnungen-- ausnahmsweise dann nicht erforderlich sei, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen werde. Damit hat der XI. Senat klargestellt, dass --entgegen der Auffassung des Klägers-- allein die tägliche Übertragung des Inhalts der Schichtzettel unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in ein solches Kassenbuch die Aufbewahrung der Schichtzettel entbehrlich macht. Wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 103, 34, BStBl II 1971, 729 ausgeführt hat, ist nur dann sowohl dem Aufbewahrungszweck als auch der Sicherstellung der Vollständigkeit der übertragenen Aufzeichnungen in vollem Umfang Rechnung getragen.

7

Die Beschwerdebegründung des Klägers erschöpft sich dagegen im Wesentlichen in der Aussage, dass es nach seiner Auffassung bei Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung unerheblich sei, in welchen Zeitabständen der Steuerpflichtige die Schichtzettel erhalte --nach seinen eigenen Aussagen erhielt er sie von seinen eigenen Fahrern einmal im Monat, sofern er deren Inhalt unmittelbar nach deren Erhalt und Auszählung der Kasse übertrage. Damit hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, inwiefern und aus welchen Gründen die Rechtslage --trotz der dargestellten, bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung-- weiterhin umstritten sein soll, so dass eine erneute Entscheidung des BFH erforderlich erscheint. Die Beschwerdebegründung enthält insbesondere keinerlei Hinweise auf neue, vom BFH bislang nicht geprüfte Einwendungen gegen seine Rechtsprechung.

8

bb) Gleiches gilt, wenn man in dem klägerischen Vorbringen die Rechtsfrage erkennen wollte, ob es für eine ordnungsgemäße Buchführung eines Taxiunternehmers ausreiche, wenn er seine Einnahmen nachvollziehbar und ordentlich aufzeichne, jedoch keine Schichtzettel führe.

9

Insoweit hat der XI. Senat in seinem Urteil in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 ausdrücklich ausgeführt, dass im Bereich des Taxigewerbes --als Erleichterung gegenüber der grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Betriebseinnahmen-- die Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, den Mindestanforderungen an die Aufzeichnungspflicht genügten. Durch diese Erleichterung werde den branchenspezifischen Besonderheiten dieses Gewerbes ausreichend Rechnung getragen.

10

Auch diesbezüglich lassen sich dem Vorbringen des Klägers keinerlei substantiierte Darlegungen zur weiteren Klärungsbedürftigkeit einer solchen Rechtsfrage entnehmen.

11

2. Aus den gleichen Gründen ist die Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen. Denn die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts erfordert als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gleichfalls das Herausstellen einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage, deren Klärung in einem künftigen Revisionsverfahren zu erwarten ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. August 2006 III B 198/05, BFH/NV 2006, 2281, und vom 7. Juni 2011 X B 212/10, BFH/NV 2011, 1709; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41, § 116 Rz 38), sowie substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der herausgestellten Rechtsfrage (z.B. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2003 X B 26/03, BFH/NV 2004, 82).

12

3. Soweit der klägerische Vortrag, die von ihm geübte Praxis der Aufzeichnung seiner Betriebseinnahmen habe --entgegen der Auffassung des Finanzgerichts (FG)-- den Vorgaben des BFH entsprochen, eine der Sicherung der Rechtseinheit dienende Divergenzrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) beinhalten sollte, entspricht auch dieser Vortrag nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

13

Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist darzulegen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 13. Juli 2011 X B 117/10, BFH/NV 2011, 2075, m.w.N.).

14

Der Kläger hat es bereits versäumt, mit hinreichender Deutlichkeit tragende abstrakte Rechtssätze aus dem FG-Urteil herauszuarbeiten und ihnen abweichende Rechtssätze aus der vermeintlichen Divergenzentscheidung in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 gegenüberzustellen, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Im Übrigen kann dem BFH-Urteil in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 --wie oben unter 1.b aa dargestellt-- insbesondere nicht der Rechtssatz entnommen werden, dass die Aufbewahrung der Schichtzettel als Einnahmeursprungsaufzeichnungen nicht erforderlich sei, wenn deren Inhalt unmittelbar nach deren Erhalt und Auszählung der Kasse --unabhängig davon, in welchen Zeitabständen der Steuerpflichtige die Schichtzettel erhalte-- in ein Kassenbuch übertragen werde.

15

4. Die vom Kläger gegen die Schätzung des FG erhobenen Einwände vermögen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht zu begründen. Der Kläger hat einen erheblichen Rechtsanwendungsfehler des FG bei der Schätzung der Einnahmen, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen könnte, nicht hinreichend dargelegt; im Übrigen liegt ein solcher auch nicht vor.

16

a) Im Kern richten sich die Einwendungen des Klägers --nach Art einer Revisionsbegründung-- gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (z.B. Senatsbeschlüsse vom 21. Januar 2009 X B 125/08, BFH/NV 2009, 951; vom 27. Januar 2009 X B 28/08, BFH/NV 2009, 717, und vom 10. Mai 2012 X B 71/11, BFH/NV 2012, 1461). Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen, wie Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler (z.B. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2009, 951; in BFH/NV 2009, 717, und in BFH/NV 2012, 1461).

17

Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist. Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst dann zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis der Schätzung als offensichtlich realitätsfremd darstellt (z.B. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2009, 951; in BFH/NV 2009, 717, und in BFH/NV 2012, 1461; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 70). Das Vorliegen dieser besonderen Umstände ist in der Beschwerdebegründung darzulegen (z.B. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2009, 951, und in BFH/NV 2009, 717; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 70).

18

b) Der Kläger erhebt zahlreiche Einwände gegen die Schätzung des FG, die sich auf dessen Befugnis zur Schätzung sowie auf einzelne Schätzungsgrundlagen beziehen. Einen erheblichen Rechtsanwendungsfehler des FG (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) hat er damit nicht dargelegt.

19

aa) Auf die Befugnis zur Schätzung bezieht sich der Einwand, dass die von ihm gewählte Praxis der Erfassung der Betriebseinnahmen (siehe oben unter 1.b bb) den im BFH-Urteil in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 genannten Vorgaben, die die Aufbewahrung der Schichtzettel als Einnahmeursprungsaufzeichnungen entbehrlich machen, entsprochen habe. Wie oben dargestellt (unter 1.b aa), ist dies gerade nicht der Fall, so dass mit dieser Behauptung von vornherein kein Rechtsanwendungsfehler des FG dargelegt werden kann. Ebenso auf die Schätzungsbefugnis bezieht sich das Vorbringen des Klägers, dass es nach seiner Rechtsauffassung für das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Buchführung eines Taxiunternehmers ausreiche, wenn dieser seine Einnahmen nachvollziehbar und ordentlich aufzeichne, hingegen keine Schichtzettel benutze. Auch diese Ansicht ist --wie oben unter 1.b bb ausgeführt-- in dieser Form nicht mit dem BFH-Urteil in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 vereinbar, so dass auch insoweit ein Rechtsanwendungsfehler ausscheidet.

20

bb) Die Einwände des Klägers, die Prüferin hätte bei der Berechnung der durchschnittlichen Tourenlänge die Kurzstreckenfahrten herausrechnen müssen, die mithilfe des Fahrzeugtachometers berechneten Einnahmen unterlägen einem bei der Schätzung zu berücksichtigenden Unsicherheitsfaktor, die Grundgebühr je Auftrags- und Besetztfahrt sei um 0,20 € zu verringern, betreffen jeweils einzelne Schätzungsgrundlagen. Insoweit hat der Kläger es versäumt (substantiiert) darzulegen, dass das daraus resultierende Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und schlechthin unvertretbar sei und sich als offensichtlich realitätsfremd darstelle.

21

cc) Dies gilt gleichermaßen für das Vorbringen des Klägers, das FG habe die im Jahr 2006 von der Betriebsprüferin ermittelten Ergebnisse übernommen und damit in unzulässiger Weise geschlussfolgert, dass im Jahr 2006 und in den Streitjahren (Prüfungszeitraum) gleiche Verhältnisse geherrscht hätten. Auch insoweit fehlt es an einem substantiierten Vortrag, dass das Schätzungsergebnis wirtschaftlich unmöglich, schlechthin unvertretbar bzw. offensichtlich realitätsfremd sei.

22

Dieses Vorbringen führt auch nicht wegen eines --im Übrigen nicht gerügten-- Verfahrensmangels zur Zulassung der Revision. Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze stellen in der Regel materiell-rechtliche Fehler dar, und zwar auch dann, wenn sich diese auf die Würdigung von Tatsachen erstrecken (z.B. Senatsbeschluss in BFH/NV 2011, 1165); sie sind damit der Rüge eines Verfahrensmangels entzogen (z.B. BFH-Beschluss vom 5. Januar 2007 II B 31/06, BFH/NV 2007, 972; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 83).

23

dd) Schließlich stellt sich das Schätzungsergebnis im vorliegenden Fall weder als wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar noch als offensichtlich realitätsfremd dar. Nach den --insoweit nicht angegriffenen-- Feststellungen des FG gelangte die Betriebsprüferin in den Jahren 2002 und 2003 zu Bruttoerlösen, die nur geringfügig über den vom Kläger selbst ermittelten Bruttoerlösen lagen. Lediglich im Streitjahr 2004 war die Abweichung höher. Wie das FG in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt hat (S. 8 des Urteils), habe der Kläger aber selbst eingeräumt, dass die Abweichungen der Prüferin gering gewesen seien.

24

5. Im Übrigen fehlt es in Bezug auf das Streitjahr 2002 bereits deshalb an einer ausreichenden Darlegung eines Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 FGO, weil das FG die Befugnis zur Schätzung für das Streitjahr 2002 kumulativ begründet hat und der Kläger nicht hinsichtlich beider Begründungsstränge Zulassungsgründe (erfolgreich) dargelegt hat.

25

a) Hat das FG sein Urteil kumulativ begründet, d.h. auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss wegen jeder der Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 23. Februar 2012 X B 91/11, BFH/NV 2012, 1150; vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 28, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

26

b) Das FG hat seine Entscheidung zur Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung für alle Streitjahre auf die Verletzung der Pflicht zur Aufbewahrung der Schichtzettel als Einnahmeursprungsaufzeichnungen gestützt sowie --im Hinblick auf das Streitjahr 2002-- kumulativ auf den Umstand, dass der Kläger gar keine Buchführungsunterlagen vorlegen konnte (S. 5 des Urteils).

27

Hinsichtlich des letztgenannten Begründungsstrangs hat der Kläger überhaupt nicht dargelegt, warum die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) und der Sicherung der Rechtseinheit wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) gegeben sein sollten. Die ansonsten erhobenen Einwände gegen die Schätzung waren --wie bereits dargestellt-- ebenso wenig erfolgreich, da der Kläger einen erheblichen Rechtsanwendungsfehler des FG bei der Schätzung, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Revisionszulassung führen könnte, nicht hinreichend dargelegt hat und im Übrigen ein solcher auch nicht vorlag.

5 StR 461/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 17. März 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 16. und 17. März 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Ministerialrat
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt M
als Verteidiger für den Angeklagten H K ,
Rechtsanwalt S
als Verteidiger für die Angeklagte A K ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 17. März 2005 für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 28. November 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten H K vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in elf Fällen sowie die Angeklagte A K vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in fünf Fällen und der Beihilfe zu Steuerhinterziehung in sechs Fällen freigesprochen. Hiergegen wenden sich die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der näher ausgeführten Sachrüge. Die Rechtsmittel haben im Ergebnis Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte H K als geschäftsführender Gesellschafter ein Bauunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Seine Ehefrau, die Angeklagte A K , erledigte in dem Unternehmen im wesentlichen die Büroarbeiten.
In den Jahren 1992 bis 1997 nahm der Angeklagte wegen des Umfangs der von ihm betreuten Bauvorhaben in erheblichem Maße Fremdleistungen in Anspruch. Einen Großteil der Fremdleistungen ließ der Angeklagte dabei durch Schwarzarbeiter verrichten, für die weder Lohnsteuer angemeldet noch Sozialabgaben abgeführt wurden. Zur Verschleierung dieser Schwarzlohngeschäfte verwendete der Angeklagte Abdeckrechnungen zweier angeblicher belgischer Bauunternehmen, die Subunternehmerbauleistungen über insgesamt rund 3,6 Millionen DM auswiesen und die in die Buchhaltung der GmbH eingestellt wurden. Die Herkunft der gefälschten Rechnungen konnte das Landgericht nicht aufklären. Zu diesen Rechnungen korrespondierten jeweils zeitnahe Barabhebungen der Angeklagten A K vom Firmenkonto der GmbH.
Mit der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor, durch diese Barabhebungen verdeckte Gewinnausschüttungen vorgenommen und die jeweils in bar abgehobenen Beträge für eigene Zwecke verbraucht zu haben. Hierdurch seien in den Jahren 1992 bis 1997 Körperschaft -, Gewerbe- und Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag in einer Gesamthöhe von rund 3,2 Millionen DM verkürzt worden.
Das Landgericht hat sich zwar davon überzeugt, daß die jeweils eingestellten Rechnungen der belgischen Baufirmen Scheinrechnungen waren. Es meint aber, daß den Rechnungsbeträgen tatsächlich bewirkte Zahlungen an unbekannt gebliebene Dritte gegenübergestanden haben. Jene Dritte hätten im Umfang der Rechnungsbeträge tatsächliche Bauleistungen erbracht und entsprechende Beträge schwarz vereinnahmt. Zu dieser Erkenntnis ist das Tatgericht aufgrund einer von der Steuerfahndung vorgenommenen und an der Richtsatzkartei angelehnten Nachkalkulation gelangt. Ausgehend von dieser Schätzung der Steuerfahndung hat das Landgericht die bar abgehobenen Beträge als andere Betriebsausgaben, nämlich Lohnzahlungen, angesehen , die in gleicher Höhe wie die mit Scheinrechnungen unterlegten, tatsächlich falscherklärten Betriebsausgaben einnahmemindernd zu berück-
sichtigen seien. Im Ergebnis sei daher eine Hinterziehung von Ertragsteuern zu verneinen; die Angeklagten seien daher freizusprechen.
An der Ausurteilung der durch das festgestellte Geschehen verwirklichten Straftaten (Lohnsteuerhinterziehung sowie Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt) sah sich das Landgericht in Ermangelung einer auch diese Taten umfassenden Anklage gehindert.

II.


Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet.
1. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend hervorgehoben hat, kann das angefochtene Urteil schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Begründung der Freisprüche an durchgreifenden Darstellungsmängeln leidet und den Anforderungen des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO daher nicht genügt.
Ein freisprechendes Urteil muß aus sich heraus verständlich sein und so viele Angaben enthalten, daß dem Revisionsgericht eine sachlichrechtliche Prüfung ermöglicht wird. Hierbei muß das Tatgericht zunächst diejenigen Tatsachen feststellen, die es für erwiesen erachtet, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen weiteren Feststellungen nicht getroffen werden konnten (vgl. nur BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, 4, 5, 7, 8). Dabei hat es vor allem diejenigen Gesichtspunkte zu erörtern, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO) und die entweder festgestellt oder nicht festgestellt werden können. Dazu gehören bei einer angeklagten Steuerstraftat namentlich in erster Linie Erörterungen zum Inhalt der abgegebenen Steuererklärungen und zu den von den Finanzbehörden festgesetzten Steuern.
Diesen Anforderungen werden die Freisprüche nicht gerecht. Mit der Begründung des Landgerichts, eine Verkürzung der Steuern sei im Hinblick auf das Vorhandensein gleichwertiger, aber anderer Betriebsausgaben nicht eingetreten, sind konkrete Feststellungen zum genauen Inhalt der Steuererklärungen und zu den jeweils durch die Finanzbehörde festgesetzten Steuern nicht entbehrlich. Die insoweit getroffenen Feststellungen, daß die „abgeflossenen Beträge in den gemeinsam von den Angeklagten abgegebenen Erklärungen steuerlich insgesamt als Zahlungen auf Fremdleistungen und damit als Betriebsausgaben deklariert“ wurden, ermöglichen keine sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils durch das Revisionsgericht. Namentlich fehlt es hier an näheren Feststellungen dazu, was genau von den Angeklagten „deklariert“ wurde, insbesondere ob die erklärten Betriebsausgaben – etwa unter Vorlage der gefälschten Belege oder auf andere Weise – näher erläutert wurden.
Aufgrund dieses Erörterungsmangels verschließt sich das Landgericht der steuerrechtlich maßgeblichen Frage, ob die zu den „abgeflossenen Beträgen“ gemachten Angaben im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO falsch waren. Jedenfalls in den Fällen, in denen nicht lediglich ein bloß zahlenmäßiger Saldo in den Erklärungsvordrucken ohne nähere Erläuterung oder urkundliche Unterlegung der Betriebsausgaben erklärt wird, liegt ein tatbestandlicher Steuerschaden deshalb nahe, weil die mit Abdeckrechnungen verschleierten Schwarzlohnzahlungen dann einen „anderen Grund“ im Sinne von § 370 Abs. 4 Satz 3 AO darstellen könnten. Jene nicht geltend gemachten Schwarzlohnzahlungen wären dann – allerdings nur hinsichtlich der Körperschaft - und der Gewerbesteuerhinterziehung – wegen des Kompensationsverbotes nicht tatbestandlich, sondern erst auf der Strafzumessungsebene berücksichtigungsfähig.
Die Sache bedarf insoweit weiterer tatrichterlicher Aufklärung. Es kann daher offenbleiben, ob hier bereits die schlichte zahlenmäßige Angabe der saldierten Betriebsausgaben in den Erklärungsvordrucken dann eine falsche
Erklärung im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellen würde, wenn gefälschte Rechnungen lediglich in die Buchhaltung des Steuerpflichtigen eingestellt und daher nur für eine etwaige Überprüfung des Finanzamtes vorgehalten werden. Hierfür könnte sprechen, daß das Einstellen der gefälschten Belege in die Buchhaltung – welches bis zur Abgabe der Steuererklärung fraglos nur eine straflose Vorbereitungshandlung darstellt – mit der Abgabe der Steuererklärung zu einer Verknüpfung der gemäß §§ 140 ff. AO zu führenden Bücher mit dem Zahlenwerk aus den Erklärungsvordrucken führt. Diese innere Verknüpfung könnte den Erklärungsgehalt der Steuererklärung über das bloße Zahlenwerk („Saldo“) hinaus erweitern. Ob die in der Literatur vertretene Auffassung (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl. § 370 Rdn. 71 m.w.N.), wonach in den Fällen, in denen der allein erklärte Saldo trotz Berücksichtigung fingierter Betriebsausgaben wegen nicht erklärter aber berücksichtigungsfähiger Betriebsausgaben in gleicher Höhe im Ergebnis eine „richtige“ Erklärung im Sinne des § 370 Abs. 1 AO darstellt, daher zutreffen kann, bedarf hier mithin noch keiner abschließenden Bewertung.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Das angefochtene Urteil enthält auch insoweit einen durchgreifenden Rechtsfehler, als das Landgericht seine Überzeugung, daß die im Zusammenhang mit den Scheinrechnungen entnommenen Geldbeträge vollständig zur Bezahlung von Schwarzlöhnen verwandt wurden, allein auf ein im Urteil nicht näher erläutertes Zahlenwerk einer als Zeugin vernommenen Beamtin der Steuerfahndung gestützt hat. Die Ermittlung und Darlegung der Besteuerungsgrundlagen einschließlich der eigenverantwortlichen Schätzung obliegt aber dem Tatrichter in freier und eigenverantwortlicher richterlicher Überzeugungsbildung. Deswegen sind Verweise auf Betriebsprüfungs- oder Steuerfahndungsberichte ebenso wie die ungeprüfte Übernahme von Aussagen, die Finanzbeamte zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben, unzureichend (st. Rspr., vgl. nur BGH wistra 2001, 22, 23).
Das neue Tatgericht wird daher etwaig in die Hauptverhandlung eingeführte Schätzungen der Finanzbehörden eigenverantwortlich nachzuprüfen und im Urteil darzulegen haben, warum es von der Richtigkeit der Schätzungen auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze überzeugt ist. Hier wird sich das neue Tatgericht insbesondere zu fragen haben, ob eine vollständige Übernahme der Werte aus der Richtsatzkartei, die auf Vergleichszahlen der legalen Wirtschaft beruht, nicht deshalb ausscheidet, weil Schwarzarbeit im Regelfall deutlich geringer entlohnt wird. Bejahendenfalls wäre der bisherigen Annahme des Landgerichts, daß alle durch die Angeklagte A K vorgenommenen Barabhebungen vollständig zur Bezahlung von Schwarzarbeitern verbraucht wurden, die Grundlage entzogen.
Hinsichtlich einer möglichen, allein anhand der Strafakten nicht abschließend überprüfbaren Verjährung der gegenüber der Angeklagten A K erhobenen Vorwürfe, wird auf die Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 11. Januar 2005 verwiesen.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal
5 StR 448/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. April 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Steuerhehlerei u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2001

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Februar 2000 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer ergeben; ihre Revisionen sind unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes: 1. Die Berechnungsdarstellung der hinterzogenen Steuern im angefochtenen Urteil erfüllt nicht die für eine revisionsgerichtliche Überprüfung notwendigen Voraussetzungen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im einzelnen angeben (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 – Berechnungsdarstellung 2, 3, 4, 6). Die Anwendung steuerlicher Vorschriften auf den festgestellten Sachverhalt und die daraus folgende Berechnung der verkürzten Steuern, durch die der Schuldumfang der Straftat bestimmt wird, ist dabei Rechtsanwendung, die der Strafrichter selbst vorzunehmen hat (vgl. BGH wistra 2001, 22; BGHR AO § 370 Abs. 1 – Berechnungsdarstellung 9). Auch die Ermittlung und Darlegung der Besteuerungsgrundlagen obliegt dem Tatrichter. Die Verweisung auf Betriebsprüfungsberichte oder die Übernahme der Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndung in das Urteil sind ebenso unzureichend wie die Wiedergabe von Aussagen, die Finanzbeamte als Zeugen in der Hauptverhandlung zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben (vgl. BGH aaO). Das Landgericht ist allerdings nicht gehindert, bereits im Ermittlungsverfahren erstellte Darstellungen rein mathematischer Berechnungen, die mit den eigenen Feststellungen übereinstimmen, ins Urteil zu übernehmen. Dies gilt indes grundsätzlich nicht für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, die im Wege freier richterlicher Überzeugungsbildung vom Tatrichter eigenverantwortlich zu ermitteln sind. Die Übernahme einer Schätzung der Finanzbehörden kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn der Tatrichter diese eigenverantwortlich nachgeprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) überzeugt ist. Die Schätzungsgrundlagen müssen dabei in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar mitgeteilt werden (std. Rspr. vgl. BGH wistra 1984, 182; 1986, 65; 1992, 147, 148; Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 Rdn. 158). Eine Berechnungsdarstellung ist nur dann ausnahmsweise insgesamt entbehrlich, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis abgelegt hat (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 – Berechnungsdarstellung 2, 3, 5, 8, 9; BGH wistra 2001, 22).

b) Den dargelegten Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Angefügt an den Einleitungssatz: “Die Bestimmung der ausgefallenen Abgaben stützt sich auf folgende Berechnungen” hat das Landgericht die Berechnungsdarstellungen der von den nicht geständigen Angeklagten hinterzogenen Eingangsabgaben aus der Anklageschrift und Berichten der Zollfahndung in Ablichtung in das Urteil eingefügt. Für das Revisionsgericht ist hierbei nicht nachprüfbar, ob der Tatrichter von zutreffenden Besteuerungsgrundlagen ausgegangen ist und den jeweiligen Schuldumfang eigenverantwortlich ermittelt hat. Insbesondere ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls wie das Landgericht die der Abgabenberechnung zugrunde liegenden konkreten Zigarettenmengen selbst ermittelt hat und ob bzw. auf welcher Grundlage es die Schätzung des für die Höhe der Eingangsabgaben maßgeblichen Zollwertes der Zigaretten vorgenommen hat. Die Art der Darstellung im Urteil legt die unzureichende pauschale Übernahme der Feststellungen der Ermittlungsbehörden ohne eigene richterliche Würdigung nahe.
2. Das Urteil beruht jedoch nicht auf der fehlerhaften Berechnungsdarstellung. Die vom Landgericht – insbesondere auf der Grundlage des umfassenden Geständnisses des Mitangeklagten L – getroffenen Feststellungen tragen die Schuldsprüche dem Grunde nach: Dem angefochtenen Urteil ist mit ausreichender Sicherheit zu entnehmen, daß die Angeklagten unversteuerte und unverzollte Zigaretten in erheblichem Umfang aus Containern in Kleintransporter umgeladen haben. Auch die Feststellungen zur subjektiven Seite halten rechtlicher Nachprüfung stand. Die Einlassungen der Angeklagten, sie hätten von den geschmuggelten Zigaretten nichts gewußt und seien davon ausgegangen, nur Wasserkocher umzuladen, sind vom Tatrichter rechtsfehlerfrei widerlegt worden. Trotz des vom Gericht nicht eigenständig ermittelten Schuldumfangs kann auch der Strafausspruch letztlich bestehen bleiben. Der Senat schließt angesichts der überaus milden Strafen aus, daß das Landgericht bei fehlerfreier Ermittlung der hinterzogenen Steuern und denkbar niedrigster Feststellungen zum Schuldumfang zu noch geringeren Strafen hätte gelangen können.
Harms Häger Basdorf Raum Brause
5 StR 58/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. Mai 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 22. September 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg.

I.


2
Der Beschwerdeführer hat die zunächst unbeschränkt eingelegte Revision mit der Revisionsrechtfertigungsschrift nachträglich schlüssig auf den Strafausspruch beschränkt. Darin wendet er sich allein gegen die Höhe der festgestellten Hinterziehungsbeträge, ohne den Schuldspruch anzugreifen. Insoweit führt die Revision aus, es sei „rechtsfehlerfrei festgestellt“, dass sich der Angeklagte in den Jahren 1997 bis 2000 „der Hinterziehung von Umsatz -, Einkommen- und Gewerbesteuern schuldig gemacht“ habe.
3
Die vorgenommene Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam. Zwar können Umstände, die für die Höhe der hinterzogenen Steuern bedeutsam sind, auch den Schuldspruch tangieren und als doppelrelevante Tatsachen einer Beschränkung des Rechtsmittels entgegenstehen (vgl. BGHSt 29, 359, 366 f.; BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 2). Vorliegend kann eine solche „Doppelwirkung“ jedoch ausgeschlossen werden. Hierzu hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: „Das Landgericht hat festgestellt, dass das Finanzamt infolge der Abgabe von falschen Jahreserklärungen die Steuern zu niedrig festgesetzt hat (UA S. 8). Dies rechtfertigt für sich betrachtet den Schuldspruch. Die darüber hinaus erforderlichen weiteren Feststellungen zur Höhe der verkürzten Steuern wirken sich nur noch auf den Strafausspruch aus.“ Die Möglichkeit, der Schuldumfang könnte sich in einer neuen Hauptverhandlung soweit reduzieren, dass eine Steuerverkürzung vollständig entfiele, besteht angesichts der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten und auch vom Angeklagten eingeräumten Art und Weise der Manipulation der Buchhaltung nicht.

II.


4
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der Angeklagte betrieb von Februar 1997 bis Ende 2001 in Landau unter dem Namen „C. “ ein Schnellrestaurant mit asiatischen Gerichten. Für die Jahre 1997 bis 2000 gab er jeweils unvollständige Umsatzsteuerjahreserklärungen sowie Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen ab, in denen er gegenüber den Finanzbehörden Umsätze, Betriebseinnahmen und Gewinne verschwieg. Hierzu ging er in der Weise vor, dass er mit der Gastronomiekasse mehrmals am Tag sogenannte „Z-Ausdrucke“ erstellte , aber nicht sämtliche Ausdrucke in die Buchhaltung aufnahm. Damit wurde ein wesentlicher Teil der getätigten Umsätze nicht in der Buchhaltung erfasst. Zudem kaufte der Angeklagte im Zeitraum 1997 bis 1999 bei insgesamt drei Lieferanten Waren gegen Barzahlung ein und verbuchte diese Einkäufe ebenfalls nicht. Da somit nicht sämtliche Betriebseinnahmen in der Buchhaltung erfasst wurden, waren die vom Angeklagten auf deren Grundlage abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärungen sowie Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1997 bis 2000 unvollständig. Infolge dieser unrichtigen Steuererklärungen wurden jeweils zu geringe Steuerbeträge festgesetzt. Nach den Berechnungen des Landgerichts führte dies zu Steuerverkürzungen im Umfang von 295.876,81 DM (1997), 416.573,03 DM (1998), 255.677,08 DM (1999) und 344.554,90 DM (2000). Die Gastronomiekasse des Schnellrestaurants wurde bei einer Durchsuchung am 6. Januar 2002 vollständig zerstört aufgefunden.
6
2. Der Angeklagte räumte die ihm zur Last liegende Vorgehensweise ein und bestätigte im Übrigen, dass „die Zahlen der Steuerfahndung dem Grunde nach richtig“ seien. Er wollte jedoch weiter berücksichtigt haben, dass ein erhöhter Warenverderb vorgelegen habe und auch seine Angestellten unentgeltlich verköstigt worden seien. Zudem zweifelte er den von der Steuerfahndung angenommenen Rohgewinnaufschlag von 350 % an.
7
3. Da die Buchführung des Angeklagten aufgrund nicht erfasster Betriebseinnahmen sowie nicht erfasster Wareneinkäufe und Umsätze formell und materiell nicht ordnungsgemäß gewesen sei, hat das Landgericht die Höhe der verschwiegenen Betriebseinnahmen durch Schätzung ermittelt. Es ist dabei im Wesentlichen wie folgt vorgegangen:
8
a) Zu dem vom Angeklagten erklärten Wareneinsatz hat es die festgestellten , aber nicht erfassten Bareinkäufe hinzugerechnet. Die sich daraus ergebende Summe hat es um einen Rohgewinnaufschlag von 350 % erhöht. Schließlich hat es einen Reingewinnsatz von 32 % (1997 und 1998) bzw. von 33 % (1999 und 2000) angewendet.
9
b) Von der Richtigkeit des Rohgewinnaufschlagsatzes und des Reingewinnsatzes hat sich das Landgericht aufgrund der Ausführungen des als sachverständigen Zeugen gehörten Steuerfahndungsbeamten S. überzeugt. Dieser habe vergleichbare chinesische Imbissbetriebe geprüft, insbesondere den an demselben Ort zuvor ansässigen Restaurantbetrieb des H. . Aus Vergleichsbetrieben ergebe sich für den Rohgewinnaufschlagsatz eine Spanne von 320 % bis 418 %. Der letztendlich zugrunde gelegte Rohgewinnaufschlagsatz von 350 % berücksichtige bereits ausreichend Verderb und Diebstahl bei den eingekauften Waren. Hinsichtlich der Ermittlung des Reingewinnsatzes hat das Landgericht die amtliche Richtsatzsammlung der Gewerbeklasse „Imbissbetriebe“ herangezogen. Die sich hieraus ergebenden Werte hat es nach den Angaben des Zeugen S. aufgrund des gegenüber „normalen“ Imbissbetrieben bei China-Imbissen geringeren Fleischeinsatzes auf 32 % (1997 und 1998) bzw. 33 % (1999 und 2000) abgeändert.
10
c) Die Schätzungsergebnisse sah das Landgericht durch die Ergebnisse einer vom 16. Juli bis 16. August 2001 durchgeführten Observation des Restaurantbetriebs des Angeklagten bestätigt. Aus den hierbei gemachten Beobachtungen ergebe sich eine durchschnittliche Verkaufszahl von 370 bis 500 verkauften Essenportionen pro Tag mit einem Durchschnittspreis von 10 DM zuzüglich konsumierter Getränke.

III.


11
Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Die Feststellungen zum Umfang der verkürzten Steuern, den das Landgericht ausdrücklich strafschärfend gewertet hat, beruhen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.
12
1. Allerdings bedarf es einer ins Einzelne gehenden Darstellung der Berechnung der verkürzten Abgaben dann nicht, wenn der Angeklagte aufgrund eigener Sachkunde die ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen auch der Höhe nach einräumt (vgl. BGH wistra 2005, 307, 308). So verhält es sich hier indes nicht. Der Angeklagte hat lediglich bestätigt, dass „die Zahlen der Steuerfahndung dem Grunde nach richtig“ seien. Gegen die Höhe der ihm zur Last liegenden Steuerverkürzungen hat er jedoch Einwendungen erhoben.
13
2. Das Landgericht hat – im Ansatz zutreffend – die von dem Angeklagten der Höhe nach nicht eingeräumten Besteuerungsgrundlagen durch Schätzung ermittelt.
14
Auch im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 1992, 147; 1986, 65; BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 1, 2), wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist. Zur Durchführung der Schätzung kommen die auch im Besteuerungsverfahren anerkannten – und erforderlichenfalls kombiniert anzuwendenden – Schätzungsmethoden in Betracht (vgl. Jäger StraFo 2006, 477, 480 f. und Joecks wistra 1990, 52, 54), einschließlich der Heranziehung der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht 34. Lfg. Oktober 2005 § 370 AO Rdn. 493 und Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung 110. Lfg. August 2006 § 162 Rdn. 56). Die Schätzung obliegt dem Tatrichter selbst. Er darf Schätzungen der Finanzbehörden nur dann übernehmen, wenn er von ihrer Richtigkeit unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) überzeugt ist (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 2005, 209, 211; wistra 2001, 308, 309). In jedem Fall hat der Tatrichter in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist (BGH aaO).
15
3. Daran fehlt es hier. Das Landgericht hat nicht nachvollziehbar begründet , auf welcher Grundlage es sich von der Richtigkeit des den Berech- nungen des Zeugen S. zugrunde liegenden Rohgewinnaufschlagsatzes von 350 % überzeugt hat. Dessen hätte es indes bedurft, weil die vom Landgericht herangezogene Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen für die Gewerbeklasse „Imbissbetriebe“ – freilich ohne Berücksichtigung der Besonderheiten asiatischer Restaurants – lediglich Rohgewinnaufschlagsätze von 117 % bis 213 % (1997/1998) bzw. von 117 % bis 270 % (1999/2000) enthält. Der Hinweis auf die von dem Steuerfahnder S. in „Vergleichsbetrieben“ aus dem Bereich von China-Imbisslokalen ermittelten „Vergleichszahlen“ kann hier ohne nähere Darlegung der Ähnlichkeit der geprüften Betriebe mit dem Schnellrestaurant des Angeklagten und der dabei ermittelten Rohgewinnaufschläge für sich allein schon deshalb nicht genügen , weil das Landgericht nicht die Untergrenze der in den Vergleichsbetrieben festgestellten Aufschlagsätze, sondern einen um 30 Prozentpunkte erhöhten Rohgewinnaufschlagsatz angesetzt hat.
16
4. Schließlich begegnet auch die Berechnungsdarstellung der verkürzten Gewerbesteuern durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
17
Der Generalbundesanwalt hat die Lückenhaftigkeit der Feststellungen zur Gewerbesteuer beanstandet und hierzu ausgeführt: „Das Landgericht stellt in einer Tabelle lediglich die im Ausgangs- und geänderten Bescheid festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge und die bei Anwendung des Hebesatzes sich ergebende verkürzte Gewerbesteuer dar. Die dem zugrunde liegende Berechnung legt das Urteil indes nicht offen.“
18
Dem schließt sich der Senat an. Dass der Angeklagte bei seinem Teilgeständnis – jenseits der Feststellung der verschwiegenen Betriebseinnahmen – in Fragen der Steuerberechnung ausreichend sachkundig gewesen sein könnte (vgl. BGH wistra 2005, 307, 308), ist nicht mitgeteilt und liegt hier auch eher fern.

IV.


19
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
20
Im Hinblick darauf, dass Observation und Durchsuchung bereits im Sommer 2001 bzw. Januar 2002 stattfanden, Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss aber erst vom 21. November 2005 bzw. 24. Juli 2006 datieren, wird der neue Tatrichter auch das mögliche Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu erörtern haben.
Basdorf Häger Gerhardt Schaal Jäger

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 283/09
vom
10. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2009 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 19. Februar 2009 mit den Feststellungen
aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 20 Fällen, wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen und wegen Betrugs in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 66.186,59 Euro angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Urteils.

I.

2
1) Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte faktischer Geschäftsführer der Firma Ay. GmbH. Geschäftsgegenstand der Gesellschaft war die Durchführung von Baustahlarmierungs- und Bewehrungsar- beiten. Die Gesellschaft beschäftigte mehrere Arbeitnehmer, für die die vorgeschriebenen Meldungen nach § 28f Abs. 3, § 28a SGB IV und nach § 41a EStG abgegeben wurden, daneben aber auch zwischen November 2005 und Juni 2007 eine Vielzahl nicht näher individualisierbarer Arbeitnehmer, ohne diese Arbeitsverhältnisse den zuständigen Sozialversicherungsträgern und dem zuständigen Finanzamt zu melden. Möglicherweise wurden auch an Arbeitnehmer , die ordnungsgemäß gemeldet waren, zusätzlich zu dem Lohn, der angemeldet und für den Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt wurden , weitere Schwarzlohnzahlungen geleistet. Zur Verschleierung der Schwarzlohnzahlungen ließ der Angeklagte Rechnungen der Firma A. Bau an die Ay. GmbH in der Buchhaltung einbuchen, die sich auf einen Gesamtbetrag von 402.263,12 Euro beliefen. Diesen Rechnungen lagen keine tatsächlich erbrachten Leistungen der Rechnungsstellerin zu Grunde. Sie dienten lediglich dem Zweck, die Ausgaben des Unternehmens für Schwarzlohnzahlungen „abzudecken“.
3
Durch die pflichtwidrig unterlassenen Meldungen an die Sozialversicherungsträger wurden Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 937.125,25 Euro vorenthalten. Lohnsteuer wurde in Höhe von insgesamt 177.341,18 Euro und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 10.491,66 Euro hinterzogen.
4
Darüber hinaus ließ der Angeklagte gegenüber der BG Bau - Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft für die Beitragsjahre 2005 und 2006 jeweils bewusst pflichtwidrig zu niedrige Lohnnachweise zur Bemessung der Umlagebeträge für die gesetzliche Unfallversicherung abgeben, was zur Folge hatte, dass die Umlage nicht in voller Höhe berechnet wurde und der Berufsgenossenschaft ein Schaden in Höhe von 38.910,69 Euro entstand.
5
2) Der Angeklagte hat die Taten dem Grunde nach eingeräumt. Er bezifferte die von ihm veranlassten Lohnzahlungen, für die keine Sozialversicherungsbeiträge und Steuern angemeldet und abgeführt wurden, auf etwa 20.000 bis 30.000 Euro pro Monat.
6
Dieser Einlassung ist die Strafkammer nicht gefolgt. Sie hat vielmehr die Lohnsummen, hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten und Steuern hinterzogen worden waren, geschätzt, da die Buchhaltung der Ay. GmbH manipuliert sei, so dass sie nicht als verlässliche Quelle für die Bestimmung der tatsächlich gezahlten Schwarzlöhne herangezogen werden könne.
7
Die der Schadensberechnung zu Grunde gelegten Lohnsummen errechnete das Landgericht daher auf der Grundlage einer branchenüblichen Lohnquote von 66,66 % bezogen auf die um anerkannte Subunternehmerleistungen bereinigten monatlichen Nettoumsätze. Die so ermittelten Lohnsummen wurden für die Berechnung der vorenthaltenen Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungsbeiträge nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auf ein Bruttogehalt hochgerechnet. Auf der Grundlage dieser fiktiven Bruttolohnsumme wurden die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge errechnet, von denen in einem letzten Schritt die Sozialversicherungsbeiträge, die für die angemeldeten Arbeitsverhältnisse gezahlt worden waren, abgezogen wurden. Für die Berechnung der hinterzogenen Steuern und die vorenthaltenen Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung erfolgte demgegenüber keine Hochrechnung der geschätzten Lohnsumme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV.

II.


8
Der festgestellte Schuldumfang hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung aus zwei Gründen nicht stand: Die Voraussetzungen für die Schätzung der Schwarzlohnsumme waren vorliegend nicht gegeben (dazu nachfolgend 1.). Zudem enthalten die Rechenschritte bei der Berechnung der Hinterziehungsbeträge Rechtsfehler (dazu nachfolgend 2.).
9
1. Die Voraussetzungen für die Schätzung der Schwarzlohnsumme waren vorliegend nicht gegeben; deshalb ist die darauf aufbauende Beweiswürdigung nicht tragfähig.
10
Die Strafkammer hat die Höhe der Schwarzlöhne unter Heranziehung einer branchenüblichen Lohnquote geschätzt. Eine solche Schätzung ist dem Tatrichter zwar grundsätzlich gestattet. Hier hat das Landgericht allerdings betriebswirtschaftliche Parameter festgestellt, mittels derer die Möglichkeit bestand , die Höhe der Schwarzlöhne konkret - also tatsachenfundiert und den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend - zu berechnen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf der Grundlage einer tatsachenfundierten Berechnung der Schuldumfang nennenswert geringer ausgefallen wäre. Dies gilt auch deshalb, weil die Strafkammer die Einlassung des Angeklagten ohne ausreichende Erörterung für widerlegt hält, er habe monatliche Schwarzlohnzahlungen in einer Größenordnung zwischen 20.000 und 30.000 Euro geleistet.
11
a) Die Schätzung hinterzogener Lohnsteuer und vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge ist dem Tatrichter freilich grundsätzlich gestattet.
12
aa) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass tatgerichtliche Feststellungen auf tragfähige Schätzgrundlagen gestützt werden dürfen (BVerfG - Kammer -, Beschl. vom 20. März 2007 - 2 BvR 162/07). Die für die Anwendung und Durchführung einer Schätzung maßgeblichen Kriterien sind: - Für eine annähernd genaue Berechnung fehlen aussagekräftige Beweismittel ; bei Vermögensdelikten im Rahmen eines Unternehmens sind das namentlich Belege und Aufzeichnungen. - Die Parameter der Schätzgrundlage müssen tragfähig sein. - Die Schätzung kann auch aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigt sein, etwa dann, wenn eine exakte Berechnung einen unangemessenen Aufklärungsaufwand erfordert und bei exakter Berechnung für den Schuldumfang nur vernachlässigbare Abweichungen zu erwarten sind. - Im Rahmen der Gesamtwürdigung des Schätzergebnisses ist der Zweifelssatz zu beachten. - Die Grundlagen der Schätzung müssen im tatrichterlichen Urteil für das Revisionsgericht nachvollziehbar dargestellt werden.
13
Nach diesen Grundsätzen kann - und muss auch sehr häufig - bei Betäubungsmitteldelikten die Wirkstoffkonzentration anhand bestimmter Kriterien geschätzt werden (BGH, Beschl. vom 1. Oktober 2008 - 2 StR 360/08). Die Schätzung kann etwa anhand repräsentativer Stichproben erfolgen, auch um einen unverhältnismäßigen Untersuchungsaufwand zu vermeiden (BGH StV 2008, 9). Gerade dann, wenn sich solche Feststellungen bei angemessenem Aufklärungsaufwand nicht treffen lassen, darf das Tatgericht eine an den Um- ständen des Falles orientierte Schätzung unter Beachtung des Zweifelssatzes vornehmen (BGH NStZ 2002, 438, 439).
14
Eine Schätzung hat die Rechtsprechung auch bei Serientaten gebilligt, wenn zwar der strafbare Gesamtschaden feststeht, die Verteilung dieses Schadens auf Einzelakte sich aber einer genauen Feststellung entzieht. Danach ist es bei einem strafbaren Gesamtverhalten, das zahlreiche serienmäßig begangene Taten umfasst, zulässig, einen rechnerisch ermittelten Teil des Gesamtgeschehens bestimmten strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen im Wege der Schätzung zuzuordnen, wobei die Feststellung der Zahl der Einzelakte und die Verteilung des Gesamtschadens auf diese unter Beachtung des Zweifelssatzes zu erfolgen hat (BGH aaO).
15
Steht bei Vermögensstraftaten nach der Überzeugung des Tatrichters ein strafbares Verhalten des Täters fest, so kann auch hier die Bestimmung des Schuldumfangs im Wege der Schätzung erfolgen. Ein solches Verfahren ist stets zulässig, wenn sich Feststellungen auf andere Weise nicht treffen lassen. Die Schätzung ist dann sogar unumgänglich, wenn über die kriminellen Geschäfte keine Belege oder Aufzeichnungen vorhanden sind. In Fällen dieser Art hat der Tatrichter einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang festzustellen (BGH StV 2004, 578; NStZ 1999, 581).
16
bb) Dieselben Grundsätze gelten für die Schätzung von Bemessungsgrundlagen bei der Berechnung hinterzogener Lohnsteuer und vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge. Auch hier muss nach der Überzeugung des Tatgerichts ein strafbares Verhalten des Täters feststehen. Steht die Strafbarkeit fest, kommt eine Schätzung des Schuldumfangs namentlich dann in Betracht, wenn mangels entsprechender Buchführung des Angeklagten eine konkrete Berechnung der Bemessungsgrundlage nicht vorgenommen werden kann (vgl. BGHSt 40, 374, 376; NStZ 2001, 599, 600; wistra 2007, 220 f., jew. m.w.N.).
17
Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen muss zudem nach steuerrechtlichen Grundsätzen in sich schlüssig sein. Das ist namentlich dann der Fall, wenn ihre Ergebnisse hinsichtlich aller Bemessungsgrundlagen wirtschaftlich vernünftig und möglich sind (BGH wistra 1992, 147; NStZ 1999, 581, BFH BStBl II 1986, 226).
18
Das Tatgericht darf dabei durchaus auch Schätzungen des Finanzamts oder der Steuerfahndungsstellen übernehmen. Freilich muss erkennbar sein, dass es diese eigenständig überprüft und sich von ihrer Richtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) überzeugt hat (BGH wistra 1984, 182).
19
Liegen keine hinreichend verlässlichen Anknüpfungstatsachen für die nähere Bestimmung der Bemessungsgrundlagen vor, kann eine durchschnittliche , an Wahrscheinlichkeitskriterien ausgerichtete Schätzung erfolgen (BGH wistra 1992, 147). Bei der Entscheidung, welche Schätzungsmethode dem vorgegebenen Ziel, der Wirklichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe zu kommen, am besten gerecht wird, kommt dem Tatgericht ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BGH wistra 1992, 147). Die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich dann darauf, ob das Tatgericht nachvollziehbar dargelegt hat, warum es sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und weshalb diese dafür geeignet ist.
20
cc) Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen zur Berechnung hinterzogener Lohnsteuer und vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge ist die Schätzung der Lohnsumme unter Anwendung eines Prozentsatzes bezogen auf den Nettoumsatz eines Unternehmens danach dann zulässig, wenn keine anderweitig verlässlichen Beweismittel zur Verfügung stehen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand und ohne nennenswerten zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu beschaffen sind. Für die Schätzung der Lohnsumme gilt danach:
21
Das Tatgericht darf eine branchenübliche Lohnquote - und zwar eine Nettolohnquote - des jeweils verfahrensgegenständlichen Gewerbes ermitteln und diese als Schätzgrundlage der weiteren Berechnung zugrunde legen. Im Bereich des lohnintensiven Baugewerbes kann das Tatgericht bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen in Form der Schwarzarbeit grundsätzlich zwei Drittel des Nettoumsatzes als Lohnsumme - und zwar als Nettolohnsumme - veranschlagen (Senat NJW 2009, 528, 529). Die gegen eine Nettolohnquote von 60 % und mehr erhobenen Einwände (Röthlein wistra 2009, 107, 113; Joecks JZ 2009 526, 531) hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung nicht für berechtigt.
22
Aus dem Umstand, dass bei legalen Beschäftigungsverhältnissen erfahrungsgemäß eine Bruttolohnquote von zwei Dritteln des Nettoumsatzes angenommen wird und dort folglich deren Nettolohnquote niedriger ist, lässt sich nämlich nicht herleiten, dass auch bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen die Nettolohnquote unter zwei Dritteln des Nettoumsatzes liegen müsse. Das würde der unterschiedlichen Kostenstruktur von legalen und illegalen Beschäftigungsverhältnissen nicht gerecht.
23
Der illegal tätige Unternehmer wendet nämlich, anders als der legal tätige Unternehmer, außer den Nettolohnzahlungen keine nennenswerten anderweitigen Kosten auf, vor allem keine Lohnneben- und zusatzkosten sowie Fixkosten , die bei einem legal tätigen Unternehmen anfallen. Das hat zur Folge, dass bei ihm - anders als beim legal tätigen Unternehmer - ein wesentlich größerer Teil des Nettoumsatzes auf Nettolohnzahlungen an seine Arbeitnehmer entfällt, so dass seine Nettolohnquote deutlich höher liegt. Im Vergleich zu einem legal tätigen Unternehmen kann das illegal tätige Unternehmen seine Kosten anders kalkulieren: - Regelmäßig kann davon ausgegangen werden, dass der illegal tätige Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer keine höheren Nettolöhne als am Markt üblich zahlt; dies gilt auch im Vergleich mit legal tätigen Unternehmen. - Der Einsatz nicht gemeldeter Arbeitnehmer bzw. die nicht vollständige Meldung gezahlter Löhne ermöglicht dem illegal tätigen Unternehmer, seine Leistungen günstiger als seine legal tätigen Mitbewerber anzubieten. Dies führt - wenn beide dieselbe Zahl von Arbeitern für denselben Auftrag einsetzen würden - zu einem niedrigeren Angebot und damit zu einem geringeren Umsatz. - Wollten hingegen beide Unternehmen denselben Nettoumsatz erzielen, dann könnte der illegal tätige Unternehmer für denselben Auftrag - bei gleicher Nettolohnsumme - mehr Arbeiter einsetzen, mithin den Auftrag schneller ausführen (günstigerer Zeitfaktor). - Weil der illegal tätige Unternehmer den Auftrag schneller ausführen kann, bedeutet das zugleich, dass er einen höheren Umsatz erwirt- schaften kann, wenn er die größere Zahl von zudem „billigeren“ Arbeitern genauso lange arbeiten lässt, wie der legal tätige Unternehmer.
24
Deswegen hält der Senat eine Schätzung des Tatgerichts, das die Nettolohnsumme bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen mit zwei Dritteln des Nettoumsatzes bemisst, für wirtschaftlich vernünftig und möglich.
25
Dies entspricht auch den Erfahrungen des Senats aus vergleichbaren Verfahren, wo aufgrund tatsachenfundierter Berechnungen Schwarzlöhne konkret festgestellt wurden, die sich auf mehr als 60 % des Nettoumsatzes belaufen (vgl. Senat, Beschl. vom 29. Oktober 2009 - 1 StR 501/09).
26
Der Senat hat auch bedacht, dass sich der Unternehmer der illegalen Beschäftigung bedient, um seine Gewinne zu maximieren. Dabei erscheint allerdings schon zweifelhaft, ob er aber am Markt tatsächlich signifikant höhere Gewinne erzielt als ein legal tätiges Unternehmen. Denn gerade im Baugewerbe konkurriert er häufig nicht nur mit legal tätigen, sondern auch mit anderen, gleichfalls illegal tätigen Unternehmen, was sich auf die von ihm erzielbaren Preise und damit seine Gewinnspanne auswirkt. Aber selbst wenn die Gewinnspanne illegal tätiger Unternehmen höher wäre, kann dieser Faktor in Fällen der vorliegenden Art in der Regel bei der Schätzung der Nettolohnquote in Höhe von zwei Dritteln des Nettoumsatzes vernachlässigt werden, denn es erscheint kaum vorstellbar, dass der Gewinn illegal tätiger Unternehmen auch nur annähernd ein Drittel des Nettoumsatzes ausmacht.
27
b) Bei der Ermittlung der Schwarzlohnsumme darf allerdings nicht vorschnell auf eine Schätzung der Lohnquote in Form eines Anteils an der Nettolohnsumme ausgewichen werden, wenn eine tatsachenfundierte Berechnung anhand der bereits vorliegenden und der erhebbaren Beweismittel möglich erscheint. Die zuverlässige Klärung, ob eine für die Berechnung verlässliche Tatsachengrundlage beschafft werden kann, ist dabei auch und besonders Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Deshalb wäre es verfehlt und würde die Hauptverhandlung mit unnötigem Aufklärungsaufwand belasten, wenn die Ermittlungsbehörden sich darauf beschränkten, die Lohnquote zu schätzen, ohne zuvor ausermittelt zu haben, ob eine tatsachenfundierte Berechnung möglich ist.
28
aa) Beweismittel, anhand derer die Ermittlung des Nettoumsatzes und der konkrete Umfang der erbrachten Arbeiten möglich ist, sind im Baugewerbe insbesondere die Ausgangsrechnungen auf der Grundlage von Einheitspreisen.
29
Vollständig erfasste Ausgangsrechnungen können ein aussagekräftiges Indiz zur Ermittlung der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden sein. Die so ermittelten Arbeitsstunden dienen dann ihrerseits als Grundlage für die Berechnung des geleisteten Schwarzlohns, indem sie mit den gezahlten Stundenlöhnen multipliziert werden. Soweit sich keine Anhaltspunkte für die tatsächlich gezahlten Löhne ergeben, kann die Höhe des gezahlten Nettostundenlohns geschätzt werden. Hierbei können branchenübliche oder tarifvertragliche Stundenlöhne zugrunde gelegt werden. Wegen des dort geltenden Zuflussprinzips (vgl. insoweit Senat NJW 2009, 528, 530) sind namentlich im Hinblick auf die Berechnung der hinterzogenen Lohnsteuer dabei Nettolöhne anzusetzen.
30
bb) Die so gewonnenen Ergebnisse sind anhand anderer Betriebszahlen, soweit solche vorliegen, auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen. Dies gilt insbesondere für die - mitunter in der Buchhaltung erfassten - Abdeckrechnungen, die der Unternehmer, der Arbeitnehmer gegen Zahlung von Schwarzlöhnen beschäftigt , sich bei anderen Unternehmen besorgt. Denn die Abdeckrechnungen dienen vornehmlich der buchhalterischen Verschleierung der Bargeldentnah- men, die erforderlich sind, um die Schwarzlöhne auszuzahlen. Sie können daher belastbare Erkenntnisquellen für die Höhe der geleisteten Schwarzlöhne sein.
31
cc) Soweit sich weitere Unterlagen in der Buchhaltung des jeweils betroffenen Unternehmens finden, sind auch diese mit in Bedacht zu nehmen. Selbst wenn in der Buchhaltung Manipulationen vorgenommen wurden, ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, die vorhandenen Unternehmensunterlagen für sich allein oder in der Gesamtschau im Rahmen einer tatsachenfundierten Schätzung zu verwenden, um im konkreten Einzelfall das der Wirklichkeit am ehesten entsprechende Ergebnis zu erreichen.
32
c) Im vorliegenden Fall sind Umstände festgestellt, anhand derer es möglich erscheint, die Höhe der gezahlten Schwarzlöhne tatsachenfundiert zu berechnen. Deshalb lagen die Voraussetzungen für eine Schätzung der Schwarzlohnsumme nicht vor, so dass sich Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft erweist.
33
aa) Die Strafkammer stellt fest, dass in der Buchhaltung der Ay. GmbH Schwarzlohnzahlungen verdeckt und verschleiert wurden, indem Eingangsrechnungen der Firma A. Bau in der Gesamthöhe von mehr als 400.000 Euro gebucht wurden. Hierbei handelt es sich um Scheinrechnungen, denen keine tatsächlich erbrachten Leistungen zu Grunde lagen und die vielmehr ausschließlich dazu dienten, die Ausgaben für die Zahlung von Schwarzlöhnen abzudecken. Das wäre Anlass gewesen, zu prüfen, ob diese Zahlen eine tatsachenfundierte Grundlage für die Schwarzlohnberechnung sein konnten. Allein der insoweit nicht näher ausgeführte Hinweis, die Buchhaltung sei manipuliert, macht die Prüfung - gerade mit Blick auf die Einlassung des Angeklagten - hier nicht entbehrlich.
34
bb) Denn es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Höhe der Abdeckrechnungen mit der von der Strafkammer für widerlegt erachteten Einlassung des Angeklagten in Einklang gebracht werden kann. Diese ging dahin, für die monatlichen Schwarzlohnzahlungen im Tatzeitraum - von 20 Monaten - monatlich zwischen 20.000 bis 30.000 Euro aufgewandt zu haben. Zwar erscheint es durchaus möglich, dass der Angeklagte damit nur den Umfang zugestanden hat, der wegen der objektiven Beweislage in Form der Abdeckrechnungen ohnehin nicht zu bestreiten war, und dass der tatsächliche Umsatz höher war, wofür die manipulierte Buchhaltung sprechen könnte. Das hätte aber einer näheren Erörterung bedurft.
35
cc) Eine solche Erörterung war hier auch deshalb angezeigt, weil weitere Feststellungen getroffen wurden, die für Würdigung der Einlassung des Angeklagten von Bedeutung sind. Denn aus der Bruttolohnsumme, die sich aus den festgestellten Sozialversicherungsbeiträgen ergibt, die von der Ay. GmbH angemeldet und abgeführt wurden, und der auf eine Bruttolohnsumme hochgerechneten Schwarzlohnzahlungen, die der Angeklagte eingestanden hat, ergibt sich eine Gesamtbruttolohnsumme, die nahezu zwei Drittel des Nettoumsatzes der Gesellschaft im Tatzeitraum ausmacht. Dieser Umstand lässt es als möglich erscheinen, dass der Angeklagte Schwarzlohnzahlungen in Höhe des in seinem Unternehmen üblicherweise gezahlten Nettolohns leistete.
36
dd) Da sich die Strafkammer trotz dieser Umstände, die eine tatsachenfundierte Schätzung orientiert an den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls als möglich erscheinen lassen, einer pauschalen, an Durchschnittswerten orien- tierten Schätzung bedient hat, erweist sich das Urteil als rechtsfehlerhaft. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich dies zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, weil die pauschale Schätzung zu nennenswert höheren Hinterziehungsbeträgen geführt haben kann.
37
2. Unabhängig davon wurden zu Lasten des Angeklagten bei der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge auch Teile des Lohns, für den Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden waren, von der Hochrechnung auf einen Bruttolohn erfasst. Auch dies erweist sich zum Nachteil des Angeklagten als rechtsfehlerhaft.
38
Das Landgericht hat bei der Ermittlung der Schwarzlohnsumme, die gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auf eine Bruttolohnsumme hochzurechnen ist (vgl. Senat NJW 2009, 528, 529 ff.), auch Lohnzahlungen berücksichtigt, die den zuständigen Stellen gemeldet und für die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden waren. Zwar ist eine Hochrechnung der Schwarzlohnsumme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auch dann zulässig, wenn ein Unternehmer lediglich teilweise Schwarzlohnzahlungen leistet (Senat, Beschl. vom 7. Oktober 2009 - 1 StR 320/09). Insoweit kann aber nur die Lohnsumme hochgerechnet werden, die nicht angemeldet und für die daher auch keine Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt wurden. Demgegenüber darf der Teil der Lohnsumme, der gemeldet und für den Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt worden waren, bei der Hochrechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht miteinbezogen werden. Dies würde im Ergebnis zu einer doppelten Hinzurechnung von Arbeitnehmeranteilen und Lohnsteuer zum Nettogehalt führen. Der Abzug der tatsächlich gezahlten Sozialversicherungsbeiträge gleicht dies nicht aus. Der gemeldete Bruttolohn ist daher von der im Wege der Schätzung gewonnenen Lohnsumme abzuziehen. Insoweit ist zu beach- ten, ob es sich bei der im Wege der Schätzung gewonnenen Lohnsumme um eine Brutto- oder Nettolohnsumme handelt. Abhängig davon wird der Lohnsummenteil , für den Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer gezahlt worden waren, netto oder brutto abzuziehen sein.
39
Auf diesem Berechnungsfehler beruht das Urteil auch, da das Landgericht den Schuldumfang zum Nachteil des Angeklagten fehlerhaft bestimmt hat.

III.

40
Wenngleich auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten ausgeschlossen werden kann, dass es in den Einzelfällen nicht zur Hinterziehung von Steuern und dem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen kam, ist hier auch der Schuldspruch aufzuheben, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Denn soweit die Schadensberechnung auf der Grundlage einer auf pauschalen, an Durchschnittswerten orientierten Schätzung der Bemessungsgrundlagen erfolgt, ist jedenfalls in einzelnen Beitragsmonaten möglich, dass zumindest Sozialversicherungsbeiträge nicht vorenthalten wurden.

IV.

41
Keinen Bestand hat auch die Anordnung des Verfalls von Wertersatz.
42
Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt: „1. Das Landgericht hat in Höhe gesicherter Vermögenswerte den Verfall von Wertersatz angeordnet, da Gläubiger 'auf diese' keinen Anspruch hätten. 2. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen der §§ 73 Abs. 1 bis 3, 73a StGB ausreichend dargelegt sind, steht dem Verfall (von Wertersatz) § 73 Abs. 1 S. 2 StGB entgegen. Verletzter i.S.d. Vorschrift kann auch eine juristische Person öffentlichen Rechts einschließlich des Fiskus sein (Fischer StGB 56. Aufl. § 73 Rn. 21; BGH NStZ 2001, 155; Harms/Jäger NStZ 2001, 181). Es ist (bislang) nicht erkennbar, warum der Fiskus, die Krankenkasse und die Berufsgenossenschaften den Angeklagten nicht in Anspruch nehmen können (§§ 72 AO, 823 Abs. 2 BGB; vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 266a Rn. 2).“
43
Dem schließt sich der Senat an.

V.


44
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
45
1. Auch soweit Beiträge, die an die BG Bau-Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft für die Beitragsjahre 2005 und 2006 abzuführen waren, dadurch verkürzt wurden, dass jeweils bewusst pflichtwidrig zu niedrige Lohnnachweise zur Bemessung der Umlagebeträge für die gesetzliche Unfallversicherung abgegeben wurden, ist der Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB verwirklicht. Denn bei den Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung i.S.v. § 150 Abs. 1 SGB VII handelt es sich um Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 266a Rdn. 19). § 266a Abs. 2 StGB verdrängt als die speziellere Norm § 263 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 236; wistra 2008, 180).
46
Das bei der Bemessung der Beiträge an die BG Bau nach § 153 SGB VII zu Grunde zu legende Arbeitsentgelt bestimmt sich nach § 14 SGB IV (Marschner in BeckOK SGB VII § 153). Demnach kann auch insoweit eine Hochrechnung des im Wege der Schätzung ermittelten Nettoschwarzlohns nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV erfolgen.
47
2. Für die Strafzumessung gilt: Es ist ein bestimmender Strafschärfungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), wenn in Fällen der vorliegenden Art ein Arbeitgeber nach Gesetz buchungs- oder aufzeichnungspflichtige Vorgänge nicht oder nicht richtig verbucht oder verbuchen lässt, d.h. Lohnunterlagen nicht oder unrichtig führt.
48
Denn der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer illegal beschäftigt, verwirklicht dadurch neben den Straftaten nach § 266a StGB, § 370 AO Ordnungswidrigkeitentatbestände. So führt er die nach § 28f SGB IV erforderlichen Lohnunterlagen nicht (Ordnungswidrigkeit nach § 111 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 3a SGB IV; siehe auch § 5 Abs. 1 Nr. 6 AEntG). Daneben kommen Ordnungswidrigkeiten nach § 379 AO in Betracht.
49
Wenngleich die Ordnungswidrigkeiten regelmäßig durch die verwirklichten Straftatbestände verdrängt (§ 21 Abs. 1 OWiG) oder im Hinblick auf die Straferwartung von der Verfolgung ausgenommen werden, kann bei der Strafzumessung - nach entsprechendem Hinweis an den Angeklagten - strafschärfend berücksichtigt werden, dass zur Ermöglichung und Verschleierung der Straftaten Ordnungswidrigkeiten begangen wurden (vgl. BGHSt 23, 342, 345).
50
Der Strafschärfungsgrund kann sich bei der Strafzumessung innerhalb des gefundenen Strafrahmens, aber auch schon bei der Strafrahmenwahl auswirken. Für die Strafrahmenwahl gilt: Sowohl § 266a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StGB als auch § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO nennen als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall eine fortgesetzte Verkürzung unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege. Eine bewusste und nachhaltige Manipulation von Lohnunterlagen - unter Verstoß gegen gesetzliche Aufzeichnungspflichten - zum Zwecke der Verschleierung von Schwarzarbeit mag zwar zu- meist das benannte Regelbeispiel nicht erfüllen (vgl. BGH StV 2005, 213), legt aber gleichwohl bei unternehmerischer Tätigkeit mit namhaften Hinterziehungsbeträgen die Annahme eines unbenannten Regelbeispiels des besonders schweren Falles nahe.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Hinzuschätzungen von Gewinnen und Umsätzen aufgrund einer Betriebsprüfung für den Taxenbetrieb des Klägers.

2

1. Der einzeln veranlagte Kläger betreibt seit ... als Einzelunternehmer ein Taxenunternehmen mit mehreren Fahrzeugen. Er erstellte für die Streitjahre die Buchführung für seinen Taxenbetrieb selbst und ermittelte seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für das Unternehmen des Klägers fuhren in den Streitjahren durchgehend sechs Taxen der Marke A, von denen der Kläger regelhaft eine Taxe selbst fuhr. Im Jahr 2004 entband die Behörde für Bau und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg den Kläger antragsgemäß gemäß § 21 Abs. 4 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) für drei Monate von der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Taxenbetriebs mit der Taxe HH-XX 1. Das Unternehmen des Klägers war in den Streitjahren als Funktaxenunternehmen bei der B GmbH, Hamburg, angemeldet.

3

Der Kläger reichte mit seinen Steuererklärungen zur Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2007 Einnahmenüberschussrechnungen ein, die folgende Betriebseinnahmen einschließlich Umsatzerlöse, Betriebsausgaben und Einnahmenüberschüsse auswiesen:

4
        

2003

2004

2005

2006

2007

Betriebseinnahmen insgesamt

... € 

... € 

... € 

... € 

... € 

Davon Umsatzerlöse

... € 

... € 

... € 

... € 

... € 

Betriebsausgaben insgesamt

... € 

... € 

... € 

... € 

... € 

davon Löhne und Gehälter

... € 

... € 

... € 

... € 

... € 

Davon Kraftfahrzeugbetriebskosten

... € 

... € 

... € 

... € 

... € 

davon Kraftfahrzeugreparaturen

... € 

... € 

... € 

... € 

... € 

davon B GmbH Einnahmenüberschuss

... € 

... € 

... € 

... € 

... € 

5

Der Beklagte veranlagte den Kläger zunächst erklärungsgemäß.

6

2. Nach den Angaben des Klägers betrug die Fahrleistung der angestellten Fahrer für die sechs betriebenen Taxen
* im Jahr 2005: 208.843 km (entspricht 34.807 km pro Taxi),
* im Jahr 2006: 186.859 km (entspricht 31.143 km pro Taxi) und
* im Jahr 2007: 205.594 km (entspricht 34.266 km pro Taxi).
Für den Zeitraum 2003 und 2004 liegen keine durchgehenden vom Kläger berechneten Kilometerstände vor.

7

Aus den Erklärungen und Angaben des Klägers errechnen sich folgende Umsätze (netto) je gefahrenen Kilometer:

8
        

2003

2004

2005

2006

2007

erklärte Fahrleistung in km

                 

208.843

186.859

205.594

erklärte Umsätze

132.309 €

142.137 €

165.266 €

152.104 €

174.104 €

Umsatz (netto) je gefahrenen km

                 

      0,79 €

      0,81 €

      0,85 €

9

Anlässlich des Antrags des Klägers vom 04.07.2007 bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) der Freien und Hansestadt Hamburg forderte die BSU als Erlaubnisbehörde für Taxenbetriebe nach dem Personenbeförderungsgesetz bei der S GmbH, T, und bei der U GmbH, Hamburg, Nachweise der Hauptuntersuchungen an. Die der BSU übersandten TÜV-Berichte und Kontrollerfassungsbögen der Verkehrsgewerbeaufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg (Bl. 170-192 Bp-Arbeitsakten Bd. I) für von dem Kläger betriebene Fahrzeuge weisen folgende Kilometerstände aus:

10

Kennzeichen

Datum 

Kilometerstand

gefahrene km

Tage   

km/Tag

km/Jahr

HH-XX 2

...     

...     

                                   
        

...     

...     

...     

...     

...     

...     

        

...     

...     

...     

...     

...     

...     

                                                              

HH-XX 3

...     

...     

                                   
        

...     

...     

...     

...     

...     

...     

                                                              

HH-XX 4

...     

...     

                                   
        

...     

...     

…       

...     

...     

...     

                                                              

HH-XX 5

...     

...     

                                   
        

...     

...     

...     

...     

...     

...     

                                                              

HH-XX 6

...     

...     

                                   
        

...     

...     

...     

...     

...     

...     

                                                              

HH-XX 7

...     

...     

                                   
        

...     

...     

...     

...     

...     

...     

                                                              

HH-XX 8

...     

...     

                                   
        

...     

...     

...     

...     

...     

...     

durchschnittliche Fahrleistung für 1 Fahrzeug

                                            

51.792

durchschnittliche Fahrleistung für 6 Fahrzeuge

                                            

310.754

11

Auf der Grundlage dieser Unterlagen ermittelte die BSU für den Zeitraum 2005 bis 2007 die durchschnittliche Gesamtjahresfahrleistung der sechs Taxen des Klägers in Höhe von mehr als 305.000 km.

12

3. Im Dezember 2004 beauftragte die BSU die Linne + Krause Marketing-Forschung GbR, Hamburg, mit der Erstellung eines Gutachtens über die wirtschaftliche Lage des Hamburger Taxigewerbes. Der Sachverständige C ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Betriebswirtschaft und Bewertung von Taxiunternehmen.

13

Die Ergebnisse wurden in dem "Gutachten über die wirtschaftliche Lage des Hamburger Taxigewerbes" (Linne + Krause-Gutachten) dargestellt, und zwar in einem Zwischenbericht (Februar/März 2006), in einem 2. Zwischenbericht (Februar/März 2007), in einem 3. Zwischenbericht (Juni 2008), in einem 4. Zwischenbericht (Juli 2009), in einem 5. Zwischenbericht (Juni 2010) und in einem 6. Zwischenbericht für das Jahr 2010 (Juni 2011). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Zwischenberichte - http://www.hamburg.de/taxi/2935760/taxigewerbe/ - Bezug genommen.

14

4. Am 25.02.2009 ergingen zur Durchführung einer Außenprüfung Prüfungsanordnungen für den Zeitraum 2005 bis 2007 und am 04.12.2009 für den Zeitraum 2003 und 2004, jeweils für Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer. Mit der Außenprüfung wurde am 10.03.2009 begonnen. Der Betriebsprüfer gelangte zu folgenden Feststellungen:

15

Tägliche Kassenberichte mit der Ermittlung der Tageseinnahmen liegen nicht vor. Grundaufzeichnungen der einzelnen Fahrer in Form von Schichtzetteln wurden dem Betriebsprüfer nicht vorgelegt.

16

Die Einnahmen erfasste der Kläger jeweils am Monatsende für jeden einzelnen Fahrer in einem Kassenbericht (Bl. 33 der Betriebsprüfungsakten - BpA -). Den Betrag der Einnahmen eines jeden Fahrers ermittelte der Kläger aufgrund von Aufzeichnungen für den jeweiligen Monat (BpA Bl. 34 bis 36 - Auszug -; Anlagenband Bl. 1-331 - 2005 bis 2007 -); diese Monatsaufstellungen enthielten
* die Bezeichnung des Fahrers,
* den Tag,
* die Einnahme an diesem Tag sowie
* die Unterschrift des Fahrers.
Zudem erstellte der Kläger Abrechnungen für die einzelnen Fahrer, die folgende Angaben enthielten (Bl. 36 BpA - Auszug -):
* Gesamt-Kilometer im Monat,
* Anzahl der Touren im Monat und
* Einnahmen im Monat.

17

Der Betriebsprüfer nahm aufgrund des Fehlens täglicher Kassenberichte mit der Ermittlung der Tageseinnahmen bzw. des Fehlens von Grundaufzeichnungen der einzelnen Fahrer in Form von Schichtzetteln wegen der dadurch erfolgten Verletzung von Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten Hinzuschätzungen bei den Einnahmen des Klägers für die Jahre 2003 bis 2007 vor.

18

Hierbei legte der Betriebsprüfer unter Berücksichtigung einer jährlichen Fahrleistung von je 300.000 km für 2003 und 2004 sowie von je 305.000 km für 2005 bis 2007 und unter Berücksichtigung von Nettoerlösen je gefahrenen Kilometer entsprechend dem 4. Zwischenbericht des Linne + Krause-Gutachtens folgende - abgerundete - Mehrerlöse zugrunde:

19
        

geschätzte Fahrleistung - km -

Erlöse je km  - netto - (Linne + Krause)

Erlöse netto

erklärt

Mehrerlöse

Mehrerlöse abgerundet

2003   

…       

... € 

... € 

... € 

 ... €

... € 

2004   

…       

... € 

... € 

... € 

  ... €

... € 

2005   

…       

... € 

... € 

... € 

  ... €

... € 

2006   

…       

... € 

... € 

... € 

... € 

... € 

2007   

…       

... € 

... € 

... € 

... € 

... € 

20

Schließlich berücksichtigte der Betriebsprüfer weiteren Lohnaufwand als Betriebsausgaben. Hierfür legte er 50 % der Mehrerlöse zu Grunde und kürzte diesen Betrag um eine Lohnsteuer von 20 %. Zudem berücksichtigte der Betriebsprüfer weitere Treibstoffkosten in Höhe von je ... € für 2003 bis 2005, ... € für 2006 und ... € für 2007.

21

5. Auf der Grundlage dieser Feststellungen setzte der Beklagte für 2003 bis 2007 die Einkommensteuer mit Bescheiden vom 12.10.2010, den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheiden vom 13.10.2010 und die Umsatzsteuer mit Bescheiden vom 12.10.2010 geändert fest.

22

Am 02.11.2010 legte der Kläger hiergegen Einspruch ein.

23

Mit Einspruchsentscheidung vom 22.11.2011 änderte der Beklagte die angefochtenen Bescheide entsprechend den Berechnungen im über den Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide ergangenen Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 31.08.2011 (Aktenzeichen 6 V 2/11) wie folgt:

24
        

Einkommen-

Gewerbesteuer-

Umsatzsteuer

2003   

... € 

... € 

... € 

2004   

... € 

... € 

... € 

2005   

... € 

... € 

... € 

2006   

... € 

... € 

... € 

2007   

... € 

... € 

... € 

25

Dabei legte der Beklagte unter Berücksichtigung der bisher von ihm angesetzten Gesamtjahresfahrleistungen die sich aus den Erklärungen des Klägers ergebenden Umsätze (netto) je gefahrenen Kilometer für 2005 i. H. v. 0,79 €, für 2006 i. H. v. 0,81 € und für 2007 i. H. v. 0,85 € zu Grunde; für die Jahre 2003 und 2004 schätzte der Beklagte die Umsätze (netto) je gefahrenen Kilometer in Anlehnung an die Relationen zwischen dem Jahr 2005 und den Vorjahren aus dem Gutachten von Linne + Krause (3. Zwischenbericht Seite 7: 2003 und 2004 zu 0,80 € sowie 2005 zu 0,86 €) mit je 0,74 €.

26

Am 23.12.2011 hat der Kläger Klage erhoben.

27

Der Kläger trägt vor:

28

Im Streitfall bestehe ein Vorrang der Sachverhaltsermittlung und -feststellung gegenüber einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen. Er, der Kläger, vermöge nicht nachzuvollziehen, warum sein Fall eine wesentliche Abweichung zu dem dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.07.2010 V B 121/09 zu Grunde liegenden Sachverhalt darstellen solle. In dieser Entscheidung habe der BFH die Schätzungsbefugnis des Finanzamts insoweit verneint, als Aufzeichnungen bei der Klägerin vorgefunden worden seien, obwohl die vorgefundenen Zahlenkolonnen nicht die Formalie einer Buchhaltung aufgewiesen hätten.

29

Die in den streitigen Bescheiden in Gestalt der Einspruchsentscheidung festgesetzten Beträge seien selbst für den Fall des Vorliegens einer Schätzungsbefugnis weit überhöht angesetzt, seien jedoch letztlich wegen des Fehlens einer Schätzungsbefugnis auf die aus den Ursprungsbescheiden sich ergebenden Beträge zurückzuführen. Anders als in zahlreichen anderen Fällen im Taxengewerbe habe er, der Kläger, mit Schriftsatz vom 05.09.2013 für die Jahre 2005 bis 2007 monatliche Umsatzaufstellungen zur Akte gereicht, die von den jeweiligen die Umsätze erzielenden Fahrern unterzeichnet worden seien und die taggenau die erzielten Umsätze aufwiesen. Es könne folglich exakt nachvollzogen werden, welcher Fahrer an welchem Tag welche konkrete Einnahme gehabt habe. Außerdem lägen Aufzeichnungen zur Zahl der gefahrenen Touren und zur Zahl der gefahrenen Kilometer vor. Deshalb könne nur wegen des Fehlens konkreter Schichtzettel eine Schätzungsbefugnis nicht angenommen werden. Vielmehr komme es darauf an, dass Tag für Tag eine konkrete Einnahme einem konkreten Fahrer zugeordnet und verifiziert werden könne. Das sei im vorliegenden Fall gegeben. Eine Hinzuschätzung komme bei derart exaktem Datenmaterial zu konkreten Umsätzen nicht in Betracht. Die vorliegende Schätzung, die eine grobe Abweichung von den Realdaten darstelle, entbehre jeder Tatsachengrundlage. Im vorliegenden Fall sei die Schätzungsbefugnis trotz vorliegenden Zahlenmaterials bejaht worden. Dies sei zu dem alleinigen Zweck geschehen, Hinzuschätzungen zulasten des Klägers und zu Gunsten des Fiskus unter Ignorierung vorhandenen authentischen Zahlenmaterials auszubringen. Er, der Kläger, habe dasjenige an Umsatz erzielt und versteuert, was auch seinem tatsächlichen Umsatz entsprochen habe und was letztlich in die Ursprungsbescheide des Beklagten eingeflossen sei.

30

Möglicherweise sei der eine oder andere Fahrer einer Firma das eine oder andere Mal zur Stützung vielleicht des Klägers bereit gewesen, etwas Unzutreffendes zu testieren, nicht aber Monat für Monat alle Angestellten und zeitlich wechselnde Mitarbeiter.

31

Die vom Gericht beigezogenen TÜV-Berichte könnten, jedenfalls soweit sie sich auf die Jahre ab 2007 erstrecken und zur Hochrechnung von Kilometerleistungen der Fahrzeuge für die Vorjahre dienen sollten, nicht zur Anwendung kommen. Die Fahrleistung der klägerischen Fahrzeuge habe sich durch eine Halbierung der vorhandenen Genehmigungen im Jahre 2007 deutlich erhöht. Dies beruhe auf dem Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt wegen der Verkleinerung des Fuhrparks eine Verbesserung der Auslastung habe erfolgen können.

32

Er, der Kläger, habe in den Streitjahren Anzeigen in der ... Zeitung geschaltet, mit denen Fahrer gesucht worden seien, was sein ..., Herr D, bezeugen könne.

33

Von der Funkzentrale würden dem Taxiunternehmer die Ausführung von Fahrzeugen vorgegeben, die weit unterhalb des auch von der Genehmigungsbehörde geforderten Umsatzes pro Kilometer abgerechnet würden; hierbei handele es sich beispielsweise um sog. Bahnfahrten, bei denen Bahnkunden mit dem Taxi zu einem Kilometersatz zwischen 0,58 € und 0,69 € - je nach Kunde - weiterbefördert würden; ebenso müssten Botenfahrten zu einem Satz von 0,44 € pro Kilometer gefahren werden. Dies könnte sowohl sein ..., Herr D, sowie ein instruierter Vertreter der B GmbH, X-Straße, Hamburg, bezeugen.

34

Im Jahr 2004 sei für ein Fahrzeug eine Befreiung von der Betriebspflicht für drei Monate genehmigt worden; ähnliche Betriebsunterbrechungen, die sich jeweils über drei Monate erstreckten, habe es in den Jahren 2003 bis 2007 auch darüber hinaus gegeben, ohne dass genaue Zeiträume angegeben werden könnten. Hierzu werde Beweis angetreten durch Vernehmung des Zeugen E über die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, Hamburg. Dieser werde auch als Zeuge dafür benannt, dass im Jahr 2003 insgesamt 4.200 Taxen zugelassen gewesen sei und im Jahr 2013 3.300.

35

Die von dem Beklagten unter Bezugnahme auf das Gutachten der Firma Linne + Krause seiner Schätzung zu Grunde gelegten Umsatzerlöse seien bar jeder Realität.

36

Empirisch sauber ermittelte Daten jedenfalls bis inklusive des Jahres 2006 lägen dem Gutachten nicht zu Grunde. Zudem sei ein Taxiunternehmer in Hamburg nur eine Umsatzrendite von 10 % des Umsatzes zu erzielen in der Lage.
Beweis: Zeugnis des Herrn C, Y-Straße, ... Hamburg.

37

Das Gutachten von Linne + Krause sei in keiner Weise geeignet, die individuellen Gegebenheiten im Taxengewerbe zu berücksichtigen. Die weit überproportionale Anzahl von Fahrzeugen der F eG, die im streitgegenständlichen Zeitraum mindestens 40 % der an der Untersuchung beteiligten Fahrzeuge ausgemacht hätten, verfälsche die Ergebnisse zu Ungunsten aller nicht bei der F eG angeschlossenen Taxen.
Beweis: Einholung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens.

38

Bei der F eG handele es sich um das Premiumsegment des Hamburger Taxengewerbes; ihre Taxen führten pro Tag weit über 20 Touren. Fahrzeuge, die entweder nicht über einen Funkanschluss verfügten oder beispielsweise bei der Taxivermittlung ... angeschlossen seien, kämen oftmals lediglich auf 8-12 Fahrten pro Tag.
Beweis:
* Einholung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens,
* Zeugnis des Herrn G, zu laden über die F eG, Z-Straße, ... Hamburg,
* Zeugnis des H, zu laden über die B GmbH, X-Straße, ... Hamburg,
* Zeugnis des Herrn J, zu laden über den K e.V., T-Straße, ... Hamburg.

39

Herr H werde auch als Zeuge dafür benannt, dass bei der B GmbH im Jahr 2003 855 Taxen angeschlossen gewesen seien und im Jahr 2013 weniger als 300.

40

Die Zugrundelegung von im Bereich der F eG ermittelten Daten auf ihn, den Kläger, führe zu realitätsfernen Ergebnissen und letztlich zum Ruin aufgrund nicht zu bedienender Steuerforderungen.

41

Er, der Kläger, sei zwar als Funktaxenunternehmen bei der Firma B angemeldet; mitunter seien seine Fahrer jedoch unabhängig davon gefahren.

42

Zu berücksichtigen seien darüber hinaus zum Teil extrem hohe Differenzen bei den individuellen Fahreinnahmen der beschäftigten Fahrer; auch dieser Gegebenheit trage das Gutachten nicht ansatzweise Rechnung.

43

Unbeschadet der in Abrede genommenen Schätzungsbefugnis sei aber auch die Schätzung selbst im höchsten Maße fragwürdig und angreifbar, da sie den Denkgesetzen widerspreche. In der Einspruchsentscheidung werde ausgeführt, aus den bei der Genehmigungsbehörde vorliegenden Unterlagen ergebe sich eine Jahresfahrleistung von 228.000 km; dabei seien von dem Beklagten offensichtlich keine Privatfahrten berücksichtigt worden. Die Differenz zwischen der sich aus dem Einnahmebelegen ergebenden Fahrleistung von 208.843 km und einer Jahresfahrleistung von 228.000 km lasse sich leicht durch die Benutzung eines Fahrzeugs für Privatfahrten erklären. Lege man die Differenz von 19.157 km auf jedes der sechs betriebenen Fahrzeuge um, so ergebe sich noch eine Differenz von 3.192,83 km. Daraus folge ein Privatfahrtenanteil von 8,74 km pro Tag. Ein derartiger Anteil der privaten Nutzung eines Taxis vor, während oder nach einer Schicht sei realitätsnah; tatsächlich seien regelmäßig deutlich mehr privat gefahrene Kilometer zu verzeichnen.

44

Dass für die Jahre 2003 und 2004, für die keine Kilometerstände vorlägen, im Rahmen der Schätzung von 300.000 bzw. 305.000 km ausgegangen werde, habe mit einer realitätsnahen Schätzung in keiner Weise zu tun. Dafür, dass die durchschnittliche, jährliche Kilometerlaufleistung aller sechs in seinem, des Klägers, Betrieb gefahrenen Taxen in den Streitjahren 2003 und 2004 niedriger als 300.000 km und in den Streitjahren 2005 bis 2007 niedriger als 305.000 km gelegen hätten und die durchschnittlichen Umsätze je gefahrenen Kilometer von 0,74 € in 2003 und 2004, 0,79 € in 2005, 0,81 € in 2006 und 0,85 € in 2007 nicht erzielbar gewesen seien, werden die in seinem Schriftsatz vom 08.09.2014 (Bl. 118-128 der Finanzgerichtsakten) aufgeführten Fahrer als Zeugen benannt. Diese Fahrer seien über mehrere Jahre hinweg teilweise auch als sogenannte Alleinfahrer beim Kläger in Vollzeittätigkeit eingesetzt gewesen. Arbeitsverträge seien stets mündlich geschlossen worden.

45

Durch das Zeugnis aller im streitgegenständlichen Zeitraum für den Kläger arbeitenden, die Umsatzaufstellungen unterzeichnenden Fahrer (im einzelnen Bl. 65-68, 119-121 der Finanzgerichtsakte) sowie des Herrn D, sein, des Klägers ..., der ebenfalls einen Taxenbetrieb führe und regelmäßig bei den Abrechnungen zugegen gewesen sei, werde unter Beweis gestellt
* die Tatsache, dass die jeweils die Monatsumsätze - gegliedert nach Tagesumsätzen - unterzeichnenden Fahrer nur dasjenige abgezeichnet hätten, was der Realität in Form der von Ihnen erzielten Umsätze entsprochen habe,
* dass an den Abrechnungstagen, an denen die entsprechenden Umsätze unterzeichnet worden seien, in der Weise vorgegangen worden sei, dass
a. die als Zeugen benannten Fahrer jeweils ihre erzielten Tagesumsätze aufgezeichnet und fixiert hätten,
b. er, der Kläger, die jeweiligen Tagesumsätze gemäß den Aufzeichnungen der Fahrer in die für 2005 bis 2007 zur Gerichtsakte gereichten Listen übernommen habe,
c. der jeweilige Fahrer seine, des Klägers, Monatsauflistungen erst abgezeichnet habe, nachdem er diese mit seinen, des Fahrers, Aufzeichnungen der erzielten Tagesumsätze zusammen mit ihm, dem Kläger, abgeglichen und die Richtigkeit überprüft habe und
d. die durchschnittlichen Umsätze je gefahrenen Kilometer von 0,74 € in 2003 und 2004, 0,79 € in 2005, 0,81 € in 2006 und 0,85 € in 2007 nicht erzielbar gewesen seien.

46

Frau L, U-Straße, Hamburg, habe seinerzeit die Buchhaltung des Klägers erledigt und könne Angaben zu den Erlösen des Klägers machen, insbesondere auch dazu, dass sie keine Beanstandung hinsichtlich der Buchführung gegenüber dem Kläger geäußert habe.

47

Da er, der Kläger, nicht bereit gewesen sei, seine Fahrzeuge zu vermieten, sei das von ihm eingesetzte Fahrpersonal relativ alt und eben auch nicht hoch motiviert gewesen. Nach den Angaben des Klägers (Bl. 148 Bp-Arbeitsakten Bd. I) waren zehn für den Kläger arbeitende Fahrer im Streitjahr 2003 zwischen 37 und 66 Jahre alt.

48

Unternehmer, die nicht bereit gewesen seien, ihre Fahrzeuge zu vermieten, hätten praktisch keine Möglichkeit gehabt, auf die Fahrgestaltung ihrer angestellten Fahrer einzuwirken. Dies habe bedeutet, dass die Fahrer das Fahrzeug gegebenenfalls auch unwirtschaftlich eingesetzt bzw. Privatfahrten ausgeführt und sicherlich auch das eine oder andere Mal eine Fahrt ohne Einschalten des Taxameters ausgeführt hätten.

49

Der Kläger beantragt,
die Bescheide für 2003 bis 2007 über Einkommensteuer, über Umsatzsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.11.2011, dahingehend zu ändern, dass
die Einkommensteuer
* für 2003 auf ... €,
* für 2004 auf ... €,
* für 2005 auf ... €
* für 2006 auf ... € und
* für 2007 auf ... €,
die Umsatzsteuer
* für 2003 auf ... €,
* für 2004 auf ... €,
* für 2005 auf ... €,
* für 2006 auf ... € und
* für 2007 auf ... €
und der Gewerbesteuermessbetrag für 2003 bis 2007 auf jeweils 0 € festgesetzt werden.

50

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

51

Der Beklagte trägt unter Bezugnahme auf den Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 31.08.2011 (Az. 6 V 2/11) vom 17.12.2010 vor:

52

Die Einkünfte seien gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) zu Recht geschätzt worden. Die bei der Schätzung zu Grunde gelegten Kilometerleistungen aller sechs Taxen seien nicht zu beanstanden.

53

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

54

Am 27.09.2013 hat ein Erörterungstermin stattgefunden; auf die Niederschrift über diesen Termin wird Bezug genommen.

55

Mit Beschluss vom 20.01.2014 hat der Senat die Beteiligten, nachdem sich diese einverstanden erklärt hatten, gemäß § 155 S. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 278 Abs. 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) für eine Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor den Richter am Finanzgericht Hamburg Dr. M verwiesen. Mit Verfügung vom 23.04.2014 wurde das Verfahren in das streitige Verfahren zurückgegeben.

56

Mit Beschluss vom 24.06.2014 wurde der Sachverständige Herr C zur mündlichen Erstattung eines Gutachtens im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.11.2014 beauftragt. Mit prozessleitender Verfügung vom 24.06.2014 wurden die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 11.11.2014 geladen; die Ladung sowie der Beweisbeschluss wurden dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.07.2014 zugestellt. Ebenfalls unter dem 24.06.2014 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Setzung einer Ausschlussfrist gemäß §§ 79b, 121 S. 3 FGO zur Darlegung weiterer Tatsachen und Vorlage weiterer Beweismittel aufgefordert; auf die prozessleitende Verfügung vom 24.06.2014 (Bl. 82-88 der Finanzgerichtsakten) wird Bezug genommen.

57

Am 08.09.2014 hat der Kläger den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit mit der Begründung abgelehnt, dass dieser von der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg - neben der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation - mit der Erstellung des Taxigutachtens bzw. der daraus resultierenden Zwischenberichte beauftragt worden sei. Der Sachverständige stehe folglich in einem Dienst-/Abhängigkeitsverhältnis zur Finanzbehörde und bestreite einen durchaus maßgeblichen Teil seiner Einkünfte aus Zahlungen derselben. Diese sei wiederum Dienstherr des Beklagten. Mittelbarer Ausschluss der gutachterlichen Tätigkeit des Sachverständigen sei die Gründung und Ausübung seiner Tätigkeit als geschäftsführender Mitgesellschafter der N UG (haftungsbeschränkt), die sich als Folge des sog. Hamburger Taxigutachtens in Hamburg etabliert habe und Taxiunternehmern Dienstleistungen in Form der Erfassung und Verwaltung von Betriebsdaten anbiete; auch insofern profitiere der Sachverständige wiederum vom Taxigutachten. Danach sei nicht gewährleistet, dass der Sachverständige mit der notwendigen Neutralität ein Gutachten erstatte.

58

Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Ablehnungsantrag des Klägers erhalten. Der Sachverständige hat hierzu mitgeteilt, dass er in keinem besonderen Dienst- oder Abhängigkeitsverhältnis zur Finanzbehörde stehe. Auftraggeber der von seinem Büro erstellten statistischen Auswertungen über das Hamburger Taxigewerbe sei die Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation. Er profitiere zwar von der im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erworbenen Marktkenntnis; seine Befangenheit sei daraus nicht herzuleiten.

59

Am 11.11.2014 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden; auf die Niederschrift über diesen Termin wird Bezug genommen.

60

Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten Bd. I, die Gewerbesteuerakten Bd. I, die Umsatzsteuerakten Bd. I, die Betriebsprüfungsakten, die Bp-Arbeitsakten Bd. I und II und die Rechtsbehelfsakten Bd. I, jeweils zur Steuernummer .../.../..., vorgelegen.

Entscheidungsgründe

I.

61

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

62

Die angefochtenen Bescheide für 2003 bis 2007 über Einkommensteuer, über den Gewerbesteuermessbetrag und über Umsatzsteuer, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.11.2011, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht die Besteuerungsgrundlagen geschätzt (1.). Die angefochtenen Bescheide sind auch wegen der Höhe der von dem Beklagten gemäß § 162 AO geschätzten Besteuerungsgrundlagen nicht zu beanstanden (2.).

63

1. Der Beklagte hat dem Grunde nach zu Recht die Besteuerungsgrundlagen für die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG, des Gewerbeertrags gemäß § 7 Abs. 1 GewStG und der Umsatzsteuer gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) geschätzt.

64

Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO sind Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit die Finanzbehörde diese nicht ermitteln kann. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Erklärung zu geben vermag, er eine weitere Auskunft verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Nach der Rechtsprechung des BFH, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, folgt aus der gemeinsamen Verantwortung von Steuerpflichtigen einerseits und Finanzbehörde sowie Finanzgericht andererseits für die vollständige Sachaufklärung im Abgabenrecht, dass sich dann, wenn ein Steuerpflichtiger die ihm auferlegten allgemeinen oder besonderen Mitwirkungs-, Informations- oder Nachweispflichten verletzt, grundsätzlich die Ermittlungspflicht der Finanzbehörde oder des Finanzgerichtes entsprechend mindert. Die Kriterien und das Ausmaß der Reduzierung von Sachaufklärungspflichten und Beweismaß lassen sich nicht generell festlegen, sondern nur von Fall zu Fall bestimmen (vgl. BFH Urteil vom 15.02.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 1187).

65

a) Der Kläger war im Rahmen der von ihm zulässigerweise nach § 4 Abs. 3 EStG vorgenommenen Gewinnermittlung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen verpflichtet. Auch die Überschussrechnung setzt voraus, dass die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden (BFH Urteil vom 15.04.1999 IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481).

66

aa) Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung ergibt sich für Unternehmen aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i. V. m. §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungs-verordnung (UStDV). Zwar sind umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungen keine Aufzeichnungen "nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen" i. S. des § 140 AO. Die Aufzeichnungsverpflichtung aus einem Steuergesetz wirkt aber, sofern dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich enthält oder sich eine Beschränkung aus der Natur der Sache nicht ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze, also auch für das EStG und GewStG (vgl. BFH Urteile vom 02.03.1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504; vom 26.02.2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599).

67

Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind u. a. auch die vereinnahmten Entgelte aufzuzeichnen. Nach § 63 Abs. 1 UStDV müssen die Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten.

68

bb) Danach sind Betriebseinnahmen einzeln aufzuzeichnen. Dem Grundsatz nach gilt das auch für Bareinnahmen. Der Umstand der sofortigen Bezahlung der Leistung rechtfertigt nicht, die jeweiligen Geschäftsvorfälle nicht auch einzeln aufzeichnen zu müssen. Zwar sind aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität bestimmte Berufsgruppen (wie z. B. Einzelhändler) von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung entbunden. Die Situation bei Einzelhandelsunternehmen ist aber mit der bei Taxiunternehmen nicht vergleichbar (vgl. BFH Urteil vom 12.05.1966 IV 472/60, BStBl III 1966, 371, 373). Im Bereich des Taxigewerbes genügen nur die sog. Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, den sich aus der Einzelaufzeichnungspflicht ergebenden Mindestanforderungen; damit wird den branchenspezifischen Besonderheiten dieses Gewerbes ausreichend Rechnung getragen (BFH Urteil vom 26.02.2004 XI R 25/02, a. a. O.). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von dem Kläger zitierten Urteil des BFH vom 13.07.2010 V B 121/09; denn jenes zur Beweiskraft der Buchführung und zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ergangene Urteil betrifft ein eine Gaststätte betreibendes Einzelunternehmen und nicht etwa einen Taxenbetrieb.

69

cc) § 147 Abs. 1 AO verlangt die geordnete Aufbewahrung von Unterlagen. Diese Aufbewahrungspflicht ist akzessorisch und folgt der Aufzeichnungspflicht. Die Aufbewahrung der Schichtzettel als Einnahmeursprungsaufzeichnungen ist nur ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird; allein die tägliche Übertragung des Inhalts der Schichtzettel unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in ein solches Kassenbuch macht danach die Aufbewahrung der Schichtzettel entbehrlich (vgl. BFH Urteile vom 13.07.1971 VIII 1/65, BFHE 103, 34, BStBl II 1971, 729; vom 26.02.2004 XI R 25/02, a. a. O.; Beschluss vom 25.10.2012 X B 133/11, BFH/NV 2013, 341).

70

b) Diese Voraussetzungen für die Erfüllung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten sind im Streitfall nicht erfüllt. Es wurden von dem Kläger für die Streitjahre keine Schichtzettel vorgelegt. Es bestand in den Streitjahren aber auch keine Tageskasse, deren Ergebnis nach Auszählung unmittelbar in ein Kassenbuch übernommen worden war. Die Ergebnisse des Klägers setzen sich vielmehr aus den von ihm lediglich monatlich gebuchten Einnahmen (siehe Anlage 2 zum Betriebsprüfungsbericht vom 12.08.2010, Bl. 33 BpA sowie Anlagenband Bl. 1-108 mit Aufzeichnungen des Klägers für das Streitjahr 2007, Anlagenband Bl. 109-218 mit Aufzeichnungen des Klägers für das Streitjahr 2006 und Anlagenband Bl. 219-330 mit Aufzeichnungen des Klägers für das Streitjahr 2005) zusammen, die wiederum aus monatlich erstellten Abrechnungen für die einzelnen Fahrer hergeleitet waren, ohne indes die Einnahmen des Klägers, der regelhaft eine der Taxen fuhr, aufzuführen. Diese Abrechnungen (Anlage 4 zum Betriebsprüfungsbericht vom 12.08.2010, Bl. 36 BpA) enthielten zwar für den jeweiligen angestellten Fahrer Eintragungen zur Gesamtkilometerleistung, zur Anzahl der Touren und zur monatlichen Einnahme, ähnlich der Art der notwendigen Angaben in einem Schichtzettel. Der Kläger hat jedoch keine Schichtzettel vorgelegt, die täglich aufgezeichnet worden wären.

71

Bereits in seinem Urteil vom 26.02.2004 XI R 25/02 (BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599) hat der BFH ausgeführt, dass die Aufbewahrung der Schichtzettel als Einnahmeursprungsaufzeichnungen ausnahmsweise dann nicht erforderlich sei, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen werde. Damit hat der BFH, dem sich der erkennende Senat anschließt, klargestellt, dass allein die tägliche Übertragung des Inhalts der Schichtzettel unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in ein solches Kassenbuch die Aufbewahrung der Schichtzettel entbehrlich macht. Nur dann ist sowohl dem Aufbewahrungszweck als auch der Sicherstellung der Vollständigkeit der übertragenen Aufzeichnungen in vollem Umfang Rechnung getragen (vgl. BFH Beschluss vom 25.10.2012 X B 133/11, BFH/NV 2013, 341).

72

Eine lediglich monatliche Aufzeichnung der Tageseinnahmen eines jeden Fahrers genügt diesen Anforderungen gerade nicht. Die Vorlage eben dieser Schichtzettel als Einnahmeursprungsaufzeichnungen, für die dem Kläger eine Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren (§ 147 Abs. 3 AO) obliegt, welche zu Beginn der Außenprüfung am 10.03.2009 noch nicht abgelaufen waren, bzw. der Nachweis der täglichen Übertragung des Inhalts der Schichtzettel unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in ein Kassenbuch wären aber für die Glaubhaftmachung der Behauptung des Klägers, sämtliche Einnahmen und Umsätze erklärt zu haben, erforderlich gewesen; denn die Schichtzettel enthalten Angaben, aus denen sich die Höhe der Umsätze und damit auch der Betriebseinnahmen unmittelbar ergibt. Sowohl bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht als auch bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht ist der Beklagte deshalb dem Grunde nach zur Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 und 2 AO berechtigt.

73

c) Angesichts der Verletzung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsplichten des Klägers hat der Senat davon abgesehen, die als Zeugen bezeichneten Fahrer des Klägers zu der Behauptung des Klägers zu vernehmen, dass diese ihre erzielten Tagesumsätze aufgezeichnet und fixiert haben, der Kläger die jeweiligen Tagesumsätze gemäß den Aufzeichnungen der Fahrer in die zur Gerichtsakte eingereichten Listen übernommen hat und der jeweilige Fahrer die Monatsauflistungen des Klägers erst abgezeichnet hat, nachdem er diese mit seinen, des Fahrers, Aufzeichnungen der erzielten Tagesumsätze zusammen mit dem Kläger abgeglichen und die Richtigkeit überprüft hat.

74

aa) Zum einen hat der Kläger für die Streitjahre 2003 und 2004 nicht einmal die monatlichen Aufzeichnungen über seine Einnahmen und die Einnahmen seiner Fahrer, die hier hätten bezeugt werden sollen, vorgelegt.

75

Insoweit ist der Beweisantrag des Klägers unsubstantiiert; es fehlen Tatsachenangaben darüber, welche Einnahmen jeder Fahrer wann erzielt und gegengezeichnet hat (vgl. (BFH Urteil vom 14.12.1990 III R 92/88, BFHE 163, 190, BStBl II 1991, 305; Beschlüsse vom 21.11.2002 VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485; vom 16.05.2013 X B 131/12, BFH/NV 2013, 1260).

76

bb) Zum anderen liegen auch für die Jahre 2005 bis 2007 keine Aufzeichnungen der Einnahmen des Klägers aus eigenen Fahrten vor. Der Senat berücksichtigt des Weiteren Besonderheiten der von dem Kläger vorgelegten monatlichen Einnahmeaufzeichnungen seiner angestellten Fahrer.

77

Aus den für 2005 vorgelegten Aufzeichnungen ergibt sich, dass an 33 Tagen des Jahres nicht ein Fahrer zum Betrieb der sechs Taxen des Klägers eingesetzt war. Dabei handelt es sich häufig um Sonntage (z. B. ...) - auch solche zu Ferienbeginn und zum Ferienende - und um Feiertage (z. B. ...), an denen gewöhnlich höhere Einnahmen erzielt werden; beispielsweise sind für den ... 2005 Einnahmen i. H. v. ... € verzeichnet, die von nur drei Fahrern erzielt wurden (entspricht ... € pro Fahrer), während der Schnitt der verzeichneten Einnahmen pro Fahrer und Tag bei ... € liegt. Für 141 Tage des Jahres 2005 hat der Kläger Einnahmebestätigungen von insgesamt lediglich drei oder weniger Fahrern pro Tag für seine sechs Taxen vorgelegt.

78

Auch für das Jahr 2006 ergibt sich aus den vorgelegten Aufzeichnungen des Klägers, dass an 32 Tagen des Jahres einschließlich der Ostertage (...) sowie des Weihnachtsfeiertags (...) kein Fahrer eingesetzt war. An 146 Tagen im Jahr will der Kläger mit drei oder weniger Fahrern sein Taxenunternehmen betrieben haben, davon am Neujahrstag mit nur einem Fahrer und einem Umsatzerlös von ... €.

79

Für das Jahr 2007 sollen nach den Aufzeichnungen des Klägers an insgesamt 22 Tagen - darunter der ... sowie die Weihnachtsfeiertage (...) - nicht ein Fahrer und an 118 Tagen drei oder weniger Fahrern eingesetzt gewesen sein.

80

Der Senat hält es unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse aus den vorgelegten Aufzeichnungen des Klägers für die Jahre 2005 bis 2007, die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt waren und die von ihm ebenfalls hätten ausgewertet werden können - insoweit geht die in diesem Zusammenhang von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers angebrachte Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ins Leere -, für sehr wahrscheinlich, dass - selbst wenn die Höhe der aufgezeichneten Einnahmen der genannten Fahrer korrekt sein sollte - Einnahmen durch weitere Fahrer erzielt wurden. Denn ein Taxenunternehmen mit sechs Taxen lässt den Betrieb nicht an solchen Tagen vollständig ruhen, an denen hohe oder sogar - wie zu Festtagen - überdurchschnittlich hohe Einnahmen erzielt werden können. Die Bezeugung der in den Auflistungen angegebenen Einnahmen der Fahrer ist danach nicht geeignet auszuschließen, dass durch die Beschäftigung weiterer Fahrer höhere Einnahmen von dem Kläger erzielt wurden.

81

Daran ändert auch nichts, dass der Kläger in den Streitjahren regelmäßig Anzeigen in der ... Zeitung zum Zwecke des Suchens von Fahrern geschaltet hat. Immerhin hat der Kläger im Zeitraum 5. Februar bis 23. Dezember des Jahres 2005 an 19 Tagen für seine sechs Taxen sieben Fahrer mit durchschnittlichen Einnahmen von insgesamt ... € (entspricht ... € pro Fahrer) am Tag beschäftigen können.

82

Die Vollständigkeit der von dem Kläger monatlich aufgezeichneten Einnahmen vermag durch die Vernehmung der angegebenen Fahrer als Zeugen gerade nicht bewiesen zu werden. Auf die von dem Kläger beantragte Beweiserhebung konnte der Senat deshalb verzichten, weil das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist; denn die in Frage stehenden Tatsachen können zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden (vgl. BFH Urteile vom 27.11.1997 V R 48/97, BFH/NV 1998, 711; vom 04.04.2001 VI R 209/98, BFH/NV 2001, 1281; vom 16.11.2005 VI R 71/99, BFH/NV 2006, 753).

83

d) Die von dem Kläger aufgestellte Behauptung, dass sein ..., Herr D, regelmäßig bei den Abrechnungen zugegen gewesen sei, kann als wahr unterstellt werden; eine Vernehmung des ... als Zeugen konnte insoweit verzichtet werden (vgl. BFH Urteil vom 16.11.2005 VI R 71/99, BFH/NV 2006, 753).

84

2. Die angefochtenen Bescheide sind auch zur Überzeugung des Senats (§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO) der Höhe der von dem Beklagten gemäß § 162 AO geschätzten Besteuerungsgrundlagen nach rechtmäßig. Nach Überzeugung des Senats kommt die von dem Beklagten vorgenommene Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG, des Gewerbeertrags gemäß § 7 Abs. 1 GewStG sowie der Umsätze im Sinne des § 1 UStG der Wahrscheinlichkeit am nächsten.

85

a) Der Senat stimmt mit dem Beklagten darin überein, dass die Methode, zunächst die Laufleistung (gefahrene Kilometer) zu schätzen und dann mit einer empirisch begründbaren Größe "Umsatz pro km" zu multiplizieren, sachgerecht ist (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 07.09.2010 3 K 13/09, EFG 2010, 2057).

86

aa) Dies folgt aus dem Linne + Krause-Gutachten für die BSU sowie den ergänzenden Angaben, die der Gutachter als gerichtlicher Sachverständiger im vorliegenden Verfahren unter Bezugnahme auf sein Gutachten für die BSU gemacht hat.

87

bb) Zwar hat der Kläger beantragt, den Sachverständigen wegen Befangenheit abzulehnen. Der Ablehnungsantrag des Klägers bleibt jedoch ohne Erfolg.

88

aaa) Gemäß § 82 FGO i. V. m. § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung (§ 406 Abs. 2 S. 1 ZPO).

89

Im Streitfall ist der Beweisbeschluss vom 24.06.2014 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.07.2014 zugestellt worden. Die mit Schriftsatz vom 08.09.2014, eingegangen am 11.09.2014, erfolgte Ablehnung des Sachverständigen erfolgte somit nach Ablauf der Frist des § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO und damit verspätet.

90

Der Kläger hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen.

91

bbb) Der Ablehnungsantrag ist auch unbegründet.

92

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen (§ 82 FGO i. V. m. § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung). Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist danach begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Gründe für ein derartiges Misstrauen sind vorhanden, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen abgeben (BFH Beschlüsse vom 30.09.1999 V B 99/99, BFH/NV 2000, 341; vom 07.11.1995 VIII B 31/95, BFH/NV 1996, 344).

93

(2) Derartige Gründe hat der Kläger nicht geltend gemacht. Ablehnungsgründe gegen die Person des vom Gericht bestellten Sachverständigen bestehen nicht. Die Behauptung des Klägers, der Sachverständige stehe in einem Dienst- und Abhängigkeitsverhältnis zur Finanzbehörde, die zugleich Dienstherr des Beklagten sei, entspricht nicht den Tatsachen. Im Dezember 2004 war die Linne + Krause Marketing-Forschung GbR, deren Gesellschafter der Kläger ist, zur Erstattung des Gutachtens über die wirtschaftliche Lage des Hamburger Taxigewerbes beauftragt worden. Auftraggeber war die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt der Freien und Hansestadt Hamburg als Erlaubnisbehörde für Taxenbetriebe nach dem Personenbeförderungsgesetz und nicht die Finanzbehörde Hamburg.

94

Dass die Tätigkeit des Sachverständigen für die Erstellung des Gutachtens nebst weiterer fünf Zwischenberichte möglicherweise Einfluss auf die Gründung der N UG (haftungsbeschränkt) - UG -, die Dienstleistungen aller Art zur manipulationsfreien Erfassung von Betriebsdaten und deren Verwaltung mit Ausnahme erlaubnispflichtiger Tätigkeiten betreibt und an der der Sachverständige als geschäftsführender Mitgesellschafter beteiligt ist, stellt keinen Grund dar, der geeignet wäre, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Die Tätigkeit der im ... gegründeten UG steht in keinem konkreten Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren, so dass bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgegangen kann, dass der Sachverständige sein Gutachten unvoreingenommen abgegeben hat.

95

b) Der Beklagte hat bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu Recht eine Jahresfahrleistung für die jeweils sechs von dem Kläger in den Streitjahren eingesetzten Taxen in Höhe von jeweils 300.000 km für 2003 und 2004 sowie jeweils 305.000 km für 2005 bis 2007 zu Grunde gelegt.

96

aa) Die von dem Beklagten zu Grunde gelegten Kilometerleistungen aller sechs Taxen des Klägers in Höhe von 300.000 km (entspricht 50.000 km pro Taxi) für 2003 und 2004 sowie in Höhe von 305.000 km (entspricht 50.833 km pro Taxi) für 2005 bis 2007 liegen unterhalb des Durchschnitts dessen, was das Linne + Krause-Gutachten (Zwischenbericht, Seite 20) für die Jahre 2003 mit 53.969 km und 2004 mit 56.177 km pro Fahrzeug für Mehrwagenbetriebe (fünf und mehr Fahrzeuge) in Hamburg ermittelt hat. Dem Gutachten (Zwischenbericht, Seite 19) gemäß kamen mit einer jährlichen Fahrleistung von knapp 53.000 km pro Fahrzeug (entspricht 318.000 km für sechs Fahrzeuge) die professionell betriebenen Taxifahrzeuge im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2004 auf ein auch anderenorts übliches Niveau.

97

bb) Die von dem Beklagten der Schätzung zu Grunde gelegten Jahresfahrleistungen für die sechs Taxen des Klägers liegen zudem unterhalb der durchschnittlichen Jahresfahrleistung für die Fahrzeuge des Klägers, die sich anhand der Kilometerstände aus den oben aufgeführten TÜV-Berichten und Kontrollerfassungsbögen der Verkehrsgewerbeaufsicht mit 310.754 km errechnet. Dabei berücksichtigt der Senat, dass dieser Auszählung das Betreiben der Taxen des Klägers an 5.454 Tage (knapp 15 Jahre) zugrunde liegt, was eine repräsentative Größe darstellt. Auch daraus vermag der Senat folglich keine Hinweise darauf zu entnehmen, dass die von dem Beklagten zugrunde gelegten Jahresfahrleistungen nicht als wahrscheinlich erbracht angenommen werden könnten. Vielmehr ist der Senat angesichts dieser konkreten für den Kläger vorliegenden Kilometerleistungen davon überzeugt, dass die Gesamtkilometerleistungen des Klägers in den Streitjahren sogar höher waren als die in den angefochtenen Bescheiden in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.11.2011 zugrunde gelegten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass TÜV-Berichte für 2003 nicht vorliegen. Da sich aus den bis zum letzten Streitjahr ergebenden Zahlen keine wesentlichen Steigerungen der Kilometerstände ergeben, vielmehr z. B. für das Fahrzeug HH-XX 4 auch ein Rückgang der Kilometerstände zu verzeichnen ist, ist der Senat davon überzeugt, dass die Jahresgesamtfahrleistung im Jahr 2003 nicht wesentlich abgewichen ist.

98

cc) Nichts anderes folgt auch aus der mit Schreiben des Klägers vom 08.09.2014 vorgetragenen Tatsache, dass im Jahr 2004 für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HH-XX 1 eine Befreiung von der Betriebspflicht für drei Monate genehmigt worden war. Aus dieser Betriebsunterbrechung für ein Fahrzeug errechnet sich für 2004 eine Kürzung der Jahresgesamtfahrleistung für die sechs Taxen des Klägers nach dem Linne + Krause-Gutachten um 4,17 % auf 323.018 km; die von dem Beklagten für 2004 zu Grunde gelegte Fahrleistung von 300.000 km liegt noch deutlich unterhalb dieses Wertes.

99

Bei der Schätzung der Jahresgesamtfahrleistung für die Streitjahre berücksichtigt der Senat keine weitere Betriebsunterbrechung wegen Entbindung von der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Taxenbetriebes gemäß § 21 Abs. 4 PBefG, da es hierzu an einer substantiierten Darlegung nach Zeitraum und Fahrzeug durch den Kläger fehlt. Auch hat der Senat diesbezüglich von einer Vernehmung des Herrn E von der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation als Zeugen abgesehen, weil der Beweisantrag des Klägers unsubstantiiert war. Denn er war so unbestimmt, dass erst die Beweiserhebung zur Aufdeckung der entscheidungserheblichen Tatsachen, welches Fahrzeug für welchen Zeitraum im Sinne des § 21 Abs. 4 PBefG von der Betriebspflicht entbunden wurde, hätte führen können (vgl. BFH Beschlüsse vom 29.01.2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827; vom 16.05.2013 X B 131/12, BFH/NV 2013, 1260).

100

Die von dem Beklagten an Ansatz gebrachten Gesamtjahresfahrleistungen sind danach nicht zu beanstanden und werden auch bei der Schätzung durch das Gericht zu Grunde gelegt.

101

c) Auch die von dem Beklagten bei seiner Schätzung des Umsatzes je gefahrenen Kilometer zu Grunde gelegten Beträge von jeweils 0,74 € für 2003 und 2004, 0,79 € für 2005, 0,81 € für 2006 und 0,85 € für 2007 sind nicht zu beanstanden.

102

Die Umsätze (netto) je gefahrenen Kilometer hat der Beklagte entsprechend dem Beschluss des Finanzgerichts Hamburg im Aussetzungsverfahren aus den Erklärungen des Klägers abgeleitet. Mangels vorliegender Beträge für die erklärte Fahrleistung in den Jahren 2003 und 2004 schätzt der Senat die Umsätze (netto) je gefahrenen Kilometer in Anlehnung an die Relationen zwischen dem Jahr 2005 und den Vorjahren aus dem Gutachten von Linne + Krause (3. Zwischenbericht Seite 7: 2003 und 2004 zu 0,80 € sowie 2005 zu 0,86 €) mit je 0,74 €.

103

Die aufgrund der vorgenannten Berechnung sich ergebenden Umsätze je gefahrenen Kilometer weichen nicht signifikant von den Beträgen aus den Zwischenberichten ab. Sie liegen zwischen den Beträgen der durchschnittlichen Umsatzleistung eines Alleinfahrer-Unternehmens und eines Unternehmens ohne Funkbetrieb (vgl. 2. Zwischenbericht S. 6 und 7 - 2003 bis 2006 - und 4. Zwischenbericht S. 14 - 2006 und 2007 -). In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige diese Schätzung für nicht unmöglich und sogar für niedrig angesetzt beurteilt.

104

d) Hinsichtlich der Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG folgt der Senat im Grundsatz den Ermittlungen des Beklagten. Dies gilt insbesondere für den um die Lohnsteuer in Höhe von 20 % geminderten Abzug für Lohnaufwendungen in Höhe von 50 % der geschätzten Mehrumsätze. Auch der zusätzliche Aufwand für Treibstoff wird entsprechend den Ausführungen des Beklagten berücksichtigt. Schließlich erfolgt unverändert eine Berücksichtigung privater Pkw-Nutzung. Gegen diesen Ansatz von Besteuerungsgrundlagen hat der Kläger nichts vorgetragen.

105

e) Da es unter Berücksichtigung dieser Ausführungen auf die Anzahl der bei der B GmbH in den Jahren 2003 bis 2013 angeschlossenen Taxen nicht ankommt und die Zahl der in diesem Zeitraum insgesamt zugelassenen Taxen in Hamburg, die Anzahl der bei der F eG als Premiumsegment des Hamburger Taxengewerbes geführten Touren sowie die Anzahl der Fahrten von Fahrzeugen, die nicht über einen Funkanschluss verfügen oder bei der Taxivermittlung ... angeschlossen sind, nicht von Bedeutung ist, hat der Senat von einer Vernehmung des Herrn H, des Herrn E, des Herrn G und des Herrn J hierzu als weitere Zeugen abgesehen.

II.

106

Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt. Die Zustimmung bedarf keiner Form.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 7 8 / 1 5
vom
19. August 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. August 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten K. und G. wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 5. November 2014, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 30 Euro und den Angeklagten G. wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 40 Euro ver- urteilt sowie „wegen überlanger Verfahrensdauer“ bei jedem Angeklagten 60 Tagessätze der Gesamtgeldstrafe für vollstreckt erklärt. Die jeweils mit der Sachrüge begründeten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten in unterschiedlichen Positionen in ein System unzutreffender Rechnungs- und Gegenrechnungslegung zur Ermöglichung mehrerer Subventionsbetrugstaten durch nichtrevidierende Mitangeklagte eingebunden. Im Rahmen monatlicher Umsatzsteuervoranmeldungen sollen der Angeklagte K. als Vor- stand der A. AG und der Angeklagte G. als Geschäftsführer der O. GmbH jeweils zu Unrecht Vorsteuer aus „Scheinrechnungen“ der Firma M. in Anrechnung gebracht und so Umsatzsteuer verkürzt haben.
3
Zur Höhe der in den einzelnen Monaten verkürzten Umsatzsteuer verhält sich das Urteil nicht ausdrücklich. Im Rahmen der Feststellungen wird lediglich zum einen dargelegt, welche Abschlags- und Schlussrechnungen durch die einzelnen Firmen gestellt wurden und dass es sich bei den Rechnungen der Firma M. um Scheinrechnungen über insgesamt knapp 700.000 Euro netto gehandelt habe, die entweder nicht erbrachte Leistungen zum Gegenstand hatten oder für erbrachte Leistungen einen weit überhöhten Preis nannten. Zum anderen heißt es im Urteil bei der Darlegung der einzelnen Hinterziehungstaten jeweils pauschal, bei der Berechnung der Vorsteuern seien die Zahlungen auf die den zwei Gesellschaften gestellten Rechnungen berücksichtigt worden, obgleich die Vorsteuern den Gesellschaften nicht in voller Höhe zugestanden hätten.
4
Welche Vorsteuerbeträge konkret in den einzelnen Umsatzsteuervoranmeldungen zu Unrecht geltend gemacht worden sein sollen, ergibt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils nicht. Vielmehr heißt es unter der Überschrift „Schaden“, bei den Subventionsbetrugstaten sei eine konkrete Schadensberechnung nicht möglich, weil sich der Umfang der in geringem Umfang ausgeführten, förderfähigen Arbeiten nicht mehr rekonstruieren lasse. Das Landgericht hat deshalb für die Schadensbestimmung lediglich diejenigen Rechnungen herangezogen, bei denen nachweislich überhaupt keine Leistung erbracht wurde. Ausgehend hiervon hat es eine „faktische Steuerverkürzung“ in Höhe von jeweils 16 % dieser Rechnungsbeträge durch die Anmeldung dieser Rechnungspositionen bei der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldung in Höhe von insgesamt 8.251,68 Euro bei der A. AG und in Höhe von insgesamt 24.155,35 Euro bei der O. GmbH angenommen.
5
2. Den Anforderungen an eine nachvollziehbare Steuerberechnung anhand der festgestellten Besteuerungsgrundlagen (vgl. hierzu Jäger in Klein, AO, 12. Aufl., § 370 Rn. 461 ff. mwN) wird das Urteil demnach nicht gerecht. Der Senat kann anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehen, ob und in welcher Höhe es bei jeder Umsatzsteuervoranmeldung durch die unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern aus Scheinrechnungen zu einer Steuerverkürzung gekommen ist. Unklar bleibt insbesondere auch, ob das Landgericht letztlich den Hinterziehungsumfang anhand der kompletten in den Scheinrechnungen der Firma M. ausgewiesenen Umsatzsteuer berechnet oder nur die von ihm so bezeichnete „faktische Steuerverkürzung“ als Hinter- ziehungserfolg angesehen hat. Zudem ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb es auf die Zahlungen der Gesellschaften auf die zu Unrecht gestellten Rechnungen ankommen soll und nicht auf die Rechnungen selbst (vgl. demgegenüber § 15 Abs. 1 UStG).
6
3. Hinzu kommt Folgendes:
7
a) Das Urteil enthält keine konkreten Feststellungen dazu, weshalb dem Angeklagten G. die Unterzeichnung der Umsatzsteuervoranmeldungen der O. GmbH für die Monate Juni und Juli 2003 durch den Nichtrevidenten H. zugerechnet wird.
8
b) Hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen der O. GmbH für die Monate Juni, Juli und September 2003 fehlt es an Feststellungen dazu, ob das Finanzamt angesichts des verbleibenden Über- schusses seine Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO erteilt hat. Der Senat kann deshalb nicht nachprüfen, ob diese Taten vollendet worden sind (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 StR 196/14, NStZ 2015, 282).
9
c) Zwar hat die Strafkammer im Rahmen der rechtlichen Würdigung zutreffend darauf abgestellt, dass der Taterfolg der Steuerhinterziehung nicht entfällt , wenn die Umsatzsteuerzahllast aus ihrerseits zum Schein erstellten Rechnungen (vgl. § 14c Abs. 2 UStG) durch die unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuer aus Scheinrechnungen lediglich gleichsam „neutralisiert“ werden soll; bei der Strafzumessung ist ihr dieser Gesichtspunkt aber nicht in den Blick geraten , obwohl dies in der vorliegenden Konstellation geboten gewesen wäre.
10
d) Zudem hat das Landgericht Art und Ausmaß der von ihm angenommenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht benannt (vgl. demgegenüber BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 – 1 GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146).
11
4. Die dargelegten Mängel bedingen eine Aufhebung der zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die Feststellungen insgesamt auf.
RiBGH Prof. Dr. Jäger ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Graf Raum Cirener Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 9 6 / 1 4
vom
23. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2014 gemäß § 44,
§ 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten S. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung von Verfahrensrügen wird verworfen. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 6. November 2013, soweit es sie betrifft , aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Steuerhinterziehung in 31 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten S. hat es der Steuerhinterziehung in 38 Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte H. mit der näher ausgeführten Sachrüge. Der Angeklagte S. macht neben der ebenfalls näher ausgeführten Ver- letzung materiellen Rechts auch Verfahrensbeanstandungen geltend. Die Rechtsmittel haben auf die Sachrügen hin weitgehend Erfolg.
2
Der Angeklagte H. hat darüber hinaus sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils eingelegt.

I.


3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte H. als Geschäftsführer der C. GmbH (nachfolgend: C. ) durch die Einbindung der Gesellschaft in ein europaweit tätiges sog. Umsatzsteuerkarussell im Zeitraum von Oktober 2009 bis April 2012 zugunsten der C. eine Verkürzung von Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 8.105.555,09 Euro bewirkt. Die Gesellschaft war in ein im Wesentlichen von belgischen Hintermännern gesteuertes Umsatzsteuerkarussell regelmäßig als sog. Buffer in einer sich über mehrere Glieder erstreckenden Lieferkette von Soft- und Hardware-Artikeln eingebunden.
4
Der Angeklagte S. war als Mitarbeiter der D. , einer Hauptabnehmerin der C. in der dem Karussell zugrunde liegenden Lieferkette, tätig. Durch das Einstellen von Rechnungen der C. in die Buchhaltung der D. sowie der sich daran anschließenden Geltendmachung von Vorsteuer aus diesen Rechnungen bewirkte der Angeklagte S. für den Zeitraum zwischen März 2009 und April 2012 eine Hinterziehung von Umsatzsteuern zugunsten der D. in Höhe von 6.777.209,15 Euro.
5
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die beiden Beschwerdeführer jeweils wegen Steuerhinterziehung in der vorstehend genannten Anzahl von Fällen verurteilt. Dabei ist es ersichtlich jeweils von vollendeten Taten ausgegangen.

II.


6
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen bezüglich beider Angeklagter diese Schuldsprüche nicht. Das Landgericht hat weder ausdrücklich festgestellt, ob die in den einzelnen Tatzeiträumen zu Unrecht zugunsten der beiden Gesellschaften geltend gemachten Vorsteuern zu einer Steuervergütung (§ 168 Satz 2 AO) oder zu einer Zahllast (§ 168 Satz 1 AO) der Unternehmen geführt haben, noch lässt sich dies dem Gesamtzusammenhang des Urteils entnehmen. Von dem Vorliegen einer Steuervergütung oder einer Zahllast hängt aber ab, ob die Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) – hier von Umsatzsteuer – vollendet ist oder diese lediglich das Versuchsstadi- um erreicht hat.
7
1. Die gegen die vorgenannten Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung gerichteten Angriffe der Revisionen bleiben ohne Erfolg.
8
a) Soweit die Revision des Angeklagten S. die tatrichterlichen Feststellungen mit verschiedenen Verfahrensrügen angreift, sind diese Beanstandungen entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden und schon deshalb erfolglos.
9
aa) Das Urteil ist dem Verteidiger am 29. Januar 2014 zugestellt worden. Die Monatsfrist zur Begründung der Revision endete damit gemäß § 43 Abs. 1 StPO am Freitag, dem 28. Februar 2014. Der Verfahrensrügen enthaltende Schriftsatz des Verteidigers ging aber erst am 3. März 2014 ein; die in dem Schriftsatz in Bezug genommenen Anlagen sogar erst am 7. März 2014.
10
bb) Dem mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25. Juni 2014 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – nach der Auslegung (§ 300 StPO) des Senats – in die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist mit dem Ziel, Verfahrensrügen nachzuholen, war nicht zu entsprechen.
11
Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Antrag überhaupt zulässig erhoben ist. Er erhält entgegen § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 StPO keine Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses (zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 – 1 StR 412/13; vom 27. Januar 2014 – 4 StR 376/13). Insbesondere wird nicht vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt der Angeklagte Kenntnis von dem Wegfall des Hindernisses erlangt hat. Darauf kommt es aber für den Beginn der Wochenfrist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO an (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 – 1 StR 412/13).
12
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei einer – wie hier durch die Revisionsbegründung des Verteidigers vom 13. November 2013 – bereits form- und fristgerecht begründeten Revision eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht (BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2012 – 1 StR 301/12, NStZ-RR 2012, 316; vom 25. September 2012 – 1 StR 361/12, wistra 2013, 34) und ausnahmsweise lediglich dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer unverschuldet durch äußere Umstände oder unvorhersehbare Zufälle daran gehindert war, eine Ver- fahrensrüge rechtzeitig formgerecht zu begründen (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 StR 485/07, NStZ 2008, 705, 706 Rn. 4 mwN). Eine Ausnahme greift zudem in besonderen Prozesssituationen ein, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 – 1 StR 301/12, NStZ-RR 2012, 316 mwN). Eine solche Ausnahmesituation wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Dem rechtzeitigen Erheben von Verfahrensrügen stand lediglich ein fehlerhaftes Verständnis der Berechnung der Monatsfrist nach Maßgabe von § 43 Abs. 1 StPO entgegen.
13
cc) Im Übrigen entsprächen die verspätet erhobenen Verfahrensrügen sämtlich nicht den Anforderungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Darauf hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 3. Juni 2014 hingewiesen. Insoweit ergänzend bemerkt der Senat, dass bei den als Verstöße gegen „§ 244Abs. 2, 267 Abs. 3, Abs. 4, 261 StPO“ (RB vom 3. März 2014 S. 8-16) überschriebenen Verfahrensbeanstandungen bereits die Angriffsrichtung der Rüge nicht ausreichend zu erkennen ist. Soweit allein die Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO mit dem Vorbringen, der Geschäftsführer der D. und der Verkaufsleiter hätten zu den „vorbenannten Fragen … geladen und gehört werden müssen“, gerügt wird, fehlt es an den erforderlichen bestimmten Beweis- behauptungen. Entsprechendes gilt auch für die übrigen Verfahrensrügen, mit denen (auch) jeweils die Verletzung der Aufklärungspflicht geltend gemacht wird.
14
b) Wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend aufgezeigt wird, beschränken sich die Beanstandungen der Revision des Angeklagten H. auf den in der Revision unbeachtlichen Versuch, eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen und urteilsfremdes Geschehen zum Gegenstand des Rechtsmittels zu machen. Revisible Rechtsfehler in der Beweiswürdigung werden nicht aufgezeigt.
15
c) Gleiches gilt für die Revision des Angeklagten S. , soweit er sich mit der Sachrüge gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet.
16
2. Den bislang getroffenen Feststellungen lässt sich aber weder für den Angeklagten H. noch für den Angeklagten S. entnehmen , ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen Taten um vollendete oder lediglich um versuchte Hinterziehungen der Umsatzsteuer handelt.
17
§ 370 Abs. 1 AO ist nicht lediglich ein Erklärungs-, sondern auch ein Erfolgsdelikt. Vollendung tritt erst ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 318/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 3 mwN). Liegt wie hier bei allen verfahrensgegenständlichen Taten beider revidierender Angeklagter eine Voranmeldung der Umsatzsteuer zugrunde, tritt für die Fälle der Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder der Steuervergütung der tatbestandliche Verkürzungserfolg erst aufgrund der gemäß § 168 Satz 2 AO erforderlichen Zustimmung der Finanzbehörde ein. In den Konstellationen des § 168 Satz 1 AO ist die Steuerhinterziehung dagegen bereits mit der (unrichtigen) Anmeldung vollendet (BGH aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 – 1 StR 422/13, NStZ 2014, 335, 336).
18
Das Landgericht hat sich sowohl bezüglich der Steuerhinterziehung zugunsten der C. (Angeklagter H. ) als auch bezüglich derjenigen zugunsten der D. (Angeklagter S. ) auf die tabellarische Erfassung der sich in den relevanten Veranlagungszeiträumen ergebenden Verkürzungsbeträge beschränkt (UA S. 68/69 und UA S. 82/83). Daraus allein lässt sich aber nach dem Vorstehenden nicht ableiten, ob bereits mit den jeweiligen Voranmeldungen ein Verkürzungserfolg eingetreten ist oder nicht. Der Senat vermag auch dem Gesamtzusammenhang des Urteils keine entsprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen. Zu möglichen Zustimmungserklärungen der zuständigen Finanzbehörden verhält sich das Urteil in Bezug auf die beiden begünstigten Unternehmen nicht.
19
Angesichts der damit nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossenen Möglichkeit, dass es sich bei sämtlichen verfahrensgegenständlichen Konstellationen lediglich um Versuchstaten handelt, hebt der Senat das Urteil auf, soweit es die Angeklagten H. und S. betrifft. Die Sache war daher im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.
20
3. Da die getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei sind (oben II.1.), bleiben diese aufrechterhalten. Das gilt auch bezüglich der für die Strafzumessung bedeutsamen Feststellungen über die Höhe der hinsichtlich der sog. missing trader dem Fiskus entstandenen Steuerschäden. Ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zu den Voraussetzungen von § 168 Satz 1 oder Satz 2 AO sind möglich und erforderlich.

III.


21
Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen war die Aufhebung nicht gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten De. zu erstrecken. Dieser hat die ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen zugunsten eines anderen Unternehmens begangen. Es handelt sich damit um andere Taten, als diejenigen, wegen derer die Beschwerdeführer verurteilt worden sind.

IV.


22
Die sofortige Beschwerde (§ 464 Abs. 3 StPO) des Angeklagten H. gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils ist gegenstandslos, weil der Senat das angefochtene Urteil auch insoweit aufgehoben und an ein anderes Tatgericht zurückverwiesen hat.
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Rothfuß Rothfuß Jäger Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 5 6 1 / 1 3
vom
29. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2014 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 15. Mai 2013 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit zwei weiteren Fällen der Steuerhinterziehung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte wurde im August 1999 zum (Mit-)Geschäftsführer der F. GmbH ( ) bestellt. Mit dem dama- ligen Alleingesellschafter und Geschäftsführer C. kam der Angeklagte mündlich überein, dass nunmehr der Angeklagte alleiniger Gesellschafter der F. GmbH sein sollte. Eine Übertragung der Geschäftsanteile erfolgte zunächst nicht. Diese wurden von C. treuhänderisch für den Angeklagten verwaltet. Alle wesentlichen geschäftlichen Entscheidungen traf ab diesem Zeitpunkt ausschließlich der Angeklagte. Der formelle Gesellschafter C. nahm keinen Einfluss auf die Geschicke der F. GmbH; ihm flossen auch keine Gewinnausschüttungen mehr zu. Die Übertragung der Geschäftsanteile erfolgte schließlich mit notarieller Urkunde vom 2. Juli 2010.
5
Die F. GmbH betrieb ein italienisches Speiselokal. Ab dem Jahr 2005 wurde eine Gutscheinaktion „2 für 1“ bzw. „4 für 2“ durchgeführt. Dabei erhielten Kunden bei Vorlage eines entsprechenden Gutscheins die günstigere von zwei Hauptspeisen bzw. die beiden günstigsten von vier Hauptspeisen gratis.
6
Der Angeklagte verwendete für die F. GmbH eine Registrierkasse, die - grundsätzlich fortlaufend nummeriert - alle Geschäftsvorfälle aufzeichnete. Die Tagesausdrucke (sog. Z-Bons) wurden der Buchhaltung der Gesellschaft zugrunde gelegt. Im Zeitraum Januar 2003 bis Dezember 2008 manipulierte der Angeklagte die Registrierkasse bzw. die aufgezeichneten Daten dahingehend, dass er tatsächlich erzielte und aufgezeichnete Umsätze aus dem System entfernte , sodass diese auf den Z-Bons nicht mehr erschienen. Zu diesem Zweck ließ er durch seine Mitarbeiter Bestellungen auf sog. Trainingskellner buchen, deren Umsätze bei Ausdruck der Z-Bons unberücksichtigt blieben. Weiterhin wurden aufgezeichnete Umsätze ohne rechtlichen Grund storniert. Zur Verschleierung der Kassenmanipulationen beeinflusste der Angeklagte das Kassensystem dahingehend, dass die zuletzt aufgezeichneten Umsätze nicht mehr auslesbar waren und die Belegzählung von neuem begann. Die nicht verbuchten Umsätze entnahm der Angeklagte aus der F. GmbH und verwendete sie für seine private Lebensführung.
7
In den jeweils am selben Tag beim Finanzamt eingereichten Körperschaftsteuer -, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2003 bis 2007 sowie in den Umsatzsteuervoranmeldungen der Monate Januar bis Dezember 2008 waren entsprechende Umsätze in Höhe von 89.174,59 Euro in 2003, 79.026,05 Euro in 2004, 117.992,56 Euro in 2005, 197.756,27 Euro in 2006, 193.101,12 Euro in 2007 sowie jeweils 17.316,79 Euro in den Monaten Januar bis Dezember 2008 nicht enthalten. Aufgrund der unrichtigen Angaben wurden Steuern in Höhe von insgesamt mehr als 408.000 Euro zu niedrig festgesetzt und damit verkürzt.
8
2. Das Landgericht hat - nachdem es eine konkrete Ermittlung mangels verlässlicher Berechnungsgrundlagen als nicht möglich angesehen hat - die Mehrumsätze im Wege einer pauschalen Schätzung ermittelt. Da es für andere Schätzungsmethoden an einer ausreichenden Tatsachengrundlage fehlte, hat es dabei den Gesamtumsatz auf der Grundlage der durch das Bundesministerium der Finanzen jährlich herausgegebenen Richtsatzsammlung ermittelt, indem es einen Rohgewinnaufschlag von 300 % auf die in den Gewinnermittlungen enthaltenen Wareneinsatzbeträge vorgenommen hat.
9
Das Landgericht hat auch hinsichtlich der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer der Jahre 2003 bis 2007 eine Steuerverkürzung angenommen. Dabei hat es die Entnahmen der nicht verbuchten Betriebseinnahmen durch den Angeklagten als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt, die den Gewinn der Gesellschaft nicht minderten, und nicht als Betriebsausgaben in Form von Geschäftsführervergütungen. Der Angeklagte sei aufgrund eines mit C. mündlich geschlossenen Treuhandvertrages als wirtschaftlicher Eigentümer der Geschäftsanteile der F. GmbH anzusehen.

II.


10
1. Die Revision macht mit der Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) geltend , das Landgericht hätte die Ehefrau des formellen Gesellschafters C. , D. , als Zeugin vernehmen müssen. Aus der in der Hauptverhandlung verlesenen notariellen Urkunde vom 2. Juli 2010 hinsichtlich der Abtretung der Geschäftsanteile an den Angeklagten ergebe sich, dass D. ebenfalls Gesellschafterin der F. GmbH gewesen sei. Ihre Vernehmung hätte ergeben, dass sie sich nicht - auch nicht konkludent - mit dem Angeklagten darüber geeinigt habe, „dass dieser die Geschäftsanteile an der F. GmbH treuhänderisch verwalten solle“.
11
Es kann dahinstehen, ob die Aufklärungsrüge bereits unzulässig ist, weil der Inhalt der in der fraglichen notariellen Urkunde in Bezug genommenen „Vorurkunde“ nicht mitgeteilt worden ist (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).Die Aufklärungsrüge ist jedenfalls unbegründet, denn das Landgericht musste sich zur Vernehmung der Ehefrau des Gesellschafters C. nicht gedrängt sehen.
12
a) Allein aus dem Umstand, dass ausweislich des notariellen Abtre- tungsvertrags vom 2. Juli 2010 die von den „Ehegatten C. /D. “ an der F. GmbH gehaltenen Geschäftsanteile von 25.000 DM und 25.000 DM zu diesem Zeitpunkt auf den Angeklagten übertragen worden sind, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass C. nicht im Jahr 1999 Inhaber sämtlicher Gesellschaftsanteile der F. GmbH war und diese nicht von da an treuhänderisch für den Angeklagten halten konnte. Für die Annahme, dass ein Teil der Gesellschaftsanteile zu irgendeinem Zeitpunkt bis zur formellen Übertragung auf den Angeklagten im Jahr 2010 nicht treuhänderisch für diesen gehalten worden sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte, zumal nach den Urteilsfeststellungen noch bis zum Jahr 2008 allein C. als formeller Gesellschafter Gesellschafterversammlungen abhielt und den jeweiligen Jahresabschluss genehmigte (UA S. 15).
13
b) Zudem hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei vom Vorliegen einer Vereinbarungstreuhand zwischen dem Angeklagten und C. überzeugt (zu den Anforderungen an ein Treuhandverhältnis vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. September 2012 - 1 StR 140/12, BGHSt 58, 1; vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317 und vom 11. Oktober 2005 - 5 StR 65/05, wistra 2006, 20, jeweils mwN auch aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Selbst wenn die Geschäftsanteile an der F. GmbH C. lediglich zum Teil zuzurechnen gewesen sein sollten, wäre der Angeklagte - unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Treuhandvereinbarung (vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 2012 - 1 StR 140/12, BGHSt 58, 1; Urteil vom 19. April 1999 - II ZR 365/97, BGHZ 141, 207) - jedenfalls in diesem Umfang gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 41 Abs. 1 Satz 1 AO als wirtschaftlicher Eigentümer der Geschäftsanteile anzusehen.
14
2. Die übrigen Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg.

III.


15
Die auf die Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch. Auch der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
16
Der näheren Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
17
1. Die Würdigung des Landgerichts, bei den Entnahmen des Angeklagten handele es sich um verdeckte Gewinnausschüttungen, die den Gewinn nicht minderten (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), und nicht um Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG), wird von den auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.
18
2. Das Landgericht hat die der Berechnung der verkürzten Steuern zugrunde liegenden Mehrumsätze in nicht zu beanstandender Weise im Wege der Schätzung ermittelt.
19
a) Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ist zulässig, wenn - wie hier - feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist. Zur Durchführung der Schätzung kommen die auch im Besteuerungsverfahren anerkannten Schätzungsmethoden zur Anwendung. Der Tatrichter muss dann in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist. Erweist sich eine konkrete Ermittlung oder Schätzung der tatsächlichen Umsätze von vorneherein oder nach entsprechenden Berechnungsversuchen als nicht möglich, kann pauschal geschätzt werden, auch - wie hier - unter Heranziehung der Richtwerte für Roh- gewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 - 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233; Beschluss vom 24. Mai 2007 - 5 StR 58/07, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung

3).


20
b) Das Landgericht hat der Schätzung ohne Rechtsfehler einen Rohgewinnaufschlagsatz von 300 % zugrunde gelegt. Ausgehend von den genannten Grundsätzen durfte es eine Schätzung auf der Basis der Richtsatzsammlung vornehmen. Auch im Übrigen ist die Schätzung frei von Rechtsfehlern. Zwar liegt der vom Landgericht zugrunde gelegte Prozentsatz über den amtlichen Mittelwerten der Richtsatzsammlung für Pizzerien von 270 % in den Jahren 2003 bis 2006 bzw. 285 % in den Jahren 2007 und 2008. Bei der Festsetzung des Rohgewinnaufschlagsatzes muss sich das Gericht jedoch nicht zugunsten eines Angeklagten an den unteren Werten der in der Richtsatzsammlung genannten Spannen orientieren, wenn sich Anhaltspunkte für eine positivere Ertragslage ergeben (BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 - 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233). So verhielt es sich auch hier. Denn das Landgericht hat derartige Anhaltspunkte ohne Rechtsfehler in der „überdurchschnittlichen guten Lage“ und der „jedenfalls mittleren Preisgestaltung“ des Restaurants gesehen. Zudem durfte es die durch „Auslesung“ der Registrierkasse im Mai 2009 für einen Zeit- raum von 19 Tagen festgestellten Umsätze der F. GmbH sowie die Erkenntnisse des als Zeugen gehörten Steuerfahnders Fe. aus den von diesem vorgenommenen Fahndungsprüfungen heranziehen.
21
c) Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht zu besorgen, dass das Landgericht bei der Ermittlung der Gesamtumsätze die Gutscheinaktion „2 für 1“ oder „4 für 2“ ab dem Jahr 2005 unberücksichtigt gelassen hat. Zwar hat das Landgericht die auf Grundlage der in den Gewinnermittlungen enthaltenen Wa- reneinsatzbeträge und eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 300 % ermittelten Umsätze nicht um Erlösschmälerungen aufgrund der Gutscheinaktion gekürzt. Jedoch hat es die umsatzmindernden Auswirkungen der Gutscheinaktion ersichtlich bereits bei der Höhe des Rohgewinnaufschlagsatzes berücksichtigt. Das Landgericht hat bei der Bemessung des Rohgewinnaufschlagsatzes in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass dieser ohne die Erlösschmälerungen aufgrund der Gutscheinaktion noch höher anzusetzen gewesen wäre. In den Jahren vor 2005 hat es lediglich zugunsten des Angeklagten davon abgesehen, einen höheren Wert zugrunde zu legen (UA S. 27/28).
22
3. Allerdings ist die Berechnung der verkürzten Gewerbesteuer der Jahre 2003 bis 2007 nicht frei von Rechtsfehlern. Denn das Landgericht hat nicht bedacht , dass die in Bezug auf die verdeckten Gewinnausschüttungen zusätzlich anfallende Gewerbesteuer auch die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer selbst mindert. Es hätte deshalb den bei Berechnung der Körperschaftsteuerverkürzung unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerrückstellung ermittelten Gewinn auch der Berechnung der Gewerbesteuerverkürzung zugrunde legen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - 1 StR 199/10; Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310). Wegen der lediglich geringfügigen Abweichung zum tatsächlichen Verkürzungsumfang schließt der Senat aber aus, dass sich der Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
RiBGH Dr. Wahl befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Raum Raum Rothfuß Jäger Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 643/09
vom
28. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Juli 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2009 mit den Feststellungen zur Höhe des Mehrumsatzes und zur nachfolgenden Bestimmung der Höhe der hinterzogenen Steuer aufgehoben. Die übrigen Feststellungen, auch die festgestellten Rohgewinnaufschläge, bleiben bestehen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen tateinheitlicher Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuerhinterziehung in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Drei Monate gelten als vollstreckt. Gegen diese Verurteilung richtet sich die Revision der Angeklagten. Sie beanstandet einen Verfahrensverstoß (Verhandlung in ihrer Abwesenheit , §§ 230 Abs. 1, 338 Nr. 5 StPO) und die Verletzung sachlichen Rechts. Der Formalrüge bleibt der Erfolg versagt. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs mit den Feststellungen zur Höhe des Mehrumsat- zes und zu den hierauf aufbauenden Feststellungen zur Berechnung der Höhe der hinterzogenen Steuern. Die übrigen Feststellungen bleiben bestehen.

I.

2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Die Angeklagte betrieb in Ludwigsburg in zentraler Lage zwei gastronomische Betriebe unter den Firmen „A. “ (von April 1999 bis August 2005) und „S. “ (von Ende Januar 1998 bis Oktober 2006). Die Gewinne aus den beiden Unternehmen wurden in den Jahren 1998 bis 2001 getrennt durch Einnahmen-Überschussrechnungen und anschließend zusammengefasst durch Bilanzierung ermittelt.
4
Die Einnahmen-Überschussrechnungen und die Bilanzen enthalten jeweils zu niedrige Betriebseinnahmen. Die hierauf beruhenden Umsatz-, Gewerbe - und Einkommensteuerklärungen der Angeklagten sind deshalb unzutreffend. In den Einkommensteuererklärungen der Jahre 2001 und 2002 verschwieg die Angeklagte zudem Kapitaleinkünfte aus einer Geldanlage bei der Filiale der P. bank in B. . Insgesamt führte das zu einer Steuerverkürzung in Höhe von 950.002 €.
5
2. Zur Grundlage dieser Feststellungen:
6
a) Hinsichtlich der unversteuerten Zinseinkünfte aus B. hat die Angeklagte eingeräumt, dass das entsprechende Konto auf sie und ihren Ehemann lautete und dass die Einnahmen hieraus gleichwohl keinen Eingang in die Steuererklärungen gefunden haben. Bei der Anlage habe es sich aber tat- sächlich um Gelder ihrer in der Schweiz lebenden Schwester gehandelt. Dies sah die Strafkammer insbesondere aufgrund der widersprüchlichen Angaben der als Zeugin gehörten Schwester als widerlegt an.
7
b) Unzutreffende Angaben zu den Betriebseinnahmen beider gastronomischer Betriebe hat die Angeklagte bestritten. Die beim Fleischgroßhändler Bi. über die Lieferungen an sie erhobenen Rechnungen seien zwar zutreffend. Die als bezogen ausgewiesene Gesamtmenge entspreche jedoch nicht dem Absatz. Durch Fett- und Wasserverlust sei ein Schwund von mindestens 40 % eingetreten. Auch hätten die Spieße ein geringeres Gewicht gehabt, als auf den Etiketten angegeben gewesen sei. Viele Kilos unverkäuflicher Kruste und Reste an den Spießen hätten weggeworfen werden müssen. Sie habe einen hohen Eigenverbrauch gehabt, für die Familie und die Schulfreunde ihrer Kinder. Dem türkischen Kulturverein habe sie täglich 7,5 bis 10 kg gegartes Dönerfleisch geschenkt.
8
Mehreinnahmen folgten nach den Feststellungen der Strafkammer schon aus dem während der entsprechenden Jahre angesammelten Vermögen der Angeklagten. Bei der Berechnung der tatsächlichen Umsätze war die Strafkammer auf Schätzungen angewiesen. Denn Buchhaltungsunterlagen, aufgrund derer die Umsatzangaben in den vom Steuerberater gefertigten Einnahmen -Überschussrechnungen und Bilanzen hätten überprüft werden können, waren bei der Angeklagten bzw. in ihren Betrieben nicht mehr vorhanden. Als einzige objektive Berechnungsgrundlage konnte die Strafkammer auf die beim Fleischlieferanten der Angeklagten erhobenen Rechnungen zurückgreifen.
9
Die Strafkammer hat zunächst eine möglichst konkrete Schätzung versucht. Für die Gesamtumsatzberechnung hat sie dazu in einem ersten Schritt die Umsatzbereiche Döner, Pizzen und Getränke unterschieden. Auf der Grundlage der Einkaufsrechnungen für die Döner-Fleischspieße konnte die Ausgangsmenge an verarbeitetem Dönerfleisch für jedes Jahr festgestellt werden. Unter Berücksichtigung der oben genannten Schwundfaktoren, deren Größenordnung durch das Ergebnis der Beweisaufnahme allerdings in erheblichem Umfang reduziert worden ist, hat das Landgericht einen Verkaufsanteil von 62 % des eingekauften Rohfleisches zugrunde gelegt und anhand der festgestellten Portionsmenge und eines mittleren Verkaufspreises hieraus den jeweiligen Jahresumsatz im Bereich Döner ermittelt. Hinsichtlich der Pizzaumsätze hat das Landgericht auf Grundlage der Angaben der Angeklagten und eines mit der Gewinnermittlung der Betriebe befassten Steuerfachwirts eine bestimmte Größenordnung pro Jahr festgelegt und diese mit einem mittleren Verkaufspreis multipliziert. Den Getränkeumsatz hat das Landgericht schließlich mittels eines 100 %-Aufschlags auf die Getränkeeinkaufsbeträge, wie sie aus den Einnahme -Überschussrechnungen und den Bilanzen hervorgehen, berechnet.
10
Bei der Gegenüberstellung der so errechneten Gesamtumsätze mit den Wareneinsatzbeträgen ergaben sich jedoch unerklärbare Schwankungen des auf diese Weise ermittelten Rohgewinnaufschlags. Teilweise blieb der so errechnete Jahresumsatz sogar hinter dem von der Angeklagten erklärten Jahresumsatz zurück. Mangels ausreichend zuverlässiger Datenbasis erwies sich dieser Weg der Schätzung der tatsächlichen Umsätze somit als untauglich.
11
Das Landgericht hat den Mehrumsatz deshalb im Wege einer pauschalen Schätzung ermittelt. Es hat die Jahresumsätze der Angeklagten auf der Grundlage einer durch das Bundesministerium für Finanzen jährlich herausgegebenen Richtsatzsammlung von Rohgewinnaufschlägen für Imbissbetriebe und Pizzerien ermittelt, indem es einen Rohgewinnaufschlag von 190 % auf die in den Einnahme-Überschussrechnungen bzw. Bilanzen enthaltenen Waren- einsatzbeträge vorgenommen hat. Dieser Wert stellt einen Mischwert aus den Richtsatzwerten für Imbissbetriebe und Pizzerien dar, der entsprechend den jeweils festgestellten Umsatzanteilen im Betrieb der Angeklagten von der Kammer im Verhältnis 3 (Döner-Imbiss) zu 1 (Pizzeria) gebildet wurde. Bei dem Rohgewinnaufschlag von 190 % handelt es sich um einen Mindestwert. In Vergleichsfällen sind im Bezirk des Finanzamts Ludwigsburg Rohgewinnaufschlagsätze von 220 bis zu 270 % ermittelt worden.
12
Ausgehend von diesem Rohgewinnaufschlag errechnete die Strafkammer die Mehrumsätze und die daraus resultierenden Mehrsteuern, ohne allerdings den Berechnungsvorgang umfassend mitzuteilen. Die Urteilsgründe enthalten weder die aus den Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Bilanzen entnommenen Wareneinsatzbeträge noch die daraus auf dem dargestellten Weg errechneten Gesamtumsätze. In den Feststellungen wird zwar der Mehrumsatz und die insoweit verkürzte Umsatzsteuer pro Jahr angegeben. Der Inhalt der jeweils abgegebenen Steuererklärung und der überprüfbare Vergleich zwischen Ist-Steuer und Soll-Steuer fehlen jedoch.

II.

13
Die von der Angeklagten erhobene Verfahrensrüge dringt nicht durch. Die Revision behauptet das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 5 StPO. Am 26. Mai 2009 habe entgegen § 230 Abs. 1 StPO ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten stattgefunden.
14
1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde.
15
Die Hauptverhandlung fand in der Zeit vom 21. April bis zum 22. Juli 2009 an zwölf Sitzungstagen statt. Auf den 26. Mai 2009 war die Fortsetzung der am 19. Mai unterbrochenen Hauptverhandlung bestimmt. In der Nacht zum Freitag, dem 22. Mai 2009, verstarb der Vater der Angeklagten und wurde schnellstens in die Türkei zur Beerdigung ausgeflogen. Die Angeklagte reiste ebenfalls dorthin. Darüber wurde der Verteidiger am Vormittag des 22. Mai 2009 telefonisch informiert, der seinerseits am Montag, dem 25. Mai 2009, den Strafkammervorsitzenden anrief und mitteilte, dass mit einem Erscheinen der Angeklagten in der Hauptverhandlung am 26. Mai 2009 voraussichtlich nicht zu rechnen sei. Näheres wisse er auch nicht. Der Strafkammervorsitzende lud daraufhin einen Sachverständigen, die Zeugen und den Dolmetscher ab. Am 25. Mai 2009 fand ab Mittag in der Osttürkei, etwa 1.000 km von Istanbul entfernt , die Beerdigung des Vaters der Angeklagten statt. Die Feierlichkeiten endeten gegen 19.00 Uhr. Am 26. Mai 2009 trat die Angeklagte um 4.00 Uhr die Rückreise an. Gegen 19.00 Uhr erreichte sie Stuttgart.
16
Zum Hauptverhandlungstermin am 26. Mai 2009 war die Angeklagte deshalb nicht erschienen. Ihr Verteidiger gab dazu eine Erklärung ab. Der Beerdigungszeitpunkt war ihm nach wie vor unbekannt. Der Vorsitzende gab die vorsorglichen Abladungen bekannt.
17
Anschließend geschah nach der Sitzungsniederschrift Folgendes:
18
„Der Verteidiger stellte die als Anlage 1, 2, 3 und 4 dem heutigen Protokoll angeschlossenen Beweisanträge.
19
Die Vertreterinnen der Staatsanwaltschaft erklärten, sie wollten später zu diesen Anträgen Stellung nehmen.
20
Die Vorschrift des § 257 wurde beachtet.“
21
Sodann unterbrach der Vorsitzende die Hauptverhandlung und bestimmte den Fortsetzungstermin auf den 9. Juni 2009.
22
Der Termin währte von 09.01 Uhr bis 09.15 Uhr.
23
Mit den - knapp begründeten - Beweisanträgen war die Vernehmung von insgesamt elf Zeugen beantragt worden zu folgenden Tatsachen: - Schenkung von täglich 7 bis 10 kg gebratenen Dönerfleisches an den türkischen Kulturverein. - Nicht mehr verwend- und verkaufbare Reste am Spieß sowie Garschwund von 40 % durch Wasser- und Fettverlust. - Erhebliche Mengen an Speiseresten im Müll der Betriebe; hierauf beruhende Beanstandungen der Entsorgungsfirma. - Die 230.000 DM auf dem Konto der P. bank (heute H. -Bank) gehören der Schwester der Angeklagten.
24
Die Strafkammer ging in den Folgeterminen allen Beweisanträgen - in Anwesenheit der Angeklagten - nach. Im Rahmen dieser Beweisaufnahme erklärte der Verteidiger am 23. Juni 2009 den Verzicht auf die Vernehmung von zwei der fünf in einem Beweisantrag benannten Zeugen. Einen Zeugen tauschte er aus.
25
2. Die Rüge ist unbegründet.
26
§ 338 Nr. 5 StPO bestimmt, dass ein Urteil stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen ist, wenn die Hauptverhandlung in Abwe- senheit des Staatsanwalts oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat. Gemäß § 230 Abs. 1 StPO findet gegen einen ausgebliebenen Angeklagten eine Hauptverhandlung nicht statt.
27
Die Anwesenheitspflicht soll dem Angeklagten nicht nur das rechtliche Gehör gewährleisten, sondern soll ihm auch „die Möglichkeit allseitiger und uneingeschränkter Verteidigung, insbesondere durch Stellung von Anträgen auf Grund des von ihm selbst wahrgenommenen Verlaufs der Hauptverhandlung, sichern“ (BGH, Urteil vom 2. Dezember 1960 - 4 StR 433/60, BGHSt 15, 263, 264). Außerdem soll dem Tatrichter im Interesse der Wahrheitsfindung ein unmittelbarer Eindruck von der Person des Angeklagten, seinem Auftreten und seinen Erklärungen vermittelt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 1975 - 1 StR 107/74, BGHSt 26, 84, 90; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 230 Rn. 1), insbesondere auch im Hinblick auf die Strafzumessung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 136 u. 1447/05, Rn. 89).
28
Aber nur, wenn der Angeklagte in einem - im Hinblick auf die genannten Aspekte - wesentlichen Teil der Hauptverhandlung abwesend ist, begründet dies die Revision (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 1975 - 1 StR 107/74, BGHSt 26, 84, 91). Denn § 338 StPO ist nicht anwendbar, wenn das Beruhen des Urteils auf dem Mangel denkgesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 1992 - 4 StR 250/92, BGHR StPO, § 338, Beruhen 1; Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 338 Rn. 2; KK-Kuckein, StPO 6. Aufl. § 338 Rn. 5; Graf-Wiedner, StPO § 338 Rn. 4, jew. mwN).
29
Nicht jede Sachverhandlung, auf die es etwa zur Fristwahrung gemäß § 229 Abs. 1 StPO ankommt, wie die Verhandlung über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten (BGH, Urteil vom 14. März 1990 - 3 StR 109/89, BGHR StPO § 229 Abs. 1, Sachverhandlung 1), die gerichtliche Entscheidung eines Ordnungsmittel- und Kostenbeschlusses gegen einen Zeugen oder die Entscheidung über etwaige Zwangsmaßnahmen gemäß § 51 StPO (vgl. Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rn. 84), sind wesentliche Verhandlungsteile i.S.v. § 338 Nr. 5 StPO. Die Entgegennahme von Beweisanträgen ist Sachverhandlung in diesem Sinne (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2000 - 5 StR 613/99, BGHR StPO § 229 Abs. 1, Sachverhandlung 5).
30
Denn ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung i.S.v. § 338 Nr. 5 StPO liegt - im Hinblick auf einen Angeklagten - nicht vor, wenn denkgesetzlich ausgeschlossen ist, dass bezüglich des Prozessgeschehens in seiner Abwesenheit sein Anspruch auf rechtliches Gehör sowie seine prozessualen Mitgestaltungsrechte beeinträchtigt worden sind. Der Verhandlungsteil darf auch sonst das Ergebnis der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) nicht bestimmt haben können. Fehlt es an einem dieser Aspekte, liegt etwa eine Verletzung des Rechts auf Gehör vor, dann ist es bei dem absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO unerheblich, wenn gleichwohl im Nachhinein aus revisionsrechtlicher Sicht eine andere Entscheidung des Tatgerichts ausgeschlossen werden könnte, auch wenn die Angeklagte am fraglichen Teil des Verfahrens teilgenommen hätte.
31
Danach waren die Erörterungen über die Abwesenheit der Angeklagten und die Information über die Abladungen zweifelsfrei unwesentlich i.S.v. § 338 Nr. 5 StPO. Gegenteiliges behauptet auch die Revision nicht.
32
Aber auch die Stellung der Beweisanträge am 26. Mai 2009 war im vorliegenden Fall nicht wesentlich im oben dargestellten Sinn.
33
Beweisanträge zielen auf eine Beweiserhebung und zwingen das Gericht zu einer Entscheidung hierüber. Zur Wahrheitsfindung (vgl. Sander, NStZ 1996, 351) tragen die Anträge allein grundsätzlich noch nichts bei. So ist das jedenfalls - denknotwendig - im vorliegenden Fall. Eine Verhandlung über die Beweisanträge fand am 26. Mai 2009 nicht statt; sie wurden an diesem Tag auch nicht beschieden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 4. Mai 1993 - 4 StR 207/93 -, BGHR StPO § 231 Abs. 2, Abwesenheit, eigenmächtige 10).
34
Eine Verletzung der Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Angeklagten , sowie ihres Rechts auf Gehör, kann im vorliegenden Fall ebenfalls denkgesetzlich ausgeschlossen werden.
35
Die unter Beweis gestellten Tatsachen decken sich mit - einigen - von der Angeklagten zu ihrer Entlastung vorgebrachten Behauptungen. Die benannten Zeugen konnten dem Verteidiger nur von der Angeklagten oder in ihrem Auftrag genannt worden sein. Dass der Verteidiger die Beweisanträge alleine aufgrund seines eigenen Antragsrechts stellte, dass er die Angeklagte dabei übergangen haben könnte oder gar gegen deren Willen handelte, ist ausgeschlossen. Die Begründungen der Beweisanträge waren knapp und enthielten keinen zusätzlichen sachlichen Gehalt. Weitere Erklärungen wurden im Termin am 26. Mai 2009 nicht abgegeben. Der durch die Anträge veranlassten Beweisaufnahme wohnte die Angeklagte bei. Auch dadurch ist ein Informations - und Mitwirkungsdefizit der Angeklagten im vorliegenden Fall ausgeschlossen.
36
Dass die Abwesenheit der Angeklagten in dem 14-minütigen Termin am 26. Mai 2009, die Möglichkeit der Strafkammer, sich einen ausreichenden persönlichen Eindruck von der Angeklagten zu verschaffen, beeinträchtigt haben könnte, ist bei der insgesamt zwölftägigen Hauptverhandlung ebenfalls denkgesetzlich ausgeschlossen.
37
Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO ist damit nicht gegeben.

III.

38
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt einen Darlegungsmangel auf, eine Lücke in der Darstellung der Berechnung der Mehrumsätze und darauf aufbauend der jeweiligen Hinterziehungsbeträge. Der Senat vermag deshalb nicht zu überprüfen, ob die Strafkammer den Schuldumfang zutreffend ermittelt hat. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs und in der Folge des Strafausspruchs.
39
Die Strafkammer hat die Umsätze der einzelnen Jahre schließlich pauschal geschätzt. Sie hat dabei einen Rohgewinnaufschlag von 190 % auf die in den Einnahmen-Überschussrechnungen bzw. Bilanzen enthaltenen Wareneinsatzbeträge zugrunde gelegt. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zur Feststellung dieses Rohgewinnaufschlags gelangt, wie auch zur Feststellung, dass in diesem Fall eine konkretere Schätzung mangels ausreichend verlässlicher Tatsachengrundlage unmöglich ist.
40
Auch im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist. Dies gilt auch und gerade dann, wenn Belege nicht mehr vorhanden sind. Fehlende Buchhaltung befreit nicht von strafrechtlicher Verantwortung. Dies gilt auch dann, wenn keine handelsrechtliche Buchführungspflicht besteht, etwa ab dem Geschäftsjahr 2008 in den Fällen des § 241a HGB, zumal besondere steuerrechtliche Aufzeichnungspflichten (z.B. §§ 141 ff. AO, § 22 UStG i.V.m. §§ 63 ff. UStDV) hiervon unberührt bleiben. Zur Durchführung der Schätzung kommen die auch im Besteuerungsverfahren anerkann- ten Schätzungsmethoden einschließlich der Heranziehung der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen zur Anwendung (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 - 5 StR 58/07, BGHR AO § 370 Abs. 1, Steuerschätzung 3). Der Tatrichter muss dann in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist (BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 448/00; zu den Anforderungen an die Feststellung und die Beweiswürdigung von Besteuerungsgrundlagen in steuerstrafrechtlichen Urteilen vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08 Rn. 11 ff., BGHR StPO § 267 Abs. 1, Steuerhinterziehung 1; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 StR 52/10).
41
Erweist sich eine konkrete Ermittlung oder Schätzung der tatsächlichen Umsätze danach von vorneherein oder - wie im vorliegenden Fall - nach entsprechenden Berechnungsversuchen als nicht möglich, kann pauschal geschätzt werden, etwa - wie hier - unter Heranziehung der Richtwerte für Rohgewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen.
42
Eine auch nur annähernd zutreffende konkrete Ermittlung wird in aller Regel - jedenfalls bei Gastronomiebetrieben der vorliegenden Art - schon dann von vorneherein nicht möglich sein, wenn Buchungsbelege völlig fehlen. Denn dass in derartigen Fällen in den Einnahmen-Überschussrechnungen bzw. Bilanzen allein die Umsatzzahlen (Verkäufe) unzutreffend sind, ist eher unwahrscheinlich. Auch die sonstigen Zahlen in diesen Abschlüssen erscheinen daher als Basis für eine konkrete Berechnung von vorneherein als eher ungeeignet. Einer entsprechenden Einlassung (keine Schwarzeinkäufe) muss das Tatgericht bei einem derartigen Hintergrund ohne weitere Anhaltspunkte für Richtigkeit dieser Darstellung im Hinblick auf die Wahl einer geeigneten Schätzmetho- de nicht allein deshalb glauben, weil es die Behauptung nicht widerlegen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09, Rn. 18; Urteil vom 4. Dezember 2008 - 1 StR 327/08, Rn. 8; Urteil vom 21. Oktober 2008 - 1 StR 292/08, Rn. 24; Urteil vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07, Rn. 22; Beschluss vom 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, Rn. 19; Urteil vom 8. Mai 2008 - 3 StR 102/08, Rn. 9).
43
Bei der Festsetzung des Rohgewinnaufschlagsatzes muss sich das Gericht nicht zugunsten eines Angeklagten an den unteren Werten der in der Richtsatzsammlung genannten Spannen orientieren, wenn sich Anhaltspunkte für eine positivere Ertragslage ergeben, wie z.B. ein guter Standort, sonst nicht erklärbare Vermögenszuwächse oder örtliche Vergleichsdaten.
44
Das Landgericht durfte hier somit nach dem Scheitern einer Schätzung aufgrund eines individuellen Berechnungsmodells auf die von ihm gewählte generalisierende Schätzungsmethode zurückgreifen. Auch die Bildung eines Mischwertes aus zwei Richtsatzwerten im Verhältnis der jeweiligen Umsatzanteile begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
45
In den schriftlichen Gründen des Urteils fehlt im vorliegenden Fall allerdings über den - sehr zugunsten der Angeklagten - ermittelten Rohgewinnaufschlag hinaus die Mitteilung maßgeblicher Umstände, die dann die Grundlage für die weitere Umsatz- und Steuerberechnung bilden.
46
Es werden zwar die Mehrumsätze und die insoweit verkürzte Umsatzsteuer pro Jahr angegeben. Jedoch enthalten die Gründe weder die aus den Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Bilanzen entnommenen Wareneinsatzbeträge noch die daraus auf dem dargestellten Weg errechneten Gesamtum- sätze. Zudem fehlen der Inhalt der jeweils abgegebenen Steuererklärung und damit ein überprüfbarer Vergleich zwischen Ist-Steuer und Soll-Steuer. Dass die Strafkammer als Basis der pauschalierten Berechnung nur die in den Jahresabschlüssen enthaltenen Wareneinkäufe ansetzte und keine Ermittlungen zu eventuellen sonstigen Einkäufen anstellte, beschwert die Angeklagte nicht.
47
Der Schuldspruch - und in der Folge der Strafausspruch - sowie die zur Höhe des Schuldumfangs getroffenen Feststellungen (Hinterziehungsbeträge und zugrundeliegender jeweiliger Mehrumsatz) haben daher keinen Bestand. Die Feststellungen zum Rohgewinnaufschlag und zu dessen Ermittlung sowie die Feststellung, dass eine konkretere Schätzung nicht möglich ist, bleiben aufrechterhalten.
48
Ebenso hat das Landgericht alle Feststellungen zu den Geldern der Angeklagten bei der P. bank in B. rechtsfehlerfrei getroffen. Sie bleiben ebenfalls bestehen.
49
Unberührt von der Aufhebung sind auch die Feststellungen zur Person der Angeklagten und zu ihren Vermögensverhältnissen.
50
Der Senat weist abschließend darauf hin, dass eine Verletzung von Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten (hinsichtlich der geschäftlichen Unterlagen ) in Fällen der vorliegenden Art ein bestimmender Strafschärfungsgrund ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 1 StR 283/09, Rn. 47). Auch bei der Prüfung der Frage, ob besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorliegen, wird dies ggf. zu berücksichtigen sein. Nack Hebenstreit Graf RiBGH Prof. Dr. Sander befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Jäger Nack
5 StR 58/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. Mai 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 22. September 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg.

I.


2
Der Beschwerdeführer hat die zunächst unbeschränkt eingelegte Revision mit der Revisionsrechtfertigungsschrift nachträglich schlüssig auf den Strafausspruch beschränkt. Darin wendet er sich allein gegen die Höhe der festgestellten Hinterziehungsbeträge, ohne den Schuldspruch anzugreifen. Insoweit führt die Revision aus, es sei „rechtsfehlerfrei festgestellt“, dass sich der Angeklagte in den Jahren 1997 bis 2000 „der Hinterziehung von Umsatz -, Einkommen- und Gewerbesteuern schuldig gemacht“ habe.
3
Die vorgenommene Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam. Zwar können Umstände, die für die Höhe der hinterzogenen Steuern bedeutsam sind, auch den Schuldspruch tangieren und als doppelrelevante Tatsachen einer Beschränkung des Rechtsmittels entgegenstehen (vgl. BGHSt 29, 359, 366 f.; BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 2). Vorliegend kann eine solche „Doppelwirkung“ jedoch ausgeschlossen werden. Hierzu hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: „Das Landgericht hat festgestellt, dass das Finanzamt infolge der Abgabe von falschen Jahreserklärungen die Steuern zu niedrig festgesetzt hat (UA S. 8). Dies rechtfertigt für sich betrachtet den Schuldspruch. Die darüber hinaus erforderlichen weiteren Feststellungen zur Höhe der verkürzten Steuern wirken sich nur noch auf den Strafausspruch aus.“ Die Möglichkeit, der Schuldumfang könnte sich in einer neuen Hauptverhandlung soweit reduzieren, dass eine Steuerverkürzung vollständig entfiele, besteht angesichts der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten und auch vom Angeklagten eingeräumten Art und Weise der Manipulation der Buchhaltung nicht.

II.


4
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der Angeklagte betrieb von Februar 1997 bis Ende 2001 in Landau unter dem Namen „C. “ ein Schnellrestaurant mit asiatischen Gerichten. Für die Jahre 1997 bis 2000 gab er jeweils unvollständige Umsatzsteuerjahreserklärungen sowie Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen ab, in denen er gegenüber den Finanzbehörden Umsätze, Betriebseinnahmen und Gewinne verschwieg. Hierzu ging er in der Weise vor, dass er mit der Gastronomiekasse mehrmals am Tag sogenannte „Z-Ausdrucke“ erstellte , aber nicht sämtliche Ausdrucke in die Buchhaltung aufnahm. Damit wurde ein wesentlicher Teil der getätigten Umsätze nicht in der Buchhaltung erfasst. Zudem kaufte der Angeklagte im Zeitraum 1997 bis 1999 bei insgesamt drei Lieferanten Waren gegen Barzahlung ein und verbuchte diese Einkäufe ebenfalls nicht. Da somit nicht sämtliche Betriebseinnahmen in der Buchhaltung erfasst wurden, waren die vom Angeklagten auf deren Grundlage abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärungen sowie Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1997 bis 2000 unvollständig. Infolge dieser unrichtigen Steuererklärungen wurden jeweils zu geringe Steuerbeträge festgesetzt. Nach den Berechnungen des Landgerichts führte dies zu Steuerverkürzungen im Umfang von 295.876,81 DM (1997), 416.573,03 DM (1998), 255.677,08 DM (1999) und 344.554,90 DM (2000). Die Gastronomiekasse des Schnellrestaurants wurde bei einer Durchsuchung am 6. Januar 2002 vollständig zerstört aufgefunden.
6
2. Der Angeklagte räumte die ihm zur Last liegende Vorgehensweise ein und bestätigte im Übrigen, dass „die Zahlen der Steuerfahndung dem Grunde nach richtig“ seien. Er wollte jedoch weiter berücksichtigt haben, dass ein erhöhter Warenverderb vorgelegen habe und auch seine Angestellten unentgeltlich verköstigt worden seien. Zudem zweifelte er den von der Steuerfahndung angenommenen Rohgewinnaufschlag von 350 % an.
7
3. Da die Buchführung des Angeklagten aufgrund nicht erfasster Betriebseinnahmen sowie nicht erfasster Wareneinkäufe und Umsätze formell und materiell nicht ordnungsgemäß gewesen sei, hat das Landgericht die Höhe der verschwiegenen Betriebseinnahmen durch Schätzung ermittelt. Es ist dabei im Wesentlichen wie folgt vorgegangen:
8
a) Zu dem vom Angeklagten erklärten Wareneinsatz hat es die festgestellten , aber nicht erfassten Bareinkäufe hinzugerechnet. Die sich daraus ergebende Summe hat es um einen Rohgewinnaufschlag von 350 % erhöht. Schließlich hat es einen Reingewinnsatz von 32 % (1997 und 1998) bzw. von 33 % (1999 und 2000) angewendet.
9
b) Von der Richtigkeit des Rohgewinnaufschlagsatzes und des Reingewinnsatzes hat sich das Landgericht aufgrund der Ausführungen des als sachverständigen Zeugen gehörten Steuerfahndungsbeamten S. überzeugt. Dieser habe vergleichbare chinesische Imbissbetriebe geprüft, insbesondere den an demselben Ort zuvor ansässigen Restaurantbetrieb des H. . Aus Vergleichsbetrieben ergebe sich für den Rohgewinnaufschlagsatz eine Spanne von 320 % bis 418 %. Der letztendlich zugrunde gelegte Rohgewinnaufschlagsatz von 350 % berücksichtige bereits ausreichend Verderb und Diebstahl bei den eingekauften Waren. Hinsichtlich der Ermittlung des Reingewinnsatzes hat das Landgericht die amtliche Richtsatzsammlung der Gewerbeklasse „Imbissbetriebe“ herangezogen. Die sich hieraus ergebenden Werte hat es nach den Angaben des Zeugen S. aufgrund des gegenüber „normalen“ Imbissbetrieben bei China-Imbissen geringeren Fleischeinsatzes auf 32 % (1997 und 1998) bzw. 33 % (1999 und 2000) abgeändert.
10
c) Die Schätzungsergebnisse sah das Landgericht durch die Ergebnisse einer vom 16. Juli bis 16. August 2001 durchgeführten Observation des Restaurantbetriebs des Angeklagten bestätigt. Aus den hierbei gemachten Beobachtungen ergebe sich eine durchschnittliche Verkaufszahl von 370 bis 500 verkauften Essenportionen pro Tag mit einem Durchschnittspreis von 10 DM zuzüglich konsumierter Getränke.

III.


11
Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Die Feststellungen zum Umfang der verkürzten Steuern, den das Landgericht ausdrücklich strafschärfend gewertet hat, beruhen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.
12
1. Allerdings bedarf es einer ins Einzelne gehenden Darstellung der Berechnung der verkürzten Abgaben dann nicht, wenn der Angeklagte aufgrund eigener Sachkunde die ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen auch der Höhe nach einräumt (vgl. BGH wistra 2005, 307, 308). So verhält es sich hier indes nicht. Der Angeklagte hat lediglich bestätigt, dass „die Zahlen der Steuerfahndung dem Grunde nach richtig“ seien. Gegen die Höhe der ihm zur Last liegenden Steuerverkürzungen hat er jedoch Einwendungen erhoben.
13
2. Das Landgericht hat – im Ansatz zutreffend – die von dem Angeklagten der Höhe nach nicht eingeräumten Besteuerungsgrundlagen durch Schätzung ermittelt.
14
Auch im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 1992, 147; 1986, 65; BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 1, 2), wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist. Zur Durchführung der Schätzung kommen die auch im Besteuerungsverfahren anerkannten – und erforderlichenfalls kombiniert anzuwendenden – Schätzungsmethoden in Betracht (vgl. Jäger StraFo 2006, 477, 480 f. und Joecks wistra 1990, 52, 54), einschließlich der Heranziehung der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht 34. Lfg. Oktober 2005 § 370 AO Rdn. 493 und Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung 110. Lfg. August 2006 § 162 Rdn. 56). Die Schätzung obliegt dem Tatrichter selbst. Er darf Schätzungen der Finanzbehörden nur dann übernehmen, wenn er von ihrer Richtigkeit unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) überzeugt ist (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 2005, 209, 211; wistra 2001, 308, 309). In jedem Fall hat der Tatrichter in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist (BGH aaO).
15
3. Daran fehlt es hier. Das Landgericht hat nicht nachvollziehbar begründet , auf welcher Grundlage es sich von der Richtigkeit des den Berech- nungen des Zeugen S. zugrunde liegenden Rohgewinnaufschlagsatzes von 350 % überzeugt hat. Dessen hätte es indes bedurft, weil die vom Landgericht herangezogene Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen für die Gewerbeklasse „Imbissbetriebe“ – freilich ohne Berücksichtigung der Besonderheiten asiatischer Restaurants – lediglich Rohgewinnaufschlagsätze von 117 % bis 213 % (1997/1998) bzw. von 117 % bis 270 % (1999/2000) enthält. Der Hinweis auf die von dem Steuerfahnder S. in „Vergleichsbetrieben“ aus dem Bereich von China-Imbisslokalen ermittelten „Vergleichszahlen“ kann hier ohne nähere Darlegung der Ähnlichkeit der geprüften Betriebe mit dem Schnellrestaurant des Angeklagten und der dabei ermittelten Rohgewinnaufschläge für sich allein schon deshalb nicht genügen , weil das Landgericht nicht die Untergrenze der in den Vergleichsbetrieben festgestellten Aufschlagsätze, sondern einen um 30 Prozentpunkte erhöhten Rohgewinnaufschlagsatz angesetzt hat.
16
4. Schließlich begegnet auch die Berechnungsdarstellung der verkürzten Gewerbesteuern durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
17
Der Generalbundesanwalt hat die Lückenhaftigkeit der Feststellungen zur Gewerbesteuer beanstandet und hierzu ausgeführt: „Das Landgericht stellt in einer Tabelle lediglich die im Ausgangs- und geänderten Bescheid festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge und die bei Anwendung des Hebesatzes sich ergebende verkürzte Gewerbesteuer dar. Die dem zugrunde liegende Berechnung legt das Urteil indes nicht offen.“
18
Dem schließt sich der Senat an. Dass der Angeklagte bei seinem Teilgeständnis – jenseits der Feststellung der verschwiegenen Betriebseinnahmen – in Fragen der Steuerberechnung ausreichend sachkundig gewesen sein könnte (vgl. BGH wistra 2005, 307, 308), ist nicht mitgeteilt und liegt hier auch eher fern.

IV.


19
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
20
Im Hinblick darauf, dass Observation und Durchsuchung bereits im Sommer 2001 bzw. Januar 2002 stattfanden, Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss aber erst vom 21. November 2005 bzw. 24. Juli 2006 datieren, wird der neue Tatrichter auch das mögliche Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu erörtern haben.
Basdorf Häger Gerhardt Schaal Jäger

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 206/09
vom
19. August 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Die Einhaltung der für Ausfuhrlieferungen im Sinne von § 6 UStG vorgesehenen
Nachweispflichten (§§ 8 ff. UStDV) ist keine materiellrechtliche
Voraussetzung der Umsatzsteuerbefreiung (Aufgabe von BGHSt 31, 248).
BGH, Beschl. vom 19. August 2009 - 1 StR 206/09 - LG Mannheim
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Steuerhinterziehung u.a.
zu 2.: Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. August 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 17. November 2008
a) in den Fällen II.C. 15 bis 29 der Urteilsgründe aufgehoben;
b) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass aa) der Angeklagte G. C. der Steuerhinterziehung in 14 Fällen, der vorsätzlichen Verletzung der Buchführungspflicht in 14 Fällen und der vorsätzlichen falschen Versicherung an Eides Statt sowie bb) die Angeklagte I. C. der Steuerhinterziehung in 14 Fällen schuldig sind;
c) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, aa) in den Fällen II.C. 1 bis 8, 11 bis 14 und 30 bis 33 im Ausspruch über die Einzelstrafe, bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit- tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. C. wegen Steuerhinterziehung in 33 Fällen, vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht in 14 Fällen und vorsätzlicher falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und die Angeklagte I. C. wegen Steuerhinterziehung in 33 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der gegen die Angeklagte I. C. verhängten Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
2
Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügen, haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
1. Das Landgericht hat die Angeklagten in den Fällen II.C. 15 bis 29 der Urteilsgründe wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer verurteilt, da in diesen Fällen innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. Ausfuhrlieferungen zwar vereinbart und durchgeführt wurden, diese Lieferungen jedoch wegen Verschleierungshandlungen nicht eindeutig und leicht nachprüfbar gewesen seien. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung hätten daher gefehlt.
4
Aufgrund des fehlenden materiell-rechtlichen Charakters der Nachweispflichten sind indes sowohl innergemeinschaftliche Lieferungen (vgl. insoweit BFHE 219, 422 und 469, siehe auch BGHSt 53, 45) als auch Ausfuhrlieferungen im Sinne von § 6 UStG (vgl. insoweit BFH DStR 2009, 1636) trotz Nichterfüllung der Nachweispflichten grundsätzlich steuerfrei, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen von Ausfuhrlieferungen vorliegen. Danach kann eine Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer nicht allein darauf gestützt werden, dass der Unternehmer den ihm obliegenden Nachweispflichten nach §§ 8 ff. UStDV bzw. §§ 17a ff. UStDV nicht entsprochen hat (vgl. hinsichtlich §§ 17a ff. UStDV bereits BGHSt 53, 45).
5
Soweit in der bisherigen Rechtsprechung im Anschluss an die damalige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFHE 130, 118; BFH/NV 1996, 184; BFH BStBl II 1995, 515; BFH/NV 2001, 212) bei Ausfuhrlieferungen im Sinne von § 6 UStG auch in steuerstrafrechtlicher Hinsicht von anderen Grundsätzen ausgegangen wurde (BGHSt 31, 248, BGH wistra 1989, 190), hält der Senat in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs daran nicht mehr fest.
6
Auch die Tatsache, dass die Zwischenschaltung der ausländischen Domizilgesellschaft einen Gestaltungsmissbrauch darstellte und allein erfolgte, um inländische Ertragsteuern zu hinterziehen, führt nicht dazu, dass die Umsatzsteuerbefreiung zu versagen ist.
7
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift insoweit ausgeführt : „Ein Ausschluss der Steuerbefreiung in diesen Konstellationen wäre bereits mit den Vorgaben der zur Tatzeit geltenden 6. Richtlinie (und nachfolgend der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ) nicht vereinbar. Die Berücksichtigung umsatzsteuerrechtlicher Begünstigungstatbestände ist nämlich nur dann ausgeschlossen , wenn 'die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der … Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung den mit diesen Bestimmungen verfolgten Zielen zuwiderliefe' (EuGH Urteil vom 21.02.2006 - C-255/02, Halifax; vgl. auch Senat Urteil vom 30.04.2009 - 1 StR 342/08). Dies ist nicht der Fall, wenn allein die Hinterziehung von Ertragsteuern beabsichtigt ist, Veräußerer oder Erwerber also nicht (zumindest auch) Vorteile hinsichtlich einer Umsatzbesteuerung erzielten, erzielen wollten oder auch nur hätten erzielen können und damit jegliche Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens ausgeschlossen war (vgl. EuGH Urteil vom 06.07.2006 - C-439/04, Kittel). Die Mehrwertsteuerrichtlinien und das zu ihrer Umsetzung erlassene nationale Recht dienen ausschließlich der Erhebung der Umsatzsteuer und der Verhinderung ihrer Hinterziehung. Den Schutz nationaler Ertragsteuern bezwecken sie dagegen nicht. Daher ist eine sich lediglich auf die Nachweispflichten auswirkende Verschleierung für sich genommen umsatzsteuerrechtlich ohne Relevanz (EuGH Urteil vom 27.09.2007 - C-146/05, Collée; Senat Beschluss vom 20.11.2008 - 1 StR 354/08 Rn. 13: 'Anderes gilt, wenn die Verschleierungsmaßnahme anderen Zwecken dient.')“.
8
Dem schließt sich der Senat an.
9
2. In den Fällen II.C. 15 bis 29 ist die Verurteilung daher aufzuheben. Diese Taten haben allein die Hinterziehung von Umsatzsteuer im Zusammenhang mit Ausfuhrlieferungen zum Gegenstand. Der Wegfall der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer führt vorliegend nicht zur Aufhebung der in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen, da diese auch für die Verurteilung wegen Hinterziehung von Ertragssteuern von Bedeutung sind.
10
Die Voraussetzungen für eine eigene Sachentscheidung des Senats nach § 354 Abs. 1 StPO sind nicht gegeben. Zwar ist eher fern liegend, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die zum Ausschluss der Umsatzsteuerbefreiung führen könnten. Indes kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen im Tatzeitraum, die die Angeklagten für die von ihnen geführte Gesellschaft abgaben, aus anderen Gründen unrichtig waren.
11
3. Soweit sich der aufgezeigte Rechtsfehler auch auf die Taten II.C. 12 und 14 auswirkt, bleibt der Schuldspruch davon unberührt. Denn die Umsatzsteuerjahreserklärungen der Jahre 2000 und 2001, die diese Taten zum Gegenstand haben, waren auch deshalb unrichtig, weil dort unberechtigt Vorsteuerabzug für privat veranlassten Aufwand der Angeklagten geltend gemacht wurde. Insoweit sind lediglich die Einzelstrafaussprüche aufzuheben, da der Schuldumfang unzutreffend bestimmt wurde.

II.


12
Hinsichtlich der Fälle II.C. 1 und 2, 7 und 8, 11 und 12 sowie 13 und 14 ist der Schuldspruch zu ändern. Die Strafkammer hat insoweit jeweils tatmehrheitliche Begehung zwischen der Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag einerseits und der Hinterziehung von Umsatzsteuer andererseits angenommen. Nach den Feststellungen wurden indes sämtliche Erklärungen, die den identischen Veranlagungszeitraum betrafen, jeweils am selben Tag und daher im Zweifel gleichzeitig beim Finanzamt eingereicht. Die jeweiligen Erklärungen waren zudem teilweise inhaltsgleich. Dies führt hinsichtlich der Fälle II.C. 1 und 2 (Veranlagungszeitraum 1997 betreffend die M. P. GmbH), II.C. 7 und 8 (Veranlagungszeitraum 1997 betreffend die M. V. GmbH & Co. KG), II.C. 11 und 12 (Veranlagungszeitraum 2000 betreffend die M. V. GmbH & Co. KG) sowie II.C. 13 und 14 (Veranlagungszeitraum 2001 betreffend die M. V. GmbH & Co. KG) jeweils zur Tateinheit (vgl. BGH wistra 2005, 56 m.w.N.).

III.


13
In den verbleibenden Fällen der Steuerhinterziehung tragen die Feststellungen zwar den Schuldspruch. Die Feststellungen, aus denen sich der Umfang der verkürzten Steuern ergibt, sind indes lückenhaft. Die Besteuerungsgrundlagen werden nur unvollständig mitgeteilt. Dem Senat ist daher nicht möglich, auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen sicher auszuschließen, dass die Steuerberechnung die Angeklagten in Bezug auf den Schuldumfang beschwert. Das Urteil beruht somit auch auf den Darstellungsmängeln (vgl. Senat, Urt. vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08).

IV.


14
Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II.C. 15 bis 29 der Urteilsgründe , die Änderung der Konkurrenzverhältnisse sowie die den Schuldumfang betreffenden Darlegungsmängel bedingen die Aufhebung sämtlicher Einzelstrafen , die die Strafkammer hinsichtlich der jeweils 14 Fälle der Steuerhinterziehung verhängt hat. Dies führt auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Bei der Neufestsetzung der entfallenen Einzelstrafen wird zu berücksichtigen sein, dass der Schuldspruch geändert wurde (vgl. oben II.). Insoweit darf die Höhe der bisherigen Einzelstrafen überschritten werden. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht dem nicht entgegen. Es ist bei dieser Sachlage lediglich geboten, dass jeweils die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird (vgl. BGH wistra 2008, 217; BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12).

V.


15
Soweit der Angeklagte G. C. in den Fällen II.E. 1 bis 14 der Urteilsgründe wegen vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht verurteilt wurde, tragen die getroffenen Feststellungen die Verurteilung. Insbesondere bedurfte es keiner weitergehenden Ausführungen zu einem tatsächlichen Zusammenhang zwischen den Pflichtverletzungen und der eingetretenen objektiven Bedingung der Strafbarkeit im Sinne von § 283b Abs. 3, § 283 Abs. 6 StGB. Denn der nach der bisherigen Rechtsprechung erforderliche tatsächliche Zusammenhang (vgl. BGHSt 28, 231; BGH wistra 2007, 463 m.w.N.) ist in der Regel gegeben.
16
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift insoweit ausgeführt : „Er (Anm.: der tatsächliche Zusammenhang) fehlt nur in ganz wenigen , atypischen Fallkonstellationen. Einer ausdrücklichen Erörterung dieses Gesichtspunktes bedarf es daher grundsätzlich nicht. Ausführungen dazu sind nur veranlasst, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch die Pflichtverletzung ausnahmsweise keine Gefahr begründet oder gesteigert werden konnte.“
17
Der Senat schließt sich dem an und kann daher offenlassen, ob daran festzuhalten ist, dass es auch im Rahmen des § 283b StGB eines tatsächlichen Zusammenhangs zwischen der Pflichtverletzungen und der eingetretenen objektiven Bedingung der Strafbarkeit bedarf, wogegen beachtenswerte Argumente sprechen (vgl. Bittmann Insolvenzstrafrecht § 13 Rdn. 7; Schäfer wistra 1990, 81, 86 ff.).
Herr RiBGH Hebenstreit befindet sich in Urlaub und ist deshalb verhindert zu unterschreiben. Nack Wahl Nack
Graf Jäger
5 StR 594/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 4. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. März 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 22. Mai 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt in 13 Fällen schuldig ist, und
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Einbeziehung der rechtskräftigen Einzelstrafen aus einer zäsurbildenden früheren Verurteilung und unter Aufrechterhaltung der dort angeordneten Maßregeln – wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 36 Fällen und wegen Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen in 24 Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen, zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Daneben hat es den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen sowie wegen Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen in Tateinheit mit Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen in sechs Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den – über den mit der gleichen Zielrichtung gestellten Antrag des Generalbundesanwalts hinausgehenden – aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Urteilsfeststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen. Sie rechtfertigen allerdings das vom Landgericht angenommene Konkurrenzverhältnis der Taten nicht. Der Senat ändert daher den Schuldspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ab. Er schließt aus, dass sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3
a) Ob bei Beihilfe Tateinheit oder -mehrheit anzunehmen ist, hängt von der Anzahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit nach § 53 StGB ist anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Taten unterstützt werden, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Dagegen liegt eine Beihilfe im Sinne des § 52 StGB vor, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet (vgl. BGH NStZ 2000, 83). Dasselbe gilt wegen der Akzessorietät der Teilnahme, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (BGHSt 46, 107, 116; vgl. zum Ganzen auch Jäger wistra 2000, 344, 346).
4
b) Nach diesen Grundsätzen hält die Verurteilung des Angeklagten wegen jeweils selbständiger Fälle der Beihilfe (§ 53 StGB) rechtlicher Nach- prüfung nicht stand, soweit der Angeklagte durch dieselben Unterstützungshandlungen sowohl zur Hinterziehung von Umsatzsteuer und von Lohnsteuer als auch zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt Beihilfe geleistet hat. Vielmehr ist der Angeklagte – ohne dass sich der Schuldumfang verändert – lediglich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelten in 13 Fällen schuldig. Danach gilt hier grundsätzlich, dass der Angeklagte bezogen auf jeden Monat nur eine Tat begangen hat, indem er den Haupttätern Scheinrechnungen überließ, auf deren Grundlage diese für die A. S. GmbH unrichtige Umsatzsteuererklärungen, unrichtige Lohnsteueranmeldungen sowie unrichtige Sozialversicherungsbeitragsnachweise abgaben. Allerdings sind dabei die Auswirkungen etwaiger Quartalsanmeldungen und Jahreserklärungen zu beachten.
5
aa) Die erste strafbare Beihilfe des Angeklagten umfasst dessen gesamte Unterstützungstätigkeit zu allen sich auf das Jahr 2002 beziehenden und im Rahmen der Geschäftstätigkeit der A. S. GmbH begangenen Haupttaten der Hinterziehung von Umsatzsteuer und Lohnsteuer sowie des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt. Mit der Erstellung und Übergabe von Scheinrechnungen im Zeitraum von Juli bis Dezember 2002 unterstützte der Angeklagte monatlich jeweils sowohl die Einreichung unrichtiger Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuervoranmeldungen als auch die Fertigung und Einreichung unrichtiger Beitragsnachweise für die Sozialversicherung. Somit leistete der Angeklagte mit sechs Tatbeiträgen zu insgesamt 18 Haupttaten Hilfe. Da mit diesen Tatbeiträgen aber jeweils zugleich die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2002 erleichtert werden sollte, mithin alle Unterstützungshandlungen auch der Förderung dieser Haupttat dienten, liegt insoweit insgesamt nur eine einheitliche Beihilfe im Sinne von § 52 StGB zu allen 19 Haupttaten vor (vgl. Jäger aaO).
6
bb) Die vom Angeklagten im Zeitraum von Januar bis März 2003 mit der Überlassung von Scheinrechnungen für die A. S. GmbH geleisteten Unterstützungshandlungen bilden eine weitere einheitliche Beihilfe zu den in diesem Zeitraum begangenen Haupttaten der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen, der Hinterziehung von Lohnsteuer durch Einreichung einer unrichtigen Quartalsanmeldung und des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt durch Einreichung unrichtiger Beitragsnachweise. Denn sämtliche in diesem Zeitraum vom Angeklagten erstellten Scheinrechnungen dienten auch der Förderung der Lohnsteuerhinterziehung durch Einreichung einer unrichtigen Lohnsteueranmeldung für das erste Quartal 2003.
7
cc) Gleiches gilt für die Hinterziehung von Umsatz- und Lohnsteuer sowie das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitraum von April bis Juni 2003 mit Blick auf die Hilfeleistung zur Hinterziehung der Lohnsteuer durch Einreichung einer unrichtigen Lohnsteueranmeldung für das zweite Quartal 2003. Dass der Angeklagte mit den im Jahr 2003 geleisteten Unterstützungshandlungen auch zur Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2003 Hilfe geleistet habe, hat das Landgericht nicht festgestellt. Ein derartiger Tatvorwurf ist auch nicht aus dem Verfahren nach § 154a StPO ausgeschieden worden.
8
dd) Für den Zeitraum von August 2003 bis März 2004 hat das Landgericht als Beihilfehandlungen des Angeklagten die Gründung einer weiteren Scheinfirma (der K. GmbH) und die Einweisung des gesondert verfolgten St. in das Ausstellen und die Weitergabe von Scheinrechungen festgestellt (UA S. 15 f., 36). Wieviele Scheinrechnungen der Angeklagte selbst in diesem Tatzeitraum übergab und welchen Anmeldezeitraum diese Rechnungen betrafen, konnte das Landgericht nicht feststellen. Der Senat schließt insoweit weitergehende Feststellungen in einem neuen Rechtsgang aus. Damit kann für diesen Zeitraum nur von einer einheitlichen Beihilfehandlung des Angeklagten durch seinen Organisationsbeitrag bei Beginn der Deliktsserie ausgegangen werden.
9
Dieser Organisationsbeitrag und die im Juli 2003 noch unter einer anderen Scheinfirma (der D. GmbH) vom Angeklagten übergebenen Scheinrechnungen förderten zugleich dieselbe Haupttat, nämlich die Abgabe der unrichtigen Lohnsteueranmeldung für das dritte Quartal 2003. Daher bilden diese beiden Handlungen eine Tat im Sinne des § 52 StGB. Die Beihilfe zur Lohnsteuerhinterziehung für das dritte Quartal 2003 steht ihrerseits mit der Beihilfe zur Hinterziehung der Umsatzsteuer und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt für den Monat Juli 2003 in Tateinheit. Damit ist für den Tatzeitraum von Juli 2003 bis März 2004 von einer Tat im Sinne des § 52 StGB auszugehen.
10
ee) Im verbleibenden Tatzeitraum von Dezember 2004 bis August 2005 hat der Angeklagte in jedem Monat eine selbständige Beihilfe im Sinne des § 52 StGB zu den im Rahmen der A. S. GmbH verwirklichten Haupttaten der Hinterziehung von Lohnsteuer sowie des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt begangen. Mit der Übergabe von Scheinrechnungen hat er jeweils zugleich zur Hinterziehung von Lohnsteuern als auch zu einer Tat nach § 266a StGB Hilfe geleistet.
11
c) Der Senat sieht gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon ab, in der Urteilsformel bei jedem Einzelfall die gleichartige Tateinheit zum Ausdruck zu bringen. Hierdurch würde der Tenor unübersichtlich; dies widerspräche dem Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel (vgl. BGH wistra 2007, 388, 391 m.w.N.).
12
2. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses bedingt hier die Aufhebung sämtlicher Einzel- und Gesamtstrafen. Den auf der Grundlage des neu gefassten Schuldspruchs festzusetzenden Einzelstrafen sind jeweils höhere Hinterziehungsbeträge zugrundezulegen. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei den hier vorliegenden Rechtsfehlern nicht.
13
3. Für die Festsetzung der neuen 13 Einzelstrafen weist der Senat auf Folgendes hin:
14
Die Höhe der bisherigen, nunmehr entfallenen Einzelstrafen darf überschritten werden. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht dem nicht entgegen. Es ist bei dieser Sachlage lediglich geboten, dass jeweils die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Überdies hat es bei Einzelgeldstrafen zu verbleiben, soweit im betreffenden Gesamtkomplex bisher nur Einzelgeldstrafen verhängt worden sind (vgl. etwa die für die im Tatzeitraum von Januar bis März 2003 oder im Dezember 2004 begangenen Beihilfehandlungen verhängten Einzelgeldstrafen ). Schließlich dürfen die beiden neu zu bildenden Gesamtstrafen nicht höher sein als die bisherigen (st. Rspr.; BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 3, 7, 12 m.w.N.).
15
Der neue Tatrichter wird bei der Strafbemessung auch zu bedenken haben, dass sich allein durch die Änderung des Konkurrenzverhältnisses der Gesamtunrechtsgehalt der Taten nicht verringert hat. Insbesondere die rechtsfehlerfrei festgestellten Hinterziehungsbeträge bleiben hiervon unberührt. Allerdings wird das neue Tatgericht bei der Strafzumessung im Hinblick auf die Hinterziehung der Umsatzsteuer für das Jahr 2002 zu beachten haben , dass sich die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Juli bis Dezember 2002 und die Umsatzsteuerjahreserklärung 2002 auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen eines Besteuerungszeitraumes beziehen und sich der Unrechtsgehalt teilweise überschneidet, wenn auch nicht vollständig deckungsgleich ist (vgl. BGHSt 49, 359, 362 ff.; BGH wistra 2005, 145, 146 f.). Der neue Tatrichter sollte – soweit sich das Verfahren auf die Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2002 bezieht – eine Verfahrensbeschränkung nach § 154a StPO auf den Tatvorwurf der Beihilfe zu der durch die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2002 begangenen Steuerhinterziehung in Betracht ziehen (vgl. auch dazu BGHSt aaO S. 365; BGH aaO).
16
Etwa zu treffende neue Feststellungen dürfen zugrundegelegt werden, wenn sie den nunmehr rechtskräftigen nicht widersprechen.
Basdorf Gerhardt Brause Schaal Jäger

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.