Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2018 - 1 StR 508/18

bei uns veröffentlicht am18.12.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 508/18
vom
18. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:181218B1STR508.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 16. Mai 2018 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung , schweren Raubes und versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

I.

2
Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Verfahrensrüge gemäß § 275 Abs. 1, § 338 Nr. 7 StPO Erfolg.
3
Die Revision beanstandet zu Recht, dass das am 16. Mai 2018 am vierten Hauptverhandlungstag verkündete Urteil erst am 5. Juli 2018 – und damit nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist am 4. Juli 2018 – zu den Akten gebracht wurde.
4
An der Einhaltung der nach § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO geltenden Frist von sieben Wochen nach der Urteilsverkündung war das Landgericht nicht durch einen unvorhersehbaren und unabwendbaren Umstand im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO gehindert. Ein solcher Umstand liegt insbesondere nicht darin, dass das Urteil, wie sich aus der dienstlichen Erklärung des Berichterstatters vom 16. August 2018 ergibt (SB IV, S. 1280 ff.), am 4. Juli 2018 wegen erheblicher anderweitiger dienstlicher Belastung des Berichterstatters und wegen Verzögerungen bei der Verschriftung seines Diktates noch nicht fertiggestellt und unterschrieben war. Denn weder eine (auch erhebliche) Belastung der Richter mit anderen Dienstgeschäften noch andere Gründe, die sich aus der gerichtsinternen Organisation ergeben, stellen – von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen – unvorhersehbare unabwendbare Umstände i.S.d. § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO dar, die eine Fristüberschreitung rechtfertigen können (vgl. BGH, Urteile vom 9. April 2003 – 2 StR 513/02, NStZ 2003, 564 f. und vom 12. Dezember 1991 – 4 StR 436/91, NStZ 1992, 398, 399 jeweils mwN; Beschluss vom 26. Juli 2007 – 1 StR 368/07, NStZ 2008, 55).
5
Der aufgezeigte Mangel, der einen absoluten Revisionsgrund bildet, führt nach gesetzlicher Wertung zur Aufhebung des Urteils (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2007 – 1 StR 368/07, NStZ 2008, 55 mwN), so dass es auf das weitere Vorbringen der Revision nicht mehr ankommt.

II.

6
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass im Falle einer Verurteilung das Gesamtstrafübel genauer in den Blick zu nehmen sein wird, dass der Angeklagte durch die drohende Vollstreckung der in Tschechien (sechs Jahre) und in Österreich (ein Monat) verhängten Freiheitsstrafen zu erwarten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2017 – 1 StR 670/16, StraFo 2017, 375 mwN und vom 26. März 2014 – 2 StR 202/13, juris Rn. 15 mwN). Wären diese Verurteilungen durch deutsche Gerichte ergangen, wäre eine Einbeziehung der Strafen nach § 55 StGB möglich und geboten gewesen. Bei der Bemessung der hiernach zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafe wäre das nach § 54 Abs. 2 Satz 2 StGB zulässige Höchstmaß von 15 Jahren zu beachten gewesen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 21. September 2017 – C-171/16, Rn. 26) kann im Ergebnis nicht anderes gelten, wenn es um frühere berücksichtigungsfähige Verurteilungen des Angeklagten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union geht. Denn hiernach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass frühere in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilungen in gleichem Maße bei der Strafzumessung berücksichtigt werden wie nach innerstaatlichem Recht im Inland erfolgte frühere Verurteilungen (vgl. EuGH aaO). Der Rechtsprechung, nach der bei Verurteilungen in derartigen Konstellationen ein Härteausgleich nicht zu gewähren sein soll, weil für die im Ausland begangenen und abgeurteilten Taten kein Gerichtsstand in Deutschland eröffnet gewesen wäre, so dass eine Aburteilung in einem einzigen Verfahren von vornherein nicht hätte erfolgen können (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 – 2 StR 386/08), ist durch das vorgenannte Urteil des Europäischen Gerichtshofs der Boden entzogen. Sollte eine angemessene Berücksichtigung des Gesamtstrafübels bei der Bildung der Gesamtstrafe nicht möglich sein, so wäre das Ge- samtstrafübel bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 9. September 1997 – 1 StR 279/97, BGHSt 43, 216, 218).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 368/07
vom
26. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2007 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 20. September 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Die Revision hat mit einer Rüge gemäß §§ 275, 338 Nr. 7 StPO Erfolg.
2
Das Urteil wurde am 20. September 2006, dem 18. Verhandlungstag, verkündet. Dementsprechend hätte es gemäß § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO spätestens am 22. November 2006 unterschrieben auf den Weg zur Geschäfsstelle gebracht werden müssen. Eine gesetzliche Fristverlängerung gemäß § 43 Abs. 2 StPO ist auch nicht deshalb eingetreten, weil der 22. November 2006 der Buß- und Bettag war. Dieser Tag ist in Baden-Württemberg zwar ein kirchlicher, aber kein gesetzlicher ("allgemeiner") Feiertag (§§ 1, 2 Feiertagsgesetz BadenWüttemberg idF der Bekanntmachung vom 8. Mai 1995, GBl. Nr. 17 S. 450), wie dies für eine Fristverlängerung erforderlich wäre (vgl. BayObLGSt 1957, 131, 132; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 43 Rdn. 3). Tatsächlich wurde das unterschriebene Urteil erst am 23. November 2006 auf den Weg zur Geschäftsstelle gebracht. Dies hing, anders als von der Revision zunächst vermutet, ausweislich eines Aktenvermerks des Vorsitzenden vom 8. Februar 2007 (SB VII, Bl. 2085 ff.) nicht mit Buß- und Bettag zusammen. Vielmehr waren die Mit- glieder der Strafkammer - die in dem in Frage stehenden Zeitraum bis zu fünf Hauptverhandlungen parallel zu führen hatte - versehentlich davon ausgegangen , hatten auch entsprechendes notiert, dass das Urteil (nicht schon am 20. September 2006, sondern) erst am 21. September 2006 verkündet worden sei und hatten dementsprechend den Fristablauf berechnet.
3
Wie jedoch auch der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt und belegt hat, gilt die - auch erhebliche - Belastung der Richter durch anderweitige Hauptverhandlungen nicht als nicht voraussehbarer unabwendbarer Umstand i. S. d. § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO (vgl. nur BGH NStZ 1992, 398, 399 m.w.N.) und kann daher die Fristüberschreitung ebenso wenig rechtfertigen wie die unrichtige Notierung der Frist (vgl. nur BGH StraFo 2005, 76 m.w.N.). Treffen, wie hier nahe liegend, beide Umstände zusammen - versehentlich unrichtige Notierung wegen anderweitiger erheblicher Belastung -, kann nichts anderes gelten.
4
Der aufgezeigte Mangel führt nach gesetzlicher Wertung (vgl. in diesem Zusammenhang Rieß, NJW 1975, 81, 88 - "gebotene Sanktionierung durch einen absoluten Revisionsgrund" -) zur Aufhebung des Urteils, so dass es auf das weitere Vorbringen der Revision nicht mehr ankommt. Nack Wahl Boetticher RiBGH Dr. Kolz und RiBGH Dr. Graf sind urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack Nack

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 670/16
vom
24. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern
ECLI:DE:BGH:2017:240617B1STR670.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 4. Juli 2016 aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall 5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist und
b) im Gesamtstrafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Seine weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in 16 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge und auf Verfahrensrügen gestützten Revision. Sein Rechtsmittel hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
1. Während die Angriffe auf den Schuldspruch in 15 Fällen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen versagen, hält der Schuldspruch im Fall 5 der Urteilsgründe der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
3
Ausweislich der getroffenen Feststellungen war der Angeklagte daran beteiligt, Schleusungsfahrten für Ausländer von Budapest nach Deutschland zu organisieren. Für den Fall 5 ist festgestellt, dass zwei Männer und eine Frau nach P. gebracht worden sind. Näheres zur Staatsangehörigkeit bzw. Herkunft dieser Personen oder zur Existenz von Aufenthaltstiteln oder Pässen wird nicht mitgeteilt. Damit ist nicht belegt, dass diese Personen entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 oder § 4 AufenthG eingereist sind und damit § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG verwirklicht haben, was aber Voraussetzung für die Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 97 Abs. 2, § 96 Abs. 1 AufenthG ist.
4
Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich eine hinreichend sichere Grundlage für die entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 oder § 4 AufenthG erfolgte Einreise der beförderten Personen ebenfalls nicht entnehmen. Die beweiswürdigenden Erwägungen befassen sich näher mit der Herkunft der geschleusten Personen nur für die anderen Fälle. Soweit pauschal für alle Fälle ausgeführt worden ist, dass die Personen den Erstaufnahmeeinrichtungen zugeführt worden seien und keine Rückmeldung erfolgt sei, dass sie einreise- oder aufenthaltsberechtigt seien, stellt dies keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt schon deswegen, weil allein bei Fall 5 keine Kontrolle erfolgt ist und es sich somit nicht erschließt, dass die transportierten Personen aufgegriffen, keine erforderlichen Papiere bei sich hatten und in Aufnahmeeinrichtungen gebracht worden sind. Die – ohnehin für sich genommen – wenig aussagekräftige Einschätzung „einzelner Fahrer“, dass es sich bei den transportierten Personen um „Nicht-Europäer“ gehandelt habe, ist nicht ersicht- lich auf Fall 5 bezogen. Auch aus der mitgeteilten, im Rahmen einer Verständigung abgegebenen geständigen Einlassung der nichtrevidierenden Mitangeklagten ergeben sich keine belastbaren Anhaltspunkte zur Beurteilung der ausländerrechtlichen Situation der beförderten Personen. Diese hat zwar über ihren Verteidiger die Vorwürfe umfassend eingeräumt, ergänzend hat sie Angaben über die grundsätzliche Arbeitsaufteilung gemacht und angegeben, an einzelne Fahrten und deren Ziele keine Erinnerung zu haben. Aufgrund welcher Erkenntnisse sich die Strafkammer vor diesem Hintergrund die Überzeugung verschafft hat, dass diese nicht kontrollierte Fahrt tatsächlich eine unerlaubte Einreise der beförderten Personen darstellte und diese wie festgestellt durchgeführt worden ist, erschließt sich nicht.
5
2. Der Wegfall der Einzelstrafe führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Das neu zuständige Tatgericht wird bei der Zumessung der neuen Gesamtstrafe auch das Gesamtstrafübel in den Blick zu nehmen haben, das der Angeklagte durch die drohende Vollstreckung in Ungarn zu erwarten hat. Hätte es sich bei dieser Verurteilung um eine deutsche Verurteilung gehandelt, wäre eine Einbeziehung nach § 55 StGB möglich gewesen. Dass dies bei einer ausländischen Verurteilung nicht in Betracht kommt und auch ein Härteausgleich nicht gewährt werden soll, da kein Gerichtsstand in Deutschland gegeben gewesen wäre (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 – 2 StR 386/08, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 16; krit. Esser, StV 2010, 266; van Gemmeren, JR 210, 130, 132), hindert die Berücksichtigung eines Gesamtstrafübels als allgemeinen strafzumessungsrelevanten Aspekt nicht (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2011 – 5 StR 569/10, StV 2011, 589 f.; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 – 1 StR 651/16 und vom 27. Januar 2009 – 4 ARs 2/09, NStZRR 2009, 200).
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15
c) Der Gesamtstrafausspruch begegnet hingegen durchgreifenden Bedenken , weil die Verurteilung des Angeklagten vom 4. Januar 2011 durch ein belgisches Gericht in den Strafzumessungserwägungen eine unzureichende Würdigung erfahren hat. Ausländische Strafen sind wegen des damit verbundenen Eingriffs in deren Vollstreckbarkeit zwar nicht gesamtstrafenfähig (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 - Härteausgleich 8); liegen aber ansonsten die Voraussetzungen einer Gesamtstrafenbildung vor, muss der Tatrichter regelmäßig einen Härteausgleich vornehmen, dies insbesondere dann, wenn es in der Addition beider Strafen zu einer Überschreitung der gesetzlichen Höchstgrenzen kommt (vgl. BGH StV 2000, 196). Zwar berücksichtigt die Strafkammer , dass die in Belgien verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren als ausländische Verurteilung nicht gesamtstrafenfähig ist, und nimmt auch einen nicht näher ausgeführten Härteausgleich vor. Der Senat besorgt jedoch, dass die Strafkammer dem im vorliegenden Fall nicht das erforderliche Gewicht beigemessen hat, vor allem auch deshalb, weil sie nicht ausdrücklich in den Blick nimmt, dass beide Strafen zusammen zu einer Gesamtverbüßungsdauer von insgesamt 18 Jahren führen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.