Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2017 - 1 StR 670/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:240617B1STR670.16.0
bei uns veröffentlicht am24.06.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 670/16
vom
24. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern
ECLI:DE:BGH:2017:240617B1STR670.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 4. Juli 2016 aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall 5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist und
b) im Gesamtstrafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Seine weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in 16 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge und auf Verfahrensrügen gestützten Revision. Sein Rechtsmittel hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
1. Während die Angriffe auf den Schuldspruch in 15 Fällen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen versagen, hält der Schuldspruch im Fall 5 der Urteilsgründe der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
3
Ausweislich der getroffenen Feststellungen war der Angeklagte daran beteiligt, Schleusungsfahrten für Ausländer von Budapest nach Deutschland zu organisieren. Für den Fall 5 ist festgestellt, dass zwei Männer und eine Frau nach P. gebracht worden sind. Näheres zur Staatsangehörigkeit bzw. Herkunft dieser Personen oder zur Existenz von Aufenthaltstiteln oder Pässen wird nicht mitgeteilt. Damit ist nicht belegt, dass diese Personen entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 oder § 4 AufenthG eingereist sind und damit § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG verwirklicht haben, was aber Voraussetzung für die Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 97 Abs. 2, § 96 Abs. 1 AufenthG ist.
4
Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich eine hinreichend sichere Grundlage für die entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 oder § 4 AufenthG erfolgte Einreise der beförderten Personen ebenfalls nicht entnehmen. Die beweiswürdigenden Erwägungen befassen sich näher mit der Herkunft der geschleusten Personen nur für die anderen Fälle. Soweit pauschal für alle Fälle ausgeführt worden ist, dass die Personen den Erstaufnahmeeinrichtungen zugeführt worden seien und keine Rückmeldung erfolgt sei, dass sie einreise- oder aufenthaltsberechtigt seien, stellt dies keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt schon deswegen, weil allein bei Fall 5 keine Kontrolle erfolgt ist und es sich somit nicht erschließt, dass die transportierten Personen aufgegriffen, keine erforderlichen Papiere bei sich hatten und in Aufnahmeeinrichtungen gebracht worden sind. Die – ohnehin für sich genommen – wenig aussagekräftige Einschätzung „einzelner Fahrer“, dass es sich bei den transportierten Personen um „Nicht-Europäer“ gehandelt habe, ist nicht ersicht- lich auf Fall 5 bezogen. Auch aus der mitgeteilten, im Rahmen einer Verständigung abgegebenen geständigen Einlassung der nichtrevidierenden Mitangeklagten ergeben sich keine belastbaren Anhaltspunkte zur Beurteilung der ausländerrechtlichen Situation der beförderten Personen. Diese hat zwar über ihren Verteidiger die Vorwürfe umfassend eingeräumt, ergänzend hat sie Angaben über die grundsätzliche Arbeitsaufteilung gemacht und angegeben, an einzelne Fahrten und deren Ziele keine Erinnerung zu haben. Aufgrund welcher Erkenntnisse sich die Strafkammer vor diesem Hintergrund die Überzeugung verschafft hat, dass diese nicht kontrollierte Fahrt tatsächlich eine unerlaubte Einreise der beförderten Personen darstellte und diese wie festgestellt durchgeführt worden ist, erschließt sich nicht.
5
2. Der Wegfall der Einzelstrafe führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Das neu zuständige Tatgericht wird bei der Zumessung der neuen Gesamtstrafe auch das Gesamtstrafübel in den Blick zu nehmen haben, das der Angeklagte durch die drohende Vollstreckung in Ungarn zu erwarten hat. Hätte es sich bei dieser Verurteilung um eine deutsche Verurteilung gehandelt, wäre eine Einbeziehung nach § 55 StGB möglich gewesen. Dass dies bei einer ausländischen Verurteilung nicht in Betracht kommt und auch ein Härteausgleich nicht gewährt werden soll, da kein Gerichtsstand in Deutschland gegeben gewesen wäre (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 – 2 StR 386/08, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 16; krit. Esser, StV 2010, 266; van Gemmeren, JR 210, 130, 132), hindert die Berücksichtigung eines Gesamtstrafübels als allgemeinen strafzumessungsrelevanten Aspekt nicht (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2011 – 5 StR 569/10, StV 2011, 589 f.; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 – 1 StR 651/16 und vom 27. Januar 2009 – 4 ARs 2/09, NStZRR 2009, 200).
Raum Cirener Radtke Fischer Bär

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2017 - 1 StR 670/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2017 - 1 StR 670/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2017 - 1 StR 670/16 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 4 Erfordernis eines Aufenthaltstitels


(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 95 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet a

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 3 Passpflicht


(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im B

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 96 Einschleusen von Ausländern


(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung 1. nach § 95 Abs.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 97 Einschleusen mit Todesfolge; gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht. (2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, we

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2017 - 1 StR 670/16 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2017 - 1 StR 670/16 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2009 - 4 ARs 2/09

bei uns veröffentlicht am 27.01.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 ARs 2/09 vom 27. Januar 2009 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u.a. hier: Anfrage des 2. Strafsenats vom 29. Oktober 2008 - 2 StR 386/08 - Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2009 bes

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2011 - 5 StR 569/10

bei uns veröffentlicht am 26.01.2011

5 StR 569/10 (alt: 5 StR 143/10) BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 26. Januar 2011 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum Totschlag u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2011 beschlossen: Auf die Revision des Angekla

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2017 - 1 StR 651/16

bei uns veröffentlicht am 24.01.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 651/16 vom 24. Januar 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Wohnungseinbruchdiebstahls ECLI:DE:BGH:2017:240117B1STR651.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2017 - 1 StR 670/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2018 - 1 StR 508/18

bei uns veröffentlicht am 18.12.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 508/18 vom 18. Dezember 2018 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:181218B1STR508.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundes

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht.

(2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig handelt.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(4) § 74a des Strafgesetzbuches ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 569/10
(alt: 5 StR 143/10)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Totschlag u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 22. September 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Jugendkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten zunächst mit Urteil vom 3. Dezember 2009 wegen eines am 19. Dezember 2001 begangenen Totschlags – in Tateinheit mit Freiheitsberaubung mit Todesfolge – unter Einbeziehung einer Verurteilung des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 20. Mai 2009 zu einer Einheitsjugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Senat hat mit Beschluss vom 18. Mai 2010 (5 StR 143/10, StraFo 2010, 296) den Schuldspruch auf Beihilfe umgestellt und den Strafausspruch hinsichtlich der Höhe der Jugendstrafe – unter Aufrechterhaltung sämtlicher Feststellungen – aufgehoben.
2
Nunmehr hat das Landgericht – wiederum unter Einbeziehung der genannten Verurteilung – auf eine Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren erkannt. Die Bemessung dieser Strafe enthält durchgreifende Rechtsfehler. Dies begründet die Revision.
3
1. Das Landgericht war zwar durch den zurückverweisenden Senatsbeschluss hier nicht gehindert, das Vorliegen von schädlichen Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG auf neue Feststellungen zu polnischen Vorverurteilungen zu stützen, wozu es im vorangegangenen Urteil an Feststellungen gefehlt hatte. Das Landgericht durfte daher – wie geschehen – auf vier vor der verfahrensgegenständlichen Tat vom 19. Dezember 2001 in Polen begangene Diebstahlstaten abstellen. Indes enthält die Begründung des Landgerichts , warum schädliche Neigungen noch zum Urteilszeitpunkt bestanden haben und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen (BGH, Beschluss vom 10. März 1992 – 1 StR 105/92, BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5 mwN), den Angeklagten belastende Wertungsfehler.
4
aa) Das Landgericht entnimmt dem Verhalten des Angeklagten in der seit dem 12. Mai 2009 andauernden Untersuchungshaft keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung seiner bisherigen Lebensauffassung und den Abbau seiner in der Tat vom 19. Dezember 2001 deutlich gewordenen Gewaltbereitschaft (UA S. 11). Diese Wertung wird jedoch durch den im Urteil UA S. 9 referierten Bericht der JVA Wulkow nicht im Mindesten belegt. Die weitere Würdigung des Verhaltens des Angeklagten (UA S. 6), er trete unauffällig in Erscheinung, verhalte sich angemessen, verfolge die ihm erteilten Weisungen diskussionslos und wirke bei auftretenden Problemen mitunter verbal aggressiv und bedrohlich, bildet ebenfalls keine Grundlage für die Annahme einer seit 2001 fortdauernden Gewaltbereitschaft.
5
bb) Soweit das Landgericht zur weiteren Begründung darauf abstellt, der Angeklagte habe in der erneuten Hauptverhandlung nicht zu erkennen gegeben, dass er Reue oder Bedauern in Bezug auf die rechtskräftig festgestellte Tat empfinde (UA S. 11), besorgt der Senat, dass die Jugendkammer eine in fortdauernder Untersuchungshaft bei dem im gesamten Verfahren zum Tatvorwurf schweigenden Angeklagten gar nicht zu erwartende Aufarbeitung der Straftat dem Angeklagten benachteiligend angelastet hat.
6
cc) Der Senat kann eine weitere Gewaltbereitschaft des Angeklagten auch nicht aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Das Landgericht hat eine Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Słubice vom 16. März 2009 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen einer auf dem Bahnhof von Kostrzyn am 29. März 2008 begangenen Schlägerei und Körperverletzung in diesem Zusammenhang nicht bewertet. Indes ist mangels jeder näheren Darlegung der Tatumstände die Annahme, aus diesen spreche eine auf der Hand liegende und seit 2001 fortdauernde Gewaltbereitschaft, nicht möglich.
7
2. Das Landgericht hat es unterlassen, die infolge des referierten Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. Oktober 2009 bewilligte Auslieferung des Angeklagten zur Vollstreckung eines Strafrestes von über acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Słubice vom 16. März 2009 in Polen in seine Erwägungen zur Bewertung eines Gesamtstrafübels einzubeziehen.
8
Hätte es sich hierbei um die Verurteilung eines deutschen Gerichts gehandelt, wäre eine Einbeziehung des Urteils gemäß § 105 Abs. 2, § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG möglich gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 – 5 StR 143/10 mwN). Der Senat hat in seinem Beschluss vom 27. Januar 2010 (5 StR 432/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 19) näher dargelegt, dass eine vollstreckte ausländische Vorverurteilung, die an innerstaatlichen Maßstäben gemessen gesamtstrafenfähig wäre, im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung mit Blick auf das Gesamtstrafübel zu berücksichtigen ist. Dies gilt wegen gleicher Interessenlage auch bei einer – wie hier – sicher zu vollstreckenden Strafe durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union und für die hier festzusetzende Jugendstrafe wegen einer Tat eines seit vielen Jahren erwachsenen Heranwachsenden. Das Landgericht hat die Jugendstrafe nämlich mangels kaum noch möglicher Erziehung des Angeklagten nicht – wie es § 18 Abs. 2 JGG an sich gebietet – an der Zeitdauer der erforderlichen erzieherischen Einwirkung ausrichten können, sondern auf Schuldgesichtspunkte abgestellt (UA S. 12). Somit ist auch bei der Bemessung einer Jugendstrafe unter diesen Prämissen Raum zur Berück- sichtigung eines im allgemeinen strafzumessungsrechtlichen Sinne verstandenen Gesamtstrafübels (vgl. BGH aaO).
9
3. Die ergänzenden Feststellungen im angefochtenen Urteil hebt der Senat auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neu berufene Tatgericht wird die Strafe aufgrund der im ersten Urteil getroffenen, vom Senat aufrechterhaltenen Feststellungen neu zu bemessen haben. Zulässig sind lediglich solche ergänzenden Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen. Es besteht Anlass zu dem Hinweis, dass auch die Feststellungen zur Person des Angeklagten nicht – wie im angegriffenen Urteil fälschlicherweise geschehen – neu zu treffen sind.
Basdorf Raum Brause Schneider Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 651/16
vom
24. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls
ECLI:DE:BGH:2017:240117B1STR651.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 24. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 26. August 2016 werden als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Den Angeklagten T. betreffend wird der Urteilstenor wie folgt ergänzt: Die durch den Angeklagten T. nach dessen Überstellung von den österreichischen an die deutschen Behörden zur Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Landgericht München I im Verfahren 19 KLs bis zu dessen Rücküberstellung an die österreichischen Behörden in Haft verbrachte Zeit wird ausschließlich auf den Vollzug der gegen diesen Angeklagten vom Landesgericht Ried im Innkreis (Republik Österreich) – 10 Hv – verhängten Freiheitsstrafe angerechnet. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Das Landgericht hat zwar hinsichtlich des Angeklagten N. das mit dessen österreichischer Vorverurteilung verbundene Gesamtstrafübel in seinen Urteilsgründen nicht erörtert. Angesichts dessen, dass er vom Landesgericht Ried im Innkreis wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in neun Fällen lediglich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten erhalten und das Landesgericht bei seiner Strafzumessung die in das Urteil des Landgerichts München I im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 55 Abs. 1 StGB) einbezogene Verurteilung des Amtsgerichts Erlangen bereits berücksichtigt hatte (UA S. 19), war eine ausdrückliche Erörterung des Gesamtstrafübels entbehrlich (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1999 – 3 StR 309/99, NStZ 2000, 137, 138; Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 432/09, StV 2010, 238,

239).


2. Das Landgericht hat es aber versäumt, die Anrechnung der vom Angeklagten T. in Deutschland verbüßten Untersuchungshaft auf die österreichische Strafhaft im Tenor auszusprechen. Dies kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO nachholen.
Die österreichischen Behörden hatten den Angeklagten T. den deutschen Behörden nach Abschluss einer Vereinbarung nach § 26 Abs. 3 EU-JZG gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 6, § 26 des (österreichischen) Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der europäischen Union (EU-JZG) zur Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Landgericht München I im Verfahren 19 KLs (mitverbunden 19 KLs ) bedingt übergeben; die deutschen Behörden hatten ihrerseits dessen Rücküberstellung nach Durchführung der Hauptverhandlung zugesichert (vgl. UA S. 30).
In Ziffer 4 dieser Vereinbarung war gemäß § 26 Abs. 3 Nr. 5 EU-JZG bestimmt worden, dass die bedingte Übergabe des Angeklagten durch die österreichischen an die deutschen Behörden den Vollzug der vom Landesgericht Ried im Innkreis gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe (Az. 10 Hv
) nicht unterbricht und die in Deutschland in Haft zugebrachten Zeiten ausschließlich auf diese Freiheitsstrafe angerechnet werden.
Die Anrechnung der vom Angeklagten T. in Deutschland verbüßten Untersuchungshaft auf die österreichische Strafhaft war im Tenor auszusprechen , da die gemäß § 26 Abs. 3 EU-JZG getroffene zwischenstaatliche Vereinbarung den Regelfall der Anrechnung der aus Anlass der Tat vollzogenen Untersuchungshaft auf die im selben Verfahren verhängte zeitige Freiheitsstrafe gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB durchbricht.
Graf Jäger Bellay Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 ARs 2/09
vom
27. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
hier: Anfrage des 2. Strafsenats vom 29. Oktober 2008 - 2 StR 386/08 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2009 beschlossen
:
Rechtsprechung des Senats steht der beabsichtigten Entscheidung
des anfragenden Senats nicht entgegen.
Der Senat erachtet es für nicht zulässig, allein deshalb, weil eine
nachträgliche Gesamtstrafenbildung analog § 55 Abs. 1 StGB unter
Einbeziehung von im Ausland verhängten Strafen ausscheidet,
einen "Härteausgleich" in Form eines bezifferten Abschlags von
einer fiktiv gebildeten Gesamtstrafe mit der Folge zu gewähren,
dass die Bindung an die gesetzlichen Strafrahmen entfällt und im
Einzelfall auch die gesetzliche Mindeststrafe unterschritten werden
kann. Vielmehr kommt in diesen Fällen eine als "Härteausgleich"
bezeichnete Milderung lediglich im Rahmen der allgemeinen
Strafzumessungsgründe nach § 46 StGB unter Einhaltung der
gesetzlichen Strafrahmen in Betracht.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer