Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2016 - 1 StR 417/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. November 2016
beschlossen:
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Entgegen dem Revisionsvorbringen erfolgte die Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 54 StGB ohne Rechtsfehler. Der Tatrichter war nicht gehindert, die in drei von neun Fällen verwirkte höchste Einzelstrafe (fünf Jahre und sechs Monate) auf 13 Jahre und sechs Monate zu erhöhen. 1. Die Bemessung der Gesamtstrafe im Rahmen der Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist im Wege einer Gesamtschau des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs durch einen eigenständigen Zumessungsakt vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13). Der Summe der Einzelstrafen kommt nur ein geringes Gewicht zu, maßgeblich ist die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter zusammenfassender Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB). Dabei ist vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (BGH, Beschlüsse vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 und vom 13. November 2008 – 3 StR 485/08). Wird die Einsatzstrafe erheblich erhöht, bedarf dies näherer Begründung (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2006 – 2 StR 346/06, NStZ 2007, 326). Eine starke Erhöhung der Einsatzstrafe bedarf besonderer Begründung, wenn sich diese nicht aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt. Da der Strafzumessung eine "Mathematisierung" fremd ist, kann – anders als der Revisionsführer meint – ein Rechtsfehler nicht allein darin gesehen werden, dass die Einsatzstrafe auf das etwa Zweieinhalbfache erhöht wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, NStZ 2011, 32; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 54 Rn. 7a). Derartige mathematische Überlegungen finden im Gesetz keine Stütze; auch bei der Bemessung einer Gesamtstrafe gilt, dass das Gesetz bei der Strafzumessung "von jedem Schematismus" weit entfernt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351; Urteil vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12). Der Tatrichter kann auch nicht dazu gezwungen werden, eine schuldunangemessene erhöhte Einsatzstrafe festzusetzen, um die rechtsfehlerfreie Verhängung einer tat- und schuldangemessenen Gesamtstrafe zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1997 – 3 StR 16/97, BGHR StGB § 54 Strafhöhe
1).
Das Revisionsgericht hat nur auf Rechtsfehler einzugreifen. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn die Gesamtstrafe sich nicht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens befindet oder die gebotene Begründung für die Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis besteht, der Tatrichter habe sich von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 – 2 StR 678/98 mwN). Eine ungewöhnlich hohe Divergenz zwischen Einsatzstrafe und Gesamtstrafe kann (jedenfalls beim Fehlen einer tragfähigen Begründung) die letztgenannte Besorgnis begründen (BGH, Beschluss vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, NStZ 2011, 32 mwN). 2. Solche Rechtsfehler sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Tatrichter hat die Erhöhung der Einsatzstrafe nicht nur durch zulässige (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; BGH, Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1 und Beschluss vom 15. August 1989 – 1 StR 382/89, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 4) Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den neun wegen Straftaten nach dem BtMG verhängten Einzelstrafen zugrunde lagen. Er hat den das Tatgeschehen charakterisierenden langen Tatzeitraum hervorgehoben, der mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (220 Kilogramm Haschisch ) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im März 2007 begann und im Dezember 2014 mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sein Ende fand. Dazwischen lagen sieben weitere Straftaten, von denen jeweils drei Taten (Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – 70 bzw. 80 Kilogramm Haschisch – in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) mit den Einsatzstrafen geahndet worden sind. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden; denn die in einem Zeitraum von siebeneinhalb Jahren eingebetteten und im Verhältnis zueinander eine große
Selbständigkeit aufweisenden Taten heben das Geschehen von typischen Serienstraftaten ab. Der Festsetzung einer dem Gesamtgewicht des Sachverhalts gerecht werdenden Gesamtstrafe stand nicht entgegen, dass die Strafkammer die Einsatzstrafen noch in der unteren Hälfte des angewandten Strafrahmens festgesetzt hat und das Gewicht der einzelnen Taten, wie es rechtlich möglich gewesen wäre, nicht schon durch die Festsetzung höherer Einzelstrafen berücksichtigt hat. Deshalb war es rechtlich geboten, die für das Gesamtgewicht maßgeblichen Umstände, sofern sie nicht schon vollständig die Einzelstrafen mitbestimmt haben, jedenfalls bei der Gesamtstrafenbildung angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 – 1 StR 463/95, BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 3; BGH, Urteile vom 23. Oktober 1997 – 4 StR 347/97, NStZ-RR 1998, 236 und vom 21. März 2006 – 1 StR 61/06, NStZ-RR 2007, 72). Das hat das Landgericht getan. Die der Bemessung der Einzelstrafen vorangestellten Erwägungen, auf die das Landgericht bei der Gesamtstrafenbildung Bezug genommen hat, belegen, dass es die für die vorzunehmende Gesamtwürdigung des Täters und seines Verhaltens bedeutsamen
Umstände bedacht hat. In der Gesamtschau der Taten hattenUnrechtsgehalt und Schuldumfang hier besonderes Gewicht. Graf Cirener Radtke Mosbacher Fischer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.