Bundesgerichtshof Urteil, 29. März 2018 - 4 StR 568/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:290318U4STR568.17.0
29.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 568/17
vom
29. März 2018
BGHSt: ja, nur zu II.4
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Eine „Entscheidung über die Anordnung des Verfalls und des Verfalls von Wertersatz“
im Sinne von Art. 316h Satz 2 EGStGB ist auch das nicht begründete Unter-
bleiben der Anordnung einer dieser Maßnahmen in einem tatrichterlichen Urteil.
BGH, Urteil vom 29. März 2018 - 4 StR 568/17 - LG Detmold
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:290318U4STR568.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. März 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 29. Juni 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Anordnung eines Wertersatzverfalls unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in acht Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 92 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf den Strafausspruch und die unterbliebene Entscheidung über die Anordnung eines Wertersatzverfalls beschränkten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. In der Zeit von Januar 2016 bis Mitte Dezember 2016 kaufte der zuletzt täglich fünf bis sechs Gramm Marihuana konsumierende Angeklagte in insgesamt 92 Fällen jeweils mindestens 100 Gramm Marihuana mit einem Tetrahydrocannabinol -Anteil von etwa 13,8 Gramm sowie eine „unbekannte Men- ge“ Kokain von dem Rauschgifthändler T. T. . Für das Marihuana zahlte der Angeklagte bei dessen Ankauf 340 bis 350 Euro. Etwa 20 Gramm des Marihuanas konsumierte er jeweils selbst, die übrige Menge verkaufte er aus seinem Apartment in L. heraus zu Grammpreisen zwischen 5 und 10 Euroan seine wenigstens 100 Abnehmer weiter. Auf diese Weise verschaffte er sich eine fortlaufende Einnahmequelle erheblichen Umfangs, die ihm eine Finanzierung seines Eigenkonsums und eine Aufbesserung seines Lebensunterhalts ermöglichte. Von Sommer 2016 bis zum Ende desselben Jahres überwies der Angeklagte insgesamt 11.168,89 Euro an seine Familie in Tunesien.
4
Nachdem der Angeklagte Mitte Dezember 2016 in seinem Apartment überfallen worden war, verschaffte er sich eine Machete (Klingenlänge 30 cm), einen als Taschenlampe getarnten Elektroschocker und ein Pfefferspray. Diese lagerte er offen in seiner Wohnung, um sich jederzeit gegen einen Angreifer verteidigen zu können. Danach erwarb der Angeklagte bis zum 17. Januar 2017 noch in acht weiteren Fällen jeweils 100 Gramm Marihuana (etwa 13,6 Gramm Tetrahydrocannabinol) bei T. T. und verkaufte dieses anschließend in kleinen Mengen aus seinem Apartment heraus an seine Abnehmer weiter.
5
Während des gesamten Tatzeitraums verkaufte der Angeklagte in 650 Fällen auch Marihuana (jeweils zwischen 0,5 und 10 Gramm) an Minderjährige im Alter zwischen 15 und 17 Jahren, wobei ihm deren Minderjährigkeit in einem Fall positiv bekannt war und im Übrigen von ihm für möglich gehalten und mit Rücksicht auf den erzielbaren finanziellen Vorteil in Kauf genommen wurde. In 14 Fällen verkaufte er an seine minderjährigen Abnehmer auch Kleinmengen Kokain und in zwei Fällen Amphetamin. Unter den Minderjährigen befanden sich auch Erstkonsumenten.
6
Am 18. Januar 2017 wurde das Apartment des Angeklagten von der Polizei durchsucht. Dabei versuchte der Angeklagte die am Kopfteil seines Bettes abgelegte Machete zu ergreifen. Bei der Durchsuchung konnten 32,8 Gramm Marihuana, die Machete, der Elektroschocker und das Pfefferspray sichergestellt werden.
7
2. Hinsichtlich der 92 Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe an Minderjährige (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) hat die Strafkammer den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt und in allen Fällen auf Einzelstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe erkannt. Bei den acht Fällen des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) ist das Landgericht jeweils von minder schweren Fällen (§ 30a Abs. 3 BtMG) ausgegangen und hat die für diese Taten verhängten Einzelstrafen von jeweils drei Jahren ebenfalls dem Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG für die in allen Fällen tateinheitlich verwirklichte gewerbsmäßige unerlaubte Abgabe an Minderjährige (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) entnommen. Eine Anordnung von Wertersatzverfall hat die Strafkammer nicht erörtert.

II.


8
Die wirksam auf den Strafausspruch und die unterbliebene Anordnung eines Wertersatzverfalls beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat nur hinsichtlich der unterbliebenen Anordnung eines Wertersatzverfalls Erfolg.
9
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich nur gegen den Strafausspruch und die unterbliebene Anordnung eines Wertersatzverfalls.
10
Die Auslegung der Revisionserklärungen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Januar 2018 – 2 StR 200/17, Rn. 11; Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88 mwN) ergibt, dass neben dem Strafausspruch auch die Nichtanordnung eines Wertersatzverfalls angegriffen wird. Zwar schließt die Revisionsbegründungsschrift mit dem Antrag, nur den Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben; aus der vorangestellten Begründung und den dort erhobenen Einzelbeanstandungen ergibt sich aber eindeutig, dass auch die unterbliebene Anordnung eines Wertersatzverfalls als rechtsfehlerhaft gerügt ist. Dass auch die Nichtanordnung einer Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB angegriffen werden soll, lässt sich der Revisionsrechtfertigung dagegen nicht entnehmen. Insoweit fehlt es an einer ausdrücklichen Beanstandung. Für eine über die erhobenen Rügen hinausgehende Auslegung ist – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – bei einer Revisionserklärung der Staatsanwaltschaft mit Rücksicht auf Nr. 156 Abs. 2 RiStBV in der Regel kein Raum.
11
2. Die erklärte Beschränkung ist auch rechtswirksam.
12
a) Eine den Schuldspruch unberührt lassende isolierte Anfechtung des Strafausspruchs ist grundsätzlich möglich (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105; Urteil vom 8. Januar 1954 – 2 StR 572/53, BGHSt 5, 252). Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt. Auch die Entscheidung über die Nichtanordnung eines Wertersatzverfalls kann getrennt vom Schuldspruch angefochten werden (vgl. BGH, Urteil vom 5. September 2017 – 1 StR 677/16, NStZ-RR 2017, 342; Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 175; Urteil vom 5. Dezember 1996 – 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271 [zur Nichtanordnung des Verfalls ]).
13
b) Eine Erstreckung der Anfechtung des Strafausspruchs auf die Entscheidung über die Nichtanordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB ist nicht veranlasst. Grundsätzlich besteht zwischen beiden Rechtsfolgen keine Wechselwirkung. Nur wenn sich den Urteilsgründen oder der Strafhöhe ausnahmsweise entnehmen lässt, dass der Strafausspruch von dem Unterbleiben der Maßregelanordnung beeinflusst sein kann, bestehen gegen die Trennbarkeit beider Entscheidungen Bedenken, sodass eine isolierte Anfechtung unzulässig wäre (st. Rspr. in Bezug auf Angeklagtenrevisionen, grundlegend BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 364 f.; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 65. Aufl., § 64 Rn. 29; krit. in Bezug auf Revisionen der Staatsanwaltschaft OLG Hamburg, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 3-19/12, NStZ 2013, 124 f.). Dies isthier aber nicht der Fall. Dass die Tatumstände Anlass zur Prüfung dieser Frage geboten hätten, verbindet die Straffrage mit der Maßregelfrage noch nicht zu einer untrennbaren Einheit.
14
3. Die Bestimmung der Einzelstrafen und die Bemessung der Gesamtstrafe weisen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
15
a) Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung, Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106; Urteil vom 22. Oktober 1953 – 5 StR 230/53, BGHSt 5, 57, 59).
16
b) Mit Blick auf diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die konkrete Bemessung der Einzelstrafen revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
17
aa) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer von minder schweren Fällen des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ausgegangen ist (§ 30a Abs. 3 BtMG).
18
(1) Die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, erfordert eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen. Dabei sind alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Erst nach dem Gesamteindruck kann entschieden werden, ob der außerordentliche Strafrahmen anzuwenden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12, NStZ-RR 2013, 150, 151; Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 581/11, StV 2012, 289 f.).
19
(2) Dies hat das Landgericht nicht verkannt. Es hat alle bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte ohne einseitige Beschränkung auf die Milderungsgründe berücksichtigt und keinen Gesichtspunkt herangezogen, der ohne Belang wäre. Dabei hat es rechtsfehlerfrei zugunsten des Angeklagten gewürdigt , dass eine Gefahr des Waffeneinsatzes bei den Geschäften mit seinem Drogenlieferanten T. nicht gegeben war und die gefährlichen Gegenstände bei den Betäubungsmittelgeschäften nicht zum Einsatz kamen. Die Wahrscheinlichkeit , dass es zu einer Realisierung der in § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG unter eine erhöhte Strafdrohung gestellten abstrakten Gefahr kam, indem die bereitgehaltenen gefährlichen Gegenstände zur Anwendung gelangten, ist ein zumessungserheblicher Umstand. War sie gering, kann dies zugunsten des Täters in die Bewertung eingestellt werden. Dabei ist es ohne Belang, ob die Urteilsausführungen die dafür maßgeblichen Umstände positiv oder negativ umschreiben (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350). Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer in diesem Zusammenhang aus dem Blick verloren hat, dass der Angeklagte bei der polizeilichen Durchsuchung den Versuch unternahm, die am Kopfteil seines Bettes abgelegte Machete zu ergreifen. Dass der Angeklagte in Einzelfällen auch Kokain an Minderjährige abgab, hat die Strafkammer ebenso berücksichtigt, wie den Umstand , dass es sich teilweise auch um Erstkonsumenten handelte.
20
bb) Die Bemessung der Einzelstrafen weist ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf. Dass die Strafkammer dabei die Zusage, gegen Hintermänner umfangreiche Angaben zu machen, als Ausdruck von Reue gewertet hat, liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Soweit sie dem Angeklagten die erlittene Untersuchungshaft allein mit der Begründung gutgebracht hat, dass diese „ihn als Erstverbüßer besonders belastet haben dürfte“, begegnet dies mit Rücksicht auf die nicht eindeutig festgestellte Belastung und das Fehlen besonderer Umstände zwar rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106 mwN). Der Senat vermag aber auszuschließen, dass die Strafkammer ohne Berücksichtigung dieses Milderungsgrundes auf höhere Einzelstrafen erkannt hätte.
21
c) Auch die Bestimmung der Gesamtstrafe lässt durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
22
aa) Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen. Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang , hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen. Auch hierbei braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. Eine Bezugnahme auf die zu den Einzelstrafen gemachten Ausführungen ist grundsätzlich zulässig.
Einer eingehenderen Begründung bedarf es hingegen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 107; Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271 jeweils mwN).
23
bb) Danach erweisen sich die Bemessung der Gesamtstrafe und deren Darlegung hier nicht als rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat die Erhöhung der Einsatzstrafe im Wesentlichen durch eine Bezugnahme auf die – auch tatübergreifende Umstände einbeziehende – Strafzumessungserwägungen begründet, die der Strafrahmenwahl und den verhängten Einzelstrafen zugrunde liegen, und dabei die Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten nochmals hervorgehoben. Dass sich die Urteilsgründe nicht ausdrücklich dazu verhalten, dass zwischen den Einzeltaten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht, der einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen rechtfertigt, ist hier unschädlich, weil sich dies aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16). Die maßvolle Bemessung der Gesamtstrafe lässt unter diesen Umständen nicht besorgen, dass die Strafkammer die Grundsätze der Gesamtstrafenbildung verkannt hat. Sie entfernt sich auch nicht so weit nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt.
24
4. Die Nichtanordnung des Verfalls von Wertersatz gemäß § 73a Satz 1 StGB aF wird durch die Urteilsgründe nicht belegt und hält deshalb einer sachlich -rechtlichen Überprüfung nicht stand.
25
a) Hinsichtlich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung kommt im vorliegenden Verfahren noch das bis zum 1. Juli 2017 geltende Recht zur Anwendung , weil bereits vor dem 1. Juli 2017 eine erstinstanzliche Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist (Art. 316h Sätze 1 und 2 EGStGB). „Eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz“im Sinne von Art. 316h Satz 2 EGStGB ist auch die Nichtanordnung einer dieser Maßnahmen (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 84 sowie BT-Drucks. 18/9525, S. 98 und BGH, Urteil vom 29. November 2017 – 2 StR 271/17, Rn. 11 jeweils zu Art. 14 EGStPO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Tatgericht eine Verfallsanordnung ausdrücklich geprüft und in den Urteilsgründen dargelegt hat, welche der tatbestandlichen Voraussetzungen es für nicht gegeben hielt. Denn auch das nicht begründete Unterbleiben einer Verfallsanordnung oder einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist eine hierzu ergangene „Entscheidung“ im Sinne der Übergangsvorschrift (vgl. dazu auch Ott in: KK-StPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 17; Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 260 Rn. 34 mwN). Würde das begründungslose Unterbleiben einer Verfalls- oder Wertersatzverfallsanordnung in einem vor dem 1. Juli 2017 ergangenen tatrichterlichen Urteil im Rechtsmittelverfahren nicht an dem zum Urteilszeitpunkt geltenden alten Recht gemessen, sondern in Anwendung von Art. 316h Satz 1 EGStGB an dem Recht der Vermögensabschöpfung in der seit dem 1. Juli 2017 geltenden Fassung, könnte dies im Einzelfall dazu führen, dass das erstinstanzliche Urteil insoweit allein wegen der Gesetzesänderung aufgehoben wird. Gerade dies zu verhindern ist aber die ratio legis von Art. 316h Satz 2 EGStGB (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 84). Auch könnte eine andere Sichtweise eine parallele Anwendung von altem und neuem Recht in demselben Verfahren zur Folge haben, wenn sich der Tatrichter etwa teilweise zum Verfall verhält und sich teilweise hierzu rechtsfehlerhaft nicht äußert. Anhaltspunkte dafür, die Auslegung von Art. 316h EGStGB daran zu messen, ob der Tatrichter die Nichtanordnung einer Vermögensabschöpfung begründet hat oder die Begründung im Urteil unterblieben ist, lassen sich weder dem Wortlaut der Vorschrift, noch den Gesetzesmaterialien entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2017 – 4 StR 589/17, NJW-Spezial 2018, 121).
26
b) Die Nichtanordnung eines Wertersatzverfalls nach § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB aF kann nicht bestehen bleiben, weil eine entsprechende Anordnung nach den getroffenen Feststellungen sachlich-rechtlich nahelag und die Urteilsgründe nicht belegen, warum es gleichwohl nicht zu einer Anordnung gekommen ist.
27
aa) Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF unterliegen die bei Betäubungsmittelgeschäften erzielten Erlöse ohne Abzug etwaiger Aufwendungen (Bruttoprinzip ) zwingend dem Verfall, sofern sie als solche bei dem Täter noch vorhanden sind. Ist eine Verfallsanordnung an dem unmittelbar aus den Drogenverkäufen erlangten Geld aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich, muss ein entsprechender Wertersatzverfall gemäß § 73a Satz 1 StGB aF angeordnet werden , soweit nicht die gleichfalls zwingende Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB aF entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2007 – 4 StR 544/06, Rn. 3 [insoweit in NStZ-RR 2009, 320 nicht abgedruckt]; Be- schluss vom 10. September 2002 – 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199; Urteil vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 370).
28
bb) Danach lag die Anordnung eines Wertersatzverfalls hier nahe und hätte deshalb erörtert werden müssen (zur Erörterungspflicht vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 – 3 StR 144/11, Rn. 4 [zu Verfall und erweitertem Verfall]; Kuckein in: KK-StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 36; Güntge in: SSW-StPO, 3. Aufl., § 267 Rn. 38 mwN). Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte im Tatzeitraum mehr als 7.900 Gramm Marihuana (100 x 100 Gramm abzgl. des Eigenverbrauchsanteils und der Sicherstellungsmenge) zu Grammpreisen zwischen 5 und 10 Euro an seine teilweise minderjährigen Abnehmer. Die dabei erlangten Gelder waren bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten, die auch zu seiner Festnahme führte, nicht mehr vorhanden. Dass die Härtevorschrift des § 73c StGB aF der Anordnung eines Wertersatzverfalls voll umfänglich entgegensteht, liegt mit Rücksicht auf die von dem Angeklagten im Tatzeitraum getätigten Geldüberweisungen an seine tunesische Herkunftsfamilie und die weiteren Feststellungen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht auf der Hand.
29
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird wiederum das alte Recht anzuwenden sein (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 227/17, StV 2018, 22; Urteil vom 6. September 2017 – 5 StR 268/17, NStZ-RR 2017, 375, 376), denn auch aufgehobene Entscheidungen zu Verfall und Wertersatzverfall sind Entscheidungen im Sinne des Art. 316h Satz 2 EGStGB (vgl. Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 682).

III.


30
Rechtsfehler zulasten des Angeklagten hat die durch den Umfang der Anfechtung begrenzte (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 2016 – 1 StR 154/16, Rn. 13 [insoweit in NJW 2016, 3670 nicht abgedruckt]; Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 StR 428/01, Rn. 11 [insoweit in NStZ 2002, 198 nicht abgedruckt]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 301 Rn. 1 mwN) sachlich -rechtliche Überprüfung des Urteils nach § 301 StPO nicht ergeben. Der Umstand, dass die Strafkammer dem Angeklagten bei der Bemessung aller 100 Einzelstrafen den Verkauf von Kokain angelastet hat, obgleich es hierzu nach den Feststellungen nur in 14 Fällen kam, stellt den Strafausspruch im Ergebnis nicht in Frage. Der Senat entnimmt den Urteilsgründen, dass das Landgericht damit die in allen Taten zum Ausdruck gekommene Gesinnung (§ 46 Abs. 2 StGB) des Angeklagten näher kennzeichnen wollte. Dies ist mit Rücksicht auf das gleichartige Vorgehen des Angeklagten und seine übergreifende kommerzielle Tatmotivation rechtlich nicht zu beanstanden.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

11
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , so ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel im Wege der Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17, NStZ-RR 2017, 201; BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16 und vom 6. Juli 2017 – 4 StR 415/16, StRR 2017, Nr. 8, 18). Die sonach gebotene Auslegung der Revisionsbegründung führt zur Annahme eines auf die Fälle 1, 3 und 4 der Urteilsgründe beschränkten Rechtsmittels.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 468/14
vom
18. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht – in der Verhandlung –,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der
Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 13. März 2014 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Die dagegen gerichtete, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft , mit der sie die Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe erstrebt , hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte war als Taxifahrer in der Silvesternacht vom 31. Dezember 2012 auf den 1. Januar 2013 mit seinem Großraumtaxi auf dem Weg zu einer Kundin. Das Fahrzeug verfügte hinten über zwei Sitzreihen; der Zustieg erfolgte über Schiebetüren. Am Nachbarhaus der ihm telefonisch genannten Adresse wurde er von dem späteren Tatopfer M. und seinen beiden Begleitern angehalten, die mit einem Taxi zum Bahnhof fahren wollten. Der Angeklagte lehnte die Beförderung mit der Begründung ab, er könne sie wegen einer anderen Bestellung nicht mitnehmen. Währenddessen hatte M. die hintere rechte Schiebetür des Taxis geöffnet und war eingestiegen. Der Angeklagte forderte ihn auf, das Fahrzeug wieder zu verlassen. Während M. ausstieg, entspann sich ein Wortwechsel mit dem Angeklagten, da M. auf der Beförderung bestand. Unmittelbar nachdem M. das Taxi verlassen hatte und mit beiden Füßen auf der Straße stand, fuhr der Angeklagte mit seinem Taxi an. Die hintere rechte Schiebetür war zu diesem Zeitpunkt noch offen, was dem Angeklagten bewusst war. M. wollte nun den Angeklagten dazu bewegen, das Taxi anzuhalten. Er griff mit seiner linken Hand durch die geöffnete Schiebetür in das Fahrzeug und hielt sich im Inneren fest. Dann lief er neben dem Fahrzeug her, wobei er sich mit dem Oberkörper halb im Fahrzeug befand, rief einige Male „Stopp“ und versuchte, sich in das Fahrzeug hineinzuziehen,während der Angeklagte das Fahrzeug beschleunigte. Der Angeklagte hörte die Rufe und bemerkte , dass M. an der offenen Tür neben dem Fahrzeug herlief. Gleichwohl setzte er seinen Beschleunigungsvorgang fort. Dabei nahm er in Kauf, dass das Taxi M. touchieren könnte, dieser möglicherweise zu Fall kommen und sich dabei durch Prellungen oder Abschürfungen leicht verletzen könnte. Mit diesen möglichen Folgen hatte sich der Angeklagte abgefunden. Ihm war ferner bewusst, dass es auch zu einem schweren oder tödlichen Unfall kommen könnte, wenn das Fahrzeug die nebenherlaufende Person berühren sollte. Nach einigen Sekunden geriet M. ins Straucheln , löste seinen Griff im Inneren des Fahrzeugs und fiel hin, wobei er sich durch den Anstoß am Fahrzeug eine Verletzung am Oberarm und eine Schürf- wunde zuzog. Im Fallen verhakte sich seine Jacke in der Schiebetür, sodass er in eine horizontale Drehbewegung versetzt wurde, durch die sein Kopf unter das Fahrzeug geriet und vom rechten Hinterrad überrollt wurde. Er war sofort tot.
4
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte eine Verletzung M. s durch eine Berührung mit seinem Fahrzeug billigend in Kauf genommen habe. Er habe damit den Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt. Den Tod des M. habe er fahrlässig verursacht, indem er – abgesehen von der vorangegangenen Körperverletzung – gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen habe , sein Fahrzeug so zu führen, dass andere Personen dabei nicht geschädigt werden (§ 1 Abs. 2 StVO). Der Kausalverlauf (Sturz des Opfers durch die Weiterfahrt trotz der dicht neben dem Fahrzeug laufenden Person) und die mögliche Folge des Todes lägen nicht außerhalb der Lebenserfahrung und seien für den Angeklagten vorhersehbar gewesen. Bei rechtmäßigem Handeln, wenn also der Angeklagte alsbald gebremst hätte, nachdem er bemerkt hatte, dass M. an der offenen Tür neben seinem Fahrzeug herlief, wäre der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten.
5
Das Landgericht hat nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände einen minder schweren Fall der Körperverletzung mit Todesfolge im Sinne von § 227 Abs. 2 StGB angenommen.

II.


6
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
7
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründung die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragt. Ferner hat sie zur Begründung der von ihr erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts ausgeführt, durch die nachfolgenden Einzelausführungen die allgemeine Sachrüge nicht beschränken zu wollen. Mit diesem den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrag sowie dem Einleitungssatz der Begründung steht der übrige Inhalt der Revisionsrechtfertigung jedoch nicht in Einklang. Aus den einzelnen Beanstandungen sowie den zusammenfassenden Ausführungen am Schluss der Revisionsrechtfertigung ergibt sich vielmehr, dass die Revisionsführerin das Urteil nur deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht der Bemessung der Freiheitsstrafe zu Unrecht den Strafrahmen des minder schweren Falles nach § 227 Abs. 2 StGB zu Grunde gelegt und bei der Strafzumessung im engeren Sinne strafmildernde Umstände zu Unrecht berücksichtigt und strafschärfende Gesichtspunkte nicht erkennbar erwogen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. November 2003 – 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118; Urteil vom 12. April 1989 – 3 StR 453/88, NJW 1989, 2760, 2762; insoweit in BGHSt 36, 167 nicht abgedruckt; Urteil vom 17. Dezember 1998 – 4 StR 527/98; Beschluss vom 7. November 2002 – 5 StR 336/02, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 5; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 344 Rn. 10).
8
Danach entnimmt der Senat dem Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft in einer Gesamtschau, dass der Schuldspruch nicht angegriffen werden soll. Es ist nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsrechtfertigung allein der Strafausspruch angefochten (vgl. auch Senatsurteil vom 25. April 2013 – 4 StR 296/12, Rn. 4, insoweit in StV 2013, 699 nicht abgedruckt). Der von der Staatsanwaltschaft geltend gemachte Erörterungsmangel, wonach das Landgericht das Ausmaß des Verschuldens nicht hinreichend berücksichtigt habe, rechtfertigt keine andere Beurteilung der Reichweite des Rechtsmittelangriffs. Die Beanstandung bezieht sich ersichtlich auf den Schuldumfang.
9
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist im vorliegenden Fall auch rechtswirksam.
10
Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zur Schuld- und Straffrage ergibt. Soweit die Revision im Hinblick auf die von ihr beanstandete Annahme eines minder schweren Falles im Sinne von § 227 Abs. 2 StGB die Beweiswürdigung angreift , betrifft dies keine tatbestandsrelevanten Feststellungen.

III.


11
Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
12
Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten bei der Wahl des Strafrahmens und bei der Strafzumessung im engeren Sinne zeigt die Revision nicht auf. Das Landgericht hat die erforderliche Gesamtschau vorgenommen und dabei alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Es ist auch nicht zu besorgen , dass das Landgericht den Grad der Fahrlässigkeit und den Umfang des Vorsatzes unzutreffend bewertet hat. In Anbetracht der zahlreichen strafmildernden Umstände ist die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne von § 227 Abs. 2 StGB aus Rechtsgründen ebenso wenig zu beanstanden wie die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe.
13
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben (§ 301 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 481/16
vom
2. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:020217U4STR481.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 9. Mai 2016 wird verworfen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen“ und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 Euro angeordnet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Am 30. Juli 2015 verkaufte der Angeklagte in B. für 5.000 Euro 100 Gramm Kokain an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer. Das Rauschgift hatte einen Kokainhydrochlorid-Anteil von mindestens 80 %, was einer Menge von mindestens 80 Gramm Kokainhydrochlorid entspricht (Tat II.2.a).
4
Am 7. September 2015 lagerte der Angeklagte in seiner Garage in Re. in einem unverschlossenen Tresor 458,95 Gramm Kokain (412 Gramm Kokainhydrochlorid), das in einem Stoffbeutel verpackt war. Auf dem Tresor befanden sich mehrere „Bubbles“ mit insgesamt 51,27 Gramm Kokain (45,6 Gramm Kokainhydrochlorid). Das Rauschgift war zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten bestimmt. Unmittelbar neben dem Stoffbeutel mit dem Kokain verwahrte der Angeklagte einen ungeladenen Revolver ERMA Ka. 357 Magnum/38 Spezial mit entsprechender Munition und eine umgebaute PTB-Schusswaffe Röhm RG 9 Kal. 8 mm, mit der „scharfe Munition“ verschossen werden konnte.In die PTB-Schusswaffe war ein Magazin mit drei Patronen Kaliber 6,22 eingeführt. Dem Angeklagten war bewusst, dass die beiden Waffen griffbereit in der Nähe des Rauschgifts lagerten und er jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne Schwierigkeiten über sie verfügen konnte. Das Kokain und die Waffen wurden am 8. September 2015 sichergestellt (Tat II.2.b).
5
Der Angeklagte beabsichtigte, am 7. September 2015 in den Niederlanden zwei Kilogramm Kokain anzukaufen und am Folgetag in die Bundesrepublik Deutschland zum gewinnbringenden Weiterverkauf einzuschmuggeln. Weil er Grenzkontrollen befürchtete, bat er seinen Bruder R. , bei der Rückfahrt die Grenze zu beobachten. R. willigte ein. Der Angeklagte fuhr am Nachmittag des 7. September 2015 mit einem Pkw nach A. und erwarb dort zwei Kilogramm Kokain. Das Rauschgift versteckte er anschließend in einem hinter dem rückwärtigen Kennzeichen seines Fahrzeugs befindlichen Hohlraum. Am 8. September 2015 fuhr R. in Begleitung des Mitangeklagten D. mit einem Pkw in die Niederlande und traf sich in Ro. mit dem Angeklagten. Seit dem Grenzübertritt und während der weiteren Handlungen wurden der Angeklagte und R. von der Kriminalpolizei observiert. Ab 18.08 Uhr fuhren R. und der Mitangeklagte D. in Richtung deutscher Grenze, während der Angeklagte zunächst in Ro. verblieb. Nachdem R. in der verabredeten Zeit keine Meldung über Auffälligkeiten an der Grenze gemacht hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw über die niederländisch-deutsche Grenze und verbrachte so das in seinem Fahrzeug befindliche Kokain in das Bundesgebiet. Nach der Einreise wurde er von der Polizei angehalten und festgenommen. Das in seinem Fahrzeug versteckte Kokain wurde sichergestellt. Es hatte ein Gesamtgewicht von 1.992,07 Gramm. Darin waren 1.817 Gramm Kokainhydrochloridenthalten (Tat II.2.c).
6
2. Die Strafkammer hat die Taten des Angeklagten als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.a), bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen (Tat II.2.b) und unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.c) bewertet. Die Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.a), fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.b) und zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.c) hat sie den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.a), § 30a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.b) sowie § 30 Abs. 1 BtMG (Tat II.2.c) entnommen. Minderschwere Fälle hat sie jeweils verneint. Die Gesamtstrafe hat das Landgericht unter „maßvoller Erhöhung“ der höchsten Einzelstrafe festgesetzt.

II.


7
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
8
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt.
9
a) Ob der Rechtsmittelführer nur die Strafzumessung angreifen will, ist eine Frage, die im Zweifelsfall im Wege der Auslegung seiner Rechtsmittelerklärungen zu beantworten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 [zu § 318 StPO]; Beschluss vom 28. Januar 2004 – 2 StR 493/03, bei Becker, NStZ-RR 2005, 65, 68). Dabei kann die Auslegung der Revisionsbegründung auch bei einem unbeschränkten Revisionsantrag eindeutig zu dem Ergebnis führen, dass sich der Beschwerdeführer – im Widerspruch zu seinem Antrag – lediglich gegen den Strafausspruch wen- det. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beschwerdeführer um die Staatsanwaltschaft handelt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Urteil vom 4. September 2008 – 1 StR 383/08, bei Cierniak/ Zimmermann, NStZ-RR 2011, 225, 234; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1 Nr. 18; Urteil vom 7. August 1997 – 1 StR 319/97, NStZ 1998, 210).
10
b) Die Auslegung der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft ergibt hier unbeschadet des umfassenden Aufhebungsantrags und der allgemein erhobenen Sachrüge eindeutig, dass lediglich die Einzelstrafen und der Gesamtstrafenausspruch angegriffen werden.
11
Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Revisionsbegründung zunächst die Verletzung materiellen Rechts gerügt und im Anschluss daran ausgeführt, dass die durch die Strafkammer verhängten Einzelstrafen und die Bildung der Gesamtstrafe rechtlicher Überprüfung nicht standhielten. Die Revisionsbegründung erschöpft sich im Weiteren in Einzelangriffen gegen die Strafzumessung im engeren Sinn und gegen die Gesamtstrafe.
12
Der Senat entnimmt diesem Revisionsvorbringen, dass allein der Strafausspruch angefochten werden soll. Den Schuldspruch oder die Anordnung des Wertersatzverfalls betreffende Einzelbeanstandungen werden nicht erhoben. Dem kommt hier besondere Bedeutung zu, denn die Staatsanwaltschaft ist nach Nr. 156 Abs. 2 RiStBV gehalten, keine allgemeinen Sachrügen zu erheben und Revisionen so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils eine Rechtsverletzung gesehen und auf welche Gründe diese Rechtsauffassung gestützt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1, 6). Gegen eine Anfechtung des Schuldspruchs spricht schließlich auch, dass dieser mit Ausnahme der Bewertung der Waffendelikte bei der Tat II.2.b (Besitz statt Führen, kein Besitz von Munition) mit der rechtlichen Würdigung der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift übereinstimmt. Die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 5.000 Euro entspricht dem Schlussantrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft.
13
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
14
Eine den Schuldspruch unberührt lassende isolierte Anfechtung des Strafausspruchs ist grundsätzlich möglich und in der Regel wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 8. Januar 1954 – 2 StR 572/53, NJW 1954, 441; RGSt 45, 149, 150, st. Rspr.). Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.
15
Eine Erstreckung des Revisionsangriffs auf die Verfallsentscheidung ist nicht veranlasst. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist wie die Anordnung des Verfalls in der Regel kein Strafmilderungsgrund und deshalb von der Straffestsetzung unabhängig (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271 mwN). Eine ein Trennbarkeitshindernis begründende Verknüpfung wurde in den Urteilsgründen nicht hergestellt.
16
3. Im Rahmen ihres Anfechtungsumfangs bleibt die Revision ohne Erfolg. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil oder zum Vorteil (§ 301 StPO) des Angeklagten auf.
17
a) Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung, Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; Urteil vom 22. Oktober 1953 – 5 StR 230/53, BGHSt 5, 57, 59 mwN). Dabei ist der Tatrichter lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 mwN).
18
b) Mit Blick auf diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die konkrete Bemessung der Einzelstrafen revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
19
aa) Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, das Landgericht habe dem erst nach der Durchführung eines wesentlichen Teils der Beweisaufnahme abgelegten Geständnis des Angeklagten ein zu hohes Gewicht beigemessen, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Maßgeblich für die Bedeutung eines Geständnisses ist es, inwieweit darin ein Bekenntnis des Angeklagten zu seiner Tat liegt, in ihm Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck kommen und durch seine Ablegung das Prozessziel der Erreichung von Rechtsfrieden gefördert wird (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209 f.). Das strafmildernde Gewicht eines Geständnisses kann daher geringer sein, wenn dafür prozesstaktische Überlegungen bestimmend waren und die Strafkammer dies durch ein in den Urteilsgründen darzulegendes Prozessverhalten bestätigt sieht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 – 1 StR 193/07, NStZ-RR 2007, 232 [Ls]). Das Landgericht hat dem Geständnis des Angeklagten mit nachvollziehbaren Erwägungen zu entnehmen vermocht, dass der Angeklagte sich mit seiner Tat auseinandergesetzt hat und diese tatsächlich bereut. Dabei hat es die Beweislage in den Blick genommen und gewürdigt. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
20
bb) Die strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Erlittene Untersuchungshaft ist bei einer Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18 [insoweit in BGHSt 59, 28 und NStZ 2014, 34 nicht abgedruckt]; Urteil vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ-RR 2014, 106; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100 mwN). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13, Rn. 9 [insoweit in StV 2016, 611 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Von diesem Maßstab ist das Landgericht ausgegangen. Soweit es dabei in der Dauer der Untersu- chungshaft (acht Monate) und einer „erkennbaren“ Belastung für den Angeklag- ten als Erstverbüßer besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung gesehen hat, liegt dies – auch mit Rücksicht auf § 121 Abs. 1 Satz 1 StPO – noch innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.
21
cc) Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Tat II.2.b aus dem Blick verloren hat, dass der Angeklagte über zwei Schusswaffen verfügte, zumal sie den tateinheitlichen Verstoß gegen das Waffengesetz zu seinem Nachteil gewertet hat. Dass das Landgericht nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass der Angeklagte bei der Tat II.2.c einen versteckten Hohlraum seines Fahrzeugs für den Rauschgifttransport nutzte, ist mit Rücksicht auf die sich aus § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO ergebenden eingeschränkten Darlegungsanforderungen nicht rechtsfehlerhaft.
22
c) Auch die Bestimmung der Gesamtstrafe lässt durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
23
aa) Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13, Rn. 3; Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher , sachlicher und situativer Zusammenhang, hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 [Ls]). Auch hierbei braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. Eine Bezugnahme auf die zu den Einzelstrafen gemachten Ausführungen ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Satz 1 Bemessung 1; Urteil vom 30. November1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271 mwN). Einer eingehenderen Begründung bedarf es hingegen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271).
24
bb) Danach erweisen sich die Bemessung der Gesamtstrafe und deren Darlegung hier (noch) nicht als rechtsfehlerhaft.
25
Die Strafkammer hat die Erhöhung der Einsatzstrafe im Wesentlichen durch eine Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den verhängten Einzelstrafen zugrunde liegen, und dabei die Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten nochmals hervorgehoben. Dass sich die Urteilsgründe nicht ausdrücklich dazu verhalten, dass zwischen den Einzeltaten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht, der einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen rechtfertigt, ist hier unschädlich, weil sich dies aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16). Die maßvolle Bemessung der Gesamtstrafe lässt unter diesen Umständen nicht besorgen, dass die Strafkammer die Grundsätze der Gesamtstrafenbildung verkannt hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 677/16
vom
5. September 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
Nebenbeteiligte: 1.
2.
3.
4.
wegen zu 1.: Beihilfe zur bandenmäßigen Steuerhinterziehung u.a.
zu 2.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:050917U1STR677.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –, Staatsanwalt – bei der Verkündung – als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten C. , Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizangestellte – in der Verhandlung –, Justizangestellte – bei der Verkündung – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 6. Juli 2016
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit aa) gegen den Angeklagten C. der Verfall des Wertersatzes in Höhe von 55.452,05 Euro angeordnet ist und bb) festgestellt ist, dass gegen den Angeklagten C. und die Nebenbeteiligte P. SA hinsichtlich eines Betrages in Höhe von jeweils 265.241,50 Euro die Ansprüche eines Verletzten der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenstehen ,
b) aufgehoben, soweit aa) festgestellt ist, dass gegen die Nebenbeteiligte I. ApS hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 103.982,26 Euro die Ansprüche eines Verletzten der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenstehen , bb) eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten C. und der Nebenbeteiligten P. SA und I. ApS angeordnet ist und cc) die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Nebenbeteiligte N. AG unterblieben ist. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 27 Fällen, davon in 24 Fällen bandenmäßig, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten, die Mitangeklagte F. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 20 Fällen, davon in 17 Fällen bandenmäßig, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten und den Mitangeklagten T. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen gegen die Mitangeklagten F. und T. hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
2
Hinsichtlich des Angeklagten C. sowie der Nebenbeteiligten P. SA, I. ApS und E. A/S hat das Landgericht Feststellungsentscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO getroffen und hinsichtlich des Angeklagten C. sowie der Nebenbeteiligten L. und P. SA außerdem Verfall des Wert- ersatzes angeordnet. Von einer Wertersatzverfallsanordnung gegenüber der Nebenbeteiligten N. AG hat das Landgericht ebenso wie von einer Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der Nebenbeteiligten E. A/S stehender Ware abgesehen.
3
Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich der Schuld- und Strafaussprüche gegen den Angeklagten C. und die Mitangeklagte F. , der Anordnung des Verfalls des Wertersatzes gegen die Nebenbeteiligte L. und der Feststellungsentscheidung gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegenüber der Nebenbeteiligten E. A/S rechtskräftig. Auf die Revision des Mitangeklagten T. hat der Senat durch Beschluss vom 28. Juni 2017 das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 6. Juli 2016 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Mitangeklagte T. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen schuldig ist sowie im gesamten Strafausspruch aufgehoben. Seine weitergehende Revision wurde als unbegründet verworfen und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
4
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision nach Teilrücknahmen vom 28. Juli 2016 und vom 16. Dezember 2016 noch die den Verfall betreffenden Entscheidungen gegen den Angeklagten C. , die Nebenbeteiligten P. SA und I. ApS sowie die unterbliebene Anordnung des beantragten Wertersatzverfalls gegen die Nebenbeteiligte N. AG und der beantragten Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der Nebenbeteiligten E. A/S stehender Ware. Das vom Generalbundesanwalt teilweise vertretene Rechtsmittel der Staatsanwalt- schaft hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.


5
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
6
Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor September 2009 schlossen sich der Angeklagte C. und der bereits Verurteilte J. zusammen, um die Zahlungsabwicklung für europaweit hinterzogene Umsatzsteuern zu übernehmen. Hierzu kontrollierten sie Konten, auf welche die am Umsatzsteuerkarussell beteiligten Gesellschaften die aus den Umsatzsteuerhinterziehungen stammenden Gelder transferierten. Die Gelder wurden sodann über weitere Konten und Gesellschaften „gewaschen“.
7
Bis zum Sommer 2011 betrieben der Angeklagte C. und der anderweitig Verurteilte J. eine Zahlungsplattform namens O. . Nach Schwierigkeiten mit der Buchhaltung wurde die O. durch eine neue Zahlungsplattform, die L. , ersetzt. Bereits ab August 2011 wurden die Zahlungsströme über die neuen Konten der L. in Polen umgeleitet. Nutzer dieser Zahlungsplattform waren insbesondere die Firmen Tr. AG und Cy. GmbH, die als Buffer-Firmen die sie „beliefernden“ Missing Trader über die L. „bezahlten“. Ab April 2012 wurde der Angeklagte C. durch die Mitangeklagte F. unterstützt. Im Januar 2013 bereiteten die Beteiligten den Übergang zur nächsten Gesellschaft vor. Dazu wurde am 29. Januar 2013 die N. AG in M. (Liechtenstein) gegründet, deren wirtschaftlich Berechtigter der anderweitig Verfolgte Eu. war. Diesem stellte der Angeklagte C. die von ihm entwickelte Software zum Betrieb der Zahlungsplattform in Kenntnis der beabsichtigten Verwendung entgeltlich zur Verfügung. Bereits ab dem 22. März 2013 – drei Tage nachdem die Staatsanwaltschaft Augsburg die Konten der L. in Polen arrestiert hatte – wurden die Zahlungsströme nunmehr über die neuen Konten der N. AG in Liechtenstein umgeleitet.
8
In den Veranlagungszeiträumen September 2011 bis Februar 2013 hinterzog die im Umsatzsteuerkarussell als Buffer 1 fungierende Tr. AG Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 11.943.833,93 Euro. Die Organisation um den Angeklagten C. und die Mitangeklagte F. stellte den die Tr. AG „beliefernden“ Missing Tradern die Konten der L. zur Verfügung, auf welche die Tr. AG sämtliche Bruttorechnungsbeträge transferierte , um den Verbleib der hinterzogenen deutschen Umsatzsteuer zu verschleiern. In der Zeit vom 12. August 2011 bis zum 18. März 2013 beliefen sich die Zahlungen der Tr. AG auf Konten der L. auf einen Gesamtbetrag von 80.214.800,19 Euro.
9
Darüber hinaus hinterzog die im Umsatzsteuerkarussell ebenfalls als Buffer 1 fungierende Cy. GmbH in den Veranlagungszeiträumen Juli 2012 und Dezember 2012 bis Juni 2013 Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 2.781.923,79 Euro. Die Organisation um den Angeklagten C. und die Mitangeklagte F. stellte auch dem die Cy. GmbH „beliefernden“ Missing Trader, der Ma. GmbH, die Konten der L. bzw. der N. AG zur Verfügung, auf welche die Cy. GmbH sämtliche Bruttorechnungsbeträge transferierte, um ebenfalls den Verbleib der hinterzogenen deutschen Umsatzsteuer zu verschleiern. In der Zeit vom 19. Juli 2012 bis zum 18. März 2013 erfolgten Zahlungen der Cy. GmbH an die Ma.
GmbH über die Zahlungsplattform L. in einer Gesamthöhe von 8.199.031,68 Euro und in der Zeit vom 22. März 2013 bis zum 20. Juni 2013 weitere Zahlungen der Cy. GmbH an die Ma. GmbH über die Zahlungsplattform N. AG in einer Gesamthöhe von 9.224.596,20 Euro.
10
Der Angeklagte T. ist Vorstand der E. A/S mit Sitz in U. (Dänemark). Er „veräußerte“ mit seiner Firma im Wege des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Februar und März 2012 sowie im nicht urteilsgegenständlichen Zeitraum April und Mai 2012 Waren in einem Gesamtwert von 4.637.350 Euro an den Missing Trader Ou. GmbH. Letztge- nannte „veräußerte“ die Waren unter Ausweisung von Umsatzsteuer an die Tr. AG weiter. Die anfallende Umsatzsteuer wurde weder von der Ou. GmbH noch von der Tr. AG ordnungsgemäß erklärt und entrichtet. Die Firma E. A/S diente mit Billigung des Angeklagten T. als In-/Out-Buffer. Ihre Funktion war es, als Warenlieferant aufzutreten und Rechnungen an die Ou. GmbH zu schreiben, um zu verschleiern , dass tatsächlich keine unternehmerischen Lieferungen erbracht wurden. In den Veranlagungszeiträumen Februar und März 2012 wurde dadurch Umsatzsteuer zu Gunsten der Ou. GmbH und der Tr. AG in Höhe von jeweils 450.558,78 Euro hinterzogen.
11
Im Hinblick auf den Angeklagten C. hat das Landgericht in Bezug auf die Zahlungsplattform L. nur deshalb hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 265.241,50 Euro nicht auf Verfall des Wertersatzes erkannt , weil dem Steuerfiskus gemäß § 71 AO ein entsprechender Schadensersatzanspruch zustünde. Den vorgenannten Betrag hat es gemäß § 73b aF StGB im Wege der Schätzung ermittelt, die auf einer für jeden Zahlungsvorgang anfallenden Gebühr in Höhe von 0,5 % des Überweisungsbetrages und einer Gewinnbeteiligung des Angeklagten C. an der L. in Höhe von 60 % beruht. Die Vermögensabschöpfung hat es auf den so ermittelten Betrag gemäß § 73c aF StGB beschränkt. In Bezug auf die Zahlungsplattform N. AG hat das Landgericht gegen den Angeklagten C. den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 55.452,05 Euro angeordnet , weil infolge der festgestellten Zahlungsflüsse feststehe, dass es sich um Gelder handele, die der Angeklagte für die Zurverfügungstellung der Software an die Nebenbeteiligte erhalten habe.
12
Hinsichtlich der Nebenbeteiligten P. SA und I. ApS hat das Landgericht in Bezug auf die Zahlungsplattform L. nicht auf Verfall des Wertersatzes erkannt, weil dem Steuerfiskus gemäß § 70 AO ein entsprechender Schadensersatzanspruch zustünde. Während sich die Rückgewinnungshilfe hinsichtlich der P. SA ebenfalls auf einen Betrag in Höhe von 265.241,50 Euro belaufe, weil maximal der Gewinnanteil des Angeklagten C. als wirtschaftlich Berechtigtem der Nebenbeteiligten abgeschöpft werden könne, betrage sie für die I. ApS 103.982,26 Euro, weil insoweit feststehe, dass es sich um über die Zahlungsplattform L. erzielten Gewinn handele.
13
Hinsichtlich der Nebenbeteiligten N. AG hat das Landgericht keine Vermögensabschöpfung angeordnet, weil keiner der Angeklagten die Vermögensverschiebungen von der Cy. GmbH an die N. AG veranlasst habe. Dies sei vielmehr durch Verantwortliche der Cy. GmbH sowie den Zahlungsplattformbetreiber Eu. erfolgt. Infolge der Zurverfügungstellung von Software durch den Angeklagten C. ohne weitere Beteiligung am tatsächlichen Betrieb der Zahlungsplattform könne indes keine Zurechnung erfolgen.
14
Darüber hinaus hat das Landgericht von der Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der E. A/S stehender Playstations abgesehen. Insoweit hat es ausgeführt, dass weder die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 Nr. 1 aF StGB vorlägen, weil die Playstations nicht Tatmittel derjenigen Taten gewesen seien, derentwegen der Mitangeklagte T. verurteilt wurde, noch die des § 74 Abs. 2 Nr. 2 aF StGB, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Einziehung infolge der Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens für Spielekonsolen gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG nicht mehr die konkrete Gefahr bestehe, dass die Playstations der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden.

II.


15
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat weitgehend Erfolg.
16
1. Hinsichtlich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung kommt im vorliegenden Verfahren das vor dem 1. Juli 2017 geltende Recht zur Anwendung. Zwar finden ausweislich der einschlägigen Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (Art. 316h EGStGB) mit Inkrafttreten des Gesetzes auch für bereits laufende Verfahren grundsätzlich ausschließlich die neuen materiell-rechtlichen Regelungen Anwendung (vgl. dazu BT-Drucks. 18/11640, S. 84). Allerdings sind gemäß Art. 316h Satz 2 EGStGB die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 nicht in Verfahren anzuwenden , in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist. Dies ist hier der Fall, sodass die seit dem 1. Juli 2017 geltenden Vorschriften keine Anwendung finden. Gleiches gilt gemäß § 14 EGStPO für die strafprozessualen Vorschriften, weil das Landgericht Augsburg mit Urteil vom 6. Juli 2016 – und damit vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung am 1. Juli 2017 – Feststellungsentscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO getroffen hat.
17
2. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die den Verfall betreffenden Entscheidungen gegen den Angeklagten C. , die Nebenbeteiligten P. SA und I. ApS sowie die unterbliebene Anordnung des beantragten Wertersatzverfalls gegen die Nebenbeteiligte N. AG und der beantragten Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der Nebenbeteiligten E. A/S stehender Ware beschränkt (dazu auch BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174 [175] mwN). Die insoweit angefochtenen Teile der Entscheidung können losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbstständig geprüft und beurteilt werden.
18
3. Weder die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten C. noch die vom Landgericht getroffenen Feststellungsent- scheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen den Angeklagten C. sowie die Nebenbeteiligten P. SA und I. ApS halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
19
a) Hinsichtlich des Angeklagten C. fehlt es bereits an hinreichenden Feststellungen des Landgerichts, dass dieser tatsächlich selbst etwas für die Taten bzw. aus den Taten erlangt hat. Denn die dem Vermögen einer juristischen Person zugeflossenen Vermögenswerte sind nicht ohne weiteres durch den Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 aF StGB erlangt, selbst wenn dieser eine – legale – Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227 [256]). Insoweit wirkt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zugunsten des Angeklagten C. (§ 301 StPO).
20
b) Zudem lassen die Ausführungen des Landgerichts zum geschätzten Gewinn des Angeklagten C. an der L. besorgen, dass es dabei den tatsächlich darüber hinausgehenden Abfluss von Geldern der L. an den Angeklagten bzw. an die von ihm beherrschten Gesellschaften aus dem Blick verloren hat. Hierzu hat das Landgericht festgestellt, dass zwischen dem 6. Dezember 2012 und dem 18. März 2013 insgesamt etwa 284.500 Euro vom Konto der L. auf ein Konto der Eu. C. Co. Limited überwiesen wurden und von dem letztgenannten Konto Zahlungsflüsse in Höhe von insgesamt 498.750 Euro auf das Konto der Nebenbeteiligten P. SA zu verzeichnen waren.

c) Die insoweit unzureichende Berücksichtigung der tatsächlichen Zah21 lungsflüsse zieht zugleich die Aufhebung der in selber Höhe ergangenen Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen die Nebenbeteiligte P. SA nach sich.
22
d) Darüber hinaus ist das Absehen einer Wertersatzverfallsanordnung hinsichtlich der Nebenbeteiligten P. SA und I. ApS infolge einer von dem Landgericht angenommenen entgegenstehenden Haftung gegenüber dem Steuerfiskus aus § 70 AO nicht frei von Rechtsfehlern.
23
aa) Gemäß § 70 Abs. 1 AO haften die Vertretenen, soweit sie nicht Steuerschuldner sind, für die durch die Tat verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile, wenn die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen bei Ausübung ihrer Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen oder an einer Steuerhinterziehung teilnehmen und hierdurch Steuerschuldner oder Haftende werden. Daraus ergibt sich insbesondere, dass die strafbare Handlung des Vertreters im Zu- sammenhang mit seinen Aufgaben stehen muss („bei Ausübung ihrer Obliegenheiten“ ; dazu BFH, Urteil vom 30. November 1951 – IIz 148/51 U, BFHE 56, 39; FG Münster, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 2 K 4490/12, EFG 2014, 801). Dies ist nach einhelliger Meinung der Fall, wenn seine Tat ohne die Aufgabenübertragung nicht begangen worden wäre und in unmittelbarem örtlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Vertretenen steht (dazu Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl., § 70 Rn. 4; Intemann in Koenig, AO, 3. Aufl., § 70 Rn. 5; Schneider in AO – eKommentar, Stand: 01.01.2015, § 70 Rn. 6; Boeker in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, 243. Lieferung 07.2017, § 70 Rn. 16, jeweils mwN; vgl. auch Fehsenfeld, DStZ 2012, 852 [854 f.]).
24
bb) Unter Berücksichtigung der landgerichtlichen Feststellungen steht im vorliegenden Fall das strafbare Verhalten des Angeklagten C. in Form der Betreibung von Zahlungsplattformen für an Umsatzsteuerkarussellen beteiligten Gesellschaften und der entgeltlichen Zurverfügungstellung von Software allerdings in keinerlei sachlichen Zusammenhang mit seinen gegenüber den Nebenbeteiligten P. SA und I. ApS obliegenden Aufgaben bzw. steuerlichen Pflichten, deren wirtschaftlich Berechtigter und faktischer Geschäftsführer er war. Den Feststellungen lässt sich vielmehr entnehmen , dass die vorgenannten Nebenbeteiligten – eine Briefkastenfirma mit Sitz in Panama bzw. eine Baufirma in Dänemark – den Zahlungsplattformen nachgelagert waren und vornehmlich der Verschleierung seiner Einkünfte dienten (UA S. 116) bzw. als Geldwäschegesellschaften für seinen Gewinnanteil genutzt wurden (UA S. 128 und 130). Eine solche Fallgestaltung wird von dem Wortlaut der Haftungsvorschrift des § 70 AO nicht erfasst. Eine Haftung der genannten Nebenbeteiligten gegenüber dem Steuerfiskus gemäß § 70 AO scheidet daher unter den gegebenen Umständen aus und steht dementsprechend einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz nicht entgegen.
25
4. Infolge der Aufhebung der Wertersatzverfallsanordnung gegen den Angeklagten C. sowie der Feststellungsentscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen den Angeklagten C. und die Nebenbeteiligten P. SA und I. ApS war auch die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung aufzuheben.

26
5. Die unterbliebene Vermögensabschöpfung hinsichtlich der Nebenbeteiligten N. AG hält revisionsgerichtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand. Denn nach den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwaltes liegen die Voraussetzungen des Verfalls bzw. des Verfalls des Wertersatzes gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 aF StGB hier vor. Gemäß § 73 Abs. 3 aF StGB richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift gegen den Dritten, wenn der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und dadurch dieser etwas erlangt hat. Ein „Handeln für einen anderen“ im Sinne des § 73 Abs. 3 aF StGB liegt vor, wenn die rechtswidrige Tat objektiv bewirkt, dass diesem anderen unmittelbar ein Vermögensvorteil zufließt, und wenn der Handelnde dies im Interesse des Empfängers will; hierbei reicht es aus, wenn der Tatbeteiligte rein faktisch (auch) im Interesse des Dritten gehandelt hat, mag dies auch nach außen nicht erkennbar geworden sein (vgl. dazu BGH, Urteile vom 9. Oktober 1990 – 1 StR 538/89, NJW 1991, 367 [371] mwN und vom 19. Oktober 1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235). Nach den Feststellungen des Landgerichts leistete der Angeklagte C. durch die entgeltliche Zurverfügungstellung der notwendigen Software, mit deren Hilfe die Beträge aus den Umsatzsteuerhinterziehungen „gewaschen“ wurden, Beihilfe zur Beihilfe des anderweitig Verfolgten Eu. zu Haupttaten des anderweitig Verurteilten S. als Geschäftsführer der Cy. GmbH. Diese im Vorfeld erfolgte Beihilfehandlung des Angeklagten C. begründet ein „Handeln für einen anderen“ – nämlich für die Nebenbeteiligte N. AG –, so dass die dadurch von der Nebenbeteiligten erlangten Gelder aus Umsatzsteuerhinterziehungen gemäß § 73 Abs. 3 aF i.V.m. § 73a aF StGB abgeschöpft werden können.
27
6. Die unterbliebene Anordnung der beantragten Einziehung des Erlöses aus der Notveräußerung von im Eigentum der E. A/S stehender Playstations erweist sich dementgegen als rechtsfehlerfrei.
28
a) Gemäß § 111l Abs. 1 Satz 3 aF StPO tritt im Falle einer Notveräußerung der Erlös an die Stelle des veräußerten Vermögenswertes.
29
b) Die Ausführungen des Landgerichts, dass die im Eigentum der E. A/S stehenden Playstations nicht Tatmittel solcher Taten waren , derentwegen der Vorstand dieser Nebenbeteiligten, der Angeklagte T. , verurteilt wurde, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Dementsprechend konnte eine Einziehung gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1, § 75 aF StGB nicht erfolgen. Im Hinblick auf die bestehende Gefahr, dass die Playstations der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden (§ 74 Abs. 2 Nr. 2 aF StGB) hat das Landgericht rechtlich zutreffend auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Einziehung abgestellt (vgl. dazu Fischer, StGB, 64. Aufl., § 74 Rn. 15; BeckOK StGB/Heuchemer, 34. Ed., StGB, § 74 Rn. 30; OLG Hamm, NJW 1976, 2222 [2223]).
30
7. Die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen waren im Hinblick auf die Anordnung von Wertersatzverfall gegen den Angeklagten C. sowie die Entscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 aF StPO gegen den Angeklagten C. und die Nebenbeteiligte P. SA aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem Tatgericht neue Feststellungen zu ermöglichen , die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen. Im Übrigen konnten die Feststellungen aufrechterhalten bleiben. RiBGH Prof. Dr. Graf ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Raum Cirener Bär Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 126/10
vom
17. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
StGB §§ 73, 73 a, 73 c
Die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls des Wertersatzes gegen Jugendliche
oder Heranwachsende, auf die Jugendstrafrecht angewendet wird, ist zulässig
; das gilt auch, wenn der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen
des Täters vorhanden ist.
BGH, Urt. vom 17. Juni 2010 - 4 StR 126/10 - LG Bochum -
1.
2.
3.
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juni 2010,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender,
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
für den Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt für den Angeklagten V. ,
Rechtsanwalt für den Angeklagten E.
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 3. September 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht die Anordnung des Verfalls und des Verfalls des Wertersatzes abgelehnt hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 30 Fällen (R. ) bzw. in 29 Fällen (E. und V. ), R. und E. darüber hinaus des Diebstahls schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten E. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, die Angeklagten R. und V. jeweils zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. „Insbesondere“ gegen die Nichtanordnung des Verfalls bzw. des Verfalls des Wertersatzes richten sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben im Umfang der Anfechtung Erfolg.

I.


2
Die Rechtsmittel sind auf die Nichtanordnung des Verfalls bzw. des Verfalls von Wertersatz beschränkt. Nach dem Revisionsantrag wendet sich die Staatsanwaltschaft "insbesondere" gegen das Unterlassen der entsprechenden Anordnungen. In der Revisionsbegründung legt die Rechtsmittelführerin näher dar, aus welchen Gründen sie die unterbliebene Anordnung von Maßnahmen nach §§ 73 ff. StGB für rechtsfehlerhaft hält; anderweitige Beanstandungen erhebt sie nicht. Eine auch an Nr. 156 Abs. 2 RiStBV orientierte sachgerechte Auslegung des Angriffsziels der Staatsanwaltschaft ergibt daher, dass sie das Rechtsmittel insoweit beschränkt hat.
3
Die Beschränkung ist wirksam (§ 2 Abs. 2 JGG, § 344 Abs. 1 StPO). Eine isolierte Anfechtung der unterbliebenen Anordnung des Verfalls oder des Wertersatzverfalls ist grundsätzlich zulässig (BGH, Urt. vom 5. April 2000 - 2 StR 500/99, NStZ 2000, 480; Beschl. vom 5. Dezember 1996 - 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271; BayObLG NStZ-RR 1999, 269, 270; Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 318 Rdn. 22). Das gilt auch im Jugendstrafrecht (BGH, Urt. vom 27. Juli 2005 - 2 StR 241/05; vgl. auch Senat, Beschl. vom 23. März 2000 - 4 StR 502/99 zu Jugendstrafe und Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB sowie Eisenberg JGG 14. Aufl. § 55 Rdn. 17). Zwar ist eine Rechtsmittelbeschränkung nach den allgemeinen Grundsätzen nur dann wirksam, wenn der angefochtene Teil der Entscheidung losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (BGH, Urt. vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 246/04, NStZ-RR 2005, 104). So verhält es sich aber auch im vorliegenden Fall. Das Landgericht hat die Jugendstrafen so bemessen, dass eine erzieherische Einwirkung auf die Angeklagten möglich ist (UA 36, 37). Der Senat schließt aus, dass die Jugendkammer die - ohnehin eher milden - Strafen noch niedriger festgesetzt hätte, hätte sie daneben den Verfall (von Wertersatz) angeordnet; dieser ist keine Strafe und auch keine strafähnliche Maßnahme (BGH, Urt. vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 370 ff.). Ob der Staat Zahlungsansprüche überhaupt gegen die Angeklagten wird durchsetzen können, steht hingegen nicht fest (vgl. BGH, Beschl. vom 22. November 2000 - 1 StR 479/00, NStZ 2001, 312).

II.


4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachten die Angeklagten als führende Mitglieder einer Bande in 29 bzw. 30 Fällen insgesamt 19,4 kg (R. ) bzw. 18,8 kg (E. und V. ) zum Handeltreiben bestimmtes Marihuana von den Niederlanden in die Bundesrepublik; sie veräußerten das Rauschgift anschließend gewinnbringend an ihre Abnehmer.
5
Bei seiner Festnahme führte der Angeklagte E. 535 € aus dem vorangegangenen Verkauf einer Teilmenge des Marihuanas mit sich, welches durch die letzte, als Fall 31 der Urteilsgründe abgeurteilte Einkaufsfahrt eingeführt worden war. Im Übrigen konnte die Jugendkammer die Einlassung der Angeklagten , von den - in einer gemeinsamen Kasse verwalteten (UA 11) - Erlösen aus den Betäubungsmittelverkäufen sei kein Geld übrig geblieben, nicht widerlegen (UA 28). Alle Angeklagten wohnten im Zeitpunkt der tatrichterlichen Hauptverhandlung jeweils noch bei ihren Eltern; sie waren arbeitslos und ohne Einkommen. Die Finanzermittlungen haben lediglich ergeben, dass R. über einen Sparvertrag mit einem Guthaben in Höhe von 6.327 € verfügt, auf den im Wesentlichen seine Eltern Geld eingezahlt haben.
6
2. Das Landgericht hat auf alle Angeklagten gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG - bei E. in Verbindung mit § 32 JGG - Jugendstrafrecht angewendet. Die Anordnung des Verfalls der sichergestellten 535 € sowie des Verfalls von Wertersatz hat die Jugendkammer abgelehnt. Die Maßnahmen nach §§ 73 ff. StGB seien auf Jugendliche und Heranwachsende, auf die Jugendstrafrecht Anwendung finde, nicht anwendbar. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz entfalte dieselben "Auswirkungen" wie eine Geldstrafe. Eine Rechtsfolge, die zu einer "Reduzierung der Tragweite des Erziehungsgedankens i.S.d. Vergeltungsprinzips" führe, sei mit der Systematik des Jugendstrafrechts nicht vereinbar. Den Verfallsvorschriften könne nicht die Ermächtigung entnommen werden, einen weiter gehenden Vermögensverlust der vom Verfall betroffenen Jugendlichen oder Heranwachsenden herzustellen. Darauf, dass die Härteklausel des § 73 c StGB die Jugendlichen oder Heranwachsenden ausreichend schütze, könne nicht abgestellt werden. Die Einräumung der hiermit verbundenen Ermessensentscheidung verstoße gegen die Grundprinzipien des Jugendstrafrechts. Im Übrigen würde die Jugendkammer von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgehen. Die Angeklagten seien hier tatsächlich entreichert, weil die sichergestellten 535 € durch die den Angeklagten auferlegten Gerichtskosten in dem staatlichen Zahlungsanspruch aufgingen und im Übrigen die erzielten Rauschgifterlöse nicht mehr vorhanden seien.
7
3. Die Ablehnung der Anordnung des Verfalls und des Wertersatzverfalls hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
a) Die Vorschriften der §§ 73 ff. StGB sind über die Verweisung in § 2 Abs. 2 JGG auch im Jugendstrafrecht anwendbar (Altenhain in MünchKomm /StGB § 2 JGG Rdn. 7; Eser in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. vor § 73 Rdn. 11). Hieran knüpft § 8 Abs. 3 JGG an, wonach der Richter neben Ju- gendstrafe auf die nach dem Jugendgerichtsgesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen erkennen kann. Damit sind auch die im Siebenten Titel des 3. Abschnitts des Strafgesetzbuchs genannten Maßnahmen des Verfalls und der Einziehung (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) gemeint (Altenhain aaO § 8 Rdn. 3; vgl. BGH, Beschl. vom 12. Juli 2000 - StB 4/00 zur Einziehung nach § 74 Abs. 1 und 2 Nr. 1 StGB). Hiervon nimmt § 6 JGG lediglich die dort genannten Nebenfolgen aus (Altenhain aaO § 6 JGG Rdn. 6). Diese gesetzgeberische Entscheidung kann nicht unter Berufung auf erzieherische Interessen unterlaufen werden ; § 6 JGG ist eine Ausnahmevorschrift (vgl. Dallinger/Lackner JGG 2. Aufl. § 6 Rdn. 10). Deshalb ist nicht nur die Anordnung des Verfalls, sondern auch diejenige des Verfalls des Wertersatzes zulässig (Altenhain aaO Rdn. 8; unklar Eisenberg aaO § 6 Rdn. 5).
9
b) Für dieses Ergebnis streiten auch systematische Erwägungen: Das Jugendgerichtsgesetz geht in § 76 Satz 1 JGG selbst von der Zulässigkeit der Anordnung des Verfalls aus. Die Anordnung des Wertersatzverfalls entspricht auch nicht der Verhängung einer - im Jugendgerichtsgesetz nicht vorgesehenen - Geldstrafe. Zwar wird die vom Gericht bestimmte Geldsumme wie eine Geldstrafe beigetrieben (§ 459 g Abs. 2 StPO); dem zu Wertersatzverfall Verurteilten droht jedoch im Falle der Uneinbringlichkeit keine Ersatzfreiheitsstrafe (Meyer-Goßner aaO § 459 g Rdn. 7; vgl. demgegenüber BGH, Urt. vom 13. Juli 1954 - 1 StR 465/53, BGHSt 6, 258 zu § 401 Abs. 2 RAbgO). Das Jugendgerichtsgesetz sieht zudem verschiedentlich die Auferlegung von Geldzahlungen vor (vgl. nur § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 JGG) und bewehrt deren schuldhafte Nichterfüllung mit Jugendarrest (§ 15 Abs. 3 Satz 2 JGG). Insbesondere ermächtigt das Jugendgerichtsgesetz auch zur Abschöpfung des strafbar erlangten Gewinns durch Zahlung eines Geldbetrages (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 JGG; vgl. dazu Eisenberg aaO § 15 Rdn. 18).
10
c) Daher ist die Verhängung der in §§ 73 ff. StGB vorgesehenen Maßnahmen auch bei Jugendlichen und solchen Heranwachsenden zulässig, auf die Jugendstrafrecht angewendet wird, und zwar, wie sich schon aus § 73 a StGB ergibt, unabhängig davon, ob der Wert noch im Vermögen des Jugendlichen vorhanden ist (Altenhain aaO; a.A. Diemer in Diemer/Schoreit/Sonnen JGG 5. Aufl. § 6 Rdn. 3; wohl auch Brunner/Dölling JGG 11. Aufl. § 6 Rdn. 3, 6, 7). Der Vermeidung von Härten dient allein § 73 c StGB.
11
d) Der Bundesgerichtshof ist dementsprechend wiederholt ohne weiteres von der Zulässigkeit der Anordnung des Verfalls von Wertersatz neben der Verhängung von Jugendstrafe ausgegangen und hat lediglich die Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB näher geprüft (BGH, Beschlüsse vom 15. März 2001 - 3 StR 21/01, NJW 2001, 1805 und vom 10. Juni 2009 - 2 StR 76/09, NJW 2009, 2755).
12
e) Unabhängig davon geht die Annahme des Landgerichts, der Anordnung des Verfalls der sichergestellten 535 € stünde auch entgegen, dass dieser Betrag "durch die den Angeklagten auferlegten Gerichtskosten in dem staatlichen Zahlungsanspruch" aufginge, fehl. Das Gesetz sieht eine derartige Verknüpfung staatlicher Zahlungsansprüche mit der Folge der Verdrängung des Verfalls nicht vor.

III.


13
1. Der aufgezeigte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, den Verfall (von bis zu 535 €) und den Verfall des Wertersatzes anzuordnen. Der nicht weiter begründete Hinweis der Kammer, sie würde - wohl im Rahmen des § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB - von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgehen, vermag das Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht auszuschließen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs sind Hilfserwägungen zur Rechtsfolgenentscheidung unzulässig (RGSt 70, 400, 403; 71, 101, 104; BGH, Urt. vom 14. Juni 1955 - 2 StR 136/55, BGHSt 7, 359; BGH, Urt. vom 27. Januar 1998 - 1 StR 702/97, NStZ 1998, 305, 306; Beschl. vom 29. Oktober 2008 - 2 StR 386/08). Wegen des von der Jugendkammer angenommenen Verstoßes einer auf § 73 c StGB gestützten Ermessensentscheidung gegen die Grundprinzipien des Jugendstrafrechts besorgt der Senat darüber hinaus, dass das Landgericht bei seinen Erwägungen die - auch erzieherische - Bedeutung der nach dem Gesetz zulässigen Gewinnabschöpfung rechtsfehlerhaft nicht hinreichend bedacht hat. Der ergänzende Hinweis auf die Belastung "mit einer so exorbitant hohen Geldforderung" lässt im Übrigen befürchten, dass das Landgericht die Möglichkeit einer bloßen Reduzierung der Höhe des Verfalls (von Wertersatz) gemäß § 73 c Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ("soweit"; vgl. BGH, Beschl. vom 15. März 2001 - 3 StR 21/01, NJW 2001, 1805, 1806 m.w.N.) übersehen hat.
14
2. Der neue Tatrichter wird nunmehr - ausgehend vom Bruttoprinzip (vgl. BGH, Urt. vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 370 ff.) - die Höhe der Erlöse aus den Betäubungsmittelverkäufen für jeden Angeklagten gesondert festzustellen haben. Die bei mehreren Tatbeteiligten erforderliche Erlangung der (faktischen) wirtschaftlichen Mitverfügungsgewalt (Senat, Urt. vom 1. März 2007 - 4 StR 544/06 m.w.N.; vgl. zur gesamtschuldnerischen Haftung BGH, Beschl. vom 27. Mai 2008 - 3 StR 50/08, NStZ 2008, 623) ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu bejahen; allerdings wird zu beachten sein, dass in den Fällen acht bis zehn der Urteilsgründe nicht alle Angeklagten beteiligt waren, so dass insoweit eine Verfallsanordnung gegen die Nichtbe- teiligten nicht auf § 73 StGB (und daran anknüpfend § 73 a StGB) gestützt werden kann (vgl. Senat, Urt. vom 11. Dezember 2008 - 4 StR 386/08). Sodann wird für jeden der Angeklagten zu prüfen sein, ob nach § 73 c StGB ganz oder teilweise von der Anordnung des Verfalls der 535 € und des Wertersatzverfalls abzusehen ist. Insoweit verweist der Senat auf die Grundsätze im Senatsurteil vom 2. Oktober 2008 - 4 StR 153/08, NStZ-RR 2009, 234).
15
3. Vorsorglich bemerkt der Senat, dass die auf § 353 Abs. 2 StPO beruhende Aufhebung der dem Verfall zuzuordnenden Feststellungen nicht die sogenannten doppelrelevanten Tatsachen erfasst, die auch den Schuld- oder Strafausspruch tragen (z.B. die Feststellungen zu den Einkaufs- und Verkaufspreisen ; vgl. näher Meyer-Goßner aaO Einl. 187; § 353 Rdn. 20); insoweit sind nur ergänzende Feststellungen zulässig, die den bindend gewordenen nicht widersprechen dürfen.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Mutzbauer Bender

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 481/16
vom
2. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:020217U4STR481.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 9. Mai 2016 wird verworfen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen“ und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 Euro angeordnet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Am 30. Juli 2015 verkaufte der Angeklagte in B. für 5.000 Euro 100 Gramm Kokain an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer. Das Rauschgift hatte einen Kokainhydrochlorid-Anteil von mindestens 80 %, was einer Menge von mindestens 80 Gramm Kokainhydrochlorid entspricht (Tat II.2.a).
4
Am 7. September 2015 lagerte der Angeklagte in seiner Garage in Re. in einem unverschlossenen Tresor 458,95 Gramm Kokain (412 Gramm Kokainhydrochlorid), das in einem Stoffbeutel verpackt war. Auf dem Tresor befanden sich mehrere „Bubbles“ mit insgesamt 51,27 Gramm Kokain (45,6 Gramm Kokainhydrochlorid). Das Rauschgift war zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten bestimmt. Unmittelbar neben dem Stoffbeutel mit dem Kokain verwahrte der Angeklagte einen ungeladenen Revolver ERMA Ka. 357 Magnum/38 Spezial mit entsprechender Munition und eine umgebaute PTB-Schusswaffe Röhm RG 9 Kal. 8 mm, mit der „scharfe Munition“ verschossen werden konnte.In die PTB-Schusswaffe war ein Magazin mit drei Patronen Kaliber 6,22 eingeführt. Dem Angeklagten war bewusst, dass die beiden Waffen griffbereit in der Nähe des Rauschgifts lagerten und er jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne Schwierigkeiten über sie verfügen konnte. Das Kokain und die Waffen wurden am 8. September 2015 sichergestellt (Tat II.2.b).
5
Der Angeklagte beabsichtigte, am 7. September 2015 in den Niederlanden zwei Kilogramm Kokain anzukaufen und am Folgetag in die Bundesrepublik Deutschland zum gewinnbringenden Weiterverkauf einzuschmuggeln. Weil er Grenzkontrollen befürchtete, bat er seinen Bruder R. , bei der Rückfahrt die Grenze zu beobachten. R. willigte ein. Der Angeklagte fuhr am Nachmittag des 7. September 2015 mit einem Pkw nach A. und erwarb dort zwei Kilogramm Kokain. Das Rauschgift versteckte er anschließend in einem hinter dem rückwärtigen Kennzeichen seines Fahrzeugs befindlichen Hohlraum. Am 8. September 2015 fuhr R. in Begleitung des Mitangeklagten D. mit einem Pkw in die Niederlande und traf sich in Ro. mit dem Angeklagten. Seit dem Grenzübertritt und während der weiteren Handlungen wurden der Angeklagte und R. von der Kriminalpolizei observiert. Ab 18.08 Uhr fuhren R. und der Mitangeklagte D. in Richtung deutscher Grenze, während der Angeklagte zunächst in Ro. verblieb. Nachdem R. in der verabredeten Zeit keine Meldung über Auffälligkeiten an der Grenze gemacht hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw über die niederländisch-deutsche Grenze und verbrachte so das in seinem Fahrzeug befindliche Kokain in das Bundesgebiet. Nach der Einreise wurde er von der Polizei angehalten und festgenommen. Das in seinem Fahrzeug versteckte Kokain wurde sichergestellt. Es hatte ein Gesamtgewicht von 1.992,07 Gramm. Darin waren 1.817 Gramm Kokainhydrochloridenthalten (Tat II.2.c).
6
2. Die Strafkammer hat die Taten des Angeklagten als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.a), bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen (Tat II.2.b) und unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.c) bewertet. Die Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.a), fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.b) und zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.c) hat sie den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.a), § 30a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.b) sowie § 30 Abs. 1 BtMG (Tat II.2.c) entnommen. Minderschwere Fälle hat sie jeweils verneint. Die Gesamtstrafe hat das Landgericht unter „maßvoller Erhöhung“ der höchsten Einzelstrafe festgesetzt.

II.


7
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
8
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt.
9
a) Ob der Rechtsmittelführer nur die Strafzumessung angreifen will, ist eine Frage, die im Zweifelsfall im Wege der Auslegung seiner Rechtsmittelerklärungen zu beantworten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 [zu § 318 StPO]; Beschluss vom 28. Januar 2004 – 2 StR 493/03, bei Becker, NStZ-RR 2005, 65, 68). Dabei kann die Auslegung der Revisionsbegründung auch bei einem unbeschränkten Revisionsantrag eindeutig zu dem Ergebnis führen, dass sich der Beschwerdeführer – im Widerspruch zu seinem Antrag – lediglich gegen den Strafausspruch wen- det. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beschwerdeführer um die Staatsanwaltschaft handelt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Urteil vom 4. September 2008 – 1 StR 383/08, bei Cierniak/ Zimmermann, NStZ-RR 2011, 225, 234; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1 Nr. 18; Urteil vom 7. August 1997 – 1 StR 319/97, NStZ 1998, 210).
10
b) Die Auslegung der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft ergibt hier unbeschadet des umfassenden Aufhebungsantrags und der allgemein erhobenen Sachrüge eindeutig, dass lediglich die Einzelstrafen und der Gesamtstrafenausspruch angegriffen werden.
11
Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Revisionsbegründung zunächst die Verletzung materiellen Rechts gerügt und im Anschluss daran ausgeführt, dass die durch die Strafkammer verhängten Einzelstrafen und die Bildung der Gesamtstrafe rechtlicher Überprüfung nicht standhielten. Die Revisionsbegründung erschöpft sich im Weiteren in Einzelangriffen gegen die Strafzumessung im engeren Sinn und gegen die Gesamtstrafe.
12
Der Senat entnimmt diesem Revisionsvorbringen, dass allein der Strafausspruch angefochten werden soll. Den Schuldspruch oder die Anordnung des Wertersatzverfalls betreffende Einzelbeanstandungen werden nicht erhoben. Dem kommt hier besondere Bedeutung zu, denn die Staatsanwaltschaft ist nach Nr. 156 Abs. 2 RiStBV gehalten, keine allgemeinen Sachrügen zu erheben und Revisionen so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils eine Rechtsverletzung gesehen und auf welche Gründe diese Rechtsauffassung gestützt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1, 6). Gegen eine Anfechtung des Schuldspruchs spricht schließlich auch, dass dieser mit Ausnahme der Bewertung der Waffendelikte bei der Tat II.2.b (Besitz statt Führen, kein Besitz von Munition) mit der rechtlichen Würdigung der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift übereinstimmt. Die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 5.000 Euro entspricht dem Schlussantrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft.
13
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
14
Eine den Schuldspruch unberührt lassende isolierte Anfechtung des Strafausspruchs ist grundsätzlich möglich und in der Regel wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 8. Januar 1954 – 2 StR 572/53, NJW 1954, 441; RGSt 45, 149, 150, st. Rspr.). Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.
15
Eine Erstreckung des Revisionsangriffs auf die Verfallsentscheidung ist nicht veranlasst. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist wie die Anordnung des Verfalls in der Regel kein Strafmilderungsgrund und deshalb von der Straffestsetzung unabhängig (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271 mwN). Eine ein Trennbarkeitshindernis begründende Verknüpfung wurde in den Urteilsgründen nicht hergestellt.
16
3. Im Rahmen ihres Anfechtungsumfangs bleibt die Revision ohne Erfolg. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil oder zum Vorteil (§ 301 StPO) des Angeklagten auf.
17
a) Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung, Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; Urteil vom 22. Oktober 1953 – 5 StR 230/53, BGHSt 5, 57, 59 mwN). Dabei ist der Tatrichter lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 mwN).
18
b) Mit Blick auf diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die konkrete Bemessung der Einzelstrafen revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
19
aa) Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, das Landgericht habe dem erst nach der Durchführung eines wesentlichen Teils der Beweisaufnahme abgelegten Geständnis des Angeklagten ein zu hohes Gewicht beigemessen, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Maßgeblich für die Bedeutung eines Geständnisses ist es, inwieweit darin ein Bekenntnis des Angeklagten zu seiner Tat liegt, in ihm Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck kommen und durch seine Ablegung das Prozessziel der Erreichung von Rechtsfrieden gefördert wird (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209 f.). Das strafmildernde Gewicht eines Geständnisses kann daher geringer sein, wenn dafür prozesstaktische Überlegungen bestimmend waren und die Strafkammer dies durch ein in den Urteilsgründen darzulegendes Prozessverhalten bestätigt sieht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 – 1 StR 193/07, NStZ-RR 2007, 232 [Ls]). Das Landgericht hat dem Geständnis des Angeklagten mit nachvollziehbaren Erwägungen zu entnehmen vermocht, dass der Angeklagte sich mit seiner Tat auseinandergesetzt hat und diese tatsächlich bereut. Dabei hat es die Beweislage in den Blick genommen und gewürdigt. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
20
bb) Die strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Erlittene Untersuchungshaft ist bei einer Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18 [insoweit in BGHSt 59, 28 und NStZ 2014, 34 nicht abgedruckt]; Urteil vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ-RR 2014, 106; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100 mwN). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13, Rn. 9 [insoweit in StV 2016, 611 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Von diesem Maßstab ist das Landgericht ausgegangen. Soweit es dabei in der Dauer der Untersu- chungshaft (acht Monate) und einer „erkennbaren“ Belastung für den Angeklag- ten als Erstverbüßer besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung gesehen hat, liegt dies – auch mit Rücksicht auf § 121 Abs. 1 Satz 1 StPO – noch innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.
21
cc) Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Tat II.2.b aus dem Blick verloren hat, dass der Angeklagte über zwei Schusswaffen verfügte, zumal sie den tateinheitlichen Verstoß gegen das Waffengesetz zu seinem Nachteil gewertet hat. Dass das Landgericht nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass der Angeklagte bei der Tat II.2.c einen versteckten Hohlraum seines Fahrzeugs für den Rauschgifttransport nutzte, ist mit Rücksicht auf die sich aus § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO ergebenden eingeschränkten Darlegungsanforderungen nicht rechtsfehlerhaft.
22
c) Auch die Bestimmung der Gesamtstrafe lässt durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
23
aa) Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13, Rn. 3; Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher , sachlicher und situativer Zusammenhang, hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 [Ls]). Auch hierbei braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. Eine Bezugnahme auf die zu den Einzelstrafen gemachten Ausführungen ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Satz 1 Bemessung 1; Urteil vom 30. November1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271 mwN). Einer eingehenderen Begründung bedarf es hingegen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271).
24
bb) Danach erweisen sich die Bemessung der Gesamtstrafe und deren Darlegung hier (noch) nicht als rechtsfehlerhaft.
25
Die Strafkammer hat die Erhöhung der Einsatzstrafe im Wesentlichen durch eine Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den verhängten Einzelstrafen zugrunde liegen, und dabei die Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten nochmals hervorgehoben. Dass sich die Urteilsgründe nicht ausdrücklich dazu verhalten, dass zwischen den Einzeltaten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht, der einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen rechtfertigt, ist hier unschädlich, weil sich dies aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16). Die maßvolle Bemessung der Gesamtstrafe lässt unter diesen Umständen nicht besorgen, dass die Strafkammer die Grundsätze der Gesamtstrafenbildung verkannt hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 235/12
vom
22. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. August
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach und
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 7. März 2012
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, im Strafausspruch und soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. II. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Die Kosten dieses Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Angeklagten und die zu seinen Ungunsten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; das auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte seit dem 14. Lebensjahr Haschisch und Amphetamin, später nahm er auch Ecstasy und LSD. Seit dem Jahre 2006 konsumierte er überdies Kokain. Er wurde im Jahre 2007 wegen Drogendelikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Im offenen Vollzug eines Teils dieser Gesamtfreiheitsstrafe sowie nach der bedingten Entlassung war er zunächst drogenfrei. Vor dem Hintergrund einer psychischen Erkrankung seiner Freundin und durch den Kontakt mit Bekannten aus der Drogenszene nahm er ab Sommer 2011 den Drogenkonsum wieder auf. Da er nicht über legale Einkünfte verfügte , nutzte er den Drogenhandel als laufende Einnahmequelle. Die Ermittlungsbehörde erfuhr davon im Rahmen einer Telekommunikationsüberwachung. Am 6. Oktober 2011 durchsuchte sie die aus zwei Zimmern bestehende Wohnung des Angeklagten. Dieser wollte die Wohnung aufgeben und führte Schönheitsreparaturen durch. Deshalb hatte er das Schlafzimmer geräumt, so dass nur ein zu Wohn- und Schlafzwecken genutzter Raum mit angrenzender Küchenzeile verblieb. Dort hatte der Angeklagte in einem Wäschekorb einen Rucksack deponiert, in dem er einen Teleskopschlagstock aufbewahrte. Er wusste, dass dieser ihm griffbereit zur Verfügung stand. Außerdem besaß er in dem Raum insgesamt 316,96 Gramm Amphetaminzubereitung mit einem Anteil von 49,53 Gramm Amphetaminbase sowie 289,82 Gramm Ecstasy-Tabletten mit einem Anteil von 94,77 Gramm MDMA-Base. Ferner verfügte er über 10,5 Kilogramm Streckmittel, Feinwaagen und Verpackungsmaterial sowie 1.989,86 Euro Bargeld aus Drogenverkäufen. Die Betäubungsmittel waren überwiegend zum Weiterverkauf vorgesehen, nur zu einem geringeren Teil zum Eigenkonsum.

II.

3
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie den Schuldspruch betrifft. Sie führt aber zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen im Strafausspruch und soweit das Landgericht die Anordnung einer Maßregel im Sinne von § 64 StGB nicht geprüft hat.
4
1. Der Schuldspruch gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG weist insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Er ist nur dahin zu ändern, dass tateinheitlich mit dem Handeltreiben auch Erwerb von Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG vorliegt.
5
a) Nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wird bestraft, wer mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt und dabei eine Schusswaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind. Diese Voraussetzungen sind nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts erfüllt.
6
aa) Die aufgefundene Drogenmenge betrug hinsichtlich des Amphetamins das Fünffache, bei den Ecstasy-Tabletten das Dreifache der nicht geringen Menge. Der überwiegende Teil davon war zum Weiterverkauf bestimmt, ein geringer Teil zum Eigenkonsum. Auch wenn diese Anteile nicht beziffert wurden, ist davon auszugehen, dass die dem Handeltreiben dienende Menge die Untergrenze zur nicht geringen Menge sicher überschreitet.
7
bb) Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist dadurch qualifiziert, dass der Angeklagte einen Gegenstand mit sich führte, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt war. Bei dem Teleskopschlagstock handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinn (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 a WaffG). Er ist zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt, ohne dass es dazu weiterer Feststellungen bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03, NStZ 2004, 111, 112; Rahlf in: MünchKomm, StGB, 2007, § 30a BtMG Rn. 148).
8
Ein Mitführen des gefährlichen Gegenstands wird von der Rechtsprechung angenommen, wenn der Täter ihn bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Es genügt, wenn er sich in Griffweite befindet (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 StR 203/10, NStZ 2011, 99). Dies war hier der Fall, weil sich der Teleskopschlagstock im selben Raum befand, in dem auch die Drogen gelagert waren. Dort war er für den Angeklagten rasch und unschwer zu ergreifen, wenn er mit den Drogen, etwa beim Portionieren und Verpacken, hantierte.
9
cc) Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, so reicht es zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist. Zwar fehlen Feststellungen des Landgerichts dazu, ob der Angeklagte den Teleskopschlagstock bei der Übergabe der Betäubungsmit- tel von Lieferanten oder an Abnehmer dabei hatte. Dem Angeklagten stand die Waffe aber griffbereit zur Verfügung, als er in der Wohnung das Amphetamin vorrätig hielt, streckte und portionierte. Auch dabei handelt es sich um Teilakte des Handeltreibens. Dadurch hat der Angeklagte den Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nach dem Wortlaut des Gesetzes erfüllt (vgl. Senat, Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 10 f. und Urteil vom 21. September 2011 - 2 StR 286/11, StV 2012, 411).
10
Für eine einschränkende Auslegung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG im Hinblick darauf, dass kein unmittelbarer Zusammenhang des Beisichführens der Waffe mit einem eigentlichen Umsatzgeschäft festgestellt ist, besteht kein Anlass. Ein Drogenhändler kann nicht nur von Kunden, mit denen er planmäßig in Kontakt tritt, sondern auch unerwartet von Drogenabhängigen, Polizeibeamten oder sonstigen Personen aufgesucht werden, gegen die er sich zum Schutz seiner Person, von Drogenvorräten und Gelderlös oder aber zur Verschleierung seines Handeltreibens mit der Waffe verteidigt. Die Vorschrift regelt ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Ein sicherer Ausschluss der Gefahr, vor der § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG andere Personen schützen will, ist hier nicht möglich.
11
dd) Für die subjektive Tatseite genügt das Bewusstsein der Verfügbarkeit der Waffe. Der Wille des Täters, sie einzusetzen, ist nicht erforderlich (vgl. Senat, Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 14). Das Bewusstsein der Gebrauchsbereitschaft hat der Angeklagte eingeräumt.
12
b) Da der Angeklagte die sichergestellten Drogen teilweise zum Eigenkonsum verwenden wollte, liegt insoweit tateinheitlich der Tatbestand des Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG vor. Nicht feststellbar ist freilich, dass sich auch dieser auf eine nicht geringe Menge bezog.
Der für den Eigenkonsum vorgesehene Anteil war nach den Urteilsfeststellungen deutlich geringer als der für das Handeltreiben bestimmte Anteil.
13
Der Senat ändert daher den Schuldspruch dahin, dass neben dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich Erwerb von Betäubungsmitteln vorliegt. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
14
2. Das Landgericht hätte prüfen müssen, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB anzuordnen ist. Insoweit liegt ein Erörterungsmangel vor, der zur Urteilsaufhebung zwingt.
15
Nach § 64 Satz 1 StGB kann das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn der Täter den Hang hat, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wenn er wegen einer auf seinen Hang zurückzuführenden rechtswidrigen Tat verurteilt wird und wenn die Gefahr besteht, dass er auch in Zukunft infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Der Hang zum Konsum von Rauschmitteln im Übermaß besteht darin, dass der Täter entweder eine chronische, auf Sucht beruhende Abhängigkeit aufweist - was hier fern liegt - oder aufgrund einer eingewurzelten, auf eine psychische Disposition zurückgehenden oder durch Übung erworbenen Neigung zum Rauschmittelkonsum (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 5 StR 545/11) von dem Drang hierzu so beherrscht wird, dass er ihm immer wieder nachgibt (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Dezember 2011 - 2 StR 543/11). Wer dagegen nur gelegentlich Drogen konsumiert, wird vom Anwendungsbereich des § 64 StGB nicht erfasst. Die Grenze liegt dort, wo die Neigung zum Rauschmittelkonsum handlungsleitend wird (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 64 Rn. 8; LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 62). Dies liegt nach den getroffenen Feststellungen nahe, insbesondere weil der Angeklagte zuletzt so viel Drogen konsumierte, wie er sich leisten konnte, und weil er den Drogenerwerb zum Eigenkonsum sowie seinen Lebensunterhalt alleine durch Drogenhandel finanzierte, aber keiner Arbeit nachging. Die Beschaffungsdelikte des Angeklagten deuten an, dass sie symptomatisch für den Hang zum Drogenkonsum sind. Sollte der neue Tatrichter einen Hang des Angeklagten im Sinne des § 64 StGB bejahen, so wäre weiter zu prüfen, ob deshalb die Gefahr besteht , dass er künftig weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
16
3. Da nicht auszuschließen ist, dass die zuerkannte Strafe niedriger ausgefallen wäre, wenn zugleich die Unterbringung angeordnet worden wäre, kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 10).

III.

17
Die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist der Sache nach wirksam auf den Strafausspruch beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 1989 - 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Sie ist unbegründet.
18
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer unbeschadet der einschlägigen Vorstrafe, der Rückfälligkeit des Angeklagten in der Bewährungszeit und seines auf laufenden Drogenhandel ausgerichteten Verhaltens von einem minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ausgegangen ist (§ 30a Abs. 3 BtMG). Die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, erfordert eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Dabei sind alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Erst nach dem Gesamteindruck kann entschieden werden, ob der außerordentliche Strafrahmen anzuwenden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2011 - 4 StR 581/11, StV 2012, 289 f.). Dies hat das Landgericht nicht verkannt. Es hat alle bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte berücksichtigt und keinen Gesichtspunkt herangezogen, der ohne Belang wäre.
19
Die Berücksichtigung des Geständnisses des Angeklagten als Milderungsgrund ist rechtlich unbedenklich, weil es jedenfalls für den Nachweis des subjektiven Tatbestands von nicht unerheblicher Bedeutung war. Der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wäre nicht erfüllt, wenn zwar eine Waffe in der Wohnung, in der Betäubungsmittel für den Verkauf vorrätig gehalten , portioniert und verpackt werden, vorhanden ist, diese aber nicht in Griffweite bereit gehalten wird (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 StR 203/10). Der Angeklagte hatte hier objektiv einen noch ausreichenden Zugriff auf den Teleskopschlagstock. In einem solchen Fall, in dem die Verfügbarkeit des Gegenstands auch nicht das eigentliche Umsatzgeschäft des Drogenhandels betrifft, ist allerdings der subjektive Tatbestand genau zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2002 - 1 StR 138/02, StV 2003, 80, 81). Je ferner die Gefahr des Einsatzes liegt, desto höher sind die Anforderungen an die Prüfung des subjektiven Tatbestands (vgl. Senat, Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 14), der hier durch das Geständnis des Angeklagten bewiesen wurde. Das Landgericht durfte dabei dem Geständnis des Angeklagten strafmildernde Bedeutung beimessen. Es hat nicht übersehen, dass die äußeren Umstände bei der Wohnungsdurchsuchung offen zutage lagen.
20
Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Berücksichtigung des Handlungsantriebs, dass der Angeklagte vor dem Hintergrund der psychischen Erkrankung seiner Lebensgefährtin wieder selbst Drogen konsumiert und zur Finanzierung dieses Drogenkonsums sowie des Lebensunterhalts mit Betäubungsmitteln Handel getrieben hat.
21
Es stellt ferner keinen Rechtsfehler dar, dass das Tatgericht den drohenden Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung wegen der früheren Verurteilung des Angeklagten berücksichtigt hat. Mit Rücksicht auf die Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), hatte es auch das Gesamtstrafübel im Blick zu behalten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 1995 - 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 314; Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 432/09, StV 2010, 238, 239).
22
Bei der Strafzumessung kommt schließlich den tatbestandsbezogenen Umständen bestimmende Bedeutung zu. Insoweit hat sich das Landgericht für den Ausnahmestrafrahmen auch entschieden, weil der Schlagstock im Vergleich mit einer Schusswaffe geringeres Gefahrenpotenzial aufweist, ferner weil die Drogenmenge innerhalb der erfahrungsgemäß vorkommenden Bandbreite der nicht geringen Mengen im unteren Bereich lag und keine "harten Drogen" betraf. Art und Menge der Drogen können auch in Fällen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG als bestimmende Aspekte berücksichtigt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 14. November 2003 - 2 StR 404/03, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Strafzumessung 1).
RiBGH Prof. Dr. Fischer ist Berger Krehl erkrankt und an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert Berger Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 581/11
vom
22. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre zur
Förderung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Dezember 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 6. Juli 2011, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) im Ausspruch über die in den Fällen 11 bis 22 verhängten Einzelstrafen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 1. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 12 Fällen, unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Bestimmens einer Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre zur Förderung des un- erlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 12 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und eine Verfallsanordnung getroffen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat in dem tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die in den Fällen 11 bis 22 verhängten Einzelstrafen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
a) Nach den Feststellungen veranlasste der zu diesem Zeitpunkt noch 20 Jahre alte Angeklagte den zunächst 16 und später 17 Jahre alten Zeugen B. in 10 Fällen dazu, für ihn in Aluminiumfolie verpackte Amphetaminzubereitungen in die Innenstadt von Dessau zu verbringen und dort unbekannten Abnehmern zu übergeben. Dabei nahm der Angeklagte jeweils kurzfristig zu dem Zeugen B. Kontakt auf und gab ihm entsprechende Anweisungen. Für seine Dienste erhielt der Zeuge B. von dem gewerbsmäßig Betäubungsmittel verkaufenden Angeklagten jeweils einen Kurierlohn in Höhe von 20 Euro. Teilweise nahm der Zeuge B. bei der Rauschgiftübergabe auch das für den Angeklagten bestimmte Kaufgeld entgegen und leitete es an diesen weiter (Fälle 1 bis 10 der Urteilsgründe). Nachdem der Angeklagte das 21. Lebensjahr vollendet hatte, war der Zeuge B. noch in 12 weiteren Fällen in gleicher Weise für den Angeklagten tätig (Fälle 11 bis 22 der Urteilsgründe). Die Amphetaminzubereitungen waren von „mindestens mittlerer Qualität“. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann entnommen werden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, dass bei jeder Gelegenheit wenigstens 20 Gramm Amphetaminzubereitung mit einem Amphetaminbaseanteil von 8 bis 10 % umgesetzt wurden.
4
Auf Grund dieser Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach Erwachsenenstrafrecht zu Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. In den Fällen 11 bis 22 der Urteilsgründe hat es ihn wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre zur Förderung des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln für schuldig befunden und für jede Tat eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten festgesetzt. Die Annahme eines minder schweren Falls nach § 30a Abs. 3 BtMG hat das Landgericht mit der Erwägung ver- neint, dass es sich um „normale“ Fälle der Übergabe von „jedenfalls nichtals geringgradig gefährlich zu bezeichnenden“ Betäubungsmitteln an einen Kurier gehandelt habe. Der Umstand, dass der Zeuge B. bereits 17 Jahre alt und aufgrund seiner Aktivität in der Betäubungsmittelszene grundsätzlich tatbereit gewesen sei, reiche für die Annahme eines minder schweren Falles nicht aus.
5
b) Die Verneinung der Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG in den Fällen 11 bis 22 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
Die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, erfordert eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig , ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Dabei sind alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Erst nach dem Gesamteindruck kann entschieden werden, ob der außerordentliche Strafrahmen anzuwenden ist (BGH, Urteil vom 19. März 1975 – 2 StR 53/75, BGHSt 26, 97, 98; Beschluss vom 19. Juli 2002 – 2StR 255/02, NStZ-RR 2002, 329). Die Ausführungen des Landgerichts zur Strafrahmenwahl lassen besorgen, dass das Gericht die erforderliche Gesamtwürdigung nicht in rechtsfehlerfreier Weise vorgenommen hat, weil ein wesentlicher die Tat prägender Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 14.05.1993 - 2 StR 127/93, StV 1994, 17).
7
Das Landgericht hat ersichtlich nicht in seine Bewertung eingestellt, dass die in den Fällen 11 bis 22 rechtsfehlerfrei nach § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG abgeurteilten Taten Bestandteil einer Tatserie waren, die von dem Angeklagten bereits vor dem Erreichen des 21. Lebensjahres und damit zu einem Zeitpunkt begonnen wurde, als er selbst noch Heranwachsender war und noch nicht Täter dieses Delikts sein konnte. Werden Taten gleichförmig in Serie begangen, kann sich daraus eine Verminderung des Schuldgehalts der Folgetaten ergeben , wenn auf Grund des inneren Zusammenhangs auf eine herabgesetzte Hemmschwelle geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai1991 - 2 StR 130/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 8; MünchKommStGB /Franke § 46 Rn. 36 m.w.N.).
8
Der Senat kann angesichts der Höhe der betroffenen Einzelstrafen nicht ausschließen, dass deren Bemessung auf diesem Rechtsfehler beruht. Der Strafausspruch bedarf deshalb in den Fällen 11 bis 22 der Urteilsgründe neuer Verhandlung und Entscheidung. Dadurch verliert auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe seine Grundlage.
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 481/16
vom
2. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:020217U4STR481.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 9. Mai 2016 wird verworfen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen“ und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 Euro angeordnet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Am 30. Juli 2015 verkaufte der Angeklagte in B. für 5.000 Euro 100 Gramm Kokain an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer. Das Rauschgift hatte einen Kokainhydrochlorid-Anteil von mindestens 80 %, was einer Menge von mindestens 80 Gramm Kokainhydrochlorid entspricht (Tat II.2.a).
4
Am 7. September 2015 lagerte der Angeklagte in seiner Garage in Re. in einem unverschlossenen Tresor 458,95 Gramm Kokain (412 Gramm Kokainhydrochlorid), das in einem Stoffbeutel verpackt war. Auf dem Tresor befanden sich mehrere „Bubbles“ mit insgesamt 51,27 Gramm Kokain (45,6 Gramm Kokainhydrochlorid). Das Rauschgift war zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten bestimmt. Unmittelbar neben dem Stoffbeutel mit dem Kokain verwahrte der Angeklagte einen ungeladenen Revolver ERMA Ka. 357 Magnum/38 Spezial mit entsprechender Munition und eine umgebaute PTB-Schusswaffe Röhm RG 9 Kal. 8 mm, mit der „scharfe Munition“ verschossen werden konnte.In die PTB-Schusswaffe war ein Magazin mit drei Patronen Kaliber 6,22 eingeführt. Dem Angeklagten war bewusst, dass die beiden Waffen griffbereit in der Nähe des Rauschgifts lagerten und er jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne Schwierigkeiten über sie verfügen konnte. Das Kokain und die Waffen wurden am 8. September 2015 sichergestellt (Tat II.2.b).
5
Der Angeklagte beabsichtigte, am 7. September 2015 in den Niederlanden zwei Kilogramm Kokain anzukaufen und am Folgetag in die Bundesrepublik Deutschland zum gewinnbringenden Weiterverkauf einzuschmuggeln. Weil er Grenzkontrollen befürchtete, bat er seinen Bruder R. , bei der Rückfahrt die Grenze zu beobachten. R. willigte ein. Der Angeklagte fuhr am Nachmittag des 7. September 2015 mit einem Pkw nach A. und erwarb dort zwei Kilogramm Kokain. Das Rauschgift versteckte er anschließend in einem hinter dem rückwärtigen Kennzeichen seines Fahrzeugs befindlichen Hohlraum. Am 8. September 2015 fuhr R. in Begleitung des Mitangeklagten D. mit einem Pkw in die Niederlande und traf sich in Ro. mit dem Angeklagten. Seit dem Grenzübertritt und während der weiteren Handlungen wurden der Angeklagte und R. von der Kriminalpolizei observiert. Ab 18.08 Uhr fuhren R. und der Mitangeklagte D. in Richtung deutscher Grenze, während der Angeklagte zunächst in Ro. verblieb. Nachdem R. in der verabredeten Zeit keine Meldung über Auffälligkeiten an der Grenze gemacht hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw über die niederländisch-deutsche Grenze und verbrachte so das in seinem Fahrzeug befindliche Kokain in das Bundesgebiet. Nach der Einreise wurde er von der Polizei angehalten und festgenommen. Das in seinem Fahrzeug versteckte Kokain wurde sichergestellt. Es hatte ein Gesamtgewicht von 1.992,07 Gramm. Darin waren 1.817 Gramm Kokainhydrochloridenthalten (Tat II.2.c).
6
2. Die Strafkammer hat die Taten des Angeklagten als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.a), bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen (Tat II.2.b) und unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.c) bewertet. Die Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.a), fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.b) und zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.c) hat sie den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.a), § 30a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.b) sowie § 30 Abs. 1 BtMG (Tat II.2.c) entnommen. Minderschwere Fälle hat sie jeweils verneint. Die Gesamtstrafe hat das Landgericht unter „maßvoller Erhöhung“ der höchsten Einzelstrafe festgesetzt.

II.


7
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
8
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt.
9
a) Ob der Rechtsmittelführer nur die Strafzumessung angreifen will, ist eine Frage, die im Zweifelsfall im Wege der Auslegung seiner Rechtsmittelerklärungen zu beantworten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 [zu § 318 StPO]; Beschluss vom 28. Januar 2004 – 2 StR 493/03, bei Becker, NStZ-RR 2005, 65, 68). Dabei kann die Auslegung der Revisionsbegründung auch bei einem unbeschränkten Revisionsantrag eindeutig zu dem Ergebnis führen, dass sich der Beschwerdeführer – im Widerspruch zu seinem Antrag – lediglich gegen den Strafausspruch wen- det. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beschwerdeführer um die Staatsanwaltschaft handelt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Urteil vom 4. September 2008 – 1 StR 383/08, bei Cierniak/ Zimmermann, NStZ-RR 2011, 225, 234; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1 Nr. 18; Urteil vom 7. August 1997 – 1 StR 319/97, NStZ 1998, 210).
10
b) Die Auslegung der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft ergibt hier unbeschadet des umfassenden Aufhebungsantrags und der allgemein erhobenen Sachrüge eindeutig, dass lediglich die Einzelstrafen und der Gesamtstrafenausspruch angegriffen werden.
11
Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Revisionsbegründung zunächst die Verletzung materiellen Rechts gerügt und im Anschluss daran ausgeführt, dass die durch die Strafkammer verhängten Einzelstrafen und die Bildung der Gesamtstrafe rechtlicher Überprüfung nicht standhielten. Die Revisionsbegründung erschöpft sich im Weiteren in Einzelangriffen gegen die Strafzumessung im engeren Sinn und gegen die Gesamtstrafe.
12
Der Senat entnimmt diesem Revisionsvorbringen, dass allein der Strafausspruch angefochten werden soll. Den Schuldspruch oder die Anordnung des Wertersatzverfalls betreffende Einzelbeanstandungen werden nicht erhoben. Dem kommt hier besondere Bedeutung zu, denn die Staatsanwaltschaft ist nach Nr. 156 Abs. 2 RiStBV gehalten, keine allgemeinen Sachrügen zu erheben und Revisionen so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils eine Rechtsverletzung gesehen und auf welche Gründe diese Rechtsauffassung gestützt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1, 6). Gegen eine Anfechtung des Schuldspruchs spricht schließlich auch, dass dieser mit Ausnahme der Bewertung der Waffendelikte bei der Tat II.2.b (Besitz statt Führen, kein Besitz von Munition) mit der rechtlichen Würdigung der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift übereinstimmt. Die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 5.000 Euro entspricht dem Schlussantrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft.
13
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
14
Eine den Schuldspruch unberührt lassende isolierte Anfechtung des Strafausspruchs ist grundsätzlich möglich und in der Regel wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 8. Januar 1954 – 2 StR 572/53, NJW 1954, 441; RGSt 45, 149, 150, st. Rspr.). Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.
15
Eine Erstreckung des Revisionsangriffs auf die Verfallsentscheidung ist nicht veranlasst. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist wie die Anordnung des Verfalls in der Regel kein Strafmilderungsgrund und deshalb von der Straffestsetzung unabhängig (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271 mwN). Eine ein Trennbarkeitshindernis begründende Verknüpfung wurde in den Urteilsgründen nicht hergestellt.
16
3. Im Rahmen ihres Anfechtungsumfangs bleibt die Revision ohne Erfolg. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil oder zum Vorteil (§ 301 StPO) des Angeklagten auf.
17
a) Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung, Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; Urteil vom 22. Oktober 1953 – 5 StR 230/53, BGHSt 5, 57, 59 mwN). Dabei ist der Tatrichter lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 mwN).
18
b) Mit Blick auf diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die konkrete Bemessung der Einzelstrafen revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
19
aa) Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, das Landgericht habe dem erst nach der Durchführung eines wesentlichen Teils der Beweisaufnahme abgelegten Geständnis des Angeklagten ein zu hohes Gewicht beigemessen, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Maßgeblich für die Bedeutung eines Geständnisses ist es, inwieweit darin ein Bekenntnis des Angeklagten zu seiner Tat liegt, in ihm Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck kommen und durch seine Ablegung das Prozessziel der Erreichung von Rechtsfrieden gefördert wird (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209 f.). Das strafmildernde Gewicht eines Geständnisses kann daher geringer sein, wenn dafür prozesstaktische Überlegungen bestimmend waren und die Strafkammer dies durch ein in den Urteilsgründen darzulegendes Prozessverhalten bestätigt sieht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 – 1 StR 193/07, NStZ-RR 2007, 232 [Ls]). Das Landgericht hat dem Geständnis des Angeklagten mit nachvollziehbaren Erwägungen zu entnehmen vermocht, dass der Angeklagte sich mit seiner Tat auseinandergesetzt hat und diese tatsächlich bereut. Dabei hat es die Beweislage in den Blick genommen und gewürdigt. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
20
bb) Die strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Erlittene Untersuchungshaft ist bei einer Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18 [insoweit in BGHSt 59, 28 und NStZ 2014, 34 nicht abgedruckt]; Urteil vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ-RR 2014, 106; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100 mwN). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13, Rn. 9 [insoweit in StV 2016, 611 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Von diesem Maßstab ist das Landgericht ausgegangen. Soweit es dabei in der Dauer der Untersu- chungshaft (acht Monate) und einer „erkennbaren“ Belastung für den Angeklag- ten als Erstverbüßer besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung gesehen hat, liegt dies – auch mit Rücksicht auf § 121 Abs. 1 Satz 1 StPO – noch innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.
21
cc) Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Tat II.2.b aus dem Blick verloren hat, dass der Angeklagte über zwei Schusswaffen verfügte, zumal sie den tateinheitlichen Verstoß gegen das Waffengesetz zu seinem Nachteil gewertet hat. Dass das Landgericht nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass der Angeklagte bei der Tat II.2.c einen versteckten Hohlraum seines Fahrzeugs für den Rauschgifttransport nutzte, ist mit Rücksicht auf die sich aus § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO ergebenden eingeschränkten Darlegungsanforderungen nicht rechtsfehlerhaft.
22
c) Auch die Bestimmung der Gesamtstrafe lässt durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
23
aa) Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13, Rn. 3; Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher , sachlicher und situativer Zusammenhang, hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 [Ls]). Auch hierbei braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. Eine Bezugnahme auf die zu den Einzelstrafen gemachten Ausführungen ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Satz 1 Bemessung 1; Urteil vom 30. November1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271 mwN). Einer eingehenderen Begründung bedarf es hingegen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271).
24
bb) Danach erweisen sich die Bemessung der Gesamtstrafe und deren Darlegung hier (noch) nicht als rechtsfehlerhaft.
25
Die Strafkammer hat die Erhöhung der Einsatzstrafe im Wesentlichen durch eine Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den verhängten Einzelstrafen zugrunde liegen, und dabei die Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten nochmals hervorgehoben. Dass sich die Urteilsgründe nicht ausdrücklich dazu verhalten, dass zwischen den Einzeltaten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht, der einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen rechtfertigt, ist hier unschädlich, weil sich dies aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16). Die maßvolle Bemessung der Gesamtstrafe lässt unter diesen Umständen nicht besorgen, dass die Strafkammer die Grundsätze der Gesamtstrafenbildung verkannt hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 481/16
vom
2. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:020217U4STR481.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 9. Mai 2016 wird verworfen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen“ und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 Euro angeordnet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Am 30. Juli 2015 verkaufte der Angeklagte in B. für 5.000 Euro 100 Gramm Kokain an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer. Das Rauschgift hatte einen Kokainhydrochlorid-Anteil von mindestens 80 %, was einer Menge von mindestens 80 Gramm Kokainhydrochlorid entspricht (Tat II.2.a).
4
Am 7. September 2015 lagerte der Angeklagte in seiner Garage in Re. in einem unverschlossenen Tresor 458,95 Gramm Kokain (412 Gramm Kokainhydrochlorid), das in einem Stoffbeutel verpackt war. Auf dem Tresor befanden sich mehrere „Bubbles“ mit insgesamt 51,27 Gramm Kokain (45,6 Gramm Kokainhydrochlorid). Das Rauschgift war zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten bestimmt. Unmittelbar neben dem Stoffbeutel mit dem Kokain verwahrte der Angeklagte einen ungeladenen Revolver ERMA Ka. 357 Magnum/38 Spezial mit entsprechender Munition und eine umgebaute PTB-Schusswaffe Röhm RG 9 Kal. 8 mm, mit der „scharfe Munition“ verschossen werden konnte.In die PTB-Schusswaffe war ein Magazin mit drei Patronen Kaliber 6,22 eingeführt. Dem Angeklagten war bewusst, dass die beiden Waffen griffbereit in der Nähe des Rauschgifts lagerten und er jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne Schwierigkeiten über sie verfügen konnte. Das Kokain und die Waffen wurden am 8. September 2015 sichergestellt (Tat II.2.b).
5
Der Angeklagte beabsichtigte, am 7. September 2015 in den Niederlanden zwei Kilogramm Kokain anzukaufen und am Folgetag in die Bundesrepublik Deutschland zum gewinnbringenden Weiterverkauf einzuschmuggeln. Weil er Grenzkontrollen befürchtete, bat er seinen Bruder R. , bei der Rückfahrt die Grenze zu beobachten. R. willigte ein. Der Angeklagte fuhr am Nachmittag des 7. September 2015 mit einem Pkw nach A. und erwarb dort zwei Kilogramm Kokain. Das Rauschgift versteckte er anschließend in einem hinter dem rückwärtigen Kennzeichen seines Fahrzeugs befindlichen Hohlraum. Am 8. September 2015 fuhr R. in Begleitung des Mitangeklagten D. mit einem Pkw in die Niederlande und traf sich in Ro. mit dem Angeklagten. Seit dem Grenzübertritt und während der weiteren Handlungen wurden der Angeklagte und R. von der Kriminalpolizei observiert. Ab 18.08 Uhr fuhren R. und der Mitangeklagte D. in Richtung deutscher Grenze, während der Angeklagte zunächst in Ro. verblieb. Nachdem R. in der verabredeten Zeit keine Meldung über Auffälligkeiten an der Grenze gemacht hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw über die niederländisch-deutsche Grenze und verbrachte so das in seinem Fahrzeug befindliche Kokain in das Bundesgebiet. Nach der Einreise wurde er von der Polizei angehalten und festgenommen. Das in seinem Fahrzeug versteckte Kokain wurde sichergestellt. Es hatte ein Gesamtgewicht von 1.992,07 Gramm. Darin waren 1.817 Gramm Kokainhydrochloridenthalten (Tat II.2.c).
6
2. Die Strafkammer hat die Taten des Angeklagten als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.a), bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen (Tat II.2.b) und unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.c) bewertet. Die Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.a), fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.b) und zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.c) hat sie den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.a), § 30a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.b) sowie § 30 Abs. 1 BtMG (Tat II.2.c) entnommen. Minderschwere Fälle hat sie jeweils verneint. Die Gesamtstrafe hat das Landgericht unter „maßvoller Erhöhung“ der höchsten Einzelstrafe festgesetzt.

II.


7
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
8
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt.
9
a) Ob der Rechtsmittelführer nur die Strafzumessung angreifen will, ist eine Frage, die im Zweifelsfall im Wege der Auslegung seiner Rechtsmittelerklärungen zu beantworten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 [zu § 318 StPO]; Beschluss vom 28. Januar 2004 – 2 StR 493/03, bei Becker, NStZ-RR 2005, 65, 68). Dabei kann die Auslegung der Revisionsbegründung auch bei einem unbeschränkten Revisionsantrag eindeutig zu dem Ergebnis führen, dass sich der Beschwerdeführer – im Widerspruch zu seinem Antrag – lediglich gegen den Strafausspruch wen- det. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beschwerdeführer um die Staatsanwaltschaft handelt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Urteil vom 4. September 2008 – 1 StR 383/08, bei Cierniak/ Zimmermann, NStZ-RR 2011, 225, 234; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1 Nr. 18; Urteil vom 7. August 1997 – 1 StR 319/97, NStZ 1998, 210).
10
b) Die Auslegung der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft ergibt hier unbeschadet des umfassenden Aufhebungsantrags und der allgemein erhobenen Sachrüge eindeutig, dass lediglich die Einzelstrafen und der Gesamtstrafenausspruch angegriffen werden.
11
Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Revisionsbegründung zunächst die Verletzung materiellen Rechts gerügt und im Anschluss daran ausgeführt, dass die durch die Strafkammer verhängten Einzelstrafen und die Bildung der Gesamtstrafe rechtlicher Überprüfung nicht standhielten. Die Revisionsbegründung erschöpft sich im Weiteren in Einzelangriffen gegen die Strafzumessung im engeren Sinn und gegen die Gesamtstrafe.
12
Der Senat entnimmt diesem Revisionsvorbringen, dass allein der Strafausspruch angefochten werden soll. Den Schuldspruch oder die Anordnung des Wertersatzverfalls betreffende Einzelbeanstandungen werden nicht erhoben. Dem kommt hier besondere Bedeutung zu, denn die Staatsanwaltschaft ist nach Nr. 156 Abs. 2 RiStBV gehalten, keine allgemeinen Sachrügen zu erheben und Revisionen so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils eine Rechtsverletzung gesehen und auf welche Gründe diese Rechtsauffassung gestützt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1, 6). Gegen eine Anfechtung des Schuldspruchs spricht schließlich auch, dass dieser mit Ausnahme der Bewertung der Waffendelikte bei der Tat II.2.b (Besitz statt Führen, kein Besitz von Munition) mit der rechtlichen Würdigung der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift übereinstimmt. Die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 5.000 Euro entspricht dem Schlussantrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft.
13
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
14
Eine den Schuldspruch unberührt lassende isolierte Anfechtung des Strafausspruchs ist grundsätzlich möglich und in der Regel wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 8. Januar 1954 – 2 StR 572/53, NJW 1954, 441; RGSt 45, 149, 150, st. Rspr.). Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.
15
Eine Erstreckung des Revisionsangriffs auf die Verfallsentscheidung ist nicht veranlasst. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist wie die Anordnung des Verfalls in der Regel kein Strafmilderungsgrund und deshalb von der Straffestsetzung unabhängig (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271 mwN). Eine ein Trennbarkeitshindernis begründende Verknüpfung wurde in den Urteilsgründen nicht hergestellt.
16
3. Im Rahmen ihres Anfechtungsumfangs bleibt die Revision ohne Erfolg. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil oder zum Vorteil (§ 301 StPO) des Angeklagten auf.
17
a) Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung, Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; Urteil vom 22. Oktober 1953 – 5 StR 230/53, BGHSt 5, 57, 59 mwN). Dabei ist der Tatrichter lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 mwN).
18
b) Mit Blick auf diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die konkrete Bemessung der Einzelstrafen revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
19
aa) Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, das Landgericht habe dem erst nach der Durchführung eines wesentlichen Teils der Beweisaufnahme abgelegten Geständnis des Angeklagten ein zu hohes Gewicht beigemessen, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Maßgeblich für die Bedeutung eines Geständnisses ist es, inwieweit darin ein Bekenntnis des Angeklagten zu seiner Tat liegt, in ihm Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck kommen und durch seine Ablegung das Prozessziel der Erreichung von Rechtsfrieden gefördert wird (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209 f.). Das strafmildernde Gewicht eines Geständnisses kann daher geringer sein, wenn dafür prozesstaktische Überlegungen bestimmend waren und die Strafkammer dies durch ein in den Urteilsgründen darzulegendes Prozessverhalten bestätigt sieht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 – 1 StR 193/07, NStZ-RR 2007, 232 [Ls]). Das Landgericht hat dem Geständnis des Angeklagten mit nachvollziehbaren Erwägungen zu entnehmen vermocht, dass der Angeklagte sich mit seiner Tat auseinandergesetzt hat und diese tatsächlich bereut. Dabei hat es die Beweislage in den Blick genommen und gewürdigt. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
20
bb) Die strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Erlittene Untersuchungshaft ist bei einer Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18 [insoweit in BGHSt 59, 28 und NStZ 2014, 34 nicht abgedruckt]; Urteil vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ-RR 2014, 106; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100 mwN). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13, Rn. 9 [insoweit in StV 2016, 611 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Von diesem Maßstab ist das Landgericht ausgegangen. Soweit es dabei in der Dauer der Untersu- chungshaft (acht Monate) und einer „erkennbaren“ Belastung für den Angeklag- ten als Erstverbüßer besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung gesehen hat, liegt dies – auch mit Rücksicht auf § 121 Abs. 1 Satz 1 StPO – noch innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.
21
cc) Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Tat II.2.b aus dem Blick verloren hat, dass der Angeklagte über zwei Schusswaffen verfügte, zumal sie den tateinheitlichen Verstoß gegen das Waffengesetz zu seinem Nachteil gewertet hat. Dass das Landgericht nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass der Angeklagte bei der Tat II.2.c einen versteckten Hohlraum seines Fahrzeugs für den Rauschgifttransport nutzte, ist mit Rücksicht auf die sich aus § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO ergebenden eingeschränkten Darlegungsanforderungen nicht rechtsfehlerhaft.
22
c) Auch die Bestimmung der Gesamtstrafe lässt durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
23
aa) Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13, Rn. 3; Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher , sachlicher und situativer Zusammenhang, hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 [Ls]). Auch hierbei braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. Eine Bezugnahme auf die zu den Einzelstrafen gemachten Ausführungen ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Satz 1 Bemessung 1; Urteil vom 30. November1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271 mwN). Einer eingehenderen Begründung bedarf es hingegen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271).
24
bb) Danach erweisen sich die Bemessung der Gesamtstrafe und deren Darlegung hier (noch) nicht als rechtsfehlerhaft.
25
Die Strafkammer hat die Erhöhung der Einsatzstrafe im Wesentlichen durch eine Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den verhängten Einzelstrafen zugrunde liegen, und dabei die Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten nochmals hervorgehoben. Dass sich die Urteilsgründe nicht ausdrücklich dazu verhalten, dass zwischen den Einzeltaten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht, der einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen rechtfertigt, ist hier unschädlich, weil sich dies aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16). Die maßvolle Bemessung der Gesamtstrafe lässt unter diesen Umständen nicht besorgen, dass die Strafkammer die Grundsätze der Gesamtstrafenbildung verkannt hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 417/16
vom
10. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge mit Waffen u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:101116B1STR417.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. November 2016
beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. März 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Entgegen dem Revisionsvorbringen erfolgte die Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 54 StGB ohne Rechtsfehler. Der Tatrichter war nicht gehindert, die in drei von neun Fällen verwirkte höchste Einzelstrafe (fünf Jahre und sechs Monate) auf 13 Jahre und sechs Monate zu erhöhen. 1. Die Bemessung der Gesamtstrafe im Rahmen der Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist im Wege einer Gesamtschau des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs durch einen eigenständigen Zumessungsakt vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13). Der Summe der Einzelstrafen kommt nur ein geringes Gewicht zu, maßgeblich ist die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter zusammenfassender Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB). Dabei ist vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (BGH, Beschlüsse vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 und vom 13. November 2008 – 3 StR 485/08). Wird die Einsatzstrafe erheblich erhöht, bedarf dies näherer Begründung (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2006 – 2 StR 346/06, NStZ 2007, 326). Eine starke Erhöhung der Einsatzstrafe bedarf besonderer Begründung, wenn sich diese nicht aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt. Da der Strafzumessung eine "Mathematisierung" fremd ist, kann – anders als der Revisionsführer meint – ein Rechtsfehler nicht allein darin gesehen werden, dass die Einsatzstrafe auf das etwa Zweieinhalbfache erhöht wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, NStZ 2011, 32; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 54 Rn. 7a). Derartige mathematische Überlegungen finden im Gesetz keine Stütze; auch bei der Bemessung einer Gesamtstrafe gilt, dass das Gesetz bei der Strafzumessung "von jedem Schematismus" weit entfernt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351; Urteil vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12). Der Tatrichter kann auch nicht dazu gezwungen werden, eine schuldunangemessene erhöhte Einsatzstrafe festzusetzen, um die rechtsfehlerfreie Verhängung einer tat- und schuldangemessenen Gesamtstrafe zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1997 – 3 StR 16/97, BGHR StGB § 54 Strafhöhe

1).


Das Revisionsgericht hat nur auf Rechtsfehler einzugreifen. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn die Gesamtstrafe sich nicht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens befindet oder die gebotene Begründung für die Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis besteht, der Tatrichter habe sich von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 – 2 StR 678/98 mwN). Eine ungewöhnlich hohe Divergenz zwischen Einsatzstrafe und Gesamtstrafe kann (jedenfalls beim Fehlen einer tragfähigen Begründung) die letztgenannte Besorgnis begründen (BGH, Beschluss vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, NStZ 2011, 32 mwN). 2. Solche Rechtsfehler sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Tatrichter hat die Erhöhung der Einsatzstrafe nicht nur durch zulässige (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; BGH, Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1 und Beschluss vom 15. August 1989 – 1 StR 382/89, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 4) Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den neun wegen Straftaten nach dem BtMG verhängten Einzelstrafen zugrunde lagen. Er hat den das Tatgeschehen charakterisierenden langen Tatzeitraum hervorgehoben, der mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (220 Kilogramm Haschisch ) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im März 2007 begann und im Dezember 2014 mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sein Ende fand. Dazwischen lagen sieben weitere Straftaten, von denen jeweils drei Taten (Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – 70 bzw. 80 Kilogramm Haschisch – in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) mit den Einsatzstrafen geahndet worden sind. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden; denn die in einem Zeitraum von siebeneinhalb Jahren eingebetteten und im Verhältnis zueinander eine große
Selbständigkeit aufweisenden Taten heben das Geschehen von typischen Serienstraftaten ab. Der Festsetzung einer dem Gesamtgewicht des Sachverhalts gerecht werdenden Gesamtstrafe stand nicht entgegen, dass die Strafkammer die Einsatzstrafen noch in der unteren Hälfte des angewandten Strafrahmens festgesetzt hat und das Gewicht der einzelnen Taten, wie es rechtlich möglich gewesen wäre, nicht schon durch die Festsetzung höherer Einzelstrafen berücksichtigt hat. Deshalb war es rechtlich geboten, die für das Gesamtgewicht maßgeblichen Umstände, sofern sie nicht schon vollständig die Einzelstrafen mitbestimmt haben, jedenfalls bei der Gesamtstrafenbildung angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 – 1 StR 463/95, BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 3; BGH, Urteile vom 23. Oktober 1997 – 4 StR 347/97, NStZ-RR 1998, 236 und vom 21. März 2006 – 1 StR 61/06, NStZ-RR 2007, 72). Das hat das Landgericht getan. Die der Bemessung der Einzelstrafen vorangestellten Erwägungen, auf die das Landgericht bei der Gesamtstrafenbildung Bezug genommen hat, belegen, dass es die für die vorzunehmende Gesamtwürdigung des Täters und seines Verhaltens bedeutsamen
Umstände bedacht hat. In der Gesamtschau der Taten hattenUnrechtsgehalt und Schuldumfang hier besonderes Gewicht. Graf Cirener Radtke Mosbacher Fischer

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Wird über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 1. Juli 2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, sind abweichend von § 2 Absatz 5 des Strafgesetzbuches die §§ 73 bis 73c, 75 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 73d, 73e, 76, 76a, 76b und 78 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) anzuwenden. Die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) sind nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.

11
1. Hinsichtlich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung kommt im vorliegenden Verfahren das vor dem 1. Juli 2017 geltende Recht zur Anwendung. Zwar finden ausweislich der einschlägigen Übergangsvorschrift des Art. 316h EGStGB zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 mit Inkrafttreten des Gesetzes für bereits laufen- de Verfahren grundsätzlich die neuen materiell-rechtlichen Regelungen Anwendung (vgl. dazu BT-Drucks. 18/11640, S. 84). Allerdings sind gemäß Art. 316h Satz 2 EGStGB die neuen Vorschriften nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist. Dies gilt gemäß § 14 EGStPO auch für Verfahren, in denen festgestellt wurde, dass deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF entgegenstehen. Nichts anders kann gelten, wenn das Gericht, wie vorliegend das Landgericht Frankfurt am Main im Urteil vom 9. November 2016, nach Prüfung von einer Verfallsanordnung absieht, weil es die tatbestandlichen Voraussetzungen für nicht gegeben erachtet. Denn die Regelung des § 14 EGStPO erfasst nach den Gesetzesmaterialien jede erstinstanzliche Entscheidung (BT-Drucks. 18/9525 S. 98).

Wird über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 1. Juli 2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, sind abweichend von § 2 Absatz 5 des Strafgesetzbuches die §§ 73 bis 73c, 75 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 73d, 73e, 76, 76a, 76b und 78 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) anzuwenden. Die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) sind nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 589/17
vom
19. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:191217B4STR589.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster (Westf.) vom 14. Juli 2017 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie in einem weiteren Fall wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der durch das Urteil des Landgerichts Münster vom 19. Oktober 2016, , verhängten Strafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 9.450 Euro aufrechterhalten und darüber hin- aus die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 15.900 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision; das Rechtsmittel erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Auch der Maßnahmenausspruch erweist sich als rechtsfehlerfrei. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift das Folgende ausgeführt : „Insbesondere begegnet es keinen Bedenken, dassdas Landgericht in der Urteilsformel nicht auf eine einheitliche Anordnung der Einziehung von Wertersatz unter Einbeziehung der vom Wertersatzverfall aus der Entscheidung des Landgerichts Münster vom 19. Oktober 2016 erfassten Summe von 9.450 Euro erkannt hat.
Zwar sind dann, wenn die Voraussetzungen des § 55 StGB vorliegen, Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art grundsätzlich durch das spätere Urteil einheitlich anzuordnen, sodass über sie, sofern ihre Voraussetzungen auch in Bezug auf die Taten bestehen, die dem späteren Urteil zugrunde liegen, grundsätzlich durch den neuen Gesamtstrafenrichter , der sich dabei auf den Standpunkt des früheren Tatrichters zu stellen hat, neu zu entscheiden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 – 4 StR 130/03, Rn. 9 mwN, juris).
Einer solchen einheitlichen Anordnung steht hier indes Art. 316h Satz 2 EGStGB entgegen. Zwar finden ausweislich der einschlägigen Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (Art. 316h Satz 1 EGStGB) mit Inkrafttreten des Gesetzes auch für bereits laufende Verfahren grundsätzlich ausschließlich die
neuen materiell-rechtlichen Regelungen Anwendung (vgl. dazu BTDrucks. 18/11640, S. 84). Allerdings sind gemäß Art. 316h Satz 2 EGStGB die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 nicht in Verfahren anzuwenden , in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. September 2017 – 1 StR 677/16, Rn. 16, juris). Dies ist im Fall der den aufrechterhaltenen Wertersatzverfall anordnenden Entscheidung des Landgerichts Münster vom 19. Oktober 2016 gegeben.
Die danach zwingend heranzuziehenden unterschiedlichen Fassungen der gesetzlichen Grundlagen (§§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73a Satz 1, 73c Abs. 1 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 gültigen Fassung betreffend die Anordnung des Wertersatzverfalls auf Grund der Taten aus dem Urteil des Landgerichts Münster vom 19. Oktober 2016; §§ 73, 73c, 73d in der ab dem 1. Juli 2017 gültigen Fassung betreffend die Anordnung der Einziehung von Wertersatz auf Grund der in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Taten) und damit verbundene Abweichungen in der gesetzlichen Terminologie (Wertersatzverfall und Einziehung von Wertersatz) stehen einer einheitlichen Anordnung der Einziehung von Wertersatzverfall entgegen.
Eine der ratio des § 55 StGB zuwider laufende Schlechterstellung des Beschwerdeführers geht mit der ausnahmsweisen gesonderten Anordnung des Verfalls von Wertersatz aus der einzubeziehenden Entscheidung , bezüglich dessen sich das Landgericht eigenständig von den Anordnungsvoraussetzungen und der anzuordnenden Höhe überzeugt hat (UA S. 29), nicht einher.“
4
Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend: Der eindeutig und umfassend formulierte Art. 316h Satz 2 EGStGB knüpft lediglich daran an, dass bis zum 1. Juli 2017 bereits „eine Entscheidung“ über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist. Weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 18/11640 S. 84) ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, Art. 316h Satz 2 EGStGB in Fällen des § 55 Abs. 2 StGB einschränkend auszulegen (vgl. auch Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 682; BeckOK StGB/Heuchemer, 36. Edition, EGStGB, Art. 316h Rn. 3 ff.).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

3
2. a) Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die von den Angeklagten aus den Betäubungsmittelgeschäften erzielten Erlöse, soweit die Anordnung des Verfalls nach § 73 StGB an den unmittelbar aus den Drogenverkäufen erlangten Geldscheinen aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich war, dem Wertersatzverfall gemäß § 73 a StGB unterliegen. Bei der Bemessung der Höhe des Wertersatzverfalls hat es sodann im Weiteren ausgeführt:
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________
Der Verfall ist, auch bei Anwendung des Bruttoprinzips, keine Strafe, sondern
eine Maßnahme eigener Art. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn
hinaus Erlangten verfolgt primär einen Präventionszweck. Dies gilt auch für
die Anordnung des Verfalls gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3
BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02 - LG Mannheim

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 115/02
vom
21. August 2002
gegen
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
13. August 2002 in der Sitzung vom 21. August 2002, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Verfallsbeteiligten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Verfallsbeteiligten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 26. Oktober 2001 wird verworfen. Sie trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß gegen die Verfallsbeteiligte der Verfall eines Geldbetrages von 4.466.203,89 Euro (8.735.135,56 DM) angeordnet wird. Die Verfallsbeteiligte trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft. Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat zwei Angestellte der Papierfabrik S. GmbH wegen mehrfacher Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz (§ 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69 Buchst. h Abs. 1 Nr. 2 AWV) zu Bewährungsstrafen verurteilt. Gegen die Verfallsbeteiligte, die nach dem Tatzeitraum in eine Kommanditgesellschaft umgewandelte Papierfabrik S. GmbH & Co. KG, hat es nach § 73 Abs. 3 StGB den Verfall von Wertersatz in Höhe von 7.916.855,06 DM angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Verfallsbeteiligten hat keinen Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft , die mit der Sachrüge die Anordnung eines höheren Verfallsbetrages erstrebt , ist hingegen begründet.

I.

Gegenstand der Verurteilung und der Verfallsanordnung sind Embargoverstöße in der Zeit von Juli 1992 bis November 1995. Die Papierfabrik S. GmbH (im folgenden S. GmbH), die technische Spezialpapiere herstellte, hatte Tabakpapier an eine Firma in Serbien geliefert. Der Angeklagte I. war Leiter des Betriebsbereichs „Tabakpapiere“; der Mitangeklagte R. war Gesamtverkaufsleiter und Vorgesetzter des Angeklagten I. . 1. Am 30. Mai 1992 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen umfassende Sanktionen gegen Serbien und Montenegro verhängt, die durch Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung mit Wirkung vom 13. Juni 1992 in deutsches Recht umgesetzt wurden und bis zum 22. November 1995 aufrechterhalten blieben. Schon vor dem Embargo hatte die S. GmbH Tabakpapier an die serbische Firma geliefert. Diese Geschäftsbeziehung war im Gegensatz zu anderen Absatzmärkten relativ profitabel (die Preise lagen 30 bis 40 % über den sonstigen Durchschnittspreisen) und für das betriebswirtschaftliche Gesamtergebnis der Abteilung „Tabakpapiere“ von großer Bedeutung. Die Angeklagten befürchteten infolge des Embargos einen erheblichen Umsatzverlust, eine unzureichende Auslastung der Maschinen und Kurzarbeit. Sie entschlossen sich deshalb, das Embargo durch Einschaltung anderer Firmen zu umgehen. Die darüber unterrichteten Geschäftsführer der S. GmbH billigten diese Umgehungsgeschäfte ausdrücklich. Bis zum Ende des Embargos wurde dem Konto der S. GmbH ein Verkaufserlös von 7.916.855,06 DM (4.047.823,72 dieses Betrages wurde der Verfall von Wertersatz angeordnet. Nach Aufhe-
bung des Embargos ging auf dem Konto ein weiterer Betrag von ! #" $% &" (') "+* , .- /+ 10 )-&2 818.280,50 DM (418.380,18 en erklärt. 2. Die Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte als Drittbegünstigte nach § 73 Abs. 3 StGB hat das Landgericht damit begründet, daß ihr das Handeln der Angeklagten zuzurechnen sei, da diese im Interesse des Unternehmens und mit Billigung der Geschäftsführer gehandelt hätten. Die spätere Veräußerung der S. GmbH an ein anderes Unternehmen und die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft habe an ihrer Stellung als Verfallsadressatin nichts geändert. Das nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangte bestehe in dem gesamten während der Embargozeit vereinnahmten Verkaufserlös. Die Höhe des Verfallsbetrages bemesse sich nach dem Bruttoprinzip, so daß keine Kosten in Abzug zu bringen seien. Die Voraussetzungen der Härteregelung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Landgericht verneint. Die Geschäftsführer der S. GmbH hätten die Umgehungsgeschäfte gebilligt und gezielt finanzielle Mittel und Ressourcen des Unternehmens für die Produktion des für Serbien bestimmten Zigarettenpapiers eingesetzt, also bewußt Kapital in strafbare Handlungen investiert. Zudem sei das Unternehmen durch die Verfallsanordnung keinesfalls in seiner Existenz gefährdet. Auch eine Entreicherung im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB liege nicht vor. 3. Die Verfallsbeteiligte macht mit ihrer Revision geltend, sie könne infolge des nach der Tatzeit erfolgten Unternehmensverkaufs und wegen der Unternehmensumwandlung nicht Verfallsadressatin sein. Ferner habe das Landgericht bei der Höhe des Verfalls zu Unrecht das Bruttoprinzip angewendet. Jedenfalls aber hätte wegen des Schuldprinzips nur der Nettoerlös abgeschöpft werden dürfen.
4. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer Revision eine höhere Verfallsanordnung. Auch hinsichtlich der nach Ende des Embargos vereinnahmten Verkaufserlöse in Höhe von 818.280,50 DM – die aus Lieferungen während der Embargozeit herrührten – hätte der Verfall angeordnet werden müssen.

II.

Die Revision der Verfallsbeteiligten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Höhe des verfallenen Wertersatzes nach § 73a Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zu Recht nach dem Bruttoprinzip ermittelt und rechtsfehlerfrei eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB verneint. 1. Der Verfall (des Wertersatzes) ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zwingend nach Maßgabe des Bruttoprinzips anzuordnen, soweit nicht die gleichfalls zwingende Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB entgegensteht.
a) Die Höhe des Verfalls (und des Verfalls des Wertersatzes) richtet sich nach dem Bruttoprinzip. Bruttoprinzip bedeutet, daß nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erlangt hat, für verfallen zu erklären ist (BGH NStZ 1995, 491). Entscheidend ist, was dem Betroffenen gerade durch die Straftat zugeflossen ist oder was er durch diese erspart hat. Bei der Berechnung des – wie hier – durch einen Kauf Erlangten ist vom gesamten Verkaufserlös ohne Abzug von Einkaufspreis und sonstigen Aufwendungen auszugehen (BGH NStZ 1994, 123; NStZ 2000, 480; NStZ-RR 2000, 57; wistra 2001, 389; BGH, Beschluß vom 3. Dezember 2000 – 1 StR 547/00; BGH, Urteil vom 20. März 2001 – 1 StR 12/01).
b) Dieser Umfang des Verfalls entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der durch Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28. Februar 1992 (BGBl. I S. 372) § 73 StGB mit Wirkung vom 7. März 1992 geändert hat. Während der Verfall nach
der alten Fassung des § 73 StGB nur den „Vermögensvorteil“ (Nettoprinzip) erfaßte, ist nunmehr der Verfall des „Erlangten“ (Bruttoprinzip) anzuordnen. Die Gesetzesänderung geht zurück auf einen Vorschlag des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Oktober 1989 (BTDrucks. 11/6623 S. 11), der in seiner Stellungnahme die Umstellung des Nettoprinzips auf das Bruttoprinzip vorgeschlagen hatte. Die Bundesregierung hatte den Vorschlag in ihrer Gegenäußerung aufgegriffen (S. 13); das Gesetz kam jedoch in der 11. Wahlperiode nicht mehr zustande. In der 12. Wahlperiode griff der Bundesrat in seinem Entwurf des OrgKG (BT-Drucks. 12/989) diesen Änderungsvorschlag zu § 73 StGB wieder auf und die Bundesregierung stimmte dem zu (S. 52). Die Notwendigkeit der Gesetzesänderung begründete der Bundesrat unter anderem mit der restriktiven Anwendung des Verfalls in der Praxis aufgrund der Kompliziertheit der Regelung. Der Rechtsausschuß des Bundestages führte in seinem Bericht (BT-Drucks. 12/2720, S. 42) aus, „es gehe bei den Verfallsvorschriften nicht um eine Strafe, sondern um die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes, der durch eine Straftat ausgelöst worden sei.“ Parallel dazu war der Änderungsvorschlag zu den Verfallsvorschriften im Zuge der Ausschußberatungen (BT-Drucks. 12/289) in den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (BT-Drucks. 12/104) aufgenommen worden. Zwar scheiterte dieser Gesetzentwurf zunächst im Vermittlungsverfahren; die Koalitionsfraktionen (BT-Drucks. 12/899) und die Bundesregierung (BT-Drucks. 12/1134) brachten den Entwurf aber erneut ein. Das daraufhin verabschiedete Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes , des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze führte schließlich zur Änderung des § 73 StGB, so daß der entsprechende Änderungsvorschlag im OrgKG entfiel. In der Entwurfsbegründung (BT-Drucks. 12/899, S. 11) wurde die Umstellung auf das Bruttoprinzip damit begründet, daß das Nettoprinzip die
Ermittlung der Verfallsvoraussetzungen erschwere. Auch führe die Saldierungspflicht bei der Nettogewinnabschöpfung nach der Gesamtsystematik der Rechtsordnung zu Wertungswidersprüchen. Der Rechtsgedanke des § 817 Satz 2 BGB, wonach das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren ist, sollte deshalb auch beim Verfall Anwendung finden. Der Verfall sollte sich deshalb auf „die Gesamtheit des Erlangten“ beziehen.
c) Das Bruttoprinzip ist auch auf Fälle der vorliegenden Art (Embargoverstoß ) anwendbar (vgl. BGH, Beschluß vom 8. Oktober 1999 – 2 StR 511/98). Zwar wird das Bruttoprinzip zumeist bei Betäubungsmitteldelikten zur Anwendung kommen (vgl. BGH NStZ 1994, 123; NStZ 1995, 491; NStZ 1995, 495; NStZ 2000, 480; NStZ 2001, 312; NStZ-RR 2000, 57; BGH, Urteil vom 20. März 2001 – 1 StR 12/01; BGH, Beschlüsse vom 13. Dezember 2000 – 1 StR 547/00 und vom 25. Juli 2001 – 5 StR 300/01). Insbesondere hier besteht kein rechtlich schützenswertes Vertrauen, aus dem verbotenen Geschäft erlangte Vermögensbestandteile behalten zu dürfen, die der Erlös strafbarer Geschäfte sind (BGH NStZ 2001, 312). Nicht abzugsfähig sind damit auch Transportkosten oder der Kurierlohn (BGH NStZ-RR 2000, 57) und selbstverständlich auch die „Anschaffungskosten“ für eine Schußwaffe. Aus der umfassenden Beschränkung des Umgangs mit Betäubungsmitteln ergibt sich indes keine Begrenzung des Saldierungsverbots nur auf diese Deliktsgruppe; das Bruttoprinzip gilt vielmehr für alle Fälle des Verfalls (zu Bestechungsdelikten vgl. BGH wistra 2001, 389; BGH NJW 2002, 2257, 2259; zu geheimdienstlicher Agententätigkeit vgl. BGH NJW 1998, 1723, 1728). 2. Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Umgestaltung des Verfallsrechts durch die Einführung des Bruttoprinzips in § 73 StGB mit der den Umfang des Verfalls begrenzenden Funktion des § 73c
StGB (BGH NStZ 2001, 312; vgl. auch BGH NStZ-RR 2000, 57 und den hierzu ergangenen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts – Kammer – vom 3. September 1999 – 2 BvR 1637/99).
a) Der Verfall ist keine Strafe und auch keine – in Bezug auf das Schuldprinzip – strafähnliche Maßnahme. Er ist vielmehr eine Maßnahme eigener Art. Das folgt aus dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, der systematischen Stellung sowie dem Wortlaut der Vorschrift und den zugehörigen verfahrensrechtlichen Vorschriften. aa) Nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung setzt der Verfall Schuld nicht voraus. Anders als bei der Einziehung (§ 74 Abs. 1 StGB) genügt für den Verfall eine rechtswidrige Tat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Er muß unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 StGB auch gegen einen Dritten und sogar gegen eine juristische Person angeordnet werden. Gegen den Drittbegünstigten ist der Verfall anzuordnen, auch wenn der Dritte bzw. das Organ einer juristischen Person keine Straftat begangen hat (vgl. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 54). Auch insoweit unterscheidet er sich von der Einziehung, die eine vorsätzliche oder sonst individuell vorwerfbare Straftat voraussetzt (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1, § 74a, § 75 StGB). Nach § 76a StGB kann auf Verfall auch selbständig in dem objektiven Verfahren nach § 442 i.V.m. § 440 StPO erkannt werden. Der Verfall ist im Strafgesetzbuch auch nicht in den Titel „Strafen“ eingeordnet, sondern bildet zusammen mit der Einziehung einen eigenen Titel. bb) Die Einführung des Bruttoprinzips hat an der Rechtsnatur des Verfalls als eine Maßnahme eigener Art nichts geändert; jedenfalls wird er auch dadurch nicht zu einer Strafe oder strafähnlichen Maßnahme (BGH NStZ 1995, 491; NJW 1998, 1723, 1728; NStZ 2001, 312 m.w.N.; ebenso Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 7 ff.; a.A. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 73 Rdn. 3; Eser
in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. vor § 73 Rdn. 19; Lackner in Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 73 Rdn. 4b). Das Bruttoprinzip sollte die Anordnung des Verfalls nicht nur im Hinblick auf seine Berechnung praktikabler machen. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt vielmehr primär einen Präventionszweck. Die dadurch angestrebte Folge, daß auch die Aufwendungen nutzlos waren, soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten – und insbesondere diese wollte der Gesetzgeber erfassen – beitragen. Müßte der Betroffene für den Fall der Entdeckung hingegen lediglich die Abschöpfung des Tatgewinns befürchten, so wäre die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos. Diesen Präventionszweck – der Verfallsbetroffene soll das Risiko strafbaren Handelns tragen – hatte der Gesetzgeber im Auge, als er sich auf den Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB bezog, wenn er darauf abhob, daß das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein soll. Dieser Normzweck gilt auch für die Anordnung des Verfalls gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB, insbesondere dann, wenn dieser Nutznießer der rechtswidrigen Tat ist. Die Ratio des Zugriffs auf den Drittbegünstigten beschreibt Schmidt (in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 50) zutreffend so: „Ohne diese Regelung wäre eine Gewinnabschöpfung gerade in Bereichen wie z. B. der Wirtschafts- oder Verbandskriminalität sowie des organisierten Verbrechens, in denen die Vermögensvorteile aus Straftaten bei Unternehmen anfallen oder auf Scheinfirmen übertragen werden, kaum möglich.“ Ebenso sieht es Eser (in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 34; vgl. aber auch Rdn. 37a), wenn er begründet, weshalb die Verfallsanordnung nicht auf den Täter beschränkt sein darf: „Damit aber wäre eine Gewinnabschöpfung gerade dort erschwert, wenn nicht praktisch ausgeschlossen, wo das größte Be-
dürfnis dafür besteht, nämlich im Bereich der Wirtschafts- und Verbandskriminalität ...“. Soweit der Täter oder Teilnehmer für den Dritten handelt, soll er das für den Dritten nicht risikolos tun können. Die den Dritten treffende Folge, daß auch seine Aufwendungen nutzlos waren, kann und soll bewirken, daß der Dritte – namentlich ein hierarchisch organisiertes Unternehmen – Kontrollmechanismen zur Verhinderung solcher Straftaten errichtet und auf deren Einhaltung achtet. Darin liegt der Präventionszweck des Verfalls gegen den Drittbegünstigten. Würde bei ihm lediglich der aus der Straftat gezogene Gewinn abgeschöpft , so würde sich die bewußt aus finanziellen Interessen begangene Tat im Ergebnis als wirtschaftlich risikolos auswirken. Ein derart risikolos zu erzielender Gewinn müßte geradezu als Tatanreiz für die Straftat wirken; das würde dem mit dem Bruttoprinzip verfolgten Präventionszweck zuwiderlaufen. Hinzu kommt gerade mit Blick auf die Natur der hier in Rede stehenden rechtswidrigen Tat (Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz, Embargoverstoß ), an die der Verfall anknüpft, daß sich die Maßnahme als Teil eines Systems erweist, welches die Wirksamkeit der Handelsbeschränkungen sicherstellen und diese durchsetzen soll (vgl. auch BVerfG – Kammer – NJW 1990, 1229). cc) Der Senat verkennt nicht, daß mit dem Bruttoprinzip dem Verfallsbetroffenen ein – mitunter erheblicher – wirtschaftlicher Nachteil zugefügt werden kann. Dies findet seine Rechtfertigung jedoch darin, daß nicht auf wohlerworbenes , sondern auf Vermögen zugegriffen wird, das durch vorausgegangene rechtswidrige Taten bemakelt ist. Um Repression oder Vergeltung geht es dabei nicht. Weil der Verfall keine schuldbezogene individuelle Vorwerfbarkeit voraussetzt, kann und soll er nicht dem (individuellen) Schuldausgleich dienen.

b) Das Schuldprinzip ist daher auf den Verfall nicht anwendbar. Das gilt auch, soweit dieser nach dem Bruttoprinzip über den Vermögensvorteil hinaus angeordnet wird (BGH NStZ 1995, 491). Das Schuldprinzip, das seine Grundlage in Art. 1 Abs. 1 GG hat, besagt, daß jede Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Straftat und zum Verschulden des Täters stehen muß. Die verhängte Strafe darf die Schuld des Täters nicht übersteigen. Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Übermaßverbot (BVerfGE 45, 187, 228; 54, 100, 108; 86, 288, 313; BVerfG NJW 2002, 1779). Eine Strafandrohung darf nach Art und Maß dem unter Strafe stehenden Verhalten nicht schlechthin unangemessen sein; Tatbestand und Rechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (BVerfG NJW 1994, 1577 und – Kammer – NJW 1997, 1910). Eine Strafe, für die das Schuldprinzip gilt, ist im Gegensatz zu einer reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, daß sie – wenn nicht ausschließlich, so doch auch – auf Repression und Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein rechtswidriges sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen; das setzt die Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit voraus (BVerfGE 95, 96, 140 und – Kammer – NJW 1998, 2585). Das Schuldprinzip gilt nicht für Rechtsfolgen ohne Strafzwecke (BVerfGE 91, 1, 27).
c) Der Verfall greift auch bei Anwendung des Bruttoprinzips nicht in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) ein. In Fällen der vorliegenden Art dürften die in Rede stehenden Vermögenspositionen schon nicht in den Schutzbereich des Grundrechts fallen. Die Kaufpreisforderungen der Verfallsbeteiligten stammen aus rechtswidrigen, sich als Verbrechen erweisenden Embargogeschäften. An deren Stelle ist in Folge der Erfüllung ein entsprechender Geldbetrag (Wertersatz) getreten. Es handelt sich also nicht um wohlerworbe-
ne, sondern um von vornherein bemakelte Positionen. Unter diesen Umständen ergibt sich jedenfalls aus der Befugnis des Gesetzgebers zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) im Blick auf Zweck und Bedeutung der Regelung auch insoweit eine verfassungsrechtlich hinreichend tragfähige Grundlage (vgl. auch BT-Drucks. 11/6623, S. 5 unter Bezugnahme auf BVerfGE 22, 387, 422).
d) Soweit der Verfall den Betroffenen übermäßig belasten würde (Übermaßverbot oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) sieht die Härteklausel des § 73c StGB eine hinreichend bestimmte Begrenzung vor. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 darf der Verfall nicht angeordnet werden, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre (vgl. BGH NStZ 1995, 495; NStZ-RR 2000, 365; wistra 2001, 389; BGHR StGB § 73c Härte 6; BGH, Urteil vom 5. Dezember 2001 – 2 StR 410/01). Zudem kann die Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 insbesondere dann unterbleiben, wenn der Betroffene entreichert ist. Sind beim Verfall gegen den Drittbegünstigten der Dritte bzw. die Organe einer juristischen Person gutgläubig, so wird in der Regel zu prüfen sein, ob eine unbillige Härte nach § 73c StGB vorliegt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 73 Rdn. 22; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 37a). Entsprechendes gilt, wenn der Anteil des Vermögensvorteils marginal ist. 4. Der Verfall des Wertersatzes in Höhe von 7.916.855,06 DM und die Verneinung einer unbilligen Härte erweisen sich danach als rechtsfehlerfrei.
a) Die S. GmbH war Drittbegünstigte im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB. Hier liegt ein sog. Vertretungsfall im weiteren Sinne vor (BGHSt 45, 235, 245) vor, denn die Angeklagten handelten als Angestellte der S. GmbH zugunsten des Unternehmens, noch dazu mit ausdrücklicher Billigung der Geschäftsführer. Für die rechtswidrigen Taten der Angeklagten hatte die S. GmbH die Kaufpreisforderungen als Tatentgelte (§ 11 Nr. 9 StGB) unmittelbar „erlangt“. Nachdem diese - unbeschadet der Frage ihrer Wirksamkeit - geltend gemacht und
erfüllt wurden, war der Verfall des Wertersatzes nach § 73a Satz 1 StGB in Form eines Geldbetrags, der dem Wert der Forderungen entspricht, anzuordnen.
b) Die Geschäftsführer der S. GmbH hatten die Umgehungsgeschäfte gebilligt und gezielt finanzielle Mittel und Ressourcen des Unternehmens für die Produktion des für Serbien bestimmten Zigarettenpapiers eingesetzt, also bewußt Kapital in strafbare Handlungen investiert. Bei dieser Fallgestaltung erfordert der Präventionszweck des Bruttoprinzips die Abschöpfung der gesamten bemakelten Kaufpreisforderung.
c) Das Übermaßverbot ist nicht verletzt. Die Verfallsbeteiligte ist durch die Verfallsanordnung keinesfalls in ihrer Existenz gefährdet; die Geschäftsführung hatte die Begehung der Embargoverstöße und damit der rechtswidrigen Taten (Verbrechen) gebilligt. Schon deswegen liegt keine u n b i l l i g e Härte im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB vor. Auch eine Entreicherung (§ 73 Abs. 1 Satz 2) StGB ist nach den Feststellungen ausgeschlossen. 5. Die S. GmbH & Co. KG ist die richtige Verfallsadressatin.
a) An der Stellung der Kommanditgesellschaft als Verfallsadressatin hat auch der Verkauf und die Umwandlung des Unternehmens nichts geändert. Im November 1997, zwei Jahre nach Tatende, kaufte die amerikanische Firma G. die S. GmbH. 1998 wurde die S. GmbH in die S. GmbH & Co. KG umgewandelt; als neue Komplementärin beteiligte sich die Firma Ra. 209 Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH.
b) Die Umwandlung erfolgte durch Formwechsel gemäß § 1 Nr. 4 UmwG, für welche die §§ 190 ff. UmwG gelten. Wesentliches Merkmal des Formwechsels ist die wirtschaftliche Kontinuität des Rechtsträgers (vgl.
Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG 3. Aufl. § 190 Rdn. 5). Da dieser identisch bleibt (Identitätsgrundsatz), findet auch kein Vermögensübergang statt (Kallmeyer , UmwG 2. Aufl. § 190 Rdn. 6). Der bisherige Rechtsträger besteht nach Durchführung des Formwechsels in seiner neuen Rechtsform weiter (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Das führt dazu, daß Rechte und Pflichten, die während der Zeit der ursprünglichen Rechtsform entstanden sind, weiterbestehen, nunmehr allerdings in der Person des Rechtsträgers in seiner neuen Form. Der Verfall war daher gegenüber der Kommanditgesellschaft anzuordnen, denn diese hat – Identitätsgrundsatz – die Tatentgelte für die Embargoverstöße in ihrer früheren Rechtsform erlangt. Daran ändert auch der Gesellschafterwechsel infolge des Unternehmensverkaufs nichts, denn die Verfallsbeteiligte ist als juristische Person selbständige Trägerin von Rechten und Pflichten.

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Auch hinsichtlich der nach Aufhebung des Embargos vereinnahmten Verkaufserlöse in Höhe von 818.280,50 DM war der Verfall des Wertersatzes anzuordnen. Die Forderungen sind ersichtlich aus Geschäften während der Embargozeit „erlangt“ worden. Sie hatten - auch wenn sie nichtig (§§ 134, 138 BGB) waren - schon zu diesem Zeitpunkt einen wirtschaftlichen Wert, weil die konkrete Aussicht auf Bezahlung bestand. Im übrigen handelt es sich bei den hier in Rede stehenden Strafbestimmungen um Zeitgesetze (vgl. BGH StV 1999, 26; NJW 2002, 1357), so daß nach § 2 Abs. 5 StGB auch § 2 Abs. 4 Satz 1 StGB zur Anwendung käme.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden und den Verfall eines höheren Geldbetrages anordnen, da die Verfallsanordnung auch in dieser Höhe zwingend ist und keine weiteren Feststellungen veranlaßt sind (§ 354 Abs. 1 StGB). Damit beträgt der verfallene Geldbetrag insgesamt 4.466.203,89 Euro (8.735.135,56 DM). Schäfer Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit
4
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat in der Sache Erfolg. Nach den Feststellungen des Landgerichts bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte aus dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowohl in den abgeurteilten als auch in anderen Fällen - im Spätsommer / Herbst 2007 und im Januar 2009 - erhebliche Einnahmen erzielte. Das Landgericht hätte sich deshalb sowohl mit den Voraussetzungen des Verfalls nach § 73 StGB als auch mit denen des erweiterten Verfalls nach § 73d StGB, § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG - gegebenenfalls in Verbindung mit § 73a StGB - auseinandersetzen müssen. Dass die anderen rechtswidrigen Taten vor den abgeurteilten Taten begangen wurden, steht einer Anordnung nach § 73d StGB nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2010 - 5 StR 184/10, NStZ-RR 2010, 385). Der Erörterungsmangel führt zur Aufhebung des Urteils im tenorierten Umfang.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 227/17
vom
20. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über
21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:200617B1STR227.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu Ziffer 3 auf dessen Antrag - am 20. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - auswärtige Strafkammer Pforzheim - vom 13. Januar 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall III.1. der Urteilsgründe verurteilt wurde,
b) im Gesamtstrafenausspruch,
c) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln und wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Weiter wurde der Verfall von Wertersatz in Höhe von 2.200 Euro angeordnet.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2017 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall III.1. der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil die Strafkammer den Wirkstoffgehalt des abgegebenen Betäubungsmittels nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat.
4
Es unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht den Wirkstoffgehalt des sichergestellten Betäubungsmittels mit 5 % THC geschätzt hat (UA S. 11). Wegen der Bedeutung der Wirkstoffmenge für eine sachgerechte, schuldangemessene Festsetzung der Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht kann auf eine nach den Umständen des Falles mögliche genaue Feststellung des Wirkstoffgehalts nicht verzichtet werden (BGH, Beschluss vom 14. Juni 1996 - 3 StR 233/96, NStZ 1996, 498 mwN). Da nach den Feststellungen des Landgerichts bei einer Kontrolle des Abnehmers des Angeklagten Marihuana aufgefunden wurde (UA S. 11), wäre ohne weiteres eine exakte Feststellung des Wirkstoffgehalts durch das Gutachten einer Untersuchungsstelle möglich gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass das sichergestellte Marihuana für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung gestanden haben könnte, bestehen nicht.
5
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verurteilung in diesem Fall auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Da das Landgericht nur von einem relativ geringen Überschreiten der nicht geringen Menge ausgegangen ist, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine exakte Feststellung des Wirkstoffgehalts zu einer geringeren Wirkstoffmenge und damit auch zu einem anderen Schuldspruch des Angeklagten sowie niedrigeren Freiheitsstrafen geführt hätte.
6
2. Die Aufhebung der Verurteilung in Bezug auf Fall III.1. der Urteilsgründe bedingt auch die Aufhebung der vom Landgericht gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe.
7
3. Auch die Entscheidung über die Anordnung des Verfalls von Wertersatz zu Fall III.1. der Urteilsgründe kann schon auf Grund des Wegfalls der Verurteilung keinen Bestand haben. Die Entscheidung begegnet aber auch deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht den Regelungsgehalt des § 73c StGB nicht bedacht hat. Diese Vorschrift ist auf Grund der nach Artikel 2 Ziffer 2 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, 872, 878) geltenden Übergangsvorschrift des Art. 316h EGStGB für das vorliegende Verfahren in der bisherigen Fassung auch weiter anwendbar. Die Härtevorschrift des § 73c Satz 1 StGB bildet im Einzelfall das notwendige Korrektiv zum Bruttoprinzip und eröffnet dem Tatrichter die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen ganz oder teilweise vom Verfall abzusehen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016 - 1 StR 615/15, NStZ-RR 2016, 108 mwN). Ob dieses Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt wurde, vermag der Senat jedoch nicht zu beurteilen, da sich den Urteilsgründen keinerlei Ausführungen dazu entnehmen lassen. Angesichts der vom Landgericht festgestellten Schulden des Angeklagten (UA S. 4) kann eine Anwendung der Härtevorschrift auch nicht ausgeschlossen werden.
8
4. Die zu Grunde liegenden Feststellungen zu Fall III.1. der Urteilsgründe und zum Verfall von Wertersatz werden mit aufgehoben, weil diese auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung getroffen wurden. Graf Jäger Radtke Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 268/17
vom
6. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:060917U5STR268.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dölp, Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 9. Januar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 60 Fällen, jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Kreditwesengesetz, unter Einbeziehung von Strafen aus einem anderen Urteil (68 mal neun Monate Freiheitsstrafe ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und angeordnet , dass hiervon drei Monate als vollstreckt gelten. Zudem hat es festgestellt , dass der Angeklagte mindestens 1,5 Millionen Euro aus den zur Verurteilung führenden Straftaten erlangt hat und einer Anordnung des Wertersatzverfalls Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Im Übrigen hat es den Angeklagten vom Vorwurf weiterer 143 vollendeter und zwölf versuchter Taten des Betruges in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Kreditwesengesetz freigesprochen. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft führen jeweils mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.

I.


2
1. Dem Angeklagten liegt gemäß der durch Beschluss vom 4. November 2015 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Chemnitz vom 2. Mai 2013 zur Last, zwischen dem 17. Januar 2006 und dem 8. Februar 2010 unter seiner Firma „I. “unter Vortäuschung einer sicheren Geldanlage ohne Erlaubnis unbefristete Darlehen mit hohen Zinsversprechen abgeschlossen und hierdurch in 203 Fällen Beträge zwischen 1.000 und 500.000 Euro, insgesamt über 4,2 Millionen Euro erlangt sowie in zwölf weiteren Fällen dies erfolglos versucht zu haben.
3
2. Nach den Feststellungen des Landgerichts schloss der Angeklagte in 185 Fällen unbefristete Darlehensverträge mit Einzelpersonen oder Ehepaaren, die er überwiegend über provisionsberechtigte Vermittler, teils aber auch selbst akquiriert hatte. Dabei verpflichtete er sich zu monatlichen Zinszahlungen zwischen 0,5 und 3,5 %, überwiegend zu 2,5 % (30 % p.a.). Um die Übergabe des Geldes an sich zu erreichen, erklärte er entweder selbst oder über seine insoweit gutgläubigen Vermittler der Wahrheit zuwider, dass die Gelder sicher angelegt seien und lediglich ein geringes Verlustrisiko bestehe, das sich auf Zinsen und einen geringen Prozentsatz der Anlagesumme beschränke. Einigen Anlegern wurde mitgeteilt, dass die Gelder auf einem luxemburger Depotkonto hinterlegt und eine Bank in Großbritannien einen diese Sicherheit übersteigenden Kredit gewähren würde, mit dem Tagesgeldgeschäfte an den weltweiten Börsen durchgeführt würden. Tatsächlich setzte der Angeklagte einen großen Teil der Gelder zunächst hoch spekulativ im Aktien- und Devisenhandel ein, um hohe Erträge zu erwirtschaften. Ab Dezember 2009 nahm er keine Geldhandelsgeschäfte mehr vor, schloss jedoch wie zuvor bis Februar 2010 weitere Darlehensverträge ab. Insgesamt nahm er auf diese Weise Darlehen in einer Gesamthöhe von 4.129.800 Euro ein. Sämtliche Darlehensverträge zeichnete der Angeklagte selbst ab, um die Gelder von den Darlehensgebern zu erhalten. In den Verträgen sicherte er die Rückzahlung der Beträge nach Kündigung zu. Um diese Geschäfte durchzuführen, hätte der Angeklagte – wie er wusste – eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG benötigt, die er nicht besaß.
4
3. Nach Vernehmung von 52 Anlegern hat das Landgericht aus dem Verhältnis von Zeugen, die eine Täuschung bestätigt haben, und solchen, die über das Risiko ausreichend aufgeklärt waren oder sich keine Gedanken gemacht hatten, eine Schätzung vorgenommen, wonach jedenfalls mindestens 60 Anleger „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der dargestell- ten Weise getäuscht wurden“. Hierdurch sei ein Vermögensschaden in Höhe von mindestens 1,5 Millionen Euro entstanden. Die Täuschung von Ehepaaren hat die Strafkammer überwiegend als eine Tat angesehen, ebenso mehrere Zahlungen einer Person; die Anklage ging in beiden Konstellationen jeweils von Tatmehrheit aus. Eine Zuordnung, welche angeklagten Fälle vom Schuld- oder vom Freispruch erfasst werden, hat das Landgericht nicht vorgenommen.

II.


5
Die Revisionen führen zur Aufhebung des Urteils.
6
1. Der Senat kann auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe nicht hinreichend entnehmen, in welchen der angeklagten Fälle die Strafkammer zu einer Verurteilung gelangt und in welchen ein Freispruch erfolgt ist. Schon dieser Rechtsfehler muss zur Aufhebung des Urteils zu Gunsten wie zu Lasten des Angeklagten führen.
7
2. Die mit der abstrakten Zuordnung verbundene Schätzung einer „Irr- tumsquote“ auf der Grundlage der Vernehmung eines Teils der Darlehensneh- mer hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. In Fällen mit individueller Motivati- on zur Leistung ist grundsätzlich der Irrtum eines jeden Verfügenden konkret festzustellen (vgl. Miebach in MüKo-StPO, § 261 Rn. 380 mwN).
8
a) Eine vom Bundesgerichtshof anerkannte Ausnahme liegt nicht vor. In Massenbetrugsfällen, also einfach gelagerten Fällen standardisierter, auf massenhafte Erledigung ausgerichteter Abrechnungsverfahren, hat der Bundesgerichtshof die Schätzung einer Irrtumsquote unbeanstandet gelassen, insbesondere wenn es um Kleinbeträge geht (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2014 – 3 StR 342/13, NJW 2014, 2054, 2056 m. Anm. Cornelius; vgl. auch BGH, Be- schluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, NStZ 2015, 98 je mwN). Darum geht es im angegriffenen Urteil nicht.
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b) Das Landgericht durfte sich vorliegend auch nicht ohne weiteres auf die Vernehmung einer Auswahl von Darlehensgebern beschränken, um auf dieser Grundlage den Irrtum bei anderen Darlehensgebern festzustellen.
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aa) Beim Anlagebetrug (auch in Form der Darlehenshingabe) kann auf einen Irrtum immer schon dann geschlossen werden, wenn der Täter vorspiegelt , das Geld werde in einer Kapitalanlage angelegt, es aber – wie von vorneherein beabsichtigt – nur für eigene Zwecke oder die Aufrechterhaltung eines „Schneeballsystems“ verbraucht. In derartigen Fällen kann sich das Tatgericht rechtsfehlerfrei aus der Vernehmung einiger Anleger oder aus den äußeren Umständen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, NStZ 2015, 98; Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216 je mwN) die Überzeugung verschaffen, alle Anleger hätten irrtumsbedingt ihre von vorneherein verlorene „Geldanlage“ getätigt. Eine solche Konstellation liegt nach den bisherigen Feststellungen allenfalls für den Zeitraum ab Herbst 2009 bzw. Dezember 2009 nahe (vgl. UA S. 19, 29).
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bb) Der Fall unterscheidet sich auch von der vom Senat im Beschluss vom 19. Februar 2014 (5 StR 510/13, NStZ 2014, 318) entschiedenen Konstellation in erheblicher Weise. Denn dort waren – anders als hier – mit den Verkaufsprospekten , Werbematerialien und den Inhalten der (standardisierten Telefon -)Verkaufsgespräche weitere aussagekräftige Indizien vorhanden, auf die das dortige Landgericht seine Überzeugung vom Vorliegen eines Irrtums stützen konnte, so dass allenfalls im Hinblick auf die unterschiedliche Höhe der gezeichneten Beträge ein repräsentativer Teil der Anleger als Zeugen zu vernehmen war.
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Demgegenüber waren nach den bisherigen Feststellungen sowohl die Beratungsgespräche als auch die Vorstellungen der Darlehensgeber von der Sicherheit ihrer Anlage durchaus unterschiedlich. Unter diesen Vorzeichen war es hier erforderlich, in jedem Einzelfall das Vorstellungsbild des Darlehensgebers bei Vornahme der Vermögensverfügung konkret festzustellen. Den Notwendigkeiten der Prozessökonomie kann in solchen Anlagebetrugsfällen durch die Konzentration auf klare Fälle mit erheblicher Schadenshöhe mittels einer großzügigen Anwendung der hierfür vorgesehenen Einstellungs- und Beschränkungsmöglichkeiten nach §§ 154, 154a StPO entsprochen werden.
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3. Nicht nachvollziehbar sind auch die Ausführungen des Landgerichts zur Schadenshöhe. Die getäuschten Anleger haben dem Angeklagten ausweislich der vertraglichen Gestaltung ein verzinsliches Darlehen gewährt. Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist durch einen für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellenden Wertvergleich mit dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert etwa bestellter Sicherheiten bestimmt; entscheidend ist die wirtschaftliche Betrachtung (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2016 – 2StR 401/14, NStZ 2017, 170 mwN; vgl. zum Anlagebetrug hingegen BGH, Beschluss vom 28. Juni 2017 – 4 StR 186/16 mwN). Wie bei einem „Schnee- ballsystem“ nur durch neue Straftaten erwirtschaftete Beträge haben bei dieser Betrachtung außen vor zu bleiben. Ebenso berührt ein lediglich als Schadenswiedergutmachung zu bewertender Rückfluss von Geldern die Höhe des bereits zuvor eingetretenen Vermögensschadens nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2016 – 1 StR 433/15, NStZ 2016, 409 mwN). Sicherheiten waren vorliegend nicht bestellt, so dass lediglich die Bonität des Angeklagten zu bewerten war. Feststellungen hierzu fehlen jedoch.
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4. Die Freisprüche haben auch deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht in allen angeklagten Fällen die Voraussetzungen eines strafbaren Verstoßes nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 KWG aufgrund ungenehmigter gewerbsmäßiger Einlagegeschäfte festgestellt hat (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 2011 – 5 StR 563/10, NStZ 2011, 410). Weshalb insoweit keine Verurteilung erfolgt ist, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht.
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5. All dies entzieht auch dem Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO die Grundlage.

III.


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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
17
1. Eine Verurteilung wegen Betruges setzt voraus, dass die Darlehensgeber konkret über für die Darlehensvergabe relevante Tatsachen wie etwa die Sicherheit der damit verfolgten Geldanlage getäuscht wurden, einem entsprechenden Irrtum erlagen und deshalb dem Angeklagten das Darlehen gewährt haben. Für die Feststellung eines Schadens sind die Vermögensverhältnisse des Angeklagten und dessen Rückzahlungswille entscheidend (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2015 – 3 StR 247/15, NStZ 2016, 343 m. Anm. Becker, je mwN; eingehend hierzu Satzger in SSW-StGB, 3. Aufl., § 263 Rn. 279 ff.). Erreicht etwa zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe die (voraussichtliche) Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu den Fälligkeitszeitpunkten einen Grad an Unsicherheit , der über das übliche, von den Beteiligten vorausgesetzte und auch in Kauf genommene Maß an Risiken hinausgeht, ist der Rückzahlungsanspruch minderwertig (Satzger aaO Rn. 279 mwN). Dieser Minderwert ist nach wirtschaftlichen Maßstäben zu bestimmen. Hierbei wird die Kammer in den Blick nehmen müssen, in welchem Ausmaß sich der Angeklagte bereits zur Rückzahlung erheblicher Darlehensbeträge verpflichtet und wie sich der Stand seiner Anlagen entwickelt hatte. Die bloße Hoffnung, mit riskanten Anlagen oder durch Anwerbung neuer Anleger Darlehen zurückzahlen zu können, würde auch der Annahme von Eventualvorsatz insoweit nicht entgegenstehen.
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2. Beim Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO wird gegebenenfalls zu prüfen sein, ob § 73c Abs. 1 Satz 2 oder Satz 1 StGB aF der Feststellung zumindest teilweise entgegenstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2014 – 4 StR 290/14, NStZ-RR 2015, 44; zur Anwendbarkeit von § 111i StPO aF vgl. § 14 EGStPO, hierzu BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017 – 5 StR 216/17; zur Anwendbarkeit von § 73c StGB aF vgl. Art. 316h EGStGB, hierzu BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 227/17).
Mutzbauer Dölp König
Berger Mosbacher

Wird über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 1. Juli 2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, sind abweichend von § 2 Absatz 5 des Strafgesetzbuches die §§ 73 bis 73c, 75 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 73d, 73e, 76, 76a, 76b und 78 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) anzuwenden. Die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) sind nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.

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c) Der Regelungsgehalt von § 301 StPO steht der Wirksamkeit der Beschränkung im Übrigen nicht entgegen. Denn dessen Wirkung ist durch den Umfang der Anfechtung begrenzt (Frisch in Systematischer Kommentar zur StPO, Band VI, 5. Aufl., § 301 Rn. 4; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 301 Rn. 6; siehe auch BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 StR 428/01, juris Rn. 11 [insoweit in NStZ 2002, 198 nicht abgedruckt]).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 428/01
vom
4. Dezember 2001
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
4. Dezember 2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird 1. das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen B. II. 3. der Urteilsgründe wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen; 2. das Urteil des Landgerichts München I vom 24. April 2001
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, daß der Angeklagte des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 93 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, sowie des schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in fünf Fällen schuldig ist;
b) insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, als gegen den Angeklagten kein Berufsverbot ausgesprochen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten, einen Hauptschullehrer im Beamtenverhältnis , wegen sexuellen Miûbrauchs von Kindern in 97 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Miûbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen schweren sexuellen Miûbrauchs von Kindern in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Sie erstrebt die Verhängung höherer Einzelstrafen und einer höheren Gesamtstrafe sowie den Ausspruch eines Berufsverbots. Das vom Generalbundesanwalt nur hinsichtlich des Berufsverbots vertretene Rechtsmittel ist nur zum Teil begründet. 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen vier Fällen des sexuellen Miûbrauchs der 12jährigen Michaela M. gemäû B. II. 3. der Urteilsgründe muû entfallen, weil diese Taten verjährt sind. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen filmte der Angeklagte im Jahre 1986 oder 1987 in vier Fällen mit einer Videokamera die Geschädigte beim Ausziehen und führte ihr die Aufnahmen anschlieûend vor; bei dem Fi l-
men wie bei den Filmvorführungen wollte er sich sexuell erregen. Dieses Verhalten erfüllt mangels körperlichen Kontakts mit der Geschädigten nicht den Tatbestand des § 176 Abs. 1 StGB aF, sondern den eigenständigen Tatbestand des § 176 Abs. 5 StGB aF, der lediglich Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe androhte. Die Verjährungsfrist hierfür betrug fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Strafverfolgungsverjährung ist daher insoweit im Jahre 1991 oder 1992 eingetreten, denn bis dahin wurde eine zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Unterbrechungshandlung nicht vorgenommen. § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB, der am 30. Juni 1994 in Kraft trat und das Ruhen der Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres bestimmt, ändert daran nichts. Diese Neuregelung der Verjährungsvorschriften gilt zwar auch für Taten , die vor dem 30. Juni 1994 begangen worden sind, diese dürfen aber zu dieser Zeit noch nicht verjährt sein (Art. 2 des 30. StrÄndG; Senatsbeschluû vom 2. September 1998 - 1 StR 385/98 -). Das Verfahren ist daher ungeachtet der Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch insoweit gemäû § 260 Abs. 3 StPO einzustellen (vgl. BGH, Beschl. vom 16. Juli 1996 - 4 StR 257/96; Kuckein in KK StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 23 m.w.N.). Trotz des Wegfalls dieser Vorwürfe kann die Gesamtstrafe bestehen bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen auch verjährte Taten bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden, wenn auch nicht mit demselben Gewicht wie nicht verjährte Straftaten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 46 Rdn. 38 m.w.N.). Angesichts der maûvollen Gesamtstrafe kann ausgeschlossen werden, daû das Landgericht die vier verjährten Taten mit zu groûem Gewicht berücksichtigt hat.
2. Die Angriffe der Beschwerdeführerin gegen den Strafausspruch sind unbegründet. Weder die Zumessung der Einzelstrafen noch Ausspruch und Begründung der Gesamtfreiheitsstrafe lassen Rechtsfehler erkennen. 3. Die Rüge, das Landgericht habe es fehlerhaft unterlassen, die Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots gegen den Angeklagten gemäû § 70 Abs. 1 StGB zu prüfen, hat Erfolg. Der Angeklagte hat die ihm durch seinen Lehrerberuf gegebenen Möglichkeiten bei seiner Berufstätigkeit bewuût und planmäûig dazu benutzt, for tlaufend sexuelle Miûbrauchshandlungen an unter 14 Jahre alten Schülerinnen zu begehen. Trotz der erstmaligen Verurteilung des Angeklagten liegt eine Wiederholungsgefahr nahe. Der Angeklagte hat eine Vielzahl solcher Miûbrauchstaten über nahezu den gesamten Zeitraum seiner Festanstellung als Lehrer begangen. Zuletzt hat er das sexuelle Verhältnis mit der Geschädigten Petra J. fortgesetzt, auch nachdem seine Ehefrau hiervon Kenntnis erlangt hatte, und noch nach Auûervollzugsetzung des Haftbefehls am 30. Mai 2000 hat er entgegen dem angeordneten Kontaktverbot erneut mit Petra J. Kontakt aufgenommen. Die Verhängung eines Berufsverbots wird nicht dadurch gehindert, daû der Angeklagte Beamter ist. Zwar tritt § 70 StGB grundsätzlich hinter der Bestimmung des § 45 StGB über den Verlust der Amtsfähigkeit und den einschlägigen Bestimmungen der Beamtengesetze über den Verlust der Beamtenrechte - hier Art. 46 BayBG - zurück (BGH NJW 1987, 2686, 2687; Hanack in LK 11. Aufl. § 70 StGB Rdn. 32). Dies gilt jedoch nur hinsichtlich der Beamtenstellung als solcher und muû sich nicht auf berufsfachliche Fähigkeiten erstrecken , aufgrund derer der Beamte tätig geworden ist. Hat ein Beamter bei der Begehung einer rechtswidrigen Tat die Möglichkeiten einer speziellen
fachlichen Qualifikation genutzt, von der er auch in nichtamtlicher Eigenschaft in gefährlicher Weise Gebrauch machen könnte, so sind darauf gerichtete Berufsverbote zulässig (Hanack aaO Rdn. 33; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 70 Rdn. 3; vgl. auch BGH wistra 2000, 459 und BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 7). Insoweit steht die Beamteneigenschaft dem Verbot einer seinem Fach entsprechenden Berufsausübung nicht entgegen. Es kann daher zum Beispiel einem beamteten Lehrer oder einem Amtsarzt gemäû § 70 StGB untersagt werden, privat als Lehrer oder Arzt tätig zu werden. Da das Beamtenverhältnis des Angeklagten mit der Rechtskraft seiner Verurteilung gemäû Art. 46 Satz 1 Nr. 1 BayBG endet und der Angeklagte, der keine andere Ausbildung als die für das Lehramt besitzt, den Beruf als Lehrer selbst als "Traumberuf" bezeichnet hat, liegt hier sogar die Annahme nahe, daû der Angeklagte versuchen wird, als Privatlehrer tätig zu werden. Der neue Tatrichter wird daher die Frage der Verhängung eines Berufsverbots nach § 70 StGB noch zu prüfen haben. Dabei wird zu beachten sein, daû das Berufsverbot im Hinblick auf das Verhältnismäûigkeitsprinzip und den auf die Gefahrenabwehr zugeschnittenen Charakter der Maûregel nur in dem gegenständlichen Umfang ausgesprochen werden darf, in dem dies erforderlich ist, um die Begehung weiterer Straftaten zu verhindern (vgl. BGHR StGB § 70 Abs. 1 Umfang, zulässiger 2).
4. Die gemäû § 301 StPO gebotene Prüfung des Urteils auf Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, die nur im Rahmen des von der Staatsanwaltschaft wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittels zulässig ist und nicht auf die Schuldfrage ausgedehnt werden kann (Kleinknecht /Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 301 Rdn. 1), hat einen Mangel nicht aufgedeckt. Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.