Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 372/13
vom
17. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2013 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Coburg vom 11. März 2013 im Rechtsfolgenausspruch mit
den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
1. Der wegen einer Vielzahl von Einbrüchen, Körperverletzungen und weiterer Delikte vorgeahndete Angeklagte wurde wegen einer Reihe wiederholt in alkoholisiertem Zustand begangener Straftaten wie etwa - räuberischer Erpressung, versuchter räuberischer Erpressung und versuchter Nötigung (begangen etwa z. N. eines Zechgenossen oder eines Bekannten aus dem Obdachlosenmilieu); - Widerstandshandlungen, Körperverletzung, Beleidigung im Rahmen der häufig von ihm verursachten polizeilichen Einsätze; - Sachbeschädigung (er zertrümmerte die Tür der von ihm gemieteten Wohnung, weil er den Schlüssel vergessen hatte); - Verstößen gegen Weisungen der Führungsaufsicht zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich wurde er gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Bei allen Taten war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich i.S.d. § 21 StGB vermindert. Wie näher dargelegt ist, liegt bei ihm eine schwergradig ausgeprägte kombinierte Persönlichkeitsstörung vor, die durch eine Intel- ligenzminderung und Alkoholabhängigkeit „erheblich kompliziert“ werde, sodass hier insgesamt von einer schweren (anderen) seelischen Abartigkeit i.S.d. § 20 StGB auszugehen sei. Nachdem er inzwischen anders als früher auch Personen bedroht, um sich Vermögensvorteile zu verschaffen, seien von ihm weitere, i.S.d. § 63 StGB gefährliche Straftaten zu erwarten. Diese Taten seien „geeignet , den Rechtsfrieden der Allgemeinheit … zu stören, da sich die Taten in der Vergangenheit nicht gegen bestimmte Personen richteten und ihre Ursache allein in dem konkreten persönlichen Verhältnis des Beschuldigten (gemeint: Angeklagten) zu diesen Personen hatten, sondern wahllos und situationsbe- dingt begangen wurden“.
2
2. Während der Schuldspruch ohne den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ist (§ 349 Abs. 2 StPO), kann der Rechtsfolgenausspruch nicht bestehen bleiben (§ 349 Abs. 4 StPO):
3
a) Dem Urteil ist weder ausdrücklich noch in seinem Gesamtzusammenhang zu entnehmen, dass die Jugendkammer die gemäß § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG gebotene Prüfung vorgenommen hätte, ob von Jugendstrafe wegen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen werden kann.
4
b) Der Senat hat geprüft, ob sich gleichwohl ohne weiteres aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe von selbst versteht, dass eine Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG ausscheidet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2009 - 2 StR 240/09).
5
Dies war zu verneinen:
6
Die Jugendkammer folgt dem Sachverständigen, wonach der Angeklagte ein „seltener Ausnahmefall“ sei, bei dem „die Zuordnung einer Persönlichkeitsstörung zum vierten Eingangsmerkmal des § 20 StGB … gerechtfertigt“ sei. Auch wenn bei ihm „keine zusätzliche psychotische Symptomatik“ vorliege, bewirke die Persönlichkeitsstörung Einbußen, wie sie vor allem bei „Schizophrenien und Demenzen auftreten könnten“. Angesichts dieser Besonderheiten liegt die Entscheidung darüber, ob hier neben der Unterbringungsanordnung Jugendstrafe zu verhängen ist, nicht offenkundig auf der Hand. Daher kann der Senat nicht selbst abschließend hierüber entscheiden, da er das insoweit von der Jugendkammer auszuübende, aber nicht ausgeübte Ermessen nicht durch eigenes Ermessen ersetzen kann (vgl. allgemein zu dieser Konstellation BGH, Urteil vom 4. Juni 2013 - 1 StR 32/13 Rn. 86 mwN).
7
c) Schon angesichts des Sachzusammenhangs zwischen Jugendstrafe und Unterbringung kann auch die Unterbringungsanordnung keinen Bestand haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2009 - 2 StR 240/09 und vom 27. Mai 2008 - 3 StR 131/08 mwN).
8
d) Darüber hinaus bemerkt der Senat, dass die im Rahmen der Prüfung von § 63 StGB angestellten Erwägungen der Jugendkammer nicht widerspruchsfrei erscheinen (1) und darüber hinaus - dies würde für sich genommen hier den Angeklagten nicht beschweren - keinen zutreffenden Maßstab anlegen (2):
9
(1) Die Bewertung der zurückliegenden Taten (vgl. oben 1. am Ende) als wahllos und ohne Zusammenhang mit Beziehungen zu den Opfern begangen, stimmt jedenfalls auf die hier als wesentlich angesehenen Taten - räuberische Erpressung und versuchte räuberische Erpressung - bezogen, nicht mit den Feststellungen überein. Opfer der räuberischen Erpressung war ein Nachbar des Angeklagten. Diesen hatte er zunächst zum gemeinsamen Zechen in seine Wohnung geholt, mit ihm die dort vorhandenen Alkoholvorräte ausgetrunken und dann von ihm gewaltsam Geld für weiteren Alkohol und Zigaretten erpresst. Auch mit dem Geschädigten der versuchten räuberischen Erpressung hatte der Angeklagte offenbar schon länger Kontakt. Jedenfalls hatte sich der Angeklagte , so ein Zeuge über Bekundungen des inzwischen verstorbenen Geschädigten , häufiger in der Wohnung des Geschädigten aufgehalten und von diesem dort Geld verlangt.
10
(2) Andererseits besteht eine Gefahr für die Allgemeinheit aber nicht nur, wenn eine unbestimmte Vielzahl noch nicht näher individualisierter Personen betroffen ist. Vielmehr ist jeder als Einzelner Mitglied der Allgemeinheit, wenn ihm schwerer Schaden droht. Dementsprechend genügt es für eine Gefährlichkeit i.S.d. § 63 StGB, wenn vom Täter erhebliche rechtswidrige Taten nur gegen einen begrenzten Personenkreis oder sogar nur gegen eine Einzelperson zu erwarten sind (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 1976 - 1 StR 847/75, BGHSt 26, 321; BGH, Urteil vom 10. Januar 2007 - 1 StR 530/06 mwN zum hinsichtlich des Begriffs der Allgemeinheit gleich zu behandelnden Fall des § 66 StGB).
Raum Wahl Rothfuß
Jäger Cirener

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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

86
f) Ob die Interessen des Betroffenen am Schutz seiner Privatsphäre und „seiner“ (personenbezogenen) Daten überwiegen, ist eine Frage des Einzelfalls, die durch den Tatrichter zu beantworten ist. Das Revisionsgericht kann in Fällen , in denen ein unterschiedliches Ergebnis der Würdigung vertretbar wäre, die vom Tatrichter vorgenommene Würdigung nicht durch eine eigene ersetzen. Es ist vielmehr auf die Prüfung beschränkt, ob der Tatrichter die in die Abwägung einzubeziehenden Gesichtspunkte gesehen und einen rechtlich zutreffenden Abwägungsmaßstab angelegt hat. Dementsprechend kann das Revisionsgericht im Grundsatz auch nicht eine durch den Tatrichter unterbliebene Abwägung selbst nachholen (BGH, Beschluss vom 17. August 1999 - 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607). Etwas anderes gilt aber dann, wenn auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ohnehin lediglich ein rechtlich vertretbares Ergebnis möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02).

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 530/06
vom
10. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
10. Januar 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen J. und Je. K. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin P. Ma. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 25. Juli 2006 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit von einer Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen ist;
b) zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Der Angeklagte hat über Jahre hinweg insbesondere seine beiden Töchter vielfach sexuell missbraucht. Die Taten zum Nachteil der 1987 geborenen Tochter J. beging er zunächst zwischen 1995 und 1998 in der Ehewohnung , aus der er dann auszog, und dann nochmals zwischen 2000 und 2001, als J. bei ihm in der Wohnung lebte. Die Taten zum Nachteil der 1995 ge- borenen Tochter Je. beging er zwischen 2003 und 2005 bei ihren regelmäßigen Besuchen bei ihm an den Wochenenden und in den Ferien. 2005 missbrauchte er außerdem zweimal die 1997 geborene P. Ma. , als diese ihre Freundin Je. jeweils bei einem der genannten Wochenendbesuchen begleitete und ebenfalls in der Wohnung des Angeklagten übernachtete.
2
Die Strafkammer, die unter Anwendung des Zweifelssatzes eine Mindestanzahl von 172 Fällen errechnet hat - davon zwei Fälle zum Nachteil von zwei Kindern -, hat den Angeklagten deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren (Einzelstrafen zweimal zwei Jahre, zweimal ein Jahr und neun Monate, 160 Mal ein Jahr, in den übrigen Fällen zwischen zehn und vier Monaten ) verurteilt.
3
Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer nicht angeordnet. Allein hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zugleich zur Aufhebung des Strafausspruchs zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO).

II.


4
Die formalen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB liegen vor, wie dies die Strafkammer im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Sachverständig beraten hat sie darüber hinaus beim Angeklagten eine „Neigung zu sexuellem Kontakt mit Mädchen im Alter von 7 bis 14 Jahren“ festgestellt. Es liege bei ihm ein „eingeschliffenes Verhaltensmuster“ vor, seine sich über Jahre hinziehenden Taten seien „von steter Wiederholung, zum Teil auch von beinahe gewohn- heitsmäßiger Regelmäßigkeit geprägt“. Auf dieser Grundlage bejaht die Strafkammer rechtsfehlerfrei einen Hang i. S. d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB.
5
Gleichwohl hat sie von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen. Die Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 StGB liegt zwar im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters und ist deshalb der Kontrolle durch das Revisionsgericht nur sehr begrenzt zugänglich (vgl. nur BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 2). Die hier von der Strafkammer maßgeblich für die Ablehnung von Sicherungsverwahrung herangezogenen Gesichtspunkte gehen jedoch teilweise schon von einem rechtlich zu engen Ansatz aus und sind teilweise mit Erwägungen nicht ohne weiteres vereinbar, die die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung angestellt hat.
6
1. Die Strafkammer hält den Angeklagten trotz seines Hanges nicht „für die Allgemeinheit gefährlich“, die Taten seien nämlich „weitestgehend auf den familiären Bereich beschränkt“. Der Angeklagte habe sich nicht „auf die Suche“ nach Kindern gemacht.
7
a) Eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht nicht nur, wenn eine unbestimmte Vielzahl noch nicht näher individualisierter Personen betroffen ist (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 66 Rdn. 35). Jeder Einzelne ist Mitglied der Allgemeinheit, wenn ihm schwerer Schaden droht (vgl. Tröndle/ Fischer StGB 54. Aufl. § 66 Rdn. 24). Dementsprechend genügt für eine Gefährlichkeit i. S. d. § 66 StGB, wenn vom Täter erhebliche rechtswidrige Taten nur gegen eine Einzelperson oder einen begr enzten Personenkreis - wie z. B. Familienangehörige - zu erwarten sind (vgl. Stree aaO; zum hinsichtlich des Begriffs der Allgemeinheit gleich zu behandelnden Fall des § 63 StGB vgl. BGHSt 26, 321; Stree aaO § 63 Rdn. 16 m.w.N.).

8
b) Im Übrigen verlangt die Prüfung von Sicherungsverwahrung eine Prognose, ob von dem Täter mit bestimmter Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Taten ernsthaft zu erwarten sind und er deshalb gefährlich für die - im dargelegten Sinne zu verstehende - Allgemeinheit ist (vgl. zusammenfassend Tröndle/Fischer aaO Rdn. 22 m.w.N). Diese Erwartung ergibt sich vielfach schon allein aus der - hier getroffenen - Feststellung eines Hanges (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1 m.w.N.). Anderes kann gelten, wenn zwischen der letzten Hangtat und dem Urteil neue Umstände eingetreten sind, die die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten entfallen lassen (vgl. BGHR aaO m.w.N.). Ausdrücklich festgestellt sind derartige Umstände nicht. Insbesondere wäre eine solche Annahme aber auch nicht mit der von der Strafkammer in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen getroffenen Feststellung vereinbar, beim Angeklagten liege ein „mittleres einschlägiges Rückfallrisiko“ vor.
9
Im Hinblick darauf, dass dies nicht näher ausgeführt ist, weist der Senat jedoch vorsorglich auch darauf hin, dass im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung eine allein abstrakte, auf statistische Wahrscheinlichkeiten gestützte Prognoseentscheidung nicht ausreichen würde (vgl. BGHSt 50, 121, 130 f. im Zusammenhang mit dem insoweit vergleichbaren § 66b StGB). Dies wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer zu beachten haben.
10
2. Unabhängig von alledem hat der Angeklagte aber nicht nur seine eigenen Töchter, sondern auch P. Ma. sexuell missbraucht. Dies spricht auch schon in tatsächlicher Hinsicht gegen die Annahme, der Angeklagte sei im Wesentlichen nur für seine eigenen Töchter gefährlich. Dies hat die Strafkammer im Ansatz auch nicht verkannt. Sie meint jedoch, diese Taten hätten in diesem Zusammenhang deshalb ein geringeres Gewicht, weil der Angeklagte „sichtlich die günstige Gelegenheit ausgenutzt (habe), die sich dadurch ergab, dass sich P. Ma. entschlossen hatte, nicht mehr am Abend nach Hause zurück zu kehren“. Jedoch ist die im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwägung, der Angeklagte habe „nicht etwa nur günstige Gelegenheiten ausgenutzt, sondern planvoll das …. Bett entfernt, um zu erreichen, dass … (außer Je. auch) … P. Ma. mit ihm in … demselben Bett schlafen“ musste, damit jedenfalls ohne nähere Erläuterung damit nicht ohne weiteres vereinbar.
11
3. Die Strafkammer meint, gegen die Notwendigkeit von Sicherungsverwahrung spreche auch, dass beim Angeklagten, wie dies auch in den Taten zum Ausdruck komme, „keinerlei aggressive oder auch nur nötigende Tendenzen“ vorlägen. Diese Erwägung hält rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
12
a) Wäre der Angeklagte gewaltsam vorgegangen, hätte er nicht nur den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern erfüllt, sondern zugleich auch den Tatbestand der sexuellen Nötigung. Dass er dies nicht zusätzlich getan hat, kann ihm im Rahmen der Rechtsfolgenbestimmung bei einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht zugute gehalten werden (vgl. BGH b. Miebach NStZ 1998, 132; Renzikowski in MüKom § 176 Rdn. 67; in vergleichbarem Sinne auch BGH, Urteil vom 21. März 2001 - 1 StR 32/01).
13
b) Darüber erscheint die Annahme, es lägen keinerlei nötigende Tendenzen vor, durch die im Rahmen der Strafzumessung angestellte, allerdings nicht konkretisierte Erwägung, zu Lasten des Angeklagten wirke sich der „erhebliche Druck“ aus, den er als Vater auf seine Töchter „ausgeübt“ habe, zumindest relativiert.
14
4. Nach alledem muss über die Anordnung von Sicherungsverwahrung neu befunden werden.
15
Im Hinblick auf erkennbare Bemühungen des Angeklagten, „von seinen Neigungen loszukommen“ - eine „Flucht in den Glauben“ ist ebenso festgestellt wie aufrichtige Reue des Angeklagten und seine von der Strafkammer offenbar für glaubhaft angesehene Ankündigung, sich einer Therapie unterziehen zu wollen - könnte auch zu prüfen sein, ob eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung (§ 66a StGB) in Betracht kommt.

III.


16
Die Aufhebung des Urteils hinsichtlich der nicht angeordneten Sicherungsverwahrung führt hier zugleich zur Aufhebung des Strafausspruchs zu Gunsten des Angeklagten. Dies folgt aus den jedenfalls nicht ohne weiteres deckungsgleichen Erwägungen, die die Strafkammer zu identischen Gesichtspunkten bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten und bei der Prüfung von Sicherungsverwahrung zu Gunsten des Angeklagten angestellt hat. Dies gilt für die Erwägungen im Zusammenhang mit den Taten zum Nachteil von P. Ma. (vgl. oben II. 2.) ebenso wie für die Erwägungen, die Taten ließen keinerlei nötigende Tendenzen erkennen, der Angeklagte hätte aber erheblichen Druck ausgeübt (vgl. oben II. 3. b).
Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.