Bundesfinanzhof Urteil, 14. Dez. 2011 - XI R 32/09

bei uns veröffentlicht am14.12.2011

Tatbestand

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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb einen Handel mit neuen und gebrauchten Kraftfahrzeugen (Kfz). Er veräußerte in den Jahren 1997 bis 1999 (Streitjahre) 46 Kfz an 15 verschiedene Abnehmer in Spanien, Portugal und Italien und behandelte diese Lieferungen als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.

2

"Erwerber" der Kfz waren im Streitjahr 1997 A, Italien, B, Spanien, C, Spanien, und D, Spanien, im Streitjahr 1998 E, Spanien, F, Spanien, G, Portugal, H, Spanien, und I, Portugal, sowie im Streitjahr 1999 H, I, J, Italien, K, Italien, L, Italien, M, Italien, N, Spanien, und O, Portugal.

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Im Rahmen zweier Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die Voranmeldungszeiträume Januar bis November 1997 und für die Voranmeldungszeiträume Januar 1998 bis Januar 1999 beanstandete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Behandlung der Lieferungen als steuerfrei nicht. Infolge einer Steuerfahndungsprüfung sah das FA die Lieferungen nunmehr als steuerpflichtig an und erließ am 29. März 2004 auf der Grundlage bestehender Nachprüfungsvorbehalte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide. Es setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1997 auf ./. … €, die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1998 auf ./. … € und die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1999 auf ./. … € fest.

4

Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2004 setzte das FA die Umsatzsteuer für 1999 wegen einer nicht streitigen Vorsteuerkürzung auf ./. … € fest.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. In seinem Urteil führt es aus, die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) lägen hinsichtlich der einzelnen Veräußerungen an A bis O nicht vor. Der Kläger könne sich nicht erfolgreich auf Vertrauensschutz berufen, da die Umsatzsteuer-Sonderprüfungen nur die Voranmeldungen betroffen hätten und die Umsatzsteuerjahresbescheide für die Streitjahre mit Nachprüfungsvorbehalten versehen gewesen seien. Es könne auf Grund der vorgelegten Belege nicht festgestellt werden, ob der Kläger oder der jeweilige Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet habe, oder dass dies für Rechnung des Abnehmers oder des Verkäufers geschehen sei. In Bezug auf Lieferungen an C, D, F und N stützt das FG den nach seiner Ansicht fehlenden Versendungsnachweis allein oder zusammen mit anderen Umständen darauf, dass im betreffenden CMR-Frachtbrief das Feld 24 nicht ausgefüllt worden sei, so dass nicht nachgewiesen sei, ob die Spedition das einzelne Fahrzeug in das Gemeinschaftsgebiet transportiert habe.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er trägt zur Begründung vor, die Nichtanerkennung der Nachweise und die Nichtgewährung von Vertrauensschutz stehe im Widerspruch zur aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung.

7

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung der angefochtenen Bescheide die Umsatzsteuer für 1997 auf ./. … €, die Umsatzsteuer für 1998 auf ./. … € und die Umsatzsteuer für 1999 auf ./. … € festzusetzen.

8

Er regt hilfsweise an, das Revisionsverfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorzulegen, "ab wann der liefernde Unternehmer darauf vertrauen darf", dass Beweise, die er vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, und welche von der Finanzverwaltung geprüft und als ausreichend anerkannt wurden, weiterhin dazu führen, dass er nicht nachträglich für die Liefervorgänge mit Umsatzsteuer belastet werden darf.

9

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

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Es tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Sache ist nicht spruchreif, weil die vom FG festgestellten Tatsachen keine abschließende Beurteilung ermöglichen, ob die streitbefangenen Lieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen von der Umsatzsteuer befreit sind.

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1. Das FG hat --entgegen der Auffassung des Klägers-- zu Recht entschieden, dass durch die ohne Beanstandung der vom Kläger erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfungen die Voraussetzungen der Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO nicht erfüllt sind (siehe unter a), und dass kein allgemeiner Vertrauenstatbestand mit Bindungswirkung entstanden ist (siehe unter b und c).

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a) Umsatzsteuer-Sonderprüfungen sind zwar Außenprüfungen i.S. des § 173 Abs. 2 AO; eine Änderungssperre lösen sie aber nur aus, wenn die daraufhin ergangenen Bescheide endgültigen Charakter haben, also nicht nur Vorauszahlungen oder Voranmeldungen betreffen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420; vom 11. November 1987 X R 54/82, BFHE 152, 166, BStBl II 1988, 307; BFH-Beschluss vom 15. November 1993 V B 46/92, BFH/NV 1995, 283). Nach den Feststellungen des FG betrafen die Umsatzsteuer-Sonderprüfungen die Umsatzsteuer-Voranmeldungen des Klägers für Januar bis November 1997 und Januar 1998 bis Januar 1999.

14

b) Die im Januar 1998 und im April bis Mai 1999 im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen vorgelegten Belege haben als Besteuerungsgrundlagen zwar Eingang in die Jahressteuerfestsetzungen für die Streitjahre gefunden; die Umsatzsteuerjahresbescheide für 1997, für 1998 und für 1999 standen allerdings bis zum Abschluss der nachfolgenden Steuerfahndungsprüfung des FA unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Es handelte sich somit für den Kläger erkennbar um lediglich vorläufige Beurteilungen, die keine bindende und abschließende Festlegung durch das FA darstellten. Ein allgemeiner Vertrauensschutz mit Bindungswirkung ist dadurch nicht entstanden.

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c) Dem steht auch nicht das vom Kläger genannte Urteil des EuGH vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.-- (Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25) entgegen.

16

Der EuGH hat in dem Urteil zwar ausgeführt, es verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn ein Mitgliedstaat, der die Voraussetzungen für die Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung festgelegt hat, indem er u.a. eine Liste von Unterlagen aufgestellt hat, die den zuständigen Behörden vorzulegen sind, und der die vom Lieferanten als Nachweise für das Recht auf Befreiung vorgelegten Unterlagen zunächst akzeptiert hat, den Lieferanten später zur Zahlung der auf diese Lieferung entfallenden Mehrwertsteuer verpflichten könne, wenn sich herausstelle, dass die betreffenden Gegenstände wegen eines vom Erwerber begangenen Betrugs, von dem der Lieferant weder Kenntnis hatte noch haben konnte, den Liefermitgliedstaat in Wirklichkeit nicht verlassen haben (Urteil, Rz 50).

17

Diese Aussage des EuGH bezieht sich aber auf einen konkreten Sachverhalt; sie ist einer Verallgemeinerung, wie sie der Kläger für richtig hält, nicht zugänglich. Zudem geht der EuGH von Feststellungen und Würdigungen des vorlegenden Gerichts zugunsten von Teleos aus (Rz 18), die im Streitfall nicht festgestellt sind.

18

2. Entgegen der Auffassung des FG (Urteil Seiten …) kann im Rahmen des Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung ein CMR-Frachtbrief auch ohne ausgefülltes Feld 24 ein geeigneter Versendungsbeleg i.S. des § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und § 10 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) sein (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3.c; vom 4. Mai 2011 XI R 10/09, BFHE 233, 374, BStBl II 2011, 797, unter II.2.c).

19

3. Die Vorentscheidung kann auch insoweit keinen Bestand haben als das FG sich darauf stützt, dass die Abnehmer im EU-Ausland nach den Angaben der spanischen Finanzbehörden lediglich "Scheinfirmen" bzw. "Missing Trader" seien (Urteil Seiten …).

20

a) Nach der Rechtsprechung des BFH erlaubt die Feststellung, der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, für sich genommen nicht den Schluss, nicht der Vertragspartner ("Missing Trader"), sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Dezember 2005 V B 44/04, BFH/NV 2006, 625). Darüber hinaus ist die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Februar 2004 V B 180/03, BFH/NV 2004, 988; in BFH/NV 2006, 625; BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 72/05, BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55, unter II.1.b). Sofern die Annahme der spanischen Finanzbehörden, es handle sich bei den Vertragspartnern um Scheinfirmen, lediglich darauf beruht, dass das Unternehmen seine innergemeinschaftlichen Erwerbe aus Deutschland in Spanien nicht anmeldete, begründet dies allein keine Zweifel an der Unternehmereigenschaft (BFH-Urteil in BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55, unter II.1.b).

21

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (BFH-Urteile vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteile in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd; vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.b).

22

4. Das FG, das zum Zeitpunkt seines Urteils die dargestellten Rechtsgrundsätze teilweise nicht kennen konnte, ist von anderen Rechtsmaßstäben ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

23

a) Den tatsächlichen Feststellungen des FG lässt sich nicht entnehmen, in welchem Umfang die jeweils vorgelegten CMR-Frachtbriefe, abgesehen von dem Feld 24, ausgefüllt waren.

24

b) Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob der Kläger den gemäß § 17c UStDV erforderlichen Buchnachweis (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420; BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 V R 59/03, BFHE 208, 502, BStBl II 2005, 537, m.w.N.) erbracht hat.

25

c) Ggf. wird das FG auch zu prüfen haben, ob der Unternehmer das betreffende Kfz an einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten anderen Unternehmer geliefert hat und einer von beiden den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (vgl. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG).

26

Die Nachweispflichten (§ 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a, 17c UStDV) sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55, unter II.2.c). Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (BFH-Urteile in BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55, II.2.c; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.c).

27

Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die innergemeinschaftliche Lieferung, in Übereinstimmung mit den nationalen Grundsätzen, neben den Voraussetzungen in Bezug auf die Eigenschaft der Steuerpflichtigen voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (EuGH-Urteile in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 42, 70; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, BFH/NV Beilage 2008, 39, Rz 23; BFH-Urteil in BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55, II.1.a). Das FG wird im zweiten Rechtsgang hinsichtlich der einzelnen Vorgänge festzustellen haben, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt. Dies kann der Fall sein, wenn eine zeitnahe Registrierung bzw. Zulassung der PKW im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Lieferung auf die Abnehmer im EU-Ausland vorliegt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55, II.1.b und II.2.; vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57).

28

Ferner ist ggf. zu prüfen, ab welchem Zeitpunkt die betreffenden Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Vertragspartner ggf. ungültig sind. Sofern dieser Zeitpunkt nach dem Tag der Lieferung liegt, ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der einzelnen Lieferung von der Gültigkeit auszugehen (BFH-Urteil in BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55, II.1.b).

29

d) Soweit die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung objektiv vorliegen, wird das FG ggf. auch zu prüfen haben, ob die einzelne Lieferung steuerpflichtig ist, weil der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern beruhenden Pflichten zum Beleg- und Buchnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert hat, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 51 und Leitsatz; BFH-Urteile in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, und vom 17. Februar 2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, jeweils unter II.2.c).

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e) Soweit das FG danach im zweiten Rechtsgang den Beleg- und Buchnachweis als vollständig und rechtzeitig erbracht ansehen sollte, aber die Beleg- und Buchangaben entweder unzutreffend sind oder aber auf Grund konkreter Anhaltspunkte an ihrer Richtigkeit zumindest berechtigte Zweifel verbleiben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b aa; Wäger, DStR 2009, 1621, 1623 rechte Spalte), wird es nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu entscheiden haben, ob Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu gewähren ist. Dies setzt voraus, dass die Unrichtigkeit auf Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Der Senat sieht entgegen dem Begehren des Klägers im gegenwärtigen Verfahrensstadium auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts keinen Anlass, der insoweit ggf. erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände vorzugreifen.

31

5. Die vom Kläger angeregte Vorlage der Sache an den EuGH kommt nicht in Betracht, weil die Frage, die der EuGH nach Ansicht des Klägers beantworten soll, von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt.

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

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(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

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(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

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(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

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(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebi

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(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wen

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(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Hat der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Ausfuhrnachweis durch folgenden Beleg zu führen:

1.
bei Ausfuhranmeldung im elektronischen Ausfuhrverfahren nach Artikel 326 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union mit dem Ausgangsvermerk;
2.
bei allen anderen Ausfuhranmeldungen:
a)
mit einem Versendungsbeleg, insbesondere durch handelsrechtlichen Frachtbrief, der vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet ist, mit einem Konnossement, mit einem Einlieferungsschein für im Postverkehr beförderte Sendungen oder deren Doppelstücke, oder
b)
mit einem anderen handelsüblichen Beleg als den Belegen nach Buchstabe a, insbesondere mit einer Bescheinigung des beauftragten Spediteurs; dieser Beleg hat folgende Angaben zu enthalten:
aa)
den Namen und die Anschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers sowie das Ausstellungsdatum,
bb)
den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers und des Auftraggebers der Versendung,
cc)
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) des ausgeführten Gegenstands,
dd)
den Ort und den Tag der Ausfuhr oder den Ort und den Tag der Versendung des ausgeführten Gegenstands in das Drittlandsgebiet,
ee)
den Empfänger des ausgeführten Gegenstands und den Bestimmungsort im Drittlandsgebiet,
ff)
eine Versicherung des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers darüber, dass die Angaben im Beleg auf der Grundlage von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind, sowie
gg)
die Unterschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers.
Hat der Unternehmer statt des Ausgangsvermerks einen Alternativ-Ausgangsvermerk, gilt dieser als Ausfuhrnachweis.

(2) Bei der Ausfuhr von Fahrzeugen im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes, die zum bestimmungsmäßigen Gebrauch im Straßenverkehr einer Zulassung bedürfen, muss

1.
der Beleg nach Absatz 1 auch die Fahrzeug-Identifikationsnummer enthalten und
2.
der Unternehmer zusätzlich über eine Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland verfügen.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht in den Fällen, in denen das Fahrzeug mit einem Ausfuhrkennzeichen ausgeführt wird, wenn aus dem Beleg nach Satz 1 Nummer 1 die Nummer des Ausfuhrkennzeichens ersichtlich ist, oder in denen das Fahrzeug nicht im Sinne der Fahrzeug-Zulassungsverordnung auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt worden ist und nicht auf eigener Achse in das Drittlandsgebiet ausgeführt wird.

(3) Ist eine Ausfuhr elektronisch angemeldet worden und ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zu führen, kann dieser die Ausfuhr mit den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Belegen nachweisen. In den Fällen nach Satz 1 muss der Beleg zusätzlich zu den Angaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Versendungsbezugsnummer der Ausfuhranmeldung nach Artikel 226 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union (Master Reference Number – MRN) enthalten.

(4) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 zu führen, kann er die Ausfuhr wie in Beförderungsfällen nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nachweisen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der W-KG (KG). Die KG war als Großhändlerin vorwiegend im Handel mit Getränkedosen tätig. Die von ihr in das europäische Ausland verkaufte Ware wurde von Spediteuren, die von den Abnehmern in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union beauftragt worden waren, aus einem inländischen Lager abgeholt. Der jeweilige Fahrer quittierte auf dem gemäß dem Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (Convention on the Contract for International Carriage of Goods by Road --CMR-Übereinkommen--, BGBl II 1961, 1120) ausgestellten Frachtbrief (CMR-Frachtbrief), die Ware in Empfang genommen zu haben. Die Aufträge der ausländischen Kunden erfolgten per Telefon oder Telefax. Die Ware wurde bei Abholung bar bezahlt.

2

Die KG meldete mit Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Januar, Februar und Juni 2005 überwiegend innergemeinschaftliche Lieferungen an und machte jeweils Umsatzsteuerguthaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erklärte zu den Voranmeldungen für Januar und Februar 2005 seine Zustimmung. Im August 2005 teilte er der KG mit, eine Zustimmung für die Voranmeldung Juni 2005 komme nicht in Betracht. Hiergegen legte die KG noch im August 2005 Einspruch ein.

3

Das FA änderte mit Bescheiden vom November 2005 die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Januar und Februar 2005 und setzte mit Bescheid vom Dezember 2005 die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juni 2005 abweichend von der Voranmeldung mit dem Hinweis fest, dass sich hierdurch der Einspruch vom August 2005 erledigt habe. Gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Januar und Februar 2005 vom November 2005 legte die KG Einspruch ein. Eine Einspruchsentscheidung ist nicht ergangen. Mit Bescheid vom Januar 2006 änderte das FA die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Februar 2005 erneut.

4

Den Änderungsbescheiden lagen die Ermittlungen der Steuerfahndung zugrunde, wonach von der KG als innergemeinschaftliche Lieferungen erklärte Umsätze nicht an die genannten Unternehmen ausgeführt worden seien, sondern an Abnehmer in Deutschland.

5

Die KG erhob im März 2006 Klage und begehrte, die im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens mit Bescheiden vom Oktober 2006 erneut geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Januar, Februar und Juni 2005 unter Berücksichtigung steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen zu ändern.

6

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die als Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Klage sei unbegründet. Die i.S. des § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als innergemeinschaftliche Lieferungen angemeldeten Umsätze seien nicht steuerfrei. CMR-Frachtbriefe seien keine i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) als Versendungsbelege geeigneten Dokumente. Dies gelte insbesondere, wenn sie wie im Streitfall unvollständig ausgefüllt seien, weil sie ganz überwiegend keine Angaben zum Ort und Zeitpunkt des Empfangs der Lieferung in Feld 24, zu Name und Anschrift des Frachtführers oder zum Ort der Lieferung in Feld 3 enthielten. Einen Nachweis über die Versendung auf andere Weise habe die KG nicht geführt. Die Lieferungen seien bereits mangels vollständig erfüllter Nachweispflichten nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei zu behandeln. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 653 veröffentlicht.

7

Nachdem die KG wegen Nichtzulassung der Revision gegen die Vorentscheidung Beschwerde eingelegt hatte, wurde über ihr Vermögen im August 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das unterbrochene Beschwerdeverfahren wurde durch den Kläger aufgenommen und mit Beschluss des Senats vom April 2009 wurde die Revision zugelassen.

8

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensmängel. Die KG habe mit den vorliegenden CMR-Frachtbriefen trotz des Fehlens einer gesonderten Empfängerbestätigung in Feld 24 den Belegnachweis über die Versendung i.S. der §§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV erbracht. Die KG könne Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG beanspruchen. Sie habe trotz beachteter kaufmännischer Sorgfaltspflicht nicht erkennen können, dass die Angaben der Abnehmer unrichtig gewesen seien und die Ware das Inland nicht verlassen habe. Das FG habe entgegen § 76 FGO den Sachverhalt unvollständig ermittelt, den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen.

9

Der Kläger beantragt,

das Urteil des FG Hamburg vom 5. Dezember 2007  7 K 71/06 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

10

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

11

Das FG habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die KG den nach § 17a UStDV erforderlichen Belegnachweis nicht erbracht habe, und rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Lieferungen nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei zu behandeln seien. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel seien nicht gegeben oder könnten infolge Rügeverzichts nicht mehr gerügt werden.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

13

1. Das FG hat die Klage zu Recht als zulässig behandelt. Die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage i.S. des § 46 Abs. 1 FGO liegen vor. Darüber besteht auch kein Streit zwischen den Beteiligten.

14

2. Entgegen der Auffassung des FG kann im Rahmen des Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung ein CMR-Frachtbrief ein geeigneter Versendungsbeleg i.S. des § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und § 10 Abs. 1 UStDV sein.

15

Versendet wie im Streitfall der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, soll der Unternehmer den Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S. der §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV führen (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStDV).

16

a) Diesen Belegnachweis soll der Unternehmer durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Posteinlieferungsschein (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV) oder sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Spediteurbescheinigung oder eine Versandbestätigung des Lieferers (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV) erbringen.

17

b) Ein CMR-Frachtbrief ist entgegen der Vorentscheidung als Frachtbrief i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV anzusehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3.b). Auch die Finanzverwaltung erkennt nunmehr einen CMR-Frachtbrief als belegmäßigen Nachweis an (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 5. Mai 2010 IV D 3 - S 7141/ 08/10001, 2010/0334195, BStBl I 2010, 508, Rz 37).

18

c) Entgegen der Ansicht des FG scheidet ein CMR-Frachtbrief nicht bereits deshalb als geeigneter Versendungsbeleg aus, weil das Formular in Feld 24 nicht oder unvollständig ausgefüllt ist. Für die Anerkennung eines CMR-Frachtbriefs als Versendungsbeleg nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV kommt es nicht darauf an, dass dieser die in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung aufweist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3.c; a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 508, Rz 38).

19

3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Den tatsächlichen Feststellungen des FG lässt sich nicht entnehmen, in welchem Umfang die vorgelegten CMR-Frachtbriefe --abgesehen von dem Feld 24-- ausgefüllt waren.

20

a) Wie das FG zutreffend erkannt hat, ist die Angabe des Bestimmungsortes grundsätzlich erforderlich, um die Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegmäßig nachzuweisen. Denn die für die Ablieferung vorgesehene Stelle muss sowohl nach § 408 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs als auch nach Art. 6 Nr. 1 Buchst. d CMR-Übereinkommen aus einem Frachtbrief hervorgehen. Ob ausnahmsweise bei einem Reihengeschäft zum Schutz der Geschäftsbeziehungen auch die Angabe des Bestimmungslandes ausreichend sein kann (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Oktober 2010  6 K 1643/08, EFG 2011, 670, Revision eingelegt, Az. XI R 42/10), kann im Streitfall offenbleiben. Denn einen solchen Fall hat das FG nicht festgestellt.

21

Mit dieser Auffassung, dass sich die für die Ablieferung vorgesehene Stelle aus dem Frachtbrief ergeben muss, weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des V. Senats des BFH ab. Dieser hat es in Abholfällen unter Hinweis auf das Fehlen handelsüblicher Belege nicht beanstandet, dass das FG für die Angabe des Bestimmungsortes die Rechnungsanschrift als ausreichend angesehen hat (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c). Dagegen gibt es in Fällen einer Versendung mit einem Frachtbrief einen handelsüblichen Beleg, in dem --wie dargelegt-- der Bestimmungsort anzugeben ist.

22

b) Deshalb vermag der Senat auch der in der Literatur zum Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungsfällen nach § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV vertretenen Ansicht, die Angabe des Bestimmungsortes dürfe in den nationalen Nachweis- und Kontrollregeln nicht maßgebend sein, weil sie kein Kriterium nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --nunmehr Art. 138 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347/1)-- sei (vgl. Wagner, Haufe Steuer Office, Haufe-Index 1969513, Stand 8. November 2007), nicht zu folgen. Im Übrigen ist es Sache der Mitgliedstaaten, unter Beachtung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Europäischen Union zu bestimmen, welche Beweise die Steuerpflichtigen vorlegen müssen, um in den Genuss der Mehrwertsteuerbefreiung zu gelangen, eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern (vgl. z.B. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 7. Dezember 2010 Rs. C-285/09 --R--, Deutsches Steuerrecht 2010, 2572, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 15, Rz 43 f., m.w.N.).

23

c) Da es sich bei § 17a Abs. 4 Satz 1 UStDV um eine Sollvorschrift über die an den Nachweis nach § 17a Abs. 1 UStDV zu stellenden Anforderungen handelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c), bleibt es dem Unternehmer allerdings unbenommen, einen geeigneten Ersatzbeleg vorzulegen, soweit sich der Ort der voraussichtlichen Auslieferung der vom Frachtführer in Empfang genommenen Ware nicht aus dem Frachtbrief ergibt.

24

d) Soweit das FG danach im zweiten Rechtsgang, den Beleg- und Buchnachweis als geführt ansehen sollte, wird es nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu entscheiden haben, ob Vertrauensschutz zu gewähren ist. Der Senat sieht entgegen dem Begehren des Klägers im gegenwärtigen Verfahrensstadium auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts keinen Anlass, der insoweit ggf. erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände vorzugreifen.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) handelt mit neuwertigen Personenfahrzeugen und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien aus. Abnehmer waren die italienischen Firmen RR, RY und ET, bei denen es sich jeweils um Kapitalgesellschaften italienischen Rechts handelte. RR und RY wurden bei den Vertragsschlüssen mit dem Kläger von S vertreten, die im Inland in P wohnte und der sie jeweils Generalvollmacht erteilt hatten. S überwies den Kaufpreis jeweils über inländische Bankkonten, die sie für zwei der Firmen eingerichtet hatte.

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Mit Schreiben vom 10. November 2003 an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und vom 6. Februar 2004 an das zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung teilte die italienische Staatsanwaltschaft mit, dass RR, RY und ET bei innergemeinschaftlichen Erwerben von Fahrzeugen die Erwerbsteuer hinterzogen hätten. Die Geschäfte der drei Firmen seien von S und D geführt worden. Die Firmen hätten ihre Tätigkeit jedenfalls nicht an ihrem jeweiligen Sitz in Italien ausgeübt. Die Verkäufer hätten von der Steuerhinterziehung zugunsten der drei Firmen gewusst. Die von RR, RY und ET erworbenen Fahrzeuge seien von diesen an andere Abnehmer verkauft worden und direkt aus Deutschland zu diesen Abnehmern verbracht worden.

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Gegen den Kläger wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im Anschluss an den Steuerfahndungsbericht vom 11. August 2005 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei und änderte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die bestehenden Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 11. Oktober 2005. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erfolgte eine nochmalige Änderung für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 31. Juli 2006. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

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Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage überwiegend statt. In der mündlichen Verhandlung sagte das FA zu, die Bescheide für beide Streitjahre in zwei Einzelpunkten zu ändern. Das FG stützte die Klagestattgabe darauf, es sei nicht zweifelhaft, dass RR, RY und ET Vertragspartner und Abnehmer der Lieferungen seien. Ein Erwerb für das Unternehmen des jeweiligen Abnehmers ergebe sich aus den dem Kläger nach § 18e des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) erteilten Bestätigungen. Der Kläger habe auch den Buchnachweis geführt. Alle Fahrzeuge seien tatsächlich nach Italien verbracht worden.

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Für die Lieferungen an RR und RY, bei denen Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgt seien, liege der Belegnachweis vor. Entgegen der Verwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der Frachtbriefe durch den Absender an.

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Der Nachweis des Bestimmungsorts ergebe sich darüber hinaus aus den in den Rechnungen ausgewiesenen Anschriften der RR, RY und ET. Für den Kläger hätten bei Beachtung kaufmännischer Sorgfalt auch keine Verdachtsmomente bestanden. Es habe sich um Lieferungen im Rahmen normaler Handelsgeschäfte gehandelt. Der Kläger habe nicht an einer Vermeidung der Erwerbsbesteuerung durch seine Abnehmer mitgewirkt. In den Beförderungsfällen hätten Versicherungen vorgelegen, die Fahrzeuge nach Italien zu befördern. Soweit in einzelnen Fällen Name und Anschrift des Abholers nicht ausreichend vermerkt oder nicht lesbar sei, stehe dies der Steuerfreiheit nicht entgegen. Steuerfrei sei auch eine Ausfuhrlieferung an PA nach San Marino.

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Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1537 veröffentlicht.

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Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die CMR-Frachtbriefe seien nicht als Versendungsbelege anzuerkennen. Zwar komme es nicht auf die Bestätigung des Warenerhalts in Feld 24 durch den Empfänger an. Frachtführer und Absender müssten aber den Frachtbrief wie im Formular vorgesehen unterschreiben. Erst aufgrund der Unterschrift des Frachtführers komme dem Frachtbrief Beweiswirkung zu. Soweit in den CMR-Frachtbriefen der inländische Ort P oder nur Italien als Bestimmungsort genannt werde, reiche dies nicht aus. Der Rechnungsanschrift könne dann keine Bedeutung beigemessen werden. Es fehlten auch Angaben zu den Fahrzeugidentifikationsnummern und den Ausfertigungsdaten. In den Abholfällen lägen keine Belegangaben vor. Das FG habe insoweit unter Missachtung der Beweislastverteilung entschieden, dass die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien. Bei den Lieferungen an ET seien die Fahrzeuge von dem im Inland ansässigen G abgeholt worden, ohne dass hinreichende Belegangaben zu dessen Namen und Anschrift vorgelegen hätten. Der nachträglichen Verbringungsbestätigung, die mit unbekannter Unterschrift versehen sei, komme keine Beweiswirkung zu. Soweit das FG allgemein davon ausgegangen sei, dass die Lieferungen aufgrund der objektiven Beweislage steuerfrei seien, sei nicht erkennbar, auf welche Umstände sich das FG dabei stütze. Soweit die Belegnachweise mangelhaft seien, komme entgegen dem FG-Urteil auch kein Vertrauensschutz in Betracht.

9

Das FA beantragt,

das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als das FG Lieferungen in Höhe von 38.567,28 € in 2001 und in Höhe von 288.240 € in 2002 als steuerfrei anerkannt hat und diese als steuerpflichtige Umsätze anzusetzen.

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Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet abzuweisen.

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Er sei seinen Nachweispflichten nachgekommen. Dass italienische Ermittlungsbehörden im Nachhinein die aufgezeichneten Abnehmer als wirtschaftlich nicht existent bezeichneten, reiche zur Versagung der Steuerfreiheit nicht aus. RR und RY seien zivilrechtlich seine Vertragspartner gewesen. Sie seien wirksam durch S aufgrund ihrer Generalvollmacht verpflichtet worden. Er habe sich hinsichtlich der CMR-Frachtbriefe entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch als Versender ansehen dürfen. Er habe auch qualifizierte Bestätigungsabfragen hinsichtlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern seiner Abnehmer vorgenommen. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit seien auch objektiv erfüllt. Wie den Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft zu entnehmen sei, seien die Fahrzeuge nicht direkt zu den Abnehmern RR, RY und ET, sondern im Rahmen von Reihengeschäften zu deren Abnehmern gelangt. Dies zeige, dass RR, RY und ET die Fahrzeuge zuvor innergemeinschaftlich erworben hätten. Welche Anforderungen an den Objektivnachweis der Steuerfreiheit zu stellen seien, obliege der tatrichterlichen Würdigung. Das FA wende sich nur gegen die Beweiswürdigung des FG.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision des FA ist im Umfang des Revisionsantrags begründet. Das Urteil des FG ist im beantragten Umfang aufzuheben und die Sache ist insoweit an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorliegen.

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1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

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Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

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Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/ die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

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2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

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a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG in der Fassung der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

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b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

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Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

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c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch (zutreffende) Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

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Der Unternehmer kann grundsätzlich die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern, um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstands zu vermeiden, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts nunmehr die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

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3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben, da es § 17a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 UStDV verletzt.

23

a) Soweit im Streitfall Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgten, hat das FG zu Recht entschieden, dass diese nicht vom Absender unterschrieben sein müssen. Nicht beachtet hat das FG aber, dass derartige Frachtbriefe nur als Versendungsbeleg anzuerkennen sind, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

24

Nach dem Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3. muss ein CMR-Frachtbrief nicht die dort in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung enthalten, um als Versendungsbeleg i.S. von § 17a Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV anerkannt zu werden. Der Senat hat dies insbesondere auf einen Vergleich mit den Angaben gestützt, die bei der Erstellung einer steuerrechtlichen Versandbestätigung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV zu machen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3.c aa). Dementsprechend sind CMR-Frachtbriefe umsatzsteuerrechtlich als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

25

Wie das FG zutreffend entschieden hat, setzt entgegen dem BMF-Schreiben vom 5. Mai 2010 (BStBl I 2010, 508 Rdnr. 36; ebenso Abschn. 6a.4 Abs. 3 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) die Beurteilung als Versendungsbeleg i.S. des § 10 Abs. 1 UStDV nicht voraus, dass der Auftraggeber des Frachtführers (Versender) den Frachtbrief unterzeichnet. Verzichtet die UStDV auf eine derartige Unterzeichnung bei der steuerrechtlichen Bestätigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die steuerrechtliche Anerkennung eines Frachtbriefs als Versendungsbeleg hiervon abhängig zu machen. Die Annahme des BMF, ohne Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers läge entgegen § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV kein eindeutig und leicht nachprüfbarer Beleg vor, überzeugt nicht, da auch § 8 Abs. 1 Satz 2 UStDV auf eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit abstellt, zugleich aber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV für die Versendung durch einen Spediteur auf eine Unterschrift durch den Auftraggeber des Spediteurs auf dem Versendungsbeleg verzichtet.

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b) Gleichwohl sind die streitigen CMR-Frachtbriefe keine ausreichenden Versendungsbelege.

27

So enthalten die vom FG in Bezug genommenen CMR-Frachtbriefe vom 12. September 2002 und vom 17. Januar 2002 (Bl. 40 und 41 der Beweismittelakte) entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e UStDV keine Angaben zum Auslieferungsort, während ein weiterer CMR-Frachtbrief entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStDV keine Angaben zum Ausstellungstag enthält und darüber hinaus als Auslieferungsort P im Inland angibt (CMR ohne Datum, Bl. 70 der Beweismittelakte).

28

Soweit die Fahrzeuge durch Frachtführer mit CMR-Frachtbriefen versendet wurden, genügt somit nur der am 27. Februar 2002 ausgefertigte CMR-Frachtbrief (Bl. 39 der Beweismittelakte) den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV. Er weist S als Absender, RY als Empfänger, den Ort S.L. in Italien sowie die beförderten Gegenstände als "7 Stück Mercedes A 170", weiter gekennzeichnet mit einer jeweils sechsstelligen Zahlenkombination, aus.

29

c) Auch in den Beförderungsfällen bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben, so dass entgegen dem FG-Urteil kein hinreichender Belegnachweis vorliegt. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts nach dem Senatsurteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03 (BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c) aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird. Letzteres erscheint aber im Hinblick auf das Vorliegen von Reihengeschäften, von dem die italienischen Behörden ausgehen, zweifelhaft.

30

d) Liegen somit die Voraussetzungen des Belegnachweises nicht vor oder bestehen an den Belegangaben zumindest begründete Zweifel, ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Feststellungen das FG davon ausgegangen ist, dass nach objektiver Beweislage zweifelsfrei feststehen soll, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen (s. oben II.2.). Ob sich dies für die einzelnen Lieferungen aus den allgemeinen Mitteilungen der italienischen Behörden ergibt, die sich pauschal auf "tausende von Kraftfahrzeugen" (Beweismittelakte Bl. 2) durch eine Vielzahl deutscher Lieferanten (Beweismittelakte Bl. 10 f.) beziehen, ist nicht erkennbar. Auch fehlen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Fahrzeuge in Italien --oder im Fall der Lieferung nach San Marino-- in San Marino zugelassen wurden.

31

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

32

a) Gegen die Würdigung des FG, dass RR, RY und ET Abnehmer der Lieferungen waren, bestehen revisionsrechtlich jedenfalls keine Bedenken, soweit diese --was nach den Feststellungen des FG nicht eindeutig ist-- von S vertreten wurden.

33

Im Streitfall waren nach den zwischen dem Kläger und S als bevollmächtigte Vertreter für RR und RY abgeschlossenen Verträgen, die den Lieferungen zugrunde lagen (s. oben II.2.b), RR und RY Abnehmer. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die zwischen dem Kläger und S als Vertreter abgeschlossenen Verträge Scheingeschäfte waren (§ 41 Abs. 2 AO), die andere Rechtsgeschäfte des Klägers mit den Kunden der RR und RY verdecken sollten. Dies scheitert bereits daran, dass dem Kläger diese Kunden nicht bekannt waren.

34

b) Sollten RR, RY und ET entsprechend der Mitteilung der italienischen Staatsanwaltschaft die Fahrzeuge an andere Abnehmer weiterverkauft haben, wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

35

Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Kommt es bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, kann nach der Rechtsprechung des EuGH die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die dann als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, UR 2006, 342, Leitsatz 1).

36

Erklärt der Ersterwerber gegenüber dem ersten Lieferer, den Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat zu befördern, handelt er weiter dabei unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und holt er den gelieferten Gegenstand beim ersten Lieferer mit einem LKW und Fahrer des Zweiterwerbers ab, ist die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen, so dass der Erstlieferer die innergemeinschaftliche Lieferung ausführt (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 15 und 35). Weder die Beteiligung des Zweiterwerbers an der Beförderung noch die Beförderung zu einer anderen Adresse als der des Ersterwerbers führen zu einer Zuordnung der Beförderung zur zweiten Lieferung (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 41 f.). Danach kann es sich im Streitfall bei den Lieferungen des Klägers auch dann um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt haben, wenn die Fahrzeuge nicht zu seinen Abnehmern, die dann als Zwischenhändler anzusehen wären, sondern zu den Abnehmern der Zwischenhändler befördert oder versendet wurden.

37

c) Soweit das FG im zweiten Rechtgang feststellen sollte, dass der Kläger den Beleg- und Buchnachweis zwar vollständig erbracht hat, wozu auch Angaben zur Identität und Anschrift des Abholers gehören (Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1), die Beleg- und Buchangaben aber z.B. hinsichtlich des Bestimmungsorts der Lieferungen inhaltlich unzutreffend sind (s. oben II.3.b und c) und darüber hinaus auch das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht feststellbar ist (s. oben II.2.c), kann die Lieferung gleichwohl nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte. War z.B. für den Kläger auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennbar, dass Reihengeschäfte vorliegen und die gelieferten Fahrzeuge entgegen den Angaben seiner Abnehmer nicht zum Unternehmensort der Abnehmer befördert oder versendet werden sollten, kann Vertrauensschutz zu gewähren sein.

38

Einer Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG stehen dann auch nicht die Grundsätze des EuGH-Urteils R in UR 2011, 15 entgegen. Zwar ist danach auch eine tatsächlich stattgefundene innergemeinschaftliche Lieferung steuerpflichtig, wenn der Lieferer "die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz). An einer derartigen Verschleierung fehlt es aber, wenn der Unternehmer bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns davon ausgehen durfte, dass seine Vertragspartner auch die "wirklichen" Abnehmer sind und für ihn das Vorliegen eines Reihengeschäfts nicht erkennbar ist (s. oben II.4.a).

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-GmbH. Sie führte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Österreich an die Firmen EE, FD und BB-GmbH aus. Das Landgericht (LG) verurteilte L.F., den Geschäftsführer der Abnehmerfirmen, mit Urteil vom 9. August 2001 wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten, da er die Firmen BA-GmbH, P-GmbH, EE, FD und BB-GmbH als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaften habe in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an EE, FD und BB-GmbH weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte das FA die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass der Klägerin aufgrund der ihrem Vorstandsmitglied bekannten Einbindung in ein "Umsatzsteuer-Karussell" der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Aus diesem Grund seien auch ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht steuerfrei.

4

Nach Klageerhebung erging am 6. August 2007 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2000, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde.

5

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1740 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie sei nicht in ein "doloses Umsatzsteuer-Karussell" eingebunden gewesen. Das FG habe sich Feststellungen aus dem Strafverfahren gegen eine für sie fremde Person nicht zu eigen machen dürfen, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei und daher dort keine Einwendungen habe geltend machen können. Im Übrigen stehe die Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Das Strafurteil sei nur gegen L.F. als Geschäftsführer der Abnehmerfirmen ergangen. Das FG habe Zeugenaussagen gewürdigt, ohne Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen und dadurch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und die Umsatzsteuer 2000 auf 639.969 DM (anstatt 1.194.163 DM) herabzusetzen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die innergemeinschaftlichen Lieferungen seien aufgrund der unzutreffenden Empfängerbezeichnung steuerpflichtig. Die Klägerin habe auch keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafverfahren erhoben.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen und den Vorsteuerabzug im Hinblick auf ihre bloße Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell verneint.

11

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

12

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

13

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

15

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22, und vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber, in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger, in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

16

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

17

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

18

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

19

Der Unternehmer kann die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstandes zu umgehen, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

20

3. Das FG hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass bereits die "dolose Einbindung" in ein "Umsatzsteuer-Karussell" zur Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen führe, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet worden sei, und es sich um Vorgänge gehandelt habe, die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden hätten. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (Scheingesellschaft) bezeichnet werde.

21

Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

22

a) Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Vorlagebeschluss vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, ob einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerfreiheit zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer entweder "wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen" oder "Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen".

23

Hierauf hat der EuGH entschieden, dass innergemeinschaftliche Lieferungen steuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zwar objektiv vorliegen, jedoch "bewusst sachlich falsche" Rechnungen ausgestellt werden, um "die Identität der wahren Erwerber" zu "verschleiern" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 47, 49 und Leitsatz). Der EuGH stützt die Steuerpflicht derartiger Lieferungen dabei maßgeblich auf die Verletzung der für den Unternehmer bestehenden Nachweispflichten, zu denen auch Angaben zur Person des Abnehmers gehören.

24

Wie ein Vergleich von Vorabentscheidungsersuchen und EuGH-Urteil zeigt, hat der EuGH in seinem Urteil R in UR 2011, 15 nicht entschieden, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vgl. auch Bülte, Der Betrieb 2011, 442, sowie Bürger/Paul, Betriebs-Berater 2011, 540, 542).

25

b) Ob die Versagung der innergemeinschaftlichen Lieferungen der Klägerin deswegen nicht in Betracht kommen könnte, weil sie --wie das FG annimmt-- an einem "Karussellgeschäft" beteiligt gewesen sein soll, kann aufgrund der vorliegenden Feststellungen des FG nicht entschieden werden, denn allein der Hinweis auf ein Karussellgeschäft ersetzt keine tatsächlichen Feststellungen. So ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ihre steuerlichen Pflichten in Hinterziehungsabsicht nicht erfüllt haben und ob dies der Klägerin bekannt war.

26

4. Dem Urteil des FG ist weiter nicht zu entnehmen, ob unzutreffende Abnehmerbezeichnungen vorliegen, wer in einem derartigen Fall als tatsächlicher Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen anzusehen ist und ob die Klägerin die Person des Abnehmers verschleiert hat. Bei der Bestimmung des Abnehmers der von der Klägerin ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung sind im zweiten Rechtsgang die zuvor unter II.2.a und b genannten Grundsätze zu beachten.

27

Liegt keine Verschleierung hinsichtlich der Identität des jeweiligen Abnehmers vor, sind weitere Feststellungen zu den Abnehmerfirmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten, insbesondere zur Erfüllung der dortigen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zu treffen. Weiter kommt es darauf an, aufgrund welcher Umstände die Klägerin von einer möglichen Hinterziehungsabsicht der Abnehmer Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Es kommt dann ggf. auch eine Vorlage an den EuGH zur Klärung möglicherweise bestehender Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts in Betracht.

28

Hinsichtlich der vom FG angenommenen Versagung des Vorsteuerabzugs sind weitere Feststellungen zum Zeitpunkt zu treffen, zu dem das Vorstandsmitglied der Klägerin und damit die Klägerin Kenntnis von ihrer Einbindung in das Steuerbetrugsmodell ihrer Lieferanten erlangt hat. Hat sie hiervon erst nach dem Leistungsbezug erfahren, würde dies eine rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs nicht rechtfertigen.

29

5. Auf die Verfahrensrügen kam es nicht mehr an.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.