Bundesfinanzhof Beschluss, 02. Dez. 2011 - VII B 106/11

bei uns veröffentlicht am02.12.2011

Tatbestand

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I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) übersandte dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) unter dem 16. April 2007 eine Vollstreckungsankündigung wegen (u.a.) nicht beglichener Einkommensteuer 1986. Nachdem der Kläger die Steuerschuld bestritten und sich auf Verjährung berufen hatte, erließ das FA einen Abrechnungsbescheid, der die mit Einkommensteuerbescheid vom 7. September 1990 festgesetzte Einkommensteuer 1986 zuzüglich entstandener Säumniszuschläge als nicht verjährt und nicht getilgt auswies. Die Verjährungsfrist sei in der Vergangenheit durch mehrere Versuche zur Ermittlung des Wohnsitzes des Klägers unterbrochen worden.

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Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis habe im Streitfall mit Ablauf des 31. Dezember 1990 begonnen und sei vor ihrem Ablauf durch einen von Seiten des FA im Juli 1994 im Bundeszentralregister gesetzten Suchvermerk zur Ermittlung des Aufenthalts des Klägers unterbrochen worden. Das FA habe Anlass gehabt, den Aufenthaltsort des Klägers als unbekannt anzusehen, nachdem eine Wohnsitzanfrage beim Einwohnermeldeamt F ergeben habe, dass sich der Kläger nach Frankreich abgemeldet habe, und die französischen Behörden auf ein späteres Vollstreckungsersuchen nach dem EG-Beitreibungsgesetz geantwortet hätten, der angegebene französische Wohnort sei dort nicht bekannt. Vor Ablauf der damit neu in Lauf gesetzten Verjährungsfrist habe das FA am 2. Juni 1997 beim Einwohnermeldeamt M Auskunft über den Wohnsitz des Klägers erbeten, nachdem es einen Hinweis auf einen möglichen Aufenthalt des Klägers in M gegeben habe. Dadurch sei die Verjährungsfrist erneut unterbrochen worden, so dass mit Ablauf des 31. Dezember 1997 eine weitere fünfjährige Verjährungsfrist begonnen habe, die wiederum im August 2002 durch einen nochmaligen Suchvermerk zur Aufenthaltsermittlung im Bundeszentralregister unterbrochen worden sei.

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Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind zum Teil nicht schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, liegen aber jedenfalls nicht vor.

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1. Anders als die Beschwerde meint, weicht das angefochtene FG-Urteil nicht von dem Senatsurteil vom 24. November 1992 VII R 63/92 (BFHE 169, 493, BStBl II 1993, 220) ab. Das FG hat sich bei seiner Entscheidung vielmehr ausdrücklich auf den Rechtssatz aus vorgenanntem Senatsurteil gestützt, dem zufolge eine Wohnsitzanfrage des FA beim Einwohnermeldeamt nur dann zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung führt, wenn das FA besonderen Anlass zu solchen Ermittlungshandlungen hat, weil ihm der Wohnsitz des Steuerschuldners nicht bekannt ist. Das FG hat im Streitfall einen besonderen Anlass zu Ermittlungshandlungen gesehen, weil der Beitreibungsversuch in Frankreich zu der Auskunft der französischen Behörden geführt hatte, der in dem Vollstreckungsersuchen genannte Ort sei unbekannt. Wenn die Beschwerde demgegenüber meint, die Speicherung eines Suchvermerks im Zentralregister sei unnötig gewesen, weil bekannt gewesen sei, dass sich der Kläger in Frankreich aufhalte, beantwortet sie die Frage nach einem hinreichenden Anlass zur Ermittlung des Wohnsitzes des Klägers anders, als es das FG getan hat, bezeichnet jedoch keinen im FG-Urteil aufgestellten, von dem Senatsurteil in BFHE 169, 493, BStBl II 1993, 220 abweichenden Rechtssatz.

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2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

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Im Tatbestand eines Urteils ist der Sach- und Streitstand nur seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen (§ 105 Abs. 3 Satz 1 FGO). Es muss daher nicht jeder sachliche Umstand, auf den das Gericht seine Entscheidung stützt, im Tatbestand erwähnt werden. Vielmehr ist es zulässig, festgestellte entscheidungserhebliche Tatsachen oder aus Tatsachen gezogene Folgerungen an der insoweit in Betracht kommenden Stelle der Entscheidungsgründe aufzuführen. Anders als die Beschwerde meint, ist es daher nicht verfahrensfehlerhaft, dass das FG den Hinweis auf einen möglichen Aufenthaltsort des Klägers in M, der zur entsprechenden Anfrage beim dortigen Einwohnermeldeamt geführt hatte, im Tatbestand des Urteils nicht ausdrücklich erwähnt hat.

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Insoweit liegt auch der seitens der Beschwerde gerügte Sachaufklärungsmangel nicht vor. Die Beschwerde will offenbar in Zweifel ziehen, dass es den im FG-Urteil erwähnten, die Anfrage beim Einwohnermeldeamt M rechtfertigenden Hinweis auf einen Aufenthalt des Klägers in M gegeben habe. Damit legt die Beschwerde jedoch keinen Sachaufklärungsmangel dar. Ein Verfahrensfehler hinsichtlich dieser Frage ließe sich nur mit einem Verstoß des FG gegen den klaren Inhalt der Akten begründen. Die Beschwerde bezeichnet jedoch keine konkreten Teile der Akten, die der Annahme des FG entgegenstehen, dem FA habe ein Hinweis auf einen möglichen Aufenthalt des Klägers in M vorgelegen.

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Anders als die Beschwerde meint, hat das FG klägerisches Vorbringen zur angeblichen Ungeeignetheit der Wohnsitzanfragen bei deutschen Meldebehörden oder dem Zentralregister nicht in einer den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzenden Weise unberücksichtigt gelassen. Vielmehr hat sich das FG mit dem Erfordernis eines besonderen Anlasses zu Wohnsitzanfragen ausdrücklich auseinandergesetzt, hat aber --wie ausgeführt-- in Anbetracht der negativen Antwort der französischen Behörden auf das Beitreibungsersuchen einen für das FA damals hinreichend konkreten Anlass angenommen, den Aufenthaltsort des Klägers als unbekannt anzusehen.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 105


(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrun

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Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 19. Aug. 2013 - 24 L 420/13

bei uns veröffentlicht am 19.08.2013

Tenor 1. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. 2. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache aufgegeben, die Zwangsvollstreckung wegen der Forderung auf Lohnsummenst

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Fall des § 104 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.