Bundesfinanzhof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IV B 122/09

bei uns veröffentlicht am29.09.2011

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

2

Es liegen keine Verfahrensmängel vor, auf denen das angefochtene Urteil beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

3

a) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) macht geltend, das Finanzgericht (FG) habe die Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 FGO) verfahrensfehlerhaft abgekürzt, und rügt damit sinngemäß eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes). Dies führt die Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg. Zwar kann ein Beteiligter, der wegen der Kürze der Ladungsfrist weder zur mündlichen Verhandlung erscheinen noch eine Terminsverlegung beantragen kann, die in der Sache ergangene Entscheidung mit der Begründung anfechten, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil die Voraussetzungen für eine Abkürzung der Ladungsfrist (§ 91 Abs. 1 Satz 2 FGO) nicht vorgelegen hätten (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Dezember 2007 XI B 160/06, juris, m.w.N.), denn die Einhaltung der Ladungsfrist soll nicht nur die Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung sicherstellen, sondern auch gewährleisten, dass sich die Beteiligten auf den Termin vorbereiten und in der mündlichen Verhandlung zur Wahrung ihrer Rechte angemessen äußern können (BFH-Beschluss vom 2. Dezember 1992 X B 65/92, BFH/NV 1993, 608). Wie jedoch die Klägerin selbst vorträgt, hat das FG am 12. August 2009 unter Wahrung der in § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Frist zur mündlichen Verhandlung am 8. September 2009 geladen und das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet. Auf den Antrag der Klägerin vom 14. August 2009 auf Terminsverlegung hat das FG am 26. August 2009 den ursprünglichen Termin aufgehoben und einen neuen Termin auf den 7. September 2009, den Tag vor dem behaupteten Urlaubsantritt der Klägerin, bestimmt. Zuvor hatte der mit der Sache befasste Einzelrichter mehrere Telefonate mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin --einem Steuerberater-- geführt, wobei er am 17. August 2009 zunächst eine Terminsverlegung abgelehnt und am 26. August 2009 vorab auf die nunmehr beabsichtigte Ladung auf den 7. September 2009 hingewiesen hatte.

4

Es kann offenbleiben, ob --wie die Klägerin sinngemäß meint-- nach einem Antrag eines Beteiligten auf Terminsverlegung die in § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO genannte Ladungsfrist auch bei der Bestimmung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung unter Berücksichtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu beachten ist. Denn eine hier nur geringfügige Abkürzung der Ladungsfrist (§ 91 Abs. 1 Satz 2 FGO) führte nicht zu einem Gehörsverstoß des FG. Unter den hier vorliegenden Umständen ist nicht ersichtlich, dass die sachkundig vertretene Klägerin durch die Bestimmung des Termins auf den 7. September 2009 an einer angemessenen Wahrung ihrer Rechte gehindert gewesen sein könnte. Denn es ist weder substantiiert dargelegt noch sonst erkennbar, dass der Klägerin eine ausreichende Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch das Vorziehen der mündlichen Verhandlung um einen Tag nicht mehr möglich gewesen wäre. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt nicht vor, anlässlich der Telefonate mit dem Einzelrichter einen (anderweitigen) konkreten Terminvorschlag gemacht oder dem vom FG ins Auge gefassten neuen Termin widersprochen zu haben. Außerdem hat der Bevollmächtigte nach eigenen Angaben einen dem FG angekündigten weiteren Schriftsatz von 155 Seiten (davon nach Aktenlage 11 Seiten Ausführungen des Bevollmächtigten, im Übrigen Anlagen) am 31. August 2009 fertiggestellt und noch am gleichen Tag dem FG übersandt.

5

b) Auch soweit die Klägerin einen Gehörsverstoß darin erblickt, dass das FG am 7. September 2009 verhandelt hat, obwohl der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach eigenem Vortrag in der Nacht vom 6. auf den 7. September 2009 erkrankt war und nach vorangegangenem Anruf seines Büros das FG um 8:30 Uhr per Fax --übermittelt wurde nach Aktenlage auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 7. bis 8. September 2009-- gebeten hatte, "seine plötzliche und unerwartete Erkrankung zu entschuldigen", hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das FG war nicht verpflichtet, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben oder zu verlegen.

6

Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung, der über § 155 FGO auch im Finanzprozess anzuwenden ist, kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Die Entscheidung über die Aufhebung oder Verlegung hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Das FG hat indes mit seiner Entscheidung, den Termin aufrechtzuerhalten, die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten, denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat --wovon er in der Beschwerdebegründung selbst ausgeht-- keinen ausdrücklichen Antrag auf Aufhebung oder Verlegung des Termins gestellt (näher hierzu BFH-Beschluss vom 19. August 2005 IV B 191/03, BFH/NV 2005, 2243). Auch die Klägerin selbst hat keinen Verlegungsantrag gestellt, sondern nach Aktenlage dem FG lediglich mitgeteilt, ohne ihren Bevollmächtigten nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen. Unter diesen Umständen musste das FG die Krankmeldung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht als Aufhebungs- oder (erneuten) Verlegungsantrag verstehen, denn von einem rechtskundigen Steuerberater kann erwartet werden, dass er die prozessualen Rechte seines Mandanten sachgerecht wahrnimmt und deshalb einen Aufhebungs- oder Verlegungsantrag ausdrücklich stellt (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 2243).

7

Aber selbst wenn die Krankmeldung des Steuerberaters als --konkludenter (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. Januar 2011 VI B 136/10, BFH/NV 2011, 813)-- Aufhebungs- oder Verlegungsantrag auszulegen gewesen wäre, hätte das FG dem Antrag nicht stattgeben müssen. Wird ein Antrag auf Terminsverlegung --wie hier-- erst "in letzter Minute" gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung eines Beteiligten begründet, reicht die Behauptung einer Erkrankung nicht aus; es besteht vielmehr auch ohne besondere Aufforderung die Verpflichtung, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte verhandlungsunfähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 2243, m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn die plötzliche Erkrankung eines Bevollmächtigten geltend gemacht wird. Die vom Steuerberater der Klägerin per Fax übermittelte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthält jedoch --soweit überhaupt lesbar-- unter "Diagnose" lediglich die doppelte Wiedergabe einer Kombination von Buchstaben und Ziffern. Die Umschreibung eines konkreten Krankheitsbilds, nach der das FG die Verhandlungsfähigkeit des Bevollmächtigten in der angesichts des kurz bevorstehenden Termins gebotenen Schnelligkeit selbst hätte beurteilen können, lässt sich der Bescheinigung nicht ohne weiteres entnehmen. Zumindest bei unmittelbar vor dem Termin eingereichten ärztlichen Attesten ist zu verlangen, dass diese die Diagnose unverschlüsselt ausweisen oder aber der Schlüssel zu einem verwendeten Code beigefügt wird, so dass das Gericht in die Lage versetzt wird, sofort über die Verhandlungsunfähigkeit zu entscheiden.

8

c) Auch eine Zulassung der Revision wegen mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) durch das FG kommt nicht in Betracht. Wer als fachkundiger Beteiligter keinen Antrag auf Beweiserhebung stellt und die Unterlassung einer nach seiner Auffassung gebotenen Beweiserhebung von Amts wegen nicht in der mündlichen Verhandlung rügt, übt einen Rügeverzicht aus, der die Berufung auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht ausschließt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 26. Januar 2007 VIII B 74/06, BFH/NV 2007, 1146). Wer zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erscheint, kann regelmäßig anschließend nicht die Verletzung von § 76 Abs. 2 FGO rügen (z.B. BFH-Beschluss vom 2. März 2005 VII B 142/04, BFH/NV 2005, 1576). Von einem Rügeverzicht ist aber auch dann auszugehen, wenn --wie hier-- ein sachkundiger Prozessbevollmächtigter kurzfristig zwar sein krankheitsbedingtes Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung ankündigt, sich jedoch nicht um eine Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung bemüht (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 7. Dezember 1995 VIII B 28/95, BFH/NV 1996, 425) und dem FG keine konkreten Anhaltspunkte für dessen eigene Prüfung der behaupteten Erkrankung (vgl. oben zu 1.b der Gründe) vermittelt werden.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IV B 122/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IV B 122/09

Referenzen - Gesetze

Bundesfinanzhof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IV B 122/09 zitiert 8 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 76


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von de

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Zivilprozessordnung - ZPO | § 227 Terminsänderung


(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht1.das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 91


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, beim Bundesfinanzhof von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkü

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesfinanzhof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IV B 122/09 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesfinanzhof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IV B 122/09 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Beschluss, 18. Jan. 2011 - VI B 136/10

bei uns veröffentlicht am 18.01.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerich
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesfinanzhof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IV B 122/09.

Bundessozialgericht Beschluss, 24. Okt. 2013 - B 13 R 59/13 B

bei uns veröffentlicht am 24.10.2013

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. November 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht z

Bundesfinanzhof Beschluss, 09. Mai 2012 - VII B 3/12

bei uns veröffentlicht am 09.05.2012

Tatbestand 1 I. Nach mehreren erfolglosen Vollstreckungsversuchen forderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf

Referenzen

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, beim Bundesfinanzhof von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Das Gericht kann Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, beim Bundesfinanzhof von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Das Gericht kann Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 9. September 2010  12 K 3545/05. Das FG hat in dem Verfahren nach billigem Ermessen gemäß § 94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen.

2

Dem Urteil vorangehend hatte das FG mit Verfügung vom 19. August 2010 einen Termin auf mündliche Verhandlung für den 14. September 2010 anberaumt. Mit Schreiben vom 7. September 2010 wies der Kläger darauf hin, dass ihm diese Verfügung erst am 6. September 2010 zugestellt worden sei und die Ladungsfristen damit nicht eingehalten worden seien. Aufgrund eines seit längerem feststehenden Termins beantrage er eine Verlegung der anberaumten mündlichen Verhandlung. Weiter vertrat der Kläger die Auffassung, dass aufgrund der Verfahrensdauer von 58 Monaten "die mündliche Erörterung der Sach- und Rechtslage überflüssig geworden und dem Klageantrag in jedem Fall stattzugeben" sei. Mit Schreiben vom 8. September 2010 teilte das FG dem Kläger mit, dass der anberaumte Termin aufgehoben worden sei und nunmehr beabsichtigt sei, wegen des geringen Streitwertes nach § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Das FG begründet in seinem Urteil das Ergehen der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 94a FGO mit dem geringen Streitwert und der Bestätigung durch den Kläger im Schreiben vom 7. September 2010, dass "er einen mündlichen Verhandlungstermin für überflüssig" halte.

3

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass das FG ohne mündliche Verhandlung entschieden und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Der Kläger habe nicht auf eine mündliche Verhandlung verzichtet, sondern ausweislich des Schreibens vom 7. September 2010 die Auffassung vertreten, dass eine mündliche Verhandlung dann überflüssig sei, wenn dem Klagebegehren des Klägers stattgegeben werde.

4

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung des FG nach § 116 Abs. 6 FGO.

6

1. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und stellt eine Rechtsverletzung i.S. von § 119 Nr. 4 FGO dar. Das FG hätte nicht nach § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen.

7

Nach § 94a Satz 2 FGO muss auch in den Fällen, in denen der Streitwert bei einer auf eine Geldleistung gerichteten Klage 500 € nicht übersteigt, auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden. Der Antrag kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent gestellt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. September 1999 XI R 24/99, BFHE 190, 17, BStBl II 2000, 32, m.w.N.).

8

Im Streitfall hat der Kläger mit Schreiben vom 7. September 2010 eine Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt. Mit diesem Antrag hat er hinreichend klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine mündliche Verhandlung stattfinden soll. Die weiteren Ausführungen des Klägers, aufgrund der überlangen Verfahrensdauer sei "die mündliche Erörterung der Sach- und Rechtslage überflüssig geworden und dem Klageantrag in jedem Fall stattzugeben", berühren den (konkludenten) Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht. Sie sind --wie vom Kläger vorgetragen-- so zu verstehen, dass im Fall der Stattgabe der Klage aufgrund der überlangen Verfahrensdauer eine mündliche Verhandlung entbehrlich sei.

9

2. Es liegt ein Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 4 FGO vor, weil die Beteiligten nicht wirksam vertreten waren und das rechtliche Gehör verweigert wurde (§ 119 Nr. 3 FGO; vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 94a FGO Rz 8, m.w.N.). Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO). Durch die verfahrensfehlerhafte Versagung der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung war es dem Kläger nicht möglich, hinreichend an der Ermittlung des Gesamtergebnisses des Verfahrens i.S. des § 96 FGO mitzuwirken und sich insbesondere zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu äußern.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.