Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2018 - 10 BV 16.1578

bei uns veröffentlicht am23.01.2018

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein 1973 im Bundesgebiet geborener türkischer Staatsangehöriger, begehrt mit seiner Klage die Verlängerung der ihm zuletzt bis 30. Juni 2011 befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von fünf Jahren und eine Aufenthaltsbescheinigung nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80.

Der Kläger lebte mit seinen Eltern, türkischen Arbeitnehmern, bis zu seiner erstmaligen Ausreise aus dem Bundesgebiet am 25. Juni 1996 ununterbrochen in häuslicher Gemeinschaft. Sein Vater gehörte vom 18. Juli 1973 an für jedenfalls fünf Jahre durchgehend dem deutschen Arbeitsmarkt an. Nachdem der Kläger am 4. Juni 1997 wieder in das Bundesgebiet eingereist war, teilte ihm die damals zuständige Ausländerbehörde L. mit, dass die ihm am 22. August 1990 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AuslG 1990 erloschen sei, weil er sich länger als sechs Monate in der Türkei aufgehalten habe. Ein Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wurde mit Bescheid vom 8. September 1997 unter Hinweis auf das nicht durchgeführte, nach Erlöschen der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis jedoch erforderliche Visumverfahren abgelehnt und der Kläger unter Androhung der Abschiebung aufgefordert, das Bundesgebiet bis 15. Oktober 1997 zu verlassen. Seinen hiergegen eingelegten Widerspruch vom 26. September 1997 begründete er in erster Linie damit, er habe die geringfügige Überschreitung der Sechsmonatsfrist nicht zu vertreten, da er reiseunfähig erkrankt gewesen sei und daher nicht rechtzeitig seinen Reisepass habe abholen können. Mit Ablauf der Grenzübertrittsbescheinigung reiste der Kläger dann am 28. April 1998 aus dem Bundesgebiet aus. Sein Widerspruch vom 26. September 1997 wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung A. vom 21. Oktober 1998 als unbegründet zurückgewiesen; ein Rechtsmittel hiergegen wurde nicht eingelegt.

Nach seiner erneuten Einreise mit Schengenvisum am 27. September 2002 heiratete er am 2. Dezember 2002 eine deutsche Staatsangehörige und erhielt eine zunächst bis 7. Februar 2006 befristete Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug. Nach der Trennung von seiner Ehefrau am 15. November 2006 und Verlegung seines Wohnsitzes in den Landkreis St. erhielt er eine Auftragserlaubnis nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die zunächst bis 12. August 2009 und anschließend als Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG a.F. bis 30. Juni 2011 befristet verlängert wurde; am 27. Juni 2011 beantragt er bei der Beklagten die weitere Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Dabei verneinte er, schon einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein, und gab an, dass derzeit nicht wegen des Verdachts einer Straftat gegen ihn ermittelt werde. Das Antragsformular enthält den Hinweis, dass falsche oder unvollständige Angaben zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG a.F. darstellen können.

Der Kläger wurde mit Urteil des Amtsgerichts München vom 1. August 2011 – nach Anklageerhebung am 2. März 2011 – wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die im Berufungsverfahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nachdem die Bewährung wegen Nichterfüllung von Auflagen widerrufen worden war, befand sich der Kläger vom 13. März 2013 bis 3. Juli 2014 in Strafhaft. Zuvor war der Kläger bereits mit drei Urteilen des Amtsgerichts München (vom 23. Februar 2006, 2. Februar 2009 und 3. November 2009) wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und einer Körperverletzung zu Lasten seiner Lebensgefährtin in Tatmehrheit mit Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu Geldstrafen in Höhe von 50, 60 sowie 110 Tagessätzen verurteilt worden.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2014 wurde der Antrag des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis vom 27. Juni 2011 abgelehnt und er unter Fristsetzung zum Verlassen des Bundesgebiets verpflichtet, andernfalls er in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben werde. Wegen der von ihm geschaffenen Ausweisungsgründe erfülle er die Regelerteilungsbzw. Verlängerungsvoraussetzungen nach § 8 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.F. nicht mehr. Ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bestehe nicht, da der Kläger ausweislich seines Rentenversicherungsverlaufs die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 nicht erfülle; Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 komme nicht zur Anwendung, weil er nicht zu einer dem deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Staatsangehörigen nachgezogen sei, sondern zu seiner deutschen Ehefrau. Das auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre und auf Bescheinigung eines Daueraufenthaltsrechts gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 AufenthG gerichtete Klageverfahren (M 12 K 15.81) endete mit einer Klagerücknahme, nachdem die Beklagte eine erneute Prüfung der Frage zugesagt hatte, ob das Aufenthaltsrecht des Klägers nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 durch seinen bis September 2002 andauernden Aufenthalt in der Türkei erloschen sei. In der mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2015 erklärte der Kläger, er habe in der Türkei von Mai 1998 bis November 1999 seinen Wehrdienst abgeleistet und sich anschließend von den Strapazen bis April/Mai 2000 erholen müssen; danach habe er seinem Vater im Restaurant in Alanya geholfen, im Winter habe er, ohne zu arbeiten, bei seiner Mutter in Istanbul gelebt und sei im Sommer dann wieder zu seinem Vater gefahren.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20. November 2015 den vom Kläger nach Beendigung dieses Klageverfahrens gestellten Antrag vom 11. Juni 2015 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG ab und verwies zusätzlich auf den Versagungsbescheid vom 8. Dezember 2014. Die Ausreise des Klägers am 28. April 1998 sei wegen der bestehenden Ausreiseaufforderung zwar mit berechtigtem Grund erfolgt; dies gelte jedoch nicht mehr für den sich daran anschließenden viereinhalbjährigen Aufenthalt in der Türkei, währenddessen er seinen Lebensmittelpunkt dorthin verlegt habe. Es sei dem Kläger in zumutbarer Weise auch vom Ausland aus möglich gewesen, vor Erlöschen seines zuvor erworbenen Rechts aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 die zur Wiedereinreise erforderlichen Schritte einzuleiten. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 8. September 1997 der Ausländerbehörde L. sei nicht streitgegenständlich. Der Kläger habe einen rechtmäßigen Aufenthalt erst mit seiner Einreise am 27. September 2002 und nach der Heirat einer deutschen Staatsangehörigen begründet.

Mit Urteil vom 14. April 2016 hat das Verwaltungsgericht die auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers für fünf Jahre und Erteilung einer Daueraufenthaltsbescheinigung nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger habe zwar von Geburt an bis zur erstmaligen Ausreise am 25. Juni 1996 mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft gelebt, während sein Vater ausweislich des vorgelegten Rentenversicherungsverlaufs dem deutschen Arbeitsmarkt vom 18. Juli 1973 bis 18. Juli 1978 angehört habe. Die Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegel Straße ARB 1/80 sei jedoch dadurch erloschen, dass der Kläger das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe; solche lägen vor, wenn die Abwesenheit vom Bundesgebiet durch die Verfolgung anerkennenswerter Interessen begründet sei. Zur Beantwortung der Frage komme es auf alle Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auch, ob der Kläger bei objektiver Betrachtungsweise und nach außen erkennbar seinen Lebensmittelpunkt freiwillig und auf Dauer aus Deutschland in die Türkei verlagert habe. Danach habe der Kläger jedenfalls für den Zeitraum von Dezember 1999 bis 27. September 2002 das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen. Allerdings habe es sich bei dem erstmaligen Aufenthalt in der Türkei (16.7.1996 bis 4.6.1997) wohl noch nicht um einen erheblichen Zeitraum gehandelt. Anderes gelte für den ab 28. April 1998 beginnenden Türkeiaufenthalt. Selbst wenn man die 18-monatigen Wehrdienstzeit außer Betracht lasse, bedeute die sich anschließende Zeitspanne von annähernd zwei Jahren und neun Monaten einen nicht unerheblichen Zeitraum, innerhalb dessen der Kläger seinen Lebensmittelpunkt in der Türkei – abwechselnd bei Vater und Mutter – gehabt habe. Hierfür spreche nicht nur seine Abmeldung zum 28. April 1998 aus dem Bundesgebiet, sondern auch der Umstand, dass seine Eltern ebenfalls ihren Wohnsitz (im April 1998 bzw. Mai 1999) im Bundesgebiet aufgegeben hätten. Der Kläger habe hier auch keine eigene Wohnung mehr unterhalten. Der einmalige besuchsweise Aufenthalt im Bundesgebiet von wenigen Wochen im Jahr 2001 ändere nichts an der Annahme der Verlagerung seines Lebensmittelpunkts in die Türkei. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass er im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen sei und fließend deutsch spreche. Mit den türkischen Lebensgewohnheiten und der dortigen Kultur sei er vertraut. Nach den Gesamtumständen ergebe sich damit eine infolge des zweiten Türkeiaufenthalts eingetretene Verlagerung des Lebensmittelpunkts und damit ein Verlassen für einen nicht unerheblichen Zeitraum. Hieran ändere auch nichts die infolge der Ordnungsverfügung vom 8. September 1997 eingetretene Verpflichtung, das Bundesgebiet bis zum 15. Oktober 1997 zu verlassen; zwar bedeute der Umstand, dass der Kläger der Verpflichtung Folge geleistet und als Konsequenz dann auch bis November 1999 in der Türkei Wehrdienst habe ableisten müssen, einen berechtigten Grund. Allerdings habe der Kläger keine erkennbaren Anstrengungen für eine Rückkehr ins Bundesgebiet unternommen, insbesondere keine Klage gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 1998 erhoben oder sich zeitnah um die Erteilung eines Visums zur Wiedereinreise bemüht oder einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis gestellt, der nicht von vornherein aussichtslos gewesen sei, weil die bestandskräftig gewordene Versagung der zuvor im Juni 1997 beantragten Aufenthaltserlaubnis ausschließlich auf die Einreise in das Bundesgebiet ohne das erforderliche Visum gestützt worden sei. Der Kläger habe auch nicht den Versuch unternommen, über Bewerbungen für einen Arbeitsplatz in das Bundesgebiet zurückzukehren. Dies gelte auch für die Zeit nach Bekanntwerden der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Ergat (U.v. 16.3.2000 – C-329/97 –) im Hinblick auf die Auslegung der Erlöschensgründe für ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Die Verlagerung des Lebensmittelpunkts sei zumindest für den Zeitraum ab Dezember 1998 vom freien Willen des Klägers getragen gewesen, ohne dass sich insoweit noch ein äußerer Zwang aufgrund der Ordnungsverfügung feststellen lasse.

Der Kläger begründet die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung damit, dass er auch für seinen Aufenthalt in der Türkei von Dezember 1999 bis September 2002 einen berechtigten Grund vorweisen könne, der darin bestanden habe, dass er nach wie vor der behördlichen Aufforderung – ungeachtet ihrer Rechtswidrigkeit – Folge geleistet habe. Es gebe zwar eine rechtliche Möglichkeit, jedoch keine Verpflichtung, gegen eine behördliche Maßgabe vorzugehen. Die damals eingeschalteten Rechtsanwälte hätten einer Klage gegen die Aufforderung der Ausländerbehörde L. keine Chancen eingeräumt, zumal im Jahre 1998 die assoziationsrechtliche Rechtsstellung türkischer Staatsbürger noch nicht im gleichen Umfang geklärt gewesen sei wie heute. Es könne dem Kläger auch nicht angelastet werden, dass er ab März 2000 nach dem Urteil in der Rechtssache Ergat keine Bemühungen ergriffen habe, seine Wiedereinreise in das Bundesgebiet durchzusetzen. Zum einen gebe es – wie damals – immer noch wenige Anwälte, die sich in dieser Rechtsmaterie ausreichend auskennen würden, zum anderen sei auch nach dem genannten Urteil kaum absehbar gewesen, unter welchen Umständen ein gemäß Art. 7 ARB 1/80 erworbenes Aufenthaltsrecht wieder erlösche. Der Kläger habe daher seinen Lebensmittelpunkt zwangsweise in die Türkei verlegt, obwohl er von Anfang an seine Rückkehr nach Deutschland geplant habe. Seine damaligen Bevollmächtigten hätten hierfür nur die Möglichkeit eines Ehegattennachzugs als neuen Aufenthaltszweck in Betracht gezogen; ihm könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er erst knapp vier Jahre nach seiner erzwungenen Ausreise die richtige Ehefrau gefunden habe. Die von der damals zuständigen Ausländerbehörde erzwungene Dauer des Auslandsaufenthalts müsse nach den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen berücksichtigt werden. Es sei daher darauf abzustellen, ob durch die Abwesenheit vom Bundesgebiet der Integrationszusammenhang grundlegend infrage gestellt und unterbrochen worden sei (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 1 C 6.08 – juris), was beim Kläger verneint werden müsse. Auch die Rückkehr der Eltern in die Türkei sei im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass der Kläger dorthin habe ausreisen müssen und die Eltern seine Eingewöhnung dort unterstützt hätten. Im vorliegenden Fall seien außer der durch die Ausländerbehörde erzwungenen Ausreise gerade die spätere Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen und die guten Sprachkenntnisse des Klägers als besondere Umstände anzuerkennen. Im Übrigen habe der Europäische Gerichtshof noch nicht entschieden, ab welchem Zeitraum von einer Erheblichkeit der Abwesenheit eines assoziationsberechtigten türkischen Arbeitnehmers ausgegangen werden müsse. Die Zeiten der Ableistung des Wehrdienstes müssten jedenfalls unberücksichtigt bleiben.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. April 2016 und des Bescheids der Beklagten vom 20. November 2015 zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers für die Dauer von fünf Jahren zu verlängern und ihm eine Aufenthaltsbescheinigung nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass das Verhalten des Klägers im Zeitraum vom Dezember 1999 bis September 2002 bei objektiver Betrachtungsweise darauf schließen lasse, dass er seinen Lebensmittelpunkt in die Türkei verlagert und damit das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe. Er habe insbesondere nicht von allen zumutbaren rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, um entgegen der behördlichen Ordnungsverfügung ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Nach Ableistung seines Wehrdienstes habe er freiwillig den Integrationszusammenhang aufgegeben. In dieser Situation könne das einmal erloschene assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht durch den später gefassten Entschluss, wieder nach Deutschland zurückzukehren, aufleben, selbst wenn im Zeitpunkt der Ausreise zunächst ein berechtigter Grund vorgelegen habe. Der insoweit beweispflichtige Kläger habe nicht nachweisen können, dass für seinen nach Ableistung des Wehrdienstes mehr als zweieinhalb Jahre andauernden Aufenthalt in der Türkei berechtigte Gründe bestanden hätten. Im Übrigen werde bezweifelt, ob die Eltern des Klägers tatsächlich nur in die Türkei übersiedelt seien, um ihm bei der Eingewöhnung zu helfen; denn es werde schon in einem am 19. März 1992 gegen den Kläger ergangenen Strafurteil festgestellt, dass seine Eltern ein Haus in der Türkei gebaut hätten, bei dessen Finanzierung sie der Kläger unterstütze. Dies spreche für eine schon Jahre vor seiner Ausreise geplante Rückkehr der Eltern in die Türkei.

Mit Beschluss vom 18. Januar 2017 wurde dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und sein Rechtsanwalt beigeordnet.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag, schließt sich jedoch der Rechtsauffassung der Beklagten an. Er verweist auf den inzwischen ergangenen Beschluss des Senats vom 17. Januar 2017 (10 ZB 15.1706 – juris). Außerdem dürfe bei der aus ex-ante-Sicht vorzunehmenden Prüfung, ob das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlassen worden sei, nicht außer Betracht bleiben, dass bei einem Unionsbürger die zwei aufeinanderfolgende Jahre überschreitende Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat – ohne Differenzierung nach Gründen – zum Verlust des erworbenen Rechts auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG führe und diese Vorschrift im Rahmen des Besserstellungsverbots nach Art. 59 Zusatzprotokoll zu berücksichtigen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.3.2015 – 1 C 19.14 – juris) sei Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie als Orientierungsrahmen im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze anzusehen; dem habe sich auch der Senat in seinem Urteil vom 13. Mai 2014 (10 BV 12.2382 – juris Rn. 29 f.) angeschlossen. Der Kläger habe die Zwei-Jahres-Grenze nach Beendigung seines Wehrdienstes eindeutig überschritten. Schließlich sei zu bedenken, dass mit der hier fraglichen Ordnungsverfügung keine Wiedereinreisesperre verhängt, sondern lediglich der Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis abgelehnt worden sei. Das gesamte Verhalten des Klägers im maßgeblichen Zeitraum lasse nur den Schluss zu, dass er sich mit dem Verlust seines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts abgefunden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Ausländerakte sowie die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage abgewiesen.

Den Streitgegenstand des vorliegenden Klage- und Berufungsverfahrens bildet (ausschließlich) das Begehren des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80, mit der sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht (deklaratorisch) im Wege eines feststellenden Verwaltungsakts (vgl. Maor in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.11.2017, AufenthG § 4 Rn. 45; BVerwG, U.v. 22.5.2012 – 1 C 6.11 – juris Rn. 27) festgestellt wird. Entscheidungserheblich ist dabei die Beantwortung der Frage, ob das vom erwerbstätigen Vater gemäß Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 abgeleitete assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht – insoweit unstrittig zwischen den Beteiligten – infolge des ca. viereinhalb Jahre (28.4.1998 bis 27.9.2002) dauernden Aufenthalts des Klägers in der Türkei erloschen ist. Diese Frage hat das Verwaltungsgericht unter Heranziehung der maßgeblichen Rechtsprechung in zutreffender Weise bejaht. Es geht zu Recht davon aus, dass der Kläger zwar am 28. April 1998 unter Inanspruchnahme eines berechtigten Grundes das Bundesgebiet verlassen und sich anschließend zur Ableistung seines Wehrdienstes bis November 1999 ebenfalls „berechtigt“ in der Türkei aufgehalten hat. Für den sich daran anschließenden Zeitraum allerdings, der bis zu seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet mit Schengenvisum am 27. September 2002 und damit erheblich mehr als zwei Jahre andauerte, bestand kein „berechtigter Grund“ mehr.

Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung (UA, S. 20 bis 30) zurück und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 130b Satz 2 VwGO). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist ergänzend Folgendes auszuführen:

1. Der Kläger ist zwar am 28. April 1998 in Verfolgung eines anerkennenswerten Zieles und damit in Wahrnehmung eines berechtigten Interesses aus dem Bundesgebiet aus- und in die Türkei eingereist. Er ist nämlich der ihm obliegenden vollziehbaren Ausreisepflicht aus der Ordnungsverfügung vom 8. September 1997 nachgekommen, um seiner Abschiebung zu entgehen; in dieser Situation hat sich der Kläger „pflichtgemäß“ verhalten, so dass sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht schon mangels Freiwilligkeit der Ausreise (zu diesem Zeitpunkt) nicht erloschen ist (Oberhäuser in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, ARB 1/80 Art. 7 Rn. 17; vgl. umfassend: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: August 2017, A1 § 51 Rn. 18 f.).

Daraus allein folgt aber nicht, dass der dargestellte „Zwang zur Ausreise“ auch für die gesamte, sich anschließende Dauer des Aufenthalts in der Türkei wirksam geblieben ist, so dass hierdurch quasi automatisch ein späterer Wegfall des „berechtigten Grundes“ für eine beliebig lange Zeitspanne ausgeschlossen wäre. Vielmehr kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände im Einzelfall (vgl. u. 3.) auch das weitere Verbleiben im Ausland – nach einem zunächst für die Rechtsstellung unschädlichen, weil unfreiwilligen Verlassen des Bundesgebiets – unter bestimmten Umständen zu einem Fortfall des „berechtigten Grundes“ führen und damit einem Verlassen ohne „berechtigten Grund“ gleichgesetzt werden (OVG NW, U.v. 6.12.2011 – 18 A 2765/10 – juris Rn. 70, 71 m.w.N.). Denn auch in dieser Konstellation erfordern Sinn und Zweck die Anwendung des Erlöschenstatbestands, der der Beseitigung des erreichten Integrationszusammenhangs infolge (freiwilliger) Aufgabe des Lebensmittelpunkts im Bundesgebiet (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 1 C 19.14 – juris Rn. 18) durch Verlust des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts Rechnung tragen will; denn es macht keinen Unterschied, ob das dauerhafte Verbleiben im Ausland nach Aufgabe des Lebensmittelpunkts im Bundesgebiet bereits im Zeitpunkt der Ausreise feststeht oder sich erst zu einem späteren Zeitpunkt – etwa nach Fortfall des bis dahin bestehenden „berechtigten Grundes“ – dokumentiert (OVG Berlin-Bbg, U.v. 17.7.2014 – OVG 7 B 40.13 – juris Rn. 29).

2. Das Aufenthaltsrecht des Klägers ist auch noch nicht während des Zeitraums vom Mai 1998 bis November 1999, in dem er seinen Wehrdienst in der Türkei abgeleistet hat, erloschen.

Zwar hat es sich hierbei um einen längeren Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren gehandelt, während dessen sein Lebensmittelpunkt nicht mehr im Bundesgebiet lag. Jedoch stellt die Ableistung des Wehrdienstes durch einen Ausländer im jeweiligen Staat seiner Staatsangehörigkeit einen „berechtigten Grund“ für die Abwesenheit vom Bundesgebiet dar, denn sie dient der Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht und ist zwangsläufig – ungeachtet der konkreten Dauer des Wehrdienstes – mit einer längeren Abwesenheit vom Bundesgebiet verbunden (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.5.2010 – OVG 12 B 26.09 – juris Rn. 38; BayVGH, B.v. 15.10.2009 – 19 CS 09.2194 – juris Rn. 8; VGH BW, B.v. 31.7.2007 – 11 S 723/07 – juris). Im Übrigen ist auch für Unionsbürger anerkannt, dass die Kontinuität ihres Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat nicht durch längere Abwesenheiten infolge der Erfüllung militärischer Pflichten berührt wird (vgl. Art. 16 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG). Im vorliegenden Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass auch ein nationaler Aufenthaltstitel dann nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erlischt, wenn der Ausländer die dort genannte Sechsmonatsfrist lediglich „wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat“ überschreitet und binnen drei Monaten nach seiner Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist (§ 51 Abs. 3 AufenthG).

3. Das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht des Klägers ist jedoch spätestens Anfang März 2000 erloschen, weil zu diesem Zeitpunkt die bis dahin anzuerkennenden berechtigten Gründe entfallen waren, ohne dass neue hinzugetreten sind (3.1). Die sich anschließende Zeitspanne von etwa zweieinhalb Jahren bis zu seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet am 27. September 2002 ist nicht „unerheblich“ (3.2).

3.1 Es ist Sache des Klägers, der sich auf den Bestand eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts beruft, in geeigneter Form zu nachzuweisen, dass er das Bundesgebiet aus berechtigten Gründen nur für einen unerheblichen Zeitraum verlassen hat (EuGH, U.v. 16.3.2000 – C-329/97, Ergat – juris Rn. 50). Dies ist dem Kläger für die Zeit nach Beendigung seines Wehrdienstes (zuzüglich einer vom Senat zu seinen Gunsten angenommenen dreimonatigen „Orientierungszeit“) nicht gelungen. Die für die Beurteilung maßgeblichen objektiven Umstände legen im Gegenteil nahe, dass er (spätestens zu diesem Zeitpunkt) seinen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet aufgegeben und in die Türkei verlagert hat. Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung vor dem Verwaltungsgericht hat er ausgesagt, von November 1999 bis September 2002 abwechselnd bei seinem Vater und seiner Mutter gewohnt zu haben, und zwar im Sommer in Alanya, wo er seinen Vater beim Betrieb eines Restaurants unterstützt habe, im Winter hingegen in der Wohnung seiner Mutter in Istanbul. Offenbar hatten seine Eltern bereits seit längerem ihre eigene Übersiedlung in die Türkei geplant und diese dann im April 1998 bzw. Mai 1999 durchgeführt (vgl. UA S. 28) Dass der Kläger noch Kontakte in das Bundesgebiet aufrechterhalten hat, wie ein „besuchsweiser“ Aufenthalt 2001 mit Visum (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 14.4.2016) zeigt, spricht nicht für ein Aufrechterhalten des Lebensmittelpunkts in Deutschland, sondern als objektiver Umstand eher dagegen. Dass der Kläger eventuell abweichende subjektive Vorstellungen im Hinblick auf die Frage nach seinem Lebensmittelpunkt hatte, spielt keine Rolle. Auch aus seiner Biografie, die durch seine Geburt und einen jahrelangen Aufenthalt im Bundesgebiet gekennzeichnet ist, lässt sich für die hier interessierende Frage nichts ableiten. Im Übrigen verfügte der Kläger nach seiner Ausreise im April 1998 über keinen inländischen Wohnsitz mehr und hat sich dementsprechend an seinem bisherigen Wohnsitz abgemeldet.

Ein berechtigter Grund ergibt sich auch nicht (mehr) aus einem – grundsätzlich denkbaren – Fortwirken der aus der Ordnungsverfügung vom 8. September 1997 folgenden Ausreisepflicht des Klägers. Es hätte dem Kläger nämlich frei gestanden, nach Ableistung des Wehrdienstes (spätestens etwa anlässlich seines Aufenthalts im Jahr 2001 im Bundesgebiet) einen entsprechenden Antrag auf Feststellung des Bestehens eines assoziationsrechtliches Aufenthaltsrechts zu stellen und weiter zu verfolgen; damit hätte er nach außen deutlich gemacht, dass trotz längerer Abwesenheit vom Bundesgebiet nach wie vor ein Integrationszusammenhang fortbesteht und er seinen Lebensmittelpunkt nur unter dem fortwirkenden Zwang der verfügten Ausreisepflicht in die Türkei verlagert hat. An einem solchen Vorgehen hätte ihn auch nicht die nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 1998 bestandskräftig gewordene Ordnungsverfügung gehindert, zumal sie sich mit der vorliegenden Problematik eines möglicherweise bestehenden assoziationsrechtliches Aufenthaltsrechts in keiner Weise befasst hat. Unabhängig von der damit verbundenen Frage nach dem Umfang der materiellen Bestandskraft der Ordnungsverfügung steht nämlich fest, dass der Kläger nach der gebotenen objektiven Betrachtung den Eindruck vermittelt hat, ihm sei an einer dauerhaften Rückkehr in das Bundesgebiet nicht mehr gelegen, weil er keine Rechtsmittel gegen die Ordnungsverfügung ergriffen und auch die spätere Geltendmachung von Ansprüchen (etwa aus dem ARB 1/80) unterlassen hat.

Zu keinem anderen Ergebnis führt schließlich der Vortrag, die Rechtsprechung zur Frage des Erlöschens von ARB-Rechten sei in den hier maßgeblichen Jahren (Ende der 1990er, Anfang der 2000er) noch nicht ausreichend entwickelt und auch die Rechtsanwaltschaft nicht entsprechend sensibilisiert gewesen; eine Rechtsverfolgung sei wegen der auch vom damaligen Rechtsvertreter des Klägers angenommenen fehlenden Erfolgsaussicht weiterer rechtlicher Schritte nicht zumutbar gewesen. Dem ist entgegenzuhalten, dass spätestens seit dem Ergat-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 16.3.2000 – C-329/97, Ergat – juris Rn. 48 unter Hinweis auf: U.v. 17.4.1997 – C-351/95, Kadiman – juris Rn. 48; vgl. hierzu BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 1 C 19.14 – juris Rn. 14 - 16) die Voraussetzungen, unter denen ein ARB-Recht erlischt, zumindest in den Grundsätzen bekannt waren. Rechtsmittel wären daher sicherlich nicht von vornherein aussichtslos gewesen. Hat der Kläger Rechtsmittel wegen unzureichender Beurteilung der Erfolgsaussichten durch seine damaligen Bevollmächtigten auf deren Rat hin nicht ergriffen, so ist ihm dieses Verhalten zuzurechnen. Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass etwa die Erhebung einer Verpflichtungsklage nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 1998 erfolglos geblieben wäre, hätte sich damit der Wille des Klägers manifestiert, seinen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet beizubehalten bzw. wieder aufzunehmen. In Anbetracht dieses Aspekts ist es unerheblich, dass keine rechtliche Verpflichtung besteht, gegen eine behördliche Maßnahme vorzugehen. Hierauf weist der Kläger zwar grundsätzlich zu Recht hin; allerdings könnte das Unterlassen des Versuchs, den Eintritt der Bestandskraft durch den Gebrauch von Rechtsmitteln zu verhindern, auch im Sinne eines „Verschuldens gegen sich selbst“ gewertet werden, aufgrund dessen die Verwaltungsbehörde (wohl) auch nicht zur Rücknahme ihrer Maßnahme verpflichtet wäre (vgl. zu dieser Problematik EuGH, U.v. 13.1.2004 – C -453/00, Kühne & Heitz – sowie U.v. 19.9.2006 – C 392/04 u. C-422/04, i 21, Arcor – jew. juris; BGH, U.v. 15. 11.1990 – III ZR 302/89 – juris Ls. 3 u. Rn. 14 zu einem Amtshaftungsanspruch bei bestandskräftigem Verwaltungsakt).

Angesichts der vorstehenden Ausführungen vor dem Hintergrund einer umfassenden Bewertung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (BVerwG, U.v. 25.3.2015, a.a.O., Rn. 18) lässt sich ein über das Ende des Wehrdienstes hinaus andauernder „Zwang“ im Sinne eines berechtigten Grundes für das weitere Verbleiben des Klägers in der Türkei nicht erkennen.

3.2 Der Kläger hat auch nicht nur für einen unerheblichen Zeitraum das Bundesgebiet verlassen und seinen Lebensmittelpunkt in der Türkei inne gehabt.

Dabei lässt sich die Frage, ab wann ein Ausländer seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert hat, nicht isoliert von den Gründen beantworten, die für das Verlassen des Bundesgebiets verantwortlich waren. Vielmehr besteht zwischen ihnen ein Zusammenhang; je länger der Ausländer sich im Ausland aufhält, desto eher spricht dies dafür, dass er seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland aufgegeben hat (BVerwG, U.v. 25.3.2015, a.a.O., Rn. 18). Daran gemessen, ist hier – ausgehend von einem etwa zweieinhalb Jahre andauernden Aufenthalt ohne berechtigten Grund – der Zeitraum nicht mehr unerheblich gewesen. Er übersteigt sogar die für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in Art. 16 Abs. 4 Richtlinie 2004/38/EG geregelte Mindestfrist von zwei Jahren für den Verlust des Daueraufenthaltsrechts; die Unionsbürger betreffenden Regelungen wirken dabei auf die richterrechtliche Ausformung der assoziationsrechtlichen Stellung und ihrer Verlustgründe als Orientierungsrahmen ein. Je länger der Aufenthalt im Ausland andauert, desto eher kann von der Aufgabe des Lebensmittelpunktes des Ausländers in Deutschland ausgegangen werden. Dauert der Auslandsaufenthalt mehr als ein Jahr an, müssen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, der Ausländer habe seinen Lebensmittelpunkt noch im Bundesgebiet (BVerwG, U.v. 25.3.2015, a.a.O. und U.v. 30.4.2009 – 1 C 6.08 – juris Rn. 27, 28; BayVGH, U.v. 13.5.2014 – 10 BV 12.2382 – juris Rn. 33, 34). Eine Dauer von mehr als zwei Jahren Auslandsaufenthalt ist damit grundsätzlich nicht unerheblich. Zu Recht hält das Verwaltungsgericht einen derartig langen Auslandsaufenthalt für geeignet, die Integration eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet grundlegend infrage zu stellen, selbst wenn dieser hier geboren wurde und hier seine Sozialisation erfahren hat, ohne vor der Ausreise längere Zeiträume im Ausland zugebracht zu haben. Nach den (unter 3.1) dargestellten objektiven Gegebenheiten hat der Kläger nach Beendigung seines Wehrdienstes in der Türkei ein „neues Leben“ begonnen und eine erhebliche Zeit mit den dorthin übersiedelten Eltern zusammengelebt. Ausreichende Indizien dafür, dass mit dieser Lebensplanung, die er für weit mehr als zwei Jahre realisiert hat, von vornherein keine endgültige Abkehr vom Bundesgebiet verbunden sein sollte, konnte der Kläger weder vortragen noch sind solche ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Die Frage, ob ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht eines türkischen Staatsangehörigen erloschen ist, weil dieser das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat, ist einer grundsätzlichen Betrachtung nicht zugänglich, sondern vielmehr vor dem Hintergrund einer Gesamtbewertung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten (BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 1 C 19.14 – juris Rn. 18). Gleiches gilt für die hier maßgebliche Frage, zu welchem Zeitpunkt die Wirkung des bei Ausreise aus dem Bundesgebiet zunächst gegebenen „berechtigten Grundes“ entfällt.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2018 - 10 BV 16.1578 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 31 Eigenständiges Aufenthaltsrecht der Ehegatten


(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn 1. die eheliche Lebensgemeinschaft

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 4 Erfordernis eines Aufenthaltstitels


(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen


(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen: 1. Ablauf seiner Geltungsdauer,2. Eintritt einer auflösenden Bedingung,3. Rücknahme des Aufenthaltstitels,4. Widerruf des Aufenthaltstitels,5. Ausweisung des Ausländers,5a. Bekanntgabe einer Absc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 7 Aufenthaltserlaubnis


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorg

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 130b


Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung d

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 8 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis


(1) Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. (2) Die Aufenthaltserlaubnis kann in der Regel nicht verlängert werden, wenn die zuständige Behörde dies bei einem seiner Zweckbestimmun

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2017 - 10 ZB 15.1706

bei uns veröffentlicht am 17.01.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt. Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 13. Mai 2014 - 10 BV 12.2382

bei uns veröffentlicht am 13.05.2014

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicher
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2018 - 10 BV 16.1578.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. März 2018 - 10 AS 18.450

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Tenor I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. III. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt. Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 19 CE 17.550

bei uns veröffentlicht am 27.11.2018

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt. Gründe

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(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann in der Regel nicht verlängert werden, wenn die zuständige Behörde dies bei einem seiner Zweckbestimmung nach nur vorübergehenden Aufenthalt bei der Erteilung oder der zuletzt erfolgten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen hat.

(3) Vor der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist festzustellen, ob der Ausländer einer etwaigen Pflicht zur ordnungsgemäßen Teilnahme am Integrationskurs nachgekommen ist. Verletzt ein Ausländer seine Verpflichtung nach § 44a Abs. 1 Satz 1 zur ordnungsgemäßen Teilnahme an einem Integrationskurs, ist dies bei der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen. Besteht kein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, soll bei wiederholter und gröblicher Verletzung der Pflichten nach Satz 1 die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt werden. Besteht ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nur nach diesem Gesetz, kann die Verlängerung abgelehnt werden, es sei denn, der Ausländer erbringt den Nachweis, dass seine Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben anderweitig erfolgt ist. Bei der Entscheidung sind die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, schutzwürdige Bindung des Ausländers an das Bundesgebiet und die Folgen einer Aufenthaltsbeendigung für seine rechtmäßig im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen zu berücksichtigen. War oder ist ein Ausländer zur Teilnahme an einem Integrationskurs nach § 44a Absatz 1 Satz 1 verpflichtet, soll die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis jeweils auf höchstens ein Jahr befristet werden, solange er den Integrationskurs noch nicht erfolgreich abgeschlossen oder noch nicht den Nachweis erbracht hat, dass seine Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben anderweitig erfolgt ist.

(4) Absatz 3 ist nicht anzuwenden auf die Verlängerung einer nach § 25 Absatz 1, 2 oder Absatz 3 erteilten Aufenthaltserlaubnis.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der 1997 geborene Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 15. Januar 2014 weiter. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte den Antrag des Klägers vom 6. September 2013 auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bzw. Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, die ihm ursprünglich bis 10. September 2013 erteilt worden war, abgelehnt. Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat die Klage auf Erteilung einer Niederlassungs- bzw. Aufenthaltserlaubnis abgewiesen, weil die dem Kläger ursprünglich erteilte Aufenthaltserlaubnis wegen seines langjährigen Schulbesuches in der T. gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen sei. Ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 bestehe ebenfalls nicht mehr, weil der Kläger das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 2. Juli 2015 wird abgelehnt, weil der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.) nicht vorliegt. Die ebenfalls geltend gemachten Zulassungsgründe der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; 2.), der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 3.) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4; 4.) sind bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zuzulassen. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 -1 BvR 814/9 -Rn. 11). Das ist jedoch weder bezüglich des Erlöschens der Aufenthaltserlaubnis nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG (1.1) noch des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts wegen des Verlassens des Bundesgebiets für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigten Grund (1.2) der Fall.

1.1 Das Verwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung festgestellt, dass die dem Kläger erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis mit seiner nicht nur vorübergehenden Ausreise im Jahr 2007 nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen ist. Als ihrer Natur nach vorübergehende Gründe für Auslandsaufenthalte könnten nach dieser Regelung etwa Urlaubsreisen oder beruflich veranlasste Aufenthalte von ähnlicher Dauer anzusehen sein, ebenso Aufenthalte zur vorübergehenden Pflege von Angehörigen, zur Ableistung der Wehrpflicht oder während der Schul- oder Berufsausbildung, die nur zeitlich begrenzte Ausbildungsabschnitte, nicht aber die Ausbildung insgesamt ins Ausland verlagerten. Auch wenn der Ausländer das Bundesgebiet wegen eines begrenzten Zwecks verlasse, sei demgemäß der Grund der Ausreise seiner Natur nach nicht lediglich vorübergehend, wenn sich der Zweck nicht auf einen überschaubaren Zeitraum beziehe, sondern langfristig und zeitlich völlig unbestimmt, also auf unabsehbare Zeit ausgerichtet sei. Die Absicht des Klägers, nach dem Schulbesuch in der Türkei in das Bundesgebiet zurückzukehren, stehe dem Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Bei Beginn des Schulbesuchs in der Türkei im Jahr 2007 sei die Dauer des Auslandsaufenthalts unabsehbar gewesen. Auch jetzt stehe noch nicht fest, wann der Kläger ins Bundesgebiet zurückkehren werde. Soweit der Kläger den Kontakt zu seiner Familie im Bundesgebiet aufrechterhalten und diese jeweils in den Ferien oder an religiösen Feiertagen besucht habe, rechtfertige dies keine andere Beurteilung. Bei einer derart langen Zeit des Schulbesuchs, der eine wesentliche Veränderung der Lebensumstände mit sich bringe, könne nicht nur von einem zeitlich begrenzten, ins Ausland verlagerten Aufenthalt während der Schulausbildung gesprochen werden.

Demgegenüber bringt der Kläger im Zulassungsverfahren vor, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er zwar seit dem Jahr 2007 in der T. zur Schule gegangen und dort bei den Großeltern gewohnt habe, die gesamten Schulferien hingegen bei den Eltern in Deutschland verbracht habe. Es habe die Gesamtumstände des Einzelfalls nicht genauer untersucht. Der vorübergehende Aufenthaltszweck ergebe sich daraus, dass die Schulausbildung nicht auf unabsehbare Zeit angelegt gewesen sei, sondern von Anfang an auf das Erreichen der Hochschulreife. Der Schulbesuch in der Türkei sei vergleichbar mit dem Besuch eines weiter entfernt gelegenen Internats in der Bundesrepublik, bei dem ein Besuch der Eltern grundsätzlich nur in den Schulferien in Frage käme. Bei einem Internatsbesuch habe das Kind seinen Wohnsitz auch nicht an den Ort des Internats verlegt. Das Verwaltungsgericht habe nur unzureichende Ermittlungen und Feststellungen hinsichtlich des Sachverhalts getroffen, ob aufgrund der dargelegten Umstände tatsächlich von einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts ausgegangen werden könne. Ein Ferienaufenthalt von drei Monaten sei sicherlich kein kurzfristiger Besuchsaufenthalt. Dies zeige sich insbesondere dadurch, dass der soziale Kontakt zu den Freunden in Deutschland aufrechterhalten geblieben sei. Hierauf werde vom Verwaltungsgericht überhaupt nicht eingegangen. Im Übrigen hätte berücksichtigt werden müssen, dass bei einer solchen Fallkonstellation der Kindergeldanspruch der Eltern nicht verfalle.

Mit diesem Vorbringen zieht der Kläger jedoch die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers sei wegen des langjährigen Schulbesuchs im Ausland nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen, nicht ernsthaft in Zweifel. Nach dieser Regelung erlischt der Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer aus einem der Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund ausreist. Unschädlich sind nur Auslandsaufenthalte, die nach ihrem Zweck typischerweise zeitlich begrenzt sind und die keine wesentliche Änderung der gewöhnlichen Lebensumstände in Deutschland mit sich bringen. Fehlt es an einem dieser Merkmale, liegt ein der Natur nach nicht nur vorübergehender Grund vor. Neben der Dauer und dem Zweck des Auslandsaufenthalts sind bei der Prüfung, ob die Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund erfolgt ist, alle objektiven Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, während es auf den inneren Willen des Ausländers und insbesondere seine Planung der späteren Rückkehr nach Deutschland nicht allein ankommen kann. Grundsätzlich können Aufenthalte während der Schul- oder Berufsausbildung als ihrer Natur nach vorübergehende Gründe für Auslandsaufenthalte anzusehen sein, solange nur ein zeitlich begrenzter Ausbildungsabschnitt, nicht aber die Ausbildung insgesamt ins Ausland verlagert wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2014 -10 ZB 11.2156 - juris Rn. 8 m.w.N.). Auch wenn der Ausländer das Bundesgebiet wegen eines begrenzten Zwecks verlässt, ist der Grund der Ausreise seiner Natur nach nicht lediglich vorübergehend, wenn sich der Zweck nicht auf einen überschaubaren Zeitraum bezieht, sondern langfristig und zeitlich völlig unbestimmt, also auf unabsehbare Zeit ausgerichtet ist (Graßhoff in Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand: 1.11.2016, § 51 Rn. 5a). Je weiter sich die Aufenthaltsdauer im Ausland über die Zeit hinaus ausdehnt, die mit begrenzten Aufenthaltszwecken typischerweise verbunden ist, desto eher liegt die Annahme eines nicht nur vor-übergehenden Grundes im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nahe. Ausreichend ist, dass die Ausreise aus dem Bundesgebiet bzw. der Grund hierfür langfristig und zeitlich völlig unbestimmt sind (SächsOVG, U.v. 18.9.2014 - 3 A 554/13 - juris Rn. 30 ff.). Der Aufenthaltstitel erlischt daher auch dann, wenn der Ausländer zwar irgendwann in das Bundesgebiet zurückzukehren wünscht, der Auslandsaufenthalt aber auf unbestimmte Zeit angelegt ist (VGH BW, U.v. 9.11.2015 - 11 S 714/15 - juris Rn. 43 m.w.N.) bzw. wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Betreffende seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagert hat (BVerwG, U.v. 11.12.2012 - 1 B 15.11 - juris Rn. 16).

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Aufenthaltserlaubnis des Klägers bei der Ausreise im Jahr 2007 erloschen, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, wann er wieder ins Bundesgebiet zurückkehren würde. Der Kläger hat im Jahr 2007 im Alter von zehn Jahren seinen Schulbesuch in der T. begonnen. Er beabsichtigte, seine gesamte Schulzeit bis zum Erreichen der allgemeinen Hochschulreife in der T. zu absolvieren. Geplant war also nicht nur einen zeitlich bestimm- bzw. abgrenzbaren Ausbildungsabschnitt (z.B. ein Schuljahr oder zwölf Monate) ins Ausland zu verlagern. Das Ausbildungsziel „allgemeine Hochschulreife“ kann vielmehr abhängig von den schulischen Leistungen einen unterschiedlich langen Zeitraum in Anspruch nehmen.

Die Ferienaufenthalte des Klägers im Bundesgebiet ändern daran, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, nichts. Bei dem viele Jahre andauernden Schulbesuch in der T. hat der Kläger seinen Lebensmittelpunkt zu seinen Großeltern in die T. verlagert. Er hat die ganz überwiegende Zeit des Jahres dort verbracht, im Haushalt seiner Großeltern gelebt, ist von diesen betreut worden und war in das dortige Schul- und Sozialleben integriert. Demgegenüber stellen sich die Ferienaufenthalte in der Bundesrepublik bei seinen Eltern als Besuchsaufenthalte dar. Auch in zeitlicher Hinsicht sind sie gegenüber dem Aufenthalt in der T. untergeordnet. Einer weiteren Sachaufklärung bezüglich dieser Besuchsaufenthalte bedurfte es entgegen dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Angaben des Klägers zu den Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Ob er trotz seines langjährigen Aufenthalts in der T. den Kontakt zu seinen Freunden im Bundesgebiet aufrechterhalten hat, ist nicht entscheidungserheblich. Etwaige fortbestehende freundschaftliche Kontakte in die Bundesrepublik ändern nichts daran, dass der Kläger seine gesamte (weiterführende) Schulausbildung in sein Heimatland verlagert und dies eine wesentliche Veränderung seiner Lebensumstände mit sich gebracht hat.

Soweit der Kläger vorbringt, seine Situation sei mit dem Besuch eines in Deutschland weiter entfernt gelegenen Internats vergleichbar, der nur in den Ferien einen Besuch der Eltern ermöglicht hätte, ist dies im Rahmen des § 56 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nicht maßgeblich, weil in dem geschilderten Fall keine Verlagerung des Lebensmittelpunktes in das Ausland stattfände und sich daher die Frage des Erlöschens der Aufenthaltserlaubnis nicht stellte. Sinn und Zweck der gesetzlichen Erlöschensregelung in § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG ist die Schaffung von Rechtsklarheit. Sie dient der Klärung, ob ein Ausländer, der für längere Zeit aus dem Bundesgebiet ausreist, seinen Aufenthaltstitel weiter besitzt oder nicht. Der Regelungszweck besteht darin, die Aufenthaltserlaubnis in den Fällen zum Erlöschen zu bringen, in denen das Verhalten des Ausländers typischerweise den Schluss rechtfertigt, dass er von seinem Aufenthaltsrecht keinen Gebrauch mehr machen wird (BVerwG, U.v. 17.1.2012 - 1 C 1.11 - juris Rn. 9). Daher kann die angeführte inländische Situation nichts zur Auslegung des Begriffs des „vorübergehenden Grundes“ beitragen.

Auch das etwaige Fortbestehen eines Kindergeldanspruches trotz Schulbesuchs im Ausland sagt nichts darüber aus, ob ein Aufenthaltstitel durch einen längeren Schulbesuch im Ausland erlischt, da Sinn und Zweck der ausländerrechtlichen Vorschriften über das Erlöschen eines Aufenthaltstitels und der sozialrechtlichen Regelung über den Anspruch auf Gewährung von Kindergeld nicht vergleichbar sind.

1.2 Bezüglich des Erlöschens eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts aus Art. 7 ARB 1/80 wegen des langjährigen Schulbesuchs des Klägers in der Türkei hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass es im Falle eines längeren Auslandsaufenthalts des assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen bei der Bewertung aller Umstände des Einzelfalls, ob er das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe, jedenfalls maßgeblich darauf ankomme, ob er seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert habe. Dabei stünden das zeitliche Moment und die Gründe für das Verlassen des Bundesgebiets nicht isoliert nebeneinander. Auch wenn er in den Ferien regelmäßig seine Eltern besucht habe, könne doch von einem Lebensmittelpunkt in Deutschland nicht mehr ausgegangen werden. Durch die Aufgabe des Lebensmittelpunktes im Bundesgebiet habe der Kläger den im Wege des Aufenthaltsrechts aus Art. 7 ARB 1/80 erreichten Integrationszusammenhang selbst zerrissen. Aus der dem Regelungszweck des Art. 7 ARB 1/80, die Aufrechterhaltung der familiären Lebensgemeinschaft im Aufnahmestaat zu ermöglichen und die dauerhafte Eingliederung der Familie zu fördern, zuwiderlaufenden Wirkung der mehrjährigen überwiegenden Abwesenheit des Klägers vom Bundesgebiet folge zugleich, dass als schutzwürdig anzuerkennende berechtigte Gründe für das Verlassen des Bundesgebiets bei der Verlagerung der gesamten Schulausbildung ins Ausland nicht mehr gegeben seien.

Hiergegen bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass er im Zeitraum von 2007 bis 2013 die Bundesrepublik nicht für einen erheblichen Zeitraum verlassen habe. Dies könne nur angenommen werden, wenn das Bundesgebiet für zwölf aufeinanderfolgende Monate verlassen worden sei. Es müsse sich um einen zusammenhängenden Zeitraum von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten handeln. Der Kläger habe sich zwar mehrfach, aber jeweils weniger als ein Jahr außerhalb des Bundesgebiets aufgehalten. Zudem sei ein Verlassen des Aufnahmemitgliedstaates „für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe“ nur dann anzunehmen, wenn der Familienangehörige zu erkennen gebe, dass er den durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erreichten Integrationszusammenhang nicht mehr aufrechterhalten wolle. Auch müsse der Ausreisezweck berücksichtigt werden. Vorliegend liege ein legitimer, also allgemein gesellschaftlich anerkannter Grund für die Abwesenheit des Klägers vom Bundesgebiet vor, da er lediglich die Schulausbildung in der T. erhalten und ansonsten seine Ferien in Deutschland verbracht habe. Durch den jeweiligen Aufenthalt von dreieinhalb Monaten im Jahr in Deutschland habe er belegt, dass er auch tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet beibehalten habe und regelmäßig zu seiner Familie nach Hause gekommen sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Regelung des Art. 7 ARB 1/80.

Auch dieses Vorbringen führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Insbesondere ergibt sich - entgegen dem Vorbringen des Klägers - aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Richtlinie 2003/109/EG - Daueraufenthaltsrichtlinie - nicht, dass der Zeitraum, für den der Kläger zum Zwecke des Schulbesuchs das Bundesgebiet verlassen hat, unerheblich im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, U.v. 16.3.2000 - C-329/97, Ergat - juris Rn. 48) ist. Mit Blick auf das Regelungsziel des Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80, das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nach seiner Entstehung aus der Abhängigkeit von der beschäftigungsbezogenen Rechtsstellung des Stammberechtigten zu lösen und dem Familienangehörigen zum Zweck der Integration im Mitgliedstaat eine autonome Rechtsposition zu verschaffen (EuGH, U.v. 7.7.2005 - C-373/03, Aydinli -juris Rn. 23), kommt es im Falle eines längeren Auslandsaufenthalts des assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen bei der Bewertung aller Umstände des Einzelfalles, ob er das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat, maßgeblich darauf an, ob er seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert hat. Dabei stehen das zeitliche Moment und die Gründe für das Verlassen des Bundesgebiets nicht isoliert nebeneinander; vielmehr besteht zwischen ihnen ein Zusammenhang: Je länger der Betroffene sich im Ausland aufhält, desto eher spricht dies dafür, dass er seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland aufgegeben hat (BVerwG, U.v. 25.3.2015 - 1 C 19.14 - juris Rn. 18). Aus der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (EuGH, U.v. 8.12.2011 - C-371/08, Ziebell - juris Rn. 62 ff.) folgt daher nicht gleichsam der Gegenschluss, dass Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Richtlinie 2003/109/EG entsprechend anzuwenden ist, um den nicht unerheblichen Zeitraum im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs exakt zu definieren. Dennoch liegt es mit Blick auf die Ausführungen des Gerichtshofs in der Ziebell-Entscheidung (EuGH, U.v. 8.12.2011, a.a.O., Rn. 75 ff.) nahe, bei assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen die jeweiligen Maßstäbe der Daueraufenthaltsrichtlinie als unionsrechtlichen Bezugsrahmen auch für den hier maßgeblichen Verlustgrund assoziationsrechtlicher Rechte als Orientierung fruchtbar zu machen. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, der Zwölfmonatsfrist des Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Richtlinie 2003/109/EG jedenfalls eine gewichtige Indizwirkung dafür zu entnehmen, ab wann ein Assoziationsberechtigter, wenn keine berechtigten Gründe vorliegen, seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland aufgegeben und dadurch seine assoziationsrechtliche Stellung verloren hat (BVerwG, U.v. 25.3.2015, a.a.O., Rn. 21). Daraus folgt jedoch nicht, dass ein erheblicher Zeitraum, der zum Verlust des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts führt, immer nur dann vorliegt, wenn sich der betreffende Ausländer länger als zwölf aufeinanderfolgende Monate im Ausland aufgehalten hat.

Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus der zitierten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 13.5.2014 - 10 BV 12.2382 - juris Rn. 33). In dieser Entscheidung betont der Senat, dass Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Richtlinie 2003/109/EG lediglich als Auslegungshilfe bzw. Orientierungsrahmen dienen kann und daneben das Verständnis des Erlöschensgrundes maßgeblich vom Ziel und Zweck des Art. 7 ARB 1/80 her zu bestimmen ist (BayVGH, U.v. 13.5.2014, a.a.O., Rn. 34). Ein Verlassen des Aufnahmemitgliedstaates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe kann daher nur angenommen werden, wenn ausgehend vom Zweck des Art. 7 ARB 1/80, nämlich der Begünstigung des türkischen Arbeitnehmers und der dauerhaften Eingliederung seiner Familie, eine Rückkehr in die T. erfolgt, die diesen Zielen zuwiderläuft und insbesondere zu einem Abreißen des Integrationszusammenhangs führt (BayVGH, U.v. 13.5.2014, a.a.O., Rn. 34 m.w.N.). Demgemäß liegt nicht bereits deshalb ein unerheblicher Zeitraum vor, weil der Kläger sich innerhalb eines Kalenderjahres nicht an zwölf aufeinanderfolgenden Monaten in der Türkei zum Schulbesuch aufgehalten hat, sondern in den Schulferien jeweils wieder seine hier lebenden Eltern und seine Freunde besucht hat.

Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass er im Zeitpunkt des Ablaufs der ihm erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnis schon seit sechs Jahren bei seinen Großeltern in der Türkei lebte, um dort die Schule zu besuchen und dadurch seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert hat (BVerwG, U.v. 25.3.2015, a.a.O., Leitsatz 1). Mit diesem langjährigen Aufenthalt hat er, auch wenn er jeweils in den Schulferien in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist, durch die Aufgabe des Lebensmittelpunktes den ursprünglich im Bundesgebiet bestehenden Integrationszusammenhang zerrissen. Hierbei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Kläger, der im Bundesgebiet geboren ist, hier zwar seine ersten Lebens- und Grundschuljahre verbracht hat, inzwischen jedoch eine fast gleich lange, ihn mindestens ebenso prägende Zeit in der Türkei verbracht hat. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende auch von dem dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Mai 2014 (10 BV 12.2382) zugrundeliegenden Fall, wo eine ... Staatsangehörige, die sich vor ihrer Ausreise in die Türkei fünfundzwanzig Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatte, für einen Zeitraum von zwei Jahren überwiegend in der T. gelebt hatte und während dieser Zeit nur zu mehreren ein- bis zweimonatigen Aufenthalten nach Deutschland zurückgekehrt war.

Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren weiter vorbringt, es seien auch die Interessen des stammberechtigten Wanderarbeitnehmers zu berücksichtigen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Beschäftigung und der Aufenthalt der Eltern des Klägers wurde bereits dadurch begünstigt, dass er nach Ablauf der ersten drei Jahre (Art. 7 Satz 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80) nach seiner Geburt ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht erworben hat. Die freiwillige Aufgabe des erreichten Integrationszusammenhangs des Familienangehörigen wegen eines dauerhaften Schulbesuchs im Heimatstaat hat jedoch für die Entscheidung des Wanderarbeitnehmers, sich zum Zwecke der Erwerbstätigkeit in einen Aufnahmemitgliedstaat zu begeben, keine Auswirkungen.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren stellte der mehrjährige Schulbesuch im Heimatland auch keinen „berechtigten Grund“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dar. Der Assoziationsratsbeschluss 1/80 verfolgt das Ziel, die Rechtstellung ... Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen im sozialen Bereich zu verbessern. Dies spricht dafür, für das Verlassen des Mitgliedstaats dann „berechtigte Gründe“ anzunehmen, wenn diese Ausdruck allgemein üblicher, sozialtypischer Verhaltensweisen sind, wie etwa Urlaub und Verwandtenbesuch (EuGH, U.v. 17.04.1997 - C-351/95, Kadiman - juris Rn. 48), oder durch staatsangehörigkeitsbezogene Rechte oder Pflichten bedingt sind, etwa die Ableistung von Wehrdienst (BayVGH, B.v.15.10.2009 - 19 CS 09.2194 - juris Rn. 5 ff.). Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass die langjährige Abwesenheit des Klägers vom Bundesgebiet infolge sechsjährigen Schulbesuchs in der Türkei bis zum Ablauf der befristeten Aufenthaltserlaubnis im September 2013 nicht „von berechtigten Gründen“ im o.g. Sinn getragen war. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. April 2009 (1 C 6.08 -juris) unter Darlegung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgeführt hat, ist für das Verständnis dieses Erlöschensgrundes auf Ziel und Zweck des Art. 7 ARB 1/80 abzustellen, der der allmählichen Integration der Familienangehörigen im Mitgliedsstaat dienen soll. Die diesem Urteil zugrunde liegende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 27. März 2008 (11 LB 203/06 - juris Rn. 28) führt ferner aus, neben den in der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache „Kadiman“ zitierten Beispielen (auf eine angemessene Zeitspanne angelegte Urlaubsaufenthalte oder Besuche der Familie im Heimatland) seien auch in der Literatur als Fälle „berechtigter Gründe“ nur solche aufgeführt, in denen der weitere Aufenthalt im Ausland „nicht vom eigenen Willen abhängig war (z.B. Erkrankung, Unfall, Naturereignisse)“. Damit ist der vorliegende Fall aber gerade nicht vergleichbar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidung der Eltern, den Kläger seine gesamte Schulzeit bis zum Erreichen der Hochschulreife in der Türkei absolvieren zu lassen, auf irgendeiner Zwangslage beruhte. Vielmehr haben der Kläger und seine Eltern die bislang erreichte Integration freiwillig aufgegeben. Die lediglich durch Besuchsaufenthalte in den Ferien unterbrochene Abwesenheit des Klägers vom Bundesgebiet über einen Zeitraum von sechs Jahren kann somit nicht als eine im genannten Sinn vergleichbare lediglich kurzzeitige Unterbrechung des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat angesehen werden. Vielmehr führte der ganz überwiegende Aufenthalt zur Schulausbildung in einem anderen Sprach- und Kulturkreis dazu, dass die bis zum 10. Lebensjahr des Klägers erfolgte Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse in einer für seine soziale Prägung wesentlichen Entwicklungsphase über einen Zeitraum von sechs Jahren unterbrochen wurde (vgl. zum mehrjährigen Auslandsaufenthalt wegen eines Schulbesuchs: OVG Lüneburg, B.v. 11.1.2008 - 1 ME 418/07 - juris Rn. 7; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 29.6.2009 - 7 B 10454/09 - juris Rn. 11).

2. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der vom Kläger geltend gemachten besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten kommt nicht in Betracht.

Denn solche Schwierigkeiten sind ungeachtet der auch nach Auffassung des Senats eindeutig zu beantwortenden Fragen bereits nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Soweit der Kläger bezüglich der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten auf den Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts verweist, fehlt es schon an Ausführungen dazu, welche rechtlichen oder tatsächlichen Fragen der Kläger als besonders schwierig ansieht. Auch mit dem Hinweis darauf, das Verwaltungsgericht sei nicht darauf eingegangen, dass der Kläger die sozialen Beziehungen zu seinen Freunden im Bundesgebiet aufrecht erhalten und sich nie für zwölf aufeinanderfolgende Monate außerhalb des Bundesgebiets aufgehalten habe, legt er den besonderen Schwierigkeitsgrad nicht plausibel dar (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2014 - 10 ZB 14.1741 - juris Rn. 27 m.w.N.).

3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Der Zulassungsgrund der zulässigen Bedeutung ist nur den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, wenn der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, warum diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutert, weshalb sie klärungsbedürftig ist und darlegt, warum ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr; vgl. etwa BayVGH, B.v. 18.2.2015, 10 ZB 14.345 - juris Rn. 20 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Klägers in der Zulassungsbegründung nicht. Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage. Soweit der Kläger geklärt haben möchte, unter welchen Voraussetzungen ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern erlischt, wenn sie sich zum Zwecke des Schulbesuchs im Ausland aufhalten, handelt es sich um keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage. Wie den genannten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Mai 2014 (10 BV 12.2382) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2015 (1 C 19.14) zu entnehmen ist, gebietet die Beantwortung dieser Frage letztlich eine Einzelfallbetrachtung, bei der insbesondere der Zweck und die objektiv feststellbaren Umstände der Ausreise zu würdigen sind (BayVGH, a.a.O., Rn. 34; BVerwG, a.a.O., Rn. 18).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich auch nicht aus dem Antrag des Klägers, die aufgeworfene Rechtsfrage solle dem Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen des Art. 267 AEUV vorgelegt werden. Die Notwendigkeit einer Vorlage besteht insbesondere dann nicht, wenn die richtige Auslegung von Gemeinschaftsrecht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Die generellen Maßstäbe für den Verlust eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts, falls der Betreffende den Aufnahmemitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat, sind bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (EuGH, U. v. 22.12.2010 - C-303/08, Bozkurt - juris Rn. 42, v. 4.2.2010 - C-14/09, Genc - juris Rn. 42, v. 18.12.2008 - C-337/07, Altun - juris Rn. 62, v. 18.07.2007 - C-325/05, Derin - juris Rn. 45, v. 16.2.2006 - C-502/04, Torun - juris Rn. 25, v. 7.7.2005 - C-373/03, Aydinli - juris Rn. 27, v. 11.11.2004 - C-467/02, Cetinkaya - juris Rn.36 und v. 17.4.1997 - C-351/95, Kadiman - juris Rn. 48). Unter welchen Voraussetzungen von einem Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe auszugehen ist, obliegt in erster Linie der Feststellung der nationalen Gerichte (vgl. EuGH, U.v. 18.07.2007 - C-325/05, Derin - juris Rn. 43)

4. Auch die Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) des Klägers führt nicht zur Zulassung der Berufung.

Voraussetzung hierfür wäre, dass das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Divergenzgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Darzulegen ist vom Kläger insoweit, welche bestimmte und verallgemeinerungsfähige Rechtsauffassung das Erstgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat und inwiefern diese mit einem konkreten Rechtssatz in der Rechtsprechung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte nicht übereinstimmt. Die divergierenden Rechtssätze sind einander so gegenüber zu stellen, dass die Abweichung erkennbar wird (BayVGH, B.v. 25.7.2014 - 10 ZB 14.633 - juris Rn. 15 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger hat keine verallgemeinerungsfähige Rechtsauffassung des Erstgerichts dargelegt, die von einem Rechtssatz in den Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Mai 2014 und des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2015 abweichen würde. Insbesondere enthalten die genannten Entscheidungen gerade keinen Rechtssatz, der besagt, dass das Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum nur dann zum Erlöschen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts führt, wenn sich der betreffende Ausländer an zwölf aufeinanderfolgenden Monaten im Ausland aufgehalten hat. Beide Entscheidungen betonen, dass Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Richtlinie 2003/109/EG nur als Auslegungshilfe oder Orientierungsrahmen für den „nicht unerheblichen Zeitraum“ heranzuziehen und eine Berücksichtigung von Ziel und Zweck des Art. 7 ARB 1/80 geboten ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass das Aufenthaltsrecht der Klägerin aus Art. 7 ARB 1/80 im Bundesgebiet fortbesteht und gegen die Verurteilung durch das Verwaltungsgericht, das Bestehen dieses Rechts zu dokumentieren.

Die am 3. März 1982 in Deutschland geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie durchlief im Bundesgebiet von 1988 bis 1998 eine Schulausbildung, erreichte aber keinen Schulabschluss und schloss keine Ausbildung ab. Auch eine längerfristige Erwerbstätigkeit lässt sich bei der Klägerin vor ihrer Eheschließung nicht feststellen.

Am 9. Juni 1997 erhielt die Klägerin erstmals eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Ab dem 11. März 2004 war die Klägerin im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach dem damals geltenden Aufenthaltsgesetz (jetzt Niederlassungserlaubnis).

Im Dezember 2009 erhielt die zuständige Ausländerbehörde Kenntnis davon, dass die Klägerin am 16. August 2007 einen türkischen Staatsangehörigen geheiratet hat, der in der Türkei lebt. Aufgrund weiterer Nachforschungen stellte die Ausländerbehörde fest, dass sich die Klägerin im Zeitraum vom 18. Juni 2007 bis zum 3. Dezember 2009 überwiegend in der Türkei aufgehalten hat und nur zu mehreren ein- bis zweimonatigen Aufenthalten nach Deutschland zurückgekehrt ist. Die Türkeiaufenthalte haben dabei zwischen vier und knapp sechs Monaten gedauert.

Einem Aktenvermerk der Arbeitsagentur vom 19. Juni 2007 (vgl. Bl. 86 der Verwaltungsakten des Beklagten) ist zu entnehmen, dass die Klägerin dort angegeben habe, für unbestimmte Zeit in die Türkei zurückzugehen. Ab 18. Juni 2007 erhielt sie kein Arbeitslosengeld II mehr und wurde aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2010 forderte das zuständige Landratsamt die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich, spätestens vier Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheids zu verlassen (Nr. 1 des Bescheids). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung der Klägerin in die Türkei angedroht (Nr. 2). Die Kosten der Abschiebung habe die Klägerin zu tragen (Nr. 3). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Aufenthaltstitel der Klägerin sei mit ihrer Ausreise in die Türkei am 18. Juni 2007 erloschen, da diese Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund erfolgt sei. Die Klägerin habe nämlich in der Türkei ihren ehelichen Wohnsitz begründet und dort in ehelicher Gemeinschaft gelebt. Es habe keinen Hinweis dafür gegeben, dass von der Klägerin etwas anderes geplant gewesen sei. Diese Ausreise und der anschließende Verbleib in der Türkei stellten auch keinen berechtigten Grund im Sinne des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 dar. Für die Beurteilung der Frage, ob der Auslandsaufenthalt nicht nur vorübergehender Natur ist, sei nicht allein auf den inneren Willen des Ausländers abzustellen. Maßgeblich seien vielmehr die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Danach habe die Klägerin mit ihrer Ausreise ihre Lebensgrundlage im Bundesgebiet aufgegeben. Dies zeige sich auch darin, dass sie sich von der Arbeitsvermittlung abgemeldet habe. In der Türkei habe sie die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem in der Türkei verwurzelten Ehemann aufgenommen und sei nicht etwa nur zu Besuchszwecken in die Türkei gefahren. Vielmehr waren die folgenden Aufenthalte der Klägerin in Deutschland reine Besuchsaufenthalte. Selbst wenn man aufgrund eines Teils der Rechtsprechung von einer Abwesenheit der Klägerin von mindestens zwei Jahren ausgehen müsste, bevor ihr Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 erlischt, habe sie diesen Zeitraum sogar erheblich überschritten, indem sie über 29 Monate ihren Lebensmittelpunkt aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Türkei gehabt habe. Nachdem sie ihr Recht auf Niederlassung aus Art. 7 ARB 1/80 verloren habe, unterliege sie nur noch den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes. Auch danach sei ihr Aufenthaltsrecht erloschen.

Mit ihrer Klage vom 16. Juli 2010 beantragte die Klägerin die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids und die Feststellung, dass sowohl ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 fortbestehe als auch die ihr erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die als Niederlassungserlaubnis fortgelte, nicht erloschen sei. Daneben beantragte sie die entsprechende Dokumentation dieser Aufenthaltsrechte.

Mit Urteil vom 8. Mai 2012 stellte das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth fest, dass das Aufenthaltsrecht der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 fortbestehe und verurteilte den Beklagten, unter Aufhebung der Nummern 1 bis 3 des streitgegenständlichen Bescheids das Fortbestehen dieses Aufenthaltsrechts zu dokumentieren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Niederlassungserlaubnis der Klägerin sei erloschen, weil sie aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund ausgereist sei. Die Klägerin habe das Bundesgebiet zum Zweck der Eheführung mit einem türkischen Staatsangehörigen verlassen, ohne dass eine zeitliche Begrenzung der gemeinsamen Eheführung in der Türkei konkret verabredet und auch zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Umsetzung der nunmehr behaupteten Absicht, gemeinsam mit ihrem Ehemann nach Deutschland zurückzukehren, erkennbar gewesen sei. Allerdings habe die Klägerin ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nicht verloren, denn nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlösche ein solches Aufenthaltsrecht nur dann, wenn es gemäß Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig beschränkt werde oder wenn der Rechtsinhaber das Gebiet des aufnehmenden EU-Mitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum und ohne berechtigte Gründe verlasse. Zur Konkretisierung des Verlustgrundes sei die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (sog. Unionsbürgerrichtlinie) als Orientierungsrahmen heranzuziehen. Danach führe die Abwesenheit eines Unionsbürgers, dem ein Recht auf Daueraufenthalt zustehe, nur dann zum Verlust der erworbenen Rechtsstellung, wenn seine Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat zwei aufeinander folgende Jahre überschreite. Dabei sei von einer ununterbrochenen Abwesenheit auszugehen. Eine solche sei bei der Klägerin aber nicht festzustellen. Selbst wenn man aber auf die Summe der Abwesenheitszeiten abstellen würde, sei die Klägerin nicht mehr als zwei Jahre abwesend gewesen, sondern habe sich insgesamt nur 22 Monate und 61 Tage nicht im Bundesgebiet aufgehalten. Soweit der Beklagte die Richtlinie dahingehend auslege, dass schon ein überwiegender Aufenthalt im Ausland, bei dem zwischen dem maßgeblichen Ausreisetag und der (endgültigen) Wiedereinreise kalendarisch mehr als zwei Jahre liegen, zum Verlust des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts führe, vermöge das Gericht dem nicht zu folgen. Denn es bliebe dann völlig unbestimmt, ab welcher Dauer ein Aufenthalt im Ausland relevant sei. Die Klägerin habe auch die Bindung zu Deutschland nicht verloren, da sie sich regelmäßig immer wieder hier aufgehalten habe. Auf die Frage, ob sie dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe, komme es nicht an.

Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2012 hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. Mai 2012 erhoben. Zur Begründung wird vorgebracht, die Klägerin habe entgegen der Ansicht des Erstgerichts ihr assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 verloren. Dies sei nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dann der Fall, wenn der Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlasse. Ob dies der Fall sei, sei einzelfallbezogen vom nationalen Gericht festzustellen. Dafür ließen sich aber keine festen zeitlichen Grenzen ziehen. Vielmehr sei tragend darauf abzustellen, ob der lange Auslandsaufenthalt geeignet sei, den erreichten Integrationszusammenhang durch Aufgabe des Lebensmittelpunkts im Bundesgebiet zu beseitigen. Die Regelungen der Unionsbürgerrichtlinie könnten zwar für die diesbezügliche Auslegung als Orientierungsrahmen herangezogen werden. Sie könnten aber nur dabei helfen, für die Frage nach einem Verlassen für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum eine zeitliche Obergrenze zu ziehen, deren Überschreiten jedenfalls zum Verlust der Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 führt. Dies folge aus dem in Art. 59 des Zusatzprotokolls festgelegten Besserstellungsverbot. Umgekehrt bedeute dies aber nicht, dass unter denselben Umständen, die bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen nicht zum Verlust des Daueraufenthaltsrechts führen, stets auch der Verlust der Rechte gemäß Art. 7 ARB 1/80 ausgeschlossen wäre. Deshalb führe nicht nur eine ununterbrochene Abwesenheit, die zwei aufeinander folgende Jahre überschreite, zum Verlust der erworbenen Rechtsstellung, sondern es sei auf die Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen. Danach sei ohne weiteres von einem Erlöschen der Rechtsstellung auszugehen. Die Klägerin sei nämlich zum Zwecke der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft in die Türkei ausgereist. Der dortige Wohnort entspräche grundsätzlich dem Lebensmittelpunkt der Ehepartner. Beim Ehemann hätten keine Bestrebungen bestanden, nach Deutschland umzusiedeln. Auch sei ein konkreter Termin für eine Rückkehr nach Deutschland von der Klägerin nicht einmal ansatzweise festgelegt worden. Die Klägerin habe jeweils nur kurze Besuche in Deutschland unternommen, noch dazu ohne ihren Ehemann. Auch die Voraussetzungen von Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG, bei denen die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet nicht unterbrochen werde, lägen bei der Klägerin nicht vor. Nichts anderes ergebe sich aus Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie, denn die Abwesenheitszeiten der Klägerin von Juni 2007 bis Dezember 2009 erreichten in ihrer Summe den Zeitraum von zwei Jahren. Das Verwaltungsgericht selbst habe 22 Monate und 61 Tage errechnet, was bei einem Ansatz von 30 Tagen pro Monat einen Auslandsaufenthalt von 24 Monaten und einem Tag ergebe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. Mai 2012 insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich darauf, dass ihr Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 nur beschränkt werden könne, wenn entweder die Voraussetzungen von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorlägen oder der assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige das Hoheitsgebiet dieses Staates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlasse. Beide Alternativen lägen bei der Klägerin nicht vor. Sie habe zu keinem Zeitpunkt eine dauerhafte Rückkehr in die Türkei geplant und auch keine entsprechende Erklärung abgegeben. Es sei bereits bei der Eheschließung geplant gewesen, dass der Ehemann der Klägerin, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorlägen, in die Bundesrepublik nachziehen solle. An einen dauerhaften Verbleib in der Türkei sei zu keinem Zeitpunkt gedacht worden. Gerade aus diesem Grund sei die Klägerin immer wieder in die Bundesrepublik zurückgekehrt, um ihr Aufenthaltsrecht beizubehalten und mit dem Ziel, eine Arbeitsstelle zu finden, um die wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen Familiennachzug ihres Ehemannes zu erreichen. Anlässlich ihres Aufenthalts von April bis Juni 2008 habe sie sich bei verschiedenen Arbeitgebern beworben. Der Ehemann sollte inzwischen Deutsch lernen. Bei den Ausreisen der Klägerin habe es sich immer um Aufenthalte zur Vorbereitung auf einen späteren Aufenthalt in Deutschland gehandelt. Die Auslandsaufenthalte seien damit aus berechtigtem Grund erfolgt. Die letzte Reise in die Türkei von August bis Dezember 2009 habe dazu gedient, den Ehemann zum Nachzug in die Bundesrepublik zu bewegen, um dadurch die Ehe zu retten. Nachdem sich während dieses Aufenthalts für die Klägerin herauskristallisiert habe, dass der Ehemann offensichtlich nicht beabsichtige, die Voraussetzungen für ein gemeinsames Eheleben im Bundesgebiet zu schaffen, sei die Klägerin im Dezember 2009 endgültig in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt. Seitdem habe die Klägerin keinen Kontakt mehr zu ihrem Ehemann gehabt. Zudem sei die rechtliche Bewertung durch das Verwaltungsgericht zutreffend, dass lediglich eine ununterbrochene Abwesenheit von mehr als zwei Jahren zu einem Verlust der Rechtsstellung aus Art. 7 ARB 1/80 führe. Derzeit arbeite die Klägerin in einem Schnellimbiss. Eine Rückkehr in die Türkei würde für sie eine besondere Härte bedeuten, da sie vollständig in das Leben im Bundesgebiet integriert sei und in der Türkei vollkommen auf sich gestellt wäre.

Mit Urteil des 3. Familiengerichts Denizli in der Türkei vom 23. Dezember 2013 wurde die Ehe der Klägerin mit ihrem türkischen Ehemann geschieden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenunterlagen und auf den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 12. Mai 2014 verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil vom 8. Mai 2012 zu Recht festgestellt, dass das Aufenthaltsrecht der Klägerin aus Art. 7 ARB 1/80 nicht erloschen ist (dazu 1.) und den Beklagten klarstellend zur Dokumentation dieses Rechts verpflichtet (dazu 2.).

1. Die der zulässigen Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zugrunde liegende Frage im vorliegenden Rechtsstreit ist, ob das der Klägerin zustehende Recht aus Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 erloschen ist oder nicht. Diese ist dahingehend zu beantworten, dass die Klägerin dieses Recht nach wie vor besitzt.

In Übereinstimmung mit den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass die Klägerin ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ANBA 1981, 4) - ARB 1/80 - erworben hat. Nach dieser Vorschrift haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, u. a. vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Als Folge dieses unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleiteten Anspruchs auf Beschäftigung hat der Europäische Gerichtshof (vgl. U.v. 17.4.1997 - Kadiman, Rs. C-351/95 - juris Rn. 29) aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ein Aufenthaltsrecht für die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, die die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen, abgeleitet. Zudem ist unstreitig, dass dieses Recht nicht nur Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers zusteht, die die Erlaubnis erhalten haben, zu ihm zu ziehen, sondern auch Kindern türkischer Arbeitnehmer, die im Bundesgebiet geboren sind (vgl. EuGH, U.v. 11.11.2004 - Cetinkaya, C-467/02 - InfAuslR 2005, 13 Rn. 23 ff.; BayVGH, U.v. 21.1.2013 - 10 B 11.1722 - juris Rn. 33).

Die Klägerin hat die Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 durch ihre Geburt im Bundesgebiet im März 1982 als Tochter eines türkischen Arbeitnehmers erworben. Sie hat seitdem ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz bei den Eltern bzw. nach dem Tod des Vaters bei der Mutter. Diesen hat sie letztendlich bislang nie aufgegeben.

Das auf unbestimmte Dauer angelegte Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 hat die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht verloren, denn es ist durch ihre zeitweise Abwesenheit vom Bundesgebiet während ihrer Ehezeit mit ihrem türkischen Ehemann nicht erloschen.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, U.v. 16.3.2000 - Ergat, Rs. C-329/97 - juris Rn. 45 ff.; EuGH, U.v. 8.12.2011 - Ziebell, C-371/08 - juris Rn. 49) kann das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 nur unter zwei Voraussetzungen beschränkt werden. Zum einen kann ein Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers dann die Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 verlieren, wenn seine Anwesenheit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats wegen seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses darstellt. Zudem erlischt das Aufenthaltsrecht, wenn der Betroffene das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat. Daraus folgt, dass ein nach Art. 7 ARB 1/80 assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht weder nach nationalen Vorschriften verlieren kann noch aus anderen Gründen, wie z. B. der Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe oder der Tatsache, dass er nicht in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis steht (vgl. EuGH, U.v. 11.11.2004 a. a. O. Rn. 39).

Bei der Klägerin ist ein Verlust ihrer Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 wegen einer von ihr ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von vornherein ausgeschlossen. Davon ist auch die Ausländerbehörde nicht ausgegangen. Streitig ist ausschließlich, ob die Klägerin ihr Aufenthaltsrecht deshalb verloren hat, weil sie sich vom 18. Juni 2007 bis zum 3. Dezember 2009 mit Unterbrechungen in der Türkei bei ihrem früheren Ehemann aufgehalten hat und dieser Aufenthalt als Aufenthalt für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe anzusehen ist. Dies ist aber nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht der Fall.

In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist nicht abschließend geklärt, wann die Voraussetzungen für die Annahme, dass ein Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers den Mitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat, vorliegen. Zum einen steht nicht fest, wie der „nicht unerhebliche Zeitraum“ zu definieren ist. Zudem ist nicht grundsätzlich geklärt, welche berechtigten Gründe das Verlassen des Mitgliedstaates rechtfertigen können.

Da es für die Bestimmung des Zeitraums, der als „nicht unerheblich“ anzusehen ist, in der Rechtsprechung keine klaren einheitlichen Vorgaben gibt, ist dieser Begriff anhand vergleichbarer Entscheidungen sowie ähnlicher Regelungen für andere Gruppen von Ausländern entsprechend näher einzugrenzen.

In der Streitsache Ergat (U.v. 16.3.2000 a. a. O.) hat der Gerichtshof einem einjährigen Aufenthalt des dortigen Klägers in der Türkei keine Bedeutung beigemessen und kein Erlöschen der Rechtsstellung aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 angenommen, allerdings ohne sich genauer mit dieser Problematik zu befassen, da Hintergrund des Rechtsstreits ein anderer war. Er hat zwar auf die Sache Kadiman (U.v. 17.4.1997 a. a. O.) verwiesen, in der er zum Erfordernis des ununterbrochenen dreijährigen Wohnsitzes zur Erreichung der Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ausgeführt hat, dass insoweit kurzfristige Unterbrechungen des gemeinsamen Wohnsitzes wegen Urlaubs oder Heimatbesuchen und - im vom Gerichtshof entschiedenen Fall - ein weniger als sechs Monate dauernder Aufenthalt im Heimatland gegen den Willen des Betroffenen keine Unterbrechung dieses Dreijahreszeitraums darstellen. Aus der Entscheidung Ergat lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die für den dreijährigen Zeitraum bis zur Erlangung der vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesem Recht unabhängigen aufenthaltsrechtlichen Rechtsposition geltenden Grundsätze in der Rechtssache Kadiman gleichermaßen auf Streitsachen Anwendung finden, bei denen es um das Erlöschen des anschließend an die Frist des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworbenen individuellen Rechts auf dauerhaften Aufenthalt geht. Denn für den Zeitraum, in dem eine Rechtsposition erst noch erworben werden muss, gilt nicht zwingend das Gleiche wie für die anschließende Phase des Besitzes eines solchen Rechts.

Auch der Entscheidung Ziebell des Gerichtshofs (vgl. U.v. 8.12.2011 a. a. O.) lässt sich zu der hier entscheidungserheblichen Frage der Auslegung des Begriffs „nicht unerheblicher Zeitraum“ nichts Konkretes entnehmen. Allerdings stellt der Gerichtshof in dieser Entscheidung klar, dass hinsichtlich des ersten Erlöschensgrundes (Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) wegen der unterschiedlichen Zielrichtung der jeweiligen Bestimmungen die Regelungen für Unionsbürger in Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nicht entsprechend angewandt werden können. Demgegenüber ergibt sich aus der genannten Entscheidung nicht, ob die für Unionsbürger maßgebliche Regelung über den Verlust des Aufenthaltsrechts von Unionsbürgern und ihrer Familienangehörigen in Art. 16 Richtlinie 2004/38/EG auf Assoziationsberechtigte Anwendung findet. Folgt man der Argumentation des Gerichtshofs, dass beide Regelungswerke - einerseits der Assoziationsratsbeschluss 1/80 und andererseits die Unionsbürgerrichtlinie -unterschiedliche Ziele verfolgen, nämlich die Assoziation EWG - Türkei einen ausschließlich wirtschaftlichen Zweck und demgegenüber die Unionsbürgerrichtlinie den Zweck, die Ausübung des den Unionsbürgern unmittelbar aus dem Vertrag erwachsenden elementaren und persönlichen Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zu erleichtern (EuGH, U.v. 8.12.2011 a. a. O. Rn. 69), spricht dies dafür, Art. 16 der Unionsbürgerrichtlinie nicht unmittelbar auf Assoziationsberechtigte anzuwenden.

Hinzu kommt, dass Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP - bestimmt, dass assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit keine günstigere Behandlung gewährt werden darf als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft aufgrund des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft untereinander einräumen. Damit spricht vieles dafür, dass die Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie über das Erlöschen des Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers lediglich als Orientierungsrahmen für die Verlustgründe dienen können und zugleich Obergrenzen festsetzen, die für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen jedenfalls nicht überschritten werden dürfen.

Nimmt man zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „nicht unerheblicher Zeitraum“ sodann die Vorschriften in den Blick, die für Unionsbürger in einer vergleichbaren Situation wie der der Klägerin gelten, und die nach dem oben Ausgeführten als Orientierungsrahmen und zugleich als Obergrenze dienen, ergibt sich aus Art. 16 Abs. 4 Richtlinie 2004/38/EG, dass, wenn das Recht auf Daueraufenthalt erworben wurde, nur die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, die zwei aufeinander folgende Jahre überschreitet, zu seinem Verlust führt (vgl. entsprechend § 4a Abs. 7 FreizügG/EU). Art. 16 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG, der bestimmte Zeiten als

für die Kontinuität des Aufenthalts (als Voraussetzung für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt) unschädlich bestimmt, kommt demgegenüber nur zur Anwendung, wenn der jeweilige Unionsbürger noch kein Daueraufenthaltsrecht erworben hat.

Als Orientierungsrahmen für einen Verlust des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts der Klägerin kommen darüber hinaus die Bestimmungen der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen - Daueraufenthaltsrichtlinie - in Betracht, die auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige, die ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzen, anwendbar ist, soweit das Assoziationsrecht EWG-Türkei keine günstigeren Vorschriften enthält (vgl. EuGH, U.v. 8.12.2011 a. a. O. Rn. 79). Nach Art. 9 Abs. 1 c der Richtlinie ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr berechtigt, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu behalten, wenn er sich während eines Zeitraums von zwölf aufeinander folgenden Monaten nicht im Gebiet der Gemeinschaft aufgehalten hat.

Legt man die als Auslegungshilfe bzw. Orientierungsrahmen genannten Entscheidungen des Gerichtshofs und die oben zitierten Richtlinien der näheren Bestimmung des „nicht unerheblichen Zeitraums“ zugrunde, bleibt der Zeitraum, in dem sich die Klägerin in der Türkei aufgehalten hat, deutlich unter den zeitlichen Vorgaben, die sich insbesondere den genannten Richtlinien für den Verlust des Aufenthaltsrechts eines langfristig Aufenthaltsberechtigten bzw. Daueraufenthaltsberechtigten entnehmen lassen. So war die Klägerin weder über einen Zeitraum von zwei aufeinanderfolgenden Jahren vom Aufnahmemitgliedstaat abwesend, noch hat sie sich auch nur während eines Zeitraums von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten nicht im Gebiet der Bundesrepublik aufgehalten. Den Zeitraum von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten, den Art. 9 Abs. 1 c Richtlinie 2003/109/EG für den Verlust des Aufenthaltsrechts verlangt, hat die Klägerin mit ihrer Abwesenheit vom Bundesgebiet deshalb nicht erreicht, weil sie sich maximal fünf Monate 26 Tage ununterbrochen in der Türkei aufgehalten hat und nicht während eines Zeitraums von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten. Schon aus dem Wortlaut „von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten“ ergibt sich, dass es sich hierbei um einen zusammenhängenden Zeitraum ohne tatsächliche Unterbrechungen handeln muss. Nicht ausreichend ist danach, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige sich zwar mehrfach, aber jeweils weniger als ein Jahr lang außerhalb des Bundesgebiets aufhält. Aber auch nach Gegenstand und Zweck dieser Bestimmung, ab einem bestimmten Zeitraum der Abwesenheit vom Mitgliedstaat ein Abreißen des Integrationszusammenhangs anzunehmen, das zum Verlust der durch den zuvor langfristigen Aufenthalt und die dadurch entstandene Verwurzelung erlangten besonderen Rechtsstellung führt, ist eine dem Wortlaut entsprechende enge Auslegung angezeigt. Erfüllt die Klägerin aber schon nicht die Anforderungen von Art. 9 Abs. 1 c Richtlinie 2003/109/EG, bleibt sie auch unter der maximal zulässigen Abwesenheit von zwei aufeinanderfolgenden Jahren, die nach Art. 16 Abs. 4 Richtlinie 2004/38/EG zum Verlust des Daueraufenthalts bei Unionsbürgern führt.

Neben der Heranziehung der genannten Richtlinien als Orientierungshilfe für die Auslegung des Begriffs „nicht unerheblicher Zeitraum ohne berechtigte Gründe“ ist das Verständnis des Erlöschensgrundes maßgeblich vom Ziel und Zweck des Art. 7 ARB 1/80 her zu bestimmen (so BVerwG, U.v. 30.4.2009 -1 C 6/08 - juris Rn. 27). Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, ob berechtigte Gründe für einen Auslandsaufenthalt in der Türkei vorliegen. Art. 7 ARB 1/80 bezweckt nämlich die allmähliche Integration der Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer im Aufnahmestaat und verleiht diesen nach Erreichen der Rechtsposition sowohl das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt als auch ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Geht man demzufolge davon aus, dass Art. 7 ARB 1/80 den Aufenthalt von Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer auch dann privilegieren soll, wenn z. B. nachgezogene oder im Bundesgebiet geborene Kinder sich auch nach Erreichen der Volljährigkeit weiter bei ihren Familien im Bundesgebiet aufhalten wollen und diesen das Recht verleihen soll, ein von den Eltern losgelöstes eigenständiges Leben im Bundesgebiet rechtmäßig führen zu können, spricht einiges dafür, dass ein Verlust dieser Rechtstellung nur dann eintritt, wenn eine Rückkehr in die Türkei erfolgt, die diesen Zielen zuwiderläuft und insbesondere zu einem Abreißen des Integrationszusammenhangs führt (vgl. Kurzidem in Beck’scher Online-Kommentar EWG-Türkei, Art. 7 Rn. 34). Ein Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats „für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe“ kann danach nur dann angenommen werden, wenn der Familienangehörige zu erkennen gibt, dass er diesen Integrationszusammenhang nicht mehr aufrechterhalten will. Aus diesen Gründen gebietet die Frage, ob die Klägerin ihre Rechte aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 verloren hat, letztlich eine Einzelfallbetrachtung, bei der insbesondere der Ausreisezweck und die objektiv feststellbaren Umstände der Ausreise zu würdigen sind. Es ist daher die Frage zu beantworten, ob das Verhalten des Betroffenen bei objektiver Betrachtungsweise den Schluss zulässt, dass er die Bundesrepublik auf Dauer verlassen wollte. In Anwendung dieser Kriterien ist der Senat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere auch der eingehenden Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2014, zur Überzeugung (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gelangt, dass die Klägerin ihr Recht auf Aufenthalt aus Art. 7 ARB 1/80 durch ihren ehebedingten Aufenthalt in der Türkei nicht verloren hat.

Die Klägerin, die seit ihrer Geburt 1982 bis zu ihrer Heirat im Jahr 2007 ununterbrochen, also 25 Jahre lang im Bundesgebiet gelebt und ihren Wohnsitz ständig bei ihren Eltern bzw. ihrer Mutter gehabt hat, hat sich erst nach ihrer Eheschließung mit einem in der Türkei lebenden türkischen Staatsangehörigen dazu entschlossen, nicht nur wie bisher kurze Urlaube in der Türkei zu verbringen, sondern immer wieder mehrere Monate dort zu bleiben. Im Zeitraum vom 18. Juni 2007 bis zum 3. Dezember 2009, dem Tag ihrer endgültigen Rückkehr in das Bundesgebiet, verbrachte die Klägerin fünf Aufenthalte in der Türkei, die zwischen vier und knapp sechs Monaten dauerten und kehrte dazwischen für jeweils ein bis zwei Monate nach Deutschland zurück. Die Aufenthalte in der Türkei sollten nach der glaubhaften Schilderung der Klägerin in Absprache mit ihrem Ehemann aber von vornherein lediglich der Vorbereitung der Einreise ihres Ehemannes in das Bundesgebiet dienen, wo die eheliche Lebensgemeinschaft letztendlich geführt werden sollte. Die Klägerin hat weiter nachvollziehbar ausgeführt, dass ihr Ehemann mit einem Umzug in das Bundesgebiet zunächst einverstanden gewesen ist, sich auch einen Pass besorgt hat, aber entgegen seiner verlautbarten Absicht tatsächlich keinen Deutschkurs besucht und sich dann auch letztendlich gegen einen Umzug ausgesprochen hat. Glaubhaft ist zudem, dass die Klägerin auch dann noch, als sich das Scheitern der Ehe wegen der fehlenden Nachzugsbereitschaft des Ehemannes nach Deutschland abzeichnete, versucht hat, ihre Ehe zu retten und den Ehemann doch zu einem Umzug zu bewegen. Ihr kann insbesondere nicht vorgehalten werden, dass sie nicht sofort, nachdem ihr Ehemann sie (wohl) auch körperlich misshandelt hatte, in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist. Denn zu den Obliegenheiten eines Ehepartners gehört auch, zumindest moralisch, in Krisenzeiten nicht sofort „davon zu laufen“, sondern das eheliche Versprechen ernst zu nehmen und zu versuchen, die Beziehung wieder „ins Lot zu bringen“. Vor dem Hintergrund ihrer kulturellen Herkunft hat die Klägerin womöglich länger an der bereits krankenden Ehe festgehalten, als dies ansonsten unter jungen Leuten der Fall ist. Dass die Klägerin trotz erheblicher Probleme mit ihrem Ehemann zunächst die Ehe weitergeführt und ihre ehelichen Pflichten erfüllt hat, kann ihr aus diesen Gründen nicht entgegengehalten werden. Im Übrigen kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidend darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Ehe objektiv gescheitert war und wann die Klägerin ihre Ehe endgültig als gescheitert angesehen hat, sondern allein maßgeblich ist, dass sie nie von ihrem Vorhaben, mit ihrem Ehemann auf Dauer im Bundesgebiet leben zu wollen, abgelassen hat.

Dafür, dass sie ihren Lebensmittelpunkt und ihre Zukunft ausschließlich in Deutschland gesehen hat und nur vorübergehend in die Türkei zurückgekehrt ist, weil sie als Ehefrau mit ihrem Ehemann zusammenleben wollte, sprechen auch die objektiven Umstände ihrer Abwesenheit vom Bundesgebiet. So hat sie sich z. B. von ihrem Wohnort nicht abgemeldet, sondern hat ihren Wohnsitz weiter bei ihren Eltern belassen. Auch ihr Zimmer in der elterlichen Wohnung stand ihr während des gesamten Zeitraums zur Verfügung. Dass sie sich beim Jobcenter abgemeldet hat, spricht ebenfalls nicht für eine unberechtigte längere Abwesenheit, denn die Abmeldung mit der Folge der Einstellung von Leistungen nach dem SGB II hat sie bereits deshalb ordnungsgemäß vorgenommen, weil sie als Ehefrau während der Zeit, in der sie in der Türkei glaubhaft ihrem Ehemann den Haushalt geführt hat, im Bundesgebiet tatsächlich nicht mehr für die Vermittlung eines Arbeitsplatzes zur Verfügung stand. Allein ihre Angabe, sie gehe „für unbestimmte Zeit“ in die Türkei zurück, reicht womöglich aus, einen nationalen Aufenthaltstitel zum Erlöschen zu bringen, bewirkt aber für sich gesehen keinen Verlust einer dauerhaften Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Im Übrigen hätte sie sich auch ohne Umzug in die Türkei vom deutschen Arbeitsmarkt abmelden müssen, wenn sie wegen einer Eheschließung und der Übernahme der Aufgaben einer „Hausfrau“ dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung steht und von ihrem Ehemann unterhalten wird. Ihre Rechtsstellung aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 hängt im Übrigen ohnehin nicht davon ab, ob sie einer Beschäftigung nachgeht oder nicht (vgl. EuGH v. 11.11.2004 a. a. O., Rn. 29).

Dass der Integrationszusammenhang, dessen Abreißen, wie oben ausgeführt, gegebenenfalls als Indiz für den Verlust der Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 angesehen werden kann, bei der Klägerin aufgrund ihrer Ausreise in die Türkei gerade nicht abgerissen ist, zeigen ihre langen Aufenthalte im Bundesgebiet während ihrer Ehe mit ihrem türkischen Ehemann. Ihre Aufenthalte in Deutschland mit einer Dauer von bis zu zwei Monaten belegen, dass die Klägerin entsprechend ihrer Absicht tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet beibehalten hat und regelmäßig zu ihrer Familie „nach Hause“ gekommen ist. Gerade die Tatsache, dass sie sich während dieser Zeiten ohne ihren Ehemann im Bundesgebiet aufgehalten hat, lassen den Schluss zu, dass sie hier nicht ihren Urlaub verbringen wollte, sondern den Kontakt zu ihrer Familie und die Beziehungen zu ihrem Umfeld aufrechterhalten und ihre Bindungen im Bundesgebiet keinesfalls aufgeben wollte.

Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin die Bundesrepublik aber auch ansonsten nicht für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen. Berechtigte Gründe liegen in der Regel dann vor, wenn der Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat u. a. die Verfolgung anerkennenswerter Interessen zugrunde liegt. In Art. 6 Abs. 2 Satz 1 ARB 1/80 sowie in Art. 16 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG -Unionsbürgerrichtlinie - sind Gründe benannt, die bereits erworbene Rechte zumindest innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens nicht berühren, wie z. B. bestimmte Arten von Krankheiten, Schwangerschaft, Mutterschaft, Studium oder Berufsausbildung. Die Gründe müssen „legitim“, also allgemein gesellschaftlich anerkannt sein (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, ARB 1/80 Art. 7, Rn. 46). Es kommt daher darauf an, ob die Gründe der Abwesenheit der Klägerin von Deutschland von der Allgemeinheit anzuerkennen oder eher zu missbilligen sind (Dienelt a. a. O.). Einen derartigen anerkennenswerten Grund für die Abwesenheit der Klägerin vom Bundesgebiet sieht der Senat im vorliegenden Fall in dem Ansinnen der Klägerin, für die Übergangszeit bis zum beabsichtigten Umzug von der Türkei nach Deutschland die unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG stehende eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem noch örtlich und wirtschaftlich in der Türkei gebundenen Ehemann zu führen. Angesichts der Tatsache, dass eine Übersiedlung des Ehemannes zunächst nicht möglich war, weil er zum einen keinen Pass besessen hat und zum anderen die notwendigen Spracherfordernisse nicht nachweisen konnte, wäre es zum einen lebensfremd und auch dem grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie widersprechend, ein zeitabschnittweises Zusammenleben der Eheleute in der Türkei während der Wartezeit zu missbilligen. Es entsprach vielmehr den legitimen Interessen der Klägerin, den Ehepartner bei der vorgesehenen grundlegenden Änderung der Lebensumstände durch einen Umzug in das Bundesgebiet zu unterstützen und bei daraus erwachsenden Problemen zu versuchen, die Ehe zu retten und den Partner doch noch zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet zu überzeugen.

2. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil den Beklagten auf Antrag der Klägerin verurteilt, das Fortbestehen des Aufenthaltsrechts der Klägerin aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 „durch entsprechende Eintragung in deren Reisepass oder Ausstellung einer Bescheinigung oder eines Aufenthaltstitels“ zu dokumentieren. Diese vom Berufungsantrag des Beklagten mit umfasste Verurteilung erweist sich ebenfalls als rechtmäßig.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt -EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nach Satz 2 dieser Vorschrift auf Antrag ausgestellt. Der danach bestehenden Verpflichtung der Klägerin, die weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU besitzt, das Bestehen ihres Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, entspricht andererseits ihr Anspruch auf eine Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts. Denn wenn die Ausländerbehörde sich weigert, ihr eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis auszustellen, berührt dies zwar nicht ihre ihr unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht zustehende Rechtsposition. Die Aufenthaltserlaubnis wird aber als deklaratorischer Aufenthaltstitel zum Nachweis ihres assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts im Rechtsverkehr benötigt. Ansonsten könnte die Klägerin z. B. beim Abschluss von Darlehens- oder Mietverträgen oder ansonsten im Rechts- und Wirtschaftsverkehr nicht ohne Weiteres nachweisen, dass sie ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt und sogar dauerhaft aufenthaltsberechtigt ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2012 -1 C 6/11 - juris Rn. 27 ff.).

Aus diesen Gründen war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe kann es absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass das Aufenthaltsrecht der Klägerin aus Art. 7 ARB 1/80 im Bundesgebiet fortbesteht und gegen die Verurteilung durch das Verwaltungsgericht, das Bestehen dieses Rechts zu dokumentieren.

Die am 3. März 1982 in Deutschland geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie durchlief im Bundesgebiet von 1988 bis 1998 eine Schulausbildung, erreichte aber keinen Schulabschluss und schloss keine Ausbildung ab. Auch eine längerfristige Erwerbstätigkeit lässt sich bei der Klägerin vor ihrer Eheschließung nicht feststellen.

Am 9. Juni 1997 erhielt die Klägerin erstmals eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Ab dem 11. März 2004 war die Klägerin im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach dem damals geltenden Aufenthaltsgesetz (jetzt Niederlassungserlaubnis).

Im Dezember 2009 erhielt die zuständige Ausländerbehörde Kenntnis davon, dass die Klägerin am 16. August 2007 einen türkischen Staatsangehörigen geheiratet hat, der in der Türkei lebt. Aufgrund weiterer Nachforschungen stellte die Ausländerbehörde fest, dass sich die Klägerin im Zeitraum vom 18. Juni 2007 bis zum 3. Dezember 2009 überwiegend in der Türkei aufgehalten hat und nur zu mehreren ein- bis zweimonatigen Aufenthalten nach Deutschland zurückgekehrt ist. Die Türkeiaufenthalte haben dabei zwischen vier und knapp sechs Monaten gedauert.

Einem Aktenvermerk der Arbeitsagentur vom 19. Juni 2007 (vgl. Bl. 86 der Verwaltungsakten des Beklagten) ist zu entnehmen, dass die Klägerin dort angegeben habe, für unbestimmte Zeit in die Türkei zurückzugehen. Ab 18. Juni 2007 erhielt sie kein Arbeitslosengeld II mehr und wurde aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2010 forderte das zuständige Landratsamt die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich, spätestens vier Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheids zu verlassen (Nr. 1 des Bescheids). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung der Klägerin in die Türkei angedroht (Nr. 2). Die Kosten der Abschiebung habe die Klägerin zu tragen (Nr. 3). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Aufenthaltstitel der Klägerin sei mit ihrer Ausreise in die Türkei am 18. Juni 2007 erloschen, da diese Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund erfolgt sei. Die Klägerin habe nämlich in der Türkei ihren ehelichen Wohnsitz begründet und dort in ehelicher Gemeinschaft gelebt. Es habe keinen Hinweis dafür gegeben, dass von der Klägerin etwas anderes geplant gewesen sei. Diese Ausreise und der anschließende Verbleib in der Türkei stellten auch keinen berechtigten Grund im Sinne des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 dar. Für die Beurteilung der Frage, ob der Auslandsaufenthalt nicht nur vorübergehender Natur ist, sei nicht allein auf den inneren Willen des Ausländers abzustellen. Maßgeblich seien vielmehr die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Danach habe die Klägerin mit ihrer Ausreise ihre Lebensgrundlage im Bundesgebiet aufgegeben. Dies zeige sich auch darin, dass sie sich von der Arbeitsvermittlung abgemeldet habe. In der Türkei habe sie die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem in der Türkei verwurzelten Ehemann aufgenommen und sei nicht etwa nur zu Besuchszwecken in die Türkei gefahren. Vielmehr waren die folgenden Aufenthalte der Klägerin in Deutschland reine Besuchsaufenthalte. Selbst wenn man aufgrund eines Teils der Rechtsprechung von einer Abwesenheit der Klägerin von mindestens zwei Jahren ausgehen müsste, bevor ihr Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 erlischt, habe sie diesen Zeitraum sogar erheblich überschritten, indem sie über 29 Monate ihren Lebensmittelpunkt aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Türkei gehabt habe. Nachdem sie ihr Recht auf Niederlassung aus Art. 7 ARB 1/80 verloren habe, unterliege sie nur noch den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes. Auch danach sei ihr Aufenthaltsrecht erloschen.

Mit ihrer Klage vom 16. Juli 2010 beantragte die Klägerin die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids und die Feststellung, dass sowohl ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 fortbestehe als auch die ihr erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die als Niederlassungserlaubnis fortgelte, nicht erloschen sei. Daneben beantragte sie die entsprechende Dokumentation dieser Aufenthaltsrechte.

Mit Urteil vom 8. Mai 2012 stellte das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth fest, dass das Aufenthaltsrecht der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 fortbestehe und verurteilte den Beklagten, unter Aufhebung der Nummern 1 bis 3 des streitgegenständlichen Bescheids das Fortbestehen dieses Aufenthaltsrechts zu dokumentieren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Niederlassungserlaubnis der Klägerin sei erloschen, weil sie aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund ausgereist sei. Die Klägerin habe das Bundesgebiet zum Zweck der Eheführung mit einem türkischen Staatsangehörigen verlassen, ohne dass eine zeitliche Begrenzung der gemeinsamen Eheführung in der Türkei konkret verabredet und auch zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Umsetzung der nunmehr behaupteten Absicht, gemeinsam mit ihrem Ehemann nach Deutschland zurückzukehren, erkennbar gewesen sei. Allerdings habe die Klägerin ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nicht verloren, denn nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlösche ein solches Aufenthaltsrecht nur dann, wenn es gemäß Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig beschränkt werde oder wenn der Rechtsinhaber das Gebiet des aufnehmenden EU-Mitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum und ohne berechtigte Gründe verlasse. Zur Konkretisierung des Verlustgrundes sei die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (sog. Unionsbürgerrichtlinie) als Orientierungsrahmen heranzuziehen. Danach führe die Abwesenheit eines Unionsbürgers, dem ein Recht auf Daueraufenthalt zustehe, nur dann zum Verlust der erworbenen Rechtsstellung, wenn seine Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat zwei aufeinander folgende Jahre überschreite. Dabei sei von einer ununterbrochenen Abwesenheit auszugehen. Eine solche sei bei der Klägerin aber nicht festzustellen. Selbst wenn man aber auf die Summe der Abwesenheitszeiten abstellen würde, sei die Klägerin nicht mehr als zwei Jahre abwesend gewesen, sondern habe sich insgesamt nur 22 Monate und 61 Tage nicht im Bundesgebiet aufgehalten. Soweit der Beklagte die Richtlinie dahingehend auslege, dass schon ein überwiegender Aufenthalt im Ausland, bei dem zwischen dem maßgeblichen Ausreisetag und der (endgültigen) Wiedereinreise kalendarisch mehr als zwei Jahre liegen, zum Verlust des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts führe, vermöge das Gericht dem nicht zu folgen. Denn es bliebe dann völlig unbestimmt, ab welcher Dauer ein Aufenthalt im Ausland relevant sei. Die Klägerin habe auch die Bindung zu Deutschland nicht verloren, da sie sich regelmäßig immer wieder hier aufgehalten habe. Auf die Frage, ob sie dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe, komme es nicht an.

Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2012 hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. Mai 2012 erhoben. Zur Begründung wird vorgebracht, die Klägerin habe entgegen der Ansicht des Erstgerichts ihr assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 verloren. Dies sei nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dann der Fall, wenn der Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlasse. Ob dies der Fall sei, sei einzelfallbezogen vom nationalen Gericht festzustellen. Dafür ließen sich aber keine festen zeitlichen Grenzen ziehen. Vielmehr sei tragend darauf abzustellen, ob der lange Auslandsaufenthalt geeignet sei, den erreichten Integrationszusammenhang durch Aufgabe des Lebensmittelpunkts im Bundesgebiet zu beseitigen. Die Regelungen der Unionsbürgerrichtlinie könnten zwar für die diesbezügliche Auslegung als Orientierungsrahmen herangezogen werden. Sie könnten aber nur dabei helfen, für die Frage nach einem Verlassen für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum eine zeitliche Obergrenze zu ziehen, deren Überschreiten jedenfalls zum Verlust der Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 führt. Dies folge aus dem in Art. 59 des Zusatzprotokolls festgelegten Besserstellungsverbot. Umgekehrt bedeute dies aber nicht, dass unter denselben Umständen, die bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen nicht zum Verlust des Daueraufenthaltsrechts führen, stets auch der Verlust der Rechte gemäß Art. 7 ARB 1/80 ausgeschlossen wäre. Deshalb führe nicht nur eine ununterbrochene Abwesenheit, die zwei aufeinander folgende Jahre überschreite, zum Verlust der erworbenen Rechtsstellung, sondern es sei auf die Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen. Danach sei ohne weiteres von einem Erlöschen der Rechtsstellung auszugehen. Die Klägerin sei nämlich zum Zwecke der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft in die Türkei ausgereist. Der dortige Wohnort entspräche grundsätzlich dem Lebensmittelpunkt der Ehepartner. Beim Ehemann hätten keine Bestrebungen bestanden, nach Deutschland umzusiedeln. Auch sei ein konkreter Termin für eine Rückkehr nach Deutschland von der Klägerin nicht einmal ansatzweise festgelegt worden. Die Klägerin habe jeweils nur kurze Besuche in Deutschland unternommen, noch dazu ohne ihren Ehemann. Auch die Voraussetzungen von Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG, bei denen die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet nicht unterbrochen werde, lägen bei der Klägerin nicht vor. Nichts anderes ergebe sich aus Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie, denn die Abwesenheitszeiten der Klägerin von Juni 2007 bis Dezember 2009 erreichten in ihrer Summe den Zeitraum von zwei Jahren. Das Verwaltungsgericht selbst habe 22 Monate und 61 Tage errechnet, was bei einem Ansatz von 30 Tagen pro Monat einen Auslandsaufenthalt von 24 Monaten und einem Tag ergebe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. Mai 2012 insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich darauf, dass ihr Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 nur beschränkt werden könne, wenn entweder die Voraussetzungen von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorlägen oder der assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige das Hoheitsgebiet dieses Staates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlasse. Beide Alternativen lägen bei der Klägerin nicht vor. Sie habe zu keinem Zeitpunkt eine dauerhafte Rückkehr in die Türkei geplant und auch keine entsprechende Erklärung abgegeben. Es sei bereits bei der Eheschließung geplant gewesen, dass der Ehemann der Klägerin, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorlägen, in die Bundesrepublik nachziehen solle. An einen dauerhaften Verbleib in der Türkei sei zu keinem Zeitpunkt gedacht worden. Gerade aus diesem Grund sei die Klägerin immer wieder in die Bundesrepublik zurückgekehrt, um ihr Aufenthaltsrecht beizubehalten und mit dem Ziel, eine Arbeitsstelle zu finden, um die wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen Familiennachzug ihres Ehemannes zu erreichen. Anlässlich ihres Aufenthalts von April bis Juni 2008 habe sie sich bei verschiedenen Arbeitgebern beworben. Der Ehemann sollte inzwischen Deutsch lernen. Bei den Ausreisen der Klägerin habe es sich immer um Aufenthalte zur Vorbereitung auf einen späteren Aufenthalt in Deutschland gehandelt. Die Auslandsaufenthalte seien damit aus berechtigtem Grund erfolgt. Die letzte Reise in die Türkei von August bis Dezember 2009 habe dazu gedient, den Ehemann zum Nachzug in die Bundesrepublik zu bewegen, um dadurch die Ehe zu retten. Nachdem sich während dieses Aufenthalts für die Klägerin herauskristallisiert habe, dass der Ehemann offensichtlich nicht beabsichtige, die Voraussetzungen für ein gemeinsames Eheleben im Bundesgebiet zu schaffen, sei die Klägerin im Dezember 2009 endgültig in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt. Seitdem habe die Klägerin keinen Kontakt mehr zu ihrem Ehemann gehabt. Zudem sei die rechtliche Bewertung durch das Verwaltungsgericht zutreffend, dass lediglich eine ununterbrochene Abwesenheit von mehr als zwei Jahren zu einem Verlust der Rechtsstellung aus Art. 7 ARB 1/80 führe. Derzeit arbeite die Klägerin in einem Schnellimbiss. Eine Rückkehr in die Türkei würde für sie eine besondere Härte bedeuten, da sie vollständig in das Leben im Bundesgebiet integriert sei und in der Türkei vollkommen auf sich gestellt wäre.

Mit Urteil des 3. Familiengerichts Denizli in der Türkei vom 23. Dezember 2013 wurde die Ehe der Klägerin mit ihrem türkischen Ehemann geschieden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenunterlagen und auf den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 12. Mai 2014 verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil vom 8. Mai 2012 zu Recht festgestellt, dass das Aufenthaltsrecht der Klägerin aus Art. 7 ARB 1/80 nicht erloschen ist (dazu 1.) und den Beklagten klarstellend zur Dokumentation dieses Rechts verpflichtet (dazu 2.).

1. Die der zulässigen Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zugrunde liegende Frage im vorliegenden Rechtsstreit ist, ob das der Klägerin zustehende Recht aus Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 erloschen ist oder nicht. Diese ist dahingehend zu beantworten, dass die Klägerin dieses Recht nach wie vor besitzt.

In Übereinstimmung mit den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass die Klägerin ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ANBA 1981, 4) - ARB 1/80 - erworben hat. Nach dieser Vorschrift haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, u. a. vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Als Folge dieses unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleiteten Anspruchs auf Beschäftigung hat der Europäische Gerichtshof (vgl. U.v. 17.4.1997 - Kadiman, Rs. C-351/95 - juris Rn. 29) aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ein Aufenthaltsrecht für die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, die die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen, abgeleitet. Zudem ist unstreitig, dass dieses Recht nicht nur Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers zusteht, die die Erlaubnis erhalten haben, zu ihm zu ziehen, sondern auch Kindern türkischer Arbeitnehmer, die im Bundesgebiet geboren sind (vgl. EuGH, U.v. 11.11.2004 - Cetinkaya, C-467/02 - InfAuslR 2005, 13 Rn. 23 ff.; BayVGH, U.v. 21.1.2013 - 10 B 11.1722 - juris Rn. 33).

Die Klägerin hat die Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 durch ihre Geburt im Bundesgebiet im März 1982 als Tochter eines türkischen Arbeitnehmers erworben. Sie hat seitdem ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz bei den Eltern bzw. nach dem Tod des Vaters bei der Mutter. Diesen hat sie letztendlich bislang nie aufgegeben.

Das auf unbestimmte Dauer angelegte Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 hat die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht verloren, denn es ist durch ihre zeitweise Abwesenheit vom Bundesgebiet während ihrer Ehezeit mit ihrem türkischen Ehemann nicht erloschen.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, U.v. 16.3.2000 - Ergat, Rs. C-329/97 - juris Rn. 45 ff.; EuGH, U.v. 8.12.2011 - Ziebell, C-371/08 - juris Rn. 49) kann das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 nur unter zwei Voraussetzungen beschränkt werden. Zum einen kann ein Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers dann die Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 verlieren, wenn seine Anwesenheit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats wegen seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses darstellt. Zudem erlischt das Aufenthaltsrecht, wenn der Betroffene das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat. Daraus folgt, dass ein nach Art. 7 ARB 1/80 assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht weder nach nationalen Vorschriften verlieren kann noch aus anderen Gründen, wie z. B. der Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe oder der Tatsache, dass er nicht in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis steht (vgl. EuGH, U.v. 11.11.2004 a. a. O. Rn. 39).

Bei der Klägerin ist ein Verlust ihrer Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 wegen einer von ihr ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von vornherein ausgeschlossen. Davon ist auch die Ausländerbehörde nicht ausgegangen. Streitig ist ausschließlich, ob die Klägerin ihr Aufenthaltsrecht deshalb verloren hat, weil sie sich vom 18. Juni 2007 bis zum 3. Dezember 2009 mit Unterbrechungen in der Türkei bei ihrem früheren Ehemann aufgehalten hat und dieser Aufenthalt als Aufenthalt für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe anzusehen ist. Dies ist aber nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht der Fall.

In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist nicht abschließend geklärt, wann die Voraussetzungen für die Annahme, dass ein Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers den Mitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat, vorliegen. Zum einen steht nicht fest, wie der „nicht unerhebliche Zeitraum“ zu definieren ist. Zudem ist nicht grundsätzlich geklärt, welche berechtigten Gründe das Verlassen des Mitgliedstaates rechtfertigen können.

Da es für die Bestimmung des Zeitraums, der als „nicht unerheblich“ anzusehen ist, in der Rechtsprechung keine klaren einheitlichen Vorgaben gibt, ist dieser Begriff anhand vergleichbarer Entscheidungen sowie ähnlicher Regelungen für andere Gruppen von Ausländern entsprechend näher einzugrenzen.

In der Streitsache Ergat (U.v. 16.3.2000 a. a. O.) hat der Gerichtshof einem einjährigen Aufenthalt des dortigen Klägers in der Türkei keine Bedeutung beigemessen und kein Erlöschen der Rechtsstellung aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 angenommen, allerdings ohne sich genauer mit dieser Problematik zu befassen, da Hintergrund des Rechtsstreits ein anderer war. Er hat zwar auf die Sache Kadiman (U.v. 17.4.1997 a. a. O.) verwiesen, in der er zum Erfordernis des ununterbrochenen dreijährigen Wohnsitzes zur Erreichung der Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ausgeführt hat, dass insoweit kurzfristige Unterbrechungen des gemeinsamen Wohnsitzes wegen Urlaubs oder Heimatbesuchen und - im vom Gerichtshof entschiedenen Fall - ein weniger als sechs Monate dauernder Aufenthalt im Heimatland gegen den Willen des Betroffenen keine Unterbrechung dieses Dreijahreszeitraums darstellen. Aus der Entscheidung Ergat lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die für den dreijährigen Zeitraum bis zur Erlangung der vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesem Recht unabhängigen aufenthaltsrechtlichen Rechtsposition geltenden Grundsätze in der Rechtssache Kadiman gleichermaßen auf Streitsachen Anwendung finden, bei denen es um das Erlöschen des anschließend an die Frist des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworbenen individuellen Rechts auf dauerhaften Aufenthalt geht. Denn für den Zeitraum, in dem eine Rechtsposition erst noch erworben werden muss, gilt nicht zwingend das Gleiche wie für die anschließende Phase des Besitzes eines solchen Rechts.

Auch der Entscheidung Ziebell des Gerichtshofs (vgl. U.v. 8.12.2011 a. a. O.) lässt sich zu der hier entscheidungserheblichen Frage der Auslegung des Begriffs „nicht unerheblicher Zeitraum“ nichts Konkretes entnehmen. Allerdings stellt der Gerichtshof in dieser Entscheidung klar, dass hinsichtlich des ersten Erlöschensgrundes (Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) wegen der unterschiedlichen Zielrichtung der jeweiligen Bestimmungen die Regelungen für Unionsbürger in Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nicht entsprechend angewandt werden können. Demgegenüber ergibt sich aus der genannten Entscheidung nicht, ob die für Unionsbürger maßgebliche Regelung über den Verlust des Aufenthaltsrechts von Unionsbürgern und ihrer Familienangehörigen in Art. 16 Richtlinie 2004/38/EG auf Assoziationsberechtigte Anwendung findet. Folgt man der Argumentation des Gerichtshofs, dass beide Regelungswerke - einerseits der Assoziationsratsbeschluss 1/80 und andererseits die Unionsbürgerrichtlinie -unterschiedliche Ziele verfolgen, nämlich die Assoziation EWG - Türkei einen ausschließlich wirtschaftlichen Zweck und demgegenüber die Unionsbürgerrichtlinie den Zweck, die Ausübung des den Unionsbürgern unmittelbar aus dem Vertrag erwachsenden elementaren und persönlichen Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zu erleichtern (EuGH, U.v. 8.12.2011 a. a. O. Rn. 69), spricht dies dafür, Art. 16 der Unionsbürgerrichtlinie nicht unmittelbar auf Assoziationsberechtigte anzuwenden.

Hinzu kommt, dass Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP - bestimmt, dass assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit keine günstigere Behandlung gewährt werden darf als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft aufgrund des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft untereinander einräumen. Damit spricht vieles dafür, dass die Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie über das Erlöschen des Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers lediglich als Orientierungsrahmen für die Verlustgründe dienen können und zugleich Obergrenzen festsetzen, die für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen jedenfalls nicht überschritten werden dürfen.

Nimmt man zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „nicht unerheblicher Zeitraum“ sodann die Vorschriften in den Blick, die für Unionsbürger in einer vergleichbaren Situation wie der der Klägerin gelten, und die nach dem oben Ausgeführten als Orientierungsrahmen und zugleich als Obergrenze dienen, ergibt sich aus Art. 16 Abs. 4 Richtlinie 2004/38/EG, dass, wenn das Recht auf Daueraufenthalt erworben wurde, nur die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, die zwei aufeinander folgende Jahre überschreitet, zu seinem Verlust führt (vgl. entsprechend § 4a Abs. 7 FreizügG/EU). Art. 16 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG, der bestimmte Zeiten als

für die Kontinuität des Aufenthalts (als Voraussetzung für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt) unschädlich bestimmt, kommt demgegenüber nur zur Anwendung, wenn der jeweilige Unionsbürger noch kein Daueraufenthaltsrecht erworben hat.

Als Orientierungsrahmen für einen Verlust des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts der Klägerin kommen darüber hinaus die Bestimmungen der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen - Daueraufenthaltsrichtlinie - in Betracht, die auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige, die ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzen, anwendbar ist, soweit das Assoziationsrecht EWG-Türkei keine günstigeren Vorschriften enthält (vgl. EuGH, U.v. 8.12.2011 a. a. O. Rn. 79). Nach Art. 9 Abs. 1 c der Richtlinie ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr berechtigt, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu behalten, wenn er sich während eines Zeitraums von zwölf aufeinander folgenden Monaten nicht im Gebiet der Gemeinschaft aufgehalten hat.

Legt man die als Auslegungshilfe bzw. Orientierungsrahmen genannten Entscheidungen des Gerichtshofs und die oben zitierten Richtlinien der näheren Bestimmung des „nicht unerheblichen Zeitraums“ zugrunde, bleibt der Zeitraum, in dem sich die Klägerin in der Türkei aufgehalten hat, deutlich unter den zeitlichen Vorgaben, die sich insbesondere den genannten Richtlinien für den Verlust des Aufenthaltsrechts eines langfristig Aufenthaltsberechtigten bzw. Daueraufenthaltsberechtigten entnehmen lassen. So war die Klägerin weder über einen Zeitraum von zwei aufeinanderfolgenden Jahren vom Aufnahmemitgliedstaat abwesend, noch hat sie sich auch nur während eines Zeitraums von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten nicht im Gebiet der Bundesrepublik aufgehalten. Den Zeitraum von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten, den Art. 9 Abs. 1 c Richtlinie 2003/109/EG für den Verlust des Aufenthaltsrechts verlangt, hat die Klägerin mit ihrer Abwesenheit vom Bundesgebiet deshalb nicht erreicht, weil sie sich maximal fünf Monate 26 Tage ununterbrochen in der Türkei aufgehalten hat und nicht während eines Zeitraums von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten. Schon aus dem Wortlaut „von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten“ ergibt sich, dass es sich hierbei um einen zusammenhängenden Zeitraum ohne tatsächliche Unterbrechungen handeln muss. Nicht ausreichend ist danach, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige sich zwar mehrfach, aber jeweils weniger als ein Jahr lang außerhalb des Bundesgebiets aufhält. Aber auch nach Gegenstand und Zweck dieser Bestimmung, ab einem bestimmten Zeitraum der Abwesenheit vom Mitgliedstaat ein Abreißen des Integrationszusammenhangs anzunehmen, das zum Verlust der durch den zuvor langfristigen Aufenthalt und die dadurch entstandene Verwurzelung erlangten besonderen Rechtsstellung führt, ist eine dem Wortlaut entsprechende enge Auslegung angezeigt. Erfüllt die Klägerin aber schon nicht die Anforderungen von Art. 9 Abs. 1 c Richtlinie 2003/109/EG, bleibt sie auch unter der maximal zulässigen Abwesenheit von zwei aufeinanderfolgenden Jahren, die nach Art. 16 Abs. 4 Richtlinie 2004/38/EG zum Verlust des Daueraufenthalts bei Unionsbürgern führt.

Neben der Heranziehung der genannten Richtlinien als Orientierungshilfe für die Auslegung des Begriffs „nicht unerheblicher Zeitraum ohne berechtigte Gründe“ ist das Verständnis des Erlöschensgrundes maßgeblich vom Ziel und Zweck des Art. 7 ARB 1/80 her zu bestimmen (so BVerwG, U.v. 30.4.2009 -1 C 6/08 - juris Rn. 27). Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, ob berechtigte Gründe für einen Auslandsaufenthalt in der Türkei vorliegen. Art. 7 ARB 1/80 bezweckt nämlich die allmähliche Integration der Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer im Aufnahmestaat und verleiht diesen nach Erreichen der Rechtsposition sowohl das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt als auch ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Geht man demzufolge davon aus, dass Art. 7 ARB 1/80 den Aufenthalt von Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer auch dann privilegieren soll, wenn z. B. nachgezogene oder im Bundesgebiet geborene Kinder sich auch nach Erreichen der Volljährigkeit weiter bei ihren Familien im Bundesgebiet aufhalten wollen und diesen das Recht verleihen soll, ein von den Eltern losgelöstes eigenständiges Leben im Bundesgebiet rechtmäßig führen zu können, spricht einiges dafür, dass ein Verlust dieser Rechtstellung nur dann eintritt, wenn eine Rückkehr in die Türkei erfolgt, die diesen Zielen zuwiderläuft und insbesondere zu einem Abreißen des Integrationszusammenhangs führt (vgl. Kurzidem in Beck’scher Online-Kommentar EWG-Türkei, Art. 7 Rn. 34). Ein Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats „für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe“ kann danach nur dann angenommen werden, wenn der Familienangehörige zu erkennen gibt, dass er diesen Integrationszusammenhang nicht mehr aufrechterhalten will. Aus diesen Gründen gebietet die Frage, ob die Klägerin ihre Rechte aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 verloren hat, letztlich eine Einzelfallbetrachtung, bei der insbesondere der Ausreisezweck und die objektiv feststellbaren Umstände der Ausreise zu würdigen sind. Es ist daher die Frage zu beantworten, ob das Verhalten des Betroffenen bei objektiver Betrachtungsweise den Schluss zulässt, dass er die Bundesrepublik auf Dauer verlassen wollte. In Anwendung dieser Kriterien ist der Senat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere auch der eingehenden Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2014, zur Überzeugung (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gelangt, dass die Klägerin ihr Recht auf Aufenthalt aus Art. 7 ARB 1/80 durch ihren ehebedingten Aufenthalt in der Türkei nicht verloren hat.

Die Klägerin, die seit ihrer Geburt 1982 bis zu ihrer Heirat im Jahr 2007 ununterbrochen, also 25 Jahre lang im Bundesgebiet gelebt und ihren Wohnsitz ständig bei ihren Eltern bzw. ihrer Mutter gehabt hat, hat sich erst nach ihrer Eheschließung mit einem in der Türkei lebenden türkischen Staatsangehörigen dazu entschlossen, nicht nur wie bisher kurze Urlaube in der Türkei zu verbringen, sondern immer wieder mehrere Monate dort zu bleiben. Im Zeitraum vom 18. Juni 2007 bis zum 3. Dezember 2009, dem Tag ihrer endgültigen Rückkehr in das Bundesgebiet, verbrachte die Klägerin fünf Aufenthalte in der Türkei, die zwischen vier und knapp sechs Monaten dauerten und kehrte dazwischen für jeweils ein bis zwei Monate nach Deutschland zurück. Die Aufenthalte in der Türkei sollten nach der glaubhaften Schilderung der Klägerin in Absprache mit ihrem Ehemann aber von vornherein lediglich der Vorbereitung der Einreise ihres Ehemannes in das Bundesgebiet dienen, wo die eheliche Lebensgemeinschaft letztendlich geführt werden sollte. Die Klägerin hat weiter nachvollziehbar ausgeführt, dass ihr Ehemann mit einem Umzug in das Bundesgebiet zunächst einverstanden gewesen ist, sich auch einen Pass besorgt hat, aber entgegen seiner verlautbarten Absicht tatsächlich keinen Deutschkurs besucht und sich dann auch letztendlich gegen einen Umzug ausgesprochen hat. Glaubhaft ist zudem, dass die Klägerin auch dann noch, als sich das Scheitern der Ehe wegen der fehlenden Nachzugsbereitschaft des Ehemannes nach Deutschland abzeichnete, versucht hat, ihre Ehe zu retten und den Ehemann doch zu einem Umzug zu bewegen. Ihr kann insbesondere nicht vorgehalten werden, dass sie nicht sofort, nachdem ihr Ehemann sie (wohl) auch körperlich misshandelt hatte, in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist. Denn zu den Obliegenheiten eines Ehepartners gehört auch, zumindest moralisch, in Krisenzeiten nicht sofort „davon zu laufen“, sondern das eheliche Versprechen ernst zu nehmen und zu versuchen, die Beziehung wieder „ins Lot zu bringen“. Vor dem Hintergrund ihrer kulturellen Herkunft hat die Klägerin womöglich länger an der bereits krankenden Ehe festgehalten, als dies ansonsten unter jungen Leuten der Fall ist. Dass die Klägerin trotz erheblicher Probleme mit ihrem Ehemann zunächst die Ehe weitergeführt und ihre ehelichen Pflichten erfüllt hat, kann ihr aus diesen Gründen nicht entgegengehalten werden. Im Übrigen kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidend darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Ehe objektiv gescheitert war und wann die Klägerin ihre Ehe endgültig als gescheitert angesehen hat, sondern allein maßgeblich ist, dass sie nie von ihrem Vorhaben, mit ihrem Ehemann auf Dauer im Bundesgebiet leben zu wollen, abgelassen hat.

Dafür, dass sie ihren Lebensmittelpunkt und ihre Zukunft ausschließlich in Deutschland gesehen hat und nur vorübergehend in die Türkei zurückgekehrt ist, weil sie als Ehefrau mit ihrem Ehemann zusammenleben wollte, sprechen auch die objektiven Umstände ihrer Abwesenheit vom Bundesgebiet. So hat sie sich z. B. von ihrem Wohnort nicht abgemeldet, sondern hat ihren Wohnsitz weiter bei ihren Eltern belassen. Auch ihr Zimmer in der elterlichen Wohnung stand ihr während des gesamten Zeitraums zur Verfügung. Dass sie sich beim Jobcenter abgemeldet hat, spricht ebenfalls nicht für eine unberechtigte längere Abwesenheit, denn die Abmeldung mit der Folge der Einstellung von Leistungen nach dem SGB II hat sie bereits deshalb ordnungsgemäß vorgenommen, weil sie als Ehefrau während der Zeit, in der sie in der Türkei glaubhaft ihrem Ehemann den Haushalt geführt hat, im Bundesgebiet tatsächlich nicht mehr für die Vermittlung eines Arbeitsplatzes zur Verfügung stand. Allein ihre Angabe, sie gehe „für unbestimmte Zeit“ in die Türkei zurück, reicht womöglich aus, einen nationalen Aufenthaltstitel zum Erlöschen zu bringen, bewirkt aber für sich gesehen keinen Verlust einer dauerhaften Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Im Übrigen hätte sie sich auch ohne Umzug in die Türkei vom deutschen Arbeitsmarkt abmelden müssen, wenn sie wegen einer Eheschließung und der Übernahme der Aufgaben einer „Hausfrau“ dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung steht und von ihrem Ehemann unterhalten wird. Ihre Rechtsstellung aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 hängt im Übrigen ohnehin nicht davon ab, ob sie einer Beschäftigung nachgeht oder nicht (vgl. EuGH v. 11.11.2004 a. a. O., Rn. 29).

Dass der Integrationszusammenhang, dessen Abreißen, wie oben ausgeführt, gegebenenfalls als Indiz für den Verlust der Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 angesehen werden kann, bei der Klägerin aufgrund ihrer Ausreise in die Türkei gerade nicht abgerissen ist, zeigen ihre langen Aufenthalte im Bundesgebiet während ihrer Ehe mit ihrem türkischen Ehemann. Ihre Aufenthalte in Deutschland mit einer Dauer von bis zu zwei Monaten belegen, dass die Klägerin entsprechend ihrer Absicht tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet beibehalten hat und regelmäßig zu ihrer Familie „nach Hause“ gekommen ist. Gerade die Tatsache, dass sie sich während dieser Zeiten ohne ihren Ehemann im Bundesgebiet aufgehalten hat, lassen den Schluss zu, dass sie hier nicht ihren Urlaub verbringen wollte, sondern den Kontakt zu ihrer Familie und die Beziehungen zu ihrem Umfeld aufrechterhalten und ihre Bindungen im Bundesgebiet keinesfalls aufgeben wollte.

Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin die Bundesrepublik aber auch ansonsten nicht für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen. Berechtigte Gründe liegen in der Regel dann vor, wenn der Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat u. a. die Verfolgung anerkennenswerter Interessen zugrunde liegt. In Art. 6 Abs. 2 Satz 1 ARB 1/80 sowie in Art. 16 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG -Unionsbürgerrichtlinie - sind Gründe benannt, die bereits erworbene Rechte zumindest innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens nicht berühren, wie z. B. bestimmte Arten von Krankheiten, Schwangerschaft, Mutterschaft, Studium oder Berufsausbildung. Die Gründe müssen „legitim“, also allgemein gesellschaftlich anerkannt sein (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, ARB 1/80 Art. 7, Rn. 46). Es kommt daher darauf an, ob die Gründe der Abwesenheit der Klägerin von Deutschland von der Allgemeinheit anzuerkennen oder eher zu missbilligen sind (Dienelt a. a. O.). Einen derartigen anerkennenswerten Grund für die Abwesenheit der Klägerin vom Bundesgebiet sieht der Senat im vorliegenden Fall in dem Ansinnen der Klägerin, für die Übergangszeit bis zum beabsichtigten Umzug von der Türkei nach Deutschland die unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG stehende eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem noch örtlich und wirtschaftlich in der Türkei gebundenen Ehemann zu führen. Angesichts der Tatsache, dass eine Übersiedlung des Ehemannes zunächst nicht möglich war, weil er zum einen keinen Pass besessen hat und zum anderen die notwendigen Spracherfordernisse nicht nachweisen konnte, wäre es zum einen lebensfremd und auch dem grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie widersprechend, ein zeitabschnittweises Zusammenleben der Eheleute in der Türkei während der Wartezeit zu missbilligen. Es entsprach vielmehr den legitimen Interessen der Klägerin, den Ehepartner bei der vorgesehenen grundlegenden Änderung der Lebensumstände durch einen Umzug in das Bundesgebiet zu unterstützen und bei daraus erwachsenden Problemen zu versuchen, die Ehe zu retten und den Partner doch noch zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet zu überzeugen.

2. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil den Beklagten auf Antrag der Klägerin verurteilt, das Fortbestehen des Aufenthaltsrechts der Klägerin aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 „durch entsprechende Eintragung in deren Reisepass oder Ausstellung einer Bescheinigung oder eines Aufenthaltstitels“ zu dokumentieren. Diese vom Berufungsantrag des Beklagten mit umfasste Verurteilung erweist sich ebenfalls als rechtmäßig.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt -EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nach Satz 2 dieser Vorschrift auf Antrag ausgestellt. Der danach bestehenden Verpflichtung der Klägerin, die weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU besitzt, das Bestehen ihres Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, entspricht andererseits ihr Anspruch auf eine Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts. Denn wenn die Ausländerbehörde sich weigert, ihr eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis auszustellen, berührt dies zwar nicht ihre ihr unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht zustehende Rechtsposition. Die Aufenthaltserlaubnis wird aber als deklaratorischer Aufenthaltstitel zum Nachweis ihres assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts im Rechtsverkehr benötigt. Ansonsten könnte die Klägerin z. B. beim Abschluss von Darlehens- oder Mietverträgen oder ansonsten im Rechts- und Wirtschaftsverkehr nicht ohne Weiteres nachweisen, dass sie ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt und sogar dauerhaft aufenthaltsberechtigt ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2012 -1 C 6/11 - juris Rn. 27 ff.).

Aus diesen Gründen war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.