Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. März 2018 - 10 AS 18.450

bei uns veröffentlicht am15.03.2018

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als Gericht der Hauptsache zur Entscheidung über den Antrag berufen. Zwar hat der Senat mit Urteil vom 23. Januar 2018 (10 BV 16.1578) – dem vormaligen Klägerbevollmächtigten zugestellt am 2. Februar 2018 – die Berufung des Klägers gegen das seine Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. April 2016 (M 12 K 15.5829) zurückgewiesen und der Kläger am 8. Februar 2018 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Allerdings hat der Senat innerhalb der noch bis 3. April 2018 offenen Begründungsfrist (§ 133 Abs. 3 VwGO) keinen Nichtabhilfebeschluss (vgl. § 133 Abs. 1, 5 Satz 1 VwGO) gefasst, weshalb das Bundesverwaltungsgericht bislang noch nicht zum Gericht der Hauptsache geworden ist (BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.7.2016, VwGO § 80 Rn. 141 m.w.N.).

Der Antrag des Klägers, mit dem er „die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der eingelegten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision“ begehrt, ist unzulässig.

1. Der so formulierte Antrag kann nach § 88 VwGO sachgerecht nur dahingehend ausgelegt werden, dass der Kläger die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 22. Dezember 2015 begehrt, mit der er die Verlängerung seiner gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG erteilten und bis 30. Juni 2011 befristeten Aufenthaltserlaubnis und die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 verfolgt. Dem Antrag auf Zulassung der Revision selbst kommt keine aufschiebende Wirkung zu; er hemmt lediglich den Eintritt der Rechtskraft der vorangegangenen Urteile.

Die Unzulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ergibt sich aus Folgendem: Der im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Bescheid vom 20. November 2015, mit dem der entsprechende Antrag des Klägers abgelehnt wurde, ist (zu Recht) ausschließlich im Wege eines Verpflichtungsbegehrens (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden; der Bescheid vom 20. November 2015 enthält insbesondere keine mit einer Anfechtungsklage zu bekämpfende Abschiebungsandrohung. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO weist jedoch nur einer (hier nicht erhobenen) Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zu; nur insoweit kommt also die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Wege eines Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 12 f. zum Anwendungsbereich des § 80 VwGO; vgl. § 123 Abs. 1, 5 VwGO zur Abgrenzung zu einem Antrag auf einstweilige Anordnung).

Eine Besonderheit gilt allerdings in Bezug auf eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage in den Fällen, in denen die Ablehnung einer beantragten Erlaubnis eine darüber hinausgehende Belastungswirkung entfaltet; dies wird für den Bereich des Ausländerrechts insbesondere dann angenommen, wenn der einen Erlaubnisantrag ablehnende Verwaltungsakt dazu führt, dass die zuvor durch die Stellung des Antrags auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eingetretene Fiktionswirkung entfällt. In dieser Situation des Verlusts einer aufgrund der Antragstellung entstandenen Rechtsposition ist die Rechtsschutzmöglichkeit des § 80 Abs. 5 VwGO ausnahmsweise auch im Rahmen einer Versagungsgegenklage gegeben (Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 12).

So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der streitgegenständliche „Antrag“ auf Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 vom 11. Juni 2015 war nicht geeignet, die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auszulösen, weil sich das vom Kläger geltend gemachte assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht unmittelbar aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ergeben konnte bzw. kann, ein Antrag nach § 81 Abs. 1 AufenthG daher gerade nicht erforderlich ist (Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2015, § 81 AufenthG Rn. 10) und die das Aufenthaltsrecht dokumentierende Erlaubnis lediglich deklaratorischen Charakter besitzt. Der inzwischen nicht mehr rechtshängige Antrag auf Verlängerung des am 30. Juni 2011 ausgelaufenen nationalen Aufenthaltstitels bildet nicht den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.

2. Die Umdeutung des vom Prozessbevollmächtigten des Klägers mit eindeutigem Wortlaut („Anordnung der aufschiebenden Wirkung“) gestellten unzulässigen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO kommt hier schon deswegen nicht in Betracht, weil völlig unklar ist, mit welchem konkreten Rechtsschutzziel der Antrag formuliert werden sollte. Außerdem wäre mit einem entsprechenden Antrag (etwa auf Aussetzung der Abschiebung) grundsätzlich zunächst die Antragsgegnerin zu befassen, bevor gerichtlicher Rechtsschutz in Frage käme.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. März 2018 - 10 AS 18.450 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 133


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 81 Beantragung des Aufenthaltstitels


(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist u

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 31 Eigenständiges Aufenthaltsrecht der Ehegatten


(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn 1. die eheliche Lebensgemeinschaft

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 4 Erfordernis eines Aufenthaltstitels


(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September

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Verwaltungsgericht München Urteil, 14. Apr. 2016 - M 12 K 15.5829

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein 1973 im Bundesgebiet geborener türkischer Staatsangehöriger, begehrt mit seiner Klage die Verlängerung der ihm zuletzt bis 30. Juni 2011 befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von fünf Jahren und eine Aufenthaltsbescheinigung nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80.

Der Kläger lebte mit seinen Eltern, türkischen Arbeitnehmern, bis zu seiner erstmaligen Ausreise aus dem Bundesgebiet am 25. Juni 1996 ununterbrochen in häuslicher Gemeinschaft. Sein Vater gehörte vom 18. Juli 1973 an für jedenfalls fünf Jahre durchgehend dem deutschen Arbeitsmarkt an. Nachdem der Kläger am 4. Juni 1997 wieder in das Bundesgebiet eingereist war, teilte ihm die damals zuständige Ausländerbehörde L. mit, dass die ihm am 22. August 1990 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AuslG 1990 erloschen sei, weil er sich länger als sechs Monate in der Türkei aufgehalten habe. Ein Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wurde mit Bescheid vom 8. September 1997 unter Hinweis auf das nicht durchgeführte, nach Erlöschen der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis jedoch erforderliche Visumverfahren abgelehnt und der Kläger unter Androhung der Abschiebung aufgefordert, das Bundesgebiet bis 15. Oktober 1997 zu verlassen. Seinen hiergegen eingelegten Widerspruch vom 26. September 1997 begründete er in erster Linie damit, er habe die geringfügige Überschreitung der Sechsmonatsfrist nicht zu vertreten, da er reiseunfähig erkrankt gewesen sei und daher nicht rechtzeitig seinen Reisepass habe abholen können. Mit Ablauf der Grenzübertrittsbescheinigung reiste der Kläger dann am 28. April 1998 aus dem Bundesgebiet aus. Sein Widerspruch vom 26. September 1997 wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung A. vom 21. Oktober 1998 als unbegründet zurückgewiesen; ein Rechtsmittel hiergegen wurde nicht eingelegt.

Nach seiner erneuten Einreise mit Schengenvisum am 27. September 2002 heiratete er am 2. Dezember 2002 eine deutsche Staatsangehörige und erhielt eine zunächst bis 7. Februar 2006 befristete Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug. Nach der Trennung von seiner Ehefrau am 15. November 2006 und Verlegung seines Wohnsitzes in den Landkreis St. erhielt er eine Auftragserlaubnis nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die zunächst bis 12. August 2009 und anschließend als Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG a.F. bis 30. Juni 2011 befristet verlängert wurde; am 27. Juni 2011 beantragt er bei der Beklagten die weitere Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Dabei verneinte er, schon einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein, und gab an, dass derzeit nicht wegen des Verdachts einer Straftat gegen ihn ermittelt werde. Das Antragsformular enthält den Hinweis, dass falsche oder unvollständige Angaben zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG a.F. darstellen können.

Der Kläger wurde mit Urteil des Amtsgerichts München vom 1. August 2011 – nach Anklageerhebung am 2. März 2011 – wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die im Berufungsverfahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nachdem die Bewährung wegen Nichterfüllung von Auflagen widerrufen worden war, befand sich der Kläger vom 13. März 2013 bis 3. Juli 2014 in Strafhaft. Zuvor war der Kläger bereits mit drei Urteilen des Amtsgerichts München (vom 23. Februar 2006, 2. Februar 2009 und 3. November 2009) wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und einer Körperverletzung zu Lasten seiner Lebensgefährtin in Tatmehrheit mit Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu Geldstrafen in Höhe von 50, 60 sowie 110 Tagessätzen verurteilt worden.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2014 wurde der Antrag des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis vom 27. Juni 2011 abgelehnt und er unter Fristsetzung zum Verlassen des Bundesgebiets verpflichtet, andernfalls er in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben werde. Wegen der von ihm geschaffenen Ausweisungsgründe erfülle er die Regelerteilungsbzw. Verlängerungsvoraussetzungen nach § 8 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.F. nicht mehr. Ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bestehe nicht, da der Kläger ausweislich seines Rentenversicherungsverlaufs die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 nicht erfülle; Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 komme nicht zur Anwendung, weil er nicht zu einer dem deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Staatsangehörigen nachgezogen sei, sondern zu seiner deutschen Ehefrau. Das auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre und auf Bescheinigung eines Daueraufenthaltsrechts gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 AufenthG gerichtete Klageverfahren (M 12 K 15.81) endete mit einer Klagerücknahme, nachdem die Beklagte eine erneute Prüfung der Frage zugesagt hatte, ob das Aufenthaltsrecht des Klägers nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 durch seinen bis September 2002 andauernden Aufenthalt in der Türkei erloschen sei. In der mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2015 erklärte der Kläger, er habe in der Türkei von Mai 1998 bis November 1999 seinen Wehrdienst abgeleistet und sich anschließend von den Strapazen bis April/Mai 2000 erholen müssen; danach habe er seinem Vater im Restaurant in Alanya geholfen, im Winter habe er, ohne zu arbeiten, bei seiner Mutter in Istanbul gelebt und sei im Sommer dann wieder zu seinem Vater gefahren.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20. November 2015 den vom Kläger nach Beendigung dieses Klageverfahrens gestellten Antrag vom 11. Juni 2015 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG ab und verwies zusätzlich auf den Versagungsbescheid vom 8. Dezember 2014. Die Ausreise des Klägers am 28. April 1998 sei wegen der bestehenden Ausreiseaufforderung zwar mit berechtigtem Grund erfolgt; dies gelte jedoch nicht mehr für den sich daran anschließenden viereinhalbjährigen Aufenthalt in der Türkei, währenddessen er seinen Lebensmittelpunkt dorthin verlegt habe. Es sei dem Kläger in zumutbarer Weise auch vom Ausland aus möglich gewesen, vor Erlöschen seines zuvor erworbenen Rechts aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 die zur Wiedereinreise erforderlichen Schritte einzuleiten. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 8. September 1997 der Ausländerbehörde L. sei nicht streitgegenständlich. Der Kläger habe einen rechtmäßigen Aufenthalt erst mit seiner Einreise am 27. September 2002 und nach der Heirat einer deutschen Staatsangehörigen begründet.

Mit Urteil vom 14. April 2016 hat das Verwaltungsgericht die auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers für fünf Jahre und Erteilung einer Daueraufenthaltsbescheinigung nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger habe zwar von Geburt an bis zur erstmaligen Ausreise am 25. Juni 1996 mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft gelebt, während sein Vater ausweislich des vorgelegten Rentenversicherungsverlaufs dem deutschen Arbeitsmarkt vom 18. Juli 1973 bis 18. Juli 1978 angehört habe. Die Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegel Straße ARB 1/80 sei jedoch dadurch erloschen, dass der Kläger das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe; solche lägen vor, wenn die Abwesenheit vom Bundesgebiet durch die Verfolgung anerkennenswerter Interessen begründet sei. Zur Beantwortung der Frage komme es auf alle Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auch, ob der Kläger bei objektiver Betrachtungsweise und nach außen erkennbar seinen Lebensmittelpunkt freiwillig und auf Dauer aus Deutschland in die Türkei verlagert habe. Danach habe der Kläger jedenfalls für den Zeitraum von Dezember 1999 bis 27. September 2002 das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen. Allerdings habe es sich bei dem erstmaligen Aufenthalt in der Türkei (16.7.1996 bis 4.6.1997) wohl noch nicht um einen erheblichen Zeitraum gehandelt. Anderes gelte für den ab 28. April 1998 beginnenden Türkeiaufenthalt. Selbst wenn man die 18-monatigen Wehrdienstzeit außer Betracht lasse, bedeute die sich anschließende Zeitspanne von annähernd zwei Jahren und neun Monaten einen nicht unerheblichen Zeitraum, innerhalb dessen der Kläger seinen Lebensmittelpunkt in der Türkei – abwechselnd bei Vater und Mutter – gehabt habe. Hierfür spreche nicht nur seine Abmeldung zum 28. April 1998 aus dem Bundesgebiet, sondern auch der Umstand, dass seine Eltern ebenfalls ihren Wohnsitz (im April 1998 bzw. Mai 1999) im Bundesgebiet aufgegeben hätten. Der Kläger habe hier auch keine eigene Wohnung mehr unterhalten. Der einmalige besuchsweise Aufenthalt im Bundesgebiet von wenigen Wochen im Jahr 2001 ändere nichts an der Annahme der Verlagerung seines Lebensmittelpunkts in die Türkei. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass er im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen sei und fließend deutsch spreche. Mit den türkischen Lebensgewohnheiten und der dortigen Kultur sei er vertraut. Nach den Gesamtumständen ergebe sich damit eine infolge des zweiten Türkeiaufenthalts eingetretene Verlagerung des Lebensmittelpunkts und damit ein Verlassen für einen nicht unerheblichen Zeitraum. Hieran ändere auch nichts die infolge der Ordnungsverfügung vom 8. September 1997 eingetretene Verpflichtung, das Bundesgebiet bis zum 15. Oktober 1997 zu verlassen; zwar bedeute der Umstand, dass der Kläger der Verpflichtung Folge geleistet und als Konsequenz dann auch bis November 1999 in der Türkei Wehrdienst habe ableisten müssen, einen berechtigten Grund. Allerdings habe der Kläger keine erkennbaren Anstrengungen für eine Rückkehr ins Bundesgebiet unternommen, insbesondere keine Klage gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 1998 erhoben oder sich zeitnah um die Erteilung eines Visums zur Wiedereinreise bemüht oder einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis gestellt, der nicht von vornherein aussichtslos gewesen sei, weil die bestandskräftig gewordene Versagung der zuvor im Juni 1997 beantragten Aufenthaltserlaubnis ausschließlich auf die Einreise in das Bundesgebiet ohne das erforderliche Visum gestützt worden sei. Der Kläger habe auch nicht den Versuch unternommen, über Bewerbungen für einen Arbeitsplatz in das Bundesgebiet zurückzukehren. Dies gelte auch für die Zeit nach Bekanntwerden der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Ergat (U.v. 16.3.2000 – C-329/97 –) im Hinblick auf die Auslegung der Erlöschensgründe für ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Die Verlagerung des Lebensmittelpunkts sei zumindest für den Zeitraum ab Dezember 1998 vom freien Willen des Klägers getragen gewesen, ohne dass sich insoweit noch ein äußerer Zwang aufgrund der Ordnungsverfügung feststellen lasse.

Der Kläger begründet die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung damit, dass er auch für seinen Aufenthalt in der Türkei von Dezember 1999 bis September 2002 einen berechtigten Grund vorweisen könne, der darin bestanden habe, dass er nach wie vor der behördlichen Aufforderung – ungeachtet ihrer Rechtswidrigkeit – Folge geleistet habe. Es gebe zwar eine rechtliche Möglichkeit, jedoch keine Verpflichtung, gegen eine behördliche Maßgabe vorzugehen. Die damals eingeschalteten Rechtsanwälte hätten einer Klage gegen die Aufforderung der Ausländerbehörde L. keine Chancen eingeräumt, zumal im Jahre 1998 die assoziationsrechtliche Rechtsstellung türkischer Staatsbürger noch nicht im gleichen Umfang geklärt gewesen sei wie heute. Es könne dem Kläger auch nicht angelastet werden, dass er ab März 2000 nach dem Urteil in der Rechtssache Ergat keine Bemühungen ergriffen habe, seine Wiedereinreise in das Bundesgebiet durchzusetzen. Zum einen gebe es – wie damals – immer noch wenige Anwälte, die sich in dieser Rechtsmaterie ausreichend auskennen würden, zum anderen sei auch nach dem genannten Urteil kaum absehbar gewesen, unter welchen Umständen ein gemäß Art. 7 ARB 1/80 erworbenes Aufenthaltsrecht wieder erlösche. Der Kläger habe daher seinen Lebensmittelpunkt zwangsweise in die Türkei verlegt, obwohl er von Anfang an seine Rückkehr nach Deutschland geplant habe. Seine damaligen Bevollmächtigten hätten hierfür nur die Möglichkeit eines Ehegattennachzugs als neuen Aufenthaltszweck in Betracht gezogen; ihm könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er erst knapp vier Jahre nach seiner erzwungenen Ausreise die richtige Ehefrau gefunden habe. Die von der damals zuständigen Ausländerbehörde erzwungene Dauer des Auslandsaufenthalts müsse nach den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen berücksichtigt werden. Es sei daher darauf abzustellen, ob durch die Abwesenheit vom Bundesgebiet der Integrationszusammenhang grundlegend infrage gestellt und unterbrochen worden sei (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 1 C 6.08 – juris), was beim Kläger verneint werden müsse. Auch die Rückkehr der Eltern in die Türkei sei im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass der Kläger dorthin habe ausreisen müssen und die Eltern seine Eingewöhnung dort unterstützt hätten. Im vorliegenden Fall seien außer der durch die Ausländerbehörde erzwungenen Ausreise gerade die spätere Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen und die guten Sprachkenntnisse des Klägers als besondere Umstände anzuerkennen. Im Übrigen habe der Europäische Gerichtshof noch nicht entschieden, ab welchem Zeitraum von einer Erheblichkeit der Abwesenheit eines assoziationsberechtigten türkischen Arbeitnehmers ausgegangen werden müsse. Die Zeiten der Ableistung des Wehrdienstes müssten jedenfalls unberücksichtigt bleiben.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. April 2016 und des Bescheids der Beklagten vom 20. November 2015 zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers für die Dauer von fünf Jahren zu verlängern und ihm eine Aufenthaltsbescheinigung nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass das Verhalten des Klägers im Zeitraum vom Dezember 1999 bis September 2002 bei objektiver Betrachtungsweise darauf schließen lasse, dass er seinen Lebensmittelpunkt in die Türkei verlagert und damit das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe. Er habe insbesondere nicht von allen zumutbaren rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, um entgegen der behördlichen Ordnungsverfügung ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Nach Ableistung seines Wehrdienstes habe er freiwillig den Integrationszusammenhang aufgegeben. In dieser Situation könne das einmal erloschene assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht durch den später gefassten Entschluss, wieder nach Deutschland zurückzukehren, aufleben, selbst wenn im Zeitpunkt der Ausreise zunächst ein berechtigter Grund vorgelegen habe. Der insoweit beweispflichtige Kläger habe nicht nachweisen können, dass für seinen nach Ableistung des Wehrdienstes mehr als zweieinhalb Jahre andauernden Aufenthalt in der Türkei berechtigte Gründe bestanden hätten. Im Übrigen werde bezweifelt, ob die Eltern des Klägers tatsächlich nur in die Türkei übersiedelt seien, um ihm bei der Eingewöhnung zu helfen; denn es werde schon in einem am 19. März 1992 gegen den Kläger ergangenen Strafurteil festgestellt, dass seine Eltern ein Haus in der Türkei gebaut hätten, bei dessen Finanzierung sie der Kläger unterstütze. Dies spreche für eine schon Jahre vor seiner Ausreise geplante Rückkehr der Eltern in die Türkei.

Mit Beschluss vom 18. Januar 2017 wurde dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und sein Rechtsanwalt beigeordnet.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag, schließt sich jedoch der Rechtsauffassung der Beklagten an. Er verweist auf den inzwischen ergangenen Beschluss des Senats vom 17. Januar 2017 (10 ZB 15.1706 – juris). Außerdem dürfe bei der aus ex-ante-Sicht vorzunehmenden Prüfung, ob das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlassen worden sei, nicht außer Betracht bleiben, dass bei einem Unionsbürger die zwei aufeinanderfolgende Jahre überschreitende Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat – ohne Differenzierung nach Gründen – zum Verlust des erworbenen Rechts auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG führe und diese Vorschrift im Rahmen des Besserstellungsverbots nach Art. 59 Zusatzprotokoll zu berücksichtigen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.3.2015 – 1 C 19.14 – juris) sei Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie als Orientierungsrahmen im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze anzusehen; dem habe sich auch der Senat in seinem Urteil vom 13. Mai 2014 (10 BV 12.2382 – juris Rn. 29 f.) angeschlossen. Der Kläger habe die Zwei-Jahres-Grenze nach Beendigung seines Wehrdienstes eindeutig überschritten. Schließlich sei zu bedenken, dass mit der hier fraglichen Ordnungsverfügung keine Wiedereinreisesperre verhängt, sondern lediglich der Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis abgelehnt worden sei. Das gesamte Verhalten des Klägers im maßgeblichen Zeitraum lasse nur den Schluss zu, dass er sich mit dem Verlust seines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts abgefunden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Ausländerakte sowie die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage abgewiesen.

Den Streitgegenstand des vorliegenden Klage- und Berufungsverfahrens bildet (ausschließlich) das Begehren des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80, mit der sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht (deklaratorisch) im Wege eines feststellenden Verwaltungsakts (vgl. Maor in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.11.2017, AufenthG § 4 Rn. 45; BVerwG, U.v. 22.5.2012 – 1 C 6.11 – juris Rn. 27) festgestellt wird. Entscheidungserheblich ist dabei die Beantwortung der Frage, ob das vom erwerbstätigen Vater gemäß Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 abgeleitete assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht – insoweit unstrittig zwischen den Beteiligten – infolge des ca. viereinhalb Jahre (28.4.1998 bis 27.9.2002) dauernden Aufenthalts des Klägers in der Türkei erloschen ist. Diese Frage hat das Verwaltungsgericht unter Heranziehung der maßgeblichen Rechtsprechung in zutreffender Weise bejaht. Es geht zu Recht davon aus, dass der Kläger zwar am 28. April 1998 unter Inanspruchnahme eines berechtigten Grundes das Bundesgebiet verlassen und sich anschließend zur Ableistung seines Wehrdienstes bis November 1999 ebenfalls „berechtigt“ in der Türkei aufgehalten hat. Für den sich daran anschließenden Zeitraum allerdings, der bis zu seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet mit Schengenvisum am 27. September 2002 und damit erheblich mehr als zwei Jahre andauerte, bestand kein „berechtigter Grund“ mehr.

Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung (UA, S. 20 bis 30) zurück und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 130b Satz 2 VwGO). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist ergänzend Folgendes auszuführen:

1. Der Kläger ist zwar am 28. April 1998 in Verfolgung eines anerkennenswerten Zieles und damit in Wahrnehmung eines berechtigten Interesses aus dem Bundesgebiet aus- und in die Türkei eingereist. Er ist nämlich der ihm obliegenden vollziehbaren Ausreisepflicht aus der Ordnungsverfügung vom 8. September 1997 nachgekommen, um seiner Abschiebung zu entgehen; in dieser Situation hat sich der Kläger „pflichtgemäß“ verhalten, so dass sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht schon mangels Freiwilligkeit der Ausreise (zu diesem Zeitpunkt) nicht erloschen ist (Oberhäuser in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, ARB 1/80 Art. 7 Rn. 17; vgl. umfassend: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: August 2017, A1 § 51 Rn. 18 f.).

Daraus allein folgt aber nicht, dass der dargestellte „Zwang zur Ausreise“ auch für die gesamte, sich anschließende Dauer des Aufenthalts in der Türkei wirksam geblieben ist, so dass hierdurch quasi automatisch ein späterer Wegfall des „berechtigten Grundes“ für eine beliebig lange Zeitspanne ausgeschlossen wäre. Vielmehr kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände im Einzelfall (vgl. u. 3.) auch das weitere Verbleiben im Ausland – nach einem zunächst für die Rechtsstellung unschädlichen, weil unfreiwilligen Verlassen des Bundesgebiets – unter bestimmten Umständen zu einem Fortfall des „berechtigten Grundes“ führen und damit einem Verlassen ohne „berechtigten Grund“ gleichgesetzt werden (OVG NW, U.v. 6.12.2011 – 18 A 2765/10 – juris Rn. 70, 71 m.w.N.). Denn auch in dieser Konstellation erfordern Sinn und Zweck die Anwendung des Erlöschenstatbestands, der der Beseitigung des erreichten Integrationszusammenhangs infolge (freiwilliger) Aufgabe des Lebensmittelpunkts im Bundesgebiet (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 1 C 19.14 – juris Rn. 18) durch Verlust des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts Rechnung tragen will; denn es macht keinen Unterschied, ob das dauerhafte Verbleiben im Ausland nach Aufgabe des Lebensmittelpunkts im Bundesgebiet bereits im Zeitpunkt der Ausreise feststeht oder sich erst zu einem späteren Zeitpunkt – etwa nach Fortfall des bis dahin bestehenden „berechtigten Grundes“ – dokumentiert (OVG Berlin-Bbg, U.v. 17.7.2014 – OVG 7 B 40.13 – juris Rn. 29).

2. Das Aufenthaltsrecht des Klägers ist auch noch nicht während des Zeitraums vom Mai 1998 bis November 1999, in dem er seinen Wehrdienst in der Türkei abgeleistet hat, erloschen.

Zwar hat es sich hierbei um einen längeren Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren gehandelt, während dessen sein Lebensmittelpunkt nicht mehr im Bundesgebiet lag. Jedoch stellt die Ableistung des Wehrdienstes durch einen Ausländer im jeweiligen Staat seiner Staatsangehörigkeit einen „berechtigten Grund“ für die Abwesenheit vom Bundesgebiet dar, denn sie dient der Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht und ist zwangsläufig – ungeachtet der konkreten Dauer des Wehrdienstes – mit einer längeren Abwesenheit vom Bundesgebiet verbunden (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.5.2010 – OVG 12 B 26.09 – juris Rn. 38; BayVGH, B.v. 15.10.2009 – 19 CS 09.2194 – juris Rn. 8; VGH BW, B.v. 31.7.2007 – 11 S 723/07 – juris). Im Übrigen ist auch für Unionsbürger anerkannt, dass die Kontinuität ihres Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat nicht durch längere Abwesenheiten infolge der Erfüllung militärischer Pflichten berührt wird (vgl. Art. 16 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG). Im vorliegenden Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass auch ein nationaler Aufenthaltstitel dann nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erlischt, wenn der Ausländer die dort genannte Sechsmonatsfrist lediglich „wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat“ überschreitet und binnen drei Monaten nach seiner Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist (§ 51 Abs. 3 AufenthG).

3. Das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht des Klägers ist jedoch spätestens Anfang März 2000 erloschen, weil zu diesem Zeitpunkt die bis dahin anzuerkennenden berechtigten Gründe entfallen waren, ohne dass neue hinzugetreten sind (3.1). Die sich anschließende Zeitspanne von etwa zweieinhalb Jahren bis zu seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet am 27. September 2002 ist nicht „unerheblich“ (3.2).

3.1 Es ist Sache des Klägers, der sich auf den Bestand eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts beruft, in geeigneter Form zu nachzuweisen, dass er das Bundesgebiet aus berechtigten Gründen nur für einen unerheblichen Zeitraum verlassen hat (EuGH, U.v. 16.3.2000 – C-329/97, Ergat – juris Rn. 50). Dies ist dem Kläger für die Zeit nach Beendigung seines Wehrdienstes (zuzüglich einer vom Senat zu seinen Gunsten angenommenen dreimonatigen „Orientierungszeit“) nicht gelungen. Die für die Beurteilung maßgeblichen objektiven Umstände legen im Gegenteil nahe, dass er (spätestens zu diesem Zeitpunkt) seinen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet aufgegeben und in die Türkei verlagert hat. Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung vor dem Verwaltungsgericht hat er ausgesagt, von November 1999 bis September 2002 abwechselnd bei seinem Vater und seiner Mutter gewohnt zu haben, und zwar im Sommer in Alanya, wo er seinen Vater beim Betrieb eines Restaurants unterstützt habe, im Winter hingegen in der Wohnung seiner Mutter in Istanbul. Offenbar hatten seine Eltern bereits seit längerem ihre eigene Übersiedlung in die Türkei geplant und diese dann im April 1998 bzw. Mai 1999 durchgeführt (vgl. UA S. 28) Dass der Kläger noch Kontakte in das Bundesgebiet aufrechterhalten hat, wie ein „besuchsweiser“ Aufenthalt 2001 mit Visum (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 14.4.2016) zeigt, spricht nicht für ein Aufrechterhalten des Lebensmittelpunkts in Deutschland, sondern als objektiver Umstand eher dagegen. Dass der Kläger eventuell abweichende subjektive Vorstellungen im Hinblick auf die Frage nach seinem Lebensmittelpunkt hatte, spielt keine Rolle. Auch aus seiner Biografie, die durch seine Geburt und einen jahrelangen Aufenthalt im Bundesgebiet gekennzeichnet ist, lässt sich für die hier interessierende Frage nichts ableiten. Im Übrigen verfügte der Kläger nach seiner Ausreise im April 1998 über keinen inländischen Wohnsitz mehr und hat sich dementsprechend an seinem bisherigen Wohnsitz abgemeldet.

Ein berechtigter Grund ergibt sich auch nicht (mehr) aus einem – grundsätzlich denkbaren – Fortwirken der aus der Ordnungsverfügung vom 8. September 1997 folgenden Ausreisepflicht des Klägers. Es hätte dem Kläger nämlich frei gestanden, nach Ableistung des Wehrdienstes (spätestens etwa anlässlich seines Aufenthalts im Jahr 2001 im Bundesgebiet) einen entsprechenden Antrag auf Feststellung des Bestehens eines assoziationsrechtliches Aufenthaltsrechts zu stellen und weiter zu verfolgen; damit hätte er nach außen deutlich gemacht, dass trotz längerer Abwesenheit vom Bundesgebiet nach wie vor ein Integrationszusammenhang fortbesteht und er seinen Lebensmittelpunkt nur unter dem fortwirkenden Zwang der verfügten Ausreisepflicht in die Türkei verlagert hat. An einem solchen Vorgehen hätte ihn auch nicht die nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 1998 bestandskräftig gewordene Ordnungsverfügung gehindert, zumal sie sich mit der vorliegenden Problematik eines möglicherweise bestehenden assoziationsrechtliches Aufenthaltsrechts in keiner Weise befasst hat. Unabhängig von der damit verbundenen Frage nach dem Umfang der materiellen Bestandskraft der Ordnungsverfügung steht nämlich fest, dass der Kläger nach der gebotenen objektiven Betrachtung den Eindruck vermittelt hat, ihm sei an einer dauerhaften Rückkehr in das Bundesgebiet nicht mehr gelegen, weil er keine Rechtsmittel gegen die Ordnungsverfügung ergriffen und auch die spätere Geltendmachung von Ansprüchen (etwa aus dem ARB 1/80) unterlassen hat.

Zu keinem anderen Ergebnis führt schließlich der Vortrag, die Rechtsprechung zur Frage des Erlöschens von ARB-Rechten sei in den hier maßgeblichen Jahren (Ende der 1990er, Anfang der 2000er) noch nicht ausreichend entwickelt und auch die Rechtsanwaltschaft nicht entsprechend sensibilisiert gewesen; eine Rechtsverfolgung sei wegen der auch vom damaligen Rechtsvertreter des Klägers angenommenen fehlenden Erfolgsaussicht weiterer rechtlicher Schritte nicht zumutbar gewesen. Dem ist entgegenzuhalten, dass spätestens seit dem Ergat-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 16.3.2000 – C-329/97, Ergat – juris Rn. 48 unter Hinweis auf: U.v. 17.4.1997 – C-351/95, Kadiman – juris Rn. 48; vgl. hierzu BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 1 C 19.14 – juris Rn. 14 - 16) die Voraussetzungen, unter denen ein ARB-Recht erlischt, zumindest in den Grundsätzen bekannt waren. Rechtsmittel wären daher sicherlich nicht von vornherein aussichtslos gewesen. Hat der Kläger Rechtsmittel wegen unzureichender Beurteilung der Erfolgsaussichten durch seine damaligen Bevollmächtigten auf deren Rat hin nicht ergriffen, so ist ihm dieses Verhalten zuzurechnen. Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass etwa die Erhebung einer Verpflichtungsklage nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 1998 erfolglos geblieben wäre, hätte sich damit der Wille des Klägers manifestiert, seinen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet beizubehalten bzw. wieder aufzunehmen. In Anbetracht dieses Aspekts ist es unerheblich, dass keine rechtliche Verpflichtung besteht, gegen eine behördliche Maßnahme vorzugehen. Hierauf weist der Kläger zwar grundsätzlich zu Recht hin; allerdings könnte das Unterlassen des Versuchs, den Eintritt der Bestandskraft durch den Gebrauch von Rechtsmitteln zu verhindern, auch im Sinne eines „Verschuldens gegen sich selbst“ gewertet werden, aufgrund dessen die Verwaltungsbehörde (wohl) auch nicht zur Rücknahme ihrer Maßnahme verpflichtet wäre (vgl. zu dieser Problematik EuGH, U.v. 13.1.2004 – C -453/00, Kühne & Heitz – sowie U.v. 19.9.2006 – C 392/04 u. C-422/04, i 21, Arcor – jew. juris; BGH, U.v. 15. 11.1990 – III ZR 302/89 – juris Ls. 3 u. Rn. 14 zu einem Amtshaftungsanspruch bei bestandskräftigem Verwaltungsakt).

Angesichts der vorstehenden Ausführungen vor dem Hintergrund einer umfassenden Bewertung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (BVerwG, U.v. 25.3.2015, a.a.O., Rn. 18) lässt sich ein über das Ende des Wehrdienstes hinaus andauernder „Zwang“ im Sinne eines berechtigten Grundes für das weitere Verbleiben des Klägers in der Türkei nicht erkennen.

3.2 Der Kläger hat auch nicht nur für einen unerheblichen Zeitraum das Bundesgebiet verlassen und seinen Lebensmittelpunkt in der Türkei inne gehabt.

Dabei lässt sich die Frage, ab wann ein Ausländer seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert hat, nicht isoliert von den Gründen beantworten, die für das Verlassen des Bundesgebiets verantwortlich waren. Vielmehr besteht zwischen ihnen ein Zusammenhang; je länger der Ausländer sich im Ausland aufhält, desto eher spricht dies dafür, dass er seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland aufgegeben hat (BVerwG, U.v. 25.3.2015, a.a.O., Rn. 18). Daran gemessen, ist hier – ausgehend von einem etwa zweieinhalb Jahre andauernden Aufenthalt ohne berechtigten Grund – der Zeitraum nicht mehr unerheblich gewesen. Er übersteigt sogar die für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in Art. 16 Abs. 4 Richtlinie 2004/38/EG geregelte Mindestfrist von zwei Jahren für den Verlust des Daueraufenthaltsrechts; die Unionsbürger betreffenden Regelungen wirken dabei auf die richterrechtliche Ausformung der assoziationsrechtlichen Stellung und ihrer Verlustgründe als Orientierungsrahmen ein. Je länger der Aufenthalt im Ausland andauert, desto eher kann von der Aufgabe des Lebensmittelpunktes des Ausländers in Deutschland ausgegangen werden. Dauert der Auslandsaufenthalt mehr als ein Jahr an, müssen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, der Ausländer habe seinen Lebensmittelpunkt noch im Bundesgebiet (BVerwG, U.v. 25.3.2015, a.a.O. und U.v. 30.4.2009 – 1 C 6.08 – juris Rn. 27, 28; BayVGH, U.v. 13.5.2014 – 10 BV 12.2382 – juris Rn. 33, 34). Eine Dauer von mehr als zwei Jahren Auslandsaufenthalt ist damit grundsätzlich nicht unerheblich. Zu Recht hält das Verwaltungsgericht einen derartig langen Auslandsaufenthalt für geeignet, die Integration eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet grundlegend infrage zu stellen, selbst wenn dieser hier geboren wurde und hier seine Sozialisation erfahren hat, ohne vor der Ausreise längere Zeiträume im Ausland zugebracht zu haben. Nach den (unter 3.1) dargestellten objektiven Gegebenheiten hat der Kläger nach Beendigung seines Wehrdienstes in der Türkei ein „neues Leben“ begonnen und eine erhebliche Zeit mit den dorthin übersiedelten Eltern zusammengelebt. Ausreichende Indizien dafür, dass mit dieser Lebensplanung, die er für weit mehr als zwei Jahre realisiert hat, von vornherein keine endgültige Abkehr vom Bundesgebiet verbunden sein sollte, konnte der Kläger weder vortragen noch sind solche ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Die Frage, ob ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht eines türkischen Staatsangehörigen erloschen ist, weil dieser das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat, ist einer grundsätzlichen Betrachtung nicht zugänglich, sondern vielmehr vor dem Hintergrund einer Gesamtbewertung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten (BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 1 C 19.14 – juris Rn. 18). Gleiches gilt für die hier maßgebliche Frage, zu welchem Zeitpunkt die Wirkung des bei Ausreise aus dem Bundesgebiet zunächst gegebenen „berechtigten Grundes“ entfällt.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der am … in …, …, geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Zusammen mit seinem Bruder wuchs er bei seinen Eltern in … auf. Im Alter von 16 Jahren wurde ihm antragsgemäß am 19. Juni 1989 erstmals eine bis 18. Juli 1990 befristete Aufenthaltserlaubnis von der Ausländerbehörde …, …, erteilt. Am 22. August 1990 erhielt er antragsgemäß eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Mit Urteil vom 19. März 1992 wurde der Kläger vom Amtsgerichts … - Jugendrichter - wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu einer Geldbuße in Höhe von 400,00 Euro verurteilt. Den Urteilsgründen zufolge arbeitete er zu dieser Zeit als Transportfahrer und gab sein monatliches Nettoeinkommen an seine Eltern weiter, die in der Türkei ein Haus gebaut hatten.

Ebenfalls wegen Diebstahls wurde ihm mit Urteil des Amtsgerichts … - Jugendrichter - vom 8. November 1993 auferlegt, 60 Stunden sozialen Hilfsdienst nach näherer Anweisung des Jugendamts zu leisten. Aus den Urteilsgründen geht hervor, dass der Kläger auf Dauer in die Türkei umziehen wolle, wo er sich wohler fühle als in Deutschland. Er wolle dort ein Lebensmittelgeschäft eröffnen.

Nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes ... verzog der Kläger zum 25. Juni 1996 in die Türkei.

Am 4. Juni 1997 reiste er erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte bei der Ausländerbehörde ... am 18. Juni 1997 die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 7. Juli 1997 wurde ihm laut Niederschrift mitgeteilt, dass er sich illegal im Bundesgebiet aufhalte. Die ihm am 22. August 1990 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis sei erloschen, da ihn sein Vater am 25. Juni 1996 hier abgemeldet und er nach eigenen Angaben am 25. November 1996 das Bundesgebiet verlassen habe. Ein legaler Aufenthalt im Bundesgebiet sei daher nur möglich, wenn er erneut ausreise und vom Ausland aus ein Visum beantrage.

Mit Schreiben der Ausländerbehörde ... vom 10. Juli 1997 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten Ablehnung seines Antrags vom 18. Juni 1997 angehört. Ausweislich der Ein- und Ausreisestempel in seinem türkischen Nationalpass habe er sich sowohl in der Zeit vom 16. Juli 1996 bis 18. November 1996 als auch in der Zeit vom 20. November 1996 bis 4. Juni 1997 in der Türkei aufgehalten. Es sei bereits fraglich, ob der Zweitagesaufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland im November 1996 als Unterbrechung seines Aufenthalts in der Türkei anzusehen sei oder ob es sich hierbei lediglich um ein Besuchswochenende gehandelt habe. Zumindest im Zeitraum vom 20. November 1996 bis 4. Juni 1997 habe er sich jedoch nachweislich über sechs Monate in der Türkei aufgehalten, so dass seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 des Ausländergesetzes des Landes ... kraft Gesetzes erloschen sei. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache habe er lediglich vorgebracht, dass die Abmeldung am 25. Juni 1996 ein Fehler seines Vaters gewesen sei und er sich aus privaten und familiären Gründen in der Türkei aufgehalten habe. Der Kläger sei vollziehbar ausreisepflichtig, da er die erforderliche Aufenthaltserlaubnis nicht mehr besitze.

Eine Äußerung des Klägers hierauf erfolgte nicht.

Mit Ordnungsverfügung des Landrats des … vom 8. September 1997 wurde der Kläger aufgefordert, das Bundesgebiet bis zum 15. Oktober 1997 zu verlassen und ihm widrigenfalls die Abschiebung angedroht. Gleichzeitig wurde sein Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass seine Einreise nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG als unerlaubt zu werten sei, da die ihm erteilte, unbefristete Aufenthaltserlaubnis infolge seines Auslandsaufenthalts von länger als sechs Monaten im Zeitraum vom 20. November 1996 bis 4. Juni 1997 nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG erloschen sei und er ohne das erforderliche Visum eingereist sei. Als Konsequenz daraus sei er gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1 AuslG vollziehbar ausreisepflichtig. Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 50 Abs. 1 AuslG. Abschiebungshindernisse seien nicht zu erkennen. Sein Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vom 18. Juni 1997 müsse zwingend abgelehnt werden, da er ohne das erforderliche Visum eingereist sei.

Hiergegen legte der ehemals Bevollmächtige des Klägers mit Schreiben vom ... September 1997 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass die dargelegte Auslegung des § 44 AuslG nicht zwingend sei. Das Überschreiten der Sechsmonatsfrist stelle allenfalls ein Indiz dar. Maßgeblich bei der Beurteilung seien vielmehr die Absicht und die Vorstellungen des Ausländers sowie die absolute Endgültigkeit seiner Ausreise. Der Kläger sei an einer früheren Rückreise gehindert gewesen, da er reiseunfähig erkrankt gewesen sei. Hinzu komme, dass diese Erkrankung dazu geführt habe, dass er nicht rechtzeitig seinen Reisepass abholen habe können. Aus Gründen, die er selbst nicht zu vertreten habe, habe er deshalb die Sechsmonatsfrist geringfügig überschritten. Es habe somit keine Endgültigkeit seiner Ausreise vorgelegen.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 23. September 1997 wurde gegen den Kläger eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20,00 DM wegen des gemeinschaftlichen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln festgesetzt.

Mit Ablauf der Gültigkeitsdauer der ihm erteilten Grenzübertrittsbescheinigung reiste der Kläger am 28. April 1998 aus der Bundesrepublik Deutschland aus.

Mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung … vom 21. Oktober 1998 wurde der Widerspruch des Klägers vom 26. September 1997 als unbegründet zurückgewiesen. Ein Rechtsmittel wurde gegen diese Entscheidung nicht eingelegt.

Am 27. September 2002 reiste der Kläger mit einem von dem Deutschen Generalkonsulat in Izmir ausgestellten Schengenvisum erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein. In Dänemark heiratete er am … 2002 die deutsche Staatsangehörige Frau … Aufgrund dieser Eheschließung und der gemeinsamen Wohnsitznahme in München erteilte ihm die Beklagte am 7. Januar 2003 auf seinen Antrag vom 5. Dezember 2002 hin eine bis 7. Februar 2006 befristete Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

Seit seiner Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland ging der Kläger verschiedenen Beschäftigungen nach. Der Deutschen Rentenversicherung wurden folgende Zeiten gemeldet: 8. Januar 2003 bis 15. Mai 2003; 4. August 2003 bis 31. August 2004; 1. März 2005 bis 30. Juni 2005; 1. Januar 2006 bis 3. Februar 2007; 1. Juli 2007 bis 31. Mai 2008; 1. Juli 2008 bis 29. August 2008; 13. Juli 2009 bis 31. August 2012; 1. Oktober 2012 bis 20. März 2013. Das Beschäftigungsverhältnis bei der Firma … GmbH bestand im Zeitraum vom 13. Juli 2009 bis 20. November 2010. Die am 3. November 2010 aufgenommene Beschäftigung bei der Firma … e. K. endete zum 31. August 2012. Am 1. Oktober 2012 nahm der Kläger erneut eine Beschäftigung auf, welcher er bis zu seiner Inhaftierung am 13. März 2013 nachging.

Nach der Trennung von seiner Ehefrau am 15. November 2006 verlegte der Kläger zum 15. Mai 2007 seinen Wohnsitz in den Landkreis ... Vom Landratsamt … wurde ihm antragsgemäß am 9. Oktober 2007 eine bis 9. Februar 2008 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erteilt, die in der Folge bis 12. August 2009 verlängert wurde.

Zum 14. Juli 2009 verlegte er seinen Wohnsitz erneut nach München und beantragte dort am 4. August 2009 die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG.

Am 19. Februar 2010 zog der Kläger in den Landkreis ... Er reichte am 25. April 2010 beim Landratsamt … einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ein und nahm am 27. April 2010 den zuvor bei der Beklagten gestellten Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG vom 4. August 2009 zurück. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 27. April 2010 bei der Ausländerbehörde wurde er darauf hingewiesen, dass er sämtliche Vorstrafen bzw. Verurteilungen in dem aktuellen Antragsformular angeben müsse und dass unvollständige und nicht korrekt getätigte Angaben zur Einleitung einer Strafanzeige führen können. Nach Vorlage der vollständigen Unterlagen wurde ihm am 1. Juli 2010 eine bis zum 30. Juni 2011 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG erteilt.

Am 2. März 2011 erhob die Staatsanwaltschaft … Anklage gegen den Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Körperverletzung. Ihm wurde zur Last gelegt, am 9. Juli 2010 ein leeres Glas in Richtung des barfüßigen Geschädigten … geworfen zu haben, so dass ein Glassplitter in dessen rechten Fuß stecken blieb. Bei einer anschließenden Auseinandersetzung mit dem Bruder seiner Lebensgefährtin habe er diesem ca. 15 bis 20 wuchtige Faustschläge in sein Gesicht, insbesondere auf dessen rechtes Auge, versetzt. Als dieser aufs Bett fiel, habe er weitere 6 Male mit der linken Faust auf sein Gesicht geschlagen.

Zuvor war der Kläger strafrechtlich bereits wie folgt in Erscheinung getreten:

Mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 23. Februar 2006 war er zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen à 40 Euro wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt worden.

In einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilte ihn das Amtsgericht ... mit Urteil vom 2. Februar 2009 zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 22 Euro.

Des Weiteren war er mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 3. November 2009 zu einer Geldstrafe in Höhe von 110 Tagessätzen à 30 Euro wegen einer Körperverletzung zulasten seiner Lebensgefährtin in Tatmehrheit mit Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden.

Aufgrund eines erneuten Zuzugs nach München beantragte der Kläger am 27. Juni 2011 bei der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs. Hierbei verneinte er, schon einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein. Ferner gab er an, dass derzeit nicht wegen des Verdachts einer Straftat gegen ihn ermittelt werde. Dem Antragsformular lässt sich der Hinweis entnehmen, dass falsche oder unvollständige Angaben zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG darstellten und zur Ausweisung oder Versagung des Aufenthaltstitels führen können. Dem Kläger wurde am 30. Juni 2011 zunächst eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt, die in der Folge mehrfach verlängert wurde.

Mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 1. August 2011 wurde er aufgrund der Geschehnisse vom 9. Juli 2010 wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Auf die Berufung des Klägers hin wurde die Gesamtfreiheitsstrafe mit Urteil des Landgerichts ... am 17. November 2011 zur Bewährung ausgesetzt. Wegen Nichterfüllen der Bewährungsauflagen wurde die Strafaussetzung zur Bewährung mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 14. September 2012 widerrufen. Am 13. März 2013 trat er seine Freiheitsstrafe an. Auf seinen Antrag hin wurde der Strafrest gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt, nachdem er zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe bereits verbüßt hatte. Am ... Juli 2014 wurde er aus der Haft entlassen.

Mit Schreiben vom 16. April 2013 teilte die Beklagte mit, dass sie beabsichtige, seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen, die Ausweisung des Klägers aus dem Bundesgebiet zu verfügen und ihn in sein Heimatland nach Verbüßung der Freiheitsstrafe abzuschieben. Die ehemals Bevollmächtigte des Klägers trug mit Schreiben vom ... Februar 2014 vor, dass sich der Kläger nicht erklären könne, weshalb das Kreuz bei der Frage nach strafrechtlicher Erscheinung bei „Nein“ gesetzt worden sei. Es habe sich hierbei um ein Versehen gehandelt und sollte keineswegs dazu dienen, die Ausländerbehörde zu täuschen. Eine Ausweisung sei überdies auch unverhältnismäßig, da der Kläger ein faktischer Inländer sei. Er habe zudem angegeben, dass er nach seiner Haftentlassung wieder bei seinem früheren Arbeitgeber beschäftigt werden könne. Seine Aufenthaltserlaubnis müsse gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlängert werden. Auch wenn das Vorliegen eines Ausweisungstatbestands einen Regelversagungsgrund darstelle, so liege jedoch ein atypischer, von der Regel abweichender Sachverhalt vor. Hier sei zum einen die außerordentlich lange Aufenthaltsdauer und seine Verwurzelung in Deutschland zu berücksichtigen sowie auch die Tatsache, dass die Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zunächst zur Bewährung ausgesetzt worden sei.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2014 wurde der Antrag des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 27. Juni 2011 abgelehnt und er dazu verpflichtet, das Bundesgebiet bis 13. Januar 2015 zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei, angedroht.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in der Regel voraussetze, dass kein Ausweisungsgrund vorliege (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Vorliegend habe der Kläger den Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verwirklicht, indem er in seinem Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bewusst wahrheitswidrig angegeben habe, bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein und dass derzeit nicht wegen einer Straftat gegen ihn ermittelt werde. Ihm sei jedoch bekannt gewesen, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren anhängig gewesen sei, da die Staatsanwaltschaft ... bereits am 2. März 2011 wegen des vom Kläger am 9. Juli 2010 begangenen Körperverletzungsdelikts Anklage erhoben habe. Darüber hinaus sei der Kläger vom Amtsgericht ... am 1. August 2011 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Die von ihm begangen Straftaten seien weder als geringfügige noch als vereinzelte Verstöße zu bewerten (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Aufgrund der von ihm geschaffenen Ausweisungsgründe erfülle er somit die Regelerteilungs- bzw. Verlängerungsvoraussetzungen nicht mehr (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 AufenthG).

Die Ausländerbehörde habe zusätzlich geprüft, ob er ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei 1/80 (ARB) erworben habe. Ausweislich seines Rentenversicherungsverlaufs erfülle der Kläger die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 nicht. Auch Art. 7 ARB 1/80 vermittle ihm keine Ansprüche, da er nicht zu einer dem deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Staatsangehörigen, sondern zu seiner deutschen Ehefrau nachgezogen sei.

Seine Situation im Zusammenhang mit der bestehenden Rückkehrverpflichtung gebiete keineswegs die Verlängerung eines Bleiberechts im Bundesgebiet. Die Ausländerbehörde habe berücksichtigt, dass er in Deutschland geboren worden sei und die ersten 23 Jahre im Bundesgebiet verbracht habe. Er habe hier seine Schulausbildung absolviert und einen Hauptschulabschluss erlangt. Eine Berufsausbildung habe er nicht abgeschlossen. Aufgrund seines über sechs Monate andauernden Aufenthalts in der Türkei von November 1996 bis Juni 1997 sei seine damalige unbefristete Aufenthaltserlaubnis erloschen. Nachdem er sich knapp 4,5 Jahre in der Türkei aufgehalten habe, sei er erneut am 27. September 2002 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und habe sich seitdem hier ununterbrochen aufgehalten. Dieser Sachverhalt sei jedoch nicht so gewichtig, dass dieser unter Abwägung des öffentlichen Interesses mit dem persönlichen Interesse des Klägers am weiteren Verbleib im Bundesgebiet kollidieren würde. Nach Art und Umfang der von ihm am 9. Juli 2010 begangenen Körperverletzung könne nicht mehr von einem minderschweren Fall ausgegangen werden. Insbesondere müsse zu seinen Lasten gewichtet werden, dass er mit äußerster Brutalität vorgegangen sei, obwohl sich der Geschädigte bereits auf dem Bett liegend befunden und sich wehrlos den Faustschlägen ausgesetzt gesehen habe. Die Tat lasse erkennen, dass er keinen Respekt gegenüber der körperlichen Unversehrtheit anderer Mitmenschen besitze. Im Allgemeinen sei bekannt, dass wuchtige Schläge gegen den Kopfbereich generell dazu geeignet seien, schwere Kopfverletzungen wie Impressionsfrakturen oder Gehirnverletzungen herbeizuführen. Selbst wenn zuvor ein provozierendes Verhalten des Geschädigten stattgefunden haben sollte, rechtfertige dies nicht den brutalen Übergriff und die körperliche Schädigung des Betroffenen. In der Bundesrepublik Deutschland bestünden keine schützenswerten sozialen Bindungen. Seine Eltern lebten nach seinen Angaben im Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 27. Juni 2011 in der Türkei. Allgemeine Härten, die jede Verpflichtung zur Ausreise mit sich bringe, seien im Übrigen hinzunehmen. Auch ein mögliches Ausscheiden aus dem Erwerbsleben im Bundesgebiet treffe viele Ausreisepflichtige und sei daher nicht als eine besondere Härte anzusehen. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis sei auch nicht unverhältnismäßig.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am ... Januar 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben mit dem Antrag, unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Dezember 2014 die Beklagte zu verpflichten, seine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von fünf Jahren zu verlängern sowie ihm eine Daueraufenthaltsbescheinigung gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 7 ARB 1/80 zu erteilen (Verfahren M 12 K 15.81). Gleichzeitig wurde beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage vom ... Januar 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2014 anzuordnen (Verfahren M 12 S 15.164).

Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass der Kläger noch immer im Besitz eines supranationalen Aufenthaltsrechts nach § 4 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 sei. Dem Kläger habe vor seiner Ausreise am 20. Juni 1996 ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 zugestanden, welches auch nicht aufgrund seines damaligen knapp sieben Monate dauernden Auslandsaufenthalts erloschen sei. Die im Jahre 1998 erfolgte Ausreise sei nur aufgrund der durch die Ausländerbehörde erzwungenen Ausreise erfolgt. Der hierdurch bedingte Auslandsaufenthalt vom 28. April 1998 bis zum 27. September 2002 schade nicht, da der Kläger einen berechtigten Grund - nämlich eine Ausreiseverpflichtung seitens der damaligen Ausländerbehörde - vorweisen könne. Rein hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Beklagte den obigen rechtlichen Umstand in ihrem Bescheid nicht berücksichtige und der Bescheid aufgrund dieses Ermessensfehlers bereits rechtswidrig sei.

Auch der nationale Aufenthaltstitel sei nicht erloschen. Der Kläger sei im Jahr 1996 nicht aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grunde ausgereist. Aufgrund der Standstillklausel des Art. 13 ARB 1/80 sei hier das Ausländergesetz 1965 anzuwenden. Im Ausländergesetz 1965 habe es für den Verlust des Aufenthaltsrechts keine bestimmte Frist gegeben. Es sei vor allem auf die Gründe der Ausreise des Ausländers angekommen. Diese müssten nicht vorübergehender Natur sein. Die bestimmte Fristenregelung des Verlusttatbestands des § 44 AuslG 1990 sei somit eine Beschränkung i. S. v. Art. 13 ARB 1/80. Der Kläger sei im Jahr 1996 aus vorübergehenden Gründen ausgereist, so dass unter Berücksichtigung der Standstillklausel des Art. 13 ARB 1/80 sein Aufenthaltsrecht damals nicht erloschen gewesen sei. Dieses Ergebnis folge unter Beachtung der erwähnten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Zumindest läge ein Ermessensfehler vor, da die Beklagte auch diesen rechtlichen Umstand nicht berücksichtige.

In der mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2015 erklärte der Kläger, dass er während seines Aufenthalts in der Türkei von Mai 1998 bis November 1999 seinen Wehrdienst abgeleistet habe. Anschließend habe er sich bis April oder Mai 2000 von den Strapazen des Wehrdienstes erholen müssen. Danach sei er nach ... gefahren, um seinem Vater in einem Restaurant zu helfen. Im Winter sei er nach ... gefahren, wo seine Mutter wohnte. Er habe dort jedoch nichts gearbeitet. Im Sommer sei er wieder nach ... gefahren bis zum Sommer 2002.

Die Parteien einigten sich in der mündlichen Verhandlung darauf, dass die Beklagte erneut prüfen werde, ob durch die Ausreise des Klägers im Jahr 1998 und seinen Aufenthalt in der Türkei bis zum September 2002, sein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 erloschen sei. Hierfür müsse der Kläger einen förmlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG stellen. Die Klage und der Eilantrag wurden daraufhin vom Kläger in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Noch am ... Juni 2015 stellte der Bevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten einen förmlichen Antrag auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG. Auch ein längerer Auslandsaufenthalt führe bei Vorliegen berechtigter Gründe nicht zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis. Hierbei handele es sich um legitime, allgemein anerkennenswerte Gründe. Dies lägen im vorliegenden Fall vor, da der Kläger nur behördlichen Weisungen gefolgt sei. Die assoziationsrechtlichen Ansprüche des Klägers seien weder von der Ausländerbehörde ... noch im Widerspruchsverfahren berücksichtigt worden. Dem Kläger könne auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er damals kein Rechtsmittel eingelegt habe, da sich die entsprechende Rechtsprechung hinsichtlich der Erlöschensgründe assoziationsrechtlicher Aufenthaltsrechte erst ab März 2000 abzeichnete (Urteil des EuGH in der Sache Ergat). Hinzu komme, dass der Kläger nach seiner erzwungenen Rückkehr in die Türkei seiner Wehrpflicht im türkischen Militär für 18 Monte nachkommen habe müssen. Auch dies stelle einen legitimen Grund für die fehlende Rückkehr dar.

Mit Schreiben vom ... September 2015 reichte der Klägerbevollmächtigte des Weiteren die Rentenversicherungsverläufe für die Eltern des Klägers nach. Eine Anfrage der Beklagten beim Bürgerbüro ... am 7. Oktober 2015 ergab ferner, dass der Kläger von seiner Geburt an bis zu seiner Ausreise in die Türkei am 25. Juni 1996 in der Wohnung seiner Eltern gemeldet gewesen war.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 teilte die Beklagte mit, dass sie beabsichtige, den Antrag vom 11. Juni 2015 abzulehnen. Hierauf machte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom ... Oktober 2015 geltend, dass der Kläger im Jahre 1996/1997 unstrittig die Sechsmonatsfrist nur unwesentlich überschritten habe, so dass er im Besitz einer assoziationsrechtlichen Aufenthaltserlaubnis geblieben sei. Die im Jahr 1998 erfolgte Ausreise sei nur aufgrund der durch die Ausländerbehörde erzwungenen Ausreise erfolgt. Der hierdurch bedingte Auslandsaufenthalt vom 28. April 1998 bis zum 27. September 2002 schade nicht, da er einen berechtigten Grund vorweisen könne.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 20. November 2015, zugestellt am 23. November 2015, lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 11. Juni 2015 ab (Ziffer 1 des Bescheides) und verwies im Übrigen auf den Versagungsbescheid vom 8. Dezember 2014 (Ziffer 2 des Bescheides).

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen wie folgt aus: Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG sei nicht möglich. Zwar habe der Kläger vor seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet am 20. November 1996 Rechte gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben. Diese seien jedoch durch seinen viereinhalbjährigen Aufenthalt in der Türkei erloschen, da er die Bundesrepublik Deutschland für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2015 (Az.: 1 C 19/14) gehe hervor, dass ab einem Auslandsaufenthalt von ungefähr einem Jahr gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen müssten, dass der Lebensmittelpunkt des Betroffenen noch im Bundesgebiet liege. Der Kläger habe zwar die Bundesrepublik Deutschland nach der Aufforderung durch die Ausländerbehörde ... verlassen, habe nach Aktenlage jedoch in der Folge keinerlei weitere Anstrengungen unternommen, gegen die getroffene Entscheidung vorzugehen. Es sei keine Vorsprache bei der deutschen Auslandsvertretung in der Türkei zur Antragstellung einer erneuten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erfolgt. Er habe seinen Lebensmittelpunkt in die Türkei verlegt, in der auch seine Eltern lebten. Erst nach der Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen habe er die erneute dauerhafte Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt sowie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Eine übermäßige Härte sei auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Situation mit der Beendigung seines Aufenthalts nicht verbunden. Folgen, die außer Verhältnis stünden, träten nicht ein. Eine Prüfung, ob die Bescheide vom 8. September 1997 und vom 21. Oktober 1998 zu Recht ergangen seien, sei nicht streitgegenständlich. Für die Ausreise des Klägers am 28. April 1998 habe zwar durch die Ausreiseaufforderung der zuständigen Ausländerbehörde ein berechtigter Grund vorgelegen. Dies gelte jedoch nicht für den sich daran anschließenden, viereinhalbjährigen Aufenthalt in der Türkei. Es wäre ihm zumutbar und möglich gewesen, auch vom Ausland aus vor Erlöschen der o.g. Rechte, Schritte zu einer erneuten Einreise in das Bundesgebiet einzuleiten. Die Einwände des Bevollmächtigten des Klägers führten deshalb zu keiner anderen Entscheidung.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Telefax seines Bevollmächtigten vom ... Dezember 2015, bei Gericht am ... Dezember 2015 eingegangen, Klage erhoben und beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids vom 20. November 2015 die Beklagte zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers für die Dauer von fünf Jahren zu verlängern und eine Daueraufenthaltsbescheinigung nach § 4 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 7 ARB 1/80 zu erteilen.

Zugleich wurde mit Telefax vom ... Dezember 2015, bei Gericht am selben Tag eingegangen beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage vom ... Dezember 2015 gegen den Bescheid vom 20. November 2015 anzuordnen (Verfahren M 12 S 15.5830).

Zur Begründung in beiden Verfahren wurde zunächst auf die Ausführungen in der Klage- und Antragsbegründung in den Verfahren M 12 K 15.81 und M 12 S 15.164 Bezug genommen. Darüber hinaus wurde geltend gemacht, dass die Beklagte irre, wenn sie davon ausgehe, dass dem Kläger hinsichtlich des weiteren Auslandsaufenthalts in der Türkei plötzlich kein berechtigter Grund mehr zur Seite gestanden haben soll. Die Folgeleistung einer behördlichen Aufforderung - auch wenn diese rechtswidrig sei - sei als berechtigter Grund für den weiteren Aufenthalt in der Türkei verantwortlich. Es gebe zwar die Möglichkeit, gegen einen behördlichen Bescheid oder eine Maßnahme vorzugehen, aber keine Verpflichtung hierzu. Der Kläger habe sich damals auch rechtlichen Rat geholt. Allerdings hätten die damals konsultierten Rechtsanwälte dem Kläger keine Chancen eingeräumt, gegen die Aufforderung der Ausländerbehörde ... vorzugehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass im Jahre 1998 die assoziationsrechtliche Rechtstellung türkischer Staatsbürger noch bei weitem nicht so weit geklärt gewesen sei wie heute und eine Klage damals vermutlich kaum Erfolgschancen gehabt hätte. Der Integrationszusammenhang sei beim Kläger nicht durch seinen Aufenthalt in der Türkei vom 28. April 1998 bis 27. September 2002 unterbrochen worden, was sich an dem einwandfreien Deutsch, das der Kläger spreche, zeige. Der lange Auslandsaufenthalt sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass nach subjektiver und nachvollziehbarer Sicht eine erneute Einreise in das Bundesgebiet nur durch einen neuen Aufenthaltszweck möglich gewesen war und damit im Falle des Klägers nur im Wege des Ehegattennachzugs. Auch entspreche die Nichtberücksichtigung der von der Ausländerbehörde ... erzwungenen Auslandsaufenthaltsdauer seitens der Beklagten als berechtigter Grund nicht Sinn und Zweck des durch die EuGH-Rechtsprechung entwickelten Grundsatzes, wonach das supranationale Aufenthaltsrecht nur aus Gründen der Sicherheit und Ordnung oder bei Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe erlöschen könne. Es werde darauf hingewiesen, dass die Frage, ab welchem Zeitraum von einer Erheblichkeit der Abwesenheit eines gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsberechtigten türkischen Arbeitnehmers auszugehen sei, durch den EuGH noch nicht entschieden worden sei. Nehme man die persönliche Integration des türkischen Staatsbürgers und den Integrationszusammenhang zum Maßstab, so sei zu berücksichtigen, dass der Kläger immer noch Möglichkeiten der Rückkehr gesucht und eben die richtige Partnerin erst im Jahr 2002 gefunden habe. Zum Abzug gebracht werden müssten auch die Zeiten des Wehrdienstes des Klägers von Mai 1998 bis November 1999.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 18. Februar 2016 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die Begründung des Bescheids vom 20. November 2015 führte die Beklagte mit Schreiben vom 11. März 2016 des Weiteren aus, dass natürlich keine Verpflichtung bestehe, gegen eine möglicherweise rechtswidrige Ausreiseaufforderung durch die Behörde vorzugehen; dann müsse jedoch auch mit der Konsequenz, welche aus dieser Entscheidung erwachse, gerechnet werden, nämlich hier dem Erlöschen eines Anspruchs aus Art. 7 ARB 1/80 aufgrund langem Auslandsaufenthalts. Der Kläger sei bis auf den Zeitraum der Ableistung des Wehrdienstes frei in seiner Entscheidung gewesen, ob er in seinem Heimatland verbleibe oder aber weitere Anstrengungen zur Erlangung einer Genehmigung zur Wiedereinreise unternehme. Außer der schlussendlich zur Wiedereinreise führenden Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen wären dem Kläger noch weitere Möglichkeiten zur Wiedereinreise offen gestanden z. B. zur Arbeitsaufnahme oder Berufsausbildung.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger informatorisch angehört. Er gab an, dass er nach Erlass der Ordnungsverfügung vom 8. September 1997 Rechtsrat eingeholt habe, ihm jedoch erklärt worden sei, dass eine Klage aussichtslos sei. Weitere Bemühungen im Hinblick auf eine Rückkehr nach Deutschland habe er während seines viereinhalbjährigen Aufenthalts in der Türkei nicht ergriffen. Im Jahr 2001 habe er sich besuchsweise mit einem Visum in Deutschland aufgehalten.

Das Verfahren M 12 S 15.5830 wurde in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss eingestellt, nachdem beide Parteien übereinstimmend das Verfahren für erledigt erklärt haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie in den Verfahren M 12 S 15.5830, M 12 K 15.81 und M 12 S 15.164 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Verfahrensgegenstand ist vorliegend der Bescheid vom 20. November 2015, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) abgelehnt hat.

Die sich hiergegen richtende Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von fünf Jahren und Ausstellung einer Daueraufenthaltsbescheinigung gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 20. November 2015 erweist sich vielmehr als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von fünf Jahren auf Grundlage von § 4 Abs. 5 AufenthG.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Satz 1 AufenthG wird auf Antrag demjenigen, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt. Hat ein türkischer Staatsangehöriger ein solches supranationales Aufenthaltsrecht erworben, so folgt die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts unmittelbar aus den Bestimmungen der Beschlüsse des Assoziationsrates. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG ist daher insoweit nur deklaratorischer Natur. Um das Bestehen des Daueraufenthaltsrechts formal nachweisen zu können, bedarf es jedoch der Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis, aus der sich eine mindestens fünfjährige Gültigkeitsdauer ergeben muss (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: November 2015, § 4 Rn. 70a).

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Kläger kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei geltend machen kann. Zwar hat der Kläger als Sohn türkischer Arbeitnehmer ursprünglich ein solches Aufenthaltsrecht gemäß Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG - Türkei (ARB 1/80) erworben. Dieses ist jedoch infolge seines fast viereinhalbjährigen Aufenthalts in der Türkei vom 28. April 1998 bis zum 27. September 2002 wieder erloschen.

1.1. In Übereinstimmung mit den Parteien geht auch die Kammer davon aus, dass der Kläger ursprünglich ein von seinen Eltern abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 erworben hatte. Nach dieser Vorschrift haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Als Folge dieses unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleiteten Anspruchs auf Beschäftigung hat der Europäische Gerichtshof (vgl. U. v. 17.4.1997 - Kadiman, Rs. C-351/95 - juris Rn. 29) aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ein Aufenthaltsrecht für die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, die die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen, abgeleitet. Dieses Recht auf Aufenthalt und Beschäftigung steht dabei nicht nur Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers zu, die die Erlaubnis erhalten haben, zu ihm zu ziehen, sondern auch Kindern türkischer Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - im Bundesgebiet geboren worden sind (vgl. EuGH, U. v. 11.11.2004 - Cetinkaya, C-467/02 - InfAuslR 2005, 13 Rn. 23 ff.; BayVGH, U. v. 21.1.2013 - 10 B 11.1722 - juris Rn. 33).

Gemessen an diesen Vorgaben hat der Kläger als Sohn türkischer Arbeitnehmer ursprünglich ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Kläger, der von seiner Geburt am … an bis zu seiner erstmaligen Ausreise aus dem Bundesgebiet am 25. Juni 1996 ununterbrochen mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebte, hatte bei seinen Eltern für länger als fünf Jahre seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz. Jedenfalls sein Vater gehörte ausweislich des vorgelegten Rentenversicherungsverlaufs vom ... Juli 1973 bis zum ... Juli 1978 auch durchgehend dem deutschen Arbeitsmarkt an.

1.2. Der Kläger hat die nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 erworbene Rechtsstellung jedoch wieder verloren.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können aus Art. 7 ARB 1/80 erwachsende Rechte nur unter zwei Voraussetzungen beschränkt werden: Entweder stellt die Anwesenheit des türkischen Familienangehörigen im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates wegen seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 dar, oder der Betroffene hat das Hoheitsgebiet dieses Staates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen (vgl. EuGH, U. v. 16.3.2000 - Ergat, C-329/97 - juris und U. v. 8.12.2011 - Ziebell, C-371/08 - juris). Dabei ist grundsätzlich vom abschließenden Charakter dieser beiden Verlustgründe auszugehen (BVerwG, U. v. 9.8.2007 - 1 C 47.06 - BVerwGE 129, 162 Rn. 15 und U. v. 30.4.2009 - 1 C 6.08 - BverwGE 134, 27 Rn. 24). Daraus folgt, dass ein gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sein Aufenthaltsrecht nicht allein deshalb verlieren kann, weil er wegen der Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe keine Beschäftigung ausgeübt und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stand; denn die Rechtsstellung der in Art. 7 ARB 1/80 genannten Familienangehörigen hängt nicht von der Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ab (vgl. EuGH, U. v. 25.9.2008 - Rs. C-453/07 - Er - NVwZ 2008, 1337 Rn. 31 f.; BVerwG, U. v. 30.4.2009 - 1 C 6/08 - juris Rn. 24).

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger verwirklichten Straftaten ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Denn das Aufenthaltsrecht des Klägers nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 ist bereits deshalb erloschen, weil der Kläger das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat.

(1) Welche Zeitspanne unter einem nicht unerheblichen Zeitraum zu verstehen ist, bemisst sich nach einer Gesamtbewertung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls und lässt sich nicht losgelöst von den Gründen des Betroffenen für das Verlassen des Bundesgebiets beurteilen (vgl. BVerwG, U. v. 25.3.2015 - 1 C 19/14 - juris Rn. 18). Zur näheren Bestimmung des Zeitraums, nach dem das Verlassen des Bundesgebietes zum Erlöschen des Daueraufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 führt, ist auf Ziel und Zweck der Regelung des Art. 7 ARB 1/80 zurückzugreifen: Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dient das System des schrittweisen Erwerbs von Rechten aus Art. 7 ARB 1/80 zwei Zwecken. Zum einen sollen Familienangehörige des Arbeitnehmers bis zum Ablauf des ersten Zeitraums von drei Jahren die Möglichkeit erhalten, bei diesem zu leben, um so durch Familienzusammenführung die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der sich bereits ordnungsgemäß in den Aufnahmemitgliedstaat integriert hat, zu begünstigen. Zum anderen soll die Vorschrift eine dauerhafte Eingliederung der Familie des türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat fördern, indem dem Familienangehörigen nach drei Jahren ordnungsgemäßer Wohnsitznahme selbst der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht wird. Hauptzweck ist also, die Stellung des Familienangehörigen, der sich in dieser Phase bereits ordnungsgemäß in den Aufnahmemitgliedstaat integriert hat, dadurch zu festigen, dass er die Mittel erhält, dort selbst seinen Lebensunterhalt zu verdienen und sich folglich eine gegenüber der Stellung des Stammberechtigten selbstständige Stellung aufzubauen (vgl. EuGH, U. v. 22.6.2000 - C-65/98 - Eyüp - juris; U. v. 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya - juris; U. v. 29.3.2012 - C-7/10 und C-9/10 - Kahveci und Inan - juris). Art. 7 ARB 1/80 zielt demzufolge nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darauf ab, das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nach seiner Entstehung aus der Abhängigkeit von der beschäftigungsbezogenen Rechtstellung des Stammberechtigten zu lösen und dem Familienangehörigen zum Zwecke der Integration im Mitgliedstaat eine autonome Rechtsposition zu verschaffen (vgl. EuGH, U. v. 7.7.2005 - C-373/03, Aydinli, Rn. 23; U. v. 18.7.2007 - C-325/05, Derin, Rn. 53 und 71).

Mit Blick auf dieses Regelungsziel kommt es im Falle eines längeren Auslandsaufenthalts des assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen bei der Bewertung aller Umstände des Einzelfalles, ob er das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat, daher maßgeblich darauf an, ob er seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert hat (vgl. BVerwG, U. v. 25.3.2015, 1 C 19/14 - juris Rn. 18). Ist ein dauerhafter Aufenthalt im Bundesgebiet erkennbar nicht mehr gewollt, erlöschen die Zielsetzung des ARB sowie die hieraus abgeleiteten Rechtspositionen. Abzustellen ist dabei darauf, ob der Betroffene bei objektiver Betrachtungsweise nach außen hin zu erkennen gegeben hat, dass er sich auf Dauer vom Bundesgebiet verabschiedet hat und seinen Lebensmittelpunkt in der Türkei verlagert hat. Für die Annahme einer dauerhaften Abwesenheit vom Bundesgebiet können etwa eine melderechtliche Abmeldung in Deutschland, die Kündigung einer Wohnung oder aber die Tatsache sprechen, dass sich die Familienangehörigen in der Türkei und nicht mehr in Deutschland aufhalten. Wer auf der anderen Seite weiterhin seinen Wohnsitz in Deutschland hat, hier eine Wohnung inne hat oder noch über andere intensiven Kontakte verfügt, bei dem wird eher davon auszugehen sein, dass er nur auf beschränkte Zeit das Bundesgebiet verlassen möchte (vgl. BayVGH, B. v. 21.3.2006 - 24 ZB 06.233 - juris Rn. 23). Das zeitliche Moment und die Gründe für das Verlassen des Bundesgebiets stehen dabei nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr besteht zwischen ihnen ein Zusammenhang: Je länger der Betroffene sich im Ausland aufhält, desto eher spricht das dafür, dass er seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland aufgegeben hat. Ein nur kurzfristiger Aufenthalt in der Türkei, etwa zu Besuchszwecken oder zur Wahrnehmung geschäftlicher Termine, ist dagegen nicht geeignet, um die Annahme zu rechtfertigen, auf das aus dem ARB abgeleitete Recht werde verzichtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U. v. 25.3.2015 - 1 C 19.14 - juris Rn. 18) müssen ab einem Auslandsaufenthalt von ungefähr einem Jahr gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Lebensmittelpunkt des türkischen Staatsangehörigen noch im Bundesgebiet ist.

(2) Ob die Abwesenheit vom Bundesgebiet von berechtigten Gründen getragen ist, hängt zum einen maßgeblich davon ab, ob damit anerkennenswerte Interessen verfolgt werden. Entscheidend ist nicht, ob die Gründe aus dem subjektiven Blickwinkel des Betroffenen berechtigt erscheinen, sondern ob sie allgemein gesellschaftlich anerkannt sind (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Diennelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage 2013, Art. 7 ARB 1/80 Rn. 46).

Zum anderen hat der EuGH in der Rechtsache Kadiman (EuGH U. v. 17.4.1997 - C-351/95 - juris) zum Ausdruck gebracht, dass im Rahmen der Beurteilung einer längeren Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat auf die Freiwilligkeit abzustellen ist. Jener Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem der Ehemann seiner Frau während eines Urlaubs in der Türkei den Reisepass entwendet hatte, so dass sie erst nach fünf Monaten in das Bundesgebiet zurückkehren konnte. Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit dem anspruchsbegründenden Dreijahreszeitraum des Art. 7 Satz erster Spiegelstrich ARB 1/80 ausgeführt, dass kurzzeitige Unterbrechungen der Lebensgemeinschaft zwischen Familienangehörigen und Stammberechtigtem, die ohne die Absicht erfolgen, den gemeinsamen Wohnsitz im Aufnahmemitgliedstaat in Frage zu stellen, den Zeiten gleichzustellen seien, während der der betroffene Familienanagehörige tatsächlich mit dem türkischen Arbeitnehmer zusammengelebt habe. Erst recht habe dies für einen kürzeren als sechsmonatigen Aufenthalt des Betroffenen in seinem Heimatland zu gelten, wenn dieser Aufenthalt nicht von seinem eigenen Willen abhängig gewesen sei. Diese Ausführungen gelten - wie aus dem Verweis des Gerichtshofs in der Sache Ergat ersichtlich - entsprechend für den Verlust der assoziationsrechtlichen Stellung bei der Prüfung, ob ein Familienangehöriger den Mitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat (BVerwG, U. v. 30.4.2009 - 1 C 6.08 - BverwGE 134,27 Rn. 26). Demzufolge ist maßgebend auf die Freiwilligkeit des Auslandsaufenthalts abzustellen. Zu prüfen ist, ob der auf längere Zeit angelegte Aufenthalt in der Türkei vom Willen des Betroffenen getragen war bzw. durch dessen persönliches Verhalten zu verantworten ist. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Verlassen der Bundesrepublik und der anschließende Aufenthalt in der Türkei vom Willen des Betroffenen getragen sind. Es mag aber eine Vielzahl denkbarer Konstellationen geben, bei denen die Freiwilligkeit nachträglich weggefallen ist. Dies gilt etwa dann, wenn eine Krankheit oder Inhaftierung die zunächst beabsichtigte Rückkehr nach Deutschland unmöglich macht oder unzumutbar erschwert. In gleicher Weise kann dies etwa der Fall sein, wenn familiäre Probleme oder sonstige Schwierigkeiten in der Türkei es unzumutbar erscheinen lassen, innerhalb einer angemessenen Frist nach Deutschland zurückzukehren (vgl. BayVGH, B. v. 21.3.2006 - 24 ZB 06.233 - juris Rn. 24).

(3) Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger seine assoziationsrechtliche Rechtsstellung aus Art. 7 ARB 1/80 verloren hat, da er jedenfalls im Zeitraum vom Dezember 1999 bis 27. September 2002 das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hatte.

Der Kläger hat das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlassen. In Übereinstimmung mit dem Klägerbevollmächtigten geht auch die Kammer davon aus, dass es sich bei dem erstmaligen Aufenthalt des Klägers in der Türkei, der von 16. Juli 1996 bis 4. Juni 1997 andauerte, angesichts der Dauer des Auslandsaufenthalts von unter einem Jahr sowie der zwischenzeitlichen Rückkehr des Klägers in das Bundesgebiet im November 1996 kaum um einen erheblichen Zeitraum gehandelt haben dürfte, der seine nach Art. 7 ARB 1/80 erworbene Rechtsstellung zum Erlöschen gebracht hat. Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls bei seinem zweiten Türkeiaufenthalt in der Zeit vom 28. April 1998 bis 27. September 2002 handelte es sich um einen solchen nicht unerheblicher Zeitraum, der zum Erlöschen seiner Rechte aus Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 geführt hat. Bei der Bewertung, ob dieser Auslandsaufenthalt einen nicht unerheblichen Zeitraum darstellt, ist der Zeitraum vom Mai 1998 bis November 1999, in der der Kläger seinen Wehrdienst in der Türkei geleistet hat, auszunehmen. Denn insoweit beruht seine Abwesenheit auf einem berechtigten Grund und kann folglich nicht zum Erlöschen der assoziationsrechtlichen Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 führen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 11.5.2010 - 12 B 26.09 - juris Rn. 38 m. w. N.). Selbst wenn man jedoch die 18-monatige Wehrdienstzeit des Klägers außer Betracht lässt, stellt allein die Zeitspanne nach Ableistung des Wehrdienstes bis zu seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet am 27. September 2002 einen nicht unerheblichen Zeitraum dar, der die Rechtsstellung des Klägers nach Art. 7 ARB 1/80 zum Erlöschen gebracht hat:

Nach Ableistung seines Wehrdienstes verbrachte der Kläger bis zu seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet am 27. September 2002 noch fast zwei Jahre und neun Monate in der Türkei. Vorliegend ist auch davon auszugehen, dass der Kläger während dieses Zeitraums seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr im Bundesgebiet, sondern vielmehr in der Türkei hatte. Gewichtige Anhaltspunkte, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei einer mehr als einjährigen Abwesenheit vom Bundesgebiet vorliegen müssen, um annehmen zu können, dass der türkische Staatsangehörige weiterhin seinen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet hatte, sind im Fall des Klägers nicht zu erkennen. Vielmehr lassen die objektiv erkennbaren Umstände darauf schließen, dass der Kläger im Zeitraum von Dezember 1999 bis 27. September 2002 seinen Lebensmittelpunkt in der Türkei hatte. Hierfür spricht zum einen die melderechtliche Abmeldung im Bundesgebiet zum 28. April 1998 (vgl. Blatt 104 der Behördenakte). Darüber hinaus ist hier maßgeblich zu berücksichtigen, dass auch die Eltern des Klägers im April 1998 bzw. im Mai 1999 ihren Wohnsitz im Bundesgebiet aufgegeben hatten und in die Türkei zurückgekehrt waren. Damit lebten die nächsten Familienangehörigen des Klägers in der betreffenden Zeit ebenfalls in der Türkei und nicht mehr im Bundesgebiet. In der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2015 gab der Kläger auch an, dass er nach Ableistung seines Wehrdienstes zunächst abwechselnd im Sommer bei seinem Vater in … gelebt habe, um diesen bei seiner Arbeit in einem Restaurant zu unterstützen, und im Winter zu seiner Mutter nach ... gezogen zu sein. Vom Sommer 2001 bis zum Sommer 2002 habe er wieder bei seinem Vater in ... gelebt. Dass er weiterhin über soziale Kontakte im Bundesgebiet verfügte, die er während seines Auslandsaufenthalts aufrechterhielt, wurde weder vom Kläger geltend gemacht noch ergibt sich dies aus der vorgelegten Behördenakte. Lediglich im Jahr 2001 reiste der Kläger einmalig zu Besuchszwecken für wenige Wochen in das Bundesgebiet ein. Darüber hinaus unterhielt der Kläger auch keine Wohnung mehr im Bundesgebiet. Zwar ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen ist und die deutsche Sprache fließend beherrscht. Dies schließt angesichts der vorgenannten Umstände jedoch nicht aus, dass er im Zeitraum von Dezember 1999 bis 27. September 2002 seinen Lebensmittelpunkt in die Türkei verlagert hat. Vorliegend ist anzunehmen, dass der Kläger über seine Eltern sowohl mit der türkischen Sprache als auch mit der türkischen Kultur und den dortigen Lebensgewohnheiten vertraut ist. Auch der Umstand, dass er zwischen dem 16. Juli 1996 und 4. Juni 1997 fast ein Jahr in der Türkei verbracht hatte, spricht dafür, dass er seinem Heimatland keineswegs fremd gegenüberstand und er in der Lage war, sich auch dort eine Existenz aufzubauen. Hierauf lassen auch seine Aussagen im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ... am 8. November 1993 schließen, wonach er beabsichtige, auf Dauer in die Türkei zu ziehen, wo er sich wohler fühle. Wenngleich vorliegend zu berücksichtigen ist, dass der Kläger diese Aussagen nicht unmittelbar vor seiner Ausreise traf, so lässt sich ihnen jedoch zumindest entnehmen, dass der Kläger einem Leben in der Türkei jedenfalls nicht abgeneigt gegenüberstand. Die Gesamtumstände lassen somit darauf schließen, dass es sich bei dem zweiten Türkeiaufenthalt des Klägers um einen auf Dauer angelegten Aufenthalts handelte und er in dieser Zeit seinen Lebensmittelpunkt in die Türkei verlagert hat. Aufgrund der Dauer des Auslandsaufenthalts von fast zwei Jahren und neun Monaten sowie der Aufgabe des Lebensmittelpunktes im Bundesgebiet ist daher davon auszugehen, dass der Kläger das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlassen hat.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er sich in der Zeit von Dezember 1999 bis zu seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet am 27. September 2002 aus berechtigten Gründen in der Türkei aufgehalten hat. Zwar ist vorliegend davon auszugehen, dass die Ausreise selbst aus berechtigten Gründen erfolgte. Denn der Kläger wurde mit Ordnungsverfügung des ... vom 8. September 1997 dazu verpflichtet, das Bundesgebiet bis zum 15. Oktober 1997 zu verlassen. Leistet der Ausländer mit seiner Ausreise einer behördlichen Verpflichtung Folge, so ist hierin grundsätzlich ein legitimer Grund für die Ausreise zu sehen. Des Weiteren stellt auch der bis November 1999 geleistete Wehrdienst einen berechtigten Grund für die Abwesenheit des Klägers vom Bundesgebiet dar (s.o.). Jedoch fehlt es an einem berechtigten Grund für den sich hieran anschließenden Aufenthalt des Klägers in der Türkei von Dezember 1998 bis zum 27. September 2002. Entgegen der Auffassung des Klägers ist insbesondere in der Ordnungsverfügung des ... vom 8. September 1997 kein berechtigter Grund mehr für seinen weiteren Auslandsaufenthalt von zwei Jahren und neun Monaten zu sehen. Eine behördliche Ausreiseverpflichtung stellt nämlich keinen berechtigten Grund für einen jahrelangen Auslandsaufenthalt eines Ausländers dar, wenn der Ausländer nicht alle zumutbaren Rechtsmittel gegen die Verfügung ausgeschöpft hat und auch keine nach außen erkennbaren Anstrengungen für eine Rückkehr ins Bundesgebiet unternommen hat, sondern im Gegenteil seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt hat. So liegt der Fall hier. Der Kläger hat zum einen nicht alle ihm zumutbaren Mittel ausgeschöpft, um sich gegen die Ausreiseverpflichtung zur Wehr zu setzen. So hat er zwar Widerspruch gegen die Entscheidung vom 8. September 1998 eingelegt, jedoch gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 1998 kein Rechtsmittel mehr erhoben. Zum anderen hat er - abgesehen von der Einholung eines Rechtsrats bezüglich der Ordnungsverfügung vom 8. September 1998 - auch keine erkennbaren Anstrengungen unternommen, um in das Bundesgebiet zurückkehren zu können. Weder hat sich der Kläger nach seiner Ausreise um die Erteilung eines Visums bemüht noch hat er ein weiteres Mal einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erschien hier auch nicht von vornherein aussichtslos. Aus der Begründung der Ordnungsverfügung vom 8. September 1998 geht vielmehr hervor, dass die Versagung der im Juni 1997 beantragten Aufenthaltserlaubnis ausschließlich darauf gestützt wurde, dass der Kläger ohne das erforderliche Visum in das Bundesgebiet eingereist war. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die zuständige Behörde bei Einholung eines entsprechenden Visums war daher nicht ausgeschlossen. Ferner lässt sich auch nicht feststellen, dass der Kläger beispielsweise über Bewerbungen für einen Arbeitsplatz im Bundesgebiet den Versuch unternommen hätte, in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren. Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass sich die Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der Auslegung der Erlöschensgründe assoziationsrechtlicher Aufenthaltsrechte jedenfalls mit der Entscheidung in der Rechtsache Ergat (vgl. EuGH, U. v. 16.3.2000, C-329/97 - juris) im März 2000 abzeichnete. Auch nach dieser Entscheidung hat der Kläger jedoch keine weiteren Bemühungen ergriffen, um sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu erstreiten. Ein Wille des Klägers, in absehbarer Zeit seinen Aufenthalt in der Türkei zu beenden und in das Bundesgebiet zurückzukehren ist somit nach außen hin nicht erkennbar geworden. Im Gegenteil hat der Kläger in dieser Zeit seinen Lebensmittelpunkt vielmehr in der Türkei verlegt. Denn dorthin waren im April 1998 bzw. im Mai 1999 auch seine Eltern als seine nächsten Familienangehörigen gezogen. Im Bundesgebiet verfügte der Kläger hingegen nicht mehr über entsprechend enge soziale Bindungen (s.o.). All dies lässt somit darauf schließen, dass sich der Kläger offenbar auf ein Leben in der Türkei eingestellt hatte und sein Auslandsaufenthalt von seinem freien Willen getragen war. Aus diesem Grunde ist daher davon auszugehen, dass für den Aufenthalt des Klägers in der Türkei von Dezember 1999 bis 27. September 2002 kein berechtigter Grund vorlag. Ein Fortwirken eines äußeren Zwangs aufgrund der Ordnungsverfügung vom 8. September 1998 lässt sich für den Zeitraum Dezember 1998 bis 27. September 2002 zur Überzeugung der Kammer nicht feststellen.

Nach alledem ist daher davon auszugehen, dass der Kläger das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat.

Die Beklagte hat damit zu Recht die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers auf Grundlage von § 4 Abs. 5 ARB i. V. m. dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei abgelehnt.

2. Da der Kläger kein Aufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 ableiten kann, besteht entsprechend auch kein Anspruch auf Ausstellung eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4 Abs. 5 AufenthG.

Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.

3. Als unterliegende Partei hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

5. Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124 und 124a Abs. 1 VwGO kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen. Die Berufungsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

Über die Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 5.00,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.