Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2018 - 9 ZB 16.1987

bei uns veröffentlicht am19.10.2018

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) zu tragen. Die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Hangbefestigung mit Stützmauern und Auffüllungen auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung M..., die ihm mit Bescheid des Landratsamts A... vom 19. Mai 2015 versagt wurde. Des Weiteren wendet er sich gegen die gleichzeitig erlassene zwangsgeldbewehrte Anordnung des Landratsamts, die auf dem genannten Grundstück bereits errichteten Stützmauern inkl. Auffüllungen und Terrasse auf das laut Bebauungsplan „J...straße, Änderung 1“ der Beigeladenen zu 1 zulässige Maß zu reduzieren bzw. zu beseitigen. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 28. Juni 2016 ab. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, beurteilt sich im Wesentlichen anhand dessen, was der Kläger innerhalb offener Frist hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich im Ergebnis solche Zweifel nicht.

a) Das Verwaltungsgericht ist im Rahmen seiner Inzidentprüfung davon ausgegangen, dass die Änderung 1 des Bebauungsplans „J...straße“ der Beigeladenen zu 1 hinsichtlich der unterschiedlichen topographischen Verhältnisse im Plangebiet an keinem Mangel im Abwägungsvorgang leidet. Es hat hierzu darauf verwiesen, aus der Begründung des Bebauungsplans ergebe sich, dass es der Beigeladenen zu 1 bei der Aufstellung des Bebauungsplans durchaus bewusst gewesen sei, dass es sich bei dem Baugebiet um einen starken West-Südwest-Hang mit 20%-iger Geländeneigung im Mittel handele. Dem trügen die planerischen Erwägungen Rechnung, indem im Bebauungsplan Festsetzungen hinsichtlich Auffüllungen, Abgrabungen sowie Terrassierung des Geländes mit Stützmauern getroffen wurden, die so ausgestaltet seien, dass sie den ursprünglichen Geländeverlauf jedenfalls im Ansatz noch erkennen lassen und die Geländekanten in die bestehende Topographie einbinden.

Dies unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln. Das Zulassungsvorbringen des Klägers, bei der Festlegung der Terrassierungshöhe sei eine Differenzierung in der Betrachtung des Plangebiets trotz äußerst unterschiedlicher Steigungslagen nicht erfolgt und im Bereich seines Grundstücks befinde sich, wie sich den Bildern vom Augenschein des Verwaltungsgerichts entnehmen lasse, eine extrem steile Hanglage ändert daran nichts. Das Landratsamt hat hierzu bereits im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 27. April 2016 unter Hinweis auf die vom Kläger vorgelegten Bauvorlagen (Behördenakte 182/15, Bl. 52, Schnitt 1-1) nachvollziehbar darauf verwiesen, dass die beim Augenschein vorgefundene Hanglage nicht dem natürlich vorhandenen Gelände entspreche, sondern durch entsprechende Auffüllungen des Klägers erzeugt und die Hangneigung damit zusätzlich erhöht worden sei. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht entgegengetreten.

Im Übrigen wäre ein solcher vom Kläger geltend gemachter Mangel im Abwägungsvorgang nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB mangels rechtzeitiger Rüge gegenüber der Beigeladenen zu 1 unbeachtlich geworden. Wie sich aus der von ihr vorgelegten Bekanntmachung des Bebauungsplans „J...straße, Änderung 1“ vom 4. Januar 2008 ergibt, enthielt diese insbesondere den nach § 215 Abs. 2 BauGB erforderlichen Hinweis auf die Rügemöglichkeiten des § 215 Abs. 1 BauGB und die Folgen einer nicht erfolgten Rüge. Der Kläger ist diesem Vorbringen nicht entgegengetreten. Der Umfang der Inzidentkontrolle eines Bebauungsplans ist nach Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf die nicht von dieser Vorschrift erfassten stets beachtlichen Mängel beschränkt (vgl. BayVGH, U.v. 22.9.2015 - 1 B 14.1652 - juris Rn. 20 m.w.N.).

Für die vom Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachte Behauptung, dass mit den vom Bebauungsplan zugelassenen Stützmauern eine Sicherung des Gebäudes technisch unmöglich sei, hat bereits das Verwaltungsgericht keinerlei greifbare Anhaltspunkte gesehen. Solche ergeben sich auch nicht aus dem Zulassungsvorbringen. Wie vielmehr dem Vermerk der Kreisbaumeisterin vom 4. Mai 2015 über den Ortstermin auf dem Grundstück FlNr. ... Gemarkung M... entnommen werden kann (vgl. Bauakte 182/15, Bl. 24), erscheint eine bebauungsplankonforme Lösung, z.B. durch eine Veränderung der Art der Hanggestaltung, umsetzbar.

b) Zu Recht ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorliegen. Es hat hierzu nachvollziehbar darauf verwiesen, dass der ursprüngliche Geländeverlauf nach dem Ergebnis seines Augenscheins mit der beantragten Befreiung nicht mehr erkennbar wäre, vielmehr eine künstliche Nivellierung des Landschaftsbilds vorliegen würde. Nach dem planerischen Konzept der Beigeladenen zu 1 sollte mit den Festsetzungen hinsichtlich der Auffüllungen, Abgrabungen und Terrassierung des Geländes mit Stützmauern erreicht werden, dass der ursprüngliche Geländeverlauf jedenfalls im Ansatz noch erkennbar ist und die Geländekanten in die bestehende Topographie eingebunden werden. Wenn durch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB - wie hier - die Grundzüge der Planung berührt werden, ist die Frage, ob der im Zulassungsvorbringen geltend gemachte Befreiungsgrund einer „offensichtlich nicht beabsichtigten Härte“ (§ 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) vorliegt, ohne Belang (vgl. BVerwG, B.v. 24.9.2009 - 4 B 29/09 - juris Rn. 5 m.w.N.).

c) Soweit sich der Kläger gegen die Rückbau- bzw. Beseitigungsanordnung in Nummer 2 des Bescheids vom 19. Mai 2015 wendet, enthält das Zulassungsvorbringen neben den bereits oben erörterten Ausführungen keine weitere Auseinandersetzung mit der Begründung der Beseitigungsanordnung im Urteil bzw. im Bescheid vom 19. Mai 2015, auf die das Urteil Bezug nimmt.

2. Die Berufung ist auch nicht zuzulassen, wenn das Vorbringen des Klägers, das Verwaltungsgericht habe den angebotenen Sachverständigenbeweis zur behaupteten technischen Unmöglichkeit einer Geländesicherung mittels den vom Bebauungsplan zugelassenen Stützmauern nicht eingeholt, als Geltendmachung eines Verfahrensmangels im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu werten sein sollte.

Denn mit diesem Vorbringen wird kein Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) dargetan. Das Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Der Beweisantrag ist förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen. Daran fehlt es. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltschaftlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat. Das Beweisangebot des Klägers im Schriftsatz vom 7. September 2015 ist nur die Ankündigung eines Beweisantrags bzw. eine Beweisanregung, die § 86 Abs. 2 VwGO nicht unterfällt (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2018 - 9 ZB 17.1984 - juris Rn. 19 m.w.N.). Der Kläger hat im Übrigen auch nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen müssen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 75 m.w.N.).

Das Vorbringen lässt auch keinen Gehörsverstoß erkennen. Zwar mag es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebieten, auch im Falle einer vorangegangenen Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO einen neuen Beweisantrag entsprechend einem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu behandeln und über ihn vor der Sachentscheidung zu entscheiden. Anders verhält es sich, wenn der Beweisantrag vor oder gleichzeitig mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 10.11.2013 - 1 B 15/13 - juris Rn. 7). So liegt es hier. Das Beweisangebot des Klägers ist mit Schriftsatz vom 7. September 2015 und damit vor dem Verzicht auf mündliche Verhandlung durch den Schriftsatz des Klägers vom 12. Mai 2016 erfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2018 - 9 ZB 16.1987 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

Baugesetzbuch - BBauG | § 214 Beachtlichkeit der Verletzung von Vorschriften über die Aufstellung des Flächennutzungsplans und der Satzungen; ergänzendes Verfahren


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn1.entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Bela

Baugesetzbuch - BBauG | § 215 Frist für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften


(1) Unbeachtlich werden 1. eine nach § 214 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften,2. eine unter Berücksichtigung des § 214 Absatz 2 beachtliche Verletzung der Vorschriften über das

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Gründe 1 Die Beschwerde, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Verfahrensmängel des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 Vw

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn

1.
entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist;
2.
die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2, § 4a Absatz 3, Absatz 4 Satz 2, nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, nach § 22 Absatz 9 Satz 2, § 34 Absatz 6 Satz 1 sowie § 35 Absatz 6 Satz 5 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn
a)
bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange jedoch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind,
b)
einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben,
c)
(weggefallen)
d)
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet veröffentlicht worden ist und die Begründung für die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist,
e)
bei Anwendung des § 3 Absatz 2 Satz 5 der Inhalt der Bekanntmachung zwar in das Internet eingestellt wurde, aber die Bekanntmachung und die nach § 3 Absatz 2 Satz 1 zu veröffentlichenden Unterlagen nicht über das zentrale Internetportal des Landes zugänglich gemacht wurden,
f)
bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder
g)
bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind;
3.
die Vorschriften über die Begründung des Flächennutzungsplans und der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach §§ 2a, 3 Absatz 2, § 5 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Absatz 5, § 9 Absatz 8 und § 22 Absatz 10 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn die Begründung des Flächennutzungsplans oder der Satzung oder ihr Entwurf unvollständig ist; abweichend von Halbsatz 2 ist eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht unbeachtlich, wenn die Begründung hierzu nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist;
4.
ein Beschluss der Gemeinde über den Flächennutzungsplan oder die Satzung nicht gefasst, eine Genehmigung nicht erteilt oder der mit der Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
Soweit in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 die Begründung in wesentlichen Punkten unvollständig ist, hat die Gemeinde auf Verlangen Auskunft zu erteilen, wenn ein berechtigtes Interesse dargelegt wird.

(2) Für die Rechtswirksamkeit der Bauleitpläne ist auch unbeachtlich, wenn

1.
die Anforderungen an die Aufstellung eines selbständigen Bebauungsplans (§ 8 Absatz 2 Satz 2) oder an die in § 8 Absatz 4 bezeichneten dringenden Gründe für die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans nicht richtig beurteilt worden sind;
2.
§ 8 Absatz 2 Satz 1 hinsichtlich des Entwickelns des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan verletzt worden ist, ohne dass hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist;
3.
der Bebauungsplan aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, dessen Unwirksamkeit sich wegen Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften einschließlich des § 6 nach Bekanntmachung des Bebauungsplans herausstellt;
4.
im Parallelverfahren gegen § 8 Absatz 3 verstoßen worden ist, ohne dass die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist.

(2a) Für Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren nach § 13a, auch in Verbindung mit § 13b, aufgestellt worden sind, gilt ergänzend zu den Absätzen 1 und 2 Folgendes:

1.
(weggefallen)
2.
Das Unterbleiben der Hinweise nach § 13a Absatz 3 ist für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich.
3.
Beruht die Feststellung, dass eine Umweltprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, gilt die Vorprüfung als ordnungsgemäß durchgeführt, wenn sie entsprechend den Vorgaben von § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 durchgeführt worden ist und ihr Ergebnis nachvollziehbar ist; dabei ist unbeachtlich, wenn einzelne Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.
4.
Die Beurteilung, dass der Ausschlussgrund nach § 13a Absatz 1 Satz 4 nicht vorliegt, gilt als zutreffend, wenn das Ergebnis nachvollziehbar ist und durch den Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben nach Spalte 1 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung begründet wird; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.

(3) Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend. Mängel, die Gegenstand der Regelung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind, können nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden; im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

(4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.

(1) Unbeachtlich werden

1.
eine nach § 214 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften,
2.
eine unter Berücksichtigung des § 214 Absatz 2 beachtliche Verletzung der Vorschriften über das Verhältnis des Bebauungsplans und des Flächennutzungsplans und
3.
nach § 214 Absatz 3 Satz 2 beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs,
wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. Satz 1 gilt entsprechend, wenn Fehler nach § 214 Absatz 2a beachtlich sind.

(2) Bei Inkraftsetzung des Flächennutzungsplans oder der Satzung ist auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hinzuweisen.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 B 14.1652

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. September 2015

(VG München, Entscheidung vom 14. Juni 2012, Az.: M 11 K 11.5045)

1. Senat

Sachgebietsschlüssel: 920

Hauptpunkte:

Beseitigungsanordnungen für zwei Terrassen, soweit außerhalb der Baugrenzen errichtet; Beseitigungsanordnungen für vier Balkone; Inzidentprüfung eines Bebauungsplans; Festsetzung der Größe der Grundflächen; Beseitigungsermessen.

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

...

vertreten durch die ..., L-str. ..., M.,

- Beklagter -

beigeladen: Gemeinde ...

vertreten durch den ersten Bürgermeister, ...

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

wegen Anfechtung einer Beseitigungsanordnung (Balkone u. Terrassen) (FlNr. 316 und 316/4 Gemarkung ...);

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. Juni 2012,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dihm, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller ohne weitere mündliche Verhandlung am 22. September 2015

folgendes Urteil:

I.

Soweit die Klage in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit gegenstandslos geworden.

II.

Ziffer I des Tenors des Urteils des Verwaltungsgerichts wird insoweit aufgehoben, als er Ziffer 3 des Bescheids des Landratsamts S. vom 12. Oktober 2011 aufhebt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

IV.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die vom Landratsamt S. mit Bescheid vom 12. Oktober 2011 (geändert mit Bescheid vom 8. Juni 2012 und durch Erklärung des Beklagten zur Niederschrift in der mündlichen Verhandlung am 30. Juni 2015) verfügten Anordnungen‚ die an den Südostfassaden der beiden benachbarten, weitgehend baugleichen Einfamilienhäuser auf den Grundstücken FlNr. 316 und 316/3‚ Gemarkung G., errichteten je zwei Balkone (Ziffer 1) sowie die beiden aufgeständerten, teilweise in den Hangbereich hineinragenden Terrassen zu beseitigen, soweit sie die im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen überschreiten (Ziffer 2). Die Mieter der beiden Einfamilienhäuser wurden zur Duldung der angeordneten Maßnahmen verpflichtet (Ziffer 3). Für den Fall, dass die Klägerin ihren Verpflich-tungen nicht vollständig und unter Beachtung der gesetzten Fristen nachkommt‚ wurden Zwangsgelder angedroht (Ziffer 4).

Beide Grundstücke liegen im Bereich des ein reines Wohngebiet festsetzenden Bebauungsplans Nr. 137 in der Fassung vom 2. März 2004‚ geändert am 8. Juli 2008 durch den Bebauungsplan Nr. 137-1 mit Geltung für die beiden streitgegenständlichen Grundstücke. Nach den zeichnerischen Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. 137-1 sind zwei Baufenster von etwa 12 m x 15 m vorgesehen, die sich bis zur Hangkante und damit bis zum Beginn des Geländeabfalls zum W-tal erstrecken; unmittelbar anschließend an die Hangkante ist die gesamte Hangfläche als „Fläche für Maßnahmen zum Schutz‚ zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft“ ausgewiesen (Festsetzung A.9.5: „Die nordwestliche Begrenzung dieser Fläche stellt die ortsbildprägende und zu schützende Hangkante dar“). Nebenanlagen und Einrichtungen i. S. des § 14 Abs. 1 und 2 BauNVO sind „nur innerhalb des Baufensters und bis zu einer Maximalfläche von 5 m² pro Grundstück (ausgenommen Garagen) zulässig“ (Festsetzung A.2.2). Für jedes der beiden Grundstücke wird eine Grundfläche („GR = 92‚5“) festgesetzt; zur Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung heißt es in A.3.1: „höchstzulässige Grundfläche z. B. 140 m² (inklusive der Fläche möglicher Balkone)“. In der textlichen Festsetzung zur baulichen Gestaltung Nr. 5.4 (Balkone und Erker) heißt es u. a.: „Balkone und Erker sind außerhalb des Bauraums nur zulässig‚ soweit sie untergeordnete Bauteile i. S. der BayBO darstellen‚ d. h. wenn ihre Gesamtbreite pro Fassade kleiner als 1/3 Fassadenbreite ist und ihre Tiefe die Baugrenzen um nicht mehr als 1‚5 m überschreitet.“ Zwischen den beiden Einfamilienhäusern ist eine 6 m breite private, von Bebauung freizuhaltende Grünfläche festgesetzt, die der Sicherung des Durchblicks zwischen den beiden Gebäuden zur oberen Hangkante hin dient (Festsetzung A.9.1).

In der auf Art. 76 Satz 1 BayBO gestützten Beseitigungsanordnung vom 12. Oktober 2011 wird ausgeführt, die Voraussetzungen für eine nachträgliche Zulassung der -entgegen der Bau- und Tekturgenehmigungen vom 27. Oktober 2009 und 17. Mai 2010 errichteten - Balkone und Terrassen lägen nicht vor‚ weil eine Überschreitung der festgesetzten Bauräume dem Schutz der ortsbildprägenden Hangkante und der mit Gehölzen bewachsenen Hangfläche zuwiderlaufe. Die Festsetzung der höchstzulässigen Grundfläche von je 92‚5 m² schließe ausdrücklich die Fläche möglicher Balkone ein; dieses Maß sei aber bereits durch die ohne Zulassung von Balkonen erteilten Baugenehmigungen ausgeschöpft. Die Terrassen lägen größtenteils außerhalb der Bauräume und reichten über die geschützte Hangkante hinaus. Die Festsetzung A.9.5 stelle einen planerischen Grundzug im Sinn von § 31 Abs. 2 Satz 1 BauGB dar, eine Befreiung hiervon sei ausgeschlossen. Zudem seien die errichteten Terrassen abstandsflächenpflichtig‚ hielten jedoch die Mindestabstandsfläche von 3 m nach Art. 6 Abs. 5 BayBO zur Grenze nicht ein.

Mit Urteil vom 14. Juni 2012 hob das Verwaltungsgericht München den Bescheid des Landratsamts vom 12. Oktober 2011 (in der Fassung des Änderungsbescheids vom 8. Juni 2012) in vollem Umfang‚ also auch die an die Mieter gerichteten Duldungsanordnungen auf. Zwar überschritten beide Gebäude einschließlich der nicht genehmigten Balkone und Terrassen die zulässigen Grundflächen von je 92‚5 m². Es könne dahinstehen, ob diese Festsetzung von im Vergleich zum sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans relativ geringen Grundflächen in abwägungsfehlerfreier Weise getroffen habe werden können. Denn es sei zweifelhaft‚ ob die zulässige Grundfläche tatsächlich als „Summenmaß“ aller baulichen Anlagen‚ also auch der untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinn von § 14 Abs. 1 und 2 BauNVO oder nur als Grundfläche für ein Einzelhaus als „Hauptanlage“ festgesetzt worden sei. Gehe man zugunsten des Beklagten von der Wirksamkeit der Grundflächenfestsetzung aus‚ so komme jedenfalls die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB in Betracht, denn es sei „nicht plausibel‚ warum eine derart geringfügige Überschreitung der Grundflächenzahl die Grundzüge der Planung berühren oder städtebaulich nicht vertretbar sein sollte“. Die auf einen Kompromiss im vom Ehemann der Klägerin 2006 gegen den Bebauungsplan angestrengten Normenkontrollverfahren (1 N 06.177; später: 1 N 08.2270 und 2271) zurückgehende maximale Grundfläche sei nur durch diese Einigung‚ nicht jedoch durch besondere städtebauliche Gründe zu erklären. Auch die Aussage in der Festsetzung A.3.1‚ wonach die Grundfläche „inklusive der Fläche möglicher Balkone“ zu verstehen sei‚ führe nicht zu einem Ausschluss jeglicher Befreiungsmöglichkeit; in dieser Festsetzung liege nur eine Klarstellung, wonach auch Balkone bei der Berechnung der Grundfläche zu berücksichtigen seien. Die Möglichkeit einer geringfügigen Überschreitung der Baugrenzen durch die Terrassen ergebe sich aus § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO; sie seien Gebäudeteile von geringfügigem Ausmaß. Die Wohngebäude habe man etwa 2 m weiter als aufgrund der festgesetzten Baufenster erforderlich von der Straße abgerückt‚ was angesichts der beengten Zufahrtsmöglichkeiten nachvollziehbar sei; das Heranrücken der Terrassen an den Hang erscheine zum sicheren Betreten des hinteren Grundstücksbereichs sinnvoll. Die vorrangig schützenswerten Hangflächen seien nicht betroffen; die Hangkante‚ bei der es sich nicht um eine klare Linie handele und die im Übergangsbereich allenfalls geringfügig überbaut worden sei‚ bleibe nach wie vor erkennbar. Auch hinsichtlich der Überschreitung der Baugrenzen komme eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB in Betracht. Von den aufgeständerten Terrassen gehe keine gebäudeähnliche Wirkung aus. Der Bescheid erweise sich schließlich als ermessensfehlerhaft‚ weil das Landratsamt die Genehmigungsfähigkeit der zu beseitigenden Anlagenteile falsch eingeschätzt und daher weder eine Befreiung im Hinblick auf die zulässigen Grundflächen noch eine Abweichung für die Überschreitung der Baugrenzen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO in Betracht gezogen habe.

Der Beklagte begründet seine wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassene Berufung in erster Linie damit‚ dass gegen die Wirksamkeit der Festsetzungen A.2.2 und A.3.1 bei sachgerechter Auslegung keine Bedenken bestünden. Die Beigeladene habe nicht nur die zulässige Grundfläche für Hauptgebäude festlegen wollen‚ sondern auch die der gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO mitzurechnenden Anlagen. Der Schluss‚ dass sich die Festsetzung der Grundfläche nur auf Hauptgebäude beziehe‚ weil sich in A.2.2 eine weitere Regelung zu Nebengebäuden befinde‚ sei schon deshalb nicht zwingend‚ weil sich diese Regelung unter der Überschrift „Art der baulichen Nutzung“ befinde und deshalb nicht das Maß der baulichen Nutzung betreffe. Selbst wenn man die Bestimmungen zum Maß der Bebauung im Bebauungsplan als unwirksam ansehen wolle‚ bleibe in jedem Fall eine deutliche faktische Baugrenze an der Hangkante erkennbar‚ die durch beide Terrassen überschritten werde und deren Beseitigung rechtfertige. Das Verwaltungsgericht lasse das originäre Ziel der Bauleitplanung‚ den Schutz und Erhalt der Flächen an der Hangkante‚ mit den von ihm bejahten Abweichungsmöglichkeiten außer Acht. In der Entscheidung fänden insbesondere die zu befürchtenden Bezugnahmen anderer Grundeigentümer von an der Hangkante gelegenen Grundstücken auf die Vorhaben der Klägerin keine Erwähnung‚ obwohl ihnen im Rahmen der Ermessenausübung ausschlaggebende Bedeutung zugekommen sei. Die geringfügige Überschreitung der Baugrenzen durch die Balkone werde durch die Festsetzung in Nr. A.5.4 des Bebauungsplans ermöglicht. Auch im Lauf des Normenkontrollverfahrens aus dem Jahr 2006 habe die Beigeladene neben dem Erhalt der Durchblicksmöglichkeit zwischen den beiden Gebäuden stets den Schutz der Hangkante und -fläche als Planungsziel weiterverfolgt. Nachdem im Rahmen des Normenkontrollverfahrens das auf den Grundstücken liegende Baurecht untersucht worden sei‚ habe der Senat der Beigeladenen - entsprechend dem Wunsch des Grundeigentümers‚ statt des zunächst vorgesehenen einen Bauraums nun zwei getrennte Bauräume zu erhalten - empfohlen, zwei Grundflächen von jeweils 7 m x 12/13 m zur Verfügung zu stellen. Die Festsetzung, wonach Balkone in die Grundflächen miteinzurechnen seien‚ habe ein Auskragen größerer Gebäudeteile in die freien Schneisen verhindern sollen. Die nicht genehmigten Balkone und Terrassen verstießen gegen die planerische Überlegung‚ bei den Wohngebäuden dem Eindruck der Massivität entgegenzuwirken‚ Balkone also nur unter Anrechnung auf die Grundfläche zu ermöglichen. Die Klägerin habe die ihr zur Verfügung stehenden Grundflächen bereits durch die Gebäudekörper ohne Berücksichtigung von Terrassen und Balkonen ausgeschöpft. Das Verwaltungsgericht habe weiter völlig verkannt‚ dass nur bei Vorliegen der Befreiungstatbestände ein Ermessen möglich sei‚ ohne jedoch die zu fordernde, hier nicht gegebene Atypik in der Grundstückssituation zu prüfen. Die Verpflichtung zu einem sensiblen Umgang mit der Hangkante treffe die Klägerin genauso wie die Nachbargrundstücke. Zudem sei eine Bebauung möglich gewesen‚ die den Festsetzungen des Bebauungsplans in jeder Hinsicht entsprochen hätte, denn erst das ohne Not erfolgte Abrücken der Gebäude von der Straße habe dazu geführt‚ dass die beiden rückwärtigen Gebäudewände fast direkt auf der Baugrenze und damit unmittelbar an der Hangkante errichtet worden seien. Eine Befreiung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO scheide schon deshalb aus‚ weil die Terrassen keine geringfügig hervortretenden Bauteile seien‚ da sie mehr als 1/3 der jeweiligen Fassade einnähmen. Schließlich gebe es auch keinen Anspruch auf Befreiungen‚ da ihre Erteilung im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde liege und Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung nicht erkennbar seien. Die aufgeständerten Terrassen seien im Übrigen sehr wohl abstandsflächenrelevant‚ weil sie bereits von ihrem Störpotential her unter dem Aspekt des nachbarlichen Wohnfriedens eine gebäudeähnliche Wirkung entfalteten.

Die Beigeladene erinnert daran‚ dass ursprünglich im Bebauungsplan Nr. 137 ein mittiges Baufenster mit einer Grundfläche von 150 m² festgesetzt gewesen sei; auf Betreiben der Klägerin sei der Plan im Verlauf des Normenkontrollverfahren so geändert worden‚ dass anstelle eines Gebäudes nun zwei freistehende Häuser errichtet werden könnten und deshalb die „Durchblicksfläche“ in die Mitte der beiden Grundstücke verlegt worden sei. Da in den Eingabeplänen der Klägerin zu den Baugenehmigungen die Hangkante und damit die östliche Baugrenze falsch dargestellt worden sei‚ habe der Beklagte in den Plänen die entsprechenden Berichtigungen vorgenommen; danach stünden die südöstlichen Gebäudewände fast auf der dortigen Baugrenze und die sich anschließenden Terrassen seien fast in vollem Umfang außerhalb der Baugrenze errichtet worden. Ihre Aufständerung gehe teilweise bis zu 1 m über die Geländeoberkante hinaus. Die Klägerin selbst habe die Überschreitung der Baugrenze durch die Terrasse um ca. 2‚3 m dokumentiert (Anlage 3 zu ihrem Schriftsatz vom 2.5.2012). Die streitbefangenen Balkone und Terrassen wichen von der jeweils am 27. Oktober 2009 für den Neubau der Einfamilienhäuser erteilten Baugenehmigungen in Gestalt der Tekturgenehmigungen vom 17. Mai 2010 ab. Nur um die Attraktivität ihrer Immobilien zu erhöhen‚ habe die Klägerin gezielt gegen die Baugenehmigungen und damit gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 137-1 verstoßen. Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB im Hinblick auf die Überschreitung der festgesetzten Baugrenzen und der parzellenscharf festgelegten überbaubaren Grundstücksflächen würden schon deswegen ausscheiden‚ weil sie gegen Grundzüge der Planung verstießen. Die Festsetzung der östlichen Grenze der Baukörper bzw. der westlichen Grenze der geschützten Hangzone durchziehe das gesamte Plangebiet „wie ein roter Faden“. Folge einer der Klägerin gewährten Befreiung wären entsprechende Wünsche der benachbarten Grundeigentümer im Plangebiet‚ die ihre Gebäude an der attraktiven Ostseite zum W***tal hin ebenfalls über die jeweiligen Baufenster hinaus ausweiten wollten. Im Übrigen sei die Verschiebung der Gebäude innerhalb des Baufensters unmittelbar an die südöstliche Grundstücksgrenze hin nicht erforderlich gewesen‚ um in das Grundstück sicher von der Straße her einfahren zu können. Die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung unter Nr. A.2.2 sei so zu verstehen‚ dass der Grundstückseigentümer die Möglichkeit habe zu entscheiden‚ ob er die 50%ige Überschreitung der zulässigen Grundfläche vollständig auf eine Garage übertrage oder hiervon bis zu 5 m² auf eine Nebenanlage. Die Regelung beschränke innerhalb des Anwendungsbereichs von § 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO die Abweichung für bestimmte Nebenanlagen auf 5 m² und sei von § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO abgedeckt. Mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzung des § 31 Abs. 2 BauGB sei kein Ermessen auf der Rechtsfolgeseite eröffnet; erst recht liege keine Ermessensreduzierung auf Null vor‚ was das Verwaltungsgericht nicht geprüft habe. Schließlich liege auch keine unbillige Härte vor‚ denn die Klägerin habe die Grundstücksteilung vorgenommen und die Bebauung mit zwei Gebäuden durchgesetzt‚ so dass sie sich nun nicht gegen den Umstand wehren könne‚ die hieraus resultierende Beschränkung des zur Verfügung stehenden Raums führe zu Einschränkungen bei der Dimensionierung der Gebäude.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. Juni 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Die Festsetzungen zur zulässigen Grundfläche (3.1) und zu Nebenanlagen (2.2) seien unwirksam, weil kein eindeutiges Summenmaß bestimmt worden sei. Gehe man mit dem Beklagten davon aus, dass mit der Festsetzung 2.2 lediglich Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinn von § 14 Abs. 1 und 2 BauNVO in ihrer Größe beschränkt hätten werden sollen, hätte auf den Klammerzusatz „ausgenommen Garagen“ verzichtet werden müssen. So aber bleibe unklar, ob die in Abweichung zur Regel des § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO aufgestellte Beschränkung für die in § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 3 BauNVO genannten Anlagen ebenfalls gelten solle oder nicht; der Anwendungsbereich der Festsetzung sei daher unbestimmt. Die Flächen von Balkonen seien bei der Grundflächenberechnung von Hauptbaukörpern ohnehin zwingend zu berücksichtigen. Im Übrigen entspreche das Maß von 92,5 m² genau dem im vorangegangenen Normenkontrollverfahren gefundenen Kompromiss für die Fläche der Hauptgebäude auf den beiden Grundstücken, was gegen die Annahme einer Gesamtgrundfläche in dieser Höhe zuzüglich 46,25 m² für Garagen und Nebengebäuden spreche. Die streitgegenständlichen baulichen Anlagen seien daher nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen und hiernach zulässig. Eine faktische hintere Baugrenze bestehe nicht; eine solche könne nicht durch den Verlauf einer Hangkante gebildet werden, außerdem reiche die vorhandene Bebauung auf dem Grundstück Fl.Nr. 317/3 in vergleichbarer Weise in den Hangbereich hinein. Aber auch bei unterstellter Wirksamkeit der Festsetzungen könne einer möglichen Befreiung nicht die Festsetzung Nr. 9.5 zum Schutz der Hangkante entgegengehalten werden, weil die vorhandene Geländesituation nicht mehr dem historischen Verlauf und Bestand der Geländekante bzw. des Hangs entspreche, sondern durch die ehemals vorhandene, inzwischen beseitigte Bebauung und deren wegemäßige Erschließung im abfallenden Hangbereich künstlich verändert worden sei. Die beanstandeten Anlagen griffen daher nicht in den natürlichen Verlauf der Hangkante ein.

Der Senat hat am 26. Juni 2015 eine Ortsbesichtigung vorgenommen‚ wegen deren Ablauf auf die Niederschrift mit der beiliegenden Fotodokumentation verwiesen wird. In der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2015 beschränkte der Beklagte die die beiden Terrassen betreffenden Beseitigungsanordnungen durch Erklärung zu Proto-koll insoweit‚ als sie nur noch in dem Umfang zurückzubauen sind‚ in dem sie die „im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen überschreiten“. Mit Beschluss vom 10. Juli 2015 erhielten die Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zur Wirksamkeit der textlichen Festsetzung Nr. 3.1 des Bebauungsplans 137, nachdem bisher dem Senat nicht bekannte Dokumente aus den Normaufstellungsverfahren vorgelegt worden waren. Mit weiteren Schriftsätzen vertieften die Beteiligten ihren bisherigen Vortrag und verzichteten auf weitere mündliche Verhandlung.

Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Den Streitgegenstand bildet der angefochtene Bescheid nur noch in der Form‚ die er durch die Erklärung des Beklagten zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2015 gefunden hat; in der Sache hat die Erklärung zu einer teilweisen Rücknahme des angefochtenen Bescheids geführt. Ob die vom Beklagten zu Protokoll erklärte neue Tenorierung der Beseitigungsanordnungen für die beiden Terrassen dem Bestimmtheitsgrundsatz entspricht‚ obwohl der Adressat des Bescheids nicht ohne weiteres den Umfang der von ihm zu beseitigenden Bauteile erkennen kann, kann offen bleiben. Denn die teilweise Aufhebung der den Kläger belastenden Verwaltungsakte führt jedenfalls zur Erledigung des prozessualen Aufhebungsanspruchs im gleichen Umfang. Dem haben die Hauptbeteiligten durch Abgabe der entsprechenden Erklärungen zur Hauptsacheerledigung Rechnung getragen, womit das Klageverfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO insoweit einzustellen war.

Die Berufung, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO nach entsprechendem Verzicht der Beteiligten auf weitere mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden werden konnte, hat nur in geringem Umfang insoweit Erfolg‚ als sie sich gegen die Aufhebung der an die Mieter gerichteten Duldungsanordnung richtet. Die Klage ist insoweit mangels Vorliegens einer Klagebefugnis unzulässig‚ denn die Duldungsanordnung entfaltet Rechtswirkungen ausschließlich gegenüber den dort benannten Mietern, denen gegenüber sie bestandskräftig geworden ist.

Im Übrigen‚ weit überwiegenden Teil ist die zulässige Berufung zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Umfang der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben.

Allerdings vermag die Begründung des angefochtenen Urteils‚ schon die Wirksamkeit der Festsetzung der zulässigen Grundfläche sei fraglich‚ jedenfalls aber „käme die Erteilung einer Befreiung…in Betracht“ (UA, S. 7), weil durch sie keine Grundzüge der Planung berührt würden und nur eine „geringfügige Überschreitung der Grundflächenzahl für Balkone und Terrassen“ vorliege, die Aufhebung des angefochtenen Bescheids nicht zu tragen. Auch wenn die Festsetzung der Größe der Grundflächen (inklusive Balkone) auf jeweils 92‚5 m² je Grundstück auf einen Kompromiss im früheren Normenkontrollverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückgeht‚ bedeutet dies nicht‚ dass die Begrenzung der Grundflächen auf beiden Grundstücken eher zufällig erfolgt und „nur durch eine verfahrensrechtliche Besonderheit zu erklären“ (UA, S. 9) ist. Vielmehr hat die Beigeladene damit dem städtebaulich gerechtfertigten Ziel einer maßvollen Verdichtung im sensiblen Bereich „nahe der Hangkante“ nach ihrem im Normaufstellungsverfahren immer wieder betonten Willen oberste Priorität einräumen wollen (vgl. insbes. Nr. 1.2 der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 137 v. 2.3.2004). Abweichend von diesem Grundsatz können Befreiungen auch nicht deshalb erteilt werden‚ weil die Überschreitungen - wie das Verwaltungsgericht ohne konkrete Angabe eines Wertes meint - geringfügig seien. Außerdem übergeht das angefochtene Urteil, dass die Erteilung der notwendigen Befreiungen im Ermessen des Beklagten liegt, eine Reduzierung dieses Ermessens auf Null aber nicht erkennbar ist.

Indes bedarf es keiner Befreiungen von den hier in Rede stehenden Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 137 in der Fassung des Änderungsbebauungsplans Nr. 137-1 für die zwei Terrassen und vier Balkone‚ weil sich die im Rahmen einer Inzidentkontrolle zu überprüfenden Festsetzungen der höchstzulässigen Grundflächen (vgl. Darstellungen in den Schablonen für die einzelnen Grundstücke i. V. m. Nr. 2.2 und 3.1 der textlichen Festsetzungen) als unwirksam erweisen (1.). Dieser Fehler hat die gesamte Unwirksamkeit beider Bebauungspläne zur Folge (2.). Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte das ihm nach Art. 76 Satz 1 BayBO eingeräumte Beseitigungsermessen fehlerhaft ausgeübt (3.).

1. Die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung sind nach der im Berufungsverfahren gebotenen inzidenten Überprüfung (1.1) insgesamt unwirksam (1.2).

1.1. Die für die hier streitgegenständlichen Beseitigungsanordnungen maßgeblichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 137 in der Fassung des Bebauungsplans Nr. 137-1 sind inzident auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Keine Rolle spielt dabei‚ dass die für eine prinzipale Normenkontrolle geltende Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO abgelaufen ist (vgl. etwa: HessVGH‚ U.v. 15.12.2014 - 3 C 1990/13.N - DVBl 2015‚ 504). Der Umfang der Inzidentkontrolle ist allerdings eingeschränkt auf die nicht von der Rügepflicht des § 215 Abs. 1 BauGB erfassten, dort abschließend genannten Fälle der stets beachtlichen Mängel‚ insbesondere also des Verstoßes gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) oder gegen den Bestimmtheitsgrundsatz sowie im Falle eines fehlerhaften Abwägungsergebnisses (§ 1 Abs. 7 BauGB) und des Fehlens jeglicher oder der Überschreitung einer Rechtsgrundlage. Denn § 215 Abs. 1 BauGB zielt auf eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle nicht nur im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO‚ son-dern auch im Rahmen einer bei einer Anfechtungsklage vorzunehmenden inzidenten Prüfung (Petz in Berliner Kommentar‚ BauGB‚ 3. Aufl., Stand: Juli 2014‚ § 215 Rn. 7 u. § 214 Rn. 23). Die Gemeinde soll nach Ablauf der einjährigen Rügefrist davon ausgehen können‚ dass der Bestand ihres Bebauungsplans jedenfalls insoweit gesichert ist‚ als keine stets beachtlichen‚ nicht von § 215 Abs. 1 BauGB erfassten Mängel des Plans mehr geltend gemacht werden können (vgl. Kuschnerus‚ Der sachgerechte Bebauungsplan‚ 4. Aufl., S. 556‚ 4). Damit wird auch die Möglichkeit einer inzidenten Verwerfung der Norm durch ein Gericht im Interesse der Bestandserhaltung des Bebauungsplans auf beachtliche Rechtsverstöße begrenzt‚ die auf Dauer seiner Wirksamkeit entgegenstehen (Petz‚ a. a. O., § 214 Rn. 27 bis 30: sog. Ewigkeitsfehler).

Mit dem Vortrag der Klägerin, die Festsetzungen zur Größe der Grundflächen verstießen gegen § 16 Abs. 3 Nr. 1, § 19 BauNVO, behauptet sie ein Überschreiten der Rechtsgrundlage und damit einen Verstoß gegen den Typenzwang der Baunutzungsverordnung. Damit steht ein nicht unter § 215 Abs. 1 BauGB fallender, stets beachtlicher materieller Verstoß des Bebauungsplans gegen Bundesrecht in Rede.

1.2. Die hier strittigen Festsetzungen zur Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO legen zwar für jedes einzelne Grundstück im Umgriff des Bebauungsplans eine nach Quadratmetern bezeichnete Grundfläche fest (vgl. die jeweilige Schablone i. V. m. Nr. 3.1 der Festsetzungen durch Text). Diese Bestimmungen sind aber unwirksam, weil sie die Ermächtigungsgrundlage der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 16 Abs. 2 Nr. 1, § 19 BauNVO überschreiten.

1.2.1 Der Senat hat zur Reichweite dieser Vorschriften in seinem Normenkontrollurteil vom 13. April 2006 - 1 N 04.3519 - Folgendes ausgeführt:

„§ 16 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 2 BauNVO ermächtigt zwar dazu, die - nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zwingend erforderliche - Regelung des Umfangs, in dem die im Bauland liegende Fläche des Baugrundstücks (§ 19 Abs. 3 BauNVO) von baulichen Anlagen überdeckt werden darf (§ 19 Abs. 2 BauNVO), durch Festsetzung einer absoluten Quadratmeterzahl zu bestimmen. Bei einer solchen Begrenzung der zulässigen Grundfläche muss aber ein jeweils auf das Baugrundstück bezogenes „Summenmaß“ (Ziegler in Brügelmann, Baugesetzbuch, Stand März 1998, § 16 BauNVO RdNr. 25) für alle baulichen Anlagen, die beim Maß der baulichen Nutzung zu Buche schlagen, festgesetzt werden. Eine auf einzelne Anlagen bezogene Festsetzung ist jedenfalls als alleinige Regelung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 2 BauNVO deswegen nicht von der Ermächtigung gedeckt, weil bei einer solchen Festsetzung die Anrechnungsvorschrift des § 19 Abs. 4 BauNVO... nicht vollzogen werden könnte.“

Bei der nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO stets festzusetzenden Grundflächenzahl oder Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen ist demnach die Größe der Grundflächen aller relevanten baulichen Anlagen zu berücksichtigen. Dazu gehören auch die von § 19 Abs. 4 BauNVO (sowie ergänzend § 21a BauNVO) erfassten Nebenanlagen. Während nach § 19 Abs. 4 BauNVO 1962/1968/1977 im Einzelnen umschriebene Nebenanlagen nicht auf die zulässige Grundfläche anzurechnen waren, hat der Verordnungsgeber mit der Verordnung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 127) in § 19 Abs. 4 Satz 1 BauVO 1990 mit genau umgekehrter Zielrichtung bestimmt, dass u. a. Garagen und Stellplätze (Nr. 1) und Nebenanlagen nach § 14 BauNVO (Nr. 2) bei der Ermittlung der Grundfläche mitzurechnen sind. Zweck dieser „Mitrechnungsregelung“ ist es, einen Beitrag zur Umsetzung der Bodenschutzklausel des § 1 a Abs. 2 Satz 1 BauGB zu leisten und eine „Begrenzung der Bodenversiegelung durch Nebenanlagen“ zu erreichen (vgl. BR-Drs. 354/89 S. 35 f.). Die Gemeinde soll sich bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung darüber Rechenschaft ablegen und durch Festsetzung eines entsprechenden „Summenmaßes“ offenlegen, inwieweit durch die Festsetzungen eines Bebauungsplans eine Bodenversiegelung - nicht nur durch „Haupt-“, sondern eben auch durch „Nebenanlagen“ - insgesamt zugelassen wird (BayVGH, U.v. 10.8.2006 - 1 N 04.1371 u. a. - NVwZ-RR 2007, 447 = juris Rn. 36). Trifft die Gemeinde Festsetzungen zur Grundflächenzahl oder zur Größe der Grundflächen ohne Zusatz über die mitzurechnenden Anlagen, muss sie sich über die Reichweite der Vorschrift des § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO einschließlich der sog. Überschreitungsregelung des § 19 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 BauNVO im Klaren sein. Soll klarstellend auch ausgesagt werden, welche Anlagen mitzurechnen sind, dann muss die Festsetzung den Vorgaben der Baunutzungsverordnung entsprechen. Eine Festsetzung, welche die zulässige Grundfläche nur für „Hauptgebäude“ bestimmt, ist dagegen nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, weil sie diesem Kriterium einen anderen Inhalt gibt, als ihn die Baunutzungsverordnung seit 1990 in ihrem § 19 Abs. 4 vorschreibt (BayVGH, U.v. 10.8.2006 a. a. O.).

1.2.2 Mit der Festsetzung der „höchstzulässigen Grundfläche…inklusive der Fläche möglicher Balkone“ für die im Plangebiet liegenden Grundstücke hat die Antragsgegnerin eine in diesem Sinn nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckte Regelung getroffen. Die hier maßgebliche Festsetzung bezieht sich nicht auf alle mitzurechnenden Anlagen, sondern nur auf den jeweiligen Hauptbaukörper. Dass die Beigeladene die Bestimmung des § 19 Abs. 4 BauNVO nicht im Auge hatte, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Bei Erlass des ursprünglichen Bebauungsplans Nr. 137 im Jahr 2004 lag die dargestellte Rechtsprechung des Senats (Urteile v. 13. April und 10. August 2006, a. a. O.) noch nicht vor. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsbebauungsplans Nr. 137-1 im Jahr 2008 war die Rechtsprechung zwar bekannt; sie wurde jedoch weder von der Beigeladenen im Normänderungsverfahren beachtet noch vom Senat in der mündlichen Verhandlung am 20. November 2007 im Normenkontrollverfahren (1 N 06.1717) thematisiert‚ in dem es - wie sich aus den beigezogenen Gerichtsakten ergibt - in erster Linie um die Frage ging‚ ob die Beigeladene die überbaubaren Grundstücksflächen und zulässigen Grundflächen für den oder die Hauptbaukörper auf den Grundstücken Fl.Nr. 316 und 316/4 auf 150 m² abwägungsfehlerfrei reduziert hat; in diesem Zusammenhang hat der Senat damals die Empfehlung abgegeben‚ angesichts der auf den Nachbargrundstücken bestehenden Wohngebäude und der dort festgelegten zulässigen Grundflächen auf den beiden Grundstücken der Klägerin eine Grundfläche von mindestens 185 m² in der Summe auszuweisen. Nachdem man sich im damaligen Verfahren auf Einräumung von Baurecht für zwei Baukörper mit einer Grundfläche von jeweils 92‚5 m² geeinigt hatte‚ war der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, was zum Einstellungsbeschluss vom 29. September 2008 (1 N 08.2270) führte‚ in dem die nunmehr erkennbar gewordene Problematik nicht mehr thematisiert wurde. Dass der Senat im damaligen Verfahren an der jetzt problematisierten Festsetzung unter dem Gesichtspunkt der 2006 begründeten eigenen Rechtsprechung keine rechtlichen Zweifel geäußert hat‚ lässt nicht den Schluss zu, er sei damals von der Festsetzung eines Summenmaßes ausgegangen.

Vielmehr spricht alles dafür‚ dass das 2004 mit dem Bebauungsplan Nr. 137 begründete System im Änderungsbebauungsplan Nr. 137-1 im Jahr 2008 bei der Änderung nicht verlassen‚ sondern fortgeschrieben wurde. Hierfür sprechen insbesondere die Beschlussvorlagen der Beigeladenen für die Sitzungen des Bauausschusses am 11. Dezember 2007 und 8. Juli 2008 sowie die Begründung vom gleichen Tage. Aus der Beschlussvorlage N 0667 für die Sitzung am 11. Dezember 2007 (d 3.) geht deutlich hervor‚ dass die Diskussion ausschließlich auf die Frage fokussiert war‚ welche „Gesamtgrundfläche“ für die jeweiligen Hauptbaukörper abwägungsfehlerfrei festgesetzt werden könne. Dementsprechend heißt es dort‚ dass auf den beiden Grundstücken „zwei Baukörper“ verwirklicht werden könnten‚ die „in etwa einem Maß von 7 m x 13 m (angenähert an die Bebauung des Grundstücks FlNr. 317/2)“ ausgeführt werden sollten. Entsprechendes ergibt sich auch aus der Beschlussvorlage Ö 0044 für den Bauausschuss am 8. Juli 2008 (dort: S. 2‚ 3), wenn davon die Rede ist‚ dass „zwei Gebäude mit einer Gesamt-GR von 185 m² zu errichten“ seien. Diese Ausführungen sprechen ebenfalls dafür‚ dass ausschließlich die Hauptgebäude in den Blick genommen wurden. Auch der Senat hatte in der damaligen mündlichen Verhandlung deutlich gemacht‚ dass er das ursprünglich vorgesehene Baurecht von 150 m² nach überschlägiger Betrachtung als zu geringfügig angesehen hat‚ weil nach § 34 BauGB eine „GR von 185 m²“ hätte realisiert werden können; diese Angabe bezieht sich zweifelsfrei nur auf die Grundfläche eines Hauptgebäudes. Der Umstand‚ dass nach dem Willen der Beigeladenen eine „absolute GR“ festgelegt werden sollte‚ lässt keine Rückschlüsse auf die hier zu betrachtende Problematik zu; er bedeutet lediglich‚ dass keine (relativen) Grundflächenzahlen i. S. v. § 19 Abs. 1 BauNVO festgesetzt werden sollten, sondern Grundflächen in absoluten Zahlen.

Nichts anderes ergibt sich aus der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 137-1 vom 8. Juli 2008. Dort werden die bereits zitierten Aussagen aus den beiden Beschlussvorlagen übernommen‚ ohne die Problematik des fehlenden Summenmaßes zu erkennen. Entscheidend ist‚ dass letztlich keine Abkehr von der in der Begründung zum ursprünglichen Bebauungsplan vom 2. März 2004 deutlich gewordene Herangehensweise erfolgt ist. Aus der dort gefertigten Übersicht („Beiblatt Vergleichsberechnungen“)‚ die für die Bauräume der im Baugebiet liegenden Grundstücke jeweils die nach § 34 BauGB ermittelte Grundfläche („GR Bestand“) der nunmehr ausgewiesenen Grundfläche gegenüberstellt und daraus eine Grundflächenzahl errechnet‚ wird deutlich‚ dass es hier nur um den Hauptbaukörper gehen sollte. In der Begründung vom 2. März 2004 wird zentral auf die Vergleichsberechnung verwiesen, in der die maßgeblichen Kriterien für die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung („vor allem die jeweilige Fläche des potenziellen Bauraums“ sowie „der auf dem Grundstück bereits vorhandene Baubestand“) für die einzelnen Grundstücke berechnet und gegenüberstellt werden. Auch der Zusatz in der textlichen Festsetzung Nr. 3.1, wonach die höchstzulässige Grundfläche „inklusive der Fläche möglicher Balkone“ ausgewiesen wird, deutet darauf hin‚ dass nur die Hauptbaukörper gemeint waren. Denn werden ausschließlich Balkone, die Bestandteile der Hauptbaukörper sind, als grundflächenrelevant bezeichnet‚ aber keine anderen‚ außerhalb des Gebäudes gelegenen Nebenanlagen i. S. v. § 14 BauNVO, die auch zur Bodenversiegelung beitragen, spricht dies gegen den Willen der Beigeladenen‚ ein Summenmaß festzulegen. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin die sich aus den bereits genannten Maßen von 7 m x 13 m (vgl. Beschlussvorlage N 0667, 3.) ergebende Grundfläche von 91 m² noch geringfügig um 1,5 m² für einen - im Übrigen auch außerhalb des Bauraums bis zu einer Tiefe von 1,5 m zulässigen (vgl. textliche Festsetzung Nr. 5.4) - Balkon erhöht hat, woraus sich in der Summe die festgesetzte Grundfläche von 92,5 m² je Grundstück errechnet.

Zu keinem anderen Ergebnis führt der von der Beigeladenen betonte Umstand‚ dass die beiden auf den streitgegenständlichen Grundstücken festgelegten Baufenster mit einer Größe von 150 m² ausreichend dimensioniert sind‚ um bauliche Anlagen in einem Umfang von 92‚5 m² zuzüglich 46‚25 m² (entspricht Grundfläche nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 und § 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO) realisieren zu können. Diese Betrachtung verkennt die unterschiedlichen Funktionen, die der Festsetzung eines Baufensters einerseits und derjenigen einer maximal zulässigen Grundfläche andererseits zukommen, und gibt keinen Hinweis auf den der Festsetzung zugrundeliegenden Willen des Satzungsgebers.

2. Die Unwirksamkeit der Festsetzung Nr. 3.1 führt zur Gesamtunwirksamkeit der beiden Bebauungspläne. Ein Bebauungsplan bleibt trotz der Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen in seinen nicht betroffenen Teilen nur dann gültig‚ wenn diese für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 BauGB entsprechende Regelung darstellen und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (BVerwG‚ st.Rspr., z. B. BVerwG‚ U.v. 19.9.2002 - 4 CN 1.02 - BVerwGE 117‚ 58). Gemessen an diesem Maßstab führt der Mangel bei der Fest-setzung der zulässigen Grundfläche zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans‚ weil nicht anzunehmen ist‚ dass die Antragsgegnerin den Plan auch als einfachen Bebauungsplan ohne Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung erlassen hätte. Ohne Regelung der Grundfläche wäre keine sinnvolle‚ dem mutmaßlichen Willen der Beigeladenen entsprechende städtebauliche Ordnung gegeben (vgl. BVerwG‚ U.v. 23.4.2009 - 4 CN 5.07 - BVerwGE 133‚ 377).

3. Aus der Unwirksamkeit des Bebauungsplans folgt, dass die Beseitigungsanordnung vom 12. Oktober 2011 - auch wenn man annehmen wollte‚ dass die Balkone und Terrassen im Widerspruch zu anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet worden sein sollten - jedenfalls nach fehlerhafter Ausübung des in Art. 76 Satz 1 BayBO eröffneten Beseitigungsermessens erfolgt ist, weil von dem Ermessen nicht in einer der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO).

3.1 Geht die Bauaufsichtsbehörde bei einer Beseitigungsanordnung davon aus‚ dass die zu beseitigende Anlage nicht in Übereinstimmung mit einem bestehenden Bebauungsplan errichtet wurde‚ der sich jedoch als unwirksam herausstellt‚ so unterliegt sie einer Fehleinschätzung der Grundlagen ihrer Ermessensausübung. Es stellt ein Ermessensdefizit dar‚ wenn die Bauaufsichtsbehörde bei Erlass einer Beseitigungsanordnung von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgeht (Decker in Simon/Busse‚ BayBO Stand: Mai 2015, Art. 76 Rn. 264) und damit einer rechtlich nicht existenten Vorschrift zur Geltung verhelfen will. Hat demnach der Beklagte die Genehmigungsfähigkeit der zu beseitigenden baulichen Anlagen an einer unwirksamen Vorschrift gemessen, konnte er auch sein Ermessen nicht entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung ausüben (vgl. Art. 40 BayVwVfG).

3.2 Die Ermessensausübung rechtfertigt sich auch nicht vor dem Hintergrund der vom Beklagten behaupteten Abstandsflächenrelevanz der Terrassen. Es ist schon sehr zweifelhaft, ob sich der für die Beseitigungsanordnungen erforderliche Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften daraus ergeben kann, dass von den Terrassen wegen des den nachbarlichen Wohnfrieden beeinträchtigenden Störpotentials „Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen“ (Art 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO). Jedenfalls hat der Beklagte durch die teilweise Rücknahme der Beseitigungsanordnung in der mündlichen Verhandlung am 30. Juni 2015 die Terrassen insoweit, als sie nicht die Baugrenzen überschreiten, ausdrücklich hingenommen und damit (unausgesprochen) den zuvor behaupteten Verstoß gegen Abstandsflächen-recht nicht mehr zum Gegenstand seiner Ermessensausübung gemacht.

3.3 Anders als bei einer Verpflichtungsklage braucht im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen eine Beseitigungsanordnung nicht entschieden zu werden‚ ob das maßgebliche Baugebiet nach inzidenter Feststellung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans nunmehr als Innenbereich (§ 34 BauGB) zu behandeln ist und sich die (ungenehmigten) Bauteile in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen oder - wie der Beklagte meint - das Baugrundstück im Außenbereich liegt‚ in dem die Bauteile als sonstige Vorhaben möglicherweise öffentliche Belange beeinträchtigen. Diese Fragen wären im Rahmen eines denkbaren Tekturverfahrens‚ mit dem sich die Klägerin um den Erhalt einer Genehmigung für die bislang nicht genehmigten Balkone und Terrassen bemüht, aufzuklären.

Der Beklagte hat als unterlegener Rechtsmittelführer die Hälfte der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die andere Hälfte wird der Beigeladenen auferlegt‚ die einen Antrag im Berufungsverfahren gestellt hat, mit dem sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO). In gleicher Weise sind die Kosten des erledigten Teils des Verfahrens zu verteilen, ohne dass insoweit ein gesonderter Ausspruch erfolgen musste; diese Verteilung entspricht billigem Ermessen, weil sie ohne dass erledigende Ereignis bei Obsiegen der Klägerin ebenso ausgesprochen worden wäre. Die für den ersten Rechtszug vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Kostenlastentscheidung war trotz teilweisen Erfolgs der Berufung nicht zugunsten des Beklagten abzuändern, weil sich die Aufhebung des von ihm angefochtenen Urteils nur auf einen untergeordneten, geringfügigen Teil des Bescheids - die an die Mieter gerichtete Duldungsanordnung (Zi. 3) - bezieht (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwert beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG und orientiert sich an der entsprechenden Festsetzung des Verwaltungsgerichts München.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich mit ihrer Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen von der Beklagten erteilte bauaufsichtliche Genehmigung vom 11. Juni 2016 für die Nutzungsänderung einer ehemaligen Gaststätte in eine Asylbewerberunterkunft mit 43 Betten. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 21. Juli 2017 in der Sache ab. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Kläger.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Kläger berufen sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Ob solche Zweifel bestehen, beurteilt sich im Wesentlichen anhand dessen, was die Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

a) Mit dem Vorbringen, „entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts liegt ein reines Wohngebiet gem. § 3 BauNVO vor“, legen die Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dar. Das Verwaltungsgericht hat es dahinstehen lassen, „ob sich die nähere Umgebung als allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 4 BauNVO darstellt oder ob sie als reines Wohngebiet nach § 3 BauNVO zu werten ist“ (vgl. UA S. 13).

b) Mit der Kritik der Kläger an der Bewertung des Verwaltungsgerichts, wonach die gegenständliche Asylbewerberunterkunft bei Annahme eines reinen Wohngebiets im Ausnahmeweg nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO und § 31 Abs. 1 BauGB zuzulassen sei, werden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung dargelegt.

Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Betriebsbeschreibung „Wohnraum für Asylsuchende“ ausgeführt, dass das Ausnahmeermessen im Hinblick auf die weitgehend autarke Wohnnutzung der Bewohner der Asylbewerberunterkunft auf Null reduziert sei und sich die Nutzung als Asylbewerberunterkunft mit der umgebenden Wohnbebauung deshalb als verträglich erweise (vgl. UA S. 13 f.). Diese Bewertung folgt dem in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, dass die Unterbringung von Asylbewerbern zu den Nutzungen gehört, die dem Wohnen ähnlich, mit ihm verträglich und deshalb am ehesten Wohngebieten zuzuordnen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1998 – 4 C 16.97 – BVerwGE 108, 190 = juris Rn. 37; VGH BW, B.v. 6.10.2015 – 3 S 1695/15 – NVwZ 2015, 1781 = juris Rn. 12 ff., 16; Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Auflage 2014, § 3 Rn. 43; Vietmeier in Bönker/Bischopnik, BauNVO, 1. Auflage 2014, § 3 Rn. 65 ff., jeweils m.w.N.). Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander; die Kläger gehen vielmehr zu Unrecht davon aus, das Verwaltungsgericht habe nicht ausgeführt, aus welchen Gründen eine Ermessenreduzierung auf Null vorliegen solle.

Die Annahme der Kläger, dass die Nutzung des Vorhabensgrundstücks als Asylunterkunft zu einer Wesensänderung des betroffenen reinen Wohngebiets führen würde, weil mit der Nutzung des Gebäudes als Asylunterkunft ein allgemeines Wohngebiet entstehen würde bzw. auch bei der Ausnahmeerteilung der Grundsatz der Wahrung des Gebietscharakters gelte, lässt deshalb die zu fordernde substanzielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil vermissen. Die von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Auffassung der Kläger wird im Übrigen weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht näher erläutert. Das allgemein gehaltene Vorbringen, es sei durchaus möglich, dass eine Ausnahmegenehmigung nicht zulässig sei bzw. über die Zulassung von Ausnahmen dürfe nicht frei disponiert werden, weil der Grundsatz der Wahrung des Gebietscharakters gelte, kann die substanzielle Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig ersetzen wie ein Beweisantrag oder die Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 63; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 124a Rn. 100; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124a Rn. 206 ff., jeweils m.w.N.).

c) Das Vorbringen der Kläger zu dem ihrer Ansicht nach anzunehmenden Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme lässt keine ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufkommen.

aa) Soweit die Kläger sozial andere Strukturen in einer Asylunterkunft, soziale Spannungen, ein erhöhtes Aggressionspotenzial der Bewohner einer Asylunterkunft und die Gefährdung der sozial stabilen Bewohnerstruktur im reinen Wohngebiet geltend machen, setzen sie sich nicht hinreichend mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinander. Danach ist das allgemeine Bauplanungsrecht im Allgemeinen nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, gewährleistet insbesondere keinen Milieuschutz (vgl. UA S. 15) und haben nur solche Störungen eine bodenrechtliche Relevanz, die typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung eines Vorhabens auftreten (vgl. UA S. 14 f.). Anderen Gefahren könne im jeweiligen Einzelfall mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts begegnet werden (vgl. UA S. 14).

Sollte mit dem klägerischen Vorbringen zum städtebaulichen Belang des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB nicht lediglich die Befürchtung eines etwaigen – städtebaulich nicht relevanten – individuellen Fehlverhaltens gemeint sein, sondern zum Ausdruck gebracht werden, die Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft würden üblicherweise „ein erhöhtes Aggressionspotenzial“ aufweisen, bedürfte es für eine derartige Vermutung belastbarer Anhaltspunkte, die nicht im Ansatz dargelegt werden. Die bloße Behauptung, die Bewohner einer Einrichtung könnten zu einem bestimmten Fehlverhalten neigen, genügt für die Annahme der bodenrechtlichen Relevanz nicht (vgl. BVerwG – U.v. 6.12.2011 – 4 BN 20.11 – BauR 2012, 621 = juris Rn. 5).

bb) Soweit sich die Kläger auf eine aus den behaupteten sozialen Spannungen folgende Wertminderung ihres Eigentums berufen, ergeben sich aus ihrem Vorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

Ein Abwehranspruch kann nur gegeben sein, wenn die Wertminderung die Folge einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks ist (BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13.94 – BVerwGE 101, 364 = juris Rn. 73 m.w.N.). Daran fehlt es offenkundig, insbesondere weil das allgemeine Bauplanungsrecht den vonseiten der Kläger erstrebten Milieuschutz weder gewährleisten kann noch gewährleisten soll (vgl. BVerwG, U.v. 23.8.1996 a.a.O. juris Rn. 72).

cc) Der geltend gemachte Widerspruch zur Eigenart eines reinen Wohngebiets liegt aufgrund der Wohnartigkeit der zugelassenen Nutzung nicht vor (s. vorstehend Nr. 1 Buchst. b).

dd) Die Ausführungen der Kläger in der Zulassungsbegründung zum (städtebaulichen) Denkmalschutz setzen sich nicht mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinander, dass – erstens – die denkmalschutzrechtlichen gesetzlichen Anforderungen dem Eigentümer allenfalls insoweit Drittschutz vermitteln, als dessen Denkmal erheblich beeinträchtigt wird und – zweitens – nicht erkennbar ist, inwieweit die gegenständliche Nutzungsänderung, die in ihrer Ausführung lediglich Baumaßnahmen im Innern umfassen, das Baudenkmal der Kläger erheblich beeinträchtigen können.

ee) Mit dem auf § 1 Abs. 6 Nr. 13 BauGB gestützten Vorbringen, „schließlich ist die mangelnde Infrastruktur eines reinen Wohngebiets dem Wohl der Asylsuchenden nicht förderlich“, machen die Kläger kein drittschützendes Abwehrrecht geltend.

d) Die im Zulassungsvorbringen der Kläger geäußerten Zweifel am Vorliegen eines wirksamen und rechtmäßigen Brandschutzes setzen sich nicht substanziiert mit der entscheidungstragenden Annahme des Verwaltungsgerichts auseinander, dass eine Verletzung der bauordnungsrechtlichen Bestimmungen zum Brandschutz nach Vorlage des Brandschutznachweises durch den Prüfsachverständigen gemäß Art. 62 Abs. 3 Satz 3 BayBO nicht ersichtlich ist (vgl. Prüfbericht vom 15.6.2016 sowie Brandschutznachweise vom 18.2./6.6.2016). Die vonseiten der Kläger für ihre gegenteilige Bewertung in Bezug genommene denkmalrechtliche Stellungnahme vom 23. Februar 2016 ist überholt, weil die Brandschutznachweise für das Vorhaben inzwischen von einem sachkundigen Prüfingenieur für den Brandschutz bescheinigt wurden (vgl. Art. 62 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 BayBO). Im Übrigen verkennen die Kläger, dass mit der denkmalrechtlichen Stellungnahme vom 23. Februar 2016 die Flucht- bzw. Rettungswegsituation, die Raumabschlüsse zum Treppenhaus und die Treppe selbst beanstandet worden waren. Dem Belang funktionsfähiger Rettungswege, zu denen auch der Treppenraum und die Treppe zählen (vgl. Art. 31 ff. BayBO), kommt aber weder in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht noch sonst eine nachbarschützende Wirkung zu. Auch die bauordnungsrechtlichen Vorschriften über innere Brandwände oder Trennwände schützen nur vor Brandgefahren innerhalb des betroffenen Gebäudes und dienen deshalb nicht dem Nachbarschutz (vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2016 – 9 CS 15.336 – NVwZ-RR 2017, 87 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 8.3.2018 – 15 CE 17.2599 – juris Rn. 58 ff., jeweils m.w.N.).

2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht nach § 86 VwGO verstoßen, weil es kein Sachverständigengutachten zur Frage eingeholt habe, ob ein wirksamer Brandschutz vorliege, was sich aber aufgrund der Stellungnahme der Denkmalschutzbehörde aufgedrängt habe, wird kein Aufklärungsmangel dargetan.

Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Der Beweisantrag ist förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen. Daran fehlt es. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltschaftlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat. Das Beweisangebot der Kläger im Schriftsatz vom 23. September 2016 ist nur die Ankündigung eines Beweisantrages bzw. eine Beweisanregung, die die Folgen des § 86 Abs. 2 VwGO nicht auslöst (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6 m.w.N.).

Die Kläger legen auch nicht schlüssig dar, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen müssen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 75 m.w.N.). Auch im erstinstanzlichen Verfahren haben die Kläger lediglich auf die denkmalrechtliche Stellungnahme vom 23. Februar 2016 verwiesen. Dass insoweit keine nachbarschützenden Vorschriften des vorbeugenden Brandschutzes angesprochen sind, wurde bereits ausgeführt. Davon abgesehen setzen sich die Kläger in keiner Weise mit den Brandschutznachweisen vom 18. Februar/6. Juni 2016 auseinander, die mit Prüfbericht vom 15. Juni 2016 durch einen Prüfsachverständigen für Brandschutz bescheinigt wurden. Die brandschutzrechtlichen Anforderungen gelten danach als erfüllt (vgl. Art. 62 Abs. 4 Satz 2 BayBO). Vor diesem Hintergrund war und ist es den Klägern zuzumuten, sich mit den Brandschutznachweisen auseinanderzusetzen und greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für ihre Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Dem genügt das Vorbringen, „hinsichtlich des Brandschutzes ist aus Klägersicht ein genauerer Vortrag nicht möglich“, nicht.

Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht in Ansehung der bescheinigten Brandschutznachweise zu Recht davon abgesehen, ein Sachverständigengutachten zum Brandschutz einzuholen, weil für die gegenteilige Tatsachenbehauptung der Kläger trotz Beibringung von bescheinigten Brandschutznachweisen keine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 und § 159 Satz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Verfahrensmängel des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht werden, hat keinen Erfolg.

2

1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt nicht im Betracht. Sie setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und verlangt außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328 m.w.N.). Daran fehlt es.

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Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, "... ob eine den Schutzbereich des Art. 8 EMRK eröffnende Verwurzelung nur bei legalem Aufenthalt entstehen kann, oder ob dies auch der Fall sein kann, wenn eine Person sich dauernd oder überwiegend nur geduldet im Bundesgebiet aufhält." Das Vorbringen rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, da diese vom Verwaltungsgerichtshof offengelassene Frage in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig wäre. Denn das Berufungsgericht hat Art. 8 EMRK in der angefochtenen Entscheidung geprüft und ist dabei unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände der Klägerin zu dem Ergebnis gekommen, dass diese nicht in die Lebensverhältnisse in Deutschland integriert ist und keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die ihre Wiedereingliederung in die Verhältnisse des Herkunftslandes als unzumutbar erscheinen ließen. Das macht deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof die (nicht nur kurzfristige) Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht als zwingend notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit, d.h. die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 8 EMRK angesehen hat. Demzufolge war die von der Beschwerde formulierte Frage für die Vorinstanz nicht entscheidungserheblich und bedarf deshalb in dem erstrebten Revisionsverfahren keiner Klärung (stRspr; Beschlüsse vom 7. Januar 1986 - BVerwG 2 B 94.85 - Buchholz 310 § 75 VwGO Nr. 11 S. 5 und vom 22. Mai 2008 - BVerwG 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 5).

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2. Soweit das Beschwerdevorbringen den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügt, lässt es keinen Verfahrensverstoß erkennen, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

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2.1 Die Beschwerde macht als Gehörsverletzung geltend, das Berufungsgericht habe überraschenderweise ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden (Überraschungsurteil). Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin eine Schriftsatzfrist eingeräumt, damit sie sich mit der erst kurz vor der Berufungsverhandlung von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 26. April 2013 habe auseinandersetzen können. Das Berufungsgericht habe es jedoch versäumt, in der mündlichen Verhandlung nach Zustimmung der Beteiligten zum Übergang in das schriftliche Verfahren eine für beide Beteiligten geltende Frist zur Einreichung von Schriftsätzen zu bestimmen. Mit diesem Vorbringen wird kein Verfahrensmangel aufgezeigt. Denn die Vorinstanz war nicht verpflichtet, nach dem Verzicht der Beteiligten auf eine (weitere) mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO eine Frist zu bestimmen, bis zu deren Ablauf Schriftsätze eingereicht werden können. Eine solche Vorgehensweise mag in der Praxis opportun sein; prozessrechtlich geboten ist sie nicht.

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2.2 Ohne Erfolg rügt die Beschwerde als Gehörsverstoß und Verletzung des § 86 Abs. 2 VwGO, der Verwaltungsgerichtshof habe vor Erlass des im schriftlichen Verfahren ergangenen Berufungsurteils die in dem nachgelassenen Schriftsatz enthaltenen Beweisanträge nicht förmlich vorab beschieden.

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Die Pflicht zur förmlichen Vorabentscheidung gemäß § 86 Abs. 2 VwGO gilt im Grundsatz nur für in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisanträge, nicht dagegen für (nur) in vorbereitenden Schriftsätzen angekündigte Beweisanträge. Allerdings gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, auch im Falle einer vorangegangenen Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO einen neuen Beweisantrag entsprechend einem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu behandeln und über ihn vor der Sachentscheidung zu entscheiden (Beschluss vom 6. September 2011 - BVerwG 9 B 48.11 u.a. - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 69 = NVwZ 2012, 376 jeweils Rn. 10; Urteil vom 28. November 1962 - BVerwG 4 C 113.62 - BVerwGE 15, 175 <176>). Anders verhält es sich, wenn der Beweisantrag vor oder gleichzeitig mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist (Beschluss vom 29. März 1979 - BVerwG 7 B 27.78 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 106 S. 160 und Urteil vom 30. Mai 1989 - BVerwG 1 C 57.87 - Buchholz 402.24 § 8 AuslG Nr. 13 S. 22 f.), sowie bei einem Beweisantrag in einem nachgelassenen Schriftsatz, der nur Anlass geben kann, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, wenn sich aus ihm die Notwendigkeit weiterer Aufklärung des Sachverhalts ergibt (Beschluss vom 15. April 2003 - BVerwG 7 BN 4.02 - Buchholz 445.4 § 19 WHG Nr. 9 S. 6 = NVwZ 2003, 1116<1118>).

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Nach diesen Maßstäben ist das Vorgehen des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung keinen der zuvor schriftsätzlich angekündigten Beweisanträge gestellt, sondern ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt; ihr wurde eine Schriftsatzfrist eingeräumt. Mit dem Verzicht auf eine (weitere) mündliche Verhandlung hat sie sich des Anspruchs auf förmliche Vorabentscheidung über ihre im Schriftsatz vom 28. Februar 2013 angekündigten Beweisanträge begeben. Über Beweisanträge in nachgelassenen Schriftsätzen braucht nach dem oben Gesagten in keinem Fall förmlich vorab entschieden zu werden.

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2.3 Unbegründet ist die Rüge, das Berufungsgericht habe den Antrag der Klägerin abgelehnt, den Verfasser der Stellungnahme des Bundesamtes zu laden und persönlich anzuhören sowie Gelegenheit zu geben, die Stellungnahme in mündlicher Verhandlung zu hinterfragen. Diesen im Schriftsatz vom 28. Februar 2013 angekündigten Antrag hat die Klägerin in der Berufungsverhandlung nicht gestellt, sondern vielmehr ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO erklärt. Durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung hat sie zu erkennen gegeben, dass sie an der beantragten Anhörung nicht länger festhält; anders lässt sich diese Prozesshandlung nicht verstehen. Da sie in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Juni 2013 nicht erneut einen solchen Antrag gestellt hat, ergab sich für das Berufungsgericht kein Anlass, trotz des Verzichts der Beteiligten eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den Mitarbeiter des Bundesamtes zu laden. Daher stellt sich auch die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfene prozessrechtliche Grundsatzfrage nicht (vgl. dazu im Übrigen, Beschluss vom 21. September 1994 - BVerwG 1 B 131.93 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 46 mit Verweis auf das Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45>).

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2.4 Die Rüge, das Berufungsgericht sei dem nicht "ins Blaue" behaupteten, sondern unter Bezugnahme auf konkrete Dokumente und mit Beweisangeboten untermauerten Vorbringen der Klägerin zur (mangelnden) Kostenfreiheit medizinischer Versorgung und ärztlicher Präsenz in lokalen Gesundheitszentren nicht nachgegangen, genügt nicht den Anforderungen an die Bezeichnung einer Aufklärungsrüge.

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Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss dargelegt werden, aus welchen Gründen sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen von Amts wegen hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).

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Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Denn sie gibt den von ihr als entscheidungserheblich angesehenen Inhalt des in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Juni 2013 angeführten Länderinformationsblatts der IOM vom Juni 2012 nicht genau wieder. Das wäre erforderlich gewesen, da die Klägerin diese Quelle weder dem nachgelassenen Schriftsatz an das Berufungsgericht noch der Beschwerdebegründung als Anlage angefügt und auch in dem nachgelassenen Schriftsatz inhaltlich nicht auszugsweise zitiert hat. Ferner hat die Klägerin weder in dem nachgelassenen Schriftsatz noch mit der Beschwerde dargelegt, inwieweit sich der Inhalt des Länderinformationsblatts konkret von der seitens des Bundesamtes verarbeiteten Auskunft derselben Stelle vom 27. März 2012 unterscheidet. Daher fehlen Ausführungen dazu, aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht weitere Ermittlungen zu den genannten Beweisthemen auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Maßstäbe (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) hätten aufdrängen müssen.

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2.5 Weiter macht die Beschwerde als Gehörsverletzung geltend, das Berufungsgericht führe in der angefochtenen Entscheidung entgegen den mit Beweisangeboten untermauerten Darlegungen der Klägerin aus, es sei nichts dafür ersichtlich, dass die von einem Arzt vorzunehmende medikamentöse Neueinstellung der Klägerin im Kosovo nicht gewährleistet sein solle. Das lasse erkennen, dass sich das Berufungsgericht nicht in hinreichender Weise mit dem Vortrag der Klägerin auseinandergesetzt, sondern die Stellungnahme des Bundesamtes nicht ernsthaft hinterfragt habe. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keinen Gehörsverstoß auf. Denn das Berufungsgericht hat sich in der angefochtenen Entscheidung mit den von der Klägerin vorgetragenen Punkten inhaltlich befasst (BA Rn. 25 f.). Der Umstand, dass es ihr Vorbringen im Rahmen der ihm gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegenden tatrichterlichen Beweiswürdigung anders als die Klägerseite gewürdigt hat, begründet keinen Gehörsverstoß. Insoweit kritisiert die Beschwerde im Gewande der Gehörsrüge die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts; damit vermag sie aber die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO nicht zu erreichen.

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3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.