Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. März 2019 - 3 ZB 16.1749

bei uns veröffentlicht am29.03.2019
vorgehend
Verwaltungsgericht Regensburg, RN 1 K 15.1061, 22.06.2016

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 75.364,80 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

1.1 Das Verwaltungsgericht hat die auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage abgewiesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die für das Bestehen eines entsprechenden Anspruchs notwendige Voraussetzung eines dem Dienstherrn zurechenbaren objektiv fürsorgewidrigen und schuldhaften Verhaltens vorliege und dieses die gesundheitliche Schädigung des Klägers adäquat kausal verursacht habe, weil der geltend gemachte Ersatzanspruch jedenfalls dadurch ausgeschlossen werde, dass der Kläger seiner Schadensvermeidungspflicht nicht genügt habe. Der in § 839 Abs. 3 BGB enthaltene Rechtsgedanke finde Anwendung, so dass die Ersatzpflicht nicht eintrete, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Rechtsmittel in diesem Sinn seien alle Rechtsbehelfe, die eine Unterbindung des schädigenden Verhaltens und zugleich die Abwendung des Schadens selbst bezwecken und ermöglichen könnten.

Der Kläger habe weder den Rechtsweg beschritten, noch rechtzeitig formlose oder förmliche Rechtsbehelfe ergriffen. Wegen der aus seiner Sicht schon von Anfang August 2009 an erfolgten Diskriminierungen und Schikanen durch den Werkleiter habe erst am 7. März und 22. Juni 2011 mit dem damaligen Verbandsvorsitzenden Landrat W. und am 10. Januar 2012 mit dessen Nachfolger B. gesprochen und Mobbingvorwürfe erhoben. Er hätte sich indes bereits zu einem Zeitpunkt wehren müssen, zu dem sein Gesundheitszustand noch nicht derartig beeinträchtigt gewesen sei, wie nach dem Personalgespräch mit dem Werkleiter am 14. April 2011 und der Änderung des Geschäftsverteilungsplans am 1. Juni 2011, die schließlich am 18. Juli 2011 zu seiner fortdauernden Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Die Dienstaufsichtsbeschwerde an die Regierung von Niederbayern habe er erst am 16. März 2012, als er bereits seit nahezu acht Monaten fortdauernd arbeitsunfähig gewesen sei und ein Ruhestandsversetzungsverfahren mit der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung am 23. Januar 2012 eingeleitet worden sei, erhoben. Den Personalrat habe er erst am 2. März 2012 eingeschaltet. Der Kläger habe es damit schuldhaft unterlassen, seiner Schadensabwendungs- bzw. Schadensminderungspflicht hinreichend nachzukommen, indem er zum einen keinen gerichtlichen Primärrechtsschutz (insbesondere vorläufigen Rechtsschutz oder Klage auf Einhaltung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, amtsangemessene Beschäftigung insbesondere gegen die Änderung des Geschäftsverteilungsplans) eingereicht habe und zum anderen außergerichtliche Rechtsbehelfe zu spät bzw. nicht eingelegt habe.

Aufgrund der Schilderungen des Klägers und der aus seiner Sicht massiven Vorfälle bereits im Lauf des Jahres 2010, spätestens aber nach dem Gespräch mit dem Werkleiter am 14. April 2011 habe sich die Ergreifung von gerichtlichem Primärrechtsschutz (Einhaltung der Fürsorgepflicht, Unterlassung ehrwidriger Behauptungen und anderer innerdienstlicher Maßnahmen, Klage auf amtsangemessene Beschäftigung) förmlich aufgedrängt. Bei verständiger Würdigung des Sachverhalts habe es der Kläger nicht als zielführend ausreichen lassen können, mit dem Werkleiter selbst immer wieder Gespräche zu führen und ihn auf sein Verhalten hinzuweisen, zumal sich nichts an dessen Verhalten ihm gegenüber geändert habe, sondern dieser im Gegenteil die aus Sicht des Klägers empfundenen Angriffe verschärft habe. Die formlosen Gespräche mit den Verbandsvorsitzenden seien jedenfalls nicht ausreichend gewesen. Insoweit wurde auf die obergerichtliche Rechtsprechung verwiesen (Brandenburgisches OLG, U.v. 8.9.2015 - 2 U 28/14 - Rn. 54 ff.; OVG NW, U.v. 12.12.2013 - 1 A 71/11- Rn. 80 ff.).

1.2 Der Kläger wendet ein - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - sei es unrealistisch, dass ein Betroffener schon in den ersten Wochen des beginnenden Mobbings diese katastrophale Entwicklung erkennen und deshalb sein Rückkehrrecht in Anspruch hätte nehmen müssen, zumal die im Nachhinein als Mobbing zu qualifizierenden Handlungen erst drei bis vier Monate nach Dienstantritt begonnen hätten und es genau dieser Vorgesetzte gewesen sei, der ihn für den Dienstposten angeworben habe und ihn für seine gute Einarbeitung gelobt habe. Soweit das Verwaltungsgericht von einer Rückkehrmöglichkeit nach Ablauf des Rückkehrrechts spreche, wird der angefochtenen Entscheidung entgegengehalten, dass dem Kläger vom zuständigen Mitarbeiter der Personalverwaltung bei seinem früheren Dienstherrn beim Ausscheiden mitgeteilt worden sei, dass nach Ablauf des Rückkehrrechts aus beamtenrechtlichen Gründen keine Möglichkeit für eine Rückkehr zum Freistaat Bayern bestehe. Dass bei Problemen mit dem neuen Dienstherrn anderes gelten könnte, sei für den Kläger nicht nachvollziehbar gewesen. Im Januar 2012 habe er sich explizit bei der Regierung (Ltd. BD M.) erkundigt und keine abweichende Auskunft erhalten. Entgegen der Auffassung des Gerichts habe der Kläger richtigerweise alle seine Schadensabwehrmaßnahmen darauf abzustellen gehabt, dass er bis zum Ende seines Berufslebens beim Zweckverband arbeite. Es handele sich beim Zweckverband auch nicht um einen größeren Geschäftsbereich, der eine Umsetzung oder Versetzung des Betroffenen ermöglicht hätte, so dass dieser nach Abschluss eines Verfahrens nicht weiter im Bereich des ihn vorsätzlich schikanierenden Vorgesetzten hätte verbleiben müssen. Diese Feststellung verkenne eklatant, dass es nicht auf die absolute Anzahl der Beschäftigten, sondern auf die Anzahl der Beschäftigten in der entsprechenden Qualifikationsebene ankomme. Das Organigramm habe dem Verwaltungsgericht zur Verfügung gestanden, es gebe vier der Qualifikationsebene des Klägers zuzurechnende Bereichsleiter, davon aber keinen weiteren technischen Beamten der dritten Qualifikationsebene. Mithin habe dort nur eine einzige amtsangemessene Stelle existiert und auch bei Schaffung einer weiteren Stelle wäre diese wiederum dem Werkleiter unterstellt gewesen. Deshalb sei es dem Kläger nicht zuzumuten gewesen, Primärrechtsschutz in Form einer Klage in Anspruch zu nehmen. Des Weiteren sei damit auch die Erwägung des Verwaltungsgerichts unzutreffend, dass der unkündbare Beamte im Vergleich zu einem Arbeitnehmer eine ungleich stärkere Rechtsposition besitze. Soweit damit angedeutet sei, dass auch der Werkleiter hätte versetzt werden können, sei dies als völlig unrealistisch einzuschätzen, zumal das Gericht ja selbst bezweifle, ob die Verbandsvorsitzenden überhaupt für die Mobbingbeschwerden des Klägers die richtigen Ansprechpartner gewesen seien, weil sie untätig geblieben seien. Wenn das Verwaltungsgericht im Rahmen der Schadensabwendungspflicht die Kenntnisse des Klägers mit denen eines Juristen vergleiche, verkenne es, dass es sich beim Kläger um einen technischen Beamten handle. Deshalb sei es auch falsch, dass das Verwaltungsgericht dem Kläger vorhalte, dass dieser der Ansicht gewesen sei, vor Erhebung einer Klage die „Verwaltungsschiene“ erst komplett durchlaufen zu müssen. Um die Richtigstellung des Geschäftsverteilungsplans zu erreichen, sei die Aufsichtsbeschwerde zur Regierung der Klageerhebung als gleichwertig zu erachten. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, Schadensabwehrmaßnahmen nach dem 18. Juli 2011 seien nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr geeignet gewesen, den Schaden abzuwenden oder wesentlich zu vermindern, sei eklatant falsch, weil bei einem Einschreiten des Dienstherrn die Genesung des Klägers sehr wahrscheinlich gewesen wäre und er dann seinen Dienst wieder hätte aufnehmen können. Der Schaden sei vielmehr erst durch die Zwangspensionierung und die viel später diagnostizierte dauerhafte Dienstunfähigkeit entstanden. Auch beim Vorwurf der zu spät eingeleiteten Schadensabwehrmaßnahmen gehe das Gericht davon aus, dass beim Zweckverband ein großer Geschäftsbereich vorliege, und würden ex post mit dem jetzigen Wissen des Gesamt-Mobbingverlaufs Thesen aufgestellt. Der Suizid des früheren Verbandsvorsitzenden Landrat W. habe eine nicht unerhebliche Rolle gespielt, weil es aus Sicht des Klägers und eines objektiven Beobachters nicht förderlich oder zielführend gewesen wäre, den Dienstherrn - vertreten durch den neuen Verbandsvorsitzenden - sofort zu verklagen, ohne sein Anliegen auch nur einmal vorgetragen zu haben. Im Vergleich zu anderen, in der Rechtsprechung bereits entschiedenen Fällen, habe es sich beim Kläger nicht um einen Zeitraum von mehreren Jahren oder gar Jahrzehnten gehandelt. Dass es keine einheitliche (erstinstanzliche) Rechtsprechung zur Frage der Ergreifung von Primärrechtsschutz in Form einer Klage als unabdingbare Voraussetzung für die Geltendmachung eines durch Mobbing verursachten Schadens gebe, begründet die Bevollmächtigte des Klägers mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.11.1954 (III ZR 84/53 - BGHZ15, 305).

1.3 Soweit der Kläger meint, ihm sei die Ergreifung von gerichtlichem Primärrechtsschutz unzumutbar gewesen, kann er damit nicht durchdringen. Gegen Umsetzungen und Änderungen des Aufgabenbereichs eines Beamten besteht die Möglichkeit, vorläufigen Rechtsschutz mithilfe eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu suchen (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 1375-1379 m.w.N.). Mit der vom Kläger behaupteten „Komplettkaltstellung“ lag ein Sachverhalt vor, der eine eklatante Verletzung des Anspruchs auf amtsangemessene Beschäftigung nahelegt. Dagegen ist effektiver Rechtsschutz möglich (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2006 - 2 C 1.06 - NVwZ 2006, 1291; OVG Hamburg, B.v. 24.10.2007 - 1 Bs 222/07 und speziell in Bezug auf Mobbing OVG NW, U.v. 12.12.2013 - 1 A 71/11 - juris Rn. 89 ff.). Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, wenn der Kläger darauf verweist, er habe gegen die zum 1. Juni 2011 erfolgte Änderung des Geschäftsverteilungsplans das Gespräch mit dem alten und neuen Zweckverbandsvorsitzenden gesucht und am 16. März 2012 Aufsichtsbeschwerde bei der Regierung von Niederbayern erhoben. Allein die damit verbundene Inkaufnahme eines langen Zeitablaufs wiederlegt die Ausführungen seiner Bevollmächtigten, es mache im Sinne der Schadensminderung keinen Unterschied, „ob die Herstellung des amtsangemessenen Dienstpostens durch die Aufsichtsbehörde oder durch ein Gericht veranlasst werde“.

Auch der vom Verwaltungsgericht angeführte vorläufige Rechtsschutz auf Einhaltung der Fürsorgepflicht bzw. auf Unterlassung von vom Kläger mehrfach als ehrverletzend bezeichneten Mobbinghandlungen wäre in Betracht gekommen (vgl. VG Aachen, B.v. 23.3. 2011 - 1 L 46/11 - juris; lag BW, U.v. 27.7.2001 - 5 Sa 72/01). Dazu hätte es in Bezug auf die Ehrverletzung indes einer Substantiierung bedurft, da dem Kläger selbst bewusst ist, dass nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit mit Vorgesetzten den Begriff des Mobbings erfüllt. Der Verweis darauf, dass der Kläger beim Beklagten in einem kleinen Geschäftsbereich mit nur einer für ihn amtsangemessenen Stelle gearbeitet habe, entbindet ihn - unabhängig davon, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, der Beklagte sei schon keine ganz kleine Organisationseinheit - nicht von effektiven Abwehrmaßnahmen. Die Gefahr, dass der Beamte seinem Vorgesetzten weiterhin ausgesetzt gewesen wäre, darf nicht dazu führen, dass er sehenden Auges alles „schluckt“ und sich im Nachhinein auf Mobbing beruft und Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend macht. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der vorgesetzte Werkleiter nicht mit dem Dienstherrn selbst gleichzusetzen ist und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes dem Zweckverbandsvorsitzenden die Notwendigkeit von Fürsorgemaßnahmen wesentlich eindringlicher vor Augen geführt hätte (vgl. lag Schleswig-Holstein, U.v. 28.3.2006 - 5 Sa 595/05 - juris). Insoweit trifft der Vorhalt des Verwaltungsgerichts, es erschließe sich nicht, warum sich der verwaltungserfahrene Kläger nur mündlich an den damaligen Zweckverbandsvorsitzenden gewandt habe und keinen förmlichen schriftlichen Antrag gestellt habe, der die Vorwürfe und eine spätere Untätigkeit des Adressaten dokumentiert hätte, offenkundig zu.

1.4 Die weitere tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts, trotz mehrerer Vorfälle schon während der Probezeit vor Ablauf des Rückkehrrechts und weiterer massiver Vorfälle in der Folgezeit habe der Kläger außergerichtliche Rechtsbehelfe (Anträge/Beschwerden etc. an den Dienstherrn) zu diesem Zeitpunkt nicht oder zu spät wahrgenommen, wird durch das Vorbringen im Antrag auf Zulassung der Berufung ebenfalls nicht durchgreifend in Frage gestellt. Dass der Kläger erst am 7. März 2011 ein Gespräch mit dem damaligen Verbandsvorsitzenden geführt habe, obwohl er bereits über eineinhalb Jahre hinweg bei fast jeder Gelegenheit und jedem Projekt Schikanen und Diskriminierungen ausgesetzt gewesen sein will, hielt das Verwaltungsgericht für nicht nachvollziehbar. Diese Gesamtschau wird nicht schon dadurch ernstlich zweifelhaft, dass der Kläger einwendet, solange das Rückkehrrecht bestand, habe er die in der Folgezeit gegen ihn gerichteten Mobbinghandlungen nicht voraussehen können und eine spätere Rückkehrmöglichkeit in die Staatsverwaltung sei ihm nie konkret angeboten worden.

2. Der Rechtssache kommt - entgegen der Auffassung des Klägers - keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein Schadensersatzanspruch eines Beamten gegen den Dienstherrn neben einem bezifferbaren Schaden voraussetzt, dass sich der Dienstherr gegenüber dem Beamten rechtswidrig und schuldhaft verhalten hat, dass dieses Verhalten den Schaden adäquat kausal herbeigeführt hat und dass der Beamte seiner Schadensabwendungspflicht nach § 839 Abs. 3 BGB nachgekommen ist. Dies gilt grundsätzlich auch bei Klagen auf Schadensersatz wegen Mobbing (BVerwG, B.v. 3.11.2014 - 2 B 24.14 - Buchholz 232.0 § 78 BBG 2009 Nr. 1). Auch der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 30. Juni 2016 (III ZR 316/15 - NVwZ-RR 2016, 917) klargestellt, dass § 839 Abs. 3 BGB (Anspruchsausschluss wegen vorwerfbaren Nichtgebrauchs eines Rechtsmittels) grundsätzlich auch auf Amtshaftungsansprüche wegen amtspflichtwidrigen Mobbings anwendbar ist. Ob es dem Anspruchsteller möglich und zumutbar ist, sich mit einem Rechtsmittel gegen Mobbing-Maßnahmen zu wehren, und sich der Nichtgebrauch eines Rechtsmittels als vorwerfbar darstellt, ist ebenso wie die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels eine Frage, die aufgrund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen ist. Dem vom Kläger angeführten Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. Juli 2003 (4 U 51/03; NVwZ-RR 2003, 715, 716 f) ist Gegenteiliges nicht zu entnehmen. Es lässt nicht hinreichend eindeutig erkennen, ob § 839 Abs. 3 BGB in Mobbing-Fällen generell für unanwendbar gehalten wird. Jedenfalls handelt es sich insoweit nicht um eine tragende Erwägung, weil das Oberlandesgericht Stuttgart im dortigen Fall bereits eine ausreichende Darlegung von Mobbing verneint hat (a.a.O. juris Rn. 41). Eine generelle Unanwendbarkeit von § 839 Abs. 3 BGB auf Mobbing-Fälle ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des BGH vom 1. August 2002 (III ZR 277/01 - NJW 2002, 3172/3174), wonach § 839 Abs. 3 BGB in gravierenden Fällen kaum zu einem Anspruchsverlust führen wird, wenn das Opfer befürchten muss, dass durch Einlegung einer Beschwerde eine baldige Besserung seiner Situation nicht zu erreichen, vielmehr im Gegenteil eine deutliche Verschlechterung zu befürchten ist. Hieraus folgt indes kein allgemeiner Ausschluss von § 839 Abs. 3 BGB, sondern nur, dass ein Rechtsmittel möglich, zumutbar und erfolgversprechend sein muss, damit sein Nichtgebrauch zu einem Anspruchsverlust führt, und dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen in Mobbing-Fällen im besonderen Maße zweifelhaft sein kann.

Der Bundesgerichtshof hat mit dem Beschluss vom 30. Juni 2016 das im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts zitierte Brandenburgische Oberlandesgericht (U.v. 8.9.2015 - 2 U 28/14) bestätigt, das den Rechtssatz aufgestellt hat, dass, wenn die Möglichkeit der gerichtlichen Inanspruchnahme besteht, der Beamte diesen Weg vorrangig beschreiten muss. Eine grundsätzliche Klärungsfähigkeit dahingehend, dass ein Beamter - losgelöst von den Umständen des Einzelfalls - gerichtlichen Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen muss, wenn es sich bei seinem Dienstherrn um einen solchen mit kleinem Geschäftsbereich und wenig Personal handelt, besteht nicht. Auch in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zum Mobbing ist inzwischen anerkannt, dass bei dem zu beurteilenden Verschulden des Arbeitgebers unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht des Arbeitnehmers zu berücksichtigen ist, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit hat, sich gegen unrechtmäßige Arbeitsanweisungen tatsächlich und rechtlich zur Wehr zu setzen (Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 17. Aufl. 2017, § 36 Rn. 61).

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG (wie Vorinstanz).

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Bundesbeamtengesetz - BBG 2009 | § 78 Fürsorgepflicht des Dienstherrn


Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlich

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15.09.2005, Az.: 2 Ca 702/05, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schmerzensgeld wegen Mobbings.

2

Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit bundesweiten Filialen. Sämtliche Personalentscheidungen werden in der Verwaltung am Sitz der Beklagten, d. h. in F. getroffen, während der tägliche Einsatz von den jeweiligen Filialleitern organisiert und beaufsichtigt wird. Die einzelnen Filialen werden von einem Gebietsbereichsleiter betreut, der sozusagen als Kontaktstelle zwischen Personalleiter und Personalabteilung fungiert.

3

Der Kläger war vom 01.06.2003 bis zum 31.07.2004 durch vier aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge bei der Beklagten in deren Filialen in M. als Verkäufer zu einem monatlichen Bruttogehalt von € 1.400,-- beschäftigt (Bl. 58 f. d. GA.). Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund der Bezugnahme im Haustarifvertrag der Tarifvertrag für den Einzelhandel in Bayern Anwendung. Für Verkäufer gilt die Stellenbeschreibung vom 29.06.1995 (Bl. 60-62 d. GA.).

4

Der Kläger war ausschließlich eingesetzt in der Filiale N. Straße ... in M., wo er hauptsächlich für den Video- und DVD-Bereich zuständig war. Darüber hinaus übte er weitere Verkäufertätigkeiten aus. Aufgrund der Öffnungszeiten wurde in der Filiale im Zweischichtsystem gearbeitet. Die Frühschicht war von 9:00 bis 17:00 Uhr und die Spätschicht von 13 bis 20:30 Uhr. Neben der Filialleiterin A. und dem Kläger arbeiteten in der Filiale noch vier weitere Verkäufer/innen.

5

Im August 2003 wurde eine Kassendifferenz über € 850,-- festgestellt und Ende Mai 2004 fehlten € 100,-- in der Kasse. Der Kläger wurde jeweils zu diesen Fehlbeständen angehört. Während seiner Beschäftigungszeit wurde der Kläger anstelle der tariflichen 5-Tagewoche sechs bis sieben Mal an sechs Tagen in der Woche eingesetzt. Während Urlaubs- und Krankheitszeiten anderer Mitarbeiter leistete der Kläger teilweise auch sog. Doppelschichten. Im September / Oktober 2003 begehrte der Kläger gegenüber den Filialleitern Frau B. und Herrn W. eine Versetzung in deren jeweilige Filiale. Der Kläger wandte sich zumindest im Mai 2004 ein Mal wegen Mobbings an den Betriebsrat, nachdem dieser ein Informationsblatt zum Thema Mobbing herausgegeben hatte. Seit August 2004 ist der Kläger arbeitslos. Mit Schreiben vom 01.04.2005 beanspruchte der Kläger gegenüber der Beklagten erfolglos Zahlung eines Schmerzensgeldes über € 5.000,-- da er während seiner Beschäftigungszeit durchgehend von seinen Vorgesetzten gemobbt worden sei (Bl. 211-214).

6

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands, insbesondere des streitigen Parteivorbringens wie er in der ersten Instanz vorgelegen hat, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Zahlung von € 5.000,-- mit Urteil vom 15.09.2006 zurückgewiesen. Aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten Begriffs des Mobbings sei die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Kläger ein sog. Mobbing-Opfer sei. Aus dem Vortrag des Klägers, der sich auf handschriftlich niedergelegte 17 Einzelfälle berufe, ergebe sich kein systematisches Handeln einer oder mehrerer Personen, das dazu gedient habe, den Kläger zu kränken oder zu diskriminieren. Ein systematisches Handeln könne nur dann angenommen werden, wenn sich die gerügten Verhaltensweisen über einen Zeitraum von sechs Monaten wöchentlich wiederholten. Dies sei hier nicht der Fall. Soweit sich der Kläger darauf berufe, die Filialleiterin A... habe ihm mehrfach alle Arbeiten übertragen, obgleich noch weitere Arbeitnehmer anwesend gewesen sei, sei der Vortrag unsubstantiiert. Ohne Angabe von Daten und Umständen lasse sich nicht feststellen ob hinter diesem Verhalten eine herabwürdigende Systematik gelegen habe. Gleiches gelte in Bezug auf den Vorwurf, dass er „gegängelt“ und ständig falsch beschuldigt worden sei. Auch in Zusammenhang mit den Diebstählen lasse sich kein systematisches den Kläger erniedrigendes Verhalten der Beklagten feststellen. Auch die Kollegen des Klägers seien befragt worden. Auch der Umstand, dass er nur sechs bis sieben Mal innerhalb eines Jahres an sechs Tagen in der Woche habe arbeiten müssen, belege kein Mobbing ihm gegenüber. Die Nichtversetzung in eine andere Filiale stelle ebenfalls kein Mobbing dar, zumal kein ordnungsgemäßer Antrag gestellt worden sei. Soweit eine Anweisung im Einzelfall ungerechtfertigt gewesen sein sollte, so belege ein derartiger Einzelfall nicht den behaupteten Mobbingvorwurf. Auch der Einsatz zu Doppelschichten sei kein Mobbing, zumal nicht einmal feststehe, ob dieser Einsatz nicht gerechtfertigt war. Letztlich komme es auch nicht darauf an, ob der Kläger im Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern unverhältnismäßig viele Überstunden habe leisten müssen. Denn der Kläger habe die Kausalität zwischen dem behaupteten Mobbingverhalten seiner Vorgesetzten und den behaupteten Gesundheitsschäden nicht dargelegt. Diese könnten auch andere Ursachen haben, zumal sich der Kläger erst acht Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Forderung auf Schmerzensgeld an die Beklagte gewandt habe. Trotz gerichtlicher Aufforderung habe er auch kein diesbezügliches ärztliches Attest eingereicht.

8

Gegen dieses ihm am 01.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.12.2005 Berufung beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein eingelegt und diese am 26.01.2006 begründet.

9

Der Kläger behauptet,

10

das Arbeitsgericht habe seine handschriftlichen Aufzeichnungen (Anlage K 1, Bl. 110 d. GA.) unzutreffend gewürdigt. Insbesondere habe er die gerügten Vorfälle jeweils nach Daten und Personen hinreichend konkretisiert. Unter Missachtung seines Beweisangebots auf Parteivernahme habe das Arbeitsgericht gleichwohl seinen Vortrag als unsubstantiiert gewertet. Das Gericht hätte den Kläger trotz dessen Sorge wegen der Fahrtkosten nicht vom persönlichen Erscheinen entbinden dürfen. Im Übrigen sei das Arbeitsgericht fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitgebers nicht dadurch gerechtfertigt werden könne, dass andere Arbeitnehmer ebenso falsch behandelt würden.

11

Der Kläger beantragt,

12

das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15.09.2005, Az.: 2 Ca 702/05, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von € 5.000,00 nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

15

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

16

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 28.03.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe

17

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b, 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

18

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg.

19

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes. Das Arbeitsgericht hat die dahingehende Zahlungsklage des Klägers sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholung kann auf die sorgfältigen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Lediglich ergänzend und auf den Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz eingehend sei noch auf Folgendes hingewiesen:

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1. Der Kläger beruft sich hinsichtlich seiner Zahlungsansprüche auf durch Mobbing seiner Vorgesetzten verursachte gesundheitliche Schäden. Infolge des Mobbings leide er unter erheblichen Depressionen, Nervenzusammenbrüchen und starken Wutausbrüchen. Mobbing selbst ist keine eigenständige Anspruchsgrundlage für eine vertragliche oder deliktische Haftung des Arbeitgebers. Mithin kommt eine Haftung für durch Mobbing verursachte Schäden oder Schmerzen nur dann in Betracht, wenn die allgemeinen gesetzlichen Haftungsvoraussetzungen auch erfüllt sind. Eine mögliche gesetzliche Anspruchsgrundlage sind §§ 280, 253 Abs. 2 BGB. Die Zahlung eines Schmerzensgeldes setzt mithin voraus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Schadensersatz zusprechenden Norm erfüllt sind. Der Kläger hat indessen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer „positiven Vertragsverletzung“ nach § 280 Abs. 1 BGB nicht substantiiert dargelegt. Als vertragliche Nebenpflicht trifft den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Insbesondere hat er das ihm zustehende Direktionsrecht nach billigem Ermessen auszuüben und die Arbeitsumgebung menschengerecht und menschenwürdig zu gestalten sowie die Ehre und Gesundheit des Arbeitnehmers zu bewahren und zu schützen. Verletzt der Arbeitgeber diese ihm obliegenden Fürsorgepflichten fahrlässig oder gar vorsätzlich, hat er dem Arbeitnehmer grundsätzlich die daraus entstandenen Schäden nach §§ 280 Abs. 1, 249 BGB zu ersetzen. Unter den Voraussetzungen kann daneben ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus deliktischer Haftung nach §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB bestehen.

21

a) Sowohl die vertragliche als auch die deliktrechtliche Anspruchsgrundlage setzen einzelne, konkrete Tathandlungen des Schädigers voraus, mit denen dieser rechtswidrig und schuldhaft in den geschützten Rechtskreis des sog. Mobbingopfers eingegriffen hat. Das Arbeitsgericht ist insoweit von der von der Rechtsprechung entwickelten zutreffenden Definition des Mobbings ausgegangen. Der Arbeitnehmer, der unter Berufung auf Mobbing Schmerzensgeld geltend macht, hat im Prozess die Darlegungs- und Beweislast für die begangenen Rechtsgutverletzungen einschließlich des erforderlichen Verschuldens und der daraus resultierenden Erkrankungen (LAG Hamm, Urt. v. 21.12.2004 - 13 (5) Sa 659/04 -, zit. n. Juris). Der Arbeitnehmer hat mithin die beanstandeten Verhaltensweisen so konkret darzulegen und zu beweisen, dass in jedem Einzelfall beurteilt werden kann, ob diese Verhaltensweisen rechtswidrige, diskriminierende Verhaltensweisen darstellen und ob diese die Erkrankung des Arbeitnehmers verursacht haben. Das Verschulden des Arbeitgebers bzw. des für ihn Handelnden muss sich nicht nur auf die einzelnen Tathandlungen, sondern auch auf die hierdurch ausgelöste Erkrankung des sog. Mobbingopfers beziehen (LAG Berlin, Urt. v. 15.07.2004 - 16 Sa 2280/03 -, NZA-RR 2005, 13 ff.). Der Arbeitnehmer hat mithin auch darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitgeber zumindest damit rechnen musste, dass dessen rechtswidrige Handlungen grundsätzlich auch geeignet waren, bei ihm, dem Arbeitnehmer, Gesundheitsschäden auszulösen.

22

b) Diesen Voraussetzungen wird der Vortrag des Klägers nicht im Ansatz gerecht. Das Arbeitsgericht hat sich eingehend mit den vom Kläger in seiner schriftlichen Auflistung erhobenen 17 Vorwürfen auseinandergesetzt und ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass der klägerische Vortrag - trotz der 17 „Vorfälle“ - zu pauschal sei, um die Rechtswidrigkeit der jeweils beanstandeten Weisungen und Anordnungen der Filialleiterin, des Gebietsleiters sowie seiner Kolleginnen beurteilen zu können.

23

aa) Lediglich ergänzend sei der Kläger darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt ist, die im Arbeitsvertrag lediglich rahmenmäßig umschriebene vertraglich geschuldete Arbeit durch Arbeitsanweisungen zu konkretisieren. Der Kläger hat nicht einmal im Ansatz substantiiert dargelegt, dass die Beklagte bzw. die Filialleiterin das so definierte Direktionsrecht rechtswidrig überschritten hat. Der Kläger war als Verkäufer eingestellt, sodass es grundsätzlich nicht zu beanstanden war, dass die Filialleiterin ihn anwies, nicht nur in der Video- und DVD-Abteilung zu arbeiten, sondern auch andere Tätigkeiten (Warenannahme, Kasse, Aufräum- und Putztätigkeiten) zu übernehmen. Sofern der Kläger meint, ihm seien von seinen Kolleginnen an einzelnen Tagen bestimmte Aufräumtätigkeiten aus schikanösen Motiven heraus zugeteilt worden, so hätte er die näheren Begleitumstände im Einzelnen darlegen müssen. Es kann diesseits nicht beurteilt werden, welche Tätigkeiten in der Filiale an den besagten Tagen Priorität hatten. Es steht dem Arbeitgeber auch grundsätzlich zu, gerade bei krankheits- und urlaubsbedingten personellen Engpässen Überstunden in Form von Doppelschichten und 6-Tagewoche anzuordnen. Der Kläger selbst räumt ein, dass er zusätzliche Schichten leisten musste, wenn andere Mitarbeiter Urlaub oder freie Tage hatten. Typische Urlaubsmonate sind Juli und August, sodass es auch nicht verwundert, dass der Kläger gerade in diesen Monaten Überstunden geleistet hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass dieser überobligatorische Einsatz des Klägers einen diskriminierenden Hintergrund hatte.

24

bb) Ungeachtet dessen ist bei der Frage des Verschuldens des Arbeitgebers auch zu beachten, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit hat, sich gegen unrechtmäßige Arbeitsanweisungen tatsächlich und rechtlich zur Wehr zu setzen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass ein Arbeitnehmer, der auf den Arbeitsplatz angewiesen ist, in aller Regel in der schwächeren Position ist. Sofern er eine Arbeitsanweisung wegen Überschreitung des Direktionsrechts nicht befolgt, setzt er sich womöglich des Vorwurfs einer Arbeitsverweigerung mit der Gefahr einer fristlosen Kündigung aus. Indessen darf diese Gefahr auch nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer sehenden Auges alles „schluckt“ und sich im Nachhinein auf Mobbing beruft und Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend macht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber nicht selbst handelt, sondern die jeweils unmittelbaren Vorgesetzten oder Kollegen des gemobbten Arbeitnehmers. Gerade in diesen Fällen hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich beim Arbeitgeber direkt zu beschweren und vertragsgemäße Beschäftigung einzufordern. Es ist mithin stets zu prüfen, ob es dem Arbeitnehmer zumutbar war, sich beim Arbeitgeber über Mobbing-Handlungen zu beschweren und entsprechende Abhilfe zu fordern. Dies gebietet letztlich auch die Schadensminderungspflicht.

25

Der Kläger hat sich - soweit ersichtlich - weder bei dem Bereichsleiter noch in der Personalverwaltung der Beklagten über konkrete Arbeitsanweisungen beschwert und insoweit auch zu keiner Zeit zu erkennen gegeben, dass er bestimmte Arbeiten und die angeordnete Mehrarbeit nicht leisten wollte. Mangels gegenteiligen Vortrags konnte der Kläger die Mehrarbeit auch „abfeiern“. Hierfür spricht zumindest sein entsprechender Eintrag im Oktober 2003 in der Anlage K 1.

26

cc) Auch steht es dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten grundsätzlich zu, konkrete Arbeitsweisen und Schlechtleistungen zu beanstanden. Das Rügerecht korrespondiert letztlich auch mit der Fürsorgepflicht. Dem Grundgedanken der Fürsorgepflicht folgend hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung auf beanstandete Leistungsmängel hinzuweisen. Aus dem Vortrag des Klägers kann nicht geschlussfolgert werden, dass die Beklagte bzw. die Vorgesetzten des Klägers das Direktionsrecht rechtswidrig ausgeübt haben. Pauschale Vorwürfe wie „haben mich nicht in Ruhe gelassen“, „haben mich gegängelt“, „bin schlecht angegriffen worden“, „bin die ganze Zeit beobachtet worden“ ersetzen keinen fundierten Tatsachenvortrag.

27

dd) Der Arbeitgeber ist auch befugt, wenn nicht gar gegenüber allen „redlichen“ Arbeitnehmern verpflichtet, festgestellte Kassenfehlbestände aufzuklären. In diesem Zuge hat er auch das Recht, alle Arbeitnehmer zu dem Diebstahlsverdacht anzuhören. Dass hierdurch zunächst einmal alle Arbeitnehmer verdächtigt werden, ist im Zuge der Ermittlungstätigkeit hinzunehmen. Es ist auch nicht verwerflich, dass die Beklagte von allen Arbeitnehmern eine schriftliche „Unschuldserklärung“ verlangte. Der Kläger hat insbesondere auch nicht behauptet, dass die Beklagte bzw. die Filialleiterin und der Gebietsleiter ihn auch nach Anhörung und Abgabe der Erklärung noch weiter unberechtigterweise verdächtigt haben. Dass ein solcher Vorfall nicht nur für den Kläger, sondern für alle beteiligen Personen unangenehm ist und eine psychische Belastung darstellt, liegt auf der Hand, ändert aber nichts an der Rechtmäßigkeit der Aufklärungsarbeit der Beklagten.

28

2. Der Kläger rügt mit der Berufungsbegründung auch zu Unrecht, dass das Arbeitsgericht seinen Vortrag trotz des Beweisangebots der Parteivernahme als unsubstantiiert gehalten habe.

29

a) Der Kläger verkennt an dieser Stelle, dass ein Beweisangebot keinen substantiierten Tatsachenvortrag ersetzen kann. Mit Auflagenbeschluss vom 28.06.2005 ist der anwaltlich vertretene Kläger auch eingehend darauf hingewiesen worden, was er vorzutragen hat, um seine Ansprüche schlüssig zu machen. Hierauf hat der Kläger nur noch die Anlage K 1 eingereicht und auf deren Inhalt Bezug genommen. Der Anlage K 1 ist indessen - wie oben ausgeführt - auch nicht zu entnehmen, dass die Beklagte bzw. die für sie handelnden Personen den Kläger fortgesetzt durch Überschreitung des Direktionsrechts angefeindet, schikaniert oder diskriminiert haben. Den Vorwürfen ist nicht zu entnehmen, dass die jeweils gerügten Anordnungen in Überschreitung des Direktionsrechts erfolgten. Teilweise erschöpfen sie sich in pauschalen Floskeln wie „gängeln“ etc. Infolge dieses pauschalen Vortrags war kein Beweis - in welcher Form auch immer - zu erheben. Der für einen unsubstantiierten Vortrag angebotene Zeugenbeweis ist stets als unzulässiger Ausforschungsbeweis zurückzuweisen.

30

b) Ungeachtet dessen lagen weder Voraussetzungen zur Vernehmung der beweispflichtigen Partei nach § 447 ZPO, noch einer Vernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO vor. Die Beklagte hat der Vernehmung des Klägers als Partei unstreitig nicht zugestimmt. Schweigen auf einen dementsprechenden Antrag kann nicht als Zustimmung gewertet werden. Die Zustimmung muss vielmehr als Prozesshandlung ausdrücklich erklärt und protokolliert (§ 160 Abs. 3 Ziff. 3 ZPO) werden. Auch kam eine Vernehmung des Klägers nach § 448 ZPO nicht in Betracht. Als Ausnahme zum zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz ist § 448 ZPO gegenüber anderen Beweismitteln subsidiär, d. h. es müssen zunächst alle anderen Beweismittel ausgeschöpft sein. Der Kläger befand sich hinsichtlich der strittigen Vorfälle gerade nicht in sog. Beweisnot. Er hätte sich auf das Zeugnis der hieran beteiligten Personen (Filialleiterin, Bereichsleiter, Kolleginnen) berufen können. Es wäre dann Sache des Gerichts gewesen, die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Glaubhaftigkeit deren Aussagen zu würdigen und ggf. danach bei etwaig verbleibenden Zweifeln noch den Kläger von Amts wegen nach § 448 ZPO zu vernehmen.

31

3. Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf erkannt, dass der Kläger überdies nicht dargetan habe, dass die Beklagte durch rechtswidrige Arbeitsanweisungen und Behandlungen des Klägers diesen in seiner Gesundheit geschädigt hat. Mit diesem entscheidungserheblichen Einwand hat sich der Kläger in der Berufungsbegründung in keiner Weise auseinander gesetzt. Er hat nach wie vor nicht unter Beweis gestellt, dass er überhaupt gesundheitliche Schäden in Form einer psychischen Erkrankung davon getragen hat. Insbesondere hat er kein diesbezügliches ärztliches Attest vorgelegt. Nicht jedes aggressive und unbeherrschte Verhalten hat Krankheitswert. Nervenzusammenbrüche und Depressionen sind diagnosefähige Erkrankungen und auch behandlungsbedürftig. Der Kläger hat weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass er sich deshalb (seit wann) in ärztlicher Behandlung befindet.

32

Ungeachtet dessen hat der Kläger den Ursachenzusammenhang zwischen den behaupteten Mobbinghandlungen und dem aufgezeigten „Krankheitsbild“ nicht dargelegt. Aggressives Verhalten und Depressionen sind nicht zwingend eine Ursache von Mobbing. Auch Arbeitslosigkeit, Beziehungsstress und/ oder finanzielle Nöte können ebenso Frustration und Aggressivität gegen jedermann auslösen.

33

4. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG.

35

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.

36

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 316/15
vom
30. Juni 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:300616BIIIZR316.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Hucke, Tombrink und Reiter sowie die Richterin Pohl

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. September 2015 - 2 U 28/14 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 31.400 €

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
2
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass § 839 Abs. 3 BGB (Anspruchsausschluss wegen vorwerfbaren Nichtgebrauchs eines Rechtsmittels) grundsätzlich auch auf Amtshaftungsansprüche wegen amtspflichtwidrigen "Mobbings" anwendbar ist. Ob es dem Anspruchsteller möglich und zumutbar ist, sich mit einem Rechtsmittel gegen "Mobbing"-Maßnahmen zu wehren, und sich der Nichtgebrauch eines Rechtsmittels als vorwerfbar darstellt , ist ebenso wie die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels eine Frage, die aufgrund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen ist (s. OLG Köln, Urteil vom 24. Mai 2012 - 7 U 207/11, BeckRS 2012, 11823; BVerwG, Beschluss vom 3. November 2014 - 2 B 24.14, BeckRS 2014, 58780 Rn. 6 f; OVG Münster, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 1 A 71/11, BeckRS 2014, 46808; OVG Schleswig, Beschluss vom 23. Mai 2014 – 2 LA 15/14, BeckRS 2014, 52405). Dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. Juli 2003 (4 U 51/03; NVwZ-RR 2003, 715, 716 f) ist Gegenteiliges nicht zu entnehmen. Es lässt nicht hinreichend eindeutig erkennen, ob § 839 Abs. 3 BGB in "Mobbing"-Fällen generell für unanwendbar gehalten wird. Jedenfalls handelt es sich insoweit nicht um eine tragende Erwägung, weil das Oberlandesgericht Stuttgart im dortigen Fall bereits eine ausreichende Darlegung von "Mobbing" verneint hat. Eine generelle Unanwendbarkeit von § 839 Abs. 3 BGB auf "Mobbing"-Fälle ergibt sich auch nicht aus dem Senatsbeschluss vom 1. August 2002 (III ZR 277/01; NJW 2002, 3172, 3174). Danach wird § 839 Abs. 3 BGB in gravierenden Fällen kaum zu einem Anspruchsverlust führen, wenn das Opfer befürchten muss, dass durch Einlegung einer Beschwerde eine baldige Besserung seiner Situation nicht zu erreichen, vielmehr im Gegenteil eine deutliche Verschlechterung zu befürchten ist. Hieraus folgt indes kein allgemeiner Ausschluss von § 839 Abs. 3 BGB, sondern nur, dass ein Rechtsmittel möglich, zumutbar und erfolgversprechend sein muss, damit sein Nichtgebrauch zu einem Anspruchsverlust führt, und dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen in "Mobbing"-Fällen im besonderen Maße zweifelhaft sein kann.
3
Das Berufungsgericht hat im Streitfall ohne Rechtsfehler angenommen, dass es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen sei, sich erfolgreich gegen die Umsetzung auf die Referentenstelle beim Landesamt für Bauen und Verkehr des beklagten Landes und die sich daran anschließende (behauptete) nicht amtsangemessene Beschäftigung vor dem Verwaltungsgericht zur Wehr zu setzen. Auf diese Weise wäre die vom Kläger geltend gemachte schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung, die in erster Linie auf die Umsetzung gestützt wird, vermieden beziehungsweise behoben worden.
4
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Herrmann Hucke Tombrink
Reiter Pohl
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 02.05.2014 - 12 O 357/12 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 08.09.2015 - 2 U 28/14 -

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.02.2003 (Az. 15 O 385/02) wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: EUR 111.162,44

Gründe

 
I.
Der Kläger begehrt vom beklagten Land Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer Persönlichkeitsverletzung und Gesundheitsbeschädigung durch "Mobbing" seiner Dienstvorgesetzten im Wesentlichen im Rahmen seiner dienstlichen Beurteilungen.
Der Kläger, ein Polizeibeamter im Dienst des beklagten Landes, erwarb im Jahr 1987 die Befähigung für den mittleren Dienst der Kriminalpolizei. Über seine dienstlichen Leistungen erhielt er Regelbeurteilungen vom 17.05.1988, 18.09.1989, 13.01.1992, 13.01.1995 sowie Anlass-Beurteilungen vom 27.08.1998, 23.08.1999 bzw. 28.07.2000 und aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.02.2001 eine neue Anlass-Beurteilung vom 12.07.2001. Bezüglich der Einzelheiten wird auf S. 3 des angegriffenen Urteils verwiesen.
Gegen die Regelbeurteilung vom 17.05.1988 hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Er habe sich mit fünf von acht Punkten im vorderen Mittelfeld der benoteten Kollegen befunden und sei deshalb zur Kriminalpolizei übernommen worden. Er behauptet, aufgrund seines Auslandseinsatzes als Personenschützer in Teheran vom 05.08.1988 bis 09.09.1989 sei auf Veranlassung des EKHK W., der die Bewerbung für den Auslandseinsatz nicht gern gesehen habe, die Regelbeurteilung vom 18.09.1989 ebenso zu schlecht ausgefallen wie die Regelbeurteilung vom 13.01.1992. EKHK W. habe insoweit Einfluss auf die jeweiligen Beurteiler genommen. Dies verdeutliche auch die Regelbeurteilung vom 13.01.1995, mit deren Ergebnis der Kläger offenbar zufrieden ist. Aus einem Notensprung von 0,75 Punkten gegenüber der letzten Regelbeurteilung schließt er jedoch, dass er zuvor viel zu schlecht beurteilt wurde. Die Anlass-Beurteilungen vom 27.08. und 23.08.1999/28.07.2000 mit den Noten 2,0 und 1,75 seien jedoch wiederum zu schlecht ausgefallen, weil er gegenüber EKHK K. die private Beziehung seines unmittelbaren Vorgesetzten in der C-Schicht, KHK P., mit einer Kollegin angeprangert und damit auch Kritik am gemeinsamen Dezernatsleiter EKHK K. geäußert habe. In einem Personalgespräch am 01.09.1999 mit KOR E., in dem er sich über die erneute zu schlechte Beurteilung beklagte, habe KOR E. schallend gelacht und ihm mitgeteilt, "er lache ihn nicht an, er lache ihn auch nicht aus, er lache, weil er zu dumm sei, die Zusammenhänge zu erkennen".
Nach erfolglosem Widerspruch gegen die Anlass-Beurteilung vom 23.08.1999 erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Das Verwaltungsgericht erklärte, weil die einzelnen Leistungsmerkmale des Klägers in der angegriffenen dienstlichen Beurteilung alle überdurchschnittlich gut bewertet worden seien, passe hierzu eine Gesamtbeurteilung von 1,75, die nach der Benotungspraxis nicht überdurchschnittlich ist, nicht. Daraufhin wurde die Anlass-Beurteilung vom 28.07.2000 neu erstellt, jedoch die Gesamtnote 1,75 beibehalten. Am 13.02.2001 wurde daraufhin der Beklagte verurteilt, die Anlass-Beurteilung aufzuheben und den Kläger neu zu bescheiden. Am 12.07.2001 erging wiederum eine neue Fassung der Anlass-Beurteilung mit gegenüber der Anlass-Beurteilung vom 23.08.1999 schlechteren Einzelbeurteilungen und wiederum mit der Note 1,75. Der Antrag des Klägers auf Vollstreckung des Urteils vom 13.02.2001 gemäß § 172 VwGO wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 13.12.2002 und die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers mit Beschluß des VGH Baden-Württemberg vom 25.06.2003 zurückgewiesen.
Im Zusammenhang mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet der Kläger eine Drohung vor Klagerhebung mit negativen Vermerken in der Personalakte, und rügt die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung, eine neue Beurteilung müsse im Ergebnis nicht besser als bisher ausfallen, und die behauptete Äußerung eines Mitarbeiters der Rechtsabteilung der LPD Stuttgart II, das Verfahren müsse man sportlich sehen. Auf die einzelnen Beurteiler sei Einfluss genommen worden, die Einzelbewertungen herabzusetzen, um so eine Note von 1,75 zu rechtfertigen. Auf Nachfrage habe ihn KHK B. in einem Telefongespräch angelogen, in dem er verneint habe, an der neuen Beurteilung vom 28.07.2000 beteiligt gewesen zu sein. In der neuen dienstlichen Beurteilung tauche ein Endbeurteiler auf, der ihm nicht bekannt sei, und ein Vorbeurteiler, der tatsächlich seine Mitwirkung an der Beurteilung verweigert habe. Eine Provokation sei auch die Übersendung der Abordnung zu einem Qualifizierungslehrgang für den gehobenen Dienst per Privatpost.
Seit 07.09.2000 befindet sich der Kläger im Krankenstand. Wann seine Dienstfähigkeit wieder hergestellt sein wird, ist offen. Am 04.03.2002 stellte der Polizeiarzt die Polizeidienstunfähigkeit und allgemeine Dienstunfähigkeit des Klägers nach dem Landesbeamtengesetz fest.
Bezüglich den weiteren Einzelheiten des unstrittigen Sachverhalts und des Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.
Mit der Klage macht der Kläger entgangenen Verdienst in Höhe von 1.280,08 EUR geltend, weil er bei einer zutreffenden Beurteilung zumindest gleichzeitig mit seinem Kollegen L. und nicht erst sechs Monate später zum 1.04.2000 befördert worden wäre. Mit einer Klagerweiterung in der 2. Instanz begehrt er Ersatz von Gehaltskürzungen in Höhe von 5.080,36 EUR für April 2003 bis Juli 2003, weil er nur noch sein vorläufig berechnetes Ruhegehalt erhält. Darüber hinaus begehrt er ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000,00 EUR sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht für künftige materielle Schäden des Klägers.
Das Landgericht Stuttgart hat im Anschluss an eine Güteverhandlung gemäß § 278 Abs. 2 ZPO ohne weitere protokollierte mündliche Verhandlung die Klage mit Urteil vom 21.02.2003 als unbegründet abgewiesen.
10 
Hiergegen wendet sich die Berufung mit der Rüge, dass in der ersten Instanz keine Anträge gestellt worden sind und deshalb dem Beklagten etwas zugesprochen sei, nämlich die Klagabweisung, die dieser gar nicht beantragt habe. Durch den Wegfall der mündlichen Verhandlung sei dem Kläger kein rechtliches Gehör gewährt worden. § 839 Abs. 3 sei auf die Anspruchsgrundlage für Schmerzensgeld, nämlich § 847 BGB a.F. nicht anwendbar. Auch die Art der Verletzung, nämlich "Mobbing" verbiete eine Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB. Der Kläger wiederholt im Übrigen sein Vorbringen aus der ersten Instanz und ist der Ansicht, er sei systematisch von seinen Dienstvorgesetzten gemobbt worden. Aus dem Gutachten des Dr. med. Br. sei zu entnehmen, dass die Erkrankung des Klägers auf diesem "Mobbing" beruhe. Das erstinstanzliche Urteil setze sich mit seinem Vorbringen nicht ausreichend auseinander. Wegen des Verbot der reformatio in peius sei der Beklagte durch das Verwaltungsgericht Stuttgart zu einer besseren Beurteilung anhand der vorliegenden Einzelbewertungen verurteilt worden.
11 
Der Kläger beantragt:
12 
Das Endurteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.02.2003, Geschäftsnummer: 15 O 385/02 wird wie folgt abgeändert:
13 
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.280,08 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hieraus ab 28.09.2002 zu zahlen.
14 
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch EUR 100.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hieraus ab 28.09.2002 zu zahlen.
15 
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen Schäden, die aus den gegen den Kläger zwischen 1988 und 2002 bei der LPD Stuttgart II verübten Mobbing-Handlungen resultieren, zu ersetzen.
16 
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 5.080,36 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hieraus ab 05.07.2003 zu zahlen.
17 
Hilfsweise wird beantragt, die Sache unter Aufhebung des Endurteils des Landgerichts Stuttgart vom 21.02.2003, Geschäftsnummer 15 O 385/02 und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.
18 
Das beklagte Land beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen
20 
Das beklagte Land ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht nach § 538 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO lägen nicht vor. Es hält das Urteil des Landgerichts für richtig und hält sein Bestreiten der vom Kläger behaupteten Äußerungen und Geschehensabläufe aufrecht. Es verweist zur Rechtmäßigkeit der neuen dienstlichen Beurteilung auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluß vom 13.12.2002, die der VGH mit Beschluß vom 25.06.2003 bestätigt habe.
21 
Die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart, Az. VS 15 K 3718/01, und des VGH Baden-Württemberg, Az. 4 S 118/03, waren zu Informationszwecken beigezogen.
II.
22 
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1.
23 
Gemäß § 137 Abs. 1 ZPO ist die Antragstellung unverzichtbare Voraussetzung einer ordnungsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung. Fehlt sie und entscheidet das Gericht gleichwohl über das sachliche Begehren einer Partei, liegt darin ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO (OLG Koblenz, MDR 2002, 415; BGH NJW 1991, 1683, 1684; NJW 1999, 61), der gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. nur dann zu einer Zurückverweisung führen kann, wenn aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Dies gilt auch bei erstinstanzlich lediglich angekündigten, aber nicht verlesenen Anträgen (Zöller-Gummer, ZPO 23. Aufl., § 538 Rn. 18).
24 
Wie unten auszuführen ist, ist die landgerichtliche Entscheidung auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers zutreffend, ohne dass eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme aufgrund der Verfahrensmängel in der ersten Instanz notwendig wäre.
2.
25 
Der Kläger stützt die geltend gemachten Ansprüche insbesondere auf "Mobbing". Beim "Mobbing" handelt es sich nicht um eine eigene Anspruchsgrundlage, sondern "Mobbing" kann zu einem Amtshaftungsanspruch gegen den Beklagten führen, wenn Vorgesetzte des Klägers im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung durch pflichtwidrige Handlungen das Persönlichkeitsrecht des Klägers oder dessen Gesundheit geschädigt haben (LAG Baden-Württemberg, AP Nr. 2 zu § 611 BGB "Mobbing"). Die Zufügung eines körperlichen Schadens oder einer schweren Persönlichkeitsverletzung muss adäquat kausal und unter Überschreitung des "erlaubten Risikos" erfolgt sein (LAG Baden-Württemberg, a.a.O.).
26 
Nach dem Bundesgerichtshof ist unter "Mobbing" der Missbrauch der Stellung eines Vorgesetzten zu verstehen, um einen Untergebenen systematisch und fortgesetzt zu beleidigen, zu schikanieren und zu diskriminieren (BGH NJW 2002, 3172, 3173).
27 
In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist der Begriff des "Mobbing" noch näher erläutert. Danach handelt es sich bei "Mobbing" um fortgesetzte, auf einander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Ob ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren vorliegt, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist eine Abgrenzung zu dem in einem Betrieb im allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und Untergebenen erfüllt den Begriff des "Mobbing". Kurzfristigen Konfliktsituationen mit Vorgesetzten oder Arbeitskollegen fehlt in der Regel schon die notwendige systematische Vorgehensweise (LAG Bremen, NZA-RR 2003, 234, 235 f; LAG Hamm, Urteil vom 25.06.2002, Az.: 18 (11) Sa 1295/01; LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, 121, 122; LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, 457; Thüringer LAG NZA-RR 2001, 347, 358; 577, 579). Auch wenn durch die einzelnen Handlungen für sich gesehen eine Haftung wegen der mit "Mobbing" verbundenen Beeinträchtigung nicht eintritt, kann die Gesamtheit der Handlungen zu einer Haftung aufgrund der sich verbindenden Systematik und ihres Fortsetzungszusammenhangs begründen (vgl. Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369, 372 ff; Arbeitsgericht München NZA-RR 2002, 123, 124; Thüringer LAG a.a.O., 579). Zwischen den einzelnen Handlungen muss im juristischen Sinn ein Fortsetzungszusammenhang bestehen, wobei es nur dann keiner Mindestlaufzeit der Handlungen oder einer Handlungsfrequenz bedarf, wenn die Wirkungen der Einzelhandlungen fortdauern (LAG Rheinland-Pfalz, a.a.O., S. 580), weil z.B. durch eine einzelne Maßnahme ein Mitarbeiter ständig an den Pranger gestellt wird. Ansonsten erfolgt das gegen eine Person gerichtete Verhalten nur dann systematisch, wenn sich aus einer Kette von Vorfällen ein System erkennen lässt (LAG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Bei zeitlich weit auseinander liegenden Handlungen fehlt in der Regel die notwendige systematische Vorgehensweise (LAG Bremen NZA-RR 2003, 234, 236; im konkreten Fall von neun Vorfällen in ca. 3 1/2 Jahren in Frage gestellt).
28 
Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommen die §§ 839, 847 BGB a.F. i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG in Betracht. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf das Verhalten seiner Dienstvorgesetzten und teilweise von Mitarbeitern der Rechtsabteilung der Landespolizeidirektion in Stuttgart II insbesondere im Zusammenhang mit der Bewertung seiner dienstlichen Leistungen. Angesichts des beamtenrechtlichen (öffentlich-rechtlichen) Normengefüges wird ein Vorgesetzter, der im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung einen Untergebenen respektlos behandelt, regelmäßig hoheitlich tätig (im Einzelnen BGH NJW 2002, 3172, 3173). Dies hat zur Folge, dass für etwaige daraus entstehende Gesundheitsschäden oder Persönlichkeitsverletzungen des Untergebenen nach Amtshaftungsgrundsätzen grundsätzlich der Dienstherr des vorgesetzten Beamten haftet. Vorliegend tritt neben die umfassenden Dienstleistungs- und Treuepflichten auch der vorgesetzten Beamten des Klägers und der Fürsorge- und Treupflicht des Dienstherrn, die in Baden-Württemberg für die Polizei zusätzlich in § 67 Abs. 1, 90 LPVG ihren Niederschlag gefunden haben, auch der aus der Fürsorgepflicht und den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums fließende Grundsatz, dass der Dienstherr den Beamten in seinem beruflichen Fortkommen nicht zu Unrecht beeinträchtigen darf und er gemäß § 115 LBG den Beamten gemäß seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu beurteilen hat. Auch wenn Amtsträger im Zusammenhang mit den Beurteilungen des Klägers diese aus eifersüchtigen oder rein persönlichen Gründen zu eigennützigen, schikanösen oder gar strafbaren Zwecken missbraucht hätten, stünde dies einer Amtshaftung nicht entgegen (BGH, a.a.O.).
29 
Entgegen der Auffassung des Landgerichts scheitert eine Haftung des Beklagten nicht schon an § 839 Abs. 3 BGB. Allerdings ist § 839 Abs. 3 BGB entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb unanwendbar, weil Anspruchsgrundlage der klägerischen Forderung § 847 BGB a.F. ist. Zum einen trifft dies nur einen Teil der Klagbegehren und zum anderen setzt § 847 BGB a.F. das Vorliegen einer unerlaubten Handlung voraus, die bezüglich dem Beklagten nur in § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu suchen ist.
30 
Weil es sich beim "Mobbing" schon nach der Definition nicht um einzelne Handlungen, sondern um fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen handelt, ist von der Art der Vorgehensweise beim "Mobbing" ein die Amtshaftung ausschließendes vorrangiges Rechtsmittel gemäß § 839 Abs. 3 BGB nicht gegeben. Beim "Mobbing" kann das Vorgehen gegen Einzelakte durch Einlegung eines Rechtsmittels erfolglos bleiben, weil erst in der Gesamtschau der rechtsverletzende Charakter der Vorgehensweise von Dienstvorgesetzten erkennbar wird (vgl. auch Thüringer LAG a.a.O., 579). Ein Rechtsmittel gegen eine Handlungsweise, die in ihrer Gesamtheit darauf gerichtet ist, den Betroffenen zu zermürben, wäre darüber hinaus nicht erfolgversprechend. Vielmehr wäre durch die Einlegung eines Rechtsmittels gegen schikanierende und diskriminierende Verhaltensweisen von Vorgesetzten im Gegenteil eine deutliche Verschlechterung der Situation zu befürchten (BGH a.a.O., 3174). Etwaige Rechtsmittel, soweit diese überhaupt in Betracht kommen, wären aller Voraussicht nach erfolglos geblieben, so dass deren Nichteinlegung nicht ursächlich für den entstandenen Schaden war. Darüber hinaus wäre es dem Betroffenen nicht zuzumuten, durch das Einlegen eines Rechtsmittels die Beseitigung des schikanösen Handelns der Vorgesetzten zu betreiben und an seinem Arbeitsplatz und in der Umgebung der ihn bisher in der Regel vorsätzlich schikanierenden Vorgesetzten zu verbleiben, so dass die Nichteinlegung eines Rechtsmittels ohne Verschulden erfolgt wäre.
3.
a)
31 
Der Vortrag des Klägers ist nicht geeignet, ein "Mobbing" i.S.d. obigen Definition annehmen zu können. Der Vortrag des Klägers lässt lediglich deutlich werden, dass er sich von seinen Dienstvorgesetzten verfolgt und gezielt benachteiligt fühlt. Es ist aber weder erkennbar geworden, dass dieses Gefühl berechtigt ist, noch, dass das Verhalten seiner Dienstvorgesetzten systematisch, also in einer fortgesetzten, aufeinander aufbauenden und ineinander übergreifenden, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienenden Verhaltensweise erfolgt wäre.
aa)
32 
Der Kläger fühlt sich insbesondere durch die ihm von seinen Dienstvorgesetzten erteilten Beurteilungen diskriminiert und benachteiligt. Dabei handelt es sich um Beurteilungen vom 18.09.1989, 13.01.1992, 27.08.1998 und die Anlassbeurteilung vom 23.08.1999 einschließlich zwei weiterer an deren Stelle getretenen Neubeurteilungen. Mit der Regelbeurteilung vom 13.01.1995 ist der Kläger einverstanden und zieht aus dieser Regelbeurteilung lediglich Schlüsse im Hinblick auf die aus seiner Sicht ungerechtfertigten vorangegangenen Regelbeurteilungen. Während ein Zusammenhang der Anlassbeurteilungen vom 23.08.1999, 28.07.2000 und 12.07.2001 schon deshalb zu bejahen ist, weil diese alle den gleichen Beurteilungszeitraum betreffen, fehlt im Übrigen der für die Annahme eines "Mobbing" ausreichende Zusammenhang zwischen den gerügten Beurteilungen. Der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Beurteilungen von drei Jahren, sechs Jahren und einem Jahr genügt nicht, um eine fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane und Diskriminierung dienenden Verhaltensweise annehmen zu können. Gegen eine systematische Vorgehensweise spricht im vorliegenden Fall auch, dass bei den einzelnen Beurteilungen unterschiedliche Vorgesetzte beteiligt waren. Insbesondere hat bei den Regelbeurteilungen vom 18.09.1989 und 13.01.1992 kein einziger Vorgesetzter an beiden Beurteilungen mitgewirkt. Die Vermutung des Klägers, EKHK W. habe hier auf die Beurteilung Einfluss genommen, hat er auf das Bestreiten des Beklagten nicht unter Beweis gestellt.
33 
Auch die Begründungen des Klägers, warum die Beurteilungen zu Unrecht so schlecht ausgefallen seien, sprechen gegen eine systematische Vorgehensweise der Dienstvorgesetzten des Klägers. Während die schlechten Regelbeurteilungen vom 18.09.1989 und 13.01.1992 nach seiner Auffassung auf eine unzulässige Einflussnahme des EKHK W. zurückzuführen seien, sei für die zu schlechten Beurteilungen vom 13.01.1995 und 27.08.1998 das zerstörte Vertrauensverhältnis mit EKHK K. verantwortlich. Die wiederholenden Anlassbeurteilungen vom 28.07.2000 und 12.07.2001 haben ihren Anlass nach Auffassung des Klägers darin, ihm gegenüber eine rechtswidrige Verwaltungspraxis durchzusetzen und die ihm rechtswidrig erteilte Benotung zu halten. Insoweit geht es letztlich, wie bereits ausgeführt, bei den Beurteilungen ab dem 23.08.1999 nicht um mehrere, sondern einen Vorgang und einen Beurteilungszeitraum.
bb)
34 
Auch die weiteren vom Kläger geschilderten, ihn aus seiner Sicht diskriminierenden und schikanierenden Verhaltensweisen seiner Dienstvorgesetzten sind nicht geeignet, die für eine fortgesetzte und systematische Vorgehensweise notwendige Verbindung zu schaffen.
35 
Die vom Kläger als Drohung aufgefassten Äußerung des EKHK W. im Rahmen der Auslandsbewerbung des Klägers im Jahr 1988, der Kläger "werde ja irgendwann einmal aus dem Ausland zurückkommen" hat der Kläger auf das Bestreiten des Beklagten hin nicht unter Beweis gestellt. Diesem Vortrag fehlt auch die Plausibilität, weil nicht erkennbar ist, warum der zuständige Personalsachbearbeiter sich aufgrund eines Auslandseinsatzes des Klägers zu einer solchen Drohung und deren Umsetzung veranlasst gefühlt haben sollte. Darüber hinaus dient der Vortrag nur zur Verbindung der Regelbeurteilungen aus den Jahren 1989 und 1992. Während dieser Zeit hat der Kläger keine weiteren Vorfälle geschildert, die auf ein "Mobbing" schließen lassen müssten.
36 
Die Behauptung des Klägers, KOR E. habe ihm im Jahr 1998 auf seine Remonstration bezüglich der Anlassbeurteilung vom 27.08.1998 mitgeteilt, die Beurteilung sei "unglücklich gelaufen" und bei der nächsten Beurteilung in einem Jahr "würde man dies wieder gutmachen" ist weder als Beleidigung noch als Schikane noch als Diskriminierung des Klägers aufzufassen.
37 
Das weitere Gespräch mit KOR E. nach der Anlassbeurteilung vom 23.08.1999, in dem der Kläger ausgelacht wurde, weil er zu dumm sei, die Zusammenhänge zu erkennen, ist als auf das Bestreiten des Beklagten hin unbewiesene Behauptung einer Beleidigung und Diskriminierung des Klägers anzusehen, die singulär steht und nicht geeignet ist, einen Fortsetzungszusammenhang zwischen den verschiedenen Beurteilungen insoweit zu schaffen, dass ein "Mobbing" i.S.d. Rechtsprechung anzunehmen wäre.
38 
Die Zusendung der Abordnung des Klägers zu einem Qualifizierungslehrgang an seine Privatadresse zu einem Zeitpunkt, in dem er sich krankheitsbedingt nicht im Dienst befunden hat, ist objektiv nicht als Provokation oder sonstige Schikane zu bewerten. Vielmehr verdeutlicht die vom Kläger vorgenommene Bewertung dieses Vorgangs seine zumindest inzwischen eingetretene Überempfindlichkeit gegenüber nicht zu beanstandenden Vorgehensweisen der Bediensteten des Beklagten.
39 
Die übrigen behaupteten Handlungen, auf die der Kläger den Vorwurf des "Mobbing" stützt, sind im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Anlassbeurteilung vom 23.08.1999 vorgerichtlich und im Verwaltungsgerichtsverfahren geschehen, so dass auch sie nicht geeignet sind, über diese Einzelbeurteilung hinaus mit den anderen Vorwürfen eine systematische Vorgehensweise zur Zermürbung des Klägers erkennen zu lassen (s. auch unten zu Ziff. 4).
40 
Eine systematische, fortgesetzte Begehungsweise war hier auch nicht entbehrlich. Die dienstlichen Beurteilungen stellen keine Dauerverletzung dar, weil es sich um auf einen bestimmten Stichtag bezogene Werturteile des Dienstvorgesetzten handelt. Auch wenn der Kläger selbst dauerhaft durch die in den dienstlichen Beurteilungen enthaltenen Werturteile getroffen wurde, sind sämtliche dienstlichen Beurteilungen nicht geeignet, einen Untergebenen objektiv dauerhaft zu beleidigen, zu schikanieren und zu diskriminieren. Solchen dienstlichen Beurteilungen fehlt eine dauerhafte Außenwirkung schon deshalb, weil sie vom Dienstherrn den Kollegen nicht bekannt gemacht werden und keine Umstände ersichtlich sind, die dem Kläger das im Vergleich zu Kollegen verhältnismäßig schlechte Abschneiden immer wieder in unredlicher Weise in Erinnerung gerufen hätten.
41 
Schon danach liegt ein wegen "Mobbing" haftungsbegründendes Verhalten der Bediensteten des Beklagten nicht vor.
b)
42 
Im übrigen können nur von Inhalt oder Art und Weise unberechtigte Vorgehensweisen den Vorwurf eines "Mobbing" begründen (LAG Nürnberg, NZA-RR 2003, 121, 123; Benecke, NZA-RR 2003, 225, 228; Rieble/Klumpp, a.a.O., S. 373), außer wenn hinter dem für sich gesehen rechtmäßigen Handeln ausschließlich ein Schikanewille steht, der hier nicht erkennbar ist.
43 
Die aufgrund des Beurteilungsspielraums des Dienstherrn beschränkte Rechtmäßigkeitskontrolle lässt keine Rechtswidrigkeit der Beurteilungen vom 18.09.1989 bis 27.08.1998 erkennen.
44 
Bei einer dienstlichen Beurteilung gemäß § 115 LBG handelt es sich um einen dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis mit einer der gesetzlichen Regelung immanenten Beurteilungsermächtigung (BVerfG NVwZ-RR 2002, 802, 803; BVerwG ZBR 1988, S. 63; BVerwGE 60, 245, 246 ff).
45 
Der Beamte hat deshalb eine dienstliche Beurteilung hinzunehmen, wenn sie sich innerhalb des Beurteilungsspielraums des Dienstherrn hält, auch wenn das subjektive Wertgefühl des Beamten durch die dienstliche Beurteilung beeinträchtigt wird.
aa)
46 
Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (BVerwGE 60, 245, 246 ff). Auch wenn die Benotung durch den Deutschen Botschafter und eine Bewertung der Tätigkeit des Klägers beim Staatsschutz in den einzelnen dienstlichen Beurteilungen nicht auftaucht, bedeutet dies noch nicht automatisch, dass diese Tätigkeiten bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden wären.
bb)
47 
Die Beurteilung durch einen voreingenommenen Vorgesetzten stellt auch dann, wenn dem Dienstherrn eine sog. Beurteilungsermächtigung zusteht, einen Verfahrensfehler dar, weil dann der Dienstherr gegen seine selbstverständliche Pflicht verstößt, den Beamten gerecht, unvoreingenommen und möglichst objektiv zu beurteilen (BVerfG a.a.O.; BVerwG NVwZ 1998, 1302 f).
48 
Hier gibt es bezüglich der Beurteilungen vor dem 23.08.1999 keine durchgreifenden und, soweit entscheidungserheblich, unter Beweis gestellten Hinweise auf eine objektiv gegebene Befangenheit der Beurteiler des Klägers.
c)
49 
Als möglicher haftungsbegründender Sachverhalt verbleibt danach nur noch die Auseinandersetzung um die Anlassbeurteilung für den Zeitraum 1.08.1998 bis 1.09.1999.
50 
Soweit der Beklagte im Verwaltungsgerichtsverfahren durch seinen Vortrag seine Rechtsposition zu begründen versuchte, handelte er in Ausübung seiner guten Rechte als Prozesspartei. Der Kläger konnte weder einen kritiklosen Umgang mit ihm noch im Rahmen des Verwaltungsgerichtsverfahrens die Aufgabe einer rechtlichen Auseinandersetzung durch den Beklagten erwarten. Soweit geht die Fürsorgepflicht eines Arbeitgebers, auch des Staates, nicht.
51 
Soweit es um vom Kläger gerügte Mängel bei der Erstellung der neuen dienstlichen Beurteilung vom 12.07.2001 geht, handelt es sich im wesentlichen um einen Teil der Auseinandersetzung in der Sache, nämlich das Finden einer rechtmäßigen Beurteilung mit einer angemessenen, sich innerhalb des Beurteilungsspielraums haltenden Gesamtnote und die Reichweite der Grundsätze der reformatio in peius, nicht aber um den für ein "Mobbing" typischen und erforderlichen Angriff auf die Persönlichkeit und Würde des Klägers, auch wenn er dies anders empfinden mag. Hier ist der Kläger auf den Rechtsschutz im Verwaltungsrechtsweg zu verweisen.
52 
Die im Zusammenhang mit den Anlassbeurteilungen vom 23.08.1999, 28.07.2000 und 12.07.2001 vom Kläger vorgetragenen übrigen gerügten Verhaltensweisen sind von Art und Intensität nicht geeignet, den Vorwurf des "Mobbing" zu rechtfertigen und lassen eine systematische und fortgesetzte Begehungsweise vermissen. Wenn die vom Kläger aufgestellten Behauptungen sich als richtig erweisen würden, wären aufgrund des Geschehensablaufs einzelne, unschöne Ausfälle von Vorgesetzten des Klägers im Umgang mit ihm festzustellen, die aber eine Systematik nicht erkennen lassen, sondern sich als Einzelvorgänge darstellen. Darüber hinaus fehlt die notwendige Intensität des Eingriffs der einzelnen Maßnahmen in die geschützte Würde und Persönlichkeit des Klägers, um von einem "Mobbing" sprechen zu können.
d)
53 
Soweit der Kläger auf das nervenärztliche Gutachten des Dr. med. Frank Br. vom 29.06.2001 zur Begründung des Mobbingvorwurfs verweist, führt dies nicht zu einem schlüssigen Tatsachenvortrag. Der medizinische Sachverständige hat seine Beurteilungen allein auf dem eigenen Bekunden des Klägers abgegeben und selbst erklärt, dass es nicht Aufgabe der gutachterlichen Ausführungen ist, die Angaben des Klägers in ihrem Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Ein solches medizinisches Gutachten ist deshalb für die schlüssige Begründung und den Beweis eines "Mobbing" ungeeignet (vgl. LAG Baden-Württemberg AP Nr. 2 zu § 611 BGB "Mobbing"; Arbeitsgericht München NZA-RR 2002, 123, 124; LAG Berlin, Urteil v. 7.11.2002, Az. 16 Sa 938/02). Aus diesem Gutachten ergibt sich lediglich die klägerische Sichtweise der Geschehnisse und die von ihm deswegen empfundene tiefe Kränkung. Allerdings ist aus dem Gutachten neben der Kausalität der Geschehnisse für die Kränkung auch deren medizinische Einordnung als Dysthymia, einer chronisch depressiven Verstimmung, zu entnehmen. Das nervenärztliche Gutachten zeigt die in diesem Zusammenhang bedeutenden Persönlichkeitsdefizite des Klägers auf, wonach dem Kläger die entsprechenden Bewältigungsstrategien fehlten, um mit einer beruflichen Kränkung adäquat umzugehen, was die Reaktion des Klägers auf seine dienstlichen Beurteilungen verständlicher werden lässt. Der Gutachter bewertet diese Persönlichkeitsstruktur des Klägers als sekundären Narzissmus.
54 
Nach alledem fehlt ein schlüssiger Vortrag für ein haftungsbegründendes "Mobbing" des Klägers.
4.
55 
Die Anlassbeurteilung vom 23.08.1999 und die sich anschließenden, an ihre Stelle getretenen Beurteilungen vom 28.07.2000 und 12.07.2001 sowie die Äußerungen von Vorgesetzten im Zusammenhang mit diesen Beurteilungen erfüllen die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten auch unter anderen Gesichtspunkten als "Mobbing" nicht.
a)
56 
Soweit der Kläger Ersatz für entgangenen Verdienst aufgrund der im Vergleich zu seinem Kollegen L. späteren Beförderung in Höhe von 1.280,08 EUR begehrt, scheitert dieser Anspruch an § 839 Abs. 3 BGB.
57 
Der Kläger hat die angeblich rechtswidrige Unterlassung seiner Beförderung im Oktober 1999 hingenommen und damit in Kauf genommen, dass der Beklagte mit der Besetzung der Beförderungsämter vollendete Tatsachen schaffen konnte. Den ihm hier zur Verfügung stehenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz hat der Kläger nicht in Anspruch genommen, so dass § 839 Abs. 3 BGB seiner Amtshaftungsklage entgegensteht (BVerwG NVwZ-RR 2002, 620; NJW 1998, 3288, 3289). Die Inanspruchnahme von Primärrechtschutz war nicht aussichtslos und damit unzumutbar, weil der Kläger sich gegen seine dienstliche Beurteilung für den Zeitraum 01.08.1998 bis 01.09.1999 gewehrt hat und diese Auseinandersetzung mit dem Dienstherrn zum Zeitpunkt der Besetzung der Beförderungsstelle noch nicht abgeschlossen war. Im Rahmen des Auswahlverfahren für ein Beförderungsamt ist weder der Dienstherr noch das Gericht an eine bestimmte dienstliche Beurteilung gebunden. Einwendungen gegen eine dienstliche Beurteilung, die als solche kein Verwaltungsakt und deshalb auch nicht der Bestandskraft fähig ist, können auch unmittelbar in einem Bewerbungsverfahren wie auch in einem ggf. anschließenden verwaltungsgerichtlichen "Konkurrentenstreit" geltend gemacht werden. Der Beamte braucht nicht den Ausgang eines isolierten Streites und die Fehlerhaftigkeit einer dienstlichen Beurteilung abzuwarten (BVerwG NVwZ-RR 2002, 620). Der Kläger hätte bereits in einem früheren Verfahren mit dem Ziel seiner Beförderung seine Bedenken gegen die Beförderungspraxis des Beklagten einbringen können. Darüber hinaus hat der Kläger die Kausalität der rechtswidrigen Anlassbeurteilung vom 23.08.1999/28.07.2000 für das Unterbleiben der Beförderung nicht ausreichend dargelegt.
58 
Soweit der Kläger wegen Gehaltskürzungen einen Ausgleich durch Schadensersatz erreichen möchte, ist er gemäß § 839 Abs. 3 BGB ebenfalls auf den Primärrechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu verweisen.
b)
59 
Aufgrund des Urteils des VG Stuttgart vom 13.02.2001 steht für beide Parteien verbindlich die Rechtswidrigkeit der Anlassbeurteilung vom 23.08.1999 fest. Durch die Anlassbeurteilung haben die Vorgesetzten des Klägers ihre Amtspflichten gegenüber dem Kläger verletzt. Allerdings führt nicht jede rechtswidrige Maßnahme zu einem Schadensersatzanspruch.
aa)
60 
Ohne die Voraussetzungen eines "Mobbing" kommt ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen einer durch eine Amtspflichtverletzung veranlaßten Persönlichkeitsrechtsverletzung gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob ein derart schwerer Eingriff in den Eigenwert der Persönlichkeit angenommen werden kann, ist aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Hierbei sind insbesondere die Art und Schwere der Beeinträchtigung sowie der Grad des Verschuldens, ferner Anlass und Beweggrund des Handelns zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 18.12.1986, Az.: III ZR 144/86; BGH NJW 1981, 675, 676). Nach den obigen Ausführungen ist ein so schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers, der eine Schadensersatzverpflichtung auslösen könnte, nicht gegeben.
bb)
61 
Eine Haftung des Beklagten wegen der Gesundheitsbeschädigung des Klägers durch die Erkrankung an einer chronisch depressiven Verstimmung scheitert an der fehlenden Adäquanz der behaupteten Amtspflichtverletzungen für die Erkrankung.
62 
Selbst wenn die Anlassbeurteilung vom 23.08.1999 ursächlich oder mitursächlich für die jetzige Erkrankung des Klägers geworden wäre, ist sie durch diese Anlassbeurteilung und die in diesem Zusammenhang entstandenen Auseinandersetzungen und Angriffe nicht adäquat kausal verursacht worden. Zwar erstreckt sich der Zurechnungszusammenhang einer Pflichtverletzung grundsätzlich auch auf seelische Reaktionen des Verletzten, selbst wenn diese durch eine psychische Labilität wesentlich mit bestimmt sind. Der Schädiger muss daher grundsätzlich auch für psychische Erkrankungen wie depressive Verstimmungen einstehen (Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Vorbem. vor § 249 Rn. 69).
63 
Nach der Rechtsprechung des für Fragen der Amtshaftung zuständigen 3. Zivilsenats des BGH gilt im Amtshaftungsrecht - wie im übrigen Schadensersatzrecht - das Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden. Ein solcher adäquater Zusammenhang besteht, wenn die Amtspflichtverletzung im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen oder nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Schadens geeignet war (BGH NVwZ 1994, 825, 826 f m.w.N.). Eine Ersatzpflicht ist danach ausgeschlossen, wenn die neurotische Fehlhaltung in einem groben Missverhältnis zum schädigenden Ereignis steht, sie also Ausdruck einer offensichtlich unangemessenen Erlebnisverarbeitung ist (vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O. Rn. 70 a).
64 
Die Rechtswidrigkeit einer dienstlichen Beurteilung allein, gegen die Primärrechtsschutz möglich ist, ist nicht geeignet, dem Beklagten bzw. den Vorgesetzten des Klägers zurechenbar eine Dienstunfähigkeit wegen einer chronisch depressiven Verstimmung herbeizuführen. Vielmehr ist eine solche Reaktion auf eine nicht zufriedenstellende dienstliche Beurteilung Ausdruck einer offensichtlich unangemessenen Erlebnisverarbeitung, die dem Beklagten nicht bekannt war. Ergänzend ist auf das vom Kläger vorgelegte nervenärztliche Gutachten von Dr. Br. zu verweisen (vgl. oben 3.b)). Verdeutlicht wird die offensichtlich unangemessene Erlebnisverarbeitung durch die weiteren Folgen der rechtswidrigen Anlassbeurteilung vom 23.08.1999. Nach eigenem Vortrag trat durch diese Beurteilung lediglich eine verzögerte Beförderung statt im Oktober 1999 zum 1.04.2000 ein. Im September 2000 erhielt er die Abordnung zu einem Qualifizierungslehrgang. Danach waren weder die Folgen der rechtswidrigen Anlassbeurteilungen vom 23.08.1999 noch die damit verbundene objektive Kränkung des Klägers geeignet, einen Zurechnungszusammenhang zu der beim Kläger eingetretenen chronisch depressiven Verstimmung herzustellen.
65 
Ein anderes Ergebnis bei der Frage der Zurechenbarkeit würde sich auch nicht nach der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH ergeben (BGH NJW 1996, 2425 f; NJW 1976, 1143, 1144). Hier liegt ein sog. Primärschäden vor, nämlich eine Gesundheitsbeschädigung, die haftungsbegründend durch die Amtspflichtverletzung eingetreten sein könnte. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Vorgesetzten des Klägers und damit das beklagten Land die besondere Gefahr einer Erkrankung des Klägers durch eine chronisch depressive Verstimmung hätten erkennen müssen oder erkannt haben und deshalb eine besondere Vorsicht im Umgang mit dem Kläger zu erwarten gewesen wäre, bei der die Erkrankung ausgeblieben wäre.
c)
66 
Einem Schadensersatzanspruch aufgrund der neuen Anlassbeurteilung vom 12.07.2001 steht wiederum § 839 Abs. 3 BGB entgegen. Der Kläger hat es schuldhaft unterlassen, Primärrechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht gegen diese neue Anlassbeurteilung zu erlangen. Der neue Verwaltungsakt bzw. die neue dienstliche Beurteilung kann nach den allgemein geltenden Grundsätzen wiederum angefochten werden (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rn. 169 a.E.).
67 
Allerdings findet § 839 Abs. 3 BGB dann keine Anwendung, wenn der Betroffene es unterlässt, gegen einen Verwaltungsakt, der den sachlichen Inhalt eines vorher erlassenen, von ihm angefochtenen Verwaltungsakt lediglich wiederholt, erneut ein Rechtsmittel einzulegen. Dies gilt aber nur dann, wenn der Verwaltungsakt oder wie hier die dienstliche Beurteilung voll inhaltlich und mit derselben rechtlichen Begründung aufrechterhalten wird. Der Kläger rügt nun gerade, dass die einzelnen Bewertungen und damit die Begründung der Gesamtnote zu Unrecht verändert wurde (vgl. BGHZ 56, 57, 60).
68 
Selbst wenn auch die neue Anlassbeurteilung vom 12.07.2001 rechtswidrig wäre, müsste der Zurechnungszusammenhang zum geltend gemachten Schaden, nämlich einer Gesundheitsschädigung durch eine eingetretene chronisch depressive Verstimmung, verneint werden (s.o. b)bb)).
5.
69 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 u. S. 2, 709 S. 2 ZPO.
70 
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 277/01
vom
1. August 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 839 A, Fg; BRRG § 35 Abs. 1 Satz 2, § 36 Abs. 3;
BayBG Art. 62 Abs. 1 Satz 2, Art. 64 Abs. 1 Satz 3
Für Schäden, die dadurch entstehen, daß ein Polizeibeamter im Rahmen
der gemeinsamen Dienstausübung durch seinen Vorgesetzten
(Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayBG) systematisch und fortgesetzt schikaniert
und beleidigt wird (Mobbing), haftet der Dienstherr des Schädigers
nach Amtshaftungsgrundsätzen.
BGH, Beschluß vom 1. August 2002 - III ZR 277/01 - OLG München
LG München I
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. August 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und
Galke
beschlossen:-
Die Revision des Klägers und seines Streithelfers gegen das Urteil
des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom
20. September 2001 - 1 U 2443/01 - wird nicht angenommen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens - mit Ausnahme der durch
den Streithelfer des Klägers verursachten Kosten, die dieser
selbst zu tragen hat - trägt der Kläger.
Streitwert: 112.330,41 DM (= 57.433,63 ?)

Gründe


Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO a.F.). Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).

I.


Der Kläger verlangt von dem Beklagten aus übergegangenem und abgetretenem Recht Zahlung von Schmerzensgeld und Erstattung von Beerdigungskosten.
Die Tochter des Klägers war Polizeibeamtin. Sie verrichtete vom 1. bis zum 13. Dezember 1998 und vom 1. bis zum 23. Januar 1999 ihren Dienst in der A-Schicht der Polizeiinspektion .... in M. , deren Dienstgruppenleiter der Beklagte war.
Die Tochter des Klägers befand sich Ende Januar 1999 für einige Tage wegen des Verdachts eines psycho-vegetativen Erschöpfungssyndroms in stationärer Behandlung. Am 14. Februar 1999 beging sie Selbstmord. In einem Abschiedsbrief hatte sie geäuûert, sie habe keine Lust mehr, sich von der ASchicht quälen zu lassen.
Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte habe seine Tochter fortlaufend schikaniert, ihre dienstlichen Leistungen herabgewürdigt und sie in obszöner Weise ständig beleidigt. Der vom Beklagten ausgeübte Psychoterror sei Ausdruck seiner Grundhaltung gewesen, Frauen seien untergeordnete Personen; er habe seinen geradezu triebhaften Zwang, Frauen zu erniedrigen und zu demütigen, aus rein persönlichen Motiven im Dienst ausgelebt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen der Kläger und sein Streithelfer, der Freistaat Bayern, das Zahlungsbegehren weiter.

II.



Die Vorinstanzen haben ihre klageabweisenden Entscheidungen damit begründet, daû sich die auf der Grundlage des Klägervorbringens in Frage kommenden Schadensersatzansprüche nach §§ 839 Abs. 1, 844 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG gegen das Land als Dienstherrn und nicht gegen den Beklagten persönlich richteten. Dem ist zuzustimmen.
1. a) § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, daû der Amtsträger in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes handelt. Dies bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äuûerer und innerer Zusammenhang besteht, daû die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muû. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden , sondern auf seine Funktion, d.h. auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (vgl. nur Senatsurteile BGHZ 147, 169, 171; 118, 304, 305 m.w.N.).

b) Nach § 2 Abs. 1 BRRG, Art. 2 BayBG steht der Beamte zu seinem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis, bei dem der umfassenden Dienstleistungs- und Treuepflicht des Beamten (§ 36 BRRG, Art. 64 Abs. 1 BayBG) die ebenso umfassende Fürsorge- und Treuepflicht des Dienstherrn gegenübersteht (§ 48 BRRG, Art. 86 BayBG). Im Verhältnis zum Vorgesetzten (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayBG) obliegen dem Beamten Beratungs-, Unterstützungs- und Gehorsamspflichten (§ 37 BRRG, Art. 64 Abs. 2 BayBG). Umgekehrt bestimmen die in § 35 Abs. 1 Satz 2, § 36 Satz 3
BRRG sowie in Art. 62 Abs. 1 Satz 2, Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG enthaltenen Pflichten in besonderem Maûe das Verhalten des Vorgesetzten zu seinen Untergebenen. Im Umgang mit ihnen ist er zu einem korrekten, achtungs- und vertrauenswürdigen Auftreten verpflichtet, wobei er sich insbesondere eines angemessenen Umgangstons zu befleiûigen hat (vgl. Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl., Einl. C Rn. 54 a ff; Zängl, in: Weiû/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Art. 64 [Stand: November 2001] Anm. 14 a).

c) Angesichts dieses beamtenrechtlichen (öffentlich-rechtlichen) Normengefüges wird ein Vorgesetzter, der - wie hier - im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung einen Untergebenen respektlos behandelt, regelmäûig hoheitlich tätig. Dies hat zur Folge, daû für etwaige daraus entstehende Gesundheitsschäden des Untergebenen nach Amtshaftungsgrundsätzen grundsätzlich nicht der vorgesetzte Beamte persönlich, sondern dessen Dienstherr haftet. Davon geht im rechtlichen Ansatz auch die Revision aus.
2. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt der Umstand, daû jedenfalls bezüglich der fortgesetzten anstöûigen Beleidigungen ein konkreter dienstlicher Anlaû nicht immer erkennbar ist, diese Äuûerungen vielmehr in nachvollziehbarer Weise nur als Ausdruck einer frauenfeindlichen Grundhaltung des Beklagten zu erklären sind, keine andere Beurteilung der Rechtslage.

a) Nach ständiger Rechtsprechung darf bei der Frage, ob ein Amtsträger in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes oder nur bei Gelegenheit der Amtsausübung gehandelt hat, der Begriff der Ausübung nicht zu eng ausgelegt werden (so schon RGZ 104, 286, 289). Auch ein Miûbrauch des Amtes zu eigennützigen, schikanösen oder gar strafbaren Zwecken, eine Pflichtwid-
rigkeit aus eigensüchtigen oder rein persönlichen Gründen schlieût den für das Handeln in Ausübung des Amtes maûgeblichen inneren Zusammenhang zwischen Amtsausübung und schädigendem Verhalten nicht von vornherein aus (vgl. Senatsurteil vom 30. April 1953 - III ZR 204/52 - LM BGB § 139 [Fg] Nr. 5). Insbesondere ist ein Tätigwerden in Ausübung des übertragenen öffentlichen Amtes selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Beamte gerade das tut, was er verhindern sollte (wenn etwa Wachtpersonal, das Plünderungen vermeiden soll, sich selbst daran beteiligt, RGZ 104, 304; wenn ein Polizeibeamter , der die miûbräuchliche Verwendung von Dienstfahrzeugen verhindern soll, selbst einen Dienstwagen zu einer Schwarzfahrt benutzt, Senatsurteile BGHZ 124, 15, 18; 1, 388, 392 ff).

b) Darüber hinaus ist zu beachten, daû nach der Rechtsprechung des Senats der gesamte Tätigkeitsbereich, der sich auf die Erfüllung einer bestimmten hoheitlichen Aufgabe bezieht, als Einheit beurteilt werden muû und es nicht angeht, die einheitliche Aufgabe in Einzelakte - teils hoheitlicher, teils bürgerlichrechtlicher Art - aufzuspalten und einer gesonderten Beurteilung zu unterziehen (Senatsurteile BGHZ 42, 176, 179 f zur Frage, ob die Teilnahme eines Amtsträgers am allgemeinen Verkehr als Dienst- oder Privatfahrt einzuordnen ist; BGHZ 16, 111, 112 f zur Paketbeförderung durch die damals noch öffentlich-rechtlich organisierte Post).
3. Nach diesen Maûstäben steht vorliegend nur die Haftung des Landes als Dienstherr der zu Tode gekommenen Polizeibeamtin in Frage.

a) Diese hatte mit dem Beklagten nur im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung Kontakt. Die vorgetragenen Herabwürdigungen ihrer dienstli-
chen Leistungen durch den Beklagten, die Verweigerung von Hilfestellung, die - diskriminierende - Praxis, der Beamtin, im Unterschied zu allen anderen (männlichen) Kollegen der A-Schicht, Dienstanweisungen nicht mehr mündlich, sondern durch Notizzettel zu erteilen, sowie das Ansinnen, eine falsche Ordnungswidrigkeiten -Anzeige aufzunehmen, haben eindeutig einen dienstlichen Bezug. Die notwendige innere Beziehung der schädigenden Handlung zur Dienstausübung ist insoweit, und zwar ohne Rücksicht auf die Absichten und Beweggründe des Beklagten, fraglos gegeben.

b) Bezüglich der fortgesetzten Beleidigungen hat das Berufungsgericht im Anschluû an die bereits zitierte Rechtsprechung zutreffend angenommen, daû eine isolierte Betrachtungsweise dahin, daû bei solchen Vorfällen, in denen ein konkreter Bezug zu dienstlichen Vorgängen nicht erkennbar ist, der Vorgesetzte nach allgemeinem Deliktsrecht persönlich haften soll, nicht möglich ist. Aus den von der Revision des Klägers angeführten Entscheidungen ergibt sich nichts anderes.
Dem Senatsurteil BGHZ 11, 181 lag der Fall zugrunde, daû ein Truppenangehöriger einen Offizier "aus Wut und Rache" plötzlich durch einen mittels einer Maschinenpistole abgegebenen Feuerstoû getötet hatte. Hier hat der Senat einen inneren Zusammenhang zwischen Tat und Dienst verneint, obgleich die persönlichen Beweggründe zur Tat durch Vorkommnisse im Dienst veranlaût worden sein sollten. Mit einer derartigen Konstellation, der eine spontane, selbst in Kriegszeiten kaum nachvollziehbare Überreaktion zugrunde liegt, die strafrechtlich möglicherweise als Mord zu ahnden ist (vgl. auch RGZ 104, 286, 290), ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Er zeichnet sich vielmehr auf der Grundlage des Klägervorbringens dadurch aus, daû ein Vor-
gesetzter seine hervorgehobene Amtsstellung in einer im Einzelfall mehr oder weniger auf einen konkreten dienstlichen Anlaû bezogenen Art und Weise dazu miûbraucht, einen Untergebenen systematisch und fortgesetzt zu beleidigen , zu schikanieren und zu diskriminieren (Mobbing). Diese Verhaltensweise erfordert eine einheitliche Beurteilung, die dann, wenn - wie hier - das Mobbing im Rahmen bestehender Beamtenverhältnisse stattfindet, zur Anwendung von Amtshaftungsrecht führt.
4. Dies hat zur Folge, daû vorliegend allein das Land als Dienstherr des Beklagten passivlegitimiert ist. Soweit die Revision des Klägers darauf hinweist , daû neben Ansprüchen aus Amtshaftung gegen die Anstellungskörperschaft auch eine persönliche Ersatzpflicht des Amtsträgers aus anderem Rechtsgrund in Frage kommen kann, so betrifft dies insbesondere Ansprüche gegen den Beamten nach § 7 StVG (etwa wenn der Beamte mit seinem eigenen Pkw eine Dienstfahrt durchführt, vgl. BGHZ 29, 38). Hingegen verbleibt es allein bei der Haftung aus § 839 BGB, Art. 34 Satz 1 GG, wenn der Beamte in Ausübung eines öffentlichen Amtes eine Handlung begeht, die bei Anwendung des allgemeinen Deliktsrechts den Tatbestand des § 823 Abs. 1 und Abs. 2 (i.V.m. §§ 185, 223 StGB) oder des § 826 BGB erfüllen würde (vgl. Senatsurteile BGHZ 69, 128, 138 ff; 78, 274, 279). Aus der von der Revision des Klägers angeführten Senatsentscheidung BGHZ 147, 381 ergibt sich nichts anderes.
5. Diese Haftungsfolge ist auch sachgerecht. Sie führt zu klaren und eindeutigen Ergebnissen, die für den Geschädigten mehr Vor- als Nachteile mit sich bringen. Dies gilt auch für die vorliegende Fallkonstellation (Mobbing durch Vorgesetzte): Dem geschädigten Beamten steht insbesondere ein lei-
stungsfähiger Schuldner gegenüber. Die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB greift im allgemeinen schon deshalb nicht ein, weil "fahrlässiges Mobbing" kaum denkbar ist. Auch § 839 Abs. 3 BGB wird in gravierenden Fällen , in denen - wovon vorliegend nach dem Klägervortrag auszugehen ist - die Mobbing-Handlungen des Vorgesetzten gegenüber einer diensttuenden Beamtin mit (zumindest) stillschweigender Billigung der anderen (männlichen) Kollegen erfolgt sind, kaum zu einem Anspruchsverlust führen. In einer derartigen Situation muû das "Mobbing-Opfer" befürchten, daû durch Einlegung einer Beschwerde eine baldige Besserung seiner Situation nicht zu erreichen, vielmehr im Gegenteil eine deutliche Verschlechterung zu befürchten ist.
Eine unbillige Entlastung des handelnden Beamten ist damit nicht verbunden , da in eindeutigen "Mobbing-Fällen", in denen ein Vorgesetzter seine Amtsbefugnisse vorsätzlich und schwerwiegend miûbraucht, der haftende Dienstherr Regreû nehmen kann (§ 46 BRRG, Art. 85 BayBG).
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.