Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. März 2015 - 19 ZB 13.1582

bei uns veröffentlicht am17.03.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin, Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. 12, Gemarkung S., begehrt die Berufungszulassung, um die Aufhebung des Abmarkungsbescheides des Vermessungsamtes S. vom 21. November 2011 (Entfernung des Grenznagels im Punkt 522, der bislang als gemeinsamer Grenzpunkt der Grundstücke Fl.Nrn. 12, 16 und 17 der Gemarkung S. abgemarkt war) zu erreichen.

Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Der Abmarkungsbescheid vom 21. November 2011, durch den die Entfernung des Grenznagels im Punkt 522 am 16. November 2011 einschließlich der vorangegangenen Vermessung bekannt gegeben worden ist, sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der vorangegangenen Abmarkung vom 23. November 2000 (Fortführungsriss 474, Abmarkungsprotokoll 359, Anbringung des Grenznagels in Grenzpunkt 522) hätten vorgelegen. Für den Grenzpunkt 522 habe kein einwandfreier Katasternachweis bestanden. Der einzige Nachweis, der (zur Feststellung des Grenzpunktes 522) konkrete Grenzabstände erkennen lasse - wenn auch diese mit gewissen Unsicherheiten behaftet seien -, sei der Riss 4a der Steuergemeinde S. vom 17. Juni 1890 über eine Grenzbestimmung bei Fl.Nr. 12. Der Grenzpunkt sei hier dezimetergenau eingemessen worden. Die Beklagtenvertreter hätten zu dem dort erkennbaren Maß von 5,3 m (Abstand eines Grenzgebäudes auf Fl.Nr. 19 zu dem Grenzpunkt, der vermutlich in der Nähe des nunmehr entfernten Grenzpunkts 522 liege) erklärt, es handele sich um einen gerundeten Wert; der Riss 4a wäre ein Anhaltspunkt für eine Grenzermittlung und eine Einigung der Beteiligten gewesen, eine solche sei aber nicht zustande gekommen. Die Angaben der Beklagtenvertreter seien nachvollziehbar. Der Riss 4a stimme nicht mit der Abmarkung vom 23. November 2000 (Fortführungsriss 474, Abmarkungsprotokoll 359, Anbringung des Grenznagels 522) überein. Die Abmarkung vom 16. November 2011 (Fortführungsriss 505, Abmarkungsprotokoll 372/1) weiche von der Grenzbestimmung auf Riss 4a (Grenzermittlung vom 17. Juni 1890) ab. Aus dem Riss 505 lasse sich ermitteln, dass der nördliche gemeinsame Grenzpunkt zwischen den Grundstücken Fl.Nrn. 12, 16 und 17 5,71 m bzw. 5,73 m von der Wand des Gebäudes auf Grundstück Fl.Nr. 19 entfernt sei. Damit bestehe ein gravierender Unterschied zu dem sich möglicherweise aus dem Riss 4a ergebenden Abstand von 5,3 m, welcher die Toleranzgrenzen eindeutig überschreite. Mithin bestünden große Unsicherheiten bezüglich dieses Grenzpunktes, so dass in jedem Fall eine Einigung der beteiligten Grundstückseigentümer im Rahmen einer Grenzermittlung hätte erfolgen müssen. Ein wirksamer Grenzfeststellungsvertrag sei zwischen den beteiligten Grundstückseigentümern nicht geschlossen worden. Ebenso wenig sei eine Anerkennung des im Jahr 2000 abgemarkten Grenzpunktes erfolgt. Die fehlende unterschriftliche Anerkennung des Grenzpunktes 522 habe nicht durch die bestandskräftigen Abmarkungsbescheide jeweils vom 29. Januar 2001 an die betroffenen Beigeladenen ersetzt werden können. Die Abmarkung im Grenzpunkt 522 sei deshalb rechtswidrig gewesen. Der Beklagte habe die Abmarkung zu Recht gemäß Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen. Zwar habe der Beklagte Ermessenserwägungen nicht angestellt. Aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls sei hier jedoch der Ermessensspielraum der Behörde auf „Null“ geschrumpft. Es bestehe grundsätzlich ein öffentliches Interesse daran, dass eine Behörde, die Recht und Gesetz verpflichtet sei, keine rechtswidrigen Verwaltungsakte erlasse und diese gegebenenfalls korrigiert würden. Die Klägerin könne sich nicht auf durchgreifende Umstände des Vertrauensschutzes berufen Der Tatsache, dass die Abmarkung des Grenzpunktes 522 bereits nahezu 10 Jahre Bestand gehabt habe und die Klägerin am Grenzpunkt einen Pfosten errichtet habe, welcher nunmehr wieder entfernt worden sei, könne unter dem Aspekt des Rechtsfriedens kein maßgebliches Gewicht zugemessen werden. Zwar habe die Klägerin seit der Abmarkung im Jahr 2000 für sich wohl eine gewisse Rechtssicherheit bezüglich des Grenzverlaufs gesehen, andererseits sei aus dem Vortrag der Beteiligten bekannt, dass derzeit beim Amtsgericht G. ein Rechtsstreit anhängig sei, bei dem es zwar primär um die Lage von unterirdischen Kellern im Grenzbereich zwischen den Flurstücken 12 und 16 gehe, daneben aber u. a. auch um den von der Klägerin errichteten Pfosten im vormaligen Grenzpunkt 522, der die Durchfahrt für die dahinter liegenden Flurstücke 16 und 14 behindere bzw. behindert habe. Angesichts des schwelenden Rechtsstreites könne der Aspekt des Rechtsfriedens nicht zum Tragen kommen. Andererseits bestehe an der Korrektur rechtswidriger Grenzfeststellungen ein überindividuelles Interesse und rechtswidrige Grenzfeststellungen seien deshalb regelmäßig zurückzunehmen. Sonstige Gründe, die im Rahmen einer Ermessensabwägung für die Klägerin noch hätten Gewicht erlangen können, seien nicht ersichtlich. Auch habe der Beklagte die Jahresfrist gemäß Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG, nach herrschender Meinung eine Entscheidungsfrist, eingehalten. Die Jahresfrist habe erst im Mai 2011 zu laufen begonnen, nachdem festgestanden habe, dass eine nachträgliche Anerkennung des Grenzpunktes 522 nicht zu erreichen sei.

Dagegen macht die Klägerin zur Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung zunächst ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Der Rücknahmebescheid vom 21. November 2011 sei formell rechtswidrig. Entgegen Art. 28 BayVwVfG sei sie vor dem Erlass des Bescheides nicht angehört worden. Der Bescheid genüge auch nicht dem Begründungserfordernis des Art. 39 BayVwVfG. Fehlerhaft sei darüber hinaus die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es sei kein einwandfreier Nachweis aus den Katasterunterlagen möglich und deshalb seien die ursprünglichen Abmarkungsbescheide vom 29. Januar 2001 (Abmarkung vom 23. November 2000) rechtswidrig. Für die Grenzfeststellung im Grenzpunkt 522 sei ein einwandfreier Nachweis möglich. Das Verwaltungsgericht stütze sich auf den Riss 4a vom 17. Juni 1890 sowie den Fortführungsriss 505, bei denen sich Unterschiede von jeweils etwa 0,40 m ergäben. Das Gericht gehe nicht darauf ein, welche Toleranzgrenzen es zugrunde gelegt habe. Letztlich handele es sich um dezimetergenaue Abmessungen aus dem Jahr 1890, insoweit seien 40 cm Abweichung nicht erheblich. Auf zentimetergenaue Abmessungen komme es nicht an. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass für den fraglichen Grenzpunkt die älteren Messergebnisse einen eindeutigen Grenzverlauf möglich machten, so dass der abgemarkte Grenzpunkt nicht rechtswidrig gesetzt worden sei. Die Unterschiede (zu den im November 2011 gewonnenen Erkenntnissen) seien nicht gravierend. Es sei von einem „eindeutigen“, nämlich dezimetergenauen Nachweis auszugehen, der sich noch innerhalb der Abweichungen im Dezimeterbereich halte. Deshalb lägen die Voraussetzungen des Art. 48 BayVwVfG nicht vor. Selbst wenn man aber von einer Rechtswidrigkeit des Grenzpunktes 522 ausgehen wollte, sei das Urteil des Verwaltungsgerichts dennoch fehlerhaft, weil es die durch den Beklagten unterlassene Ermessensentscheidung falsch beurteilt habe. Es sei nicht erkennbar, dass vorliegend besondere Umstände eine Ermessensreduzierung auf Null gerechtfertigt hätten. Eine Ermessensreduzierung sei ein Ausnahmefall, der nur eine richtige Entscheidung der Behörde möglich mache. Wollte man der Ansicht des Verwaltungsgerichts folgen, so impliziere eine Rechtswidrigkeit eines Bescheides eine Rücknahmepflicht. Warum gerade bei Grenzfeststellungen ein überindividuelles Interesse an der Aufhebung bestehen solle, erschließe sich nicht. Zu berücksichtigen sei vielmehr, dass seit der angeblich rechtswidrigen Abmarkung bereits ein Zeitraum von über 10 Jahren vergangen sei. Auch habe der Beklagte im Jahr 2001 den Rechtsschein gesetzt, dass das Eigentum der Klägerin bis zum Grenzpunkt 522 reiche. Dieser Feststellung hätten sich die benachbarten Eigentümer offensichtlich gefügt, die angeblich rechtswidrige Situation habe sich durch einen gewissen Zeitraum verfestigt. Zudem seien erhebliche Privatinteressen der Klägerin betroffen. Diese habe einen Begrenzungsposten am ehemaligen Grenzpunkt angebracht, um auf der anschließenden Fläche ihren Pkw abzustellen und um auf ihr Eigentum hinzuweisen. Letztlich fehlerhaft sei aber auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Beklagte habe die Jahresfrist eingehalten. Der Beklagte habe in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände und insbesondere der vermeintlichen Rechtswidrigkeit die Abmarkungsbescheide (im Jahr 2001) erlassen, um durch diese hinsichtlich der Grenzen des Eigentums den Rechtsfrieden herzustellen. Weder an den ermittelten Werten noch an sonstigen Tatsachen habe sich bis zur Aufhebung etwas geändert. Folglich habe der Beklagte in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände rechtswidrige Bescheide erlassen. Es sei von Anfang an bekannt gewesen, dass die vermeintlich nicht eindeutig feststellbare Grenze nur durch einen Feststellungsvertrag verbindlich habe festgestellt werden können. Die Frist sei folglich mit Erlass der fraglichen Bescheide (im Jahr 2001) angelaufen und folglich abgelaufen. Selbst wenn man den Zeitpunkt aber später ansetzen würde, so habe der Beklagte jedenfalls spätestens im Oktober 2010 Kenntnis von den Ungereimtheiten gehabt. Denn zu der Zeit hätten die ersten Vermessungstermine in diesem Bereich stattgefunden. Auch darauf bezogen sei die Jahresfrist bereits abgelaufen gewesen. Auf der Basis dieses Vorbringens macht die Klägerin weitere Zulassungsgründe geltend. Die Angelegenheit weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf. Allein aufgrund des Umfangs des Verfahrens und der Tatsache, dass zur Feststellung des Grenzverlaufs erhebliche technische Kenntnisse und die Auswertung einer Reihe von teils sehr alten Unterlagen nötig seien, übersteige das vorliegende Verfahren in tatsächlicher Hinsicht den Schwierigkeitsgrad eines durchschnittlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erheblich. Hinzu kämen bislang kaum entschiedene Rechtsfragen aus dem Abmarkungsgesetz. Zuzulassen sei die Berufung schließlich, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung besitze. Die vorliegende Angelegenheit werfe vor allem die Frage auf, wann ein einwandfreier Grenzverlauf feststellbar sei und welche Abweichungen hierbei gegebenenfalls noch toleriert werden könnten. Nicht jede Abweichung mache eine Grenzfeststellung rechtswidrig. Ebenfalls von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage (falls es darauf ankommen sollte), ob bei rechtswidrigen Grenzfeststellungen das Rücknahmeermessen regelmäßig auf Null reduziert sei, so dass ein Abmarkungsbescheid zurückgenommen werden müsse. Diese Ansicht widerspreche jedenfalls der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wie sich aus dessen Urteil vom 24. Februar 2011 (2 C 50/09) ergebe.

Der Beklagte tritt dem Antrag entgegen. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin habe Gelegenheit gehabt, sich vor der Entfernung des Grenzzeichens zu äußern. Der Vermessungs- und Abmarkungstermin vom 16. November 2011 sei ihr angekündigt worden, sie sei beim Termin persönlich anwesend gewesen. Ausweislich des Abmarkungsprotokolls 372/1 sei ihr dessen Inhalt vorgelesen worden. Zudem habe sich ihr damaliger Vertreter am 17. November 2011 gegenüber dem Vermessungsamt geäußert. Sie sei deshalb angehört worden. Bei dem Vermessungsakt Abmarkung handele es sich um einen Vorgang, der regelmäßig einen Realakt mit einem Rechtsakt (Verwaltungsakt) vereine. Eine Begründung nach Art. 39 BayVwVfG erübrige sich und werde davon abgesehen in der Regel - so auch hier - im Abmarkungsprotokoll gegeben. Ein einwandfreier Katasternachweis sei für den Grenzpunkt 522 nicht möglich, die Entfernung des dort befindlichen Grenznagels sei also veranlasst gewesen. Die Abweichung um ca. 40 cm zwischen dem Riss 4a vom 17. Juni 1890 und dem am 16. November 2011 angefertigten Fortführungsriss 505 hinsichtlich der Entfernung dieses Grenzpunkts vom östlich davon gelegenen Grenzpunkt an der Wand des Gebäudes auf dem Grundstück Flurnummer 19 liege nicht innerhalb der Toleranzgrenzen. Der hier streitgegenständliche Grenzpunkt 522 sei wenige Meter sowohl von Gebäuden als auch von anderen Grenzpunkten entfernt. Er liege zwischen zwei Gebäuden in einem Bereich, der in einem dicht bebauten Gebiet eine Zufahrt bilde. Eine Genauigkeit auf Dezimeter sei hier nicht hinreichend, um einen einwandfreien Katasternachweis im Sinne des Art. 2 Abs. 3 AbmG zu ermöglichen. Auch habe das Vermessungsamt bei der Abmarkung kein Ermessen ausüben müssen. Der Richtigkeit von Grundstücksgrenzen komme erhebliche Bedeutung zu, nachdem das deutsche Liegenschaftsrecht vom Bestimmtheitsgrundsatz getragen werde, wonach jedes Grundstück klar und eindeutig definiert werden müsse. Die Vermessungsbehörde sei gesetzlich nur zur Abmarkung einwandfrei nachgewiesener bzw. durch Grenzfeststellungsvertrag festgelegter Grenzen ermächtigt. Eine Abmarkung, die diese Voraussetzung nicht erfülle, könne nur rückgängig gemacht werden. Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG (wenn sie für die Rücknahme einer rechtswidrigen Abmarkung überhaupt gelte) sei hier eingehalten worden. Die Vermessungsbehörde habe von der Rechtswidrigkeit der Abmarkung vom 23. November 2000 nicht von Anfang an und auch nicht bei Erlass der Abmarkungsbescheide vom 29. Januar 2001 gewusst. Sie habe sich erst im Rahmen der Katasterneuvermessungen ergeben. Mit einer Einigung der beteiligten Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. 12, 16 und 17 im Sinne eines Grenzfeststellungsvertrages, zu der Gelegenheit geboten worden sei, wäre die Abmarkung vom 23. November 2000 rechtmäßig geworden. Das Vermessungsamt habe im Mai und im November 2011 versucht, diese Einigung nachzuholen. Frühestens im Mai 2011, vielleicht auch erst im November 2011 habe festgestanden, dass es zu einer solchen Einigung definitiv nicht kommen würde. Die Rechtssache weise keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf. Die Vermessungsverwaltung sei auch mit älteren Dokumenten vertraut. Der Rechtsstreit konzentriere sich auf die Anwendung einiger weniger Normen aus dem Abmarkungsgesetz und dem Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz. Die Frage, wann ein Grenzverlauf einwandfrei feststellbar sei bzw. welche Abweichungen gegebenenfalls tolerierbar seien, sei eine Frage des Einzelfalls. Die Beschreibung des streitgegenständlichen Grenzpunkts im Handriss 4a könne katasterrechtlich nicht als einwandfrei und hinreichend genau nachgewiesen gelten. Auch sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass bei rechtswidrigen Grenzfeststellungen das Rücknahmeermessen regelmäßig auf Null reduziert sei, da das Vermessungsrecht als einschlägiges Fachrecht die Ermessensreduzierung auf Null nahe lege.

II.

Der auf Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (z.B. BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/547 - juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2010 - 7 AV 4/03 - DVBl. 2004, 838/839 - juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

a) Das Vorbringen der Klägerin, die am 16. November 2011 vorgenommene Abmarkung, bei welcher der streitgegenständliche Grenzpunkt entfernt worden ist, sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten, weil sie entgegen Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG nicht angehört worden sei, greift nicht durch. Gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Unabhängig von der Frage, ob die Entfernung des am 23. November 2000 gesetzten Grenznagels im Grenzpunkt 522 beim Abmarkungstermin am 16. November 2011 in Rechte der Klägerin eingegriffen hat, konnte sie sich jedenfalls bei diesem Termin (16. November 2011) zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen äußern. Wie sich aus dem Abmarkungsprotokoll 372/1 ergibt und auch unstreitig ist, wurde der Abmarkungstermin der Klägerin angekündigt (vgl. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 Abmarkungsgesetz - AbmG). Dem Abmarkungsprotokoll ist zu entnehmen, dass die Klägerin bei dem Termin anwesend war und ihr die Beschreibung und Beurkundung der Abmarkung vorgelesen wurde. Dort heißt es u. a.: „Im Zuge der Katasterneuvermessung S. sollte das Flurstück Nr. 17 vollständig abgemarkt werden. Die vorhandenen Grenzpunkte wurden im Jahr 2000 ermittelt und abgemarkt. Die Abmarkung wurde nachträglich den Grundstückseigentümern von Flurstück Nr. 16 in Form eines Abmarkungsbescheides mitgeteilt. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde diese Situation dem Landesamt für Vermessung und Geoinformation - Regionalabteilung N. - in S. mitgeteilt. Nach Schreiben der vorgesetzten Dienststelle ist die im Jahr 2000 vorgenommene Abmarkung bei den damals nicht anwesenden Grundstückseigentümern nachzuholen. Bei Verweigerung der unterschriftlichen Anerkennung ist die betroffene Abmarkung zu entfernen. Die Richtigkeit des Grenzpunktes Nr. 522 wird nicht anerkannt, deshalb wurde dieser entfernt …“. Mithin hatte die Klägerin die Gelegenheit, nach der Ankündigung des Termins, spätestens im Termin selbst, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Damit ist den Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG genügt (vgl. Simmerding/Püschel, Bayerisches Abmarkungsrecht, 3. Aufl. 2010, Art. 15 AbmG Anm. 2). Hinzu kommt, dass das Vermessungsamt W. (unstreitig) am 12. Mai 2011 und am 9. November 2011 Besprechungen mit den Beteiligten durchführte, um eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich der am 23. November 2000 vorgenommenen Abmarkung zu erreichen. Auch dabei hatte die Klägerin bereits die Möglichkeit zur Stellungnahme. Zudem hat der ehemalige Vertreter der Klägerin in einem Schriftsatz vom 27. Januar 2012 an das Verwaltungsgericht ausgeführt, auch sein Hinweis auf die Bestandskraft der von anderen Beteiligten nicht angefochtenen Abmarkungsbescheide vom 29. Januar 2001, über die das Vermessungsamt nicht hinweggehen dürfe, habe das Amt nicht davon abgehalten, den bestandskräftig für alle festgesetzten Grenzpunkt im Termin vom 16. November 2011 für ungültig zu erklären und den gesetzten Grenznagel zu entfernen (S. 5 des Schriftsatzes). Auch daraus ergibt sich, dass die Klägerin vor dem Abmarkungstermin Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und auch Stellung genommen hat.

b) Auch der Vortrag der Klägerin, die Abmarkung sei nicht mit einer den Anforderungen des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG genügenden Begründung versehen worden, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass der Abmarkungsbescheid nach Art. 17 Abs. 2 AbmG keinen schriftlichen oder schriftlich bestätigten Verwaltungsakt im Sinne von Art. 39 BayVwVfG darstellt, der nach dieser Vorschrift zu begründen ist, sondern die Bekanntgabe des Verwaltungsakts Abmarkung, welcher nicht schriftlich, sondern im Sinne des Art. 37 Abs. 2 BayVwVfG „in anderer Weise“ ergeht (vgl. BayVGH, B. v. 7.6.2000 - 19 ZB 99.476, U. v. 26.11.2001 - 19 B 97.964 - jeweils juris; Simmerding/Püschel, a. a. O., Art. 1 AbmG Anm. 7a, Art. 8 AbmG Anm. 8, Art. 17 AbmG Anm. 1 und 12, Art. 21 AbmG Anm. 7 und 12). Zudem weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Gründe für die Entfernung des Grenznagels dem Abmarkungsprotokoll 372/1 vom 16. November 2011 entnommen werden können. Auch wies das Vermessungsamt S. die Klägerin mit der Bekanntmachung der Abmarkung unter dem 21. November 2011 darauf hin, dass sie sich über Einzelheiten der Abmarkung durch Einsichtnahme in die Unterlagen des Vermessungsamtes informieren könne.

c) Auch der Vortrag der Klägerin, es sei für den Grenzpunkt 522 ein einwandfreier Nachweis aus den Katasterunterlagen möglich und der sich aus dem Riss 4a vom 17. Juni 1890 und dem Fortführungsriss 505 insoweit ergebende Unterschied von etwa 0,4 m sei hinnehmbar, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht, zutreffend davon ausgehend, dass die damaligen Beigeladenen zu 3 bis 5, (nunmehr die Beigeladenen zu 3, 4, 6 bis 8) die Abmarkung des Grenzpunktes 522 und dessen Kenntlichmachung mit einem Grenzzeichen (Grenznagel) bestritten haben, ausgeführt, für diesen Grenzpunkt lasse der Nachweis im Liegenschaftskataster eine einwandfreie Feststellung des Grenzverlaufs im Sinne des Art. 2 Abs. 2 AbmG nicht zu. Nach dieser Vorschrift kann für den Fall, dass eine abzumarkende Grundstücksgrenze bestritten wird, die Abmarkung von der staatlichen Vermessungsbehörde gleichwohl vollzogen werden, wenn der Nachweis im Liegenschaftskataster eine einwandfreie Feststellung des Grenzverlaufs zulässt. Vorliegend fehlt es, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist, schon an einem „einwandfreien Katasternachweis“ (zu diesem Terminus vgl. Nr. 2.3 der Abmarkungsbekanntmachung - ABek - zu Art. 2 AbmG). Für den entfernten Grenzpunkt (Grenznagel) 522 ergibt sich aus dem auf der Basis der Uraufnahme angelegten Liegenschaftskataster, das seither durch Katastervermessungen (Fortführungsvermessungen, welche in Fortführungsrissen erfasst werden), auf dem Laufenden gehalten wird (vgl. Art. 7 Vermessungs- und Katastergesetz), kein eindeutiger Nachweis. Anders als die Klägerin meint, kann dieser Nachweis nicht mit Hilfe des Risses 4a aus dem Jahr 1890 geführt werden. In diesem Riss ist eine Entfernung von 5,3 m zwischen dem streitgegenständlichen nördlichen Grenzpunkt der Grundstücke Fl.Nrn. 12, 16 und 17 sowie der Wand des Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. 19 angegeben. Zu Recht haben der Beklagte - und ihm folgend das Verwaltungsgericht - darauf hingewiesen, dass diese Entfernungsangabe (5,3 m) allenfalls einen Hinweis über den ungefähren Verlauf der Grundstücksgrenze darstellt. Aber auch bei Heranziehung der Abstandsangabe von 5,3 m im Riss 4a und bei Unterstellung, dass ein Grenzverlauf von 5,3 m eindeutig in die Örtlichkeit übertragen werden könnte, fehlt es für den umstrittenen Grenzpunkt 522 an einem einwandfreien Katasternachweis im Sinne des Art. 2 Abs. 2 AbmG. Zu Recht führt das Verwaltungsgericht aus, dass die im Jahr 2010 gemessene Entfernung zwischen dem Grenzpunkt 522 (Grenznagel) und der Gebäudewand von ca. 5,7 m im Riss 505 einen einwandfreien Katasternachweis im Sinne des Art. 2 Abs. 2 AbmG nicht zulässt, da gegenüber der Maßangabe im Riss 4a „mögliche Toleranzgrenzen“ überschritten werden. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass bei dem relativ kurzen Abstand zwischen der Gebäudemauer auf dem Grundstück Fl.Nr. 19 und dem möglichen Grenzpunkt der Grundstücke Fl.Nrn. 12, 16 und 17 eine Abweichung von 40 cm außerhalb der nach dem jeweiligen Einzelfall zu bestimmenden Toleranzgrenze liegt. Die im Jahr 2010 gemessene Entfernung von ca. 5,7 m liegt mehr als 7% über der Abstandsangabe von 5,3 m im Riss 4a aus dem Jahr 1890. Diese Differenz lässt einen einwandfreien, insbesondere eindeutigen Katasternachweis im Sinne des Art. 2 Abs. 2 AbmG nicht mehr zu. Der Senat hat mit Beschluss vom 25. November 2002 (19 ZB 98.39 - juris) die Berufung gegen ein Urteil, welches eine Abweichung von unter 1% als hinnehmbar erachtet hat (VG München v. 21.10.1997 - 1 K 95.1836), nicht zugelassen. Die hiesige Abweichung erreicht ein Vielfaches. Soweit die Klägerin demgegenüber auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. Oktober 2010 (2 L 139/09 - juris) verweist, der zufolge der dortige Beklagte auf eine zulässige Fehlergrenze von bis zu 0,8 m hingewiesen habe, ist festzuhalten, dass es in dem dortigen Fall darum gegangen ist, ob die Grenzlänge 134,00 m oder 134,20 m (bzw. 57,51 m oder 57,71 m) beträgt. Diese Abweichungen (welche nach den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts nicht von entscheidender Bedeutung waren) liegen in einem Bereich von weniger als 0,2% (bzw. 0,4%) der Gesamtstrecke und sind mit der hiesigen Abweichung nicht vergleichbar. Selbst die nach der (entscheidungsunerheblichen) Auffassung des dortigen Beklagten hinnehmbare Fehlergrenze von bis zu 0,8 m läge bei Zugrundlegung einer Gesamtstrecke von ca. 134 m bei unter 1%. Wie ausgeführt beträgt der Unterschied im vorliegenden Fall hingegen ca. 7%. Hinzu kommt, dass aufgrund der Verhältnisse vor Ort (Möglichkeit der Zufahrt zu dem Teilbereich des Grundstücks Fl.Nr. 12, teilweise Grenzbebauung) die konkrete Grenzlänge besondere Bedeutung hat.

d) Es begegnet keinen ernstlichen Zweifeln, dass das Verwaltungsgericht für die Entfernung des Grenzpunktes (Grenznagels) 522 die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 bis 3 BayVwVfG bejaht und insbesondere eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen hat. Die beteiligten Grundstückseigentümer haben einen Grenzfeststellungsvertrag, für den der Riss 4a einen Anhalt hätte geben können, nicht geschlossen (vgl. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 AbmG). Die Rücknahme der rechtswidrigen (vgl. Nr. II. 1. lit. c) Abmarkung aus dem Jahr 2000 hinsichtlich des Grenzpunktes 522 steht zwar grundsätzlich im Ermessen des Beklagten (Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG). Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, im vorliegenden Falle erweise sich die fehlende Ermessensbetätigung des Beklagten als rechtmäßig, da von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen sei, ist aber nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass in bestimmten Fällen das einschlägige Fachrecht (hier das Abmarkungsrecht) dem Rücknahmeermessen eine Richtung vorgebe, so dass das Ermessen in diesem Rahmen fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, namentlich die für die Rücknahme des Verwaltungsaktes, ausgeübt werden könne (vgl. BVerwG, U. v. 17.1.2007 - 6 C 32/06, U. v. 24.2.2011 - 2 C 50/09 - jeweils juris, Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 86, Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 40 Rn. 65 f., 78 c, d). Dies ist nicht zu beanstanden und lässt sich aus dem Abmarkungsgesetz ableiten. Gemäß Art. 1 Abs. 4 Satz 1 AbmG wird vermutet, dass eine abgemarkte Grenze die richtige ist, wenn sie mit dem Nachweis des Liegenschaftskatasters übereinstimmt. In der amtlichen Begründung zu Art. 1 Abs. 4 AbmG (zitiert nach Simmerding/Püschel, a. a. O., Art. 1 AbmG Anm. 10) heißt es, der in der Abmarkung zum Ausdruck kommenden amtlichen Erklärung über den richtigen Verlauf der Grundstücksgrenzen müsse besonderes Gewicht beigemessen werden. Dies drücke die hier aufgestellte Vermutung aus, dass die abgemarkte, mit den Katasterunterlagen übereinstimmende Grundstücksgrenze bis zum Beweis des Gegenteils als richtig anzusehen sei. Damit sei im Streitfall eine den Verhältnissen angemessene Beweislastverteilung erzielt. Wer sich nämlich auf eine solchermaßen abgemarkte Grenze berufe, brauche seine Behauptung, dass diese die richtige sei, nicht besonders zu beweisen. Wer diese Behauptung mit Erfolg bestreiten wolle, müsse beweisen, dass die Vermutung unrichtig ist ...“. Da Art. 1 Abs. 4 Satz 1 AbmG der vorschriftsmäßig abgemarkten Grundstücksgrenze eine rechtliche Beweiskraft zumisst, ist ihr auch die Regel zu entnehmen, dass eine rechtswidrige Abmarkung zurückgenommen werden muss (im gleichen Sinn OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 14.10.2010 - 2 L 139/09 - juris - zum dortigen Vermessungsrecht) Diese gesetzlich intendierte Richtung der Ausübung des Rücknahmeermessens kommt zudem in Art. 2 Abs. 3 Satz 2 AbmG zum Ausdruck. Danach „unterbleibt“ die Abmarkung, wenn eine einwandfreie Feststellung des Verlaufs der Grundstücksgrenze auf der Grundlage des Katasternachweises nicht möglich ist und eine Einigung (in Form eines Grenzfeststellungsvertrages) über die Grundstücksgrenze zwischen den beteiligten Grundstückseigentümern nicht zustande kommt. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine Abmarkung zu unterbleiben hat. Diesem Ergebnis stehen auch nicht durchgreifende Gesichtspunkte des Einzelfalls entgegen. Soweit die Klägerin auf die bestandskräftigen Abmarkungsbescheide im Anschluss an die Abmarkung vom 23. November 2000 und die daran sich anschließende Verfestigung der Situation für einen gewissen Zeitraum hinweist, ist dem entgegen zu halten, dass die damaligen Beigeladenen zu 3 bis 5 (nunmehr Beigeladene zu 3, 4, 6, 7 und 8) das Abmarkungsprotokoll 359 nicht unterzeichnet haben. Auch konnte eine rechtswidrige Abmarkung keine Rechtssicherheit schaffen. Vielmehr stellte die fehlerhafte Kennzeichnung der Grundstücksgrenze eine Beeinträchtigung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums dar. Soweit das Verwaltungsgericht zudem der Errichtung eines Pfostens auf dem Grenzpunkt 522 durch die Klägerin unter dem Aspekt des Rechtsfriedens kein maßgebliches Gewicht zugemessen hat, da aus dem Vortrag der Beteiligten bekannt sei, dass auch hinsichtlich des Pfostens beim Amtsgericht G. ein Rechtsstreit anhängig sei, hat die Klägerin dem nichts entgegen gesetzt.

e) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, bei der Rücknahme der Abmarkung vom 23. November 2000 sei die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG nicht eingehalten worden. Dahin stehen kann, ob für die Rücknahme der Abmarkung Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG überhaupt zur Anwendung kommen kann (ablehnend Simmerding/Püschel, a. a. O., Art. 8 AbmG Anm. 8, Art. 21 AbmG Anm. 15). Jedenfalls handelt es sich bei der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Der zuständigen Behörde wird ein Jahr eingeräumt, um die Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu treffen. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Rücknahme maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt. Erst wenn die Behörde auf der Grundlage aller entscheidungserheblichen Tatsachen den zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen hat, dass ihr die Rücknahmebefugnis zusteht, muss sie innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie davon Gebrauch macht (BVerwG - Großer Senat - B. v. 19.12.1984 - 1.84, 2.84 - BVerwGE 70, 356 - juris). Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, dass die Abmarkung aus dem Jahr 2000 bezüglich des Grenzpunktes 522 im Rahmen einer erforderlichen Grenzermittlung auch dann Bestand gehabt hätte, wenn die betroffenen Beteiligten sich auf diesen Grenzpunkt nachträglich geeinigt hätten, denn der Beklagte ist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AbmG verpflichtet, diejenige Grundstücksgrenze abzumarken, auf die sich die beteiligten Grundstückseigentümer einigen. Das Verwaltungsgericht verweist zutreffend darauf, dass sich das Vermessungsamt in zwei Terminen im Vorfeld der Abmarkung um eine Einigung bemüht hat, nämlich im Dezember 2010 und im Mai 2011. Davon ausgehend wurde die Jahresfrist eingehalten. Die Frage, ob es zu einem weiteren Einigungsversuch im November 2011 gekommen ist, kann daher offen bleiben. Erst nach dem Scheitern einer Einigung, also frühestens im Mai 2011, konnte mithin die Jahresfrist zu laufen beginnen. Nicht ersichtlich ist demgegenüber, dass, wie die Klägerin meint, das Vermessungsamt die Abmarkungsbescheide im Jahr 2001 (Abmarkung des Grenzpunktes 522) in Kenntnis ihrer Unrichtigkeit erlassen hat. Dazu ist den vorgelegten behördlichen Unterlagen, insbesondere dem Abmarkungsprotokoll 359, nichts zu entnehmen. Vielmehr erkannte das Vermessungsamt S. erst zu einem späteren Zeitpunkt die bisherige Nichtberücksichtigung des Risses 4a und damit die Fehlerhaftigkeit der Abmarkung vom 23. November 2000. Die Behörde wandte sich mit E-Mail vom 9. Dezember 2010 an das Landesamt für Vermessung und Geoinformation und bat um Mitteilung, wie wegen des festgestellten Fehlers verfahren werden solle. Das Landesamt antwortete unter dem 16. Februar 2011, es sei die Anerkennung der Abmarkung nachzuholen, bei Verweigerung sei die Abmarkung zu entfernen (vgl. die Anlagen zum Beklagtenschriftsatz vom 6.6.2013). Auch dies belegt, dass zum damaligen Zeitpunkt eine vollständige Kenntnis der für die Rücknahme maßgeblichen Sach- und Rechtslage schon deshalb noch nicht vorgelegen hat, weil im Falle eines Grenzfeststellungsvertrags der streitgegenständliche Abmarkungsbescheid unterblieben wäre.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf.

Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt. Ob besondere tatsächliche Schwierigkeiten bestehen, ist unter Würdigung der aufklärenden Tätigkeit des Verwaltungsgerichts zu beurteilen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 33). Hier hat das Verwaltungsgericht in Ansehung des im Zulassungsantrag Dargelegten alles Erforderliche getan, um die Schwierigkeiten zu lösen. Deswegen scheidet eine Zulassung der Berufung wegen besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten aus. Auch hat der Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats zu Recht darauf hingewiesen, dass die Heranziehung und die Würdigung auch älterer Dokumente, insbesondere älteren Kartenmaterials regelmäßig den Vorgang der Abmarkung charakterisieren und deshalb noch keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen.

Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische, aber sorgfältige, die Sache überblickende Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Die Offenheit des Ergebnisses charakterisiert die besondere rechtliche Schwierigkeit und rechtfertigt - insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts - die Durchführung des Berufungsverfahrens (Happ, a. a. O., § 124 Rn. 16, 25, 27).

Die erforderliche Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung erlaubt hier die Prognose, dass diese zurückzuweisen wäre. Dabei ist der unmittelbare sachliche Zusammenhang des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mit Abs. 2 Nr. 1 VwGO in den Blick zu nehmen (Happ, a. a. O., Rn. 25). Da hier die von der Klägerin vorgebrachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht bestehen (vgl. Nr. 1 des Beschlusses), ist die Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht besonders schwierig. Die Frage, ob die streitgegenständliche Rücknahme der Abmarkung (Setzung des Grenzpunktes 522) formalrechtlich und materiellrechtlich rechtmäßig ist, lässt sich unter Heranziehung insbesondere des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und des Abmarkungsgesetzes und der jeweils dazu ergangenen Rechtsprechung zweifelsfrei beantworten.

3. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten (Klärungsfähigkeit) und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Klärungsbedürftigkeit, vgl. insgesamt Happ, a. a. O., § 124 Rn. 36).

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, wann ein einwandfreier Grenzverlauf feststellbar ist und welche Abweichungen hierbei gegebenenfalls noch tolerierbar sind, ist keine grundsätzliche Frage, sondern eine Frage des Einzelfalls, die im Rahmen des hiesigen Zulassungsantragsverfahrens anhand der konkreten Umstände zu klären ist. Die im vorliegenden Einzelfall insbesondere auch aufgrund des vorliegenden Katastermaterials gefundene Antwort des Verwaltungsgerichts auf diese Frage ist nicht zu beanstanden (vgl. Nr. 1 des Beschlusses).

Die Frage, ob bei rechtswidrigen Grenzfeststellungen das Rücknahmeermessen regelmäßig auf Null reduziert ist, so dass ein Abmarkungsbescheid zurückgenommen werden muss, ist nicht klärungsbedürftig. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt (auch) dann, wenn eine Frage zwar nicht ausdrücklich entschieden ist, bereits ergangene Entscheidungen aber ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der Frage geben (Happ, a. a. O., § 124 Rn. 38 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Das Bundesverwaltungsgericht hat in den von der Klägerin zitierten Urteilen vom 17. Januar 2007 (6 C 32/06 - juris) und vom 24. Februar 2011 (2 C 50/09 - juris) ausgeführt, in dem einschlägigen Fachrecht könne eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden könne. Dem Abmarkungsrecht ist aus den unter Nr. 1 des Beschlusses dargelegten Gründen zu entnehmen, dass das Ermessen in Fällen wie dem vorliegenden regelmäßig auf Null reduziert ist. Das Verwaltungsgericht hat diese Ermessensreduzierung zutreffend auch mit den Umständen des Einzelfalls begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Entscheidung über die Erstattung eventueller außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen (§ 162 Abs. 3 VwGO) bedurfte es nicht, da diese keine Anträge gestellt haben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. März 2015 - 19 ZB 13.1582

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. März 2015 - 19 ZB 13.1582

Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. März 2015 - 19 ZB 13.1582 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. März 2015 - 19 ZB 13.1582 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. März 2015 - 19 ZB 13.1582 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 24. Feb. 2011 - 2 C 50/09

bei uns veröffentlicht am 24.02.2011

Tatbestand 1 Die Klägerin wurde mit Bescheid vom 22. Januar 1999 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe als Lehrerin z. A. mit Wirkung vom 1. Februar 1999 in

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 20. Dez. 2010 - 1 BvR 2011/10

bei uns veröffentlicht am 20.12.2010

Tenor 1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgese

Referenzen

Tatbestand

1

Die Klägerin wurde mit Bescheid vom 22. Januar 1999 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe als Lehrerin z. A. mit Wirkung vom 1. Februar 1999 in den niedersächsischen Landesdienst eingestellt. In diesem Bescheid war gleichzeitig festgelegt, dass die Klägerin gemäß dem seinerzeit geltenden § 80b NBG bis zum 31. Januar 2003 mit durchschnittlich regelmäßig 22 Wochenstunden bei einer Regelstundenzahl von damals 27,5 Wochenstunden und ab dem 1. Februar 2003 in Vollzeit beschäftigt wird. Mit Wirkung vom 1. Mai 2000 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Lehrerin ernannt.

2

Am 30. August 2000 beantragte die Klägerin wegen der ihr aufgezwungenen Teilzeitbeschäftigung rückwirkend ihre Vollbeschäftigung seit ihrer Einstellung. Das gegen die Ablehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens nach Ermessen gerichtete Klageverfahren ist insoweit eingestellt worden, als die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin zum 1. August 2001 aufgehoben worden ist und die Beklagte die Klägerin versorgungsrechtlich so gestellt hat, als wäre sie seit ihrer Einstellung vollzeitbeschäftigt gewesen.

3

Im Übrigen begehrt die Klägerin weiterhin ihre Vollbeschäftigung ab Einstellung und die Nachzahlung der Besoldungsdifferenz. Während das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, hat das Berufungsgericht das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verpflichtet, die Einstellungsteilzeit ab 30. August 2000 aufzuheben und ab diesem Zeitpunkt die Besoldungsdifferenz nachzuzahlen.

4

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Rechtswidrigkeit der antragslosen Teilzeitbeschäftigungsverfügung eröffne über § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG lediglich das Rücknahmeermessen der Beklagten. Umstände, aufgrund derer sich die Aufrechterhaltung der Verfügung für den Zeitraum vor der Antragstellung als schlechthin unerträglich erweise, lägen nicht vor. Insbesondere sei die Teilzeitbeschäftigungsverfügung nicht bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses offensichtlich rechtswidrig gewesen, weil die Evidenz des Rechtsfehlers erst später, nämlich durch das erste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der antragslosen Teilzeit (BVerwG, Urteil vom 2. März 2000 - BVerwG 2 C 1.99 - BVerwGE 110, 363 ff.) ersichtlich geworden sei.

5

Die Klägerin könne jedoch verlangen, dass die Teilzeitbeschäftigungsverfügung mit Wirkung ab Eingang ihres Antrags aufgehoben werde, weil sich insoweit ein Festhalten an dieser Verfügung nach dem einschlägigen Fachrecht als schlechthin unerträglich erweise. Die antraglose Einstellungsteilzeit verstoße gegen den hergebrachten Grundsatz der Hauptberuflichkeit und das Alimentationsprinzip. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Alimentation von Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern sei im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, dass zwar eine allgemeine rückwirkende Behebung von Verstößen gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums aufgrund der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses nicht geboten sei. Jedoch sei eine Korrektur derartiger Verstöße aus dem wechselseitig bindenden Treueverhältnis dann erforderlich, wenn der Beamte während der Dauer des Verstoßes eine Korrektur gefordert habe. Dies habe die Klägerin mit ihrem Antrag vom August 2000 getan, indem sie nicht nur die rückwirkende Aufhebung der Teilzeitbeschäftigung begehrt, sondern zugleich dem Dienstherrn zukünftig ihre volle Arbeitskraft angeboten habe.

6

Hiergegen wenden sich die Klägerin und die Beklagte mit ihren Revisionen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Januar 2009, soweit es die Klage abgewiesen hat, aufzuheben und die Beklagte unter Zurückweisung ihrer Berufung gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 3. Mai 2004 sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 6. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2000 zu verpflichten, den Bescheid vom 22. Januar 1999 hinsichtlich der festgesetzten Teilzeitbeschäftigung aufzuheben und den Differenzbetrag der Bezüge für die Besoldungsgruppe A 12 nach Anlage I des Bundesbesoldungsgesetzes zwischen einer Teilzeitbeschäftigung von 22/27,5 Unterrichtsstunden pro Woche und einer Vollzeitbeschäftigung im Zeitraum vom 1. Februar 1999 bis zum 31. Juli 2001 nebst Prozesszinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen, sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Januar 2009, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 3. Mai 2004, soweit es der Klage stattgegeben hat, aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (1). Auf die Revision der Beklagten sind die vorhergehenden Urteile, sofern das Verfahren nicht eingestellt oder die Klage bereits abgewiesen worden ist, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen (2). Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte für den hier noch streitigen Zeitraum den rechtswidrigen Teilzeitbeschäftigungsbescheid aufhebt und ihr die sich daraus ergebende Besoldungsdifferenz nachzahlt. Einem solchen Anspruch steht die Bestandskraft des Bescheides entgegen. Das gleichwohl eröffnete Rücknahmeermessen hat die Beklagte nicht fehlerhaft ausgeübt.

10

Gemäß § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - Nds VwVfG - ist auf die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzustellen. Auch wenn Wiederaufnahmegründe nach § 1 Abs. 1 Nds VwVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, kann die Behörde ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen wiederaufgreifen und eine neue - der gerichtlichen Überprüfung zugängliche - Sachentscheidung treffen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Diese Möglichkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG.

11

Dabei belegt das in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eröffnete Rücknahmeermessen, dass ein zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führender Rechtsverstoß nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Rücknahme und einen darauf zielenden Anspruch des Betroffenen bildet. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 27. Januar 1994 - BVerwG 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <92> = Buchholz 316 § 51 NwVfG Nr. 31, S. 7, vom 17. Januar 2007 - BVerwG 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 ff. , juris Rn. 13, vom 20. März 2008 - BVerwG 1 C 33.07 - Buchholz 402.242 § 54 AufenthG Nr. 5, jeweils m.w.N., stRspr).

12

1. Ohne Verletzung revisiblen Rechts hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Ablehnung der Rücknahme der Teilzeitbeschäftigungsverfügung für die Vergangenheit nicht zu beanstanden ist. Zwar kann eine offensichtliche Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts bereits im Erlasszeitpunkt die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 6 C 32.06 - a.a.O. zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit). Von einer solchen offensichtlich fehlerhaften Rechtsanwendung im Einzelfall unterscheidet sich jedoch der Fall der Anwendung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage, an die die Verwaltung im Erlasszeitpunkt gebunden war. Das gilt auch dann, wenn die Verfassungswidrigkeit der Norm offensichtlich war. Beruht ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung auf einem verfassungswidrigen Gesetz, so ist eine Ermessensentscheidung, die eine Rücknahme für die Vergangenheit wegen dessen Bestandskraft ablehnt, grundsätzlich nicht zu beanstanden.

13

Die Teilzeitbeschäftigungsverfügung beruhte auf der Regelung des seinerzeitigen § 80b NBG, die durch das Dritte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 1997 (GVBl S. 528) in das Niedersächsische Beamtengesetz kam. Diese Regelung sollte eine antragslose Teilzeitbeschäftigung gegen den Willen des Betroffenen ermöglichen und galt nach der Neubekanntmachung des Niedersächsischen Beamtengesetzes vom 19. Februar 2001 (GVBl S. 33) als § 80c NBG in unveränderter Fassung bis zur Nichtigerklärung durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 2007 - 2 BvF 3/02 - (BVerfGE 119, 247) fort.

14

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Grundgesetz keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt zu entnehmen, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <55>; Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 1982/01 BVerfGE 117, 302 <315>). Dies gilt auch für bestandskräftige Verwaltungsakte, deren Rechtsgrundlage gegen Verfassungsrecht verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966 - 1 BvR 178/64 - BVerfGE 20, 230 <235 f.>, Beschluss vom 30. Januar 2008 - 1 BvR 943/07 - NVwZ 2008, 550, juris Rn.26 m.w.N.).

15

Beruht der bestandskräftige Verwaltungsakt auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage, so folgt dies aus der gesetzgeberischen Wertung des § 79 Abs. 2 BVerfGG. Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bleiben bestandskräftige Verwaltungsakte, die auf einer für nichtig erklärten Norm beruhen, vom Nichtigkeitsausspruch des Bundesverfassungsgerichts unberührt, lediglich die Vollstreckung aus ihnen wird nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG für unzulässig erklärt. Damit hat sich der Gesetzgeber in diesem Bereich dafür entschieden, dem Grundsatz der Rechtssicherheit Vorrang einzuräumen. Dies hindert zwar nicht ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne (vgl. Beschluss vom 25. Juli 1990 - BVerwG 7 B 100.90 - Buchholz 436.61 § 60 SchwbG Nr. 3), die gesetzgeberische Wertung des § 79 Abs. 2 BVerfGG ist aber bei der Ermessensentscheidung einzubeziehen, so dass grundsätzlich nur eine Rücknahme für die Zukunft geboten sein kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. März 1968 - BVerwG 7 C 64.66 - BVerwGE 29, 270 <271> = Buchholz 401.5 § 17 GewStG Nr. 4 und - BVerwG 7 C 95.66 -, BVerwGE 29, 276 <278> = Buchholz 401.5 § 17 GewStG Nr. 5, 32, vom 30. Juni 1972 - BVerwG 7 C 27.70 - BVerwGE 40, 194 = Buchholz 401.5 § 17 Nr. 6, vom 4. November 1976 - BVerwG 2 C 49.73 - BVerwGE 51, 253 = Buchholz 235 § 18 BBesG Nr. 22; 19. Januar 1989 - BVerwG 2 C 42.86 - BVerwGE 81, 175 = Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 5; Beschluss vom 4. Oktober 1993 - BVerwG 6 B 35.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 319; BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966 - 1 BvR 164 u.a./64 - BVerfGE 20, 230 <235 f.>).

16

Das einschlägige Fachrecht gebietet keine abweichende Wertung. Zwar verstößt die antragslose, gegen den Willen des Beamten angeordnete Teilzeitbeschäftigung gegen den Hauptberuflichkeitsgrundsatz und das Alimentationsprinzip (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 a.a.O.), mithin gegen hergebrachte und von Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Grundsätze des Berufsbeamtentums. Für die Vergangenheit hat sie, weil bereits eine versorgungsrechtliche Gleichstellung mit Vollzeitbeschäftigten erfolgt ist, jedoch nur noch Auswirkungen hinsichtlich der niedrigeren Besoldung. Nur soweit der gesetzliche Besoldungsanspruch im Raum steht, ist es dem Dienstherrn verwehrt, haushaltsrechtliche Erwägungen anzustellen. Der gesetzliche Besoldungsanspruch stünde aber nur dann im Raum, wenn die Teilzeitanordnung rechtzeitig angegriffen worden wäre und (rückwirkend) aufgehoben wird (vgl. Urteil vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 C 86.08 - IÖD 2010, 194 = DVBl 2010, 1161 Rn. 30 m.w.N.), nicht aber, wenn es um die Rücknahme eines bereits bestandskräftigen Verwaltungsaktes geht.

17

Grundsätzlich ist es der Beklagten deshalb für die Vergangenheit nicht verwehrt, sich auf die Bestandskraft der auf gesetzlicher Grundlage erlassenen Teilzeitbeschäftigungsverfügung bei ihrer Ermessensentscheidung zu berufen und fiskalische Erwägungen anzustellen. Sie kann bei ihrer Ermessensentscheidung darauf abstellen, dass ihr die volle Dienstleistung der Klägerin nicht zur Verfügung gestanden hat und eine Rücknahme wegen der Vielzahl anderer ebenfalls zwangsweise teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte mit Blick auf den Gleichheitssatz weitreichende finanzielle Folgen hätte.

18

2. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht aufgrund des einschlägigen Fachrechts einen Rücknahmeanspruch für die Zukunft schon ab Antragsstellung bejaht.

19

Auch für den Zeitraum ab Antragstellung gilt der Gedanke des § 79 Abs. 2 BVerfGG aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung, so dass es in Anbetracht der Bestandskraft des Teilzeitbeschäftigungsbescheides nicht allein auf das Zurverfügungstellen der vollen Arbeitskraft durch die Klägerin ankommen kann. Vielmehr ist eine Ermessensentscheidung, die die Planstellensituation während des laufenden Haushaltsjahres und den störungsfreien Ablauf des Schulunterrichts während des laufenden Schuljahres vorrangig berücksichtigt, nicht zu beanstanden.

20

Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Beschäftigungsumfang durch entsprechenden Antrag jederzeit wieder auf vollzeitige Beschäftigung geändert werden, sofern die Voraussetzungen für den Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit vorliegen (vgl. Urteil vom 30. Oktober 2008 - BVerwG 2 C 48.07 - BVerwGE 132, 243 = Buchholz 237.8 § 80a RhPLBG Nr. 2). Insofern macht es keinen Unterschied, ob die Teilzeitbeschäftigung - rechtmäßig - auf Antrag des Betroffenen oder auf verfassungswidriger Rechtsgrundlage gegen den Willen des Betroffenen angeordnet worden war.

21

Die Voraussetzungen für einen Wechsel von einer Teilzeitbeschäftigung zur Vollzeitbeschäftigung regelte § 80a Abs. 3 Satz 2 NBG a.F. Nach dieser Vorschrift soll der Übergang zur Vollzeitbeschäftigung zugelassen werden, wenn dem Beamten die Teilzeitbeschäftigung im bisherigen Umfang nicht mehr zugemutet werden kann und dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs des Beamten auf vollzeitige Beschäftigung und amtsangemessene Alimentation ist diese Vorschrift Ausdruck eines verfassungsrechtlich vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Während die Unzumutbarkeit der Teilzeitbeschäftigung nach der objektiven Situation des Beamten zu beurteilen ist, kennzeichnen die dienstlichen Belange das Interesse des Dienstherrn an einer sachgerechten Aufgabenerfüllung der Verwaltung. Erforderlich ist eine Abwägung der entgegenstehenden Interessen des Beamten und des Dienstherrn im konkreten Fall. Da die Änderung zugelassen werden "soll", wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, kann nicht jeder dienstliche Belang die Ablehnung rechtfertigen, sondern nur ein solcher, dem gegenüber die schutzwürdigen Interessen des Beamten nachzuordnen sind (vgl. Urteil vom 30. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 14).

22

Das Fehlen einer entsprechenden Planstelle im Haushaltsplan ist zwar grundsätzlich als dienstlicher Belang anzuerkennen, der dem sofortigen Übergang zur Vollzeitbeschäftigung entgegensteht. Das gilt regelmäßig jedoch nur für das Haushaltsjahr, in dem der Antrag auf Übergang zur Vollzeitbeschäftigung erstmals gestellt wird, wenn der Dienstherr den Antrag nicht vorhersehen und Vorsorge für die Möglichkeit einer Vollzeitbeschäftigung treffen konnte. Sobald sich dem Dienstherrn die Möglichkeit eröffnet, auf den Antrag des Beamten haushaltsrechtlich zu reagieren, können nur noch schwerwiegende Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs dem Übergang zur Vollzeitbeschäftigung entgegenstehen (vgl. Urteil vom 30. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 15). Insofern ist bei Lehrern außerdem noch zu beachten, dass ein Lehrerwechsel im laufenden Schuljahr zu schwerwiegenden Belastungen der betroffenen Schüler führen kann, denen die Personal- und Unterrichtsplanung aus pädagogischen Gründen vorbeugen muss. Es kann daher grundsätzlich ermessensfehlerfrei berücksichtigt werden, dass wegen der Besonderheiten des Schulbetriebs eine Umsetzung des Übergangs zur Vollzeitbeschäftigung in aller Regel erst im nachfolgenden Schuljahr möglich ist. Zwar können derartige schwerwiegende Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs allenfalls bei Dienstherren mit einem kleinen Personalbestand in Betracht kommen. Bei Dienstherren mit einem großen Personalbestand kann sich die Situation aber dann gleichermaßen darstellen, wenn eine große Anzahl von Beamten gleichzeitig eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung verlangt.

23

Ob der Klägerin bereits ab Beginn des auf die Antragstellung am 30. August 2000 folgenden Schuljahres, hier also ab dem 1. August 2001, der Wechsel zur Vollbeschäftigung ermöglicht werden musste und insofern die entgegenstehende Teilzeitbeschäftigungsverfügung aufzuheben war, muss nicht entschieden werden. Dieser Zeitraum steht nicht mehr im Streit. Die Beklagte hat die Klägerin ab dem 1. August 2001 in Vollzeit beschäftigt.

24

Für den Zeitraum nach der Antragstellung bis zum Beginn des folgenden Schuljahres ist aber eine Ermessensentscheidung, die unter Bezugnahme auf die Bestandskraft der Teilzeitbeschäftigungsverfügung wegen fehlender Planstellen und zur Gewährleistung einer rechtzeitigen Planung eines kontinuierlichen Unterrichtsablaufs eine sofortige Vollzeitbeschäftigung ablehnt, nicht ermessenswidrig. Auch in diesem Zusammenhang kann die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung darauf abstellen, dass eine Rücknahme weitreichende Folgen wegen der Vielzahl anderer ebenfalls zwangsweise teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte hätte, die dann aus dem Gedanken der Gleichbehandlung heraus ebenfalls einen Anspruch auf sofortige Rücknahme hätten. Deshalb wäre es nicht ausreichend, wenn wenige freie Planstellen zur Verfügung gestanden hätten. Bei der Schulverwaltung handelt es sich um eine Massenverwaltung, die eine Übergangszeit benötigt, um sich auf eine solche Situation einzustellen und hierfür ein Konzept zu erstellen, das im Einklang mit der Unterrichtsplanung steht.

25

Das vom Berufungsgericht herangezogene Argument der zeitnahen Geltendmachung ist ausschließlich im Zusammenhang mit der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentation kinderreicher Beamter von Relevanz. Es folgt zwar aus den Besonderheiten des Beamtenverhältnisses, beruht aber allein auf der besonderen rechtlichen Qualität des Anspruchs aus der Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG, vgl. § 79 BVerfGG, die, wenn auch mit Gesetzeskraft ausgestattet, einem gesetzlichen Anspruch auf Besoldung (oder Versorgung) nicht gleichzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 C 86.08 - a.a.O. Rn. 29 m.w.N.).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen wurde. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte er eine Reduzierung der von ihm für das Jahr 2001 geforderten Abgaben für ein ärztliches Versorgungswerk angestrebt.

2

1. § 20 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung in der Fassung vom 1. April 2000 verpflichtet jedes Mitglied zur Leistung von Versorgungsabgaben, sofern Einkünfte aus ärztlicher Berufsausübung erzielt werden. Als allgemeine Versorgungsabgabe ist eine "Normalabgabe" zu zahlen, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung dem höchsten Pflichtbeitrag zur Angestelltenversicherung im gleichen Jahr entspricht. Als Mindestabgabe ist der 0,2-fache Betrag der Normalabgabe zu zahlen. In ständiger Verwaltungspraxis mussten im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglieder, deren Einkommen 2.000 DM pro Monat unterschritt, nur einen reduzierten Versorgungsbeitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes der Rentenversicherung der Angestellten erbringen (im Folgenden: Härtefallregelung).

3

Im Jahr 2001 belief sich der höchste Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Angestellten auf 1.661,70 DM (849,61 €).

4

2. Der Beschwerdeführer ist Arzt und war aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Ärztekammer, der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) auch Mitglied der von ihr eingerichteten Ärzteversorgung.

5

Auf Grundlage eines Honorarvertrags war der Beschwerdeführer ab Juli 2000 als Bereitschaftsarzt für eine Privatklinik tätig. Da er zunächst weniger als 2.000 DM pro Monat verdiente, beantragte er bei der Beklagten eine Beitragsreduzierung auf Basis der Härtefallregelung, die diese mit Bescheid von Februar 2001 ab Januar 2000 gewährte. Für den Zeitraum ab Januar 2001 setzte die Beklagte gegenüber dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der Härtefallregelung einen monatlichen Beitrag von 81,20 DM fest. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Bereitschaftsarzt endete mit Ablauf des Monats Oktober 2001. Das letzte Honorar wurde im November 2001 ausgezahlt. Für den Rest des Jahres 2001 erzielte der Beschwerdeführer keine Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit mehr.

6

a) Nachdem der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vorgelegt hatte, aus dem sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.291 DM (10.374,62 €) ergaben, setzte die Beklagte im Mai 2003 für das Jahr 2001 bezüglich der Monate Januar bis Oktober 2001, ausgehend vom 0,2-fachen der Normalabgabe, einen monatlichen Beitrag von jeweils 169,92 € fest. Unter Berücksichtigung bereits gezahlter Beiträge und vorhandener Guthaben forderte sie vom Beschwerdeführer zugleich eine Nachzahlung in Höhe von 1.206,79 €. Der gegen die Höhe der Abgabe gerichtete Widerspruch des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

7

b) Mit seiner daraufhin erhobenen Klage verlangte der Beschwerdeführer eine Reduzierung des Nachzahlungsbetrags auf 485,52 €, weil er der Härtefallregelung unterfalle. Sein monatliches Einkommen unterschreite die Grenze von 2.000 DM, weil das erst im November 2001 ausgezahlte Honorar nicht mehr als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

8

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe die Versorgungsabgaben für 2001 in der zutreffenden Höhe festgesetzt. Die Härtefallregelung könnte nicht zugunsten des Beschwerdeführers angewendet werden, weil sein monatliches Einkommen mehr als 2.000 DM pro Monat betragen habe. Abzustellen sei auf das Einkommen, das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebe. Weder habe der Beschwerdeführer belegen können, dass in den im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünften auch Einkommen aus dem Jahr 2000 enthalten sei, noch komme es für das von Januar bis Oktober 2001 erarbeitete Einkommen auf den Zeitpunkt des Zuflusses an. Da nur für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit Abgaben zu leisten seien, habe die Beklagte den 2001 verdienten Betrag auch richtigerweise lediglich auf 10 statt auf 12 Monate verteilt.

9

c) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung. Er berief sich hierbei ausdrücklich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Verwaltungsgericht sei nicht befugt gewesen, das ihm erst im November zugeflossene Einkommen zu berücksichtigten, weil es auf den Zufluss des Entgelts während der Dauer der Beschäftigung ankomme. Weiter sei zu erwähnen, dass die Beklagte ihre Forderung auch bei Anwendung des Entstehungsprinzips nicht begründen könne; denn in diesem Fall müssten von seinen einkommensteuerrechtlich für das Jahr 2001 ermittelten Einkünften aus selbständiger Arbeit seine während der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschafteten Honorare in Höhe von 985,50 DM abgezogen werden, wodurch nur noch Jahreseinkünfte von 19.305 DM verblieben. Dies führe ebenfalls zur Anwendung der Härtefallregelung. Der Beschwerdeführer bezog sich dabei auf bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Unterlagen. Seinem Schriftsatz war darüber hinaus als Anlage ein von Januar 2010 datierendes Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Klinik, für die er tätig gewesen war, beigefügt, aus dem sich ergab, dass der Beschwerdeführer im Monat Dezember 2000 am 2., 9., 25., 28. und 31. Dezember Dienste absolviert hatte.

10

d) Das Oberverwaltungsgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Die Berufung sei nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zuzulassen, weil ein Divergenzfall nicht gegeben sei. Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nicht. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei sowohl mit Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der Satzung vereinbar. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sein Einkommen im Jahr 2001 beträfen, seien in Bezug auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht entscheidungserheblich. Nichts anderes ergebe sich, wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass er insoweit ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung habe geltend machen wollen; denn in diesem Fall sei durch die bloße Vorlage eines Honorarvertrags nicht nachgewiesen, dass im Januar 2001 Honorare für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit gezahlt worden seien.

11

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

12

a) Die Nichtzulassung der Berufung verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, hilfsweise gegen Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als allgemeines Prozessgrundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sei erfüllt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Falsch sei schon, dass das Gericht auf das Entstehungsprinzip abgestellt habe, denn maßgebend sei das Zuflussprinzip. Das ihm erst im November 2001 zugegangene Honorar dürfe daher nicht mitberücksichtigt werden. Selbst bei Anwendung des Entstehungsprinzips müsse aber zu seinen Gunsten die Härtefallregelung eingreifen; auch dann liege sein durchschnittliches Monatseinkommen während des maßgeblichen Zeitraums unter der Grenze von 2.000 DM. Es müsse nämlich das Honorar, das in der zweiten Dezemberhälfte des Jahres 2000 von ihm erwirtschaftet worden sei, aus dem Einkommen, das sich aus dem Steuerbescheid 2001 ergebe, herausgerechnet werden.

13

b) Auch die Ablehnung der weiteren Zulassungsgründe verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Im Übrigen verletze die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Art. 3 Abs. 1 GG als Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot.

14

4. Der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin und der Ärztekammer Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.

16

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2010 verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG.

17

a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; stRspr). Die Vorschrift erfordert zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Sehen die prozessrechtlichen Vorschriften - wie §§ 124, 124a VwGO - die Möglichkeit vor, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Vor diesem Hintergrund dürfen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils immer schon dann erfüllt, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15).

18

b) Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht verkannt und den Zugang des Beschwerdeführers zur Berufungsinstanz dadurch in unzumutbarer Weise verkürzt.

19

aa) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist schon der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO komme nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer nicht "nachgewiesen" habe, dass im Januar 2001 gezahltes Honorar auch Einkommen für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit enthalte. Des Nachweises einer solchen Behauptung durch den Antragsteller bedarf es im Berufungszulassungsverfahren gerade nicht. Schlüssige Gegenargumente liegen vielmehr bereits dann vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Ob tatsächliche Umstände, die ein Antragsteller schlüssig behauptet, auch wirklich gegeben sind, muss bei Unklarheiten nach Zulassung der Berufung während des sich anschließenden Berufungsverfahrens im Rahmen der Amtsermittlung geklärt werden. Es ist nicht zulässig, diese Prüfung ins Zulassungsverfahren vorzuverlagern und damit die eigentlich erforderliche Beweisaufnahme zu umgehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, juris, Rn. 22).

20

bb) Der fehlerhafte rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts führt auch zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnis. Das Gericht hätte die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulassen müssen, weil der Beschwerdeführer im Berufungszulassungsverfahren eine das verwaltungsgerichtliche Urteil tragende Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat.

21

(1) Das Verwaltungsgericht geht, unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, davon aus, dass ein Kammermitglied Anspruch auf einen (reduzierten) Beitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes zur Rentenversicherung der Angestellten hat, sofern es einen Monatsverdienst von weniger als 2.000 DM erzielt. Für den Beschwerdeführer verneint das Gericht dann einen solchen, die 2.000 DM-Grenze unterschreitenden Verdienst pro Monat, weil die von ihm im Jahr 2001 erzielten Einnahmen von 20.291 DM auf 10 Monate, nämlich den Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2001, zu verteilen seien. Denn die Einnahmen könnten nur auf die Monate verteilt werden, in denen sie erarbeitet worden seien; auf den Zeitpunkt des Zuflusses komme es nicht an. Für die Höhe der Einnahmen stützt sich das Verwaltungsgericht auf die aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebende Einkommenshöhe, unterstellt also, dass die sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Einnahmen vom Beschwerdeführer in dem Zeitraum von Januar bis Oktober 2001 erarbeitet worden sind und stützt seine Entscheidung auf diese Annahme.

22

(2) Demgegenüber hat der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung eingewandt, in den Einnahmen, die in dem Einkommensteuerbescheid 2001 ausgewiesen seien, seien auch Verdienste aus dem Jahr 2000 enthalten, und zwar Honorare in Höhe von 985,50 DM, die er durch seine ärztliche Tätigkeit in der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschaftet habe. Zum Beleg seiner Behauptung hat er das Schreiben von Januar 2010, wonach er im Dezember 2000 an fünf Tagen Dienste wahrgenommen hat, vorgelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, aufgrund des klinikinternen Abrechnungsmodus sei das Honorar während seiner Tätigkeit immer jeweils von Monatsmitte zu Monatsmitte berechnet und anschließend ausgezahlt worden. Da hiernach für die Monate Januar bis Oktober 2001 nur noch ein Einkommen von 19.305 DM verbleibe - also weniger als 2.000 DM monatlich - sei die Härtefallklausel schon aus diesem Grunde auf ihn anzuwenden.

23

(3) Damit hat der Beschwerdeführer die Prämisse des Verwaltungsgerichts, in dem aus dem Steuerbescheid ergebenden Einkommen seien keine Einnahmen aus dem Jahre 2000 enthalten, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Denn auf Grundlage der Behauptungen des Beschwerdeführers, die er zudem mit dem Schreiben von Januar 2010 belegt hat, erscheint es nicht lediglich als möglich, sondern sogar als nahe liegend, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im Steuerbescheid des Jahres 2001 als Einkommen auch Honorar berücksichtigt war, das der Beschwerdeführer im Dezember 2000 erarbeitet hatte. Dafür spricht nicht nur das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Honorar in einem Abrechnungsmodus von Monatsmitte bis Monatsmitte berechnet und ausbezahlt wurde. Auch aus verwaltungspraktischen Gründen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass insbesondere für eine ab dem 25. Dezember 2000, also während der Weihnachtsfeiertage und danach, geleistete Arbeit die Vergütung noch im selben Monat überwiesen werden konnte. Anhaltspunkte für eine Zahlung des Honorars im Voraus oder für Abschlagszahlungen gibt es nicht.

24

(4) Die Tatsachenfeststellungen, die der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen in Frage stellt, sind auch rechtlich erheblich. Denn das Verwaltungsgericht hätte, wären die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffend, seiner Klage jedenfalls teilweise stattgeben müssen. In diesem Fall hätte sich nämlich für 2001 ein in diesem Jahr "erarbeitetes" Honorar von lediglich 19.305,50 DM ergeben, weil 985,50 DM als Honorar für Dienste im Dezember 2000 von dem im Steuerbescheid 2001 ausgewiesenen Einkommen von 20.291 DM abzuziehen gewesen wären. Für die zehnmonatige ärztliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im Jahr 2001 hätte sein monatlicher Verdienst folglich nur noch 1.930,55 DM betragen und damit die 2.000 DM-Grenze unterschritten. Nach der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung - die vom Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auch nicht in Zweifel gezogen wird - wäre bei diesem geringen Einkommen die Härtefallregelung anzuwenden gewesen. Da sich die monatlichen Abgaben dementsprechend nur nach dem hälftigen Beitragssatz der Rentenversicherung für Angestellte, also der Hälfte von damals 19,1 %, errechnen würden, hätten sich diese nicht wie von der Beklagten festgesetzt auf - umgerechnet - 169,92 € belaufen, sondern lediglich auf 94,27 €. Auch die geltend gemachte Nachforderung würde sich entsprechend verringern.

25

cc) Dem Beschwerdeführer kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe den Zulassungsgrund im Berufungszulassungsverfahren nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere ist es unschädlich, dass er in dem Zulassungsschriftsatz die von ihm vorgebrachten Argumente keinem beziehungsweise jedenfalls nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet hat. Denn für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe ist es nicht notwendig, dass der Antragsteller ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es kein Hindernis, wenn der Antragsteller sein Vorbringen unter dem falschen Berufungszulassungsgrund erörtert oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet das den Zulassungsantrag prüfende Gericht nämlich dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen und durch sachgerechte Auslegung selbstständig zu ermitteln, welche Zulassungsgründe der Sache nach geltend gemacht werden und welche Einwände welchen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 2309/09 -, juris, Rn. 13; vgl. insoweit auch BVerfGK 5, 369 <375 f.>). Erst dann, wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird, stellt die Verwerfung des Antrags als unzulässig keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Berufungsinstanz dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010, a.a.O., Rn. 13). Dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Schwierigkeiten dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuordnen lässt, folgt hier schon daraus, dass es vom Oberverwaltungsgericht unter diesem Gesichtspunkt geprüft wurde. Eine solche Zuordnung lag im Übrigen auch auf der Hand, weil die Ausführungen des Beschwerdeführers nur zu diesem Zulassungsgrund passen.

26

c) Die weiteren Argumente, die der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vorgebracht hat, sind allerdings nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu begründen. Dass das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf diese Einwände das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verneint hat, lässt keine Grundrechtsverletzung erkennen. Der Beschwerdeführer hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zufluss des Einkommens erst nach dem Ablauf des Zeitraums der Tätigkeit sei unschädlich - maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt des Erarbeitens -, fehlerhaft sein sollte. Der Ansatz des Gerichts, allein an den Tätigkeitszeitraum anzuknüpfen und den Zuflusszeitpunkt als unerheblich anzusehen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sei nicht gegeben, gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen könnte. Die Gründe, mit denen das Gericht das Vorliegen des Zulassungsgrundes ablehnt, sind gut nachvollziehbar. Dass sie den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen könnten, ist nicht zu erkennen.

28

Eine Berufung auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) scheitert schließlich unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität schon daran, dass sich der Beschwerdeführer auf diesen Grund im Berufungszulassungsverfahren weder ausdrücklich noch der Sache nach berufen hat.

29

2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Ob der Beschluss auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, kann daher offenbleiben.

30

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tatbestand

1

Die Klägerin wurde mit Bescheid vom 22. Januar 1999 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe als Lehrerin z. A. mit Wirkung vom 1. Februar 1999 in den niedersächsischen Landesdienst eingestellt. In diesem Bescheid war gleichzeitig festgelegt, dass die Klägerin gemäß dem seinerzeit geltenden § 80b NBG bis zum 31. Januar 2003 mit durchschnittlich regelmäßig 22 Wochenstunden bei einer Regelstundenzahl von damals 27,5 Wochenstunden und ab dem 1. Februar 2003 in Vollzeit beschäftigt wird. Mit Wirkung vom 1. Mai 2000 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Lehrerin ernannt.

2

Am 30. August 2000 beantragte die Klägerin wegen der ihr aufgezwungenen Teilzeitbeschäftigung rückwirkend ihre Vollbeschäftigung seit ihrer Einstellung. Das gegen die Ablehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens nach Ermessen gerichtete Klageverfahren ist insoweit eingestellt worden, als die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin zum 1. August 2001 aufgehoben worden ist und die Beklagte die Klägerin versorgungsrechtlich so gestellt hat, als wäre sie seit ihrer Einstellung vollzeitbeschäftigt gewesen.

3

Im Übrigen begehrt die Klägerin weiterhin ihre Vollbeschäftigung ab Einstellung und die Nachzahlung der Besoldungsdifferenz. Während das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, hat das Berufungsgericht das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verpflichtet, die Einstellungsteilzeit ab 30. August 2000 aufzuheben und ab diesem Zeitpunkt die Besoldungsdifferenz nachzuzahlen.

4

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Rechtswidrigkeit der antragslosen Teilzeitbeschäftigungsverfügung eröffne über § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG lediglich das Rücknahmeermessen der Beklagten. Umstände, aufgrund derer sich die Aufrechterhaltung der Verfügung für den Zeitraum vor der Antragstellung als schlechthin unerträglich erweise, lägen nicht vor. Insbesondere sei die Teilzeitbeschäftigungsverfügung nicht bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses offensichtlich rechtswidrig gewesen, weil die Evidenz des Rechtsfehlers erst später, nämlich durch das erste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der antragslosen Teilzeit (BVerwG, Urteil vom 2. März 2000 - BVerwG 2 C 1.99 - BVerwGE 110, 363 ff.) ersichtlich geworden sei.

5

Die Klägerin könne jedoch verlangen, dass die Teilzeitbeschäftigungsverfügung mit Wirkung ab Eingang ihres Antrags aufgehoben werde, weil sich insoweit ein Festhalten an dieser Verfügung nach dem einschlägigen Fachrecht als schlechthin unerträglich erweise. Die antraglose Einstellungsteilzeit verstoße gegen den hergebrachten Grundsatz der Hauptberuflichkeit und das Alimentationsprinzip. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Alimentation von Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern sei im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, dass zwar eine allgemeine rückwirkende Behebung von Verstößen gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums aufgrund der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses nicht geboten sei. Jedoch sei eine Korrektur derartiger Verstöße aus dem wechselseitig bindenden Treueverhältnis dann erforderlich, wenn der Beamte während der Dauer des Verstoßes eine Korrektur gefordert habe. Dies habe die Klägerin mit ihrem Antrag vom August 2000 getan, indem sie nicht nur die rückwirkende Aufhebung der Teilzeitbeschäftigung begehrt, sondern zugleich dem Dienstherrn zukünftig ihre volle Arbeitskraft angeboten habe.

6

Hiergegen wenden sich die Klägerin und die Beklagte mit ihren Revisionen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Januar 2009, soweit es die Klage abgewiesen hat, aufzuheben und die Beklagte unter Zurückweisung ihrer Berufung gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 3. Mai 2004 sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 6. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2000 zu verpflichten, den Bescheid vom 22. Januar 1999 hinsichtlich der festgesetzten Teilzeitbeschäftigung aufzuheben und den Differenzbetrag der Bezüge für die Besoldungsgruppe A 12 nach Anlage I des Bundesbesoldungsgesetzes zwischen einer Teilzeitbeschäftigung von 22/27,5 Unterrichtsstunden pro Woche und einer Vollzeitbeschäftigung im Zeitraum vom 1. Februar 1999 bis zum 31. Juli 2001 nebst Prozesszinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen, sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Januar 2009, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 3. Mai 2004, soweit es der Klage stattgegeben hat, aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (1). Auf die Revision der Beklagten sind die vorhergehenden Urteile, sofern das Verfahren nicht eingestellt oder die Klage bereits abgewiesen worden ist, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen (2). Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte für den hier noch streitigen Zeitraum den rechtswidrigen Teilzeitbeschäftigungsbescheid aufhebt und ihr die sich daraus ergebende Besoldungsdifferenz nachzahlt. Einem solchen Anspruch steht die Bestandskraft des Bescheides entgegen. Das gleichwohl eröffnete Rücknahmeermessen hat die Beklagte nicht fehlerhaft ausgeübt.

10

Gemäß § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - Nds VwVfG - ist auf die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzustellen. Auch wenn Wiederaufnahmegründe nach § 1 Abs. 1 Nds VwVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, kann die Behörde ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen wiederaufgreifen und eine neue - der gerichtlichen Überprüfung zugängliche - Sachentscheidung treffen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Diese Möglichkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG.

11

Dabei belegt das in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eröffnete Rücknahmeermessen, dass ein zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führender Rechtsverstoß nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Rücknahme und einen darauf zielenden Anspruch des Betroffenen bildet. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 27. Januar 1994 - BVerwG 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <92> = Buchholz 316 § 51 NwVfG Nr. 31, S. 7, vom 17. Januar 2007 - BVerwG 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 ff. , juris Rn. 13, vom 20. März 2008 - BVerwG 1 C 33.07 - Buchholz 402.242 § 54 AufenthG Nr. 5, jeweils m.w.N., stRspr).

12

1. Ohne Verletzung revisiblen Rechts hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Ablehnung der Rücknahme der Teilzeitbeschäftigungsverfügung für die Vergangenheit nicht zu beanstanden ist. Zwar kann eine offensichtliche Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts bereits im Erlasszeitpunkt die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 6 C 32.06 - a.a.O. zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit). Von einer solchen offensichtlich fehlerhaften Rechtsanwendung im Einzelfall unterscheidet sich jedoch der Fall der Anwendung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage, an die die Verwaltung im Erlasszeitpunkt gebunden war. Das gilt auch dann, wenn die Verfassungswidrigkeit der Norm offensichtlich war. Beruht ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung auf einem verfassungswidrigen Gesetz, so ist eine Ermessensentscheidung, die eine Rücknahme für die Vergangenheit wegen dessen Bestandskraft ablehnt, grundsätzlich nicht zu beanstanden.

13

Die Teilzeitbeschäftigungsverfügung beruhte auf der Regelung des seinerzeitigen § 80b NBG, die durch das Dritte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 1997 (GVBl S. 528) in das Niedersächsische Beamtengesetz kam. Diese Regelung sollte eine antragslose Teilzeitbeschäftigung gegen den Willen des Betroffenen ermöglichen und galt nach der Neubekanntmachung des Niedersächsischen Beamtengesetzes vom 19. Februar 2001 (GVBl S. 33) als § 80c NBG in unveränderter Fassung bis zur Nichtigerklärung durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 2007 - 2 BvF 3/02 - (BVerfGE 119, 247) fort.

14

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Grundgesetz keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt zu entnehmen, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <55>; Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 1982/01 BVerfGE 117, 302 <315>). Dies gilt auch für bestandskräftige Verwaltungsakte, deren Rechtsgrundlage gegen Verfassungsrecht verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966 - 1 BvR 178/64 - BVerfGE 20, 230 <235 f.>, Beschluss vom 30. Januar 2008 - 1 BvR 943/07 - NVwZ 2008, 550, juris Rn.26 m.w.N.).

15

Beruht der bestandskräftige Verwaltungsakt auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage, so folgt dies aus der gesetzgeberischen Wertung des § 79 Abs. 2 BVerfGG. Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bleiben bestandskräftige Verwaltungsakte, die auf einer für nichtig erklärten Norm beruhen, vom Nichtigkeitsausspruch des Bundesverfassungsgerichts unberührt, lediglich die Vollstreckung aus ihnen wird nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG für unzulässig erklärt. Damit hat sich der Gesetzgeber in diesem Bereich dafür entschieden, dem Grundsatz der Rechtssicherheit Vorrang einzuräumen. Dies hindert zwar nicht ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne (vgl. Beschluss vom 25. Juli 1990 - BVerwG 7 B 100.90 - Buchholz 436.61 § 60 SchwbG Nr. 3), die gesetzgeberische Wertung des § 79 Abs. 2 BVerfGG ist aber bei der Ermessensentscheidung einzubeziehen, so dass grundsätzlich nur eine Rücknahme für die Zukunft geboten sein kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. März 1968 - BVerwG 7 C 64.66 - BVerwGE 29, 270 <271> = Buchholz 401.5 § 17 GewStG Nr. 4 und - BVerwG 7 C 95.66 -, BVerwGE 29, 276 <278> = Buchholz 401.5 § 17 GewStG Nr. 5, 32, vom 30. Juni 1972 - BVerwG 7 C 27.70 - BVerwGE 40, 194 = Buchholz 401.5 § 17 Nr. 6, vom 4. November 1976 - BVerwG 2 C 49.73 - BVerwGE 51, 253 = Buchholz 235 § 18 BBesG Nr. 22; 19. Januar 1989 - BVerwG 2 C 42.86 - BVerwGE 81, 175 = Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 5; Beschluss vom 4. Oktober 1993 - BVerwG 6 B 35.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 319; BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966 - 1 BvR 164 u.a./64 - BVerfGE 20, 230 <235 f.>).

16

Das einschlägige Fachrecht gebietet keine abweichende Wertung. Zwar verstößt die antragslose, gegen den Willen des Beamten angeordnete Teilzeitbeschäftigung gegen den Hauptberuflichkeitsgrundsatz und das Alimentationsprinzip (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 a.a.O.), mithin gegen hergebrachte und von Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Grundsätze des Berufsbeamtentums. Für die Vergangenheit hat sie, weil bereits eine versorgungsrechtliche Gleichstellung mit Vollzeitbeschäftigten erfolgt ist, jedoch nur noch Auswirkungen hinsichtlich der niedrigeren Besoldung. Nur soweit der gesetzliche Besoldungsanspruch im Raum steht, ist es dem Dienstherrn verwehrt, haushaltsrechtliche Erwägungen anzustellen. Der gesetzliche Besoldungsanspruch stünde aber nur dann im Raum, wenn die Teilzeitanordnung rechtzeitig angegriffen worden wäre und (rückwirkend) aufgehoben wird (vgl. Urteil vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 C 86.08 - IÖD 2010, 194 = DVBl 2010, 1161 Rn. 30 m.w.N.), nicht aber, wenn es um die Rücknahme eines bereits bestandskräftigen Verwaltungsaktes geht.

17

Grundsätzlich ist es der Beklagten deshalb für die Vergangenheit nicht verwehrt, sich auf die Bestandskraft der auf gesetzlicher Grundlage erlassenen Teilzeitbeschäftigungsverfügung bei ihrer Ermessensentscheidung zu berufen und fiskalische Erwägungen anzustellen. Sie kann bei ihrer Ermessensentscheidung darauf abstellen, dass ihr die volle Dienstleistung der Klägerin nicht zur Verfügung gestanden hat und eine Rücknahme wegen der Vielzahl anderer ebenfalls zwangsweise teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte mit Blick auf den Gleichheitssatz weitreichende finanzielle Folgen hätte.

18

2. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht aufgrund des einschlägigen Fachrechts einen Rücknahmeanspruch für die Zukunft schon ab Antragsstellung bejaht.

19

Auch für den Zeitraum ab Antragstellung gilt der Gedanke des § 79 Abs. 2 BVerfGG aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung, so dass es in Anbetracht der Bestandskraft des Teilzeitbeschäftigungsbescheides nicht allein auf das Zurverfügungstellen der vollen Arbeitskraft durch die Klägerin ankommen kann. Vielmehr ist eine Ermessensentscheidung, die die Planstellensituation während des laufenden Haushaltsjahres und den störungsfreien Ablauf des Schulunterrichts während des laufenden Schuljahres vorrangig berücksichtigt, nicht zu beanstanden.

20

Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Beschäftigungsumfang durch entsprechenden Antrag jederzeit wieder auf vollzeitige Beschäftigung geändert werden, sofern die Voraussetzungen für den Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit vorliegen (vgl. Urteil vom 30. Oktober 2008 - BVerwG 2 C 48.07 - BVerwGE 132, 243 = Buchholz 237.8 § 80a RhPLBG Nr. 2). Insofern macht es keinen Unterschied, ob die Teilzeitbeschäftigung - rechtmäßig - auf Antrag des Betroffenen oder auf verfassungswidriger Rechtsgrundlage gegen den Willen des Betroffenen angeordnet worden war.

21

Die Voraussetzungen für einen Wechsel von einer Teilzeitbeschäftigung zur Vollzeitbeschäftigung regelte § 80a Abs. 3 Satz 2 NBG a.F. Nach dieser Vorschrift soll der Übergang zur Vollzeitbeschäftigung zugelassen werden, wenn dem Beamten die Teilzeitbeschäftigung im bisherigen Umfang nicht mehr zugemutet werden kann und dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs des Beamten auf vollzeitige Beschäftigung und amtsangemessene Alimentation ist diese Vorschrift Ausdruck eines verfassungsrechtlich vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Während die Unzumutbarkeit der Teilzeitbeschäftigung nach der objektiven Situation des Beamten zu beurteilen ist, kennzeichnen die dienstlichen Belange das Interesse des Dienstherrn an einer sachgerechten Aufgabenerfüllung der Verwaltung. Erforderlich ist eine Abwägung der entgegenstehenden Interessen des Beamten und des Dienstherrn im konkreten Fall. Da die Änderung zugelassen werden "soll", wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, kann nicht jeder dienstliche Belang die Ablehnung rechtfertigen, sondern nur ein solcher, dem gegenüber die schutzwürdigen Interessen des Beamten nachzuordnen sind (vgl. Urteil vom 30. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 14).

22

Das Fehlen einer entsprechenden Planstelle im Haushaltsplan ist zwar grundsätzlich als dienstlicher Belang anzuerkennen, der dem sofortigen Übergang zur Vollzeitbeschäftigung entgegensteht. Das gilt regelmäßig jedoch nur für das Haushaltsjahr, in dem der Antrag auf Übergang zur Vollzeitbeschäftigung erstmals gestellt wird, wenn der Dienstherr den Antrag nicht vorhersehen und Vorsorge für die Möglichkeit einer Vollzeitbeschäftigung treffen konnte. Sobald sich dem Dienstherrn die Möglichkeit eröffnet, auf den Antrag des Beamten haushaltsrechtlich zu reagieren, können nur noch schwerwiegende Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs dem Übergang zur Vollzeitbeschäftigung entgegenstehen (vgl. Urteil vom 30. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 15). Insofern ist bei Lehrern außerdem noch zu beachten, dass ein Lehrerwechsel im laufenden Schuljahr zu schwerwiegenden Belastungen der betroffenen Schüler führen kann, denen die Personal- und Unterrichtsplanung aus pädagogischen Gründen vorbeugen muss. Es kann daher grundsätzlich ermessensfehlerfrei berücksichtigt werden, dass wegen der Besonderheiten des Schulbetriebs eine Umsetzung des Übergangs zur Vollzeitbeschäftigung in aller Regel erst im nachfolgenden Schuljahr möglich ist. Zwar können derartige schwerwiegende Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs allenfalls bei Dienstherren mit einem kleinen Personalbestand in Betracht kommen. Bei Dienstherren mit einem großen Personalbestand kann sich die Situation aber dann gleichermaßen darstellen, wenn eine große Anzahl von Beamten gleichzeitig eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung verlangt.

23

Ob der Klägerin bereits ab Beginn des auf die Antragstellung am 30. August 2000 folgenden Schuljahres, hier also ab dem 1. August 2001, der Wechsel zur Vollbeschäftigung ermöglicht werden musste und insofern die entgegenstehende Teilzeitbeschäftigungsverfügung aufzuheben war, muss nicht entschieden werden. Dieser Zeitraum steht nicht mehr im Streit. Die Beklagte hat die Klägerin ab dem 1. August 2001 in Vollzeit beschäftigt.

24

Für den Zeitraum nach der Antragstellung bis zum Beginn des folgenden Schuljahres ist aber eine Ermessensentscheidung, die unter Bezugnahme auf die Bestandskraft der Teilzeitbeschäftigungsverfügung wegen fehlender Planstellen und zur Gewährleistung einer rechtzeitigen Planung eines kontinuierlichen Unterrichtsablaufs eine sofortige Vollzeitbeschäftigung ablehnt, nicht ermessenswidrig. Auch in diesem Zusammenhang kann die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung darauf abstellen, dass eine Rücknahme weitreichende Folgen wegen der Vielzahl anderer ebenfalls zwangsweise teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte hätte, die dann aus dem Gedanken der Gleichbehandlung heraus ebenfalls einen Anspruch auf sofortige Rücknahme hätten. Deshalb wäre es nicht ausreichend, wenn wenige freie Planstellen zur Verfügung gestanden hätten. Bei der Schulverwaltung handelt es sich um eine Massenverwaltung, die eine Übergangszeit benötigt, um sich auf eine solche Situation einzustellen und hierfür ein Konzept zu erstellen, das im Einklang mit der Unterrichtsplanung steht.

25

Das vom Berufungsgericht herangezogene Argument der zeitnahen Geltendmachung ist ausschließlich im Zusammenhang mit der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentation kinderreicher Beamter von Relevanz. Es folgt zwar aus den Besonderheiten des Beamtenverhältnisses, beruht aber allein auf der besonderen rechtlichen Qualität des Anspruchs aus der Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG, vgl. § 79 BVerfGG, die, wenn auch mit Gesetzeskraft ausgestattet, einem gesetzlichen Anspruch auf Besoldung (oder Versorgung) nicht gleichzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 C 86.08 - a.a.O. Rn. 29 m.w.N.).

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tatbestand

1

Die Klägerin wurde mit Bescheid vom 22. Januar 1999 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe als Lehrerin z. A. mit Wirkung vom 1. Februar 1999 in den niedersächsischen Landesdienst eingestellt. In diesem Bescheid war gleichzeitig festgelegt, dass die Klägerin gemäß dem seinerzeit geltenden § 80b NBG bis zum 31. Januar 2003 mit durchschnittlich regelmäßig 22 Wochenstunden bei einer Regelstundenzahl von damals 27,5 Wochenstunden und ab dem 1. Februar 2003 in Vollzeit beschäftigt wird. Mit Wirkung vom 1. Mai 2000 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Lehrerin ernannt.

2

Am 30. August 2000 beantragte die Klägerin wegen der ihr aufgezwungenen Teilzeitbeschäftigung rückwirkend ihre Vollbeschäftigung seit ihrer Einstellung. Das gegen die Ablehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens nach Ermessen gerichtete Klageverfahren ist insoweit eingestellt worden, als die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin zum 1. August 2001 aufgehoben worden ist und die Beklagte die Klägerin versorgungsrechtlich so gestellt hat, als wäre sie seit ihrer Einstellung vollzeitbeschäftigt gewesen.

3

Im Übrigen begehrt die Klägerin weiterhin ihre Vollbeschäftigung ab Einstellung und die Nachzahlung der Besoldungsdifferenz. Während das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, hat das Berufungsgericht das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verpflichtet, die Einstellungsteilzeit ab 30. August 2000 aufzuheben und ab diesem Zeitpunkt die Besoldungsdifferenz nachzuzahlen.

4

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Rechtswidrigkeit der antragslosen Teilzeitbeschäftigungsverfügung eröffne über § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG lediglich das Rücknahmeermessen der Beklagten. Umstände, aufgrund derer sich die Aufrechterhaltung der Verfügung für den Zeitraum vor der Antragstellung als schlechthin unerträglich erweise, lägen nicht vor. Insbesondere sei die Teilzeitbeschäftigungsverfügung nicht bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses offensichtlich rechtswidrig gewesen, weil die Evidenz des Rechtsfehlers erst später, nämlich durch das erste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der antragslosen Teilzeit (BVerwG, Urteil vom 2. März 2000 - BVerwG 2 C 1.99 - BVerwGE 110, 363 ff.) ersichtlich geworden sei.

5

Die Klägerin könne jedoch verlangen, dass die Teilzeitbeschäftigungsverfügung mit Wirkung ab Eingang ihres Antrags aufgehoben werde, weil sich insoweit ein Festhalten an dieser Verfügung nach dem einschlägigen Fachrecht als schlechthin unerträglich erweise. Die antraglose Einstellungsteilzeit verstoße gegen den hergebrachten Grundsatz der Hauptberuflichkeit und das Alimentationsprinzip. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Alimentation von Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern sei im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, dass zwar eine allgemeine rückwirkende Behebung von Verstößen gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums aufgrund der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses nicht geboten sei. Jedoch sei eine Korrektur derartiger Verstöße aus dem wechselseitig bindenden Treueverhältnis dann erforderlich, wenn der Beamte während der Dauer des Verstoßes eine Korrektur gefordert habe. Dies habe die Klägerin mit ihrem Antrag vom August 2000 getan, indem sie nicht nur die rückwirkende Aufhebung der Teilzeitbeschäftigung begehrt, sondern zugleich dem Dienstherrn zukünftig ihre volle Arbeitskraft angeboten habe.

6

Hiergegen wenden sich die Klägerin und die Beklagte mit ihren Revisionen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Januar 2009, soweit es die Klage abgewiesen hat, aufzuheben und die Beklagte unter Zurückweisung ihrer Berufung gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 3. Mai 2004 sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 6. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2000 zu verpflichten, den Bescheid vom 22. Januar 1999 hinsichtlich der festgesetzten Teilzeitbeschäftigung aufzuheben und den Differenzbetrag der Bezüge für die Besoldungsgruppe A 12 nach Anlage I des Bundesbesoldungsgesetzes zwischen einer Teilzeitbeschäftigung von 22/27,5 Unterrichtsstunden pro Woche und einer Vollzeitbeschäftigung im Zeitraum vom 1. Februar 1999 bis zum 31. Juli 2001 nebst Prozesszinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen, sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Januar 2009, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 3. Mai 2004, soweit es der Klage stattgegeben hat, aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (1). Auf die Revision der Beklagten sind die vorhergehenden Urteile, sofern das Verfahren nicht eingestellt oder die Klage bereits abgewiesen worden ist, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen (2). Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte für den hier noch streitigen Zeitraum den rechtswidrigen Teilzeitbeschäftigungsbescheid aufhebt und ihr die sich daraus ergebende Besoldungsdifferenz nachzahlt. Einem solchen Anspruch steht die Bestandskraft des Bescheides entgegen. Das gleichwohl eröffnete Rücknahmeermessen hat die Beklagte nicht fehlerhaft ausgeübt.

10

Gemäß § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - Nds VwVfG - ist auf die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzustellen. Auch wenn Wiederaufnahmegründe nach § 1 Abs. 1 Nds VwVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, kann die Behörde ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen wiederaufgreifen und eine neue - der gerichtlichen Überprüfung zugängliche - Sachentscheidung treffen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Diese Möglichkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG.

11

Dabei belegt das in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eröffnete Rücknahmeermessen, dass ein zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führender Rechtsverstoß nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Rücknahme und einen darauf zielenden Anspruch des Betroffenen bildet. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 27. Januar 1994 - BVerwG 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <92> = Buchholz 316 § 51 NwVfG Nr. 31, S. 7, vom 17. Januar 2007 - BVerwG 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 ff. , juris Rn. 13, vom 20. März 2008 - BVerwG 1 C 33.07 - Buchholz 402.242 § 54 AufenthG Nr. 5, jeweils m.w.N., stRspr).

12

1. Ohne Verletzung revisiblen Rechts hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Ablehnung der Rücknahme der Teilzeitbeschäftigungsverfügung für die Vergangenheit nicht zu beanstanden ist. Zwar kann eine offensichtliche Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts bereits im Erlasszeitpunkt die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 6 C 32.06 - a.a.O. zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit). Von einer solchen offensichtlich fehlerhaften Rechtsanwendung im Einzelfall unterscheidet sich jedoch der Fall der Anwendung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage, an die die Verwaltung im Erlasszeitpunkt gebunden war. Das gilt auch dann, wenn die Verfassungswidrigkeit der Norm offensichtlich war. Beruht ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung auf einem verfassungswidrigen Gesetz, so ist eine Ermessensentscheidung, die eine Rücknahme für die Vergangenheit wegen dessen Bestandskraft ablehnt, grundsätzlich nicht zu beanstanden.

13

Die Teilzeitbeschäftigungsverfügung beruhte auf der Regelung des seinerzeitigen § 80b NBG, die durch das Dritte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 1997 (GVBl S. 528) in das Niedersächsische Beamtengesetz kam. Diese Regelung sollte eine antragslose Teilzeitbeschäftigung gegen den Willen des Betroffenen ermöglichen und galt nach der Neubekanntmachung des Niedersächsischen Beamtengesetzes vom 19. Februar 2001 (GVBl S. 33) als § 80c NBG in unveränderter Fassung bis zur Nichtigerklärung durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 2007 - 2 BvF 3/02 - (BVerfGE 119, 247) fort.

14

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Grundgesetz keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt zu entnehmen, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <55>; Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 1982/01 BVerfGE 117, 302 <315>). Dies gilt auch für bestandskräftige Verwaltungsakte, deren Rechtsgrundlage gegen Verfassungsrecht verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966 - 1 BvR 178/64 - BVerfGE 20, 230 <235 f.>, Beschluss vom 30. Januar 2008 - 1 BvR 943/07 - NVwZ 2008, 550, juris Rn.26 m.w.N.).

15

Beruht der bestandskräftige Verwaltungsakt auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage, so folgt dies aus der gesetzgeberischen Wertung des § 79 Abs. 2 BVerfGG. Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bleiben bestandskräftige Verwaltungsakte, die auf einer für nichtig erklärten Norm beruhen, vom Nichtigkeitsausspruch des Bundesverfassungsgerichts unberührt, lediglich die Vollstreckung aus ihnen wird nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG für unzulässig erklärt. Damit hat sich der Gesetzgeber in diesem Bereich dafür entschieden, dem Grundsatz der Rechtssicherheit Vorrang einzuräumen. Dies hindert zwar nicht ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne (vgl. Beschluss vom 25. Juli 1990 - BVerwG 7 B 100.90 - Buchholz 436.61 § 60 SchwbG Nr. 3), die gesetzgeberische Wertung des § 79 Abs. 2 BVerfGG ist aber bei der Ermessensentscheidung einzubeziehen, so dass grundsätzlich nur eine Rücknahme für die Zukunft geboten sein kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. März 1968 - BVerwG 7 C 64.66 - BVerwGE 29, 270 <271> = Buchholz 401.5 § 17 GewStG Nr. 4 und - BVerwG 7 C 95.66 -, BVerwGE 29, 276 <278> = Buchholz 401.5 § 17 GewStG Nr. 5, 32, vom 30. Juni 1972 - BVerwG 7 C 27.70 - BVerwGE 40, 194 = Buchholz 401.5 § 17 Nr. 6, vom 4. November 1976 - BVerwG 2 C 49.73 - BVerwGE 51, 253 = Buchholz 235 § 18 BBesG Nr. 22; 19. Januar 1989 - BVerwG 2 C 42.86 - BVerwGE 81, 175 = Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 5; Beschluss vom 4. Oktober 1993 - BVerwG 6 B 35.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 319; BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966 - 1 BvR 164 u.a./64 - BVerfGE 20, 230 <235 f.>).

16

Das einschlägige Fachrecht gebietet keine abweichende Wertung. Zwar verstößt die antragslose, gegen den Willen des Beamten angeordnete Teilzeitbeschäftigung gegen den Hauptberuflichkeitsgrundsatz und das Alimentationsprinzip (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 a.a.O.), mithin gegen hergebrachte und von Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Grundsätze des Berufsbeamtentums. Für die Vergangenheit hat sie, weil bereits eine versorgungsrechtliche Gleichstellung mit Vollzeitbeschäftigten erfolgt ist, jedoch nur noch Auswirkungen hinsichtlich der niedrigeren Besoldung. Nur soweit der gesetzliche Besoldungsanspruch im Raum steht, ist es dem Dienstherrn verwehrt, haushaltsrechtliche Erwägungen anzustellen. Der gesetzliche Besoldungsanspruch stünde aber nur dann im Raum, wenn die Teilzeitanordnung rechtzeitig angegriffen worden wäre und (rückwirkend) aufgehoben wird (vgl. Urteil vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 C 86.08 - IÖD 2010, 194 = DVBl 2010, 1161 Rn. 30 m.w.N.), nicht aber, wenn es um die Rücknahme eines bereits bestandskräftigen Verwaltungsaktes geht.

17

Grundsätzlich ist es der Beklagten deshalb für die Vergangenheit nicht verwehrt, sich auf die Bestandskraft der auf gesetzlicher Grundlage erlassenen Teilzeitbeschäftigungsverfügung bei ihrer Ermessensentscheidung zu berufen und fiskalische Erwägungen anzustellen. Sie kann bei ihrer Ermessensentscheidung darauf abstellen, dass ihr die volle Dienstleistung der Klägerin nicht zur Verfügung gestanden hat und eine Rücknahme wegen der Vielzahl anderer ebenfalls zwangsweise teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte mit Blick auf den Gleichheitssatz weitreichende finanzielle Folgen hätte.

18

2. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht aufgrund des einschlägigen Fachrechts einen Rücknahmeanspruch für die Zukunft schon ab Antragsstellung bejaht.

19

Auch für den Zeitraum ab Antragstellung gilt der Gedanke des § 79 Abs. 2 BVerfGG aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung, so dass es in Anbetracht der Bestandskraft des Teilzeitbeschäftigungsbescheides nicht allein auf das Zurverfügungstellen der vollen Arbeitskraft durch die Klägerin ankommen kann. Vielmehr ist eine Ermessensentscheidung, die die Planstellensituation während des laufenden Haushaltsjahres und den störungsfreien Ablauf des Schulunterrichts während des laufenden Schuljahres vorrangig berücksichtigt, nicht zu beanstanden.

20

Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Beschäftigungsumfang durch entsprechenden Antrag jederzeit wieder auf vollzeitige Beschäftigung geändert werden, sofern die Voraussetzungen für den Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit vorliegen (vgl. Urteil vom 30. Oktober 2008 - BVerwG 2 C 48.07 - BVerwGE 132, 243 = Buchholz 237.8 § 80a RhPLBG Nr. 2). Insofern macht es keinen Unterschied, ob die Teilzeitbeschäftigung - rechtmäßig - auf Antrag des Betroffenen oder auf verfassungswidriger Rechtsgrundlage gegen den Willen des Betroffenen angeordnet worden war.

21

Die Voraussetzungen für einen Wechsel von einer Teilzeitbeschäftigung zur Vollzeitbeschäftigung regelte § 80a Abs. 3 Satz 2 NBG a.F. Nach dieser Vorschrift soll der Übergang zur Vollzeitbeschäftigung zugelassen werden, wenn dem Beamten die Teilzeitbeschäftigung im bisherigen Umfang nicht mehr zugemutet werden kann und dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs des Beamten auf vollzeitige Beschäftigung und amtsangemessene Alimentation ist diese Vorschrift Ausdruck eines verfassungsrechtlich vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Während die Unzumutbarkeit der Teilzeitbeschäftigung nach der objektiven Situation des Beamten zu beurteilen ist, kennzeichnen die dienstlichen Belange das Interesse des Dienstherrn an einer sachgerechten Aufgabenerfüllung der Verwaltung. Erforderlich ist eine Abwägung der entgegenstehenden Interessen des Beamten und des Dienstherrn im konkreten Fall. Da die Änderung zugelassen werden "soll", wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, kann nicht jeder dienstliche Belang die Ablehnung rechtfertigen, sondern nur ein solcher, dem gegenüber die schutzwürdigen Interessen des Beamten nachzuordnen sind (vgl. Urteil vom 30. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 14).

22

Das Fehlen einer entsprechenden Planstelle im Haushaltsplan ist zwar grundsätzlich als dienstlicher Belang anzuerkennen, der dem sofortigen Übergang zur Vollzeitbeschäftigung entgegensteht. Das gilt regelmäßig jedoch nur für das Haushaltsjahr, in dem der Antrag auf Übergang zur Vollzeitbeschäftigung erstmals gestellt wird, wenn der Dienstherr den Antrag nicht vorhersehen und Vorsorge für die Möglichkeit einer Vollzeitbeschäftigung treffen konnte. Sobald sich dem Dienstherrn die Möglichkeit eröffnet, auf den Antrag des Beamten haushaltsrechtlich zu reagieren, können nur noch schwerwiegende Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs dem Übergang zur Vollzeitbeschäftigung entgegenstehen (vgl. Urteil vom 30. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 15). Insofern ist bei Lehrern außerdem noch zu beachten, dass ein Lehrerwechsel im laufenden Schuljahr zu schwerwiegenden Belastungen der betroffenen Schüler führen kann, denen die Personal- und Unterrichtsplanung aus pädagogischen Gründen vorbeugen muss. Es kann daher grundsätzlich ermessensfehlerfrei berücksichtigt werden, dass wegen der Besonderheiten des Schulbetriebs eine Umsetzung des Übergangs zur Vollzeitbeschäftigung in aller Regel erst im nachfolgenden Schuljahr möglich ist. Zwar können derartige schwerwiegende Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs allenfalls bei Dienstherren mit einem kleinen Personalbestand in Betracht kommen. Bei Dienstherren mit einem großen Personalbestand kann sich die Situation aber dann gleichermaßen darstellen, wenn eine große Anzahl von Beamten gleichzeitig eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung verlangt.

23

Ob der Klägerin bereits ab Beginn des auf die Antragstellung am 30. August 2000 folgenden Schuljahres, hier also ab dem 1. August 2001, der Wechsel zur Vollbeschäftigung ermöglicht werden musste und insofern die entgegenstehende Teilzeitbeschäftigungsverfügung aufzuheben war, muss nicht entschieden werden. Dieser Zeitraum steht nicht mehr im Streit. Die Beklagte hat die Klägerin ab dem 1. August 2001 in Vollzeit beschäftigt.

24

Für den Zeitraum nach der Antragstellung bis zum Beginn des folgenden Schuljahres ist aber eine Ermessensentscheidung, die unter Bezugnahme auf die Bestandskraft der Teilzeitbeschäftigungsverfügung wegen fehlender Planstellen und zur Gewährleistung einer rechtzeitigen Planung eines kontinuierlichen Unterrichtsablaufs eine sofortige Vollzeitbeschäftigung ablehnt, nicht ermessenswidrig. Auch in diesem Zusammenhang kann die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung darauf abstellen, dass eine Rücknahme weitreichende Folgen wegen der Vielzahl anderer ebenfalls zwangsweise teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte hätte, die dann aus dem Gedanken der Gleichbehandlung heraus ebenfalls einen Anspruch auf sofortige Rücknahme hätten. Deshalb wäre es nicht ausreichend, wenn wenige freie Planstellen zur Verfügung gestanden hätten. Bei der Schulverwaltung handelt es sich um eine Massenverwaltung, die eine Übergangszeit benötigt, um sich auf eine solche Situation einzustellen und hierfür ein Konzept zu erstellen, das im Einklang mit der Unterrichtsplanung steht.

25

Das vom Berufungsgericht herangezogene Argument der zeitnahen Geltendmachung ist ausschließlich im Zusammenhang mit der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentation kinderreicher Beamter von Relevanz. Es folgt zwar aus den Besonderheiten des Beamtenverhältnisses, beruht aber allein auf der besonderen rechtlichen Qualität des Anspruchs aus der Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG, vgl. § 79 BVerfGG, die, wenn auch mit Gesetzeskraft ausgestattet, einem gesetzlichen Anspruch auf Besoldung (oder Versorgung) nicht gleichzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 C 86.08 - a.a.O. Rn. 29 m.w.N.).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.