Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Okt. 2017 - 16b DZ 17.795

bei uns veröffentlicht am16.10.2017
vorgehend
Verwaltungsgericht Ansbach, AN 13a D 16.1085, 20.01.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

1. Die Berufung ist zuzulassen, weil die Frage, ob die Sicherung des dienstlichen Email-Accounts einer Durchsuchungsanordnung nach § 27 BDG bedurfte, tatsächlich und rechtlich besonders schwierig ist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Gleiches gilt für die Frage, ob für den Fall einer rechtswidrigen Durchsuchung ein Beweisverwertungsverbot greift.

2. Die weiteren vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe greifen hingegen nicht.

2.1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht.

2.1.1 Das Verwaltungsgericht hat in der Ablehnung der beantragten Fristverlängerung im Rahmen der abschließenden Anhörung (§ 30 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 BDG) zu Recht keinen wesentlichen Verfahrensmangel erkannt und auf die Heilung durch Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren verwiesen (§ 3 BDG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Diese Auffassung steht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang. Das Bundesverwaltungsgericht betont in seinem Urteil vom 8. Dezember 2012 (2 WD 24/09 - juris Rn. 11), dass unterbliebene Verfahrensschritte nachzuholen sind, um ein „Leerlaufen“ einer zwingenden Verfahrensvorschrift zu verhindern. Außerhalb des Disziplinarklageverfahrens hält die Kommentarliteratur eine Heilung im Widerspruchsverfahren - wie hier - für zulässig (Weiss, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juli 2017, § 30 BDG Rn. 31a und § 41 BDG Rn. 85; vgl. auch NdsOVG, U.v. 28.1.2014 - 20 LD 10/13 - juris Rn. 50).

2.1.2 Selbst wenn die Besorgnis der Befangenheit des mit der Führung der Ermittlungen beauftragten Mitarbeiters begründet wäre, wäre der darin liegende Verfahrensmangel unbeachtlich. Auch im Disziplinarrecht gilt der gerichtliche Untersuchungsgrundsatz (§ 3 BDG i. V. m. § 86 Abs. 1 VwGO), der die Disziplinargerichte zur umfassenden Aufklärung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und der für den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme bedeutsamen Umstände von Amts wegen verpflichtet, sodass es auf eine mögliche Befangenheit von Mitarbeitern im behördlichen Disziplinarverfahren nicht ankommt (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.2011 - 2 B 69.10 - juris Rn. 17, 18 m.w.N.; SächsOVG, U.v. 25.9.2015 - 6 A 518/14.D - juris Rn. 27).

2.1.3 Es war nicht erforderlich, das behördliche Disziplinarverfahren über die in der Einleitungsverfügung vom 11. Februar 2011 genannten disziplinarrechtlichen Vorwürfe gemäß § 19 BDG auszudehnen. Eine Ausdehnung des Verfahrens nach § 19 Abs. 1 BDG auf neue Handlungen setzt voraus, dass diese durch die Einleitung nach § 17 Abs. 1 BDG noch nicht erfasst worden sind. Handlungen sind Verhaltensweisen des Beamten, die in einem aktiven Tun oder in einem pflichtwidrigen Unterlassen bestehen können. Die Handlungen sind „neu“, wenn sie bisher noch nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens waren (vgl. Weiss a.a.O. § 19 BDG Rn. 11). Da bereits in der Einleitungsverfügung der Verdacht eines Verstoßes gegen die Gehorsamspflicht (Benutzerrichtlinie für die Nutzung des Internets in der Bundesfinanzverwaltung) wegen der nicht erlaubten Verwendung des Dienst-PCs während der Dienstzeit zur Versendung privater Emails sowohl an Kollegen als auch an Außenstehende (2 Emails wurden beispielhaft genannt) formuliert worden ist, bedurfte es keiner Ausdehnung, nachdem weitere (615) private Emails nach der Sicherung des dienstlichen Email-Accounts in das Disziplinarverfahren einbezogen worden waren.

2.1.4 Das Verwaltungsgericht ist mit der Beklagten davon ausgegangen, dass der Kläger durch seine in mehreren Emails verwendete Wortwahl wiederholt die zulässigen Grenzen kritischer Äußerungen überschritten hat. Damit hat es den bereits von der Einleitungsverfügung umrissenen Sachverhalt bei der disziplinarrechtlichen Bemessungsentscheidung rechtlich gewürdigt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Einleitungsverfügung selbst hat nur die Sachverhalte und Handlungen zu benennen, die disziplinarrechtlich geahndet werden sollen. Zu eröffnen sind nur die Tatsachen, d.h. der den Verdacht ausmachende, schon bekannte Sachverhalt. Werturteile oder erste disziplinarrechtliche Einschätzungen müssen nicht mitgeteilt werden (vgl. Weiss a.a.O. § 20 BDG Rn. 32). Unschädlich ist daher, dass in der Einleitungsverfügung dieser Komplex nur unscharf mit der „Wohlverhaltensklausel“ umschrieben ist.

2.2. Die Rechtssache weist keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Der Kläger hält für grundsätzlich die Klärung der Frage, welche inhaltlichen Anforderungen an eine Einleitungsverfügung zu stellen sind. Grundsätzliche Bedeutung misst er auch der Frage nach der Rechtswidrigkeit der Sicherstellung des Email-Accounts sowie der Frage, ob sich hieraus ein Beweisverwertungsverbot ergibt.

Damit formuliert der Kläger keine konkreten Rechtsfragen und legt auch sonst keine grundsätzliche Bedeutung dar. Die inhaltlichen Mindestanforderungen an eine Einleitungsverfügung ergeben sich bereits aus § 20 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BDG (vgl. Wittkowski in Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2. Auflage 2017, § 17 Rn. 17 mit Hinweis auf BVerwG, B.v. 18.11.2008 - 2 B 63/08 - juris). Die gestellten Fragen nach der Rechtswidrigkeit der Sicherstellung bzw. der Verwertbarkeit der sichergestellten Emails lassen sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls und nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten.

2.3 Der geltend gemachte Zulassungsgrund der (Rechtssatz-)Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Eine solche Divergenz liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der benannten Rechtsprechung des Divergenzgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht; diese Voraussetzung muss der Rechtsmittelführer durch eine Gegenüberstellung der divergierenden (abstrakten) Rechtssätze darlegen (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 73). Daran fehlt es.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 45 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;2. die erforderliche Be

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 3 Ergänzende Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung


Zur Ergänzung dieses Gesetzes sind die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden, soweit sie nicht zu den Bestimmungen dieses Gesetzes in Widerspruch stehen oder soweit nicht in diesem G

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 17 Einleitung von Amts wegen


(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, hat der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 20 Unterrichtung, Belehrung und Anhörung des Beamten


(1) Der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Hierbei ist ihm zu eröffnen, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er i

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 27 Beschlagnahmen und Durchsuchungen


(1) Das Gericht kann auf Antrag durch Beschluss Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen; § 25 Abs. 3 gilt entsprechend. Die Anordnung darf nur getroffen werden, wenn der Beamte des ihm zur Last gelegten Dienstvergehens dringend verdächtig ist und

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 30 Abschließende Anhörung


Nach der Beendigung der Ermittlungen ist dem Beamten Gelegenheit zu geben, sich abschließend zu äußern; § 20 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn das Disziplinarverfahren nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 eingestellt werden soll

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 41 Erforderlichkeit, Form und Frist des Widerspruchs


(1) Vor der Erhebung der Klage des Beamten ist ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Ein Widerspruchsverfahren findet nicht statt, wenn die angefochtene Entscheidung durch die oberste Dienstbehörde erlassen worden ist. (2) Für die Form und die Fr

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 19 Ausdehnung und Beschränkung


(1) Das Disziplinarverfahren kann bis zum Erlass einer Entscheidung nach den §§ 32 bis 34 auf neue Handlungen ausgedehnt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Die Ausdehnung ist aktenkundig zu machen. (2) Das Disziplinarverfa

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 08. Dez. 2010 - 2 WD 24/09

bei uns veröffentlicht am 08.12.2010

Tatbestand Mit Verfügung vom 10. August 2007 war gegen die Soldatin auf Zeit im Dienstgrad eines Feldwebels das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Eine vorherige Anhörung der Ver

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(1) Das Gericht kann auf Antrag durch Beschluss Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen; § 25 Abs. 3 gilt entsprechend. Die Anordnung darf nur getroffen werden, wenn der Beamte des ihm zur Last gelegten Dienstvergehens dringend verdächtig ist und die Maßnahme zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Die Bestimmungen der Strafprozessordnung über Beschlagnahmen und Durchsuchungen gelten entsprechend, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Die Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur durch die nach der Strafprozessordnung dazu berufenen Behörden durchgeführt werden.

(3) Durch Absatz 1 wird das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Hierbei ist ihm zu eröffnen, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands zu bedienen.

(2) Für die Abgabe einer schriftlichen Äußerung wird dem Beamten eine Frist von einem Monat und für die Abgabe der Erklärung, sich mündlich äußern zu wollen, eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Hat der Beamte rechtzeitig erklärt, sich mündlich äußern zu wollen, ist die Anhörung innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Erklärung durchzuführen. Ist der Beamte aus zwingenden Gründen gehindert, eine Frist nach Satz 1 einzuhalten oder einer Ladung zur mündlichen Verhandlung Folge zu leisten, und hat er dies unverzüglich mitgeteilt, ist die maßgebliche Frist zu verlängern oder er erneut zu laden. Die Fristsetzungen und Ladungen sind dem Beamten zuzustellen.

(3) Ist die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 vorgeschriebene Belehrung unterblieben oder unrichtig erfolgt, darf die Aussage des Beamten nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.

Zur Ergänzung dieses Gesetzes sind die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden, soweit sie nicht zu den Bestimmungen dieses Gesetzes in Widerspruch stehen oder soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tatbestand

Mit Verfügung vom 10. August 2007 war gegen die Soldatin auf Zeit im Dienstgrad eines Feldwebels das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Eine vorherige Anhörung der Vertrauensperson fand nicht statt. Gemäß der Niederschrift über die Vernehmung der Soldatin vom 4. Juli 2006 hatte diese einer Anhörung ihrer Vertrauensperson ausdrücklich "nicht widersprochen". In ihrer Vernehmung vom 8. Mai 2007 wurde vermerkt, dass die Soldatin auf eine Anhörung der Vertrauensperson "verzichte".

Das Truppendienstgericht hat die Soldatin wegen eines schweren Dienstvergehens zum Gefreiten degradiert. Die dagegen beim Bundesverwaltungsgericht eingelegten Berufungen der Soldatin und der Wehrdisziplinaranwaltschaft haben antragsgemäß zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz geführt; in der Berufungshauptverhandlung hatte die Soldatin erklärt, der Anhörung der Vertrauensperson werde nicht widersprochen.

Entscheidungsgründe

...

9

Die ... zulässigen Rechtsmittel der unbeschränkten und der maßnahmebeschränkten Berufung haben Erfolg und führen - in Übereinstimmung mit den Anträgen der Beteiligten in der Berufungshauptverhandlung - gemäß § 121 Abs. 2 WDO zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung, weil ein schwerer, aber behebbarer Mangel des Verfahrens vorliegt.

10

Nach der zuletzt genannten Vorschrift "kann" das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Truppendienstgerichts aufheben und die Sache an eine andere Kammer desselben oder eines anderen Truppendienstgerichts zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, wenn u.a. schwere Mängel des Verfahrens vorliegen. Ein schwerer Mangel des Verfahren im Sinne des § 121 Abs. 2 und des § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO ist im Regelfall dann gegeben, wenn gegen eine Verfahrensvorschrift verstoßen worden ist, deren Verletzung schwerwiegend und für den Ausgang des Verfahrens (noch) von Bedeutung ist. Ein solcher Fall liegt regelmäßig dann vor, wenn die Rechte eines Verfahrensbeteiligten wesentlich beeinträchtigt worden sind oder wenn der Verfahrensverstoß den Zweck einer Formvorschrift wesentlich vereitelt. Für den Ausgang des Berufungsverfahrens ist ein solcher Fehler im Regelfall dann (noch) von Bedeutung, wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel anders ausfallen kann als im Falle seiner Nichtbehebung (stRspr, vgl. zuletzt Beschlüsse vom 5. Januar 2010 - BVerwG 2 WD 26.09, 2 WDB 3.09 - und vom 24. März 2010 - BVerwG 2 WD 10.09 -, jeweils m.w.N.).

11

Aber auch unabhängig von der Auswirkung des Fehlers auf den Ausgang des Berufungsverfahrens ist ein schwerer Mangel des Verfahrens im Sinne des § 121 Abs. 2 und des § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO dann gegeben, wenn eine vom Gesetzgeber als zwingend ausgestaltete Verfahrensvorschrift, d.h. nicht nur eine reine Ordnungsvorschrift, nicht beachtet wurde (vgl. zur Abgrenzung "wesentlicher Mängel" des behördlichen Disziplinarverfahrens nach dem Bundesdisziplinargesetz von der Verletzung "bloßer Ordnungsbestimmungen" Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - NVwZ-RR 2010, 814 ff.). Das Gericht darf eine solche zwingende Vorschrift nicht dadurch "leerlaufen" lassen, dass es ihre Nichtbeachtung als für das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens unerheblich einstuft. Vielmehr ist es Aufgabe des Gerichts, die Nachholung einer unterbliebenen Verfahrenshandlung, soweit es das Verfahrensrecht zulässt, herbeizuführen. Ein solcher schwerer Verfahrensmangel - Verstoß gegen eine zwingend ausgestaltete Verfahrensvorschrift - liegt hier vor.

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1. Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen die Soldatin ist durch Verfügung vom 10. August 2007 gemäß § 93 Abs. 1 WDO eingeleitet worden, ohne dass zuvor gemäß § 4 Satz 1 WDO i.V.m. § 27 Abs. 2 Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. April 1997, BGBl I S. 766, die Vertrauensperson angehört und anschließend das gesetzlich vorgeschriebene Anhörungsverfahren durchgeführt worden war. Die Soldatin hatte weder damals noch jetzt einer Anhörung der Vertrauensperson widersprochen; ihr zwischenzeitlicher "Verzicht" war nicht als Widerspruch gegen eine Anhörung zu werten. Das Unterbleiben der Anhörung der Vertrauensperson vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens stellt einen Verstoß gegen § 27 Abs. 2 SBG dar.

13

a) § 27 Abs. 2 SBG enthält folgende Regelung:

"Beabsichtigt die Einleitungsbehörde, gegen einen Soldaten ein disziplinargerichtliches Verfahren einzuleiten, ist die Vertrauensperson zur Person des Soldaten und zum Sachverhalt anzuhören, sofern der Soldat nicht widerspricht."

14

Da die Soldatin der Anhörung der Vertrauensperson nicht widersprochen hatte, war eine Anhörung vorzunehmen; diese unterblieb zu Unrecht. Eine Anhörung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Soldatin zwischenzeitlich auf sie "verzichtet" hatte. Vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens stellt die Anhörung der Vertrauensperson den Regelfall dar. Dies ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ("... ist die Vertrauensperson ... anzuhören ..."). Die Anhörung findet ausnahmsweise nur dann nicht statt, wenn der Soldat, nachdem er auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen worden ist (vgl. ZDv 10/2 "Beteiligung durch Vertrauenspersonen", Nr. 238), erkennbar widerspricht (vgl. zur gesetzlichen Begründung des Widerspruchsrechts des Soldaten BTDrucks 13/5740 S. 20, zu § 27 SBG). Ein bloßer "Verzicht" auf die Anhörung genügt der gesetzlichen Bestimmung nicht; er ist nicht als Widerspruch zu werten. Dies hat die Soldatin durch ihren Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt. Liegt nach alledem kein Widerspruch vor, bleibt es bei der gesetzlichen Regel-Verpflichtung, d.h. der Anhörung der Vertrauensperson.

15

b) Das Unterbleiben der gemäß § 27 Abs. 2 SBG grundsätzlich vorgeschriebenen Anhörung der Vertrauensperson vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens stellt nicht nur eine Verletzung einer Ordnungsbestimmung, sondern einen Verstoß gegen eine vom Gesetzgeber als zwingend vorgesehene Verfahrensvorschrift dar. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Regelung sowie aus der detaillierten gesetzlichen Ausgestaltung des Anhörungsverfahrens.

16

Nach § 27 Abs. 2 SBG ist, sofern der Soldat nicht widersprochen hat, die Vertrauensperson zur Person des Soldaten und zum Sachverhalt anzuhören, wenn die Einleitungsbehörde beabsichtigt, gegen den Soldaten ein disziplinargerichtliches Verfahren einzuleiten. Diese Anhörung gehört grundsätzlich nicht in den Bereich der Ermittlungen zur Sache, sondern dient - sowohl im Interesse des Soldaten als auch zur Objektivierung des Verfahrens (vgl. ZDv 10/2 Nr. 236) - lediglich der Vorbereitung der Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde nach § 15 Abs. 2 WDO, ob die Einleitung eines disziplinargerichtlichen Verfahrens gegen den betroffenen Soldaten opportun ist. Die Vertrauensperson kann sich deshalb im Rahmen ihrer Anhörung z.B. auch dazu äußern, ob sie die Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens für geboten hält oder eine anderweitige Ahndung, insbesondere den Ausspruch einer einfachen Disziplinarmaßnahme - dann vorherige Anhörung der Vertrauensperson gemäß § 27 Abs. 1 SBG - oder einer Erzieherischen Maßnahme, für ausreichend erachtet (vgl. ZDv 10/2, Nr. 238; dazu Urteil vom 12. Juni 2007 - BVerwG 2 WD 11.06 - Buchholz 449.7 § 27 SBG Nr. 3 = NZWehrr 2007, 256).

17

Die Anhörung zur Person, die eine Äußerung über die charakterlichen Vorzüge und Mängel, das kameradschaftliche Verhalten des Soldaten und dessen Ansehen im Kameradenkreis sowie über seine persönlichen und außerdienstlichen Verhältnisse bezweckt, soll der Einleitungsbehörde helfen, die Persönlichkeit, die bisherige Führung des Soldaten und die Beweggründe seines Handelns richtig zu beurteilen. In der Anhörung zum Sachverhalt kann die Vertrauensperson der Einleitungsbehörde aus ihrer und der Kameraden Sicht die dienstlichen Umstände und die Motivation des Verhaltens sowie die Auswirkungen darlegen, die das Handeln oder Unterlassen des Soldaten im Kameradenkreis oder bei Außenstehenden gehabt hat (vgl. dazu insgesamt Beschluss vom 31. August 1998 - BVerwG 2 WDB 1.98 - BVerwGE 113, 259 <260 f.> = Buchholz 235.0 § 86 WDO Nr. 2 S. 2 f. = NZWehrr 1998, 250 <251> m.w.N.). Wie ein Vergleich zu § 27 Abs. 1 SBG ("Disziplinarmaß") zeigt, umfasst § 27 Abs. 2 SBG keine obligatorische Anhörung zur disziplinarrechtlichen Bewertung des Sachverhalts; eine Anhörungspflicht zur rechtlichen Bewertung des Sachverhalts ist im Gesetz nicht vorgesehen und kann auch nicht auf die Zentrale Dienstvorschrift gestützt werden (Urteil vom 12. Juni 2007 a.a.O.).

18

Gemäß § 20 Satz 1 i.V.m. § 27 Abs. 2 SGB ist die Vertrauensperson über die beabsichtigte Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den Soldaten, zu der die Vertrauensperson anzuhören ist, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten (vgl. zur anhörungspflichtigen Stelle, Beschluss vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 16.06 - Buchholz 449.7 § 52 SBG Nr. 3 = NZWehrr 2007, 162 m.w.N.; vgl. zur zuständigen Vertrauensperson, Beschluss vom 31. Januar 2007 a.a.O. und Urteil vom 4. September 2009 - BVerwG 2 WD 17.08 - BVerwGE 134, 379 <383 f.> = Buchholz 450.2 § 13 WDO 2002 Nr. 1 S. 4 f. = NZWehrr 2010, 114 <116>). Der Sachverhalt ist der Vertrauensperson vor Beginn der Anhörung bekanntzugeben (§ 27 Abs. 3 Satz 1 SBG); ein Recht auf Einsicht in Unterlagen und Akten besteht nur mit Einwilligung der Betroffenen (§ 27 Abs. 3 Satz 2 SBG). Der Vertrauensperson ist gemäß § 20 Satz 2 SBG zu der beabsichtigten Maßnahme - hier Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens - Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; diese (Stellungnahme) ist mit ihr zu erörtern (§ 20 Satz 3 SBG; vgl. zu Art und Umfang der Erörterungspflicht Urteil vom 4. September 2009 a.a.O. S. 384, S. 5 bzw. S. 116 m.w.N.). Über die Anhörung der Vertrauensperson ist eine Niederschrift anzufertigen, die zu den Akten zu nehmen ist (§ 27 Abs. 4 SBG). Schließlich ist nach § 4 Satz 2 WDO das Ergebnis der Anhörung der Vertrauensperson dem Soldaten vor dessen Anhörung gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO bekanntzugeben.

19

c) Unterbleibt die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung der Vertrauensperson, hat dies zwar (noch) nicht die Unwirksamkeit der Einleitungsverfügung zur Folge und stellt auch (noch) kein Verfahrenshindernis im Sinne des § 108 Abs. 3 und 4 WDO dar (vgl. zu § 27 SBG a.F. und § 104 Abs. 3 und 4 WDO a.F. insbesondere Beschlüsse vom 8. Januar 1992 - BVerwG 2 WDB 17.91 - BVerwGE 93, 222 <225 ff.> = NZWehrr 1992, 74 <76> und vom 31. August 1998 a.a.O. S. 261, S. 3 bzw. S. 251; Urteil vom 4. September 2009 a.a.O. S. 384, S. 5 bzw. S. 116 f., jeweils m.w.N.). Die Einleitungsverfügung ist jedoch fehlerhaft (vgl. Beschlüsse vom 8. Januar 1992 a.a.O. und vom 31. August 1998 a.a.O.).

20

2. Die fehlende Anhörung der Vertrauensperson begründet einen (vorgerichtlichen) Verfahrensmangel, der den Vorsitzenden des Truppendienstgerichts hätte veranlassen müssen, den Wehrdisziplinaranwalt zur Beseitigung des Mangels aufzufordern, § 99 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative WDO. Dass es nicht zu einer entsprechenden Aufforderung gekommen ist, begründet wiederum einen schweren Mangel des (gerichtlichen)Verfahrens, der in Ermangelung einer Aufforderungsmöglichkeit durch den Senat hier gemäß § 121 Abs. 2 WDO zwingend zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts führt; für eine Zurückverweisung an ein anderes Truppendienstgericht sieht der Senat keine Veranlassung.

21

a) Wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl. insbesondere Beschluss vom 8. Januar 1992 a.a.O. S. 227 bzw. S. 76 f. und Urteil vom 4. September 2009 a.a.O. S. 385, S. 5 bzw. S. 116 f., jeweils m.w.N.), ist die Nachholung der Anhörung durch den Vorsitzenden der Truppendienstkammer bzw. durch das "Truppendienstgericht" zu veranlassen. Soweit der Senat in diesem Zusammenhang allerdings eine Ladung der Vertrauensperson als "sachverständigen Zeugen" zur Hauptverhandlung gemäß § 103 Abs. 1 Satz 2 WDO als möglich angesehen hat (vgl. Beschluss vom 8. Januar 1992 a.a.O.), hält er an dieser Auffassung nicht mehr fest. Die Nachholung der Anhörung einer Vertrauensperson gemäß § 27 Abs. 2 SBG kann nicht durch Vernehmung dieser Person als sachverständiger Zeuge vorgenommen werden. Der sachverständige Zeuge ist ein Zeuge, der sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen bekundet, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde wahrgenommen hat (vgl. z.B. Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <42> = Buchholz 303 § 414 ZPO Nr. 1 S. 3 m.w.N.). Zwar kann die Vertrauensperson über eigene Wahrnehmungen in Bezug auf die Person des Soldaten z.B. in dem gegen diesen anhängigen disziplinargerichtlichen Verfahren vor einem Wehrdienstgericht als Leumundszeuge angehört werden. Eine solche gerichtliche Vernehmung kann jedoch nicht die nach § 27 Abs. 2 SBG grundsätzlich durch die Einleitungsbehörde vorzunehmende Anhörung der Vertrauensperson und Durchführung des entsprechenden Anhörungsverfahrens ersetzen.

22

b) In Betracht kommt nach alledem nur eine Beseitigung des wesentlichen Verfahrensmangels im Wege des § 99 Abs. 3 WDO durch den Vorsitzenden der Truppendienstkammer (vgl. dazu Beschluss vom 8. Januar 1992 a.a.O. S. 227 bzw. S. 76 f. zu § 96 Abs. 3 Satz 1 WDO a.F.). Dieser hat den Wehrdisziplinaranwalt zur Beseitigung des Mangels aufzufordern; währenddessen ist das gerichtliche Disziplinarverfahren auszusetzen (§ 99 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 WDO). Da eine Mangelbeseitigung, verbunden mit einer Verfahrensaussetzung, von Gesetzes wegen nur im ersten Rechtszug vorgesehen ist, ist die Sache gemäß § 121 Abs. 2 WDO zurückzuverweisen, damit der Vorsitzende der nun zuständigen Truppendienstkammer gemäß § 99 Abs. 3 WDO verfährt (vgl. auch Dau, WDO, 5. Aufl. 2009, § 99 Rn. 28 m.w.N.). Auf diesem Weg ist dann die unterbliebene Anhörung der zuständigen Vertrauensperson nachzuholen und im Rahmen der Entscheidung der Einleitungsbehörde, ob an der ursprünglichen Einleitung eines disziplinargerichtlichen Verfahrens festgehalten wird, in dokumentierter Weise zu würdigen. Das Beschleunigungsgebot (§ 17 Abs. 1 WDO) steht einer Zurückverweisung schon deshalb nicht entgegen, weil diese im Gesetz selbst vorgesehene Entscheidung auch zur Sicherstellung des Anspruchs auf ein rechtsstaatliches disziplinargerichtliches Verfahren (speziell zum wehrdisziplinarrechtlichen Verfahren BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208) unvermeidbar ist; dies gilt hier umso mehr, als es der Wehrdisziplinaranwaltschaft um die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme geht. ...

Nach der Beendigung der Ermittlungen ist dem Beamten Gelegenheit zu geben, sich abschließend zu äußern; § 20 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn das Disziplinarverfahren nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 eingestellt werden soll.

(1) Vor der Erhebung der Klage des Beamten ist ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Ein Widerspruchsverfahren findet nicht statt, wenn die angefochtene Entscheidung durch die oberste Dienstbehörde erlassen worden ist.

(2) Für die Form und die Frist des Widerspruchs gilt § 70 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Zur Ergänzung dieses Gesetzes sind die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden, soweit sie nicht zu den Bestimmungen dieses Gesetzes in Widerspruch stehen oder soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Das Disziplinarverfahren kann bis zum Erlass einer Entscheidung nach den §§ 32 bis 34 auf neue Handlungen ausgedehnt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Die Ausdehnung ist aktenkundig zu machen.

(2) Das Disziplinarverfahren kann bis zum Erlass einer Entscheidung nach den §§ 32 bis 34 oder eines Widerspruchsbescheids nach § 42 beschränkt werden, indem solche Handlungen ausgeschieden werden, die für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen. Die ausgeschiedenen Handlungen können nicht wieder in das Disziplinarverfahren einbezogen werden, es sei denn, die Voraussetzungen für die Beschränkung entfallen nachträglich. Werden die ausgeschiedenen Handlungen nicht wieder einbezogen, können sie nach dem unanfechtbaren Abschluss des Disziplinarverfahrens nicht Gegenstand eines neuen Disziplinarverfahrens sein.

(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, hat der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde stellen im Rahmen ihrer Aufsicht die Erfüllung dieser Pflicht sicher; sie können das Disziplinarverfahren jederzeit an sich ziehen. Die Einleitung ist aktenkundig zu machen.

(2) Ist zu erwarten, dass nach den §§ 14 und 15 eine Disziplinarmaßnahme nicht in Betracht kommt, wird ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet. Die Gründe sind aktenkundig zu machen und dem Beamten bekannt zu geben.

(3) Hat ein Beamter zwei oder mehrere Ämter inne, die nicht im Verhältnis von Haupt- zu Nebenamt stehen, und beabsichtigt der Dienstvorgesetzte, zu dessen Geschäftsbereich eines dieser Ämter gehört, ein Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten, teilt er dies den Dienstvorgesetzten mit, die für die anderen Ämter zuständig sind. Ein weiteres Disziplinarverfahren kann gegen den Beamten wegen desselben Sachverhalts nicht eingeleitet werden. Hat ein Beamter zwei oder mehrere Ämter inne, die im Verhältnis von Haupt- zu Nebenamt stehen, kann nur der Dienstvorgesetzte ein Disziplinarverfahren gegen ihn einleiten, der für das Hauptamt zuständig ist.

(4) Die Zuständigkeiten nach den Absätzen 1 bis 3 werden durch eine Beurlaubung, eine Abordnung oder eine Zuweisung nicht berührt. Bei einer Abordnung geht die aus Absatz 1 sich ergebende Pflicht hinsichtlich der während der Abordnung begangenen Dienstvergehen auf den neuen Dienstvorgesetzten über, soweit dieser nicht ihre Ausübung den anderen Dienstvorgesetzten überlässt oder soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Disziplinarverfahren kann bis zum Erlass einer Entscheidung nach den §§ 32 bis 34 auf neue Handlungen ausgedehnt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Die Ausdehnung ist aktenkundig zu machen.

(2) Das Disziplinarverfahren kann bis zum Erlass einer Entscheidung nach den §§ 32 bis 34 oder eines Widerspruchsbescheids nach § 42 beschränkt werden, indem solche Handlungen ausgeschieden werden, die für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen. Die ausgeschiedenen Handlungen können nicht wieder in das Disziplinarverfahren einbezogen werden, es sei denn, die Voraussetzungen für die Beschränkung entfallen nachträglich. Werden die ausgeschiedenen Handlungen nicht wieder einbezogen, können sie nach dem unanfechtbaren Abschluss des Disziplinarverfahrens nicht Gegenstand eines neuen Disziplinarverfahrens sein.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Hierbei ist ihm zu eröffnen, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands zu bedienen.

(2) Für die Abgabe einer schriftlichen Äußerung wird dem Beamten eine Frist von einem Monat und für die Abgabe der Erklärung, sich mündlich äußern zu wollen, eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Hat der Beamte rechtzeitig erklärt, sich mündlich äußern zu wollen, ist die Anhörung innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Erklärung durchzuführen. Ist der Beamte aus zwingenden Gründen gehindert, eine Frist nach Satz 1 einzuhalten oder einer Ladung zur mündlichen Verhandlung Folge zu leisten, und hat er dies unverzüglich mitgeteilt, ist die maßgebliche Frist zu verlängern oder er erneut zu laden. Die Fristsetzungen und Ladungen sind dem Beamten zuzustellen.

(3) Ist die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 vorgeschriebene Belehrung unterblieben oder unrichtig erfolgt, darf die Aussage des Beamten nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Hierbei ist ihm zu eröffnen, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands zu bedienen.

(2) Für die Abgabe einer schriftlichen Äußerung wird dem Beamten eine Frist von einem Monat und für die Abgabe der Erklärung, sich mündlich äußern zu wollen, eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Hat der Beamte rechtzeitig erklärt, sich mündlich äußern zu wollen, ist die Anhörung innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Erklärung durchzuführen. Ist der Beamte aus zwingenden Gründen gehindert, eine Frist nach Satz 1 einzuhalten oder einer Ladung zur mündlichen Verhandlung Folge zu leisten, und hat er dies unverzüglich mitgeteilt, ist die maßgebliche Frist zu verlängern oder er erneut zu laden. Die Fristsetzungen und Ladungen sind dem Beamten zuzustellen.

(3) Ist die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 vorgeschriebene Belehrung unterblieben oder unrichtig erfolgt, darf die Aussage des Beamten nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.