Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. März 2019 - 10 ZB 19.129

bei uns veröffentlicht am26.03.2019

Tenor

I. Der Wiederaufnahmeantrag wird verworfen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Wiederaufnahmeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wendet sich der Kläger gegen den Beschluss des Senats vom 7. Januar 2019 (10 ZB 17.87), mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. September 2016 (M 12 K 14.3776) abgelehnt worden ist. Gegenstand der Klage war die Ausweisung des Klägers durch Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2014.

Der Antrag ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Zwar ist der Antrag grundsätzlich statthaft. Die Wiederaufnahme des Verfahrens durch eine Nichtigkeitsklage setzt zwar nach dem gesetzlichen Wortlaut von § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 578 Abs. 1 ZPO ein durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenes Verfahren voraus, doch unterliegen auch Beschlüsse der Wiederaufnahme, wenn sie ein Verfahren abschließen, insbesondere wenn sie die Zulassung der Berufung ablehnen. Über den Wiederaufnahmeantrag ist in diesem Fall durch Beschluss zu entscheiden (BVerwG, B.v. 17.3.2015 - 5 A 1.15, 5 PKH 15 PKH 15.15 - juris Rn. 2; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 153 Rn. 6; Brink/Peters in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2019, § 153 Rn. 4).

Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil ein zulässiger Wiederaufnahmegrund nicht substantiiert und schlüssig dargelegt ist (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Sept. 2018, § 153 Rn. 33).

Der Kläger beruft sich auf den Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Nach dieser Vorschrift findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. In Bezug auf einen derartigen Verfahrensfehler bringt der Kläger jedoch nichts vor.

Soweit der Kläger § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO analog angewendet haben will, hat er in dem Schriftsatz vom 7. Februar 2019 klargestellt, dass er „einzig und allein die Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 IV GG) und damit eines anderen Verfahrensgrundrechts“ geltend machen will. Nach der Antragsbegründung vom 17. Januar 2019 bezieht sich dies auf die Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 7. Januar 2019, wonach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb der Frist von zwei Monaten dargelegt worden sind, weil diese erstmals erst nach Ablauf der Begründungsfrist vorgetragen worden waren (BA Rn. 12-13).

Ein derartiger Nichtigkeitsgrund ist jedoch in der Aufzählung von § 579 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO nicht genannt. Die dort aufgeführten Wiederaufnahmegründe sind abschließend; liegen sie nicht vor, ist eine Wiederaufnahme nicht möglich (Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Sept. 2018, § 153 Rn. 8; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 153 Rn. 3).

Im Übrigen liegt der behauptete Verfahrensfehler auch nicht vor. Eine nachträgliche Erweiterung der Begründung des Berufungszulassungsantrags nach Ablauf der Begründungsfrist ist nicht zulässig (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Es trifft nicht zu, dass - wie der Kläger meint - noch weitere selbständige Berufungszulassungsgründe nachgeschoben werden können, wenn bis zum Ablauf der Begründungsfrist überhaupt die „Mindest-Angaben für einen zulässigen Berufungszulassungsantrag“ erfolgt sind. Die Zulassungsgründe können nach Ablauf der Begründungsfrist nur noch ergänzt werden, soweit der konkrete zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt worden ist; der Vortrag neuer, selbständiger Zulassungsgründe nach Ablauf der Frist ist jedoch ausgeschlossen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 53; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 133).

Völlig unabhängig von diesen Erwägungen hätte aber auch die materielle Prüfung des verspäteten Vortrags im Beschluss vom 7. Januar 2019 (10 ZB 17.87) nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) führen können. Wie bereits in dem Beschluss des Senats vom 7. Januar 2019 (10 C 17.213 - Rn. 11) dargestellt, kann der Ansicht des Klägers, durch die „Erledigterklärung“ im Anschluss an die Aufhebung der Ausweisungsverfügung in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 habe der Beklagte ein prozessuales Anerkenntnis im Sinn von § 307 ZPO abgegeben und somit einen Verzicht auf eine künftige Ausweisung bei unveränderter Sach- und Rechtslage erklärt, nicht gefolgt werden. Der Beklagte hatte die Ausweisungsentscheidung vom 5. März 2009 wegen erkannter Defizite aufgehoben und im Anschluss sogleich mit Ermittlungen insbesondere zu den Auswirkungen einer Ausweisung des Klägers auf das Wohl seiner beiden Kinder begonnen. In der Zustimmungserklärung des Beklagten zur Erledigterklärung der Klageseite ist keine materiellrechtliche Erklärung zu erkennen, auch in Zukunft (bei unveränderter Sach- und Rechtslage) keine erneute Ausweisungsverfügung mehr zu erlassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG. Der Streitwert des Wiederaufnahmeverfahrens entspricht dem Streitwert des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme begehrt wird (BVerwG, B.v. 17.3.2015 - 5 A 1.15, 5 PKH 15 PKH 15.15 - juris Rn. 16).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 307 Anerkenntnis


Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 579 Nichtigkeitsklage


(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht diese

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 153


(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden. (2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öff

Zivilprozessordnung - ZPO | § 578 Arten der Wiederaufnahme


(1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen. (2) Werden beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben, so ist

Zivilprozessordnung - ZPO | § 589 Zulässigkeitsprüfung


(1) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen. (2) Die Tatsachen, die

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. IV. Der Antrag

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 07. Jan. 2019 - 10 C 17.213

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe I. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag a

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheits

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Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

IV. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen seine Ausweisung in dem Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2014 weiter.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergibt sich kein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ordnungsgemäß dargelegt worden.

1. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.

Der Kläger trägt hierzu vor, das Verwaltungsgericht sei bei Erlass des angefochtenen Urteils nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Seine Bevollmächtigte habe am 6. September 2016 die Verlegung der für den 8. September 2016 angesetzten mündlichen Verhandlung beantragt, was die Vorsitzende Richterin mit Schreiben vom 7. September 2016 abgelehnt habe. Die Bevollmächtigte habe darauf am 7. September 2016 die Vorsitzende wegen Befangenheit abgelehnt. Das Ablehnungsgesuch habe die Kammer unter Mitwirkung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin abgelehnt, ohne der Bevollmächtigten zuvor deren dienstliche Stellungnahme zuzuleiten, wodurch die mitwirkenden Richter das rechtliche Gehör verletzt hätten. Sie habe deshalb am 8. September einen erneuten Befangenheitsantrag gegen alle drei mitwirkenden Richter gestellt, den die Kammer in der mündlichen Verhandlung, wiederum unter Mitwirkung der drei abgelehnten Richter, ebenfalls verworfen habe. Die „Selbstentscheidung“ über das Ablehnungsgesuch sei jedoch unzulässig gewesen, so dass das Gericht bei der Entscheidung über die Klage fehlerhaft besetzt gewesen sei.

Jedoch stellt nur die Mitwirkung eines nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41, § 45 ZPO ausgeschlossenen oder erfolgreich abgelehnten Richters einen Verfahrensmangel dar, der nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO die Zulassung der Berufung (sowie der Revision, § 138 Nr. 2 VwGO) begründen kann. Macht ein Rechtsmittelführer dagegen geltend, sein Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht abgelehnt worden, kann er damit die Zulassung der Berufung nach dieser Bestimmung grundsätzlich nicht erreichen, denn ein derartiger Verfahrensmangel unterliegt nicht der Beurteilung durch das Berufungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 512 ZPO); Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen sind nämlich nach der ausdrücklichen Regelung in § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Eine Ausnahme besteht insoweit nur dann, wenn die Entscheidung über die Ablehnung zugleich gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt; dies ist jedoch nicht schon bei jeder fehlerhaften Rechtsanwendung der Fall, sondern nur dann, wenn die Entscheidung objektiv willkürlich ist. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfG, B.v. 18.12.2007 - 1 BvR 1273/07 - juris Rn. 10 f.; BVerwG, B.v. 15.5.2008 - 2 B 77/07 - juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 9.11.2001 - 6 B 59/01 - juris Rn. 8; Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 54 Rn. 128 ff.; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 54 Rn. 28).

Nach diesen Maßstäben liegt kein die Zulassung der Berufung rechtfertigender Verfahrensmangel vor; die Verwerfung der beiden klägerischen Ablehnungsgesuche durch das Verwaltungsgericht war nicht willkürlich.

Das (erste) Befangenheitsgesuch vom 7. September 2016 gegen die Vorsitzende Richterin wurde damit begründet, dass diese dem Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 8. September 2016 nicht entsprochen hatte. Die Bevollmächtigte des Klägers war der Meinung, die Ablehnung der Terminsverlegung sei rechtswidrig, da ihr die Teilnahme an dem Termin unzumutbar sei, weil sich die Gewährung von Prozesskostenhilfe „verzögere“. Dieses Befangenheitsgesuch lehnte die Kammer unter Mitwirkung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin mit Beschluss vom 7. September 2016 als unzulässig ab, weil das Vorbringen von vornherein ersichtlich ungeeignet sei, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Verständiger Anlass zu einem aus der Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags hergeleiteten Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters bestehe erst dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorlägen, die Zurückweisung eines solchen Antrags für die betroffene Partei schlechthin unzumutbar sei und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzen würde oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdränge. Derartige Umstände seien hier nicht im Ansatz zu erkennen, da die Klägerseite zu keiner Zeit erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung vorgetragen habe. Insbesondere sei das Prozesskostenhilfeverfahren durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juni 2016 abgeschlossen gewesen; daran könne auch das nachträgliche Ablehnungsgesuch und die Anhörungsrüge nichts ändern.

Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts sind nicht willkürlich, sondern nachvollziehbar. Ein erheblicher Grund für eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung war in dem Schreiben vom 6. September 2016 nicht dargelegt; die Vorsitzende Richterin hat den Antrag mit einem ausführlich begründeten Schreiben vom 7. September 2016 abgelehnt und dabei unter anderem auch darauf hingewiesen, dass sich die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht verzögere, sondern dass das Verfahren durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juni 2016 bereits abgeschlossen sei. Da die Anhörungsrüge des Klägers gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel darstellt und weder einen Devolutiv- noch einen Suspensiveffekt entfaltet, ist dieser Beschluss auch in formelle Rechtskraft erwachsen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 152a Rn. 2 m.w.N.).

Das Verwaltungsgericht konnte das Ablehnungsgesuch auch unter Mitwirkung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin als unzulässig ablehnen; es war rechtsmissbräuchlich, weil das Gesuch nur mit solchen Umständen begründet wurde, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen konnte (BVerfG, B.v. 18.12.2007 - 1 BvR 1273/07 - juris Rn. 19; BVerwG, B.v. 21.8.2017 - 8 PKH 1/17 - juris Rn. 5).

Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für das (zweite) Befangenheitsgesuch vom 8. September 2016 gegen die drei Berufsrichter der erkennenden Kammer. Dieses wurde damit begründet, dass diese über das erste Befangenheitsgesuch entschieden hätten, ohne die Bevollmächtigte des Klägers zur dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Vorsitzenden Richterin anzuhören; eine derartige Verletzung des rechtlichen Gehörs begründe stets die Besorgnis der Befangenheit. Auch dieses Befangenheitsgesuch hat die entscheidende Kammer unter Mitwirkung der drei abgelehnten Berufsrichter in der mündlichen Verhandlung am 8. September 2016 als unzulässig abgelehnt; zur Begründung wurde angegeben, der Umstand, dass diese das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin abgelehnt hätten, sei von vornherein ersichtlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen.

Auch in diesem Fall ist die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig trotz der kurzen Begründung nicht willkürlich. Der Umstand, dass der Klägerseite keine dienstliche Äußerung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin zugeleitet worden ist (54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO), verletzt weder das rechtliche Gehör noch begründet er die Besorgnis der Befangenheit begründet. Die dienstliche Äußerung dient der weiteren Sachaufklärung; sie ist verzichtbar, wenn der Sachverhalt geklärt ist (BVerwG, B.v. 8.3.2006 - 3 B 182/05 - juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 25.7.2008 - 3 B 69/08 - juris Rn. 4). Dies war hier der Fall. Die Missbräuchlichkeit des Ablehnungsgesuch ergibt sich im Übrigen auch aus dem letzten Satz des Schreibens vom 8. September 2016, wonach die Bevollmächtige des Klägers es als „anerkennenswertes Ziel eines Befangenheitsantrages“ ansieht, „mit ihm eine Vertagung erreichen zu wollen“.

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb der Frist von zwei Monaten dargelegt worden. Das vollständige Urteil wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 13. Januar 2017 zugestellt, die Begründungsfrist lief daher am 13. März 2017 ab.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hat die Bevollmächtigte des Klägers erstmals in dem Schreiben vom 21. Januar 2018 geltend gemacht. Eine derartige „nachträgliche Erweiterung der Begründung des Berufungszulassungsantrags“ ist nicht zulässig. Die Zulassungsgründe können nach Ablauf der Begründungsfrist nur noch ergänzt werden, soweit der konkrete zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt worden ist. So kann ein rechtzeitig geltend gemachter und dargelegter Zulassungsgrund nach Ablauf der Begründungsfrist noch weiter ausgeführt werden; der Vortrag neuer, selbständiger Zulassungsgründe nach Ablauf der Frist ist jedoch ausgeschlossen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 53; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 133).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren war abzulehnen, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung aus den dargelegten Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen seine Ausweisung.

Er ist am ... als jüngstes von vier Kindern in ... geboren und türkischer Staatsangehöriger (Bl. 18 d. Behördenakte - BA). Am 28. November 1997 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die seit dem 1. Januar 2005 den Status einer Niederlassungserlaubnis hat. Der Kläger wuchs bei seinen Eltern auf und besuchte vier Jahre die Türkisch sprechende Klasse der Grundschule ... Von 1992 bis 1997 war er in der Hauptschule ..., anschließend in der Staatlichen Berufsschule ... Im November 2002 heiratete der Kläger die deutsche Staatangehörige ... Am ... 2003 kam die gemeinsame Tochter ... und am ... 2004 der gemeinsame Sohn ... auf die Welt. Schon im Alter von etwa 14 Jahren begann der Kläger, Haschisch zu rauchen, und konsumierte seit dem Jahr 2002 Heroin und Kokain.

Der Kläger trat wie folgt strafrechtlich in Erscheinung:

1. Das Verfahren wegen eines am ... Juli 1996 verübten gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs wurde durch Beschluss des Amtsgerichts ... nach § 47 Jugendgerichtsgesetz (JGG) eingestellt. Der Kläger wurde ermahnt (Bl. 8 d. BA).

2. Urteil des Amtsgerichts ... vom ... Februar 1999, Erpressung in Tatmehrheit mit vier Fällen der versuchten Erpressung, drei Wochen Dauerarrest und Weisung, 100 Stunden Sozialdienst zu leisten (Bl. 65 d. BA). Der Kläger wurde vom Beklagten über die möglichen ausländerrechtlichen Folgen der Verurteilung belehrt (Bl. 70 d. BA).

3. Urteil des Amtsgerichts ... vom ... März 2000, versuchte gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, acht Monate Jugendstrafe auf Bewährung (Bl. 126 d. BA). Der Kläger wurde erneut über die möglichen ausländerrechtlichen Folgen der Verurteilung belehrt (Bl. 131 d. BA).

4. Urteil des Amtsgerichts ... vom ... März 2001, unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln, unter Einbeziehung des Urteils vom ... März 2000 zwölf Monate Jugendstrafe (Bl. 145 d. BA).

5. Urteil des Landgerichts ... vom ... Februar 2006, Totschlag in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Freiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet, wobei vier Jahre und sechs Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollstrecken waren (Bl. 202 d. BA).

Dem Urteil des Landgerichts ... lag zugrunde, dass der Kläger am ... Mai 2005 seine Ehefrau getötet hatte. Er stach in der gemeinsamen Wohnung mit drei verschiedenen Messern auf sie ein, um sie zu töten. Insgesamt fügte er ihr 45 Stich- und Schnittverletzungen zu, in deren Folge sie durch Verbluten nach innen und außen verstarb. Der Kläger hatte vor der Tat Heroin und Kokain konsumiert, weshalb er sich in einem drogeninduzierten psychosenahen Zustand befand und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass er in der Fähigkeit, nach der Einsicht des Unrechts seines Tuns zu handeln, erheblich vermindert war. Aufgrund des Hanges, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren, bestand die Gefahr, dass der Kläger weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (Bl. 211 d. BA). Außerdem kaufte und übernahm der Kläger bei mindestens vier Gelegenheiten im Zeitraum von Januar 2004 bis April 2005 jeweils mindestens 50 g Heroin und 50 g Kokain von einer unbekannten Person in den Niederlanden und verbrachte es in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) nach ..., wo er es in der Wohnung seiner damaligen Freundin ... lagerte. Die Hälfte des Rauschgifts war jeweils zum Eigenkonsum und die andere Hälfte zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Tatsächlich verkaufte und übergab der Kläger in der Folgezeit jeweils Heroin und Kokain gewinnbringend an verschiedene Abnehmer im Raum ...

Der Kläger räumte die festgestellten Sachverhalte ein. Bei ihm hätten sich am ... Mai 2005 Einbildungen eingestellt, so dass er Geister gesehen und seine Frau den Teufel verkörpert habe, während er sich selbst als Gott gesehen habe. Der Kläger konnte kein Motiv für die Tat nennen. Zur Strafzumessung führte das Gericht Folgendes aus: Der Strafrahmen des § 212 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) wurde über die §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert, da der Kläger zur Tatzeit nicht ausschließbar vermindert schuldfähig war. Zugunsten des Klägers wurde berücksichtigt, dass er die Tat unter dem Einfluss einer drogenbedingten Enthemmung begangen und sie - soweit ihm dies angesichts der Erinnerungslücken möglich war - eingestanden hat. Zu seinen Lasten wurde berücksichtigt, dass er in der Vergangenheit nicht unerheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten war, insbesondere auch mit Gewaltdelikten, was auf eine hohe kriminelle Energie hindeute. Bei der Tathandlung des Totschlags sei eine hohe Intensität festzustellen, die sich in der Setzung zahlreicher Verletzungen bei der Ehefrau manifestiert habe. Unter Abwägung der Strafzumessungsgesichtspunkte gelangte die Kammer zu einer Einzelstrafe für den Totschlag von einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten (Bl. 220 f. d. BA). Bezüglich der Verstöße des Klägers gegen das Betäubungsmittelgesetz wurde zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er die Taten eingestanden und einen Aufklärungsbeitrag geleistet hat sowie dass er aufgrund seines Drogenkonsums den Rauschmittelstraftaten näher stand als die Durchschnittsbevölkerung. Zulasten des Klägers wurde berücksichtigt, dass er bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten war, einmal auch wegen eines Betäubungsmitteldelikts. Es wurde berücksichtigt, dass von Kokain und Heroin ein hohes Gefährdungs- und Suchtpotential ausgeht und dass der Kläger durch ein und dieselbe Handlung gegen mehrere Strafgesetze vorsätzlich verstoßen hat. Unter Abwägung der Strafzumessungsgesichtspunkte gelangte die Kammer zu einer Einzelstrafe von einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten (Bl. 222 d. BA). Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Kläger sprechenden Umstände wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten als tat- und schuldangemessen, aber auch als ausreichend erachtet. Die Unterbringung in einer Erziehungsanstalt nach § 64 StGB wurde wegen des Hanges des Klägers zu übermäßigem Betäubungsmittelkonsum und der hiermit einhergehenden Gefahr weiterer Straftaten angeordnet (Bl. 223 d. BA).

Seit ... Mai 2005 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) ..., am ... Februar 2006 begann die zeitige Freiheitsstrafe.

Mit Schreiben vom ... April 2006 (Bl. 226 d. BA) wurde der Kläger durch den Beklagten zur beabsichtigten Ausweisung angehört. Hierauf erklärte der damalige Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom ... Mai 2006 (Bl. 229 d. BA), dass der Kläger Tanten und Onkel in der Türkei habe. Den Wehrdienst habe der Kläger dort nicht abgeleistet. Seine Kinder seien bei den Großeltern in ... untergebracht, das Amt für Jugend und Familie in ... habe das Sorgerecht inne und die Großmutter der Kinder sei deren Pflegerin. Die Kinder und die Eltern des Klägers würden ihn regelmäßig einmal im Monat in der JVA besuchen. Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2006 (Bl. 239 d. BA) wurde mitgeteilt, dass der Kläger in Deutschland geboren und assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sei. Die Beantwortung der Frage, ob eine Ausweisung erforderlich sei, um eine gegenwärtige und schwerwiegende Gefahr für wichtige Rechtsgüter zu vermeiden, könne erst beantwortet werden, wenn der Kläger die Unterbringung in der Entziehungsanstalt durchlaufen und zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe verbüßt habe. Daher werde beantragt, das Ausweisungsverfahren auszusetzen und zu gegebener Zeit unter Berücksichtigung des Therapieergebnisses sowie der sich daran anschließenden Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Ausweisung zu entscheiden.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 (Bl. 261 d. BA) eröffnete der Beklagte dem Kläger erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme. Hierauf wurde mit Schriftsatz vom ... Dezember 2008 (Bl. 264 d. BA) mitgeteilt, dass der Kläger weiterhin regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern und Kindern habe. Er absolviere in der JVA eine Berufsausbildung und habe ab 3. November 2009 einen Therapieplatz im Bezirkskrankenhaus ... erhalten. Es werde beantragt, das Verfahren auszusetzen, bis Therapieergebnisse vorlägen.

Mit Schriftsatz vom ... Februar 2009 (Bl. 270 d. BA) teilte die Bevollmächtigte des Klägers mit, dass der Kläger faktischer Inländer sei und die türkische Sprache nur rudimentär beherrsche. Er sei Vater zweier deutscher Kinder, seine Eltern wohnten in Deutschland. Eine spezialpräventive Ausweisung käme nur in Betracht, wenn vom Kläger auch in Zukunft ausgehende Gefahren konkret ermittelt würden. Der Risikofaktor der Drogenabhängigkeit sei in der Zwischenzeit weggefallen, da der Kläger seit seiner Verhaftung im Jahr 2005 keine Drogen mehr konsumiere. Die Bevollmächtigte verwies auf die Rückfallquoten bei vorsätzlichen Körperverletzungen in einschlägigen Statistiken sowie der Literatur.

Mit Bescheid vom 5. März 2009 wies der Beklagte den Kläger aus der BRD aus (Bl. 273 d. BA), wogegen der Kläger am ... März 2009 Klage erhob (M 23 K 09.1219 - Bl. 291 d. BA). Er habe bisher keine Langzeittherapie absolviert, sondern sich nur 2001 und 2005 in ambulanter Behandlung befunden. Er sei faktischer Inländer und die Ausweisung sei daher nicht verhältnismäßig. In der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 hob der Beklagtenvertreter den Ausweisungsbescheid wieder auf (Bl. 343 d. BA).

Im Juli 2009 bestand der Kläger die Ausbildung zum ... Er wurde am 2. November 2009 in das Bezirkskrankenhaus ... verlegt.

Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2010 (Bl. 349 d. BA) wurde mitgeteilt, dass der Kläger den weiterhin guten Kontakt zu seinen Kindern in Zukunft noch intensivieren werde. Es sei ein Antrag auf Wiederbegründung der elterlichen Sorge gestellt. Die Beziehung des Klägers zur Türkei beschränke sich auf gelegentliche Briefkontakte in deutscher Sprache. Der langjährige Konsum von Ecstasy habe beim Kläger zu einer Gedächtnisstörung geführt, wodurch er seine in der zweisprachigen Grundschulklasse erworbenen Kenntnisse der türkischen Sprache weitgehend vergessen habe.

Das Kreisjugendamt ... - das zwischenzeitlich die Vormundschaft der beiden Kinder übernommen hatte - teilte mit Schreiben vom 20. April 2010 (Bl. 355 d. BA) mit, dass es den Antrag des Klägers auf Beendigung des Ruhens der elterlichen Sorge nicht befürworte. Die Kinder hätten einmal wöchentlich Besuchskontakt von zwei Stunden in ..., der erfolge, so lange die Kinder dies möchten. Hinsichtlich der Folgen einer Abschiebung sei eine Prognose schwierig. In der Türkei könnte der Kläger mit den Kindern über die Großeltern Kontakt halten. Außerdem würden die Großeltern regelmäßig in die Türkei fahren, so dass auch persönliche Besuche möglich seien. Eine genauere Beurteilung der Abschiebung könne nur über eine psychologische Begutachtung erfolgen. Mit Schreiben vom 6. Juli 2010 (Bl. 363 d. BA) wurde weiter mitgeteilt, dass das Ruhen der elterlichen Sorge aufgehoben und dem Kläger das Sorgerecht für beide Kinder entzogen worden sei. Aus den Gründen des Beschlusses des Amtsgerichts Landshut vom ... Juli 2010 (Bl. 372 d. BA) ergibt sich, dass durch die Ausübung der elterlichen Sorge durch den Kläger das Wohl der Kinder erheblich gefährdet sei. Eine Trennung der Kinder von den Großeltern wäre mit dem Wohl der Kinder nicht vereinbar.

Das Bezirksklinikum ... berichtete unter dem 1. Oktober 2010 (Bl. 392 d. BA), dass sich der Kläger nach anfänglichen Schwierigkeiten auf eine therapeutische Situation eingelassen und in das stationäre Behandlungssetting eingewöhnt habe. Er zeige bisher keine Tendenzen zu spontanen, impulsiven Reaktionen und verneine einen Suchtdruck. Er sei zum kommunikativen Kontakt bereit, Rückzugsverhalten oder eine Verweigerungshaltung seien bisher nicht zu beobachten. Der Kläger wolle insbesondere aufgrund der Verpflichtung gegenüber seinen Kindern an dem therapeutischen Prozess teilnehmen und in einen Veränderungsprozess eintreten. Nach der Erteilung der Lockerungsstufe A am 22. März 2010 nehme er regelmäßig an der klinikinternen Arbeitstherapie teil, wobei sein gutes soziales Verhalten und sein Engagement erwähnenswert seien. Der Vorsatz zur Drogenabstinenz wirke authentisch und gefestigt, was durch die negativen Drogenscreenings belegt werde. Der Kläger beteilige sich an sämtlichen geforderten Therapiemaßnahmen. Die Einzelgespräche sowie die gruppentherapeutischen Maßnahmen habe er von Anfang an wahrgenommen. Er habe keine Schwierigkeiten gehabt, sich in Gruppen zu integrieren. Außerdem sei der Einstieg in die Deliktbearbeitung erfolgt. Aufgrund der erzielten Fortschritte bei stabiler Abstinenzfestigung sei dem Kläger am 16. Juni 2010 die Lockerungsstufe B 1 erteilt worden. In diesem Zeitraum sei es zu keinen Regelverstößen gekommen, außerdem zeige der Kläger weiter ein ernsthaftes Interesse am Therapieverlauf. In den Gesprächen könne man ein großes Maß an Offenheit, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit erkennen. Konflikte und Aggressionspotential seien bisher nicht zu registrieren. Der Kläger sei ein gut zu führender Patient, der gute Ansätze in der Deliktbearbeitung und glaubhafte Reue zeige. Er beschäftige sich weiter mit vorgegebenen und eigenen Lösungsstrategien und könne diese in der Theorie bereits gut umsetzen. Gedanklich befasse sich der Kläger sorgfältig mit einem für ihn passenden Rückfallvermeidungsplan und erwarte sich hierfür weitere Anregungen durch die Rückfallvermeidungsgruppe. Der bisherige Therapieverlauf biete derzeit eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss der Therapie gemäß § 64 StGB. Der Kläger bedürfe jedoch dringend weiterer Therapie. Es sei von einer Behandlungsdauer von mindestens zwei Jahren auszugehen.

Im ausführlichen Sachverständigengutachten vom ... Dezember 2010 (Bl. 395 ff. d. BA) wurde festgestellt, dass aus psychologischer Perspektive derzeit eine Abschiebung des Klägers nicht dem Wohl der Kinder dienlich sei. Für seine Tochter wären hierdurch erhebliche Belastungen zu befürchten, die die Entwicklung des Kindes nachhaltig beeinträchtigen würden. Den Kindern müsse aus sachverständiger Sicht die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der Tat des Vaters sowie der Rolle des Vaters für sie ermöglicht werden. In der ergänzenden Stellungnahme vom ... März 2011 (Bl. 422 d. BA) führt der Sachverständige aus, dass eine Auseinandersetzung mit dem tatsächlich Geschehenen und die Entwicklung eines realistischen Vaterbildes durch die Kinder bisher nicht stattgefunden habe, da durch die Großeltern ein alternatives Vaterbild geschaffen werde. Es sei für die zukünftige Entwicklung der Kinder wesentlich, das tatsächlich Geschehene zu begreifen und sich damit unter fachlicher Betreuung auseinanderzusetzen, wozu die Verfügbarkeit des Vaters erforderlich sei. Im Rahmen eines therapeutischen Prozesses würden bei den Kindern Fragen auftauchen, die nur deren Vater beantworten könne. Außerdem hätten beide Kinder inzwischen zum Vater eine Beziehung aufgebaut, die die Kinder, wenn sie das tatsächlich Geschehene begriffen, hiermit in Einklang bringen oder sich von ihrem Bild distanzieren müssten. Bezüglich des Rückfallrisikos des Klägers seien verlässliche Aussagen nicht möglich. Allerdings dürfte der Kläger durch den Kontakt zu seinen Kindern, den vorhandenen Willen, wieder als Vater zur Verfügung stehen zu können sowie durch die im Rahmen der Therapie stattfindende Auseinandersetzung mit der Tat eine überdurchschnittlich positive Prognose haben. Ein regelmäßiger Kontakt zu den Kindern sei in diesem Fall stabilisierender Faktor. Bei einer Abschiebung des Klägers wären Kontakte auf wenige Zeitpunkte der Ferienaufenthalte in der Türkei begrenzt, so dass er im Falle eines therapeutischen Prozesses der Kinder in Deutschland nicht ausreichend zur Verfügung stehen könne.

Am 8. November 2011 wurde der Kläger wieder in die JVA ... verlegt (Bl. 437 d. BA).

Das Amt für Jugend und Familie ... hatte zwischenzeitlich wieder die Vormundschaft über die Kinder übernommen und teilte mit Schreiben vom 28. November 2012 (Bl. 493 d. BA) mit, dass nicht absehbar sei, in welcher Weise der Kläger nach der Haftentlassung an der Betreuung und Erziehung der Kinder beteiligt werden könne. Die aktuellen Kontakte seien für die Kinder jedoch positiv und eine Abschiebung des Klägers würde für sie ein einschneidendes, negatives Erlebnis bedeuten.

Mit Schriftsatz vom ... Dezember 2012 (Bl. 496 d. BA) mahnte der damalige Bevollmächtigte des Klägers eine Entscheidung des Beklagten bis zum 31. Dezember 2012 an. Spätestens seit Ende 2010 seien alle bei einer erneuten Entscheidung über die Ausweisung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte bekannt. Der Gutachter habe im Schreiben vom ... März 2011 eindeutig beantwortet, dass für die Kinder die Möglichkeit wesentlich sei, sich mit der Tat des Vaters als real verfügbare Person auseinandersetzen zu können.

Die JVA ... teilte unter dem 8. Mai 2013 (Bl. 532 d. BA) mit, dass der Kläger seit dem Wiedereintritt in die JVA noch nicht disziplinarisch in Erscheinung getreten sei. Er habe die sozialpädagogische Gruppe in der JVA absolviert und an den Sitzungen mit Engagement sowie aktiver Mitarbeit teilgenommen. Die Suchtgruppe der JVA habe er erfolgreich beendet, ebenso das Anti-Gewalt-Training. Derzeit nehme er am internen ...-Training (Maßnahme zur Erhöhung der sozialen Kompetenz) teil. Der Kläger sei bemüht, seine Schulden zu regulieren und befinde sich in der niederschwelligen sozialpädagogischen Schuldnerberatung. Das Insolvenzverfahren sei am ... Dezember 2012 eröffnet worden. Der Kläger befinde sich u. a. zur Bearbeitung der Suchtproblematik in der einzeltherapeutischen Maßnahme bei Herrn Dr. H... Er werde in regelmäßigen Abständen - u. a. von Familienangehörigen und den Kindern - in der JVA besucht.

Der Anstaltspsychologe der JVA ... teilte am 19. März 2013 (Bl. 541 d. BA) mit, dass nur eingeschränkte Aussagen getroffen werden könnten. Der Kläger sei glaubhaft therapiemotiviert, zeige Mitwirkungsbereitschaft und eine entsprechende Compliance. Er habe die hausinterne Suchtgruppe, die sozialpädagogische Gruppe sowie ein Anti-Gewalt-Training absolviert. Außerdem stehe er mit dem hiesigen Drogenberater in Kontakt. Aktuell nehme er an einem ...-Training und an einzelpsychotherapeutischen Sitzungen teil. Der Erfolg bleibe abzuwarten. Der Kläger gebe an, eine freiwillige Suchttherapie nach § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) beginnen zu wollen. Da der Fokus hauptsächlich in der Drogenproblematik liege, würde das Vorgehen, im Rahmen der einzelpsychotherapeutischen Maßnahme die suchtspezifischen und die aggressionsrelevanten Anteile zu bearbeiten, befürwortet.

Die psychiatrische Abteilung der JVA ... ging unter dem 4. April 2013 (Bl. 544 d. BA) aufgrund der Vorgeschichte des Klägers, der Unterlagen der JVA ..., der ärztlichen Gutachten sowie der Stellungnahme der forensischen Klinik ... davon aus, dass der Kläger in Freiheit wieder Drogen konsumieren werde und dadurch eine große Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten psychotischer Symptome mit daraus resultierenden Gewaltdelikten bestehe.

Der Kläger bat mit Schreiben vom ... Dezember 2013 (Bl. 550 d. BA) den Beklagten um eine Bestätigung, dass seine ausländerrechtliche Situation abschließend geklärt sei. Er verwies auf das Gutachten vom ... Dezember 2010. Gerade in seinem Fall erscheine die Gewährung von Vollzugslockerungen besonders wichtig, damit eine weitere Festigung und Stärkung zwischen ihm und seinen Kindern sowie die geforderte Geschehensverarbeitung erfolgen könne.

Das Amt für Jugend und Familie ... teilte mit Schreiben vom 2. Januar 2014 mit, dass die Kinder zusammen mit der Großmutter den Vater regelmäßig besuchten. Die Kinder hingen sehr am Vater, so dass eine Abschiebung für sie eine massive Belastung und einen weiteren Beziehungsabbruch bedeuten würde (Bl. 552 d. BA).

Mit Schreiben vom 23. Juni 2014 (Bl. 566 d. BA) teilte der Beklagte der damaligen Bevollmächtigten des Klägers mit, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen geplant seien und für Rückfragen zur Verfügung gestanden werde.

In Ergänzung zum Bericht vom 8. Mai 2013 nahm die JVA ... am 18. Juli 2014 dahingehend Stellung (Bl. 585 d. BA), dass der Kläger weiterhin regelmäßig von seinen Angehörigen besucht werde und er insbesondere Kontakt zu seiner Verlobten ... halte, mit der er ein Eheseminar absolviert habe. Die sozialen Kontakte seien gefestigt. Das Vollzugsverhalten sei jedoch nicht beanstandungsfrei, es hätten vier Disziplinarentscheidungen getroffen werden müssen, die sich in die langjährigen Auffälligkeiten in ... vor Einweisung in die Entziehungsanstalt einreihten. Dem Bericht liegt eine Übersicht über die verhängten Disziplinarmaßnahmen bei (Bl. 587 d. BA). Der Konsum von Tramal zeige, dass der Kläger weiterhin unter erheblichem Suchtmitteldruck leide. Der Kläger sei in einem Unternehmerbetrieb zur Arbeit eingeteilt gewesen, wegen häufiger Fehlzeiten jedoch abgelöst worden und seitdem ohne Verschulden ohne Arbeit. Zur Bearbeitung der Suchtmittelproblematik habe er an einzelpsychotherapeutischen Sitzungen bei Herrn Dr. H... teilgenommen, der im Bericht vom ... September 2013 die Fortführung der ambulanten Einzeltherapie als nicht sonderlich effektiv eingeschätzt habe. Gründe hierfür seien die starke Drogenbindung sowie die ausgeprägte Identitätsbildung im Drogenmilieu. Notwendige Lernerfahrungen im Sinne und mit dem Ziel einer stabilen Drogenfreiheit wären nur im Setting einer stationären Langzeitentwöhnungsmaßnahme zu erreichen, so dass die Maßnahme nach fünf Sitzungen abgebrochen worden sei. Sozialtherapeutische Maßnahmen zur Bearbeitung der delinquenzfördernden persönlichkeitsimmanenten Problembereiche seien weiterhin indiziert, jedoch wegen der zeitlichen Rahmenbedingungen nicht mehr durchführbar. Sowohl die Gewalt- als auch die Suchtmittelproblematik seien trotz der vorhandenen niederschwelligen Maßnahmen noch nicht ausreichend bearbeitet.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 31. Juli 2014 (Bl. 597 d. BA) wies der Beklagte den Kläger aus der BRD aus. Die Abschiebung in die Türkei wurde angedroht. Die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung wurden auf sieben Jahre ab Ausreise befristet.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der Verurteilung durch das Landgericht ... vom ... Februar 2006 erfülle der Kläger den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 53 Nrn. 1, 2 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG). Er genieße den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 AufenthG, so dass er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden dürfe, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Zudem könnten gemäß Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) einem türkischen Staatsangehörigen die ihm unmittelbar aus Art. 6, 7 ARB 1/80 zustehenden Aufenthaltsrechte nur dann im Wege einer Ausweisung abgesprochen werden, wenn sein persönliches Verhalten auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hinweise. In das Recht auf Privat- und Familienleben aus Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sei ein Eingriff nur statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen sei und eine Maßnahme darstelle, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheit anderer notwendig sei. Der Rechtsprechung des EGMR könne nicht entnommen werden, dass eine Ausweisung von straffälligen Ausländern der zweiten Generation, die im Vertragsstaat geboren und aufgewachsen seien, regelmäßig gegen Art. 8 EMRK verstoße, vielmehr sei dies von den Einzelfallumständen abhängig. Ein wesentlicher Umstand für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit sei die Schwere der vom Ausgewiesenen begangenen Straftat, wobei die Schwere in erster Linie durch die Höhe der verhängten Strafe gekennzeichnet werde. Das Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 und das für die Türkei am 20. März 1990 in Kraft getretene Europäische Niederlassungsabkommen vom 13. Dezember 1955 (ENA) stünden der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Der Kläger dürfe nach Art. 3 Abs. 3 ENA nur aus Gründen der Sicherheit oder wenn die Gründe, die zu einer Ausweisung wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder Sittlichkeit führen, besonders schwerwiegend seien, ausgewiesen werden. Ein zwingender, die Ausweisung rechtfertigender Grund, liege regelmäßig dann vor, wenn die Anwesenheit des Ausländers trotz des besonderen Status nicht länger hingenommen werden könne. Hierzu gehörten die Fälle schwerer und schwerster Kriminalität, wobei für die Beurteilung maßgeblich sei, dass die Ausweisung künftige Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie andere Beeinträchtigungen erheblicher Belange der BRD verhindern solle. Ob die Straftaten den Tatbestand des zwingenden Grundes i. S. d. § 6 Abs. 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) erfüllten und wie dann die gebotene Abwägung jeweils ausfalle, sei eine Einzelfallfrage.

Vorliegend bestünden angesichts der Schwere des spezialpräventiv begründeten Ausweisungserlasses gewichtige öffentliche Belange an der Beendigung des Aufenthalts. Bei den vom Kläger begangenen Straftaten handele es sich um besonders schwere, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich und besonders schwerwiegend störten. Die Ausweisung diene der Verhütung weiterer erheblicher und besonders schwerwiegender Störungen.

Zugunsten des Klägers werde davon ausgegangen, dass er ein Recht aus Art. 7 ARB 1/80 erworben habe, weshalb bei der Prüfung der Ausweisung folgende Ermessenserwägungen vorzunehmen seien:

Die Ausweisung verfolge legitime spezialpräventive Zwecke, da beim Kläger von einer Wiederholungsgefahr auszugehen und dessen weiterer Aufenthalt in der BRD nicht hinnehmbar sei. Die spezialpräventive Ausweisung diene der Vorbeugung gegen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die nach Würdigung des bisherigen Verhaltens und der Persönlichkeit des Ausländers von ihm in Zukunft ausgingen. Habe er Rechtsverstöße begangen, hänge die Rechtfertigung der Ausweisung von einer Gefahrenprognose ab. Der erforderliche, einen ausreichenden Ausweisungsanlass begründende Mindestgrad der Wahrscheinlichkeit neuer Verfehlungen sei durch die Art der Schäden bedingt. Je größer und folgenschwerer die zu erwartenden Schäden seien, umso geringer müsse die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts sein. Bei Gewalttaten und vergleichbar gewichtigen Fällen dürfe die Ausweisung schon vor der Schwelle einer konkreten Wiederholungsgefahr verfügt werden. Da der Kläger den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG genieße, bedürfe es strenger Anforderungen an den Grad der Wiederholungsgefahr. Es sei auf die Gesamtpersönlichkeit des Klägers, das abgeurteilte Verhalten, Art und Ausmaß möglicher Schäden sowie die persönliche Entwicklung nach der Straftat abzustellen.

Der Kläger habe mit den seiner Verurteilung vom ... Februar 2006 zugrunde liegenden Straftaten erhebliche charakterliche Mängel belegt und es sei davon auszugehen, dass er in Freiheit wieder Drogen konsumieren werde. Außerdem ergebe sich die Wiederholungsgefahr daraus, dass er seit 1996 immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Belehrungen durch den Beklagten sowie die Maßnahmen des Jugendgerichts hätten keinerlei Wirkung gezeigt. Daher seien aufgrund der Gesamtpersönlichkeit des Klägers auch künftig von ihm weitere schwere Straftaten zu befürchten. Es liege eine konkrete Wiederholungsgefahr im Bereich der Gewalt- und Betäubungsmitteldelikte vor. Bei der Schwere der zu erwartenden Rechtsgutverletzungen sei eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen zulässig, um weitere Straftaten, die die Grundinteressen der Gesellschaft berührten, zu verhindern. Ein Abwarten, ob und inwieweit die Therapie und der Strafvollzug tatsächlich zu einer Festigung der defizitären Persönlichkeitsstruktur des Klägers führten, könne ordnungsrechtlich nicht vertreten werden. Es sei nicht verkannt worden, dass sich der Kläger noch nie im Strafvollzug befunden habe. Zwar führe er sich derzeit ohne Beanstandung, was jedoch nicht ungewöhnlich sei, sondern vor dem Hintergrund eventueller Vollzugslockerungen und zur Vermeidung drohender ausländerrechtlicher Maßnahmen geschehe. Aus dem Normalverhalten in der JVA könne nicht auf ein ordnungsgemäßes Verhalten nach der Entlassung geschlossen werden. Die Intensität der Straftaten des Klägers zeige eine kriminelle Energie von einem Ausmaß, die eine konkrete Wiederholungsgefahr begründe. Ein schwerwiegender Ausweisungsgrund liege vor. Mildere Mittel gegenüber der Ausweisung seien nicht ersichtlich, da sich der Kläger von den strafrechtlichen Konsequenzen und den mehrmals angekündigten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nicht habe abschrecken lassen.

Die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen schutzwürdigen Belange des Klägers würden gemäß § 55 Abs. 3 AufenthG wie folgt berücksichtigt: Der Kläger sei zwar im Bundesgebiet geboren und habe nach eigenen Angaben keinen Kontakt zu Verwandten in seinem Heimatland. Er sei aber trotz des langjährigen Aufenthalts nicht derart integriert, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzumutbar wäre. Zu einer gelungenen Integration gehöre auch die Einfügung in die hiesige Rechtsordnung, wogegen der Kläger jedoch wiederholt in erheblichem Maße verstoßen habe. Der Kläger sei nicht so in Deutschland verwurzelt, dass ihn außer der Staatsangehörigkeit nichts mehr mit seinem Heimatland verbinde. Dem Vorbringen, er sei der türkischen Sprache kaum mächtig, werde entgegengehalten, dass nach dem Gutachten vom ... Dezember 2010 die Großeltern nur geringe Sprachkenntnisse hätten. Daher könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger nicht nur in der zweisprachigen Schule überwiegend Türkisch gesprochen habe, sondern dass Türkisch seine Muttersprache sei. In der Türkei lebten Verwandte des Klägers, zu denen er Kontakt unterhalte. Er habe außerdem vier Jahre lang eine zweisprachige Schulklasse besucht. Seine Ehefrau sei vor der Heirat zum Islam konvertiert, was ebenfalls auf eine Verbindung zum Heimatland schließen lasse. Die berufliche Integration weise ebenfalls Defizite auf. Der Kläger habe die Schule ohne Abschluss beendet und anschließend keine Ausbildung absolviert. Er habe auf geringfügiger Basis gejobbt, häufig den Arbeitgeber gewechselt und sei über längere Zeiträume arbeitslos gewesen. Erst drei bis vier Jahre vor der Inhaftierung habe er ununterbrochen bei einer Firma als Hilfsarbeiter gearbeitet. Einen Beruf mit ähnlichen Anforderungen werde er auch in der Türkei ausüben können, so dass er keine gesicherte berufliche Position verliere. Die nun in der JVA abgeschlossene Berufsausbildung führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Kläger werde sich nach einigen Anfangsschwierigkeiten in die Lebensverhältnisse in seinem Heimatland einfügen können, ihm dürften die dortigen sozialen und kulturellen Verhältnisse nicht völlig fremd sein. Er werde nicht in ein für ihn völlig fremdes Land zurückkehren, zumal er auf den Rat seiner Eltern zurückgreifen könne. Dem Kläger sei es aufgrund seines Alters, seiner bisherigen Verhältnisse und seiner (Aus-)Bildung zumutbar, in der Türkei trotz eventueller Anfangsschwierigkeiten einen Neustart zu begründen. Auch in Deutschland müsse der Kläger nach seiner Haftentlassung neu anfangen und hätte es im Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit schwer. Die Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts seien nachrangig gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung.

Die Geburt und das Aufwachsen im Bundesgebiet führten üblicherweise zu einem besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 56 Abs. 1 AufenthG und die Systematik des Ausländerrechts schließe zunächst eine weitergehende Berücksichtigung aus. Gleichwohl werde gesehen, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen und damit als faktischer Inländer zu behandeln sei. Dies könne jedoch unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung von Gewaltstraftaten zu keiner anderen Beurteilung führen. Die konkrete Gefahr weiterer Straftaten bestehe trotz erfolgten Strafvollzugs. Der Kläger habe besonders schwerwiegende Straftaten begangen. Er sei schon vor dieser Verurteilung wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten, erstmals 1996 im Alter von 15 Jahren. Darauffolgend habe sich die Intensität der Delikte kontinuierlich gesteigert. Wie auch im Urteil vom ... Februar 2006 ausgeführt werde, sei aufgrund der in der Vergangenheit bereits begangenen Gewaltdelikte von einer hohen kriminellen Energie des Klägers auszugehen. Daher handele es sich bei dem Totschlag nicht um eine einmalige Beziehungstat, welche weitere Gewaltdelikte zumindest unwahrscheinlich erscheinen lasse, was sich auch daraus ergebe, dass der Kläger aufgrund des Drogeneinflusses seine Ehefrau als Teufel wahrgenommen habe. Aufgrund der multiplen Drogenabhängigkeit sowie der vom psychiatrischen Sachverständigen festgestellten Disposition, beim Konsum bestimmter Drogen psychotische Reaktionen zu zeigen, sei von der Gefahr der Begehung weiterer Straftaten auszugehen. Obwohl sich der Kläger einer richterlich angeordneten Rehabilitationsmaßnahme unterzogen habe, sei die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen. Der erfolgreiche Abschluss einer Therapie sei angesichts der bekannten Rückfallquote keine Garantie für künftige Abstinenz und Straffreiheit. Vielmehr sei die Gefahr weiterer Straftaten regelmäßig erst in angemessener Zeit nach der Therapie bewertbar. Vor dem erfolgreichen Abschluss einer Entziehungstherapie sei eine konkrete Wiederholungsgefahr bei einem süchtigen Täter gegeben. Ein Abwarten und Erproben, ob der Kläger nach Verbüßung der Haftstrafe und Absolvierung der Therapie keine Straftaten mehr begehen werde, komme aufgrund des hohen Ranges der bedrohten Schutzgüter nicht in Betracht. Auch sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger keine Drogen mehr konsumieren werde. Er habe nach eigenen Angaben bereits von 2001 bis 2003 drogenfrei gelebt und im Herbst 2003 erneut begonnen, Kokain und nunmehr auch Heroin zu konsumieren.

Das Gebot des Schutzes von Ehe und Familie aus Art. 6 Grundgesetz (GG) begründe nicht zwangsläufig ein Aufenthaltsrecht. Im Rahmen der bereits durch den Gesetzgeber erfolgten Güterabwägung habe das Ausweisungsinteresse bei schweren Straftaten grundsätzlich Vorrang. Der Kläger gefährde erheblich die Interessen der BRD, was ein konsequentes ordnungsrechtliches Handeln auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Belange sowie der Belange seiner Familienangehörigen erfordere. Der Eingriff in das Recht der Ehe und Familie sei aus Gründen der Gefahrenabwehr und aus überragenden öffentlichen Interessen gerechtfertigt. Die Beziehung des volljährigen Klägers zu seinen in Deutschland lebenden Eltern und Geschwistern entfalte keine derartige Schutzwirkung, welche eine Ausreise unzumutbar erscheinen ließe. Der Kläger sei als Volljähriger nicht mehr in erheblichem Maße auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen. Nachteile, die über eine räumliche Trennung hinausgingen, seien für die Eltern und Geschwister des Klägers aufgrund seiner Ausweisung nicht zu befürchten. Es müsse der Familie zugemutet werden, entweder eine räumliche Trennung in Kauf zu nehmen, eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland in Erwägung zu ziehen oder die Bindung zueinander in anderweitiger Form aufrecht zu erhalten. Die deutschen Kinder des Klägers lebten bei dessen Eltern, das Sorgerecht befinde sich beim Amt für Jugend und Familie in ... Die Kinder hätten Umgangskontakt mit dem Kläger und besuchten ihn fast wöchentlich. Dass ein Ausländer eine Familie im Gastland gegründet habe, verhindere nicht generell seine Ausweisung, was insbesondere dann gelte, wenn die Geburt eines Kindes nicht eine Zäsur in der Lebensführung des betroffenen Ausländers darstelle, die erwarten lasse, dass er keine Straftaten mehr begehen werde. Hier sprächen vorrangige Gründe gegen einen weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet. Er sei gerade nach der Geburt seiner Kinder 2003 und 2004 mit schwerwiegenden Gewaltdelikten in Erscheinung getreten. Die einschneidenden Konsequenzen dieser Entscheidung würden nicht verkannt. Das Kindeswohl und die Beziehung des Klägers zu den Kindern seien von erheblichem Gewicht. Dennoch sei die Ausweisung zumutbar, da sie zur Abwehr der Gefährdung höchster Rechtsgüter diene. Das persönliche Interesse an der Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft in Deutschland müsse zurücktreten. Insbesondere sei zu beachten, dass das Leben eines Menschen ein unabwägbares Rechtsgut sei, Art. 1 GG. Der Beklagte verweist auf die aktuellen Stellungnahmen des zuständigen Jugendamts und der JVA ... In der JVA werde durch regelmäßige wöchentliche Besuche der Kinder und der Verlobten versucht, den Kontakt konstant aufrecht zu erhalten, um eine positive Beziehung aufzubauen. Das soziale Umfeld und die Kontaktpflege könnten als gefestigt angesehen werden. Der Kläger habe während der Haft an einzelpsychotherapeutischen Sitzungen zur Suchtmittelproblematik teilgenommen. Jedoch habe Herr Dr. H... in seinem Bericht vom ... September 2013 eine Fortführung der Therapie aufgrund einer starken Drogenbindung sowie einer ausgeprägten Identitätsbildung im Drogenmilieu nicht für effektiv gehalten. Notwendige Lernerfahrungen mit dem Ziel einer stabilen Drogenfreiheit wären nur im Setting einer stationären Langzeitentwöhnungsmaßnahme zu erreichen, weshalb die Maßnahme nach fünf Sitzungen abgebrochen worden sei. Ferner sei der Kläger auch an der Arbeitsstelle eines Unternehmensbetriebs häufig ferngeblieben, weshalb er derzeit auf sein Verschulden hin keiner Arbeit nachgehe. Auch hätten während des Aufenthalts in der JVA mehrere disziplinarrechtliche Entscheidungen getroffen werden müssen. Der Konsum von Tramal belege, dass der Kläger nach wie vor unter erheblichem Suchtmitteldruck leide. Es bestehe die Gefahr, dass sich der Kläger nach der Haftentlassung keiner Therapie mehr unterziehe und auch medikamentös nicht auf Dauer einstellen lassen werde. Beim Kläger sei eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit gegeben, im wiederholten Maße Drogen zu konsumieren und erneut schwerwiegende Gewaltdelikte zu begehen. Hierdurch würden erhebliche negative Auswirkungen auf das Kindeswohl und familiäre Verfestigungen auftreten. Der Kläger habe gezeigt, dass er die Rechtsordnung der BRD nicht beachte. Seine Interessen müssten insgesamt hinter dem überwiegenden öffentlichen Belang der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zurückstehen.

Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 58 i. V. m. § 59 AufenthG. Die Befristung der Ausweisung und der Abschiebung ergebe sich aus Art. 3 Nr. 6 i. V. m. Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Die Dauer von sieben Jahren sei im Hinblick auf die Schwere der begangenen Straftaten angemessen. Eine Verkürzung sei bei der Vorlage von Nachweisen möglich.

Hiergegen hat der Kläger am ... August 2014 Klage erhoben und beantragt,

die Ausweisungsverfügung aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, zu dem Tötungsdelikt sei es dadurch gekommen, dass sich beim Kläger Einbildungen eingestellt hätten, so dass er Geister gesehen und seine Ehefrau den Teufel verkörpert habe, während sich der Kläger als Gott gesehen habe. Der Kläger sei bei der Tatausführung seelisch nicht mehr anwesend gewesen. Als die Ehefrau ihn gefragt habe, ob sie für ihn beten solle, sei alles im Kläger „explodiert“, wobei er sich noch daran erinnern könne, dass er im Schlafzimmer ein großes zur Drogenzubereitung aufbewahrtes Messer zweimal in die Matratze gestochen habe. Der Kläger habe keine Erinnerung daran, dass er auch seine Frau gestochen habe. Dass sie tatsächlich tot war, habe er erst bei der Polizei realisiert, als ihm Fotos gezeigt worden seien. Die Unterbringung habe am 3. November 2009 im Bezirksklinikum ... begonnen. Da der Kläger dort erneut illegale Drogen zu konsumieren begonnen habe, sei er am 8. November 2011 in die JVA ... zurückgekehrt.

Der Kläger dürfe nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche Gründe lägen in den Fällen des § 53 AufenthG zwar in der Regel, jedoch nicht generell vor. Als besondere, eine Ausweisung hindernde Gründe kämen alle Umstände in Betracht, die nicht durch die einschlägige Variante des § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG verbraucht seien. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht nur im Bundesgebiet geboren sei, sondern sein gesamtes Leben hier verbracht habe und die türkische Sprache nur rudimentär beherrsche. Daher sei er als faktischer Inländer anzusehen. Eine nur auf generalpräventive Erwägungen gestützte Ausweisung werde den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit nicht gerecht. Aus der Schwere der abgeurteilten Tat könne nicht generell und schon gar nicht speziell im Fall des Klägers auf eine konkrete Rückfallgefahr geschlossen werden. Denn die statistische Rückfallgefahr sei bei vorsätzlichen Tötungsdelikten überaus gering und liege nur bei 1,0% bis 3,5%. Die Wiederholungsgefahr dürfe nicht allein auf die Schwere der begangenen Straftaten gestützt werden, sondern es sei eine individuelle Gefahrenprognose anzustellen, die die persönlichen Lebensverhältnisse mit einbeziehe, soweit sie für die mögliche zukünftige Gefährdung von Bedeutung sein könnten. Die erhebliche Schuld des Täters oder die besondere Gefährlichkeit der begangenen Delikte begründeten noch keine Wiederholungsgefahr. Ebenso wenig der Umstand, dass sich eine künftige Strafbarkeit nicht ausschließen lasse, da dies bei allen Menschen vorliege. Dass der Kläger nach den beiden Verurteilungen in den Jahren 2000 und 2001 nicht gegen Bewährungsauflagen verstoßen habe und deshalb die Jugendstrafe jeweils erlassen worden sei, zeige, dass er sich von früheren Verurteilungen und deren Folgen habe beeindrucken lassen. Damit sei der Risikofaktor der Verletzung von Bewährungsauflagen nicht gegeben. Wenn ein Ausländer in Kenntnis der ihm drohenden Ausweisung ein vorsätzliches Tötungsdelikt begehe, lasse sich aus diesem Umstand keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Hinzu komme, dass das Hemmungsvermögen des Klägers gegenüber dem Durchschnitt der Personen, die keine psychische Störung im Sinn von § 20 StGB aufweisen, herabgesetzt gewesen sei, so dass er dem Tatanreiz weniger Widerstand habe leisten können. Hinsichtlich der behaupteten Kausalität der ärztlichen Unterstützung für die Drogenabstinenz des Klägers in den Jahren 2001 bis 2003 gehe der Beklagte bei der Entscheidung von einem in Wirklichkeit nicht vorliegen Sachverhalt aus, was schon für sich genommen zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids führe. Die Rückfallrate nach Drogenhandel belaufe sich auf 7% bis 37% und sei daher verglichen mit anderen Deliktsgruppen als bloß mittelgradig einzustufen. Die Rückfallgefahr sei dann als gering einzuschätzen, wenn dem Betroffenen die erforderlichen Kontakte zu Komplizen fehlten. Bei den ehemaligen Komplizen des Klägers handele es sich um seine getötete Ehefrau und eine Frau namens ... Keine dieser Frauen stehe mehr als Komplizin zur Verfügung. Zudem verflüchtige sich während der langen Zeit der Haft und Unterbringung erfahrungsgemäß der Kundenstamm. Ein weggebrochener Kundenstamm spreche gegen eine Wiederholungsgefahr. Der Kläger habe im Inland mehrere verlässliche Bezugspersonen, nämlich seine Mutter, seine Kinder und seine Geschwister. Dieser soziale Empfangsraum verringere ebenfalls die Rückfallgefahr. Die Ausweisung des Klägers verstoße gegen Art. 8 EMRK. Die Verhältnismäßigkeit sei angesichts der starken Verwurzelung des Klägers im Inland nicht gegeben. Bei dem erneuten Erlass einer Ausweisungsverfügung nach deren Aufhebung handele es sich um eine Rücknahme des aufhebenden Bescheids, also um eine Rücknahme der Rücknahme. Diese Fallkonstellation sei vergleichbar mit dem erneuten Erlass eines Haftungsbescheids nach der Aufhebung eines früheren Haftungsbescheids für denselben Sachverhalt. Eine Rücknahme setze stets die Rechtswidrigkeit des betreffenden Verwaltungsaktes voraus, wofür es an jeglichen Anhaltspunkten fehle. Unabhängig davon sei die Rechtswidrigkeit allein vom Beklagten verursacht worden, so dass auch aus diesem Grund die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts unzulässig sei.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen. Die Klagebegründung enthalte kein Vorbringen, das nicht bereits im angefochtenen Bescheid behandelt worden sei.

Das Ende der Haftzeit des Klägers war am 6. Februar 2015.

Der mit der Klage gestellte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss des Gerichts vom 2. Juni 2015 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juni 2016 zurückgewiesen (Az.: 10 C 15.1347). Aus dem Beschluss geht hervor, dass der Kläger mitgeteilt hat, am ... April 2016 seine Verlobte geheiratet zu haben.

Mit Schriftsatz vom ... August 2016 hat die Klägerbevollmächtigte weiter ausgeführt, der Beklagte habe im Anschluss an die Rücknahme der ersten Ausweisungsverfügung einer Erledigterklärung vorab zugestimmt. Dies bedeute, dass sich der damalige Rechtsstreit nach Einschätzung des Beklagten erledigt habe, d. h. dass der Klageanlass vollständig weggefallen sei. Klageanlass sei der Verlust des Aufenthaltsrechts des Klägers gewesen. Daher habe der Klageanlass nur dadurch wegfallen können, dass das Aufenthaltsrecht des Klägers im Bundesgebiet nunmehr dauerhaft gesichert gewesen sei. Dies setze wiederum den Verzicht auf den Erlass einer erneuten Ausweisungsverfügung voraus. Deshalb habe der Beklagte zugleich konkludent den Verzicht auf den Erlass einer erneuten Ausweisungsverfügung erklärt. Daher sei der Beklagte nicht mehr befugt, erneut eine Ausweisung zu verfügen.

In der mündlichen Verhandlung am 8. September 2016 ist für die Klagepartei niemand erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2016 entschieden werden, obwohl die Klagepartei nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beteiligten sind form- und fristgerecht geladen worden.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Der Bescheid ist in formeller Hinsicht rechtmäßig. Zwar wurde der Kläger vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht nochmals ausdrücklich unter Setzung einer Frist zu möglichen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen angehört. Jedoch hat der damalige Bevollmächtigte des Klägers bereits unter dem ... Dezember 2012 eine Entscheidung des Beklagten bis zum 31. Dezember 2012 angemahnt. Der Kläger selbst hat sich mit Schreiben vom ... Dezember 2013 unter Verweis auf das Gutachten vom ... Februar 2010 gegenüber dem Beklagten zu seiner ausländerrechtlichen Situation geäußert. Zuletzt wurde die damalige Bevollmächtigte des Klägers am ... Juni 2014 darauf hingewiesen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen geplant seien. In Zusammenschau dieser Gesichtspunkte hat der Beklagte seiner Anhörungspflicht genügt. Insbesondere reicht die Mitteilung vom 23. Juni 2014 gegenüber der Klägerbevollmächtigten betreffend das Laufen eines ausländerrechtlichen Verfahrens als Gelegenheit zur Stellungnahme aus. Denn es liegt im Ermessen des Beklagten, wie er die Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) vornimmt (Herrmann in Beck-OK, VwVfG, Stand 1.4.2015, § 28 Rn. 17). Es bedarf nicht zwingend des expliziten Hinweises auf die Äußerungsmöglichkeit oder einer ausdrücklichen Fristsetzung (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 28 Rn. 20; Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 28 Rn. 46). Dies gilt umso mehr, als es sich um die Mitteilung gegenüber einer Rechtsanwältin handelte und der Zeitraum bis zum Bescheiderlass am 31. Juli 2014 als Äußerungsfrist ausreichend bemessen war. Der Beklagte stützt den streitgegenständlichen Bescheid zudem nicht auf Gründe, die im bisherigen Verfahren keine Rolle gespielt hätten.

2. In materieller Hinsicht ist der Bescheid ebenfalls rechtmäßig. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (BVerwG, U. v. 15.11.2007 - 1 C 45.06 - juris). Demnach beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nach dem Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl I S. 1939).

a) Die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.

Die bereits am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelungen zur Ausweisung (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015, BGBl I. S. 1386) differenzieren nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar. Eine nach altem Recht verfügte Ausweisung wird auch nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG n. F. nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht (BayVGH, B. v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris Rn. 8).

Rechtsgrundlage der Ausweisungsverfügung sind §§ 53 Abs. 1 bis 3, 54 f. AufenthG. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Zugunsten des Klägers geht die Kammer mit dem Beklagten davon aus, dass er ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) erworben hat. Gem. § 53 Abs. 3 AufenthG darf der Kläger daher nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - C-371/08 Ziebell - juris Rn. 80; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen im Hinblick auf Art. 14 ARB 1/80 erfüllt sein mussten (vgl. auch BayVGH, B. v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 13).

In der Rechtsprechung ist auch geklärt, dass gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige auch mit Blick auf Art. 13 ARB 1/80 (sog. Stillhalteklausel) keine Bedenken bestehen, weil sich die materiellen Anforderungen, unter denen diese Personen ausgewiesen werden dürfen, nicht zu ihren Lasten geändert haben und jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28; B. v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 14; B. v. 11.7.2016 - 10 ZB 15.837 - Rn. 11 jeweils m. w. N.).

Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig besteht (aa) und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (bb). Da der Ausweisungsschutz aus Art. 3 Abs. 3 Europäisches Niederlassungsabkommen nicht weiter reicht als der aus ARB 1/80, ergibt sich aus dieser Norm kein anderer Maßstab für die rechtliche Überprüfung der Ausweisung des Klägers (vgl. BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2/09 - juris Rn. 15).

Aus dem Vortrag des Klägers, beim angegriffenen Bescheid vom 31. Juli 2014 handele es sich um eine Rücknahme der Rücknahme, die die - hier nicht gegebene - Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Aufhebungsverfügung vom 10. Februar 2010 voraussetze, ergibt sich ebenfalls kein anderer Überprüfungsmaßstab. Denn es handelt sich vorliegend nicht um eine Rücknahme der Aufhebungsverfügung vom 10. Februar 2010, so dass der ursprüngliche Bescheid vom 5. März 2009 wieder aufleben würde. Der Beklagte hat vielmehr auf Grundlage früher nicht vorhandener Unterlagen - so etwa dem ausführlichen Sachverständigengutachten vom ... Dezember 2010 und der Stellungnahmen der JVA ... vom 8. Mai 2013 und vom 18. Juli 2014 - einen eigenständigen, neuen Bescheid erlassen, so dass Art. 48 f. BayVwVfG nicht als Grundlage zur Überprüfung des angegriffenen Bescheids heranzuziehen sind.

An der erneuten Ausweisung war der Beklagte auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes gehindert. Zwar kann ein Verzicht auf eine Ausweisung grundsätzlich zu einem „Verbrauch“ des Ausweisungsgrundes führen, wenn dem betroffenen Ausländer hierdurch Vertrauensschutz vermittelt wird, so dass er sich im Vertrauen darauf in besonderer Weise auf einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet einrichten konnte. Vorliegend konnte der Kläger allerdings in keiner Weise darauf vertrauen, dass der Beklagte nach der Aufhebung des ersten Ausweisungsbescheides in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 seine Ausweisung nicht weiter betreiben würde (vgl. BayVGH, B. v. 2.6.2016 - 10 C 15.1347). Es war ihm über seine Bevollmächtigte bekannt (vgl. Schreiben des Gutachters vom ...9.2010; Bl. 382 d. BA), dass der Beklagte die zu erwartenden Folgen einer Ausweisung bzw. Abschiebung des Klägers auf seine beiden Kinder ermittelt hat (Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG). Zudem hat der Beklagte gegenüber der Bevollmächtigten des Klägers telefonisch und schriftlich festgestellt, dass eine Ausweisung weiterhin geplant sei (vgl. Bl. 431, 456, 566 d. BA). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Erledigterklärung des Beklagten im vorangegangenen Klageverfahren (M 23 K 09.1219). Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom ... August 2016 ergibt sich daraus nicht, dass sich der Ausweisungsanlass erledigt hat und das Aufenthaltsrecht des Klägers im Bundesgebiet gesichert ist. Vielmehr handelt es sich ausschließlich um eine Prozesserklärung, die notwendig war, weil sich der Klageanlass, nämlich der damals streitgegenständliche Bescheid, nach dessen Aufhebung erledigt hat. Eine Aussage dahingehend, dass die Straftaten nicht mehr zum Anlass einer erneuten Ausweisung genommen werden, kann der Erledigterklärung mitnichten entnommen werden.

aa) Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Aufenthalt des Klägers auch in Zukunft die öffentliche Sicherheit und Ordnung der BRD schwerwiegend beeinträchtigen wird. Vom Kläger geht eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der BRD aus. Es besteht eine erhebliche Wiederholungsgefahr.

Anlass für die Ausweisung des Klägers ist seine Verurteilung durch das Landgericht ... vom ... Februar 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten wegen Totschlags in Tatmehrheit mit unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Bei den vom Kläger begangenen Straftaten handelt es sich um besonders schwere Straftaten, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung in erheblichem Maße beeinträchtigen. Totschlag ist ein Kapitaldelikt, das das Leben als höchstes Schutzgut betrifft und damit die Grundinteressen der Gesellschaft berührt. Außerdem ließ sich beim Kläger eine hohe Intensität der Tathandlung feststellen. Der illegale Handel mit Betäubungsmitteln birgt schwerwiegende Gefahren in sich und berührt damit ebenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft. Er stellt ein großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit dar (EuGH, U. v. 23.11.2010 - C-145/09 - juris Rn. 47; BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 1 C 20/11 - juris Rn. 19).

Die festgestellte schwerwiegende Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beruht auf dem persönlichen Verhalten des Klägers. Zwar war bei Begehung des Totschlags seine Fähigkeit, nach der Einsicht des Unrechts seines Tuns zu handeln, nicht ausschließbar erheblich vermindert. Der Kläger verursachte jedoch persönlich durch seinen Drogenkonsum den Tod seiner Ehefrau, da er die Tat unter dem Einfluss einer drogenbedingten Enthemmung begangen hat. Laut Stellungnahme der psychiatrischen Abteilung der JVA ... vom 4. April 2013 besteht beim Kläger bei Einnahme von Drogen eine große Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten psychotischer Symptome mit daraus resultierenden Gewaltdelikten. Das Landgericht ... ordnete gerade wegen des Hanges des Klägers zu übermäßigem Betäubungsmittelkonsum und der hiermit einhergehenden Gefahr weiterer Straftaten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB an. Auch wenn der Kläger bei der Tat selbst nicht ausschließbar das Geschehene nicht voll umfänglich begreifen konnte, ist der Totschlag auf seinen Drogenkonsum sowie auf sein Aggressionspotential zurückzuführen. Ebenso beruht der Drogenhandel auf dem persönlichen Verhalten des Klägers.

Vom Kläger geht gegenwärtig eine erhebliche Wiederholungsgefahr betreffend Betäubungsmittel- und Gewaltdelikte aus. Zwar trägt er zu Recht vor, dass allein aus der Schwere der abgeurteilten Tat nicht generell auf eine konkrete Rückfallgefahr geschlossen werden könne. Dennoch kann bei der einzelfallbezogenen Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Klägers gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, im Hinblick auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts der Rang der bedrohten Rechtsgüter nicht außer Acht gelassen werden, da dieser die mögliche Schadenshöhe bestimmt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet (BVerwG, U. v. 10.7.2012 a. a. O. Rn. 16 m. w. N.).

Auf die vom Kläger genannte statistische Rückfallgefahr bei vorsätzlichen Tötungsdelikten von 1,0% bis 3,5% ist nicht abzustellen. Erstens betrifft diese Quote nur die Rückfallgefahr bezüglich vorsätzlicher Tötungsdelikte, nicht aber bezüglich anderer gefährlicher Gewaltdelikte, zweitens hat der Kläger den Totschlag unter dem Einfluss von Drogen begangen, die bei ihm zum Auftreten psychotischer Symptome und daraus resultierenden Gewaltdelikten führen können. Daher hat die vom Kläger zitierte allgemeine Rückfallquote vorliegend keine Aussagekraft. Aufgrund des Drogeneinflusses ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei dem Totschlag um eine einmalige Beziehungstat handelt, die weitere Gewaltdelikte ggf. unwahrscheinlich erscheinen ließe. Vielmehr ist die Tat auf den Drogenkonsum des Klägers zurückzuführen. Er hatte während der Tat Wahnvorstellungen und hat das Opfer nicht als seine Ehefrau, sondern als Teufel wahrgenommen. Dass seine Frau tatsächlich tot war, hat der Kläger nach eigenem Vortrag erst auf dem Polizeipräsidium realisiert. Bisher hat er keine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen. Die gerichtlich angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt begann am 2. November 2009 im Bezirksklinikum ... Die Stellungnahme des Klinikums vom 1. Oktober 2010 zeigt sich zwar noch positiv. Der Vorsatz des Klägers zur Drogenabstinenz wirke authentisch und gefestigt, Konflikte und Aggressionspotential seien bisher nicht zu registrieren gewesen. Der Kläger zeige gute Ansätze in der Deliktbearbeitung und glaubhafte Reue. Gedanklich befasse er sich sorgfältig mit einem für ihn passenden Rückfallvermeidungsplan. Der bisherige Therapieverlauf biete derzeit eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss der Therapie gemäß § 64 StGB. Der Kläger bedürfe jedoch dringend weiterer Therapie, es sei von einer Behandlungsdauer von mindestens zwei Jahren auszugehen. Nach diesem positiven Zwischenbericht wurde der Kläger allerdings bereits am 8. November 2011 in die JVA ... zurückverlegt, da er nach eigenem Vortrag erneut begonnen hatte, Drogen zu nehmen. Die in der Stellungnahme vom 1. Oktober 2010 prognostizierte weitere Behandlungsdauer von mindestens zwei Jahren wurde also nie erreicht. Während die JVA ... unter dem 8. Mai 2013 noch positiv Stellung bezog, berichtete sie in der jüngeren Stellungnahme vom 18. Juli 2014, dass das Vollzugsverhalten des Klägers nicht beanstandungsfrei sei und der Konsum von Tramal belege, dass er weiterhin unter erheblichem Suchtmitteldruck leide. Sozialtherapeutische Maßnahmen zur Bearbeitung der delinquenzfördernden persönlichkeitsimmanenten Problembereiche seien weiterhin indiziert, jedoch wegen der zeitlichen Rahmenbedingungen nicht mehr durchführbar. Sowohl die Gewalt- als auch die Suchtmittelproblematik seien noch nicht ausreichend bearbeitet. Die psychiatrische Abteilung der JVA ... geht unter dem 4. April 2013 davon aus, dass der Kläger in Freiheit wieder Drogen konsumieren werde, woraus eine große Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten psychotischer Symptome mit daraus resultierenden Gewaltdelikten folge. Aus alledem ergibt sich, dass beim Kläger eine nicht ausreichend behandelte Suchtmittelproblematik und ein hohes Aggressionspotential vorliegt. Daher muss davon ausgegangen werden, dass er auch in Freiheit wieder Drogen konsumieren wird, was eine erhebliche Gefahr der erneuten Begehung von Gewalttaten birgt. Dass - wie der Kläger vorträgt - sein Hemmungsvermögen bei der Tat gegenüber dem Durchschnitt der Personen, die keine psychische Störung i. S. d. § 20 StGB aufweisen, herabgesetzt gewesen sei und er dem Tatanreiz weniger Widerstand habe leisten können, ändert nichts an dieser Beurteilung, da die vorhandene Wiederholungsgefahr ja gerade darin begründet ist, dass der Kläger erneut Drogen nimmt und unter diesem Einfluss Gewaltdelikte begeht.

Ebenso ist es wahrscheinlich, dass der Kläger aufgrund seiner Suchtmittelproblematik weiterhin Betäubungsmitteldelikte begehen wird. Auch wenn seine ehemaligen Komplizinnen nicht mehr zur Verfügung stehen und der damalige Kundenstamm weggebrochen ist, besteht, solange die Suchtmittelproblematik beim Kläger nicht ausreichend behandelt ist, die Gefahr, dass er im Rahmen und zur Finanzierung seiner eigenen Sucht wieder in die Betäubungsmittelkriminalität einsteigt. Der nicht mehr vorhandene Kundenstamm hindert ihn nicht zwangsläufig daran, sich einen neuen aufzubauen. Aufgrund der nicht ausreichend behandelten Drogensucht wird die vom Kläger ausgehende Gefahr auch nicht durch seine Familie gehemmt.

bb) Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung für die Wahrung des bereits dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

Es besteht im Fall des Klägers ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist. Dies ist beim Kläger durch die Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 9 Monaten der Fall.

Darüber hinaus besteht auch ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG. Danach wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib und Leben oder mit List begangen worden ist. Dies ist beim Kläger der Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 9 Monaten, u. a. wegen Totschlags, der Fall.

Dem steht ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber, da der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

In der Abwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet. Seine Ausreise ist unerlässlich, um ein Grundinteresse der Gesellschaft zu wahren. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Dies sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner. Dabei sind die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen, noch müssen sie nur zugunsten des Ausländers ausfallen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, B. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - juris) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (VGH B-W, U. v. 13.1.2016, - 11 S 889/15 - juris; OVG NRW, U. v. 10.5.2016 - 18 A 610/14 - juris).

Insbesondere sollen in die Abwägung die Kriterien mit einbezogen werden, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) insoweit zu Art. 8 EMRK entwickelt worden sind: Art und Schwere der Straftat, Dauer des Aufenthalts im Gastland, seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und Verhalten des Ausländers in dieser Zeit, Staatsangehörigkeit der Betroffenen, familiäre Situation und Dauer einer etwaigen Ehe, etwaige Kenntnis des Ehegatten von der Straftat bei Aufnahme der Beziehung, etwaige aus der Ehe hervorgegangene Kinder, ihr Alter und das Maß an Schwierigkeiten, denen der Ehegatte und/oder die Kinder im Abschiebezielland begegnen können, sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Abschiebezielland (BT-Drs 18/4097, S. 49; EGMR, U. v. 12.1.2010 - 47486/06, , in Fortschreibung der Boultif/Üner Kriterien; OVG NRW, U. v. 22.3.2012, - 18 A 951/09 - juris).

Zunächst ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass ausgehend von den festgestellten und in den §§ 54, 55 AufenthG vom Gesetzgeber vertypten Bleibe- und Ausweisungsinteressen ein Gleichklang als jeweils „besonders schwerwiegend“ anzunehmen ist. Gründe, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles von den vertypten gesetzlichen Wertungen des Ausweisungs- bzw. Bleibeinteresses abzuweichen, bestehen nicht.

Die unter Einstellung sämtlicher berührter Belange vorzunehmende Abwägung ergibt, dass das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt. Dabei waren die von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Ihnen muss ein erhebliches Gewicht beigemessen werden. Der Kläger ist faktischer Inländer. Er ist im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen und hat in der JVA eine Berufsausbildung abgeschlossen. Der Kläger hat schützenswerte familiäre Bindungen im Bundesgebiet. Er ist mittlerweile verheiratet und Vater zweier minderjähriger deutscher Kinder. Auch seine Eltern und Geschwister leben in Deutschland.

Dennoch überwiegt angesichts der Schwere und der Art der begangenen Straftaten sowie der bestehenden Wiederholungsgefahr das öffentliche Ausreiseinteresse. Der Schutz der Bevölkerung vor Gewalttaten bis hin zu Tötungsdelikten sowie vor Betäubungsmittelkriminalität stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar, zu dessen Wahrung die Ausreise des Klägers erforderlich ist. Zwar ist die Ausweisung ein gravierender Eingriff in die familiären Beziehungen des Klägers zu seinen zwei deutschen Kindern, zu seiner Ehefrau sowie zu seinen Eltern und Geschwistern. Der Kläger ist jedoch volljährig und daher nicht mehr in besonderem Maße auf die Unterstützung und Hilfe seiner Eltern angewiesen. Die Eheschließung erfolgte erst nach der Tat, die Anlass für die Ausweisung ist, und damit in Kenntnis derselben. Ihr kann kein entscheidendes Gewicht zukommen, da sie in Kenntnis der unsicheren Aufenthaltsperspektive geschlossen wurde.

Es wird zugunsten des Klägers davon ausgegangen, dass eine familiäre Lebensgemeinschaft des Klägers mit seinen Kindern besteht. Während der Haft und der Zeit im Bezirksklinikum ... haben die Kinder des Klägers ihn regelmäßig besucht. Zu seinen Gunsten wird angenommen, dass sich der Kontakt zu den Kindern nach der Haftentlassung fortgesetzt und sogar intensiviert hat. Sämtliche vorhandenen Stellungnahmen zum Kindeswohl gehen davon aus, dass eine Beziehung zwischen dem Kläger und seinen Kindern bestehe, dass dem Kläger viel an seinen Kindern liege und dass seine Abschiebung derzeit nicht dem Kindeswohl entspreche. Insbesondere das ausführliche Sachverständigengutachten vom ... Dezember 2010 sowie die ergänzende Stellungnahme vom ... Februar 2011 kommen zu dem Ergebnis, dass die Abschiebung des Klägers nicht dem Wohl der Kinder dienlich sei und dass gerade für die Tochter des Klägers erhebliche Belastungen zu befürchten seien. Als Grund hierfür wird genannt, dass beiden Kindern die Auseinandersetzung mit der Tat und der Rolle des Vaters ermöglicht werden solle. Es sei wesentlich, dass sie das tatsächlich Geschehene begriffen und sich damit unter fachlicher Betreuung auseinandersetzten. Bei einer Abschiebung würde der Kläger im Falle eines therapeutischen Prozesses der Kinder nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen können. Beide Kinder hätten inzwischen zu ihrem Vater eine Beziehung aufgebaut. Aus alledem ergibt sich, dass die Abschiebung des Klägers sowohl für seine Kinder als auch für ihn selbst einen tiefgreifenden Eingriff darstellt. Dennoch ist mit Blick auf die erheblichen Straftaten und die vom Kläger ausgehende immense Wiederholungsgefahr für hochrangige Rechtsgüter dessen Abschiebung auch vor dem Hintergrund des Kindeswohls und der familiären Beziehung des Klägers zu seinen Kindern verhältnismäßig. Die vom Kläger begangenen Gewalt- und Betäubungsmitteldelikte sind besonders schwerwiegende Straftaten und dürfen daher in die Abwägung mit dem entsprechenden Gewicht eingestellt werden. Die Schwelle, nach der gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG das Ausweisungsinteresse besonders schwer wiegt, ist beim Kläger um das nahezu Fünffache überschritten. Die Schwelle des § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG ist unter Berücksichtigung der im Urteil des Landgerichts... vom ... Februar 2006 ausgewiesenen Einzelstrafe von 8 Jahren und sechs Monaten für den Totschlag sogar noch deutlicher überschritten.

Bezüglich des Kindeswohls ist zu sehen, dass dem Kläger durch das Amtsgericht ... das Sorgerecht für beide Kinder entzogen worden ist. Seine Kinder sind seit Mai 2005, also seit sie fünf Monate bzw. zwei Jahre alt sind, bei den Großeltern aufgewachsen, so dass diese für die Kinder die ersten und wichtigsten Bezugspersonen darstellen. Laut Gutachten vom ... Dezember 2010, das die Notwendigkeit der Verfügbarkeit des Vaters für eine therapeutische Aufarbeitung des Geschehenen durch die Kinder betont, scheinen beide Kinder des Klägers ihn nicht als Mitglied ihrer Kernfamilie und als Erziehungsperson zu erleben. Hieraus ergibt sich, dass die Anwesenheit des Klägers für die Kinder zwar ideal wäre, dass ihnen durch dessen Abschiebung aber auch nicht ihre engste und vertrauteste Bezugsperson genommen wird. Bezüglich der familiären Beziehungen zwischen dem Kläger und seinen Kindern ist zu berücksichtigen, dass die Eltern des Klägers laut seinen Angaben für das Gutachten vom ... Dezember 2010 etwa jedes Jahr in die Türkei reisen und bisher die Kinder immer mitgenommen haben. Trotz der Abschiebung bleibt dem Kläger also weiterhin die Möglichkeit, seine Kinder im Rahmen von Ferienaufenthalten zu sehen. Außerdem sind die Kinder mit heute zwölf und dreizehn Jahren in einem Alter, in dem auch Telefon- und Briefkontakt möglich ist, so dass die Abschiebung des Klägers zwar eine zeitlich begrenzte räumliche Trennung, aber kein vollständiges Abreißen des Kontakts zu seinen Kindern bedeuten muss. Die Ausweisung ist im Ergebnis also notwendig i. S. d. Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Der Status des Klägers als faktischer Inländer macht die Ausweisung nicht unverhältnismäßig. Der Kläger ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, hier bestehen seine wesentlichen sozialen, wirtschaftlichen und familiären Bindungen. Dennoch ist er nicht derart irreversibel in die deutschen Lebensverhältnisse eingefügt, dass ihm ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit unzumutbar wäre. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Integration des Klägers im Bundesgebiet ist zu berücksichtigen, dass er über keine gesicherte berufliche Position verfügt. Der Kläger beherrscht die türkische Sprache jedenfalls in ausreichendem Maße. Er hat für vier Jahre eine zweisprachige Klasse besucht und jahrelang bei seinen türkischen Eltern gelebt. Selbst wenn der Vortrag des Klägers, der langjährige Drogenkonsum habe zu einer Gedächtnisstörung und einem weitgehenden Vergessen der türkischen Sprache geführt, zuträfe, ist nicht davon auszugehen, dass er die Sprache vollständig vergessen hat. Vielleicht beherrscht der Kläger die türkische Sprache nicht mehr perfekt, aber doch jedenfalls soweit, dass er sich in der Türkei zurechtzufinden kann. Auch wenn der Kläger nach eigenen Angaben nicht viele Kontakte in die Türkei hat, so hat er dort doch Verwandte, zu denen nach eigenen Angaben Briefkontakt besteht. Es ist dem Kläger zuzumuten, diesen Kontakt ggf. zu intensivieren, um sich ein Leben in der Türkei aufzubauen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände erweist sich die Ausweisung und die damit verbundene zeitliche Trennung des Klägers von seiner Familie in Deutschland als verhältnismäßig und damit rechtmäßig.

Nach alledem ist die Ausweisung des Klägers zur Bekämpfung der von ihm ausgehenden hohen Gefahr der Begehung weiterer schwerer Straftaten nicht nur geeignet und erforderlich, sondern auch im engeren Sinne verhältnismäßig und damit unerlässlich.

b) Die Abschiebung aus der Haft heraus (Nr. 2 des Bescheids) beruht auf § 58 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Nr. 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist eine Frist zur freiwilligen Ausreise von vier Wochen ab Bestandskraft (Nr. 3 des Bescheids) angemessen, vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

c) Die Befristungsentscheidung in Nr. 5 des Bescheids ist ebenso rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Ausweisung hat nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt. Die Befristung dieser Wirkungen, die sich allein nach präventiven Gesichtspunkten bestimmt, ist nach § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen (vgl. Maor in BeckOK, AuslR, Stand 1.5.2015, § 11 AufenthG Rn. 17). Es bedarf einer Einzelfallprognose, wie lange das Verhalten des Klägers das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die Länge der Frist muss sich aber auch an höherrangigem Recht messen lassen. Die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK sind zu berücksichtigen, so dass die schutzwürdigen Belange des Klägers und die Folgen der Ausweisung für seine Angehörigen in die Befristungsentscheidung einzubeziehen sind (vgl. zu dem Ganzen BVerwG, U. v. 10.7.2012 a. a. O. Rn. 42 f.; VG München, U. v. 13.2.2014 - M 10 K 13.2626 - juris Rn. 48).

Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Frist von sieben Jahren nicht zu beanstanden. Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist ist vorliegend bedeutungslos, weil der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde und außerdem von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (s.o). Aufgrund des immens hohen Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter wäre - ohne Berücksichtigung der familiären und persönlichen Bindungen des Klägers an das Bundesgebiet - auch eine höher bemessene Frist zur Erreichung des Zwecks der Aufenthaltsbeendigung gerechtfertigt. Da sich die Frist aber an den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 6 GG und Art. 8 EMRK messen lassen muss, ist unter Berücksichtigung der familiären und persönlichen Bindungen des Klägers eine Frist von sieben Jahren nicht zu beanstanden.

3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen.

(2) Die Tatsachen, die ergeben, dass die Klage vor Ablauf der Notfrist erhoben ist, sind glaubhaft zu machen.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen.

(2) Werden beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben, so ist die Verhandlung und Entscheidung über die Restitutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

IV. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen seine Ausweisung in dem Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2014 weiter.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergibt sich kein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ordnungsgemäß dargelegt worden.

1. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.

Der Kläger trägt hierzu vor, das Verwaltungsgericht sei bei Erlass des angefochtenen Urteils nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Seine Bevollmächtigte habe am 6. September 2016 die Verlegung der für den 8. September 2016 angesetzten mündlichen Verhandlung beantragt, was die Vorsitzende Richterin mit Schreiben vom 7. September 2016 abgelehnt habe. Die Bevollmächtigte habe darauf am 7. September 2016 die Vorsitzende wegen Befangenheit abgelehnt. Das Ablehnungsgesuch habe die Kammer unter Mitwirkung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin abgelehnt, ohne der Bevollmächtigten zuvor deren dienstliche Stellungnahme zuzuleiten, wodurch die mitwirkenden Richter das rechtliche Gehör verletzt hätten. Sie habe deshalb am 8. September einen erneuten Befangenheitsantrag gegen alle drei mitwirkenden Richter gestellt, den die Kammer in der mündlichen Verhandlung, wiederum unter Mitwirkung der drei abgelehnten Richter, ebenfalls verworfen habe. Die „Selbstentscheidung“ über das Ablehnungsgesuch sei jedoch unzulässig gewesen, so dass das Gericht bei der Entscheidung über die Klage fehlerhaft besetzt gewesen sei.

Jedoch stellt nur die Mitwirkung eines nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41, § 45 ZPO ausgeschlossenen oder erfolgreich abgelehnten Richters einen Verfahrensmangel dar, der nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO die Zulassung der Berufung (sowie der Revision, § 138 Nr. 2 VwGO) begründen kann. Macht ein Rechtsmittelführer dagegen geltend, sein Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht abgelehnt worden, kann er damit die Zulassung der Berufung nach dieser Bestimmung grundsätzlich nicht erreichen, denn ein derartiger Verfahrensmangel unterliegt nicht der Beurteilung durch das Berufungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 512 ZPO); Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen sind nämlich nach der ausdrücklichen Regelung in § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Eine Ausnahme besteht insoweit nur dann, wenn die Entscheidung über die Ablehnung zugleich gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt; dies ist jedoch nicht schon bei jeder fehlerhaften Rechtsanwendung der Fall, sondern nur dann, wenn die Entscheidung objektiv willkürlich ist. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfG, B.v. 18.12.2007 - 1 BvR 1273/07 - juris Rn. 10 f.; BVerwG, B.v. 15.5.2008 - 2 B 77/07 - juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 9.11.2001 - 6 B 59/01 - juris Rn. 8; Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 54 Rn. 128 ff.; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 54 Rn. 28).

Nach diesen Maßstäben liegt kein die Zulassung der Berufung rechtfertigender Verfahrensmangel vor; die Verwerfung der beiden klägerischen Ablehnungsgesuche durch das Verwaltungsgericht war nicht willkürlich.

Das (erste) Befangenheitsgesuch vom 7. September 2016 gegen die Vorsitzende Richterin wurde damit begründet, dass diese dem Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 8. September 2016 nicht entsprochen hatte. Die Bevollmächtigte des Klägers war der Meinung, die Ablehnung der Terminsverlegung sei rechtswidrig, da ihr die Teilnahme an dem Termin unzumutbar sei, weil sich die Gewährung von Prozesskostenhilfe „verzögere“. Dieses Befangenheitsgesuch lehnte die Kammer unter Mitwirkung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin mit Beschluss vom 7. September 2016 als unzulässig ab, weil das Vorbringen von vornherein ersichtlich ungeeignet sei, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Verständiger Anlass zu einem aus der Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags hergeleiteten Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters bestehe erst dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorlägen, die Zurückweisung eines solchen Antrags für die betroffene Partei schlechthin unzumutbar sei und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzen würde oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdränge. Derartige Umstände seien hier nicht im Ansatz zu erkennen, da die Klägerseite zu keiner Zeit erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung vorgetragen habe. Insbesondere sei das Prozesskostenhilfeverfahren durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juni 2016 abgeschlossen gewesen; daran könne auch das nachträgliche Ablehnungsgesuch und die Anhörungsrüge nichts ändern.

Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts sind nicht willkürlich, sondern nachvollziehbar. Ein erheblicher Grund für eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung war in dem Schreiben vom 6. September 2016 nicht dargelegt; die Vorsitzende Richterin hat den Antrag mit einem ausführlich begründeten Schreiben vom 7. September 2016 abgelehnt und dabei unter anderem auch darauf hingewiesen, dass sich die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht verzögere, sondern dass das Verfahren durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juni 2016 bereits abgeschlossen sei. Da die Anhörungsrüge des Klägers gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel darstellt und weder einen Devolutiv- noch einen Suspensiveffekt entfaltet, ist dieser Beschluss auch in formelle Rechtskraft erwachsen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 152a Rn. 2 m.w.N.).

Das Verwaltungsgericht konnte das Ablehnungsgesuch auch unter Mitwirkung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin als unzulässig ablehnen; es war rechtsmissbräuchlich, weil das Gesuch nur mit solchen Umständen begründet wurde, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen konnte (BVerfG, B.v. 18.12.2007 - 1 BvR 1273/07 - juris Rn. 19; BVerwG, B.v. 21.8.2017 - 8 PKH 1/17 - juris Rn. 5).

Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für das (zweite) Befangenheitsgesuch vom 8. September 2016 gegen die drei Berufsrichter der erkennenden Kammer. Dieses wurde damit begründet, dass diese über das erste Befangenheitsgesuch entschieden hätten, ohne die Bevollmächtigte des Klägers zur dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Vorsitzenden Richterin anzuhören; eine derartige Verletzung des rechtlichen Gehörs begründe stets die Besorgnis der Befangenheit. Auch dieses Befangenheitsgesuch hat die entscheidende Kammer unter Mitwirkung der drei abgelehnten Berufsrichter in der mündlichen Verhandlung am 8. September 2016 als unzulässig abgelehnt; zur Begründung wurde angegeben, der Umstand, dass diese das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin abgelehnt hätten, sei von vornherein ersichtlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen.

Auch in diesem Fall ist die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig trotz der kurzen Begründung nicht willkürlich. Der Umstand, dass der Klägerseite keine dienstliche Äußerung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin zugeleitet worden ist (54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO), verletzt weder das rechtliche Gehör noch begründet er die Besorgnis der Befangenheit begründet. Die dienstliche Äußerung dient der weiteren Sachaufklärung; sie ist verzichtbar, wenn der Sachverhalt geklärt ist (BVerwG, B.v. 8.3.2006 - 3 B 182/05 - juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 25.7.2008 - 3 B 69/08 - juris Rn. 4). Dies war hier der Fall. Die Missbräuchlichkeit des Ablehnungsgesuch ergibt sich im Übrigen auch aus dem letzten Satz des Schreibens vom 8. September 2016, wonach die Bevollmächtige des Klägers es als „anerkennenswertes Ziel eines Befangenheitsantrages“ ansieht, „mit ihm eine Vertagung erreichen zu wollen“.

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb der Frist von zwei Monaten dargelegt worden. Das vollständige Urteil wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 13. Januar 2017 zugestellt, die Begründungsfrist lief daher am 13. März 2017 ab.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hat die Bevollmächtigte des Klägers erstmals in dem Schreiben vom 21. Januar 2018 geltend gemacht. Eine derartige „nachträgliche Erweiterung der Begründung des Berufungszulassungsantrags“ ist nicht zulässig. Die Zulassungsgründe können nach Ablauf der Begründungsfrist nur noch ergänzt werden, soweit der konkrete zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt worden ist. So kann ein rechtzeitig geltend gemachter und dargelegter Zulassungsgrund nach Ablauf der Begründungsfrist noch weiter ausgeführt werden; der Vortrag neuer, selbständiger Zulassungsgründe nach Ablauf der Frist ist jedoch ausgeschlossen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 53; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 133).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren war abzulehnen, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung aus den dargelegten Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen seine Ausweisung weiter.

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 31. Juli 2014 ausgewiesen, nachdem ein erster Ausweisungsbescheid vom 5. März 2009 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. Februar 2010 aufgehoben worden war. Anlass für die Ausweisung war seine Verurteilung durch das Landgericht Landshut vom 7. Februar 2006 wegen Totschlags und mehrerer Fälle des Handeltreibens mit und der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 9 Monaten. Der Kläger erhob am 27. August 2014 Anfechtungsklage. Mit Beschluss vom 2. Juni 2015 lehnte das Verwaltungsgericht den gleichzeitig mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten ab, da keine hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage gegeben seien. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Senats vom 6. Juni 2016 (10 C 15.1347) zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 6. September 2016 an das Verwaltungsgericht bat die Bevollmächtigte des Klägers, „wohlwollend zu prüfen“, ob in Anbetracht der Ausführungen in einem vorangegangenen Schreiben nunmehr Prozesskostenhilfe bewilligt werden könne.

Mit in der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss vom 8. September 2016 lehnte das Verwaltungsgericht den erneuten Antrag auf Prozesskostenhilfe ab. Es fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil gegenüber dem abgeschlossenen Verfahren keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte vorgetragen worden seien. Außerdem sei er auch unbegründet, da die Klage weiterhin keine hinreichenden Erfolgsaussichten habe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, nach der Rücknahme der Ausweisungsverfügung von 2009 habe der Beklagte die Zustimmung zur Hauptsacheerledigung und somit einen Verzicht auf den Erlass einer erneuten Ausweisungsverfügung erklärt, weshalb der streitgegenständliche Bescheid nicht hätte erlassen werden dürfen.

II.

Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 VwGO) ist unbegründet.

Es kann hier offenbleiben, ob für den erneuten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, weil gegenüber dem Beschluss des Senats vom 6. Juni 2016 keine neuen Tatsachen oder neuen rechtlichen Gesichtspunkte vorgetragen worden seien.

Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO weiterhin nicht vor. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, weil gegen die Ausweisung voraussichtlich keine rechtlichen Bedenken bestehen.

Bereits in dem Beschluss des Senats vom 6. Juni 2016 ist ausführlich dargelegt, dass es sich bei dem Erlass der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung vom 31. Juli 2014 nicht um eine Rücknahme der Aufhebungsentscheidung vom 10. Februar 2010 handelte, und es nie beabsichtigt war, die erste Ausweisungsverfügung vom 5. März 2009 wieder aufleben zu lassen. Bei dem Bescheid vom 31. Juli 2014 handelt es sich gegenüber demjenigen vom 5. März 2009 um einen völlig eigenständigen, erneuten Verwaltungsakt mit einer neuen Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen und neuen Ermessenserwägungen. Auch war der Beklagte nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes an der erneuten Ausweisung gehindert, da der Kläger keineswegs darauf vertrauen konnte, dass der Beklagte nach der Aufhebung des ersten Ausweisungsbescheids in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 seine Ausweisung nicht weiter betreiben würde.

Der Kläger vertritt nunmehr in diesem Zusammenhang die Ansicht, durch die „Erledigterklärung“ im Anschluss an die Aufhebung der Ausweisungsverfügung in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 habe der Beklagte ein prozessuales Anerkenntnis im Sinn von § 307 ZPO abgegeben und somit einen Verzicht auf eine künftige Ausweisung bei unveränderter Sach- und Rechtslage erklärt. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2010 (Bl. 343 ff. der Behördenakte) können keine Anhaltspunkte für eine derartige Würdigung der Erklärung des Beklagten entnommen werden. Wie bereits in dem Beschluss des Senats vom 6. Juni 2016 ausgeführt, hat der Beklagte die Ausweisungsentscheidung vom 5. März 2009 wegen erkannter Defizite (vgl. die Ausführungen in dem Beschluss über die Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 1.2.2010 im damaligen Verfahren M 23 K 09.1219) in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage aufgehoben und im Anschluss sogleich mit Ermittlungen insbesondere zu den Auswirkungen einer Ausweisung des Klägers auf das Wohl seiner beiden Kinder begonnen. In der Zustimmungserklärung des Beklagten zur Erledigterklärung der Klageseite ist keine materiellrechtliche Erklärung zu erkennen, auch in Zukunft (bei unveränderter Sach- und Rechtslage) keine erneute Ausweisungsverfügung mehr zu erlassen. Wollte man ein Anerkenntnis im Sinn des § 307 Satz 1 ZPO annehmen, so könnte sich dieses nur auf die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids beziehen, nicht aber auf den Verzicht auf den Erlass eines erneuen Ausweisungsbescheides).

Auch im Übrigen bestanden gegen den Ausweisungsbescheid vom 31. Juli 2014 keine rechtlichen Bedenken, die für die Anfechtungsklage hinreichende Erfolgsaussichten begründen hätten können. Insoweit wird auf den Beschluss des Senats vom 6. Juni 2016 Bezug genommen; eine Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt ist insoweit nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfallende Gebühr streitwertunabhängig ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.