Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beklagte genehmigte 2004 auf dem Grundstück FlNr. ..., Gemarkung E ..., eine „Wellness- und Relaxvilla“. Die Bordellnutzung wurde im Dezember 2009 aufgegeben. Entsprechend einer gerichtlichen Einigung wurde mit Bescheid vom 27. Mai 2013 eine Tektur zur Errichtung eines Bordells mit Wellness- und Relaxcenter genehmigt; die Gesamtnutzfläche wurde dabei von 307,54 m² auf 589,53 m² erweitert. Den im Zuge der Baumaßnahme gestellten Antrag der Klägerin auf Nutzungsänderung der Betreiberwohnung zur Erweiterung der Wellness-Relax-Fläche lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Oktober 2014 ab. Laut Betriebsbeschreibung umfasse die Nutzungsänderung eine Grundfläche von 109,44 m², wovon 84,25 m² für Buffet und Essen vorgesehen seien. Durch die zusätzliche Flächenerweiterung erreiche die Nutzungseinheit Wellness- und Relaxcenter mit Bordell einen Umfang, der auch im Hinblick auf die weiteren bordellartigen Betriebe nicht mehr mit dem Gebietscharakter des Gewerbegebiets vereinbar sei. In dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. März 2016 wird ausgeführt, dass das klägerische Vorhaben in dem faktischen Gewerbegebiet nach der Art der Nutzung grundsätzlich zulässig sei, da es sich bei Bordellen bzw. bordellartigen Betrieben um Gewerbebetriebe aller Art im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO handele. Das Vorhaben sei aber nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne sich bei Bordellen eine mit der Eigenart des Gewerbebetriebes nicht zu vereinbarende Anzahl dann ergeben, wenn in dem Gebiet bereits ein solcher Betrieb oder gar eine Mehrzahl vorhanden sei. Bordelle bzw. bordellartige Betriebe befänden sich auf dem klägerischen Grundstück sowie mindestens auf drei weiteren Anwesen in der näheren Umgebung. Das Gericht gehe davon aus, dass die Schwelle, ab der der sog. trading-down-Effekt eingreife, im Gewerbegebiet D ...- ... erreicht bzw. überschritten sei. Unter § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sei auch die vorliegende Konstellation zu subsumieren, dass der Bordellbetrieb in nicht unerheblicher Weise vergrößert und intensiviert und damit in seiner Qualität verändert und für die Kunden attraktiver werde.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem klägerischen Vorhaben um die Erweiterung eines Bordells handelt, das als Gewerbebetrieb aller Art im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO im Gewerbegebiet grundsätzlich zulässig ist. Es hat weiter zutreffend festgestellt, dass mit mindestens vier Bordellbetrieben im Gewerbegebiet D... ...- ... die Schwelle, ab der es zu einer mit einer Niveauabsenkung verbundenen Strukturveränderung des Gebiets kommen kann (sog. trading-down-Effekt), bereits erreicht ist und der trading-down-Effekt durch eine Vergrößerung des klägerischen Betriebs verstärkt würde.

Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 14. Mai 2014 und 19. Oktober 2015 (1 ZB 13.886 – juris, 1 B 15.886 – NVwZ 2016, 706) noch offen gelassen, ob Bordelle bzw. bordellartige Betriebe als Gewerbebetriebe oder Vergnügungsstätten anzusehen sind. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist mittlerweile geklärt, dass ungeachtet der Neubestimmung des Verhältnisses von Vergnügungsstätten und Gewerbebetrieben durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung vom 23. Januar 1990 (BGBl I S. 127) Bordelle oder bordellähnliche Betriebe „Gewerbebetriebe aller Art“ im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind. Maßgeblich für diese Rechtsprechung ist nicht die Motivation der Besucher, sondern sind die städtebaulich bedeutsamen Begleiterscheinungen der Prostitutionsausübung in Bordellen. Bordellbetriebe sind Einrichtungen, für die sich im Hinblick auf die sich aus dem „Milieu“ ergebenden Begleiterscheinungen eher ein Standort eignet, der außerhalb oder allenfalls am Rande des „Blickfeldes“ und der Treffpunkte einer größeren und allgemeinen Öffentlichkeit liegt und auch nicht in der Nachbarschaft von Wohnungen (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.2015 – 4 B 32.15 – NVwZ 2016, 151; U.v. 25.11.1983 – 4 C 21.83 – BVerwGE 68, 213). Da das Bundesverwaltungsgericht für die Einstufung der Bordelle nach der Art der Nutzung auf die milieutypischen Begleiterscheinungen abstellt, kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob in dem Bordell – wie vorliegend – zusätzliche Angebote wie Wellness-Oase, Sauna, verschiedene Speisen und Getränke gemacht werden (vgl. zu Zusatzangeboten, Stühler, Prostitution und öffentliches Baurecht, BauR 2010, 1013, 1021; offen gelassen in VGH BW, B.v. 5.3.2012 – 5 S 3239/11 – juris Rn. 8).

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO können Bordellbetriebe im Einzelfall im Gewerbegebiet unzulässig sein, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein Bordell der Eigenart eines Gewerbegebietes widersprechen kann, wenn in dem Gebiet bereits ein solcher Betrieb oder gar eine Mehrzahl vorhanden sind (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1983, a.a.O.), hat das Verwaltungsgericht zunächst festgestellt, dass mit dem genehmigten klägerischen Vorhaben und mindestens drei weiteren Bordellen bzw. bordellartigen Betrieben in der näheren Umgebung die Schwelle, ab der der sog. trading-down-Effekt eintritt, erreicht bzw. überschritten ist. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 14. Mai 2014 zu dem vorliegenden Gewerbegebiet ausgeführt, dass im Hinblick auf jedenfalls drei bestehende, genehmigte Bordelle (das klägerische Bordell war nicht in die Berechnung einbezogen) vom Vorliegen eines sog. trading-down-Effekts auszugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 14.5.2014 - 1 ZB 13.886 – juris Rn. 4). Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Konzentration von Bordellbetrieben wie auch von Vergnügungsstätten eine Gebietsabwertung („trading-down-Effekt“) auslösen kann. Es besteht dabei die begründete Besorgnis, dass angesichts des vermehrten Hinzukommens von Bordellen oder Vergnügungsstätten die anderen Nutzungen, die die nähere Umgebung prägen, abzuwandern oder verdrängt zu werden drohen (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2008 – 4 BN 9.08 – BauR 2009, 76; BayVGH, U.v. 12.12.2013 – 15 N 12.1020 – juris Rn. 21). Diese Entwicklung ist einerseits gekennzeichnet durch eine Konkurrenzsituation zwischen Betrieben mit typischerweise geringem Investitionsbedarf und vergleichsweiser hoher Ertragsstärke sowie „normalen“ Gewerbebetrieben mit deutlich höherem Investitionsbedarf und geringerer Ertragsstärke. Hierdurch kommt es tendenziell zu einer Erhöhung der Grundstücks- und Mietpreise und damit zu einer Verdrängung von Gewerbebranchen mit schwächerer Finanzkraft. Andererseits besteht die Gefahr, dass sich das Gebiet für die gewünschte Nutzung als unattraktiv erweist, weil sie auf eine aus ihrer Sicht nachteilige Vorprägung des Gebiets trifft (OVG RhPf, B.v. 27.8.2009 – 8 A 10480/09 – juris Rn. 14). Ein trading-down-Effekt und eine Unzulässigkeit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO kann sich aus den genannten Gründen aber nicht nur aus der Anzahl der Bordellbetriebe, sondern auch aus deren Umfang ergeben. So hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 4. September 2008 (a.a.O.) ausgeführt, dass sich die Frage, ob ein trading-down-Effekt zu bejahen ist, nicht (nur) nach quantitativen Faktoren beurteilt. Entscheidend sind die konkreten Umstände der städtebaulichen Konfliktlage. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Bordellbetrieb mit der beantragten Erweiterung in nicht unerheblicher Weise vergrößert und intensiviert wird und sich mit diesem Umfang negativ auf die Umgebung auswirken kann. Die von der Klägerin dagegen vorgebrachten Argumente sind nicht stichhaltig.

Soweit die Klägerin zunächst geltend macht, dass das Verwaltungsgericht die Wiederaufnahme eines vorübergehend eingestellten genehmigten bordellartigen Betriebes mit der Neuaufnahme eines weiteren Bordells gleichgesetzt habe und diese Argumentation fehlerhaft sei, hat das Gericht einen derartigen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz nicht aufgestellt. Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass sich auf dem klägerischen Grundstück ein Bordell befindet, das als bestehendes, genehmigtes, wenn auch derzeit nicht betriebenes Vorhaben erweitert werden soll und in dieser Konstellation nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig sei (UA S. 12, 13). Soweit das Gericht im Folgenden die tatsächliche Situation beschrieben hat, dass derzeit keine Bordellnutzung stattfindet, hat es vermieden, hieraus rechtliche Konsequenzen zu ziehen („Jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht ...“), sondern hat maßgeblich auf die Vergrößerung des Bordellbetriebs abgestellt. Das Verwaltungsgericht ist auch nicht von einer neu hinzukommenden Bordellnutzung durch das klägerische Vorhaben ausgegangen, indem es auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.11.1983 – 4 C 21.83 – BVerwGE 68, 213) Bezug genommen hat. Es hat damit nur begründet, dass bereits ein trading-down-Effekt vorliegt, und von dieser Ausgangslage die Erweiterung des Bordellbetriebes beurteilt. Im Übrigen würde, selbst wenn man davon ausgeht, dass das Gericht einen entsprechenden Rechtssatz aufgestellt hat, damit nur eine von mehreren selbständig tragenden Begründungen angegriffen (vgl. UA S. 13 „Unabhängig davon ...). Ist das Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und auch vorliegt (BVerwG, B.v. 8.8.2008 – 9 B 31.08 – juris Rn. 7).

Eine Verstärkung des bereits eingetretenen trading-down-Effekts durch die beantragte Nutzungsänderung liegt nach Auffassung der Klägerin nicht vor, da ein vermehrter Besucherandrang durch die beantragte Flächenerweiterung und das Imbissangebot nicht zu erwarten sei; die Zimmeranzahl für die sexuellen Dienstleistungen habe sich nicht erhöht und die Ausübung sexueller Handlungen sei auf die Arbeitszimmer beschränkt. Dabei verkennt sie, dass es sich bei dem Bordell mit Wellness- und Relaxcenter um eine Einheit handelt. Nach der Betriebsbeschreibung wird ein Saunabetrieb zum Relaxen mit Essen und Trinken vom Buffet angeboten; die männlichen und weiblichen Besucher (die weiblichen Besucher sind die Prostituierten) können in den fünf Arbeitszimmern persönliche Entspannung suchen. Mit der Flächenmehrung wird, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, der Bordellbetrieb insgesamt größer und attraktiver, was zu einer gesteigerten Nachfrage führen soll. Es kommt nicht entscheidend auf die gleichbleibende Zahl der Arbeitszimmer an, sondern auf die gesteigerte Nutzungsmöglichkeit und -häufigkeit der Einrichtung. Ein negativer Vorbildcharakter wird, wie die Klägerin meint, nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Nutzungsänderung nach außen nicht erkennbar ist. Zum einen werden die Einzelheiten des Bordellbetriebs üblicherweise im Internet beworben, zum anderen dürfte es auch bei dieser Betriebsart gängige Praxis sein, dass sich konkurrierende Betriebsinhaber einen (persönlichen) Eindruck verschaffen. Soweit geltend gemacht wird, dass eine Fläche von über 600 m² für ein Gewerbegebiet als gewöhnlich zu erachten sei, wird die Zulässigkeit der baulichen Anlage nach dem Umfang im Sinn von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht allein durch die baulich-technische Gestaltung und Ausdehnung bestimmt, sondern auch durch den Benutzerkreis und die sonstigen Folgewirkungen (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 1. Mai 2017, § 15 BauNVO Rn. 17). Wie die Beklagte in ihrem Ablehnungsbescheid zutreffend ausgeführt hat, stellt die Klägerin mit ihrem Betriebskonzept und angesichts mindestens drei weiterer Bordellbetriebe im Gewerbegebiet auf einen überörtlichen Einzugsbereich ab. Mit der sukzessiven Vergrößerung der Nutzfläche seit der ersten Baugenehmigung würde die Klägerin nunmehr eine Größe erreichen, die die städtebauliche Situation in Bezug auf das Entstehen eines auch für einen überörtlichen Kundenkreis bestimmten „Rotlichtviertels“ verschlechtert. Bei gewerblicher Prostitution ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung mit milieutypischen Begleiterscheinungen wie Belästigungen durch alkoholisierte oder unzufriedene Kunden, organisierter Kriminalität, Menschen- und Drogenhandel, ausbeutender Zuhälterei, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Verstößen gegen das Waffenrecht, Gewaltkriminalität bis hin zu Tötungsdelikten zu rechnen (vgl. OVG Hamburg, U.v. 6.5.2015 – 2 Bf 2/12 – juris Rn. 55; bestätigt durch BVerwG, B.v. 2.11.2015 – 4 B 32.15 – NVwZ 2016, 151). Die Verstärkung des trading-down-Effekts tritt nicht durch die Wiederaufnahme des Bordellbetriebes auf, die entsprechend der Wirksamkeit der erteilten Baugenehmigung (Art. 69 Abs. 1 BayBO) möglich ist, sondern durch die beabsichtigte Erweiterung.

Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO oder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die Klägerin stellt hierbei jeweils auf die Frage ab, ob die Wiederaufnahme eines vorübergehend eingestellten genehmigten bordellartigen Betriebes mit der Neuaufnahme eines weiteren Bordells gleich zu setzen sei, auf die es aus den genannten Gründen nicht entscheidungserheblich ankommt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen‚ da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

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(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. (2) Zulässig sind1.Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder W

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(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen wurde. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte er eine Reduzierung der von ihm für das Jahr 2001 geforderten Abgaben für ein ärztliches Versorgungswerk angestrebt.

2

1. § 20 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung in der Fassung vom 1. April 2000 verpflichtet jedes Mitglied zur Leistung von Versorgungsabgaben, sofern Einkünfte aus ärztlicher Berufsausübung erzielt werden. Als allgemeine Versorgungsabgabe ist eine "Normalabgabe" zu zahlen, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung dem höchsten Pflichtbeitrag zur Angestelltenversicherung im gleichen Jahr entspricht. Als Mindestabgabe ist der 0,2-fache Betrag der Normalabgabe zu zahlen. In ständiger Verwaltungspraxis mussten im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglieder, deren Einkommen 2.000 DM pro Monat unterschritt, nur einen reduzierten Versorgungsbeitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes der Rentenversicherung der Angestellten erbringen (im Folgenden: Härtefallregelung).

3

Im Jahr 2001 belief sich der höchste Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Angestellten auf 1.661,70 DM (849,61 €).

4

2. Der Beschwerdeführer ist Arzt und war aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Ärztekammer, der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) auch Mitglied der von ihr eingerichteten Ärzteversorgung.

5

Auf Grundlage eines Honorarvertrags war der Beschwerdeführer ab Juli 2000 als Bereitschaftsarzt für eine Privatklinik tätig. Da er zunächst weniger als 2.000 DM pro Monat verdiente, beantragte er bei der Beklagten eine Beitragsreduzierung auf Basis der Härtefallregelung, die diese mit Bescheid von Februar 2001 ab Januar 2000 gewährte. Für den Zeitraum ab Januar 2001 setzte die Beklagte gegenüber dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der Härtefallregelung einen monatlichen Beitrag von 81,20 DM fest. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Bereitschaftsarzt endete mit Ablauf des Monats Oktober 2001. Das letzte Honorar wurde im November 2001 ausgezahlt. Für den Rest des Jahres 2001 erzielte der Beschwerdeführer keine Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit mehr.

6

a) Nachdem der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vorgelegt hatte, aus dem sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.291 DM (10.374,62 €) ergaben, setzte die Beklagte im Mai 2003 für das Jahr 2001 bezüglich der Monate Januar bis Oktober 2001, ausgehend vom 0,2-fachen der Normalabgabe, einen monatlichen Beitrag von jeweils 169,92 € fest. Unter Berücksichtigung bereits gezahlter Beiträge und vorhandener Guthaben forderte sie vom Beschwerdeführer zugleich eine Nachzahlung in Höhe von 1.206,79 €. Der gegen die Höhe der Abgabe gerichtete Widerspruch des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

7

b) Mit seiner daraufhin erhobenen Klage verlangte der Beschwerdeführer eine Reduzierung des Nachzahlungsbetrags auf 485,52 €, weil er der Härtefallregelung unterfalle. Sein monatliches Einkommen unterschreite die Grenze von 2.000 DM, weil das erst im November 2001 ausgezahlte Honorar nicht mehr als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

8

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe die Versorgungsabgaben für 2001 in der zutreffenden Höhe festgesetzt. Die Härtefallregelung könnte nicht zugunsten des Beschwerdeführers angewendet werden, weil sein monatliches Einkommen mehr als 2.000 DM pro Monat betragen habe. Abzustellen sei auf das Einkommen, das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebe. Weder habe der Beschwerdeführer belegen können, dass in den im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünften auch Einkommen aus dem Jahr 2000 enthalten sei, noch komme es für das von Januar bis Oktober 2001 erarbeitete Einkommen auf den Zeitpunkt des Zuflusses an. Da nur für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit Abgaben zu leisten seien, habe die Beklagte den 2001 verdienten Betrag auch richtigerweise lediglich auf 10 statt auf 12 Monate verteilt.

9

c) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung. Er berief sich hierbei ausdrücklich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Verwaltungsgericht sei nicht befugt gewesen, das ihm erst im November zugeflossene Einkommen zu berücksichtigten, weil es auf den Zufluss des Entgelts während der Dauer der Beschäftigung ankomme. Weiter sei zu erwähnen, dass die Beklagte ihre Forderung auch bei Anwendung des Entstehungsprinzips nicht begründen könne; denn in diesem Fall müssten von seinen einkommensteuerrechtlich für das Jahr 2001 ermittelten Einkünften aus selbständiger Arbeit seine während der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschafteten Honorare in Höhe von 985,50 DM abgezogen werden, wodurch nur noch Jahreseinkünfte von 19.305 DM verblieben. Dies führe ebenfalls zur Anwendung der Härtefallregelung. Der Beschwerdeführer bezog sich dabei auf bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Unterlagen. Seinem Schriftsatz war darüber hinaus als Anlage ein von Januar 2010 datierendes Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Klinik, für die er tätig gewesen war, beigefügt, aus dem sich ergab, dass der Beschwerdeführer im Monat Dezember 2000 am 2., 9., 25., 28. und 31. Dezember Dienste absolviert hatte.

10

d) Das Oberverwaltungsgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Die Berufung sei nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zuzulassen, weil ein Divergenzfall nicht gegeben sei. Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nicht. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei sowohl mit Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der Satzung vereinbar. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sein Einkommen im Jahr 2001 beträfen, seien in Bezug auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht entscheidungserheblich. Nichts anderes ergebe sich, wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass er insoweit ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung habe geltend machen wollen; denn in diesem Fall sei durch die bloße Vorlage eines Honorarvertrags nicht nachgewiesen, dass im Januar 2001 Honorare für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit gezahlt worden seien.

11

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

12

a) Die Nichtzulassung der Berufung verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, hilfsweise gegen Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als allgemeines Prozessgrundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sei erfüllt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Falsch sei schon, dass das Gericht auf das Entstehungsprinzip abgestellt habe, denn maßgebend sei das Zuflussprinzip. Das ihm erst im November 2001 zugegangene Honorar dürfe daher nicht mitberücksichtigt werden. Selbst bei Anwendung des Entstehungsprinzips müsse aber zu seinen Gunsten die Härtefallregelung eingreifen; auch dann liege sein durchschnittliches Monatseinkommen während des maßgeblichen Zeitraums unter der Grenze von 2.000 DM. Es müsse nämlich das Honorar, das in der zweiten Dezemberhälfte des Jahres 2000 von ihm erwirtschaftet worden sei, aus dem Einkommen, das sich aus dem Steuerbescheid 2001 ergebe, herausgerechnet werden.

13

b) Auch die Ablehnung der weiteren Zulassungsgründe verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Im Übrigen verletze die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Art. 3 Abs. 1 GG als Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot.

14

4. Der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin und der Ärztekammer Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.

16

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2010 verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG.

17

a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; stRspr). Die Vorschrift erfordert zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Sehen die prozessrechtlichen Vorschriften - wie §§ 124, 124a VwGO - die Möglichkeit vor, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Vor diesem Hintergrund dürfen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils immer schon dann erfüllt, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15).

18

b) Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht verkannt und den Zugang des Beschwerdeführers zur Berufungsinstanz dadurch in unzumutbarer Weise verkürzt.

19

aa) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist schon der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO komme nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer nicht "nachgewiesen" habe, dass im Januar 2001 gezahltes Honorar auch Einkommen für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit enthalte. Des Nachweises einer solchen Behauptung durch den Antragsteller bedarf es im Berufungszulassungsverfahren gerade nicht. Schlüssige Gegenargumente liegen vielmehr bereits dann vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Ob tatsächliche Umstände, die ein Antragsteller schlüssig behauptet, auch wirklich gegeben sind, muss bei Unklarheiten nach Zulassung der Berufung während des sich anschließenden Berufungsverfahrens im Rahmen der Amtsermittlung geklärt werden. Es ist nicht zulässig, diese Prüfung ins Zulassungsverfahren vorzuverlagern und damit die eigentlich erforderliche Beweisaufnahme zu umgehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, juris, Rn. 22).

20

bb) Der fehlerhafte rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts führt auch zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnis. Das Gericht hätte die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulassen müssen, weil der Beschwerdeführer im Berufungszulassungsverfahren eine das verwaltungsgerichtliche Urteil tragende Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat.

21

(1) Das Verwaltungsgericht geht, unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, davon aus, dass ein Kammermitglied Anspruch auf einen (reduzierten) Beitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes zur Rentenversicherung der Angestellten hat, sofern es einen Monatsverdienst von weniger als 2.000 DM erzielt. Für den Beschwerdeführer verneint das Gericht dann einen solchen, die 2.000 DM-Grenze unterschreitenden Verdienst pro Monat, weil die von ihm im Jahr 2001 erzielten Einnahmen von 20.291 DM auf 10 Monate, nämlich den Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2001, zu verteilen seien. Denn die Einnahmen könnten nur auf die Monate verteilt werden, in denen sie erarbeitet worden seien; auf den Zeitpunkt des Zuflusses komme es nicht an. Für die Höhe der Einnahmen stützt sich das Verwaltungsgericht auf die aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebende Einkommenshöhe, unterstellt also, dass die sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Einnahmen vom Beschwerdeführer in dem Zeitraum von Januar bis Oktober 2001 erarbeitet worden sind und stützt seine Entscheidung auf diese Annahme.

22

(2) Demgegenüber hat der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung eingewandt, in den Einnahmen, die in dem Einkommensteuerbescheid 2001 ausgewiesen seien, seien auch Verdienste aus dem Jahr 2000 enthalten, und zwar Honorare in Höhe von 985,50 DM, die er durch seine ärztliche Tätigkeit in der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschaftet habe. Zum Beleg seiner Behauptung hat er das Schreiben von Januar 2010, wonach er im Dezember 2000 an fünf Tagen Dienste wahrgenommen hat, vorgelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, aufgrund des klinikinternen Abrechnungsmodus sei das Honorar während seiner Tätigkeit immer jeweils von Monatsmitte zu Monatsmitte berechnet und anschließend ausgezahlt worden. Da hiernach für die Monate Januar bis Oktober 2001 nur noch ein Einkommen von 19.305 DM verbleibe - also weniger als 2.000 DM monatlich - sei die Härtefallklausel schon aus diesem Grunde auf ihn anzuwenden.

23

(3) Damit hat der Beschwerdeführer die Prämisse des Verwaltungsgerichts, in dem aus dem Steuerbescheid ergebenden Einkommen seien keine Einnahmen aus dem Jahre 2000 enthalten, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Denn auf Grundlage der Behauptungen des Beschwerdeführers, die er zudem mit dem Schreiben von Januar 2010 belegt hat, erscheint es nicht lediglich als möglich, sondern sogar als nahe liegend, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im Steuerbescheid des Jahres 2001 als Einkommen auch Honorar berücksichtigt war, das der Beschwerdeführer im Dezember 2000 erarbeitet hatte. Dafür spricht nicht nur das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Honorar in einem Abrechnungsmodus von Monatsmitte bis Monatsmitte berechnet und ausbezahlt wurde. Auch aus verwaltungspraktischen Gründen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass insbesondere für eine ab dem 25. Dezember 2000, also während der Weihnachtsfeiertage und danach, geleistete Arbeit die Vergütung noch im selben Monat überwiesen werden konnte. Anhaltspunkte für eine Zahlung des Honorars im Voraus oder für Abschlagszahlungen gibt es nicht.

24

(4) Die Tatsachenfeststellungen, die der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen in Frage stellt, sind auch rechtlich erheblich. Denn das Verwaltungsgericht hätte, wären die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffend, seiner Klage jedenfalls teilweise stattgeben müssen. In diesem Fall hätte sich nämlich für 2001 ein in diesem Jahr "erarbeitetes" Honorar von lediglich 19.305,50 DM ergeben, weil 985,50 DM als Honorar für Dienste im Dezember 2000 von dem im Steuerbescheid 2001 ausgewiesenen Einkommen von 20.291 DM abzuziehen gewesen wären. Für die zehnmonatige ärztliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im Jahr 2001 hätte sein monatlicher Verdienst folglich nur noch 1.930,55 DM betragen und damit die 2.000 DM-Grenze unterschritten. Nach der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung - die vom Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auch nicht in Zweifel gezogen wird - wäre bei diesem geringen Einkommen die Härtefallregelung anzuwenden gewesen. Da sich die monatlichen Abgaben dementsprechend nur nach dem hälftigen Beitragssatz der Rentenversicherung für Angestellte, also der Hälfte von damals 19,1 %, errechnen würden, hätten sich diese nicht wie von der Beklagten festgesetzt auf - umgerechnet - 169,92 € belaufen, sondern lediglich auf 94,27 €. Auch die geltend gemachte Nachforderung würde sich entsprechend verringern.

25

cc) Dem Beschwerdeführer kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe den Zulassungsgrund im Berufungszulassungsverfahren nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere ist es unschädlich, dass er in dem Zulassungsschriftsatz die von ihm vorgebrachten Argumente keinem beziehungsweise jedenfalls nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet hat. Denn für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe ist es nicht notwendig, dass der Antragsteller ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es kein Hindernis, wenn der Antragsteller sein Vorbringen unter dem falschen Berufungszulassungsgrund erörtert oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet das den Zulassungsantrag prüfende Gericht nämlich dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen und durch sachgerechte Auslegung selbstständig zu ermitteln, welche Zulassungsgründe der Sache nach geltend gemacht werden und welche Einwände welchen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 2309/09 -, juris, Rn. 13; vgl. insoweit auch BVerfGK 5, 369 <375 f.>). Erst dann, wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird, stellt die Verwerfung des Antrags als unzulässig keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Berufungsinstanz dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010, a.a.O., Rn. 13). Dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Schwierigkeiten dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuordnen lässt, folgt hier schon daraus, dass es vom Oberverwaltungsgericht unter diesem Gesichtspunkt geprüft wurde. Eine solche Zuordnung lag im Übrigen auch auf der Hand, weil die Ausführungen des Beschwerdeführers nur zu diesem Zulassungsgrund passen.

26

c) Die weiteren Argumente, die der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vorgebracht hat, sind allerdings nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu begründen. Dass das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf diese Einwände das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verneint hat, lässt keine Grundrechtsverletzung erkennen. Der Beschwerdeführer hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zufluss des Einkommens erst nach dem Ablauf des Zeitraums der Tätigkeit sei unschädlich - maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt des Erarbeitens -, fehlerhaft sein sollte. Der Ansatz des Gerichts, allein an den Tätigkeitszeitraum anzuknüpfen und den Zuflusszeitpunkt als unerheblich anzusehen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sei nicht gegeben, gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen könnte. Die Gründe, mit denen das Gericht das Vorliegen des Zulassungsgrundes ablehnt, sind gut nachvollziehbar. Dass sie den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen könnten, ist nicht zu erkennen.

28

Eine Berufung auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) scheitert schließlich unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität schon daran, dass sich der Beschwerdeführer auf diesen Grund im Berufungszulassungsverfahren weder ausdrücklich noch der Sache nach berufen hat.

29

2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Ob der Beschluss auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, kann daher offenbleiben.

30

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg, da keiner der zwei geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Büros in ein Bordell bzw. einen bordellartigen Betrieb auf FlNr. ... der Gemarkung E. verneint und die Klage gegen die im Bescheid vom 2. Dezember 2010 ausgesprochene Untersagung der bereits durchgeführten Nutzung, mit dem auch die Erteilung der Baugenehmigung abgelehnt wurde, abgewiesen.

1.1. Der Senat kann die - nach wie vor umstrittene Frage - offen lassen, ob Bordelle bzw. bordellartige Betriebe als Gewerbebetriebe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO oder als Vergnügungsstätten i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO anzusehen sind (offen gelassen BVerwG, U. v. 12.9.2013 - 4 C 8/12 - NVwZ 2014, 69; grundlegend BVerwG, U. v. 25.11.1983 - 4 C 21.83 - BVerwGE 68, 213; für das Vorliegen eines Gewerbebetriebs: BayVGH, U. v. 12.12.2013 - 15 N 12.1020 - juris Rn. 23 ff.; BayVGH, B. v. 13.2.2008 - 15 ZB 07.2200 - juris Rn. 5/6; VGH BW, B. v. 5.3.2012 - 5 S 3239/11 - juris Rn. 5 f.; zusammenfassend Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 8 Rn. 22 mit Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen; a. A. HessVGH, B. v. 30.4.2009 - 3 A 1284/08.Z - UPR 2010, 104; OVG Saarlouis, B. v. 30.6.2009 - 2 P 367/09 - juris Rn. 13; Stühler NVwZ 1997, 861/867 und NVwZ 2000, 990/993). Es macht im vorliegenden Fall nämlich letztlich keinen Unterschied, ob das geplante Vorhaben dem Begriff des „Gewerbebetriebs“ i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO oder demjenigen der „Vergnügungsstätte“ i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO unterfällt, da es in beiden Varianten aus den unter 1.2. dargestellten Gründen im hier unstreitig vorliegenden faktischen Gewerbegebiet planungsrechtlich unzulässig ist: Sollte es sich um einen Gewerbebetrieb handeln, wäre das Vorhaben zwar gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO grundsätzlich zulässig; es verstieße jedoch dann im vorliegenden Einzelfall gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Im Fall der Annahme einer Vergnügungsstätte hingegen wäre es gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO erst recht nicht zulässig. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass es für die Beurteilung, ob ein Gewerbebetrieb oder eine Vergnügungsstätte vorliegt, entgegen der Auffassung der Beklagten im angefochtenen Bescheid nicht darauf ankommen kann, ob in dem Betrieb zusätzlich Kinovorführungen oder Ähnliches geplant sind, so dass es auch auf die Frage der Wirksamkeit der im Schreiben des Klägers vom 16. November 2010 erklärten „Rücknahme“ hinsichtlich des beantragten Teilbereichs „Filmvorführung“ ohne Änderung der Eingabepläne nicht ankommt.

1.2. Die Zulässigkeit des Vorhabens scheitert an § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, wenn man vom Vorliegen eines Gewerbebetriebs i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO ausgeht. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind bestimmte Betriebe im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 25.11.1983 - 4 C 21.83 - BVerwGE 68, 213) kann sich bei Bordellen eine mit der Eigenart eines Gewerbegebiets nicht zu vereinbarende Anzahl bereits dann ergeben, „wenn in dem Gebiet bereits ein solcher Betrieb oder gar eine Mehrzahl vorhanden ist“. Das Verwaltungsgericht setzt sich im Einzelnen detailliert und zutreffend damit auseinander, dass unter Berücksichtigung der konkreten Umstände dieses Einzelfalles und der Feststellungen des Augenscheins ein weiterer hinzutretender Bordellbetrieb der Eigenart des Gewerbegebiets widerspräche. Es stellt zutreffend fest, dass im Umkreis weniger 100 Meter vom Vorhaben des Klägers entfernt schon drei genehmigte Bordelle bzw. bordellartige Betriebe (K.-Str. ..., K.-Str. ..., O.-Str. ...) vorhanden sind, wobei sich zwei dieser Betriebe in derselben Straße und auf derselben Straßenseite wie das Vorhaben des Klägers befinden, einer davon sogar auf dem Baugrundstück. Bei dieser Betrachtung lässt das Verwaltungsgericht sogar zugunsten des Klägers offen, ob das ebenso im Umkreis weniger 100 Meter vom Vorhaben des Klägers entfernt genehmigte, aber derzeit nicht betriebene Bordell in der O-straße ... zu berücksichtigen ist. Auch wenn man die drei derzeit faktisch betriebenen, aber nicht genehmigten Bordelle bzw. bordellartigen Betriebe in der K.-Straße ... und ... sowie in der O.-Straße ... nicht in die Betrachtung mit einbezieht, ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass bei dieser Sachlage vom Vorliegen eines sog. trading-down-Effekts (s. hierzu z. B. BVerwG, B. v. 4.9.2008 - 4 BN 9/08 - BauR 2009, 76) auszugehen ist, zuzustimmen. Dem setzt der Kläger keine substantiierten Einwendungen entgegen:

Abgesehen davon, dass es sich insoweit um einen Verfahrensfehler i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO handeln würde, rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe sich nicht auf im Rahmen des Augenscheins vom 29. November 2012 selbst getroffene Feststellungen, sondern auf Angaben der Beklagten bezogen, die vom Kläger nicht nachvollzogen werden könnten. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 29. November 2012 wurde „Bl. 25 der Behördenakte im Verfahren M 11 K 11.5017“ zum Gegenstand des „hiesigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens“ gemacht und dem Kläger und dessen Bevollmächtigtem Einsicht gewährt. Wenn der Kläger nunmehr im Berufungszulassungsverfahren erstmals geltend macht, das Verwaltungsgericht habe sich allein auf diese Unterlage als Übersichtsplan für die bereits vorhandenen Bordellbetriebe bzw. bordellartigen Betriebe bezogen und die darin gemachten Angaben ohne Durchführung eines Augenscheins als wahr unterstellt, so ist dem entgegenzuhalten, dass es dem Bevollmächtigten des Klägers unbenommen gewesen wäre, diese Feststellungen im Laufe der mündlichen Verhandlung zu bestreiten und eventuell einen entsprechenden Beweisantrag auf Durchführung eines Augenscheins zu stellen. Ohne dass es rechtlich darauf ankäme, hat die Beklagte im Übrigen mit Schriftsatz vom 6. Juni 2013 im Berufungszulassungsverfahren mitgeteilt, dass das Verwaltungsgericht am 29. November 2012 nicht nur das Vorhabensgrundstück, sondern im Rahmen von drei weiteren verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch die Bordellbetriebe in der K.-Straße ..., in der K.-Straße ... und in der O-straße ... in Augenschein genommen hat.

Dass sich das Verwaltungsgericht schließlich bezüglich der Zahl der der Prostitutionsausübung dienenden Zimmer und der tätig werdenden Frauen auf die Stellungnahme der Kriminalpolizeiinspektion Fürstenfeldbruck vom 3. November 2010 verlassen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden, zumal der Kläger weder im verwaltungsgerichtlichen noch im Zulassungsverfahren substantiierte Einwendungen hiergegen vorbringt. Dies gilt auch für seinen Vortrag, „dass wegen der niedrigwertigen Nutzungen in der näheren Umgebung des klägerischen Bauvorhabens ein weiteres „trading-down“ nur schwer angenommen“ werden könne. Damit widerlegt der Kläger nicht den für die Beklagte und das Verwaltungsgericht maßgeblichen Gesichtspunkt, dass letztlich ein Abrutschen in ein Rotlichtviertel verhindert werden soll. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht schließlich darauf hin, dass der Vortrag des Klägers, die Aufnahme einer Büronutzung im fraglichen Teil des Gebäudes sei wegen der genannten Umgebung nicht mehr möglich, gerade zeige, dass die Schwelle, ab der eine Häufung von Bordellen der Eigenart eines Gewerbegebiets i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO widerspricht, niedrig anzusetzen sei. Soweit der Kläger dem nunmehr entgegenhält, dass der veraltete Standard des Gebäudes angesichts des großen Überangebots von Büroimmobilien derzeit und bis auf Weiteres es fast unmöglich mache, einen Büromieter zu auch für den Vermieter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen zu finden, ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Klägers bzw. seines Verpächters ist, den veralteten Standard des Gebäudes zu modernisieren. Schließlich ändert auch der vom Kläger propagierte „tiefgreifende Wandel“ im Hinblick auf die gesellschaftliche Anschauung von Bordellbetrieben ebenso wie der vermeintliche Mangel an solchen Betrieben als bloße Behauptung nichts daran, dass der beabsichtigte Betrieb hier gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO verstößt.

Nach alledem scheiterte die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens auch dann, wenn man dieses als Vergnügungsstätte ansehen wollte (s. o. 1.1.), da die Erteilung einer Ausnahme nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO nach dem soeben Gesagten erst recht nicht in Frage käme.

2. Der Fall ist damit auch nicht besonders rechtlich oder tatsächlich schwierig (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 2, § 47 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG. Dabei geht der Senat wie das Verwaltungsgericht von einem der Sache gerecht werdenden Streitwert in Höhe von 10.000 Euro aus.

(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2011 - 3 K 2578/11 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben zu einer Änderung der vom Verwaltungsgericht zum Nachteil des Antragstellers getroffenen Entscheidung keinen Anlass.
Das Verwaltungsgericht hat bei der von ihm nach Maßgabe der §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem öffentlichen bzw. privaten Interesse an der sofortigen Verwirklichung des Bauvorhabens des Beigeladenen zu Recht Vorrang gegeben vor dem privaten Interesse des Antragstellers, von den Wirkungen der Baugenehmigung vom 15.03.2011 vorläufig verschont zu bleiben. Mit der angefochtenen, kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB) sofort vollziehbaren Baugenehmigung genehmigte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen den „Einbau eines Bordellbetriebes“ im ersten Obergeschoss und Dachgeschoss des gewerblich genutzten Gebäudes auf dem Grundstück Flst.Nr. 24810/1 (...straße 12) auf der Gemarkung der Beklagten. Der Senat geht nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon aus, dass der Widerspruch des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Erfolg bleiben wird, weil das genehmigte Bauvorhaben aller Voraussicht nach gegen keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften verstößt (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO), die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers als Eigentümer des ca. 130 m Luftlinie entfernt liegenden Wohngrundstücks Flst.Nr. 24825 (...straße 21) zu dienen bestimmt sind.
1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist er in seinem Gebietserhaltungsanspruch aller Voraussicht nach nicht verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat, kommt der Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungsplan grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zu und der Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks hat als Nachbar einen Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart. Dieser geht über das Rücksichtnahmegebot hinaus und wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (BVerwG, Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151; Beschl. v. 13.05.2002 - 4 B 86.01 -, NVwZ 2002, 1384; Beschl. v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 -, juris). Vorliegend widerspricht das Vorhaben des Beigeladenen jedoch nicht den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung (a). Es liegt auch keine Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf Aufrechterhaltung der gebietstypischen Prägung vor, weil das Vorhaben nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig wäre (b).
a) Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin vom 16.04.1991 Nr. 656 (in Kraft getreten am 06.09.1991) „Gewerbegebiet zwischen Rhein- und Gablonzer Straße“, „Mühlburg West - Teilbereich“, „Industriegebiet Neureuter Straße“, „Gewerbegebiet Husarenlager“, „- Änderung -„ (im Folgenden abgekürzt Bebauungsplan), zu dessen „Planungskonzept“ ausdrücklich die „Umstellung“ der früheren Bebauungspläne auf die Baunutzungsverordnung vom 23.01.1990 (BGBl. I S. 132) - BauNVO 1990 - gehört (vgl. Ziff. 3.5 der Begründung und Ziff. 1 der schriftlichen Festsetzungen), setzt für das gesamte Plangebiet, in dem sowohl das Grundstück des Antragstellers als auch das Grundstück des Beigeladenen liegt, als Art der baulichen Nutzung „Gewerbegebiet gem. § 8 BauNVO“ fest, mit Einschränkungen allein für Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevantem Sortiment. Mithin ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO 1990 auch § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 3 BauNVO 1990 Bestandteil des Bebauungsplans geworden. Danach gehören „Gewerbebetriebe aller Art“ zu den allgemein und „Vergnügungsstätten“ zu den ausnahmsweise zulässigen Anlagen. Das vom Beigeladenen betriebene Bordell mit 11 „Arbeitsräumen“ und 2 „VIP-Bereichen“ wurde von der Antragsgegnerin zu Recht den „Gewerbebetrieben aller Art“ zugerechnet; als Vergnügungsstätte mit einem erweiterten „Vergnügungsbereich“ (außer einer Sauna und einem Massageraum) sollte sie nicht zugelassen werden (Stellungnahme des Stadtplanungsamtes vom 20.01.2011).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur BauNVO 1968 und BauNVO 1977 fällt ein Bordell, in dem die Prostituierten - wie im vorliegenden Fall - nicht wohnen, unter den Begriff der „Gewerbebetriebe aller Art“, die in Gewerbegebieten nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig sind (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 - 4 C 21.83 -, BVerwGE 68, 213). Unter der Geltung der BauNVO 1990, mit der erstmals Vergnügungsstätten als selbständige Nutzungsart eingeführt und ihre Zulässigkeit in den einzelnen Baugebieten abschließend geregelt wurde, hat es das Bundesverwaltungsgericht offen gelassen, ob Bordellbetriebe als Vergnügungsstätten i.S. der BauNVO einzustufen sind (vgl. Beschl. v. 29.10.1997 - 4 B 8.97 -, juris). Auch der Senat hat bisher diese Frage offen gelassen (Senatsurt. v. 19.10.1990 - 5 S 3103/89 -, VBlBW 1991, 220). Er entscheidet sie nunmehr dahin, dass Bordellbetriebe auch unter der Geltung der BauNVO 1990 den „Gewerbebetrieben aller Art“ und nicht den Vergnügungsstätten zuzuordnen sind (ebenso die wohl herrschende Meinung: OVG Hamburg, Beschl. v. 13.08.2009 - 2 Bs 102/09 -, juris; Bay.VGH, Beschl. v. 13.02.2008 - 15 ZB 08.2200 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.05.2005 - 8 C 10053/05 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.11.2005 - 1053.05 -, juris; VG Karlsruhe, Urt. v. 27.10.2009 - 5 K 3864/08 -, juris; VG Hamburg, Urt. v. 22.11.2011 - 11 K 1237/09 -, juris; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., § 8 RdNr. 5; Soefker, Lfg. 88, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 8 RdNr. 24; Roesner, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 7 RdNr. 16; a.A.: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.10.1996 - 8 S 2136/96 -; Hess.VGH, Beschl. v. 30.04.2009 - 3 A 1284/08.Z -, UPR 2010, 104; OVG Saarlouis, Beschl. v. 30.06.2009 - 2 P 367/09 -, juris; Ziegler, in: Brügelmann, BauGB, 67. Lfg. § 4a RdNr. 74; zum Meinungsstand insgesamt vgl. Stühler, Prostitution und öffentliches Baurecht, BauR 2010, 1013, 1020 f.).
Maßgebend für die Zuordnung zu den „Gewerbebetrieben aller Art“ sind folgende Erwägungen:
Im Baurecht ist der Begriff der Vergnügungsstätte gesetzlich nicht definiert. Üblicherweise werden darunter gewerbliche Nutzungsarten verstanden, die sich in unterschiedlicher Ausprägung (wie Amüsierbetriebe, Diskotheken, Spielhallen) unter Ansprache (oder Ausnutzung) des Sexual-, Spiel- und/oder Geselligkeitstriebes einer bestimmten gewinnbringenden „Freizeit“-Unterhal-tung widmen (vgl. Fickert/Fieseler a.a.O. § 4a RdNr. 22; ähnlich Roesner a.a.O. § 7 RdNr. 15; zusammenfassend Stühler a.a.O., S. 1020). Es handelt sich um einen städtebaulichen Sammelbegriff; im Vordergrund steht nicht die Frage nach der kommerziellen Unterhaltung, sondern in welcher Weise sich die unter diesen Begriff zusammengefassten Nutzungsarten innerhalb der einzelnen Baugebiete auswirken können (Fickert/Fieseler a.a.O. § 4a RdNr. 22.1; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.11.2006 - 3 S 2377/06 -, VBlBW 2007, 189). Die im jeweiligen Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung zulässigen Nutzungen ergeben eine gebietstypische Nutzungsstruktur, in der miteinander verträgliche Arten von Nutzungen zusammengefasst und von anderen Nutzungsarten abgegrenzt werden (BVerwG, Urt. v. 24.09.1992 - 7 C 7.92 -, NVwZ 1993, 987). Die Zulässigkeit von Nutzungen hängt dabei nicht nur von deren Immissionsträchtigkeit oder Immissionsverträglichkeit ab, sondern wird auch von anderen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung bestimmt (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 a.a.O.).
Hiervon ausgehend hat sich durch die - nunmehr - abschließende Regelung der Nutzungsart „Vergnügungsstätten“ in der BauNVO 1990 im Vergleich zur früheren Rechtslage, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.11.1983 a.a.O. zugrunde lag, im Hinblick auf die Zuordnung von gewöhnlichen Bordellbetrieben nichts Entscheidendes geändert. Ob und unter welchen Voraussetzungen bei einem Bordell oder einem bordellartigen Betrieb von einer Vergnügungsstätte im planungsrechtlichen Sinn auszugehen ist, wenn in ihm in nennenswertem Umfang auch „Zusatzleistungen“ bzw. Darbietungen zur gemeinsamen Unterhaltung der Besucher stattfinden (vgl. auch hierzu die Übersicht bei Stühler a.a.O. S.1021 f.), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn ein solcher Betrieb steht nach der angefochtenen Baugenehmigung nicht in Rede.
Auch nach den mit der BauNVO 1990 einhergehenden Änderungen sind Vergnügungsstätten - einschließlich größerer - sog. kerngebietstypischer Vergnügungsstätten - nur in Kerngebieten allgemein zulässig (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). In Gewerbegebieten können sie nur ausnahmsweise zugelassen werden (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO). Dasselbe gilt für Dorfgebiete und besondere Wohngebiete, soweit es sich nicht um kerngebietstypische Vergnügungsstätten handelt (§§ 4a Abs. 3 Nr. 2 und 5 Abs. 3 BauNVO). Derartige Vergnügungsstätten sind im Mischgebiet nur in den Teilen des Gebiets allgemein zulässig, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind (§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO); außerhalb dieser Teile können sie ausnahmsweise zugelassen werden (§ 6 Abs. 3 BauNVO).
10 
Dass die Baunutzungsverordnung damit Vergnügungsstätten als eine besondere Art gewerblicher Betriebe nach wie vor (eine) den Kerngebieten als eine dort - uneingeschränkte - allgemein zulässige Nutzung zuordnet und damit auch den Charakter von Kerngebieten kennzeichnet, lässt erkennen, dass speziell Bordellbetriebe nach wie vor nicht dem typischen Erscheinungsbild der Vergnügungsstätte i.S. der Baunutzungsverordnung entsprechen. Kerngebiete i.S. des § 7 BauNVO sind Gebiete für zentrale Funktionen in der Stadt mit vielfältigen Nutzungen und einem - urbanen - Angebot an Gütern und Dienstleistungen für Besucher der Stadt und für die Wohnbevölkerung eines größeren Einzugsbereichs und dienen darüber hinaus auch in beschränktem Umfang dem Wohnen (vgl. § 7 Abs. 2 Nrn. 6 und 7, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 BauNVO). Bordellbetriebe der hier beabsichtigten Art dagegen sind - anders als die von der Baunutzungsverordnung typischerweise gemeinten, oben genannten Vergnügungsstätten - Einrichtungen, für die sich im Hinblick auf die allgemeine sozialethische Bewertung und auf die sich im „Milieu“ ergebenden Begleiterscheinungen eher ein Standort eignet, der außerhalb oder allenfalls am Rande des „Blickfeldes“ und der Treffpunkte einer größeren und allgemeinen Öffentlichkeit liegt und auch nicht in der Nachbarschaft von Wohnungen. Zweckbestimmung von Gewerbegebieten ist es indes gerade, solchen Betrieben einen Standort zu bieten, die im Hinblick auf ihre spezifischen Standortanforderungen und ihre Auswirkungen zu Unzuträglichkeiten in Gebieten führen würden, in denen auch oder sogar vorwiegend gewohnt werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 a.a.O.).
11 
Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene „sozialethische“ Bewertung der Prostitution ist auch nicht aufgrund des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3983) zu ändern. Dieses Gesetz hat keine bauplanungsrechtlichen Folgewirkungen (so bereits Senatsurt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 -, ESVGH 53, 30; ebenso die wohl einhellige obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Stühler a.a.O. S. 1032 Fn. 157).
12 
Schließlich ist dem Bundesverwaltungsgericht weiterhin darin zu folgen, dass ein Bordell auch keine so erheblichen Belästigungen i.S. von § 8 Abs. 1 BauNVO mit sich bringt, dass es - von dem nach § 15 Abs. 1 BauNVO zu behandelnden Einzelfall abgesehen - schlechthin nicht in einem Gewerbegebiet zugelassen werden könnte. Die von einem Bordell ausgehenden Nachteile und Belästigungen, nämlich vor allem der Lärm des Zu- und Abgangsverkehrs und sonstige „milieubedingte“ Unruhe erreichen die Schwelle der Erheblichkeit nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 a.a.O.).
13 
b) Das Vorhaben ist auch nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Dabei vermittelt § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO Nachbarn innerhalb des betroffenen Baugebiets einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets (BVerwG, Beschl. v. 13.05.2002 - 4 B 86.01 -, NVwZ 2002, 1384; Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, a.a.O.). Die Voraussetzungen für diesen Anspruch sind im Falle des Antragstellers jedoch aller Voraussicht nach ebenfalls nicht gegeben.
14 
Die Eigenart eines einzelnen Baugebiets i.S. von § 15 Abs. 1 BauNVO ergibt sich nicht allein aus den typisierenden Regelungen der BauNVO; nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich die Eigenart eines in einem Bebauungsplan festgesetzten Gebiets abschließend erst bestimmen, wenn zusätzlich auch die jeweilige örtliche Situation, in die ein Gebiet „hinein geplant“ worden ist, und der jeweilige Planungswille der Gemeinde, soweit dieser in den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist, berücksichtigt werden. Auf die tatsächlich vorhandene Bebauung kommt es in Plangebieten für die Bestimmung der Eigenart des Gebiets dagegen grundsätzlich nicht an; sie ist grundsätzlich nur insoweit beachtlich, als sie sich im Rahmen der durch die Festsetzungen zum Ausdruck gebrachten städtebaulichen Ordnungsvorstellungen für das Baugebiet hält (Fickert/Fieseler, a.a.O., § 15 RdNr. 8; Soefker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg a.a.O., § 15 RdNr. 12; anders bei unbeplanten Gebieten i.S. von § 34 Abs. 2 BauGB, vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.2008 - 4 B 68.08 -, BRS 73 Nr. 82).
15 
Im vorliegenden Fall hat der Satzungsgeber die mit der Festsetzung eines Gewerbegebiets grundsätzlich verbundene sehr offene Gebietsstruktur mit den in § 8 Abs. 2 und Abs. 3 BauNVO aufgeführten allgemein und ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten nicht nennenswert eingeschränkt. Lediglich für die nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässigen Nutzungen wird bestimmt, dass Einzelhandelsbetriebe „als Ausnahme nur mit zentren-unschädlichen Warengruppen zulässig sind: Möbel, Teppiche, Fußbodenbeläge, Gartenbedarf, Gartenpflanzen, Baustoffe, Bauelemente, Baumaterialien wie Fliesen, sanitäre Einrichtungsgegenstände, sanitärer Installationsbedarf, Fahrzeuge und Zubehör“. Damit sollen - wie sich aus der Begründung (Ziff. 3.5) zum Bebauungsplan ergibt -, diejenigen großflächigen Einzelhandelsnutzungen ausgeschlossen werden, die in die Versorgungszentren zu integrieren sind; andere großflächige Einzelhandelseinrichtungen mit üblicherweise nicht in städtischen Zentren integrierbaren Verkaufsformen und Sortimenten (wie etwa Baustoffe und Gartenzubehör) sollen lediglich ausnahmsweise zulässig bleiben. In Anbetracht der danach verbleibenden Vielfalt möglicher Nutzungen ist eine vom Plangeber beabsichtigte Prägung des Gewerbegebiets durch bestimmte Arten von Betrieben nicht erkennbar. Auch dies wird durch die Begründung zum Bebauungsplan bestätigt, wonach die vorhandenen Bauflächen für eine Gewerbenutzung vorgehalten und zur Verfügung gestellt werden sollen, um den Bedürfnissen bestehender und neu anzusiedelnder Betriebe des verarbeitenden und produzierenden Bereiches oder sonstiger auf Gewerbegebiete angewiesener Nutzungen gerecht zu werden (Ziff. 2 Abs. 5 der Begründung).
16 
Das vom Beigeladenen betriebene Bordell widerspricht der sich so darstellenden Eigenart des Gewerbegebiets auch nicht nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung.
17 
Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets setzt mehr voraus, als dass die bauliche Anlage dem Baugebiet lediglich nicht entspricht. Auch genügt es für die Unzulässigkeit nicht, wenn ein Vorhaben die vorhandene Gebietsstruktur nur geringfügig verschlechtert und damit eine gewisse Beeinträchtigung darstellt. Die bauliche oder sonstige Anlage muss bei der beabsichtigten Ausführung dem konkreten Gebietscharakter vielmehr eindeutig entgegenstehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.11.1984 - 4 B 244.84 -, UPR 1985, 136; Fickert/Fieseler, a.a.O., § 15 RdNr. 9.1; Soefker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 15 RdNr. 13). Davon kann beim Vorhaben des Antragstellers nicht ausgegangen werden.
18 
„Nach Anzahl“ kann ein Bordell der Eigenart eines Gewerbegebiets widersprechen, wenn in dem Gebiet bereits ein solcher Betrieb oder gar eine Mehrzahl vorhanden ist. Hierfür ist indes weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Auch nach Lage, Umfang oder Zweckbestimmung widerspricht das Bordell aller Voraussicht nach nicht der Eigenart des Gewerbegebiets.
19 
Nach seinem Umfang handelt es sich eher um ein kleineres Bordell mit 11 „Arbeitsräumen“, einer Sauna sowie 2 „VIP-Bereichen“. Es ist im Ober- und Dachgeschoss eines bestehenden Betriebsgebäudes untergebracht, das sich ausweislich des bei den Akten befindlichen Lageplans und der von den Beteiligten vorgelegten Fotos nach seiner Größe und Nutzfläche ebenfalls ohne Weiteres in die Eigenart der Umgebungsbebauung einfügt. Soweit der Antragsteller unter Hinweis auf die Internetwerbung des Beigeladenen geltend macht, dass es sich nicht „nur“ um ein Bordell, sondern in Wirklichkeit um ein Bordell und zusätzlich einen „FKK-Sauna-Club“ mit zahlreichen „Zusatzleistungen“ handele, ist darauf hinzuweisen, dass es im vorliegenden Verfahren allein auf die durch die Antragsgegnerin genehmigte Nutzung ankommt. Der Antragsteller hatte zwar zunächst neben dem „Einbau eines Bordellbetriebes“ auch den „Einbau“ eines „FKK-Sauna-Clubs“ beantragt. Baurechtlich genehmigt wurde indes - nach einer entsprechenden Planänderung - allein der „Einbau eines Bordellbetriebes“ (vgl. die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 15.03.2011). Falls die tatsächliche Nutzung von der genehmigten abweichen sollte, käme - nach entsprechender Überprüfung - ein baurechtliches Einschreiten durch die Antragsgegnerin in Betracht, worauf diese in ihrer Antragserwiderung auch bereits hingewiesen hat.
20 
Auch im Hinblick auf die Lage des Bordellbetriebes lässt sich kein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets, wie sie in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, feststellen. Insoweit macht der Antragsteller unter Vorlage einer Kopie aus dem Adressbuch geltend, dass gerade die „...straße“ durch Wohnnutzung geprägt sei. Soweit es sich indes nicht um eine nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO in Gewerbegebieten zugelassene Wohnnutzung handelt, hätte sie indes nach den oben dargestellten Grundsätzen außer Betracht zu bleiben. Im Übrigen kann der Behauptung des Antragstellers aber schon in tatsächlicher Hinsicht nicht gefolgt werden. Nach den bei den Akten befindlichen Lageplänen und dem (den baulichen Bestand darstellenden) Bebauungsplan sowie den von den Beteiligten vorgelegten Lichtbildern ist nicht nachvollziehbar, dass die ...straße - jedenfalls in dem Abschnitt, in dem das Bordell sich befindet - dadurch geprägt sein soll, dass „überwiegend“ Wohnnutzung stattfinde und die gewerbliche Nutzung „eher“ untergeordnet sei und sich „im Wesentlichen“ auf kleine Handwerksbetriebe „im Hinterhof“ beschränke. Vielmehr sind gerade in der Umgebung des Vorhabens auch großflächige Gewerbebetriebe und ein großer Einkaufsmarkt zu finden. Eine „Prägung“ durch eine im Gewerbegebiet zugelassene Wohnnutzung ist nicht substantiiert vorgetragen; der Senat vermag eine solche mit den Erkenntnismöglichkeiten eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens auch nicht zu erkennen. Es ist daher auch nicht davon auszugehen, dass die Zulassung des Vorhabens zu einer faktischen Gebietsumwandlung („Umkippen“) - auch nicht im fraglichen Teilbereich der ...straße - führen würde (vgl. hierzu Senatsurt. v. 27.07.2001 - 5 S 1093/00 -, BauR 2002, 359). Soweit der Antragsteller geltend machen will, dass das Vorhaben nach seinem gewählten Standort für die in unmittelbarer Nachbarschaft bereits vorhandenen Anlagen bzw. Nutzungen unzumutbar sei, macht er eine Verletzung des Rücksicht-nahmegebots geltend (hierzu sogleich unter 2.).
21 
2. Das Vorhaben des Beigeladenen verstößt aller Voraussicht nach auch nicht gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme. Danach sind bauliche und sonstige Anlagen auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Das in dieser Vorschrift verankerte Gebot der Rücksichtnahme bedeutet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Ein Nachbar kann lediglich solche Nutzungsstörungen abwehren, die als rücksichtslos zu werten sind. Dies ist erst dann der Fall, wenn die mit dem Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen bei der Nutzung des eigenen Grundstücks bei einer Abwägung, bei der die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung und die Interessen des Bauherrn zu berücksichtigen sind, für den Bauherrn billigerweise unzumutbar erscheinen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.01.2007 - 4 C 1.06 -, BVerwG 128, 118 m.w.N.).
22 
Hiervon ausgehend dürfte der Antragsteller durch das vom Beigeladenen betriebene Bordell nicht unzumutbar in der Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigt werden. Das Wohnhaus, in dem der Antragsteller wohnt, liegt ca. 130 m vom Baugrundstück entfernt. Angesichts der Größe des Bordells mit 11 „Arbeitsräumen“, 2 „VIP-Bereichen“, einer Sauna, einem Empfangsbereich und sanitären Einrichtungen steht im Gegensatz zur Einschätzung des Antragstellers wohl nicht zu befürchten, dass es dadurch zur Ansiedlung eines „Rotlichtmilieus“ mit so erheblichen Auswirkungen für die umliegende gewerbliche und Wohnnutzung kommt, die als rücksichtslos i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO eingestuft werden könnte. Dies belegt auch die vom Beigeladenen vorgelegte und vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogene „Statistik über das Gästeaufkommen“ seit der Eröffnung des Bordells. Danach kamen verteilt auf einen Zeitraum von 46 Tagen lediglich 261 Besucher, also 6 pro Tag. Angesichts der geringen Größe des Bordells und des beschränkten Besucheraufkommens - aber auch aufgrund der Entfernung des Wohnhauses des Antragstellers zum Vorhaben des Beigeladenen - ist auch nicht zu erwarten, dass es zu unzumutbaren Störungen durch den Kraftfahrzeugverkehr für den Antragsteller und dessen Familie kommt. Insoweit ist auch in Rechnung zu stellen, dass der Antragsteller als Eigentümer eines im Gewerbegebiet gelegenen Grundstücks gegenüber Störungen der hier in Rede stehenden Art nicht dasselbe Maß an Schutz beanspruchen kann, wie es in einem Wohngebiet der Fall ist.
23 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004.
24 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2011 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch der in 2. Instanz gestellte Feststellungsantrag abgewiesen wird.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die vollstreckungsberechtigten Beteiligten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen die Beigeladene begünstigenden Bauvorbescheid sowie gegen eine diese begünstigende Baugenehmigung zur Nutzung des Obergeschosses eines Bürogebäudes als Bordell.

2

Das streitgegenständliche Grundstück in der ...- Straße ... in Hamburg, für das die Nutzungsänderung genehmigt worden ist, ist mit einem im Jahr 1972 genehmigten Lager- und Geschäftshaus bebaut. Das Erdgeschoss dieses Gebäudes wurde zuletzt durch einen Elektronikfachhandel genutzt und steht gegenwärtig leer.

3

Das Grundstück ...- Straße ... liegt im Geltungsbereich der Verordnung über den Bebauungsplan Wandsbek 69/Tonndorf 29 vom 11. August 1999 (HmbGVBl. S. 213) und ist als Gewerbegebiet ausgewiesen. Zuvor wiesen die - abseits der Art der zulässigen Nutzung fortgeltenden - Baustufenpläne Wandsbek-Marienthal und Tonndorf-Jenfeld das Plangebiet insgesamt als Industriegebiet aus. Nach § 2 Nr. 5 Satz 1 des Bebauungsplans Wandsbek 69/Tonndorf 29 (PlanVO) sind im Gewerbegebiet Büro- und Verwaltungsgebäude nur ausnahmsweise zulässig. § 2 Nr. 5 Satz 2 PlanVO schließt Ausnahmen für Vergnügungsstätten im Gewerbegebiet aus. Außerdem sind gemäß § 2 Nr. 6 PlanVO im Industrie- und Gewerbegebiet gewerbliche Freizeiteinrichtungen (wie Squash- und Tennishallen, Bowlingbahnen etc.) mit einzelnen Ausnahmemöglichkeiten unzulässig.

4

Ausweislich Ziffer 2. der Planbegründung sollte mit dem Erlass des Bebauungsplans Wandsbek 69/Tonndorf 29 die Ansiedlung zentrengefährdender Einzelhandelsbetriebe unterbunden, die Zulässigkeit von Betrieben mit flächenbeanspruchenden Waren geregelt und das Plangebiet für produzierendes Gewerbe gesichert werden. Reine Büronutzungen sollten im Gewerbegebiet nur unter Duldung von Emissionen zugelassen werden. Zum Ausschluss der Vergnügungsstätten heißt es in der Begründung unter Ziffer 4.4 „Gliederung der Baugebiete“:

5

„Im Gewerbegebiet werden Ausnahmen für Vergnügungsstätten ausgeschlossen (vgl. § 2 Nr. 5 Satz 2). Damit soll in Verbindung mit den differenzierten Regelungen zur beschränkten Zulässigkeit von Einzelhandel und gewerblichen Freizeiteinrichtungen die planerische Zielsetzung verfolgt werden, die im Bereich des F... Damms vorhandene „Automeile“ zu sichern und zu entwickeln. Die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten aller Art (z.B. Nachtlokale, Diskotheken, Spiel- und Automatenhallen) kann sich negativ auf das gewerbliche Umfeld auswirken und damit zu einem weiteren Verlust an Attraktivität der hier ansässigen Betriebe führen. Weiterhin sind Betreiber von Spielhallen und ähnlichen Unternehmen in der Lage, höhere Mieten bzw. Pachten zu zahlen als andere Betriebe, so daß sich eine erhöhte Gefahr der Verdrängung bestehender gewerblicher Einrichtungen ergibt.“

6

Am 4. Juli 2008 beantragte ein Rechtsvorgänger der Beigeladenen, Herr H..., als Bauherr bezogen auf das Grundstück ...- Straße ... einen Vorbescheid für eine geplante Nutzungsänderung des vorhandenen Bürogebäudes zu der bauplanungsrechtlichen Fragestellung:

7

Ist ein Bordellbetrieb aus Sicht der BauNVO 1990 ein „Gewerbebetrieb aller Art“ oder eine „Vergnügungsstätte“?

8

Die Beklagte beantwortete diese Frage mit Vorbescheid vom 12. September 2008 dahingehend, dass es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei einem Bordell, in dem Prostituierte nicht wohnten, um eine gewerbliche Nutzung „sui generis“ handele, die in die planungsrechtliche Kategorie „Gewerbebetriebe aller Art“ falle. Es sei keine Vergnügungsstätte im Sinne des § 2 Nr. 5 Satz 2 der Verordnung über den Bebauungsplan Wandsbek 69/Tonndorf 29.

9

Am 8. November 2008 beantragte H... im konzentrierten Baugenehmigungsverfahren eine Genehmigung für die Nutzungsänderung des ersten Obergeschosses des Geschäftshauses in der ...- Straße ... als Bordellbetrieb mit 19 Einzelzimmern und Gemeinschaftseinrichtungen. In der Betriebsbeschreibung wurde die Zahl der beschäftigten Prostituierten mit 20 angegeben, wobei voraussichtlich in der stärksten Schicht 10 Prostituierte zeitgleich arbeiten würden.

10

Mit Bescheid vom 5. März 2009 genehmigte die Beklagte die Nutzungsänderung, beschränkte die Zahl der gleichzeitig tätigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entsprechend der Betriebsbeschreibung auf 10 (Anlage 1 zum Bescheid, Nr. 5), untersagte die Wohnnutzung (Anlage 1, Nr. 6), stellte Werbeanlagen unter Genehmigungsvorbehalt (Anlage 1, Nr. 7) und untersagte das Ansprechen von Personen außerhalb des Gebäudes durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (Anlage 1, Nr. 8).

11

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ...- Straße XY, das gegenüber dem Grundstück ...- Straße ... ebenfalls in dem im Bebauungsplan Wandsbek 69/Tonndorf 29 ausgewiesenen Gewerbegebiet liegt. Das Grundstück ist gegenwärtig an eine Behindertenwerkstätte vermietet, in der Karton, Papier und Holz bearbeitet werden.

12

Die Klägerin legte am 6. Januar 2009 Widerspruch gegen den ihr nicht bekannt gegebenen Vorbescheid vom 12. September 2008 sowie am 24. März 2009 gegen die Baugenehmigung vom 5. März 2009 ein und vertrat die Auffassung, eine Bordellnutzung sei im Gewerbegebiet allgemein und angesichts der konkreten Verhältnisse nicht zulässig.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin ab und führte aus, diese werde durch die erteilten Bescheide nicht in subjektiven Rechten verletzt. Die Ansiedelung eines Bordells sei als „Gewerbebetrieb aller Art“ zulässig; es handele sich auch nicht um eine nach der Bebauungsplanverordnung ausgeschlossene Vergnügungsstätte oder Freizeiteinrichtung. Eine unzumutbare Belastung der Klägerin sei nicht zu befürchten; angrenzende schutzwürdige Wohnbebauung sei nicht vorhanden.

14

Die Klägerin hat am 15. Mai 2009 Klage gegen beide Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids erhoben (11 K 1237/09).

15

Die Klägerin hat zudem vor dem Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz gegen die Genehmigung des Bordellbetriebs begehrt. Mit Beschluss vom 4. Juni 2009 (11 E 929/09) hat das Verwaltungsgericht Hamburg die aufschiebende Wirkung ihrer Klage angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, es handele sich um einen „Gewerbebetrieb aller Art“ und nicht um eine „Vergnügungsstätte“, die nach § 2 Nr. 5 Satz 2 PlanVO im Gewerbegebiet ausgeschlossen sei. Es dürfte jedoch ein Abwehrrecht der Klägerin nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO bestehen, da der genehmigte Betrieb der Eigenart des Baugebiets widerspreche. Nach der Planbegründung sei das Gebiet vorrangig für produzierende Gewerbebetriebe mit höherem Störungsgrad vorgesehen. Auf die Beschwerde des Rechtsvorgängers der Beigeladenen hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. August 2009 (2 Bs 102/09, NordÖR 2009, 453) den Beschluss des Verwaltungsgerichts in der Sache abgeändert und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Maßgeblich für die typische Prägung eines Baugebiets im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO seien die im geltenden Planungsrecht getroffenen Festsetzungen, hier die Festsetzung des Gewerbegebiets nach § 8 BauNVO, das grundsätzlich ein breites Spektrum zulässiger Nutzungen beinhalte. Die Begründung zum Bebauungsplan habe demgegenüber nur die Funktion einer Auslegungshilfe und könne einem Planungswillen, der in den Festsetzungen nicht zum Ausdruck komme, nicht zum Durchbruch verhelfen. Im Übrigen gebe die Begründung auch nicht den Willen des Plangebers wider, die Grundstücke im Gewerbegebiet in erster Linie Betrieben mit einem hohen Störungsgrad vorzubehalten. Die dem Beschwerdegericht eröffnete weitergehende Prüfung habe nicht ergeben, dass sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht aus anderen Gründen als richtig erweise. Es spreche einiges dafür, dass der streitige Bordellbetrieb unter die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO im Gewerbegebiet allgemein zulässigen „Gewerbebetriebe aller Art“ falle. Es sei nicht zwingend, Bordellbetriebe auch nach der Neuregelung der Zulässigkeit von Vergnügungsstätten in der Baunutzungsverordnung 1990 als solche zu qualifizieren, da es sich nicht um eine „typische“, von der Baunutzungsverordnung gemeinte Vergnügungsstätte handele.

16

Der Bordellbetrieb ist zum 13. November 2009 aufgenommen worden.

17

Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen, Herr H..., hat gegen verschiedene Auflagen im Bescheid vom 5. März 2009 ebenfalls nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg erhoben (11 K 3091/09). Zum 1. Januar 2010 hat seine Ehefrau H... den Mietvertrag für diese Fläche sowie die Rechte und Pflichten aus den ergangenen Bescheiden übernommen. Sie hat gegen Rücknahme der Klage und zusätzlich gestellter Tekturanträge sowie unter Verzicht auf weitergehende Rechte aus dem Vorbescheid vom 12. September 2008 mit der Beklagten am 23./29. September 2010 eine Vereinbarung über die Abänderung der Baugenehmigung getroffen, wonach nicht nur 10, sondern maximal 19 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zeitgleich in den 19 Zimmern sexuelle Dienstleistungen ausüben dürfen. Im August 2011 hat Frau H... den Betrieb auf die Beigeladene übertragen.

18

Nachdem die Genehmigung des streitgegenständlichen Bordellbetriebs in der Presse diskutiert worden war und sich im Bezirk Wandsbek ein weiteres, größeres Bordellprojekt anbahnte, fasste die Beklagte am 13. Januar 2009 einen Aufstellungsbeschluss für die Änderung des Bebauungsplans Wandsbek 69/Tonndorf 29 mit dem Ziel, Bordelle im Gewerbegebiet auszuschließen. Mit der Änderung des Bebauungsplans vom 11. Januar 2010 (HmbGVBl. S. 22) fügte die Beklagte dem Verordnungstext in § 2 eine Nr. 8 hinzu, wonach Bordelle, bordellartige Betriebe sowie Verkaufsräume und Verkaufsflächen, Vorführ- und Geschäftsräume, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln, auf Darstellungen oder Handlungen mit sexuellem Charakter ausgerichtet sind, im Plangebiet ausgeschlossen sind.

19

Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Klageverfahren 11 K 1237/09 geltend gemacht, Bordelle seien als „Vergnügungsstätten“ im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO anzusehen. Am Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 1983 (BVerwGE 68, 213 ff. zur BauNVO 1977) sei aufgrund der Änderung der Baunutzungsverordnung im Jahr 1990 nicht mehr festzuhalten. Aus stadtplanerischer Sicht sei es stimmig, Bordelle ebenso wie andere Vergnügungsstätten nur im Kerngebiet allgemein zuzulassen. Die nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO ausnahmsweise mögliche Zulassung von Vergnügungsstätten im Gewerbegebiet sei hier durch den Bebauungsplan ausgeschlossen. Der Plangeber habe einen „Trading down“-Effekt ausschließen wollen, der durch Nachtlokale und Bordelle gleichermaßen eintrete. Der Bordellbetrieb verletze zudem das Gebot der Rücksichtnahme, da der Grundstückswert durch die benachbarte Bordellnutzung erheblich gemindert werde und ihre Ein- und Ausfahrt auf den Eingang des Bordells ausgerichtet sei. Zudem widerspreche das Bordell der Eigenart des Baugebiets hinsichtlich Lage und Zweckbestimmung, da dieses vorrangig dem produzierenden Gewerbe dienen solle. Die Klägerin hat unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich getroffenen Vereinbarung vom 23. bzw. 29. September 2010 in erster Instanz beantragt,

20

den Vorbescheid vom 12. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2009 sowie den Baugenehmigungsbescheid vom 5. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2009 und der Vereinbarung zwischen Herrn H..., Frau H... und der Beklagten vom 23. bzw. 29. September 2010 aufzuheben.

21

Die Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. November 2011 die Klage abgewiesen. Die – im Hinblick auf die Vereinbarung vom 23./29. September 2010 geänderte – Klage sei zulässig, aber unbegründet:

24

Die Klägerin besitze keinen Anspruch auf Gebietserhaltung, denn das Vorhaben der Beigeladenen widerspreche nicht den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan Wandsbek 69/Tonndorf 29 in seiner maßgeblichen, ursprünglichen Fassung vom 11. August 1999. Das Vorhaben sei als „Gewerbebetrieb aller Art“ im Gewerbegebiet zulässig. Es handele sich nicht um eine Vergnügungsstätte im Sinne des § 2 Nr. 5 Satz 2 PlanVO, wobei diese Begriffe in einem Exklusivitätsverhältnis stünden. Der Begriff der Vergnügungsstätte nach der Baunutzungsverordnung 1990 beziehe sich, sofern es sich um größere Einrichtungen handele, auf die kerngebietstypischen, urbanen Nutzungen eines größeren Einzugsbereichs, die in Ortszentren anzusiedeln seien. Dies treffe auf Bordelle nicht zu, für die sich aufgrund der allgemeinen sozialethischen Bewertung und der milieutypischen Begleiterscheinungen eher ein Standort außerhalb oder allenfalls am Rande des Blickfeldes der Öffentlichkeit eigne. Die negative sozialethische Bewertung der Prostitution habe sich auch durch das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Prostituierten vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 3983) nicht geändert. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Plangeber bei der Festsetzung des § 2 Nr. 5 S. 2 PlanVO den Begriff der Vergnügungsstätte in einer von der Baunutzungsverordnung abweichenden Weise verstanden wissen wollte.

25

Das Vorhaben entspreche auch nicht einer Freizeiteinrichtung im Sinne des § 2 Nr. 6 PlanVO und sei auch nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nach seiner Art unzulässig. Insoweit sei der im Beschluss vom 13. August 2009 geäußerten Rechtsauffassung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts zu folgen. Ferner liege kein Verstoß gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme vor. Die Klägerin habe nicht dargelegt, inwiefern das Bordell zu rücksichtslosen Störungen und Beeinträchtigungen führe. Die Beigeladene habe verschiedene Schreiben von Anwohnern vorgelegt, aus denen hervorgehe, dass sie sich durch den Betrieb des Bordells nicht gestört fühlten. Eine etwaige Wertminderung des Grundstücks könne nicht zur Begründung der Rücksichtslosigkeit herangezogen werden. Abwehransprüche bestünden nur gegenüber einer für den Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit seines Grundstücks oder der Verletzung anderer nachbarschützender Normen.

26

Mit Beschluss vom 26. März 2013, der Klägerin zugestellt am 5. April 2013, hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

27

Mit der am 3. Mai 2013 eingegangenen Berufungsbegründung führt die Klägerin aus, das Verwaltungsgericht habe ihre Klage zu Unrecht abgewiesen:

28

Sie besitze einen Gebietserhaltungsanspruch, denn Bordelle seien als Vergnügungsstätten im Gewerbegebiet des Bebauungsplans Wandsbek 69/Tonndorf 29 nicht regelhaft zulässig und seien nach § 2 Nr. 5 Satz 2 PlanVO ausgeschlossen worden. Vergnügungsstätten seien Gewerbebetriebe, bei denen die kommerzielle Unterhaltung der Besucher und Kunden im Vordergrund stehe. Sie seien durch gewinnbringende Freizeitgestaltung und Amüsierbetrieb gekennzeichnet, auch unter Ansprache oder Ausnutzung des Sexualtriebs. Bereits das allgemeine Sprachverständnis spreche für die Einordnung von Bordellen als Vergnügungsstätten. Auch Peep-Shows, Swinger-Clubs, Stripteaselokale und Sex-Kinos würden nach Rechtsprechung und Literatur als Vergnügungsstätten eingeordnet. Obwohl auch hier der Sexualtrieb der Besucher ausgenutzt werde, würden diese Nutzungen nicht in Gebiete außerhalb der Treffpunkte der größeren und allgemeinen Öffentlichkeit verlagert. Im Übrigen seien allgemeine sozialethische Bewertungen nicht geeignet, taugliche Kriterien zur Auslegung des bodenrechtlichen Begriffs der Vergnügungsstätte zu liefern. Jedenfalls habe der Plangeber mit dem Ausschluss der Vergnügungsstätten auch Bordelle erfassen wollen, denn er habe bezweckt, die „Automeile“ zu sichern und zu entwickeln, einen „Trading-Down-Effekt“ zu verhindern und die Verdrängung der weniger zahlungskräftigen Gewerbebetriebe zu verhindern. Die Zulassung eines Bordells konterkariere diese Zwecke evident. Aus der späteren Änderung des Bebauungsplans könnten keine Rückschlüsse auf die Auslegung des ursprünglichen Bebauungsplans gezogen werden. Aus der Begründung der Planänderung ergebe sich vielmehr, dass die Beklagte bereits bei der ursprünglichen Fassung des Bebauungsplans Wandsbek 69/Tonndorf 29 davon ausgegangen sei, Bordelle seien als Vergnügungsstätten vom Ausschluss erfasst. Auch sei der Anspruch der Klägerin auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO verletzt. Der Plangeber habe im Jahr 1999 nicht nur im Industriegebiet Flächen für das produzierende Gewerbe sichern wollen, wie sich aus der Planbegründung zum Anlass der Planung und zur Gliederung der Baugebiete ergebe, sondern auch im Gewerbegebiet.

29

Die Klägerin beantragt,

30

das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. November 2011 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg zu ändern und den Vorbescheid vom 12. September 2008 sowie den Baugenehmigungsbescheid vom 5. März 2009 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2009 aufzuheben

31

sowie festzustellen, dass § 1 der Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vom 23./29. September 2010 unwirksam ist.

32

Die Beklagte beantragt,

33

die Berufung zurückzuweisen.

34

Sie beruft sich zur Begründung auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts und der Beigeladenen und betont, das Bundesverwaltungsgericht sei insbesondere in seinem jüngsten Beschluss vom 5. Juni 2014 (ZfBR 2014, 574) nicht von seiner Argumentation abgerückt, dass Bordelle keine Vergnügungsstätten im Sinne der Baunutzungsverordnung, sondern gewerbliche Betriebe im Sinne des § 8 BauNVO seien. Es gebe auch keine Unsicherheiten bei der Auslegung des Bebauungsplans Wandsbek 69/Tonndorf 29 vom 11. August 1999. Dem Plangeber sei im Jahr 1999 die Problematik der Bordelle als Nutzungsart in Gewerbegebieten nicht bewusst gewesen, daher habe er damals noch keinen Ausschluss verfügt. Als Vergnügungsstätten habe er Bordelle nicht angesehen. Vielmehr entspreche es der Verwaltungspraxis aller sieben Bezirke der Beklagten, Bordellbetriebe in Anlehnung an die höchstgerichtliche Rechtsprechung als Gewerbebetriebe eigener Art zu behandeln. Sofern sie in Bebauungsplänen ausgeschlossen werden sollten, würden Bordelle gesondert neben Vergnügungsstätten genannt. Der Bordellbetrieb widerspreche vorliegend auch nicht der Eigenart des Baugebietes, da es an Festsetzungen zugunsten einer Automeile oder des produzierenden Gewerbes fehle. Vielmehr sei nach den planerischen Festsetzungen eine große Vielzahl unterschiedlicher Nutzungen im Gewerbegebiet generell oder ausnahmsweise zulässig, so dass nicht ersichtlich sei, dass ein Bordell den Gebietscharakter verändere.

35

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Sie verweist auf die ihrer Auffassung nach unverändert maßgebliche Argumentation im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 1983 (a.a.O.), die in der jüngsten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 2014 (a.a.O.) bestätigt worden sei. Danach werde anhand der Zuweisung der Vergnügungsstätten in die Kerngebiete nach § 7 BauNVO deutlich, dass damit Betriebe gemeint seien, die regelhaft in zentralen Gebieten angesiedelt werden könnten. Dies treffe auf Bordelle nicht zu, denn die allgemeine sozialethische Bewertung und die sich aus dem „Milieu“ ergebenden Begleiterscheinungen sprächen eher für einen Standort außerhalb oder am Rande der allgemeinen Treffpunkte der Öffentlichkeit. Zweckbestimmung der Gewerbegebiete sei es gerade, solchen Betrieben einen Standort zu bieten, die im Hinblick auf ihre spezifischen Standortanforderungen und ihre Auswirkungen zu Unzuträglichkeiten in Gebieten führen würden, in denen auch oder sogar vorwiegend gewohnt werde. Die mit der Baunutzungsverordnung 1990 eingetretene erweiternde Einführung der Vergnügungsstätten im Ausnahmewege in andere Baugebiete führe nicht dazu, dass sich der Begriff der Vergnügungsstätte geändert habe. Nach wie vor seien vom Begriff der Vergnügungsstätte nach der Baunutzungsverordnung die typischen, nicht dagegen die atypischen Vergnügungsstätten erfasst. Denn die Unterlagen des Rechtssetzungsverfahrens zur Baunutzungsverordnung 1990 gäben nichts anderes her. Der Gesetzgeber habe vielmehr als Begründung zur Ergänzung des § 8 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich ausgeführt, diese ziele darauf ab, dass in Gewerbegebieten „kerngebietstypische Vergnügungsstätten“ ausnahmsweise zulassungsfähig sein sollten. Dadurch solle Erfordernissen der Praxis Rechnung getragen werden, sogenannte Großdiskotheken wegen ihres Störungsgrades in Gewerbegebieten unterzubringen. Es entspreche der Verwaltungspraxis aller sieben Hamburger Bezirke, Bordellbetriebe als „Gewerbebetriebe eigener Art“ und nicht als Vergnügungsstätten zu behandeln. Gewerbebetriebe, die wegen der Anbietung sexueller Dienstleistungen in schutzwürdigen Gebieten unerwünscht seien, könnten nach § 1 Abs. 9 BauNVO gegebenenfalls neben den Vergnügungsstätten ausgeschlossen werden. Die bodenrechtliche Einordnung der Bordelle sei nicht davon abhängig, wie andere Gerichte über sonstige Betriebe des Sex-Animiergewerbes bzw. zu Swinger-Clubs entschieden hätten, da diese Abgrenzungsprobleme nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens seien. Soweit Sex-Animierbetriebe als Vergnügungsstätten angesehen würden, beruhe dies im Übrigen im Unterschied zum Bordell auf der passiven Rolle des Vergnügungssuchenden. Swinger-Clubs seien ebenso wenig wie Bordelle als kerngebietsverträgliche Vergnügungsstätten anzusehen.

38

Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Plangeber bei der Aufstellung des Bebauungsplans Wandsbek 69/Tonndorf 29 dem Begriff der Vergnügungsstätte ein Verständnis zugrunde gelegt habe, das von dem der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur abgewichen sei. Wenn dies der Fall gewesen sein sollte, sei dies wegen des numerus clausus im Städtebaurecht unzulässig. Der Bordellbetrieb widerspreche auch nicht der Eigenart des Baugebietes nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Ein Ausschluss bestimmter Nutzungsarten müsse sich aus den Festsetzungen ergeben, nicht allein aus der Begründung des Plangebers. Die Festsetzungen ließen nicht erkennen, dass ausschließlich Nutzungen mit hohem Störungsgrad im Gewerbegebiet zulässig sein sollten. Der Tatbestand des § 15 Abs. 1 BauNVO sei kein zulässiges Mittel, um eine vom Plangeber möglicherweise gewollte, tatsächlich aber nicht vorgenommene Differenzierung des Baugebietes im Sinne des § 1 Abs. 4 BauNVO nachzuholen.

39

Die Beklagte und die Beigeladene haben in der mündlichen Verhandlung der Umstellung des Klagantrags von dem erstinstanzlich gestellten erweiterten Anfechtungsantrag auf einen Feststellungsantrag in Bezug auf die in der Vereinbarung vom 23./29. September 2010 geregelte Nutzungserweiterung zugestimmt.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I.

41

Die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen (1.). Auch der in zweiter Instanz gestellte Feststellungsantrag bleibt ohne Erfolg (2.).

42

1. Die Berufung ist zurückzuweisen, da sie unbegründet ist. Die gegen den Bauvorbescheid vom 12. September 2008 sowie den Baugenehmigungsbescheid vom 5. März 2009 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2009 gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig (a.), aber nicht begründet (b.).

43

a. Die Klage gegen den der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid vom 12. September 2008 ist nicht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Insbesondere steht der Klage nicht der Umstand entgegen, dass während des laufenden Widerspruchsverfahrens am 5. März 2009 die Baugenehmigung erlassen wurde. Denn der Regelungsgehalt des Bauvorbescheides, der die Frage einer zulässigen Nutzungsart betrifft, hat sich durch den Erlass der Baugenehmigung weder aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung des Bauordnungsrechts noch gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG auf andere Weise erledigt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Inhalt des angegriffenen und noch nicht bestandskräftigen Bauvorbescheids mangels vollziehbarer Bindungswirkung - § 212 a Abs. 1 BauGB findet insoweit keine Anwendung - in der Baugenehmigung neu geregelt werden musste. Denn der Bauvorbescheid kann im Fall der Aufhebung der Baugenehmigung weiterhin planungsrechtliche Grundlage einer neuen, geänderten Baugenehmigung sein (ebenso BVerwG, Urt. v. 9.2.1995, Buchholz 310, § 42 VwGO Nr. 213; OVG Hamburg, Beschl. v. 24.8.1999, 2 Bf 2/97; VGH München, Beschl. v. 11.3.2013, 14 ZB 12.2073, juris Rn. 2). Eine Erledigung gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG ist auch nicht dadurch eingetreten, dass die Rechtsvorgänger der Klägerin in der Vereinbarung vom 23./29. September 2010 auf „weitergehende Rechte“ aus dem Vorbescheid verzichtet haben. Denn damit haben sie gerade zum Ausdruck gebracht, dass sich der Bauvorbescheid hinsichtlich seines Kerngehalts, der auch Gegenstand der nachfolgend erteilten Baugenehmigung wurde, nicht erledigt hat.

44

b. Die Anfechtungsklage ist insgesamt unbegründet, weil die Genehmigung der Nutzung der genannten Räumlichkeiten in der ...- Straße ... als Bordell im Gewerbegebiet durch den Baugenehmigungsbescheid vom 5. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2009 rechtmäßig ist und die Klägerin als Dritte nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie besitzt keinen Abwehranspruch gegen die genehmigte Nutzungsänderung. Da der nach § 63 HBauO ergangene Bauvorbescheid allein die einzelne Frage behandelt, ob ein Bordell seiner Art nach auf der Basis der bestehenden planungsrechtlichen Festsetzung zulässig ist, und diese Frage auch Gegenstand der nach § 62 HBauO erteilten Baugenehmigung ist, entspricht seine rechtliche Bewertung der der Baugenehmigung.

45

Die genehmigte Nutzungsänderung widerspricht weder den auch im Vorbescheidsverfahren streitigen nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts noch den darüber hinaus im Baugenehmigungsverfahren entscheidungserheblichen weiteren nachbarschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die Klägerin kann sich weder auf einen Gebietserhaltungsanspruch (aa.) noch auf den Ausschluss von Vergnügungsstätten nach § 2 Nr. 5 Satz 2 PlanVO berufen (bb.). Auch ein Anspruch auf Aufrechterhaltung der Gebietsprägung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO (cc.) oder ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (dd.) scheiden aus.

46

aa. Der Klägerin steht kein Gebietserhaltungsanspruch aufgrund einer Störung des nachbarlichen Austauschverhältnisses wegen der Art der zugelassenen Nutzung (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.2.2000, BauR 2000, 1306 f.; Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 374; OVG Hamburg, Beschl. v. 25.3.2014, BauR 2014, 1438) zu. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Erteilung des Bauvorbescheids vom 12. September 2008, d.h. sind gemäß § 29 BauGB die Festsetzungen des – ungeänderten – Bebauungsplans Wandsbek 69/Tonndorf 29 vom 11. August 1999 in Verbindung mit der Baunutzungsverordnung 1990. Denn mit dem die Beigeladene begünstigenden Bauvorbescheid trat im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen eine Bindungswirkung für die spätere Baugenehmigung ein. Rechtsänderungen wären allenfalls relevant, wenn sie den Bauherrn begünstigen würden. Dies ist bei dem am 11. Januar 2010 erfolgten Ausschluss der Bordelle und der bordellähnlichen Betriebe etc. im Gewerbegebiet gerade nicht der Fall.

47

Ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Klägerin liegt nicht vor, da es sich bei einem Bordell um einen regelhaft zulässigen „Gewerbebetrieb aller Art“ im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1990 handelt und nicht um eine nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO 1990 nur ausnahmsweise zulässige - und im vorliegenden Fall durch § 2 Nr. 5 Satz 2 PlanVO ausgeschlossene - Nutzung als Vergnügungsstätte. Seit der Neufassung der Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 wird die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten abschließend im Sinne einer besonderen Nutzungsart geregelt; ihre Zulassung als „sonstiger Gewerbebetrieb“ kommt daneben im Unterschied zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Baunutzungsverordnung 1990 nicht mehr in Betracht (BVerwG, Beschl. v. 9.10.1990, Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 4; Regierungsentwurf zur BauNVO 1990, BR-Drs. 354/89 v. 30.6.1989 S. 32 f.; Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, vor §§ 2 – 9, 12 – 14 Rn. 4.8; Stühler, BauR 2010, 1013, 1021).

48

Der Betrieb eines Bordells unterfällt dem Begriff des Gewerbes im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1990. Denn es handelt sich um eine selbständige, auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Gewinnerzielung dient und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wobei die Tätigkeit weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft, als Ausübung eines freien Berufs oder als eine andere selbständige Tätigkeit im Sinne des Einkommenssteuerrechts anzusehen ist (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1.7.2014, § 8 BauNVO Rn. 22). Der Betrieb eines Bordells ist wie die Prostitution – unabhängig von gebietsbezogenen oder anderen Beschränkungen (z.B. Sperrgebietsverordnungen nach Art. 297 EGStGB) – ohne persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit der Prostituierten auch generell erlaubt (vgl. §§ 180a, 181 StGB; BVerwG, Beschl. v. 23.3.2009, Buchholz 541.41 § 4 GastG Nr. 26; Urt. v. 25.11.1983, BVerwGE 68, 213, 218).

49

Ein Bordell stellt dagegen keine Vergnügungsstätte im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO 1990 dar. Das Berufungsgericht sieht keine Veranlassung, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 5.6.2014, ZfBR 2014, 574; Urt. v. 25.11.1983, a.a.O.) und seiner eigenen Rechtsprechung (Beschl. v. 13.8.2009, NordÖR 2009, 453) abzuweichen.

50

Maßgeblich ist nicht darauf abzustellen, wie der Begriff der „Vergnügungsstätte“ umgangssprachlich oder in anderen Rechtsgebieten verwendet wird. Entscheidend für seine Auslegung ist vielmehr die in der Baunutzungsverordnung verwendete bodenrechtliche Begrifflichkeit (Fickert/Fieseler, a.a.O., § 4a Rn. 22.12). Im Bauplanungsrecht ist der Begriff der Vergnügungsstätte zwar gesetzlich nicht definiert. Anhand der Gesetzessystematik wird aber deutlich, dass der städtebauliche Begriff der Vergnügungsstätte nach der vom Verordnungsgeber verwendeten Systematik nicht alle Stätten umfasst, in denen sich Menschen nach einer am reinen Wortlaut orientierten Auslegung „vergnügen“, d.h. wo sie einen angenehmen Zeitvertreib erleben. So nennt § 7 Abs. 2 BauNVO 1990 als zulässige Nutzungen im Kerngebiet neben Vergnügungsstätten (Nummer 2) in Nummer 4 z.B. Anlagen für kulturelle und sportliche Zwecke, obwohl diese ebenfalls dazu dienen, Vergnügen im weiten Sinn zu bereiten. Üblicherweise werden im Städtebaurecht unter Vergnügungsstätten gewerbliche Nutzungen verstanden, die sich in unterschiedlicher Ausprägung (wie Amüsierbetriebe, Diskotheken, Spielhallen, Multiplex-Kinos) unter Ansprache (oder Ausnutzung) des Geselligkeits-, Spiel- und/oder Sexualtriebes einer bestimmten gewinnbringenden „Freizeit“-Unterhaltung widmen (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O. § 4a Rn. 22.2; ähnlich Ziegler in: Brügelmann, BauGB, Stand: Oktober 2013, § 4a BauNVO Rn. 56; Stühler a.a.O., S. 1020). Es handelt sich um einen städtebaulichen Sammelbegriff. Im Vordergrund steht nicht die Frage nach der Art der kommerziellen Unterhaltung, sondern in welcher Weise sich die unter diesem Begriff zusammengefassten Nutzungsarten innerhalb der einzelnen Baugebiete auswirken können (Fickert/Fieseler a.a.O. § 4a Rn. 22.1; vgl. auch VGH Mannheim, Beschl. v. 5.3.2012, BRS 79 Nr. 87 S. 445 m.w.N.). Daher kann eine Vergnügungsstätte nur eine solche Einrichtung sein, die nach der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise (BVerwG, Beschl. v. 31.7.2013, BauR 2013, 1996 f.; Urt. v. 2.2.2012, BVerwGE 142, 1, 5) insbesondere mit der Baugebietsart, in der Vergnügungsstätten uneingeschränkt zulässig sind, d.h. gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1990 vornehmlich im Kerngebiet, regelhaft kompatibel ist. Anderenfalls unterfällt die Einrichtung nicht dem Begriff der Vergnügungsstätte i.S.d. Baunutzungsverordnung. Bordelle und bordellartige Betriebe sind nicht als Einrichtungen anzusehen, die regelhaft im Kerngebiet anzusiedeln sind (OVG Hamburg, Beschl. v. 13.8.2009, NordÖR 2009, 453 f.; VGH Mannheim, Beschl. v. 5.3.2012, a.a.O.).

51

Nicht zuletzt weil auch Kerngebiete in gewissem Umfang dem Wohnen dienen (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 6 und 7, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 BauNVO 1977), hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 25. November 1983 (a.a.O.) ausgeführt, dass Bordellbetriebe nicht dem typischen Erscheinungsbild einer Vergnügungsstätte im Sinne der Baunutzungsverordnung entsprechen. Für Bordelle, in denen die Prostituierten nicht wohnten, eigne sich im Hinblick auf die allgemeine sozialethische Bewertung und die sich aus dem „Milieu“ ergebenden Begleiterscheinungen eher ein Standort, der außerhalb oder allenfalls am Rande des „Blickfeldes“ und der Treffpunkte einer größeren und allgemeinen Öffentlichkeit liege. Daher dürften sie nicht ausschließlich im Kerngebiet (und ausnahmsweise im besonderen Wohngebiet) zugelassen werden, sondern auch grundsätzlich im Gewerbegebiet. Denn die Zweckbestimmung des Gewerbegebietes sei es gerade, solchen Betrieben einen Standort zu bieten, die im Hinblick auf ihre spezifischen Standortanforderungen und ihre Auswirkungen zu Unzuträglichkeiten in Gebieten führen würden, in denen auch oder sogar vorwiegend gewohnt werde (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983, a.a.O.).

52

Die mit der Baunutzungsverordnung 1990 erfolgten Änderungen, insbesondere die systematische Ausgliederung der Vergnügungsstätten aus der Begrifflichkeit der „Gewerbebetriebe aller Art“ und ihre Einstufung als eigenständige Nutzungsart, führen nicht dazu, dass Bordelle oder bordellähnliche Betriebe nicht mehr als Gewerbebetriebe aller Art im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1990, sondern nunmehr (nur) als Vergnügungsstätten anzusehen sind (ebenso BVerwG, Beschl. v. 5.6.2014, a.a.O.). Eine ausdrückliche Zuordnung des Nutzungstyps der Bordelle bzw. der bordellähnlichen Betriebe ist mit der Neufassung zur Baunutzungsverordnung 1990 nicht erfolgt. Für ein insoweit geändertes Verständnis des Begriffs „Vergnügungsstätten“ bietet auch die Begründung zur Neufassung (BR-Drs. 354/89 S. 32 f.) keine Anhaltspunkte. Sie erwähnt die Bordelle als zugehörigen Nutzungstyp nicht; die für die Einführung der „Vergnügungsstätten“ als eigenständige Nutzungsart angeführten Erwägungen erfassen die Eigentümlichkeiten dieses Nutzungstyps nicht. Solches ist auch aufgrund der systematischen Zuordnung von Vergnügungsstätten zu den Baugebietsarten der Baunutzungsordnung 1990 nicht ersichtlich. Zwar sind diese – insbesondere sog. kerngebietstypische Vergnügungsstätten – weiterhin nur im Kerngebiet (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1990) sowie – ohne kerngebietstypischen Charakter – nunmehr in „überwiegend von gewerblichen Nutzungen geprägten Teilen von Mischgebieten“ (§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO 1990) allgemein zulässig. Nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten sind jedoch zusätzlich im Wege der Ausnahme neben besonderen Wohngebieten (§ 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990), auch in Dorfgebieten (§ 5 Abs. 3 BauNVO 1990), in allen Bereichen von Mischgebieten (§ 6 Abs. 3 BauNVO 1990) sowie in Gewerbegebieten (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO) zulässig. Damit sind – vornehmlich ihrer Größe nach - nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten verstärkt in Baugebieten zulassungsfähig, die regelhaft auch dem Wohnen dienen. Im Kerngebiet wurde mit der Novelle der Baunutzungsverordnung im Jahr 1990 die Zulässigkeit der Wohnnutzung erweitert, wie sich aus den neu eingeführten Festsetzungsmöglichkeiten für reine Wohngebäude gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO 1990 ergibt. Aufgrund der grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Bordellen und bordellartigen Betrieben mit Baugebieten, in denen gewohnt wird (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 12.9.2013, BVerwGE 147, 379, 382; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29.1.2015, a.a.O.; Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 6 Rn. 2.1), liegt danach auch nach dem Regelungszusammenhang der Baunutzungsverordnung 1990 fern, Bordelle und bordellartige Betriebe nunmehr der Nutzungsart der Vergnügungsstätten zuzuordnen.

53

Im Hinblick hierauf kommt eine planungsrechtliche Einordnung von Bordellen und bordellartigen Betrieben als Vergnügungsstätten auch im Übrigen nicht in Betracht.

54

Dabei kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob die fehlende Kerngebietsverträglichkeit von Bordellen und bordellartigen Betrieben weiterhin aus ihrer sozialethischen Ablehnung durch die Mehrzahl der Kerngebietsnutzer gefolgert werden kann (so BVerwG, Urt. v. 25.11.1983, a.a.O.; VGH Mannheim, Beschl. v. 5.3.2012, a.a.O. S. 446). Zwar hängt die Gebietsverträglichkeit einer Nutzung nicht nur von den nutzungstypischen Störungen anderer Grundstückseigentümer und dauerhafter Nutzer wie Mieter oder Pächter ab; abzustellen ist auch auf die Störungsempfindlichkeit jener Personen, die aus verschiedenen Gründen vorübergehend das jeweilige Baugebiet aufsuchen. Jedoch dürfte das Bodenrecht regelmäßig keine Handhabe zur Abwehr unerwünschter Vorhaben und Anblicke bieten, solange diese nach baurechtlichen Kriterien keine Nachteile mit sich bringen (vgl. zum Kleintierkrematorium OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.11.2010, NVwZ-RR 2011, 139, 140; zur Spielhalle VGH München, Beschl. v. 20.6.2013, 15 ZB 12.1415, juris Rn. 11; Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, a.a.O., § 4a BauNVO Rn. 60). Genauso kommt es nicht darauf an, ob sich die sozialethischen Vorstellungen der Allgemeinheit gewandelt haben und ob eine (nicht jugendgefährdende) Bordellnutzung für freiwillig dort arbeitende volljährige Prostituierte inzwischen durch die Rechtsordnung gebilligt wird (vgl. Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001, BGBl I S. 3983).

55

Denn die fehlende regelhafte Vereinbarkeit von Bordellen und bordellähnlichen Betrieben in einem Baugebiet, in dem in nennenswertem Umfang gewohnt werden darf, folgt weiterhin aus dem milieubedingten Störpotential, das ein Bordell bei der gebotenen typisierenden Betrachtung (vgl. zuletzt BVerwG, Beschl. v. 31.7.2013, 4 B 8/13, juris Rn. 14) mit sich bringt. Zwar dient die Festsetzung von Baugebieten grundsätzlich nicht dem Milieuschutz, d.h. dem Schutz der ansässigen Grundstückseigentümer vor einer Veränderung der sozialen Struktur der Nutzer des Gebiets (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, 4 C 13.94, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.11.2010, a.a.O.). Anders verhält es sich aber dann, wenn mit einem bestimmten Milieu typischerweise Begleiterscheinungen auftreten, die sich unmittelbar auf die Grundstückseigentümer und Grundstücksnutzer im Baugebiet auswirken können. So ist bei gewerblicher Prostitution bei der gebotenen typisierenden Betrachtung mit milieutypischen Begleiterscheinungen wie Belästigungen durch alkoholisierte oder unzufriedene Kunden, organisierter Kriminalität, Menschen- und Drogenhandel, ausbeutender Zuhälterei, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Verstößen gegen das Waffenrecht, Gewaltkriminalität bis hin zu Tötungsdelikten zu rechnen (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29.1.2015, OVG 2 B 1.14, juris Rn. 32; OVG Bautzen, Beschl. v. 28.6.2010, 1 A 659/08, juris; VGH München, Beschl. v. 10.6.2010, 1 ZB 09.1971, juris; OVG Koblenz, Urt. v. 11.5.2005, BRS 69 Nr. 35; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.11.2005, OVG 10 S 3.05, juris Rn. 10 m.w.N.; OVG Berlin, Beschl. v. 9.4.2003, 2 S 5.03, juris; zu Milieustraftaten: BGH, Beschl. v. 4.7.2013, NStZ 2013, 580; Beschl. v. 23.2.2010, NStZ 2010, 391; OLG Celle, Beschl. v. 24.1.2013, StV 2014, 420 ff.; aus der Presse: www.sueddeutsche.de v. 13.1.2014 „In der Hölle von Schweinfurt“; www.ntv.de v. 24.11.2010, „Zwangsprostituierte immer jünger“; www.der-westen.de v. 20.3.2015, „Bordell-Schlägerei in Duisburg“; www.morgenpost.de v. 18.8.2012, „Schießerei im Bordell A... …“; www.ndr.de v. 14.11.1996 „Kiez-Krieg in Hamburg…“ und v. 16.3.2015 „Schüsse in Bordell…“; www.abendblatt.de v. 3.3.2015 „Stinkbombe in Bordell G... geworfen“). Diese typischen milieubedingten bodenrechtlichen Spannungen können bei der Einordnung eines Bordells als Vergnügungsstätte im Übrigen nicht nur im Hinblick auf Wohnnutzungen auftreten. Die genannten milieubedingten Störungen sind auch geeignet, kerngebietstypische Nutzungen zu stören. Vor diesem Hintergrund sind ein Bordell oder ein bordellähnlicher Betrieb nicht nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1990 als Vergnügungsstätte generell im Kerngebiet zulassungsfähig, sondern gegebenenfalls – abhängig von der Art des Kerngebiets – nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO 1990 als „sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe“.

56

Dem steht nicht entgegen, dass verschiedene andere Einrichtungen mit sexuellem Bezug (Sex-Kinos, Stripteasebars, Peep-Shows o.ä.) als Betriebe, in denen der Sexualtrieb angesprochen wird, in denen es aber nicht zu sexuellen Handlungen am Besucher oder durch den Besucher kommt, als Vergnügungsstätten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1990 angesehen werden (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 3.9.2012, NVwZ-RR 2012, 919; VGH München, Beschl. v. 4.1.2011, 22 ZB 10.2880, juris). Gleichermaßen bedarf es keiner Erwägung, ob Swinger-Clubs als Vergnügungsstätten anzusehen sind (vgl. dazu VGH Mannheim, Beschl. v. 28.11.2006, BauR 2007, 669; VGH München, Urt. v. 29.12.2003, NVwZ-RR 2005, 15; VGH Kassel, Beschl. v. 27.3.2001, 4 TZ 742/01, juris). Hieraus lässt sich nicht der Schluss rechtfertigen, dass deshalb Bordelle und bordellartige Betriebe planungsrechtlich in gleicher Weise zuzuordnen sind. Jedenfalls mit Einrichtungen, die gegen Entgelt sexuelle Dienstleistungen anbieten, sind typischerweise in einem solchen Umfang die beschriebenen milieubedingten Begleiterscheinungen verbunden, die einer etwaigen Gleichsetzung entgegenstehen.

57

bb. Die Klägerin kann auch keinen Abwehranspruch daraus ableiten, dass die Beklagte in § 2 Nr. 5 Satz 2 des Bebauungsplans Wandsbek 69/Tonndorf 29 vom 11. August 1999 Ausnahmen für Vergnügungsstätten ausgeschlossen hat. Der Klägerin ist insoweit bereits nicht in ihrer Auffassung zu folgen, dass der Plangeber im Jahr 1999 Bordelle als Vergnügungsstätten angesehen hat und diese mit dem Ausschluss erfassen wollte. Abzustellen ist auf die bei Planerlass vom Plangeber verstandene und für den Adressaten erkennbar verwendete Begrifflichkeit (§ 173 VwGO i.V.m. §§ 133, 157 BGB) der Vergnügungsstätte im Sinne der Baunutzungsverordnung 1990. Insbesondere die Berücksichtigung des objektivierten Empfängerhorizonts führt dazu, dass sich die Verwendung der vom Plangeber verwendeten Rechtsbegriffe aus der Baunutzungsverordnung regelmäßig an der bundesweit üblichen Auslegung und insbesondere an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu orientieren hat. Anderes kann allenfalls gelten, wenn das abweichende Verständnis des Plangebers klar erkennbar zum Ausdruck gekommen ist.

58

Zum Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1999 wurde - der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Urteil vom 25. November 1983 (a.a.O.) folgend – ein Bordell nach herrschender Auffassung nicht als Vergnügungsstätte, sondern als Gewerbebetrieb aller Art im Sinne der Baunutzungsverordnung angesehen (VGH München, Beschl. v. 13.2.1996, 14 CS 95.3591, juris); lediglich in der Literatur finden sich vor 1999 einzelne Stimmen, die die Auffassung vertraten, mit dem Inkrafttreten der Baunutzungsverordnung 1990 seien Bordelle den Vergnügungsstätten zuordnen (vgl. z. B. Stühler, NVwZ 1997, 861; Knaup/Stange, BauNVO, 8. Aufl. 1997, § 4a Rn 51; a.A. Wettling, VBlBW 1983, 18, 19). Dass sich der Plangeber bei der Verwendung des Begriffs der Vergnügungsstätte von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abwenden und den Begriff im Sinne der teilweise vertretenen Literaturauffassung verstanden wissen wollte, ergibt sich weder aus der in den Bezirken der Beklagten geübten Verwaltungspraxis (vgl. Antwort des Senats v. 13.1.2009, Bü.-Drs. 19/1865 auf eine Kl. Anfrage v. 5.1.2009) noch aus der Planbegründung. Letztere liefert schon keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Plangeber die Problematik von Bordellnutzungen im Gewerbegebiet zu diesem Zeitpunkt als regelungsbedürftig angesehen hat. Anlass der Planung war ausweislich Ziffer 2 der Planbegründung der verstärkte Ansiedlungsdruck durch großflächigen Einzelhandel. Auch wenn der Plangeber in Ziffer 2 der Begründung sein generelles Ziel beschreibt, das Plangebiet für produzierendes Gewerbe zu schützen und den Ausschluss der Vergnügungsstätten im Gewerbegebiet in Ziffer 5 damit begründet, es sollten die Automeile gesichert und die Gewerbebetriebe vor einer Verdrängung durch finanzstarke Vergnügungsstätten geschützt werden, und sich diese Argumentation auf Bordelle übertragen ließe, führt dies nicht zu einem Begriffsverständnis, das entgegen dem in der Rechtsprechung üblichen Verständnis für den Adressaten erkennbar Bordelle als Vergnügungsstätten erfassen sollte. Auch die Begründung zur Änderung des Bebauungsplans Wandsbek 69/Tonndorf 29, die zum 11. Januar 2010 in Kraft getreten ist, betont unter Ziffer 5.1, dass erst „neueste Entwicklungen“ die Gefahr der Ansiedlung teilweise flächenbeanspruchender Bordellnutzungen aufgezeigt hätten, woraufhin der Ausschluss von Bordellen und bordellähnlichen Betrieben etc. in § 2 Nr. 8 der Verordnung über den Bebauungsplan Wandsbek 69/Tonndorf 29 ergänzt worden ist. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob ein gegebenenfalls von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichendes Verständnis des Hamburgischen Plangebers vom bundesrechtlichen Begriff der Vergnügungsstätte im Sinne der Baunutzungsverordnung gegen den Typenzwang der Baunutzungsverordnung verstoßen hätte (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27.10.2011, Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 105).

59

cc. Die Genehmigung des Bordells und die im Bauvorbescheid enthaltene Feststellung der Beklagten zur Einordnung von Bordellen als Gewerbebetriebe aller Art, die sich auf das konkrete Vorhaben auf dem Grundstück ...- Straße ... bezieht, stellen keinen Verstoß gegen die Eigenart des Baugebiets nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1990 dar.

60

Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1990 vermittelt innerhalb des betroffenen Baugebiets Nachbarn einen Anspruch auf Aufrechterhaltung einer typischen Prägung desselben, wenn ein im Baugebiet seiner Art nach allgemein zulässiges Vorhaben genehmigt wird, obwohl es im Einzelfall nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht. Die Eigenart des Baugebiets ergibt sich aus seiner allgemeinen Zweckbestimmung, den sonstigen Festsetzungen des Bebauungsplans und dem Planungswillen (soweit dieser in den Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist), sowie der örtlichen Situation, in die ein Gebiet "hineingeplant" worden ist. Die Begründung eines Bebauungsplans, die in dessen planerischen Festsetzungen keinen Ausdruck gefunden hat, ist dagegen für sich betrachtet nicht geeignet, die Eigenart eines Baugebiets i.S.v. § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO 1990 zu prägen (OVG Hamburg, Beschl. v. 2.9.2010, NordÖR 2011, 84 f.; Beschl. v. 13.8.2009, a.a.O.). Auch auf die tatsächlich vorhandene Bebauung kommt es grundsätzlich nicht an (OVG Hamburg, Beschl. v. 8.10.2009, 2 Bs 176/09, juris). Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets liegt vor, wenn die Unangemessenheit des Vorhabens gegenüber den von dem Plangeber gezogenen Rahmen bei objektiver Betrachtungsweise augenscheinlich ist (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, NordÖR 2009, 308, 309 f.; Beschl. v. 5.6.2009, NordÖR 2009, 310, 312).

61

Das Berufungsgericht hat einen solchen Widerspruch bereits in seinem Beschluss vom 13. August 2009 (a.a.O.) verneint. Die Ausführungen der Klägerin im Hauptsacheverfahren geben keinen Anlass zu einer veränderten Beurteilung.

62

dd. Ein Verstoß gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO 1990 liegt nicht vor.

63

Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO 1990 sind bauliche Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Das Gebot beinhaltet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Ein Nachbar kann lediglich solche Nutzungsstörungen abwehren, die als rücksichtslos zu werten sind. Davon kann erst die Rede sein, wenn die mit dem genehmigten Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen bei der Nutzung des eigenen Grundstückes bei einer Abwägung, in der die Schutzwürdigkeit der Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung und die Interessen des Bauherrn zu berücksichtigen sind, für den Nachbarn billigerweise unzumutbar erscheinen (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 5.8.1983, BVerwGE 67, 334, 339; OVG Hamburg, Urt. v. 2.2.2011, NordÖR 2011, 399, 403; Beschl. v. 26.9.2007, NordÖR 2008, 73 f.; Urt. v. 17.1.2002, NordÖR 2002, 454, 457).

64

Wie bereits im Eilverfahren festgestellt, sind unzumutbare Nutzungsbeeinträchtigungen für das Grundstück der Klägerin, die vom Betrieb des Bordells herrühren, nicht ersichtlich (OVG Hamburg, Beschl. v. 13.8.2009, a.a.O.). Die Klägerin hat auch im Berufungsverfahren keine konkreten Nutzungsbeeinträchtigungen ihres Grundstücks geltend gemacht. Insoweit ist zudem in Rechnung zu stellen, dass die Klägerin als Eigentümerin eines im Gewerbegebiet gelegenen Grundstücks gegenüber Störungen der hier in Rede stehenden Art nicht dasselbe Maß an Schutz beanspruchen kann, wie es in einem Wohngebiet der Fall ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 13.8.2009, a.a.O.; ebenso VGH Mannheim, Beschl. v. 5.3.2012, a.a.O.). Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin auf ihrem Grundstück eine besonders störempfindliche Nutzung betreibt.

65

Soweit sich die Klägerin wegen des befürchteten „Trading-down-Effekts“ auf eine unzumutbare Wertminderung ihres Grundstücks beruft, dringt sie damit nicht durch. Denn der Abwehranspruch aufgrund von Rücksichtslosigkeit bezieht sich maßgeblich auf Nutzungsstörungen. Dagegen bilden Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinn des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.1.1999, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 159; Beschl. v. 13.11.1997, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 189; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.8.2009, a.a.O.; Beschl. v. 4.2.2009, 2 Bs 242/08, juris; Beschl. v. 21.5.2001, 2 Bs 178/01, juris).

66

2. Der in der Berufungsinstanz gestellte Antrag, festzustellen, dass § 1 der Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vom 23./29. September 2010, wonach nicht nur 10, sondern 19 Prostituierte gleichzeitig tätig sein dürfen, unwirksam ist, ist zulässig, aber unbegründet. Offen bleiben kann, ob dieser Antrag als Klageänderung anzusehen ist, der nur unter den Voraussetzungen des § 91 Abs. 1 VwGO zulässig ist. Denn der Umstellung des Klagantrags haben alle Beteiligten zugestimmt.

67

a. Der Antrag ist als sogenannte Drittfeststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse an der Feststellung des Rechtsverhältnisses ist gegeben, denn die Klägerin möchte gerichtlich geklärt wissen, ob § 1 der genannten Vereinbarung wegen Verletzung ihrer eigenen subjektiven Rechte als betroffene Dritte gemäß § 58 Abs. 1 HmbVwVfG schwebend unwirksam ist. Der Feststellungsantrag scheidet nicht wegen Subsidiarität gegenüber dem Anfechtungsantrag nach § 43 Abs. 2 VwGO aus. Denn bei der geschlossenen Vereinbarung handelt es sich nicht um eine einseitige Rechtsfolgenanordnung in Gestalt eines Verwaltungsakts gemäß § 35 Satz 1 HmbVwVfG, der allein nach § 42 Abs. 1 VwGO anfechtbar ist. Vielmehr ist die Erklärung auf die gemeinsame Herbeiführung eines Rechtserfolgs kraft Einigung gerichtet (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 54 Rn. 21). Abzustellen ist darauf, welches Instrument die Behörde gewählt hat, nicht, welches Instrument sie hätte wählen müssen oder wählen können (Sodan in: Sodan/Ziekow, 4. Aufl. 2014, § 42 Rn. 18; v. Albedyll in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 42 Rn. 8). Gegenüber einer eventuellen Verpflichtungsklage auf Einschreiten der Beklagten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 HBauO wegen möglicherweise formell illegaler Ausweitung der Nutzung besteht keine Subsidiarität. Denn der Erfolg eines solchen Antrags hängt nicht nur von der möglichen schwebenden Unwirksamkeit der geschlossenen Vereinbarung ab, sondern auch von einer Ermessensreduzierung auf Null. Auch bei der Wahl des Verwaltungsakts als Rechtsform hätte die Klägerin ausschließlich die Rechtswidrigkeit der Änderung der Genehmigung überprüfen lassen können, ohne darüber hinaus den Anspruch auf Einschreiten bei möglicherweise formell und materiell rechtswidrigem Tun geltend machen zu müssen.

68

b. Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet, da § 1 der zwischen den Rechtsvorgängern der Beigeladenen und der Beklagten geschlossenen Vereinbarung nicht gemäß § 58 Abs. 1 HmbVwVfG schwebend unwirksam ist. Gemäß § 58 Abs. 1 HmbVwVfG ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in die Rechte eines Dritten eingreift, erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt.

69

Für den in § 58 Abs. 1 HmbVwVfG genannten Eingriff in die Rechte des Dritten genügt es nicht bereits, dass der Drittbetroffene klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO wäre (so aber: Bonk/Neumann in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., 2014; Ziekow, VwVfG. 3. Aufl. 2013, § 58 Rn. 6; Kugele, VwVfG 2014, § 58 Rn. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG 15. Aufl. 2014, § 58 Rn. 5a, 6). Vielmehr muss ein Eingriff – entsprechend dem Wortlaut der Norm, der nicht auf die Möglichkeit des Eingriffs abstellt - tatsächlich vorliegen (Mann in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG 2014, § 58 Rn. 20; Fehling in: Fehling/Kastner /Stormer, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2012, § 58 Rn. 16). Anderenfalls wäre die Beklagte in der Freiheit der Formenwahl entgegen den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes erheblich eingeschränkt und der Handlungsform durch Verwaltungsakt würde mittelbar ein Vorrang gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Vertrag eingeräumt, den das Verwaltungsverfahrensgesetz ihm nicht gewährt. Dem Rechtsschutzbedürfnis des Drittbetroffenen wird durch die Ermöglichung der Feststellungsklage effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG gewährt, da er wie bei der Anfechtungsklage ohne weitere Anforderungen überprüfen lassen kann, ob ein zwischen Dritten geschlossener Vertrag in seine Rechte eingreift.

70

Zwar ist der geschlossene Verfügungsvertrag grundsätzlich geeignet, eine Rechtsbeeinträchtigung unmittelbar zu bewirken, da der Inhalt der angegriffenen Baugenehmigung geändert worden ist. Allerdings führt der Umstand, dass nicht nur 10, sondern 19 Prostituierte gleichzeitig tätig sein dürfen, nicht zu einer anderen Bewertung der oben unter 1. b. aa. – dd. genannten möglichen Abwehransprüche mit der Folge, dass mit dieser Vereinbarung in die Rechte der Klägerin eingegriffen würde. Denn auch der zu erwartende Kundenverkehr von bis zu 19 zeitgleich arbeitenden Prostituierten stellt keine unzumutbare Belastung eines Grundstücksnachbarn im Gewerbegebiet dar. Im Übrigen wird auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen.

III.

71

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

72

Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Insbesondere besitzt die Frage, ob Bordelle als Vergnügungsstätten oder als Gewerbebetriebe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO anzusehen sind, keine grundsätzliche Bedeutung mehr im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, da es seit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 2014 (ZfBR 2014, 574) an einer höchstrichterlich klärungsbedürftigen Rechtsfrage fehlt. In diesem Beschluss hat der zuständige 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts – nach divergierenden obergerichtlichen und eigenen, diese Frage offen lassenden Entscheidungen - klargestellt, dass er an seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 1983 (Urt. v. 25.11.1983, BVerwGE 68, 213 ff.) festhält und Bordelle als Unterart eines Gewerbebetriebes im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO ansieht. Die Tatsache, dass das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsauffassung im Beschluss vom 5. Juni 2014 (a.a.O.) nicht begründet hat, führt nicht zur weiteren Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.