Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 23. Okt. 2018 - Vf. 65-VI-17, Vf. 66-VI-17

bei uns veröffentlicht am23.10.2018

Tenor

1. Die Nrn. II und IV des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 7. August 2017 (berichtigt am 27. September 2017) Az. 33 WF 238/17 u. a. verstoßen gegen das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV), soweit sie die Verfahren Az. 33 WF 1635/16, 33 WF 1636/16, 33 WF 1638/16 und 33 WF 1639/16 betreffen. Sie werden insoweit aufgehoben. Die Sache wird in diesem Umfang zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.

2. Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden abgewiesen.

3. Der Beschwerdeführerin sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren Vf. 65-VI-17 verursachten notwendigen Auslagen zur Hälfte aus der Staatskasse zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin ist die allein sorgeberechtigte Mutter des am 18. Januar 2009 geborenen Kindes R. (im Folgenden: Kind). Sie und der nicht mit ihr verheiratete leibliche Vater des Kindes (im Folgenden: Vater) streiten über die elterliche Sorge und den Umgang des Vaters mit dem Kind. Beim Amtsgericht - Familiengericht - München sind diesbezüglich u. a. folgende Verfahren anhängig:

- Im Verfahren Az. 553 F 2862/11 (alt) beantragte der Vater im Jahr 2011, dass ihm ein Umgangsrecht mit dem Kind eingeräumt wird. Die Beschwerdeführerin trat diesem Antrag entgegen, um einen Ausschluss des Umgangsrechts zu erreichen. Eine Entscheidung über das Umgangsrecht ist in diesem Verfahren bisher nicht ergangen.

- Im Verfahren Az. 553 F 9827/11 (alt) beantragte der Vater, dass ihm im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig das Recht zum Umgang mit dem Kind eingeräumt wird. Die Beschwerdeführerin trat dem entgegen. U. a. mit Beschlüssen vom 4. Oktober 2011, 11. Mai 2012 und 30. Juli 2015 erließ das Amtsgericht einstweilige Anordnungen zum Umgangsrecht.

- Im Verfahren Az. 564 F 11849/14 (alt) beantragte der Vater, ihm oder hilfsweise dem zuständigen Jugendamt die elterliche Sorge für das Kind zu übertragen. Die Beschwerdeführerin trat dem Haupt- und dem Hilfsantrag entgegen. Eine abschließende Sachentscheidung ist bisher nicht ergangen.

- Im Verfahren Az. 564 F 6162/16 (alt) regte der Vater an, der Beschwerdeführerin die elterliche Sorge für das Kind zu entziehen. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Eine abschließende Sachentscheidung ist bisher nicht ergangen.

- Im Verfahren Az. 542 F 6238/16 (alt) beantragte der Vater, der Beschwerdeführerin aufzugeben, ihm Auskunft über das Kind im Wege der Übergabe eines aktuellen Porträtfotos zu erteilen. Die Beschwerdeführerin trat dem Antrag entgegen. Eine abschließende Sachentscheidung ist bisher nicht ergangen.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit zwei Verfassungsbeschwerden gegen Beschlüsse des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts München in den oben genannten familiengerichtlichen Verfahren.

1. Die Verfassungsbeschwerde Vf. 65-VI-17 richtet sich gegen

- vier Beschlüsse des Amtsgerichts vom 5. September 2016 in den Verfahren

Az. 564 F 2862/11, 564 F 9827/11, 564 F 11849/14 und 564 F 6162/16, mit denen inhaltsgleiche Ablehnungsgesuche der Beschwerdeführerin gegen die zuständige Richterin Dr. M. als unzulässig, hilfsweise unbegründet zurückgewiesen wurden;

- die Nrn. II und IV des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 7. August 2017 (berichtigt am 27. September 2017) Az. 33 WF 1635/16, 33 WF 1636/16, 33 WF 1638/16 und 33 WF 1639/16, mit denen die sofortigen Beschwerden der Beschwerdeführerin gegen die Beschlüsse vom 5. September 2016 zurückgewiesen und der Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt wurden.

Am 16. Juni 2016 übernahm Richterin am Amtsgericht Dr. M. das für die oben genannten familiengerichtlichen Verfahren zuständige Referat des Amtsgerichts. Mit vier inhaltsgleichen Schriftsätzen ihres Bevollmächtigten vom 9. August 2016 (ergänzt durch Schriftsätze vom 11. und 29. August 2016) lehnte die Beschwerdeführerin die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit in den Verfahren Az. 564 F 2862/11, 564 F 9827/11, 564 F 11849/14 und 564 F 6162/16 ab. U. a. habe Richterin am Amtsgericht Dr. M. im Verfahren Az. 564 F 2862/11 (Hauptsacheverfahren Umgangsrecht) am 19. Juli 2016 die Verfügung „WVmE / 2 Monate“ getroffen. Dies mache deutlich, dass sie - wie ihre Vorgänger im Amt - nicht beabsichtige, dieses Verfahren zügig zu betreiben. Offenbar wolle die Richterin lediglich im Verfahren Az. 564 F 9827/11 (einstweilige Anordnung Umgangsrecht) tätig werden. In diesem Verfahren habe sie die bestehende Umgangspflegschaft ohne ausreichende Prüfung verlängert. Dies begünstige einseitig den Vater, dem gegenwärtig eine Umgangsregelung mit Umgangspflegschaft im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zugutekomme. Außerdem habe die Richterin auf eine Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin gegen die Bestellung einer Verfahrensbeiständin im Verfahren Az. 564 F 6162/16 (Entziehung der elterlichen Sorge) nicht reagiert, ein Gespräch mit dem Umgangspfleger H. geführt, ohne es in den Akten zu dokumentieren, und in ihren dienstlichen Stellungnahmen zu den Ablehnungsgesuchen unzutreffende Angaben gemacht. Mit den angegriffenen vier Beschlüssen vom 5. September 2016 wies Richterin am Amtsgericht A. die Ablehnungsgesuche als unzulässig, hilfsweise unbegründet zurück. Die Ablehnungsgesuche seien rechtsmissbräuchlich und nach der gesamten Aktenlage offensichtlich zu Zwecken der Verfahrensverzögerung gestellt. Die Beschwerdeführerin torpediere seit Jahren mit Befangenheitsanträgen gegen mindestens vier Richterinnen und Richter des Amtsgerichts Sachentscheidungen in den anhängigen Verfahren. Davon unabhängig stellten selbst etwaige Verfahrensverstöße eines Richters im Rahmen der Prozessleitung oder fehlerhafte Entscheidungen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar.

Mit Schriftsätzen ihres Bevollmächtigten vom 21. September 2016 erhob die Beschwerdeführerin jeweils sofortige Beschwerde gegen die Beschlüsse vom 5. September 2016. Die Beschwerdeverfahren wurden beim zuständigen 33. Zivilsenat des Oberlandesgerichts unter den Aktenzeichen 33 WF 1635/16 (Hauptsacheverfahren Umgangsrecht), 33 WF 1636/16 (einstweilige Anordnung Umgangsrecht), 33 WF 1638/16 (Übertragung der elterlichen Sorge) und 33 WF 1639/16 (Entziehung der elterlichen Sorge) geführt. Durch die Nr. II des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 7. August 2017 wurden die sofortigen Beschwerden zurückgewiesen. Das Amtsgericht habe die Ablehnungsgesuche zu Recht verworfen, weil sie wegen Verschleppungsabsicht unzulässig seien.

2. Die Verfassungsbeschwerde Vf. 66-VI-17 richtet sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22. Juni 2017 in Verbindung mit der Nr. I des Beschlusses vom 7. August 2017 (berichtigt am 27. September 2017) Az. 33 WF 238/17, mit denen u. a. Ablehnungsgesuche der Beschwerdeführerin gegen Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht B., Richter am Oberlandesgericht F., Richter am Oberlandesgericht S. sowie Richterin am Oberlandesgericht W. als unzulässig verworfen und die hiergegen gerichteten Gehörsrügen der Beschwerdeführerin zurückgewiesen wurden.

a) Mit Schriftsätzen ihres Bevollmächtigten vom 3. und 4. November 2016, ergänzt durch Schriftsatz vom 22. Dezember 2016, lehnte die Beschwerdeführerin zwei damalige Mitglieder des 33. Zivilsenats des Oberlandesgerichts, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht B. und Richter am Oberlandesgericht F., wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Ablehnungsgesuch richtete sich ferner gegen Richter am Oberlandesgericht S., der dem in der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts zur Vertretung des 33. Zivilsenats bestimmten 16. Zivilsenat angehörte. (Ein Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am Oberlandesgericht Fi. nahm die Beschwerdeführerin später zurück).

aa) Hinsichtlich der Ablehnung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht B. und des Richters am Oberlandesgericht S. lag dem Gesuch folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin hatte im Verfahren Az. 564 F 11849/14 (Übertragung der elterlichen Sorge) beim Amtsgericht einen Schriftsatz vom 16. August 2015 eingereicht, mit dem Richterin am Amtsgericht K. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde. Der Schriftsatz wurde vom Amtsgericht an das Oberlandesgericht weitergeleitet, wo sich die Gerichtsakte zur Bearbeitung einer Beschwerde befand. Auf schriftliche Nachfrage ihres Bevollmächtigten teilte Richter am Oberlandesgericht F. der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 10. Dezember 2015 mit, der Schriftsatz vom 16. August 2015 befinde sich nicht in der Gerichtsakte. Im Rahmen einer Akteneinsicht stellte die Beschwerdeführerin im Mai 2016 fest, dass sich der Schriftsatz vom 16. August 2015 in der Gerichtsakte befand, und zwar unpaginiert und noch kuvertiert mit Blatt 178 der Gerichtsakte durch ein Gummiband verbunden. Die Beschwerdeführerin lehnte Richter am Oberlandesgericht F. daraufhin wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Ablehnungsgesuch wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 30. Juni 2016 (Az. 33 WF 1782/15) als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin erhob hiergegen eine Anhörungsrüge, die mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. September 2016 zurückgewiesen wurde. In diesem Beschluss, der von der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht B., dem Richter am Oberlandesgericht S. und einer weiteren Richterin unterschrieben ist, wird u. a. ausgeführt, dass mit Blick auf das Hin und Her der Akte zwischen Amtsgericht und Oberlandesgericht nicht mehr nachvollzogen werden könne, wer wann welche Teile der Akte geordnet und paginiert habe. Die Akte sei nunmehr fortlaufend bis Blatt 282 paginiert. Der Schriftsatz vom 16. August 2015 sei im Original in der Akte nicht auffindbar, er befinde sich jedenfalls nicht bei Blatt 178 der Akte. Der Vorwurf, der abgelehnte Richter am Oberlandesgericht F. habe den nicht einpaginierten Schriftsatz vom 16. August 2015 bewusst und absichtlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen, sei durch den Akteninhalt nicht nachvollziehbar belegt, sondern stelle sich als Unterstellung dar.

Vor diesem Hintergrund machte die Beschwerdeführerin geltend, gegen Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht B. und Richter am Oberlandesgericht S. bestehe aus folgenden Gründen Besorgnis der Befangenheit, die sich auf alle Beschwerdeverfahren erstrecke, die beim 33. Zivilsenat bezüglich der Ausgangsverfahren Az. 564 F 2862/11, 564 F 9827/11, 564 F 11849/14 und 564 F 6162/16 anhängig seien:

- Die Feststellung im Beschluss vom 21. September 2016, der Schriftsatz vom 16. August 2015 sei im Original in der Akte nicht auffindbar, habe sich wiederum als falsch erwiesen. Auf Nachfrage habe der Präsident des Amtsgerichts inzwischen mitgeteilt, der Schriftsatz sei im Heft „Ausgehobene Aktenstücke Oberlandesgericht München“ aufgefunden worden. Somit müsse sich für die Beschwerdeführerin der Eindruck aufdrängen, der Schriftsatz sei von den abgelehnten Richtern bewusst aus der Akte entfernt worden, um ihr zu schaden. Zumindest sei den abgelehnten Richtern vorzuwerfen, dass sie „ins Blaue hinein“ behauptet hätten, der Schriftsatz sei in der Akte nicht auffindbar. Die abgelehnten Richter hätten ferner gegen § 5 Abs. 6 der Aktenordnung (AktO) verstoßen, indem sie den angeblichen Verlust des Schriftsatzes nicht beim Dienstvorgesetzten meldeten.

- Die Bewertung im Beschluss vom 21. September 2016, es sei eine Unterstellung, dass Richter am Oberlandesgericht F. den Schriftsatz vom 16. August 2015 bewusst und absichtlich nicht habe zur Kenntnis nehmen wollen, beinhalte den unberechtigten Vorwurf, die Beschwerdeführerin lüge.

bb) Hinsichtlich der behaupteten Befangenheit des Richters am Oberlandesgericht F. lag dem Ablehnungsgesuch folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9. Mai 2016 hatte die Beschwerdeführerin Richter am Oberlandesgericht F. im Verfahren Az. 33 WF 1355/15 (Ausgangsverfahren Az. 564 F 9827/11; einstweilige Anordnung Umgangsrecht) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Ablehnungsgesuch wurde mit Beschluss des 33. Zivilsenats des Oberlandesgerichts vom 21. Juli 2016 zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Die Geschäftsstelle des 33. Zivilsenats vermerkte am 25. Juli 2016 die Hinausgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Die Zustellung an den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin erfolgte am 28. Juli 2016. Am 27. Juli 2016 erließ Richter am Oberlandesgericht F. im Verfahren Az. 33 WF 1355/15 einen Beschluss.

Vor diesem Hintergrund machte die Beschwerdeführerin geltend, gegen Richter am Oberlandesgericht F. bestehe die Besorgnis der Befangenheit, die sich auf alle Beschwerdeverfahren erstrecke, die beim 33. Zivilsenat bezüglich der Ausgangsverfahren Az. 564 F 2862/11, 564 F 9827/11, 564 F 11849/14 und 564 F 6162/16 anhängig seien. Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vom 9. Mai 2016 sei erst mit der Zustellung des Beschlusses vom 21. Juli 2016 an den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 28. Juli 2016 rechtkräftig abgeschlossen gewesen. Der Beschluss vom 27. Juli 2016 sei somit unter Verletzung der Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO erlassen worden.

b) Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 22. Februar 2017 lehnte die Beschwerdeführerin Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht B., Richter am Oberlandesgericht F. und Richter am Oberlandesgericht S. aus den in ihren Schriftsätzen vom 3./4. November und 22. Dezember 2016 genannten Gründen auch im Verfahren Az. 33 WF 238/16 (Ausgangsverfahren Az. 564 F 6238/16; Übergabe eines Porträtfotos) wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie machte darüber hinaus geltend, ein weiterer Verstoß des Richters am Oberlandesgericht F. gegen die Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO ergebe sich daraus, dass der Richter am 9. November 2016 - also nach Eingang des Ablehnungsgesuchs vom 3. November 2016 - in der Gerichtsakte des Verfahrens Az. 564 F 9827/11 (einstweilige Anordnung Umgangsrecht) verfügt habe „WV mit Akte“. Es sei nicht ersichtlich, was der abgelehnte Richter an der angeforderten Gerichtsakte habe bearbeiten wollen. Ein Verstoß der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht B. gegen die Wartepflicht ergebe sich mit Blick auf einen Vorfall am 19. Januar 2017. Der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin habe an diesem Tag bei der Geschäftsstelle des 33. Zivilsenats persönlich angefragt, ob er Teile der Gerichtsakte Az. 564 F 9827/11 (einstweilige Anordnung Umgangsrecht) mit in seine Kanzlei nehmen dürfe. Dies habe die Geschäftsstellenbeamtin nach Rücksprache mit der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht B. und der Richterin am Oberlandesgericht W., die dem 33. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ab dem 1. Dezember 2016 angehörte, verneint.

c) Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 20. März 2017 lehnte die Beschwerdeführerin Richter am Oberlandesgericht F. erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die dienstliche Stellungnahme, die der Richter zum Ablehnungsgesuch vom 22. Februar 2017 abgegeben habe, trage ihrerseits das Datum 22. Februar 2017. Dieses Datum könne nicht richtig sein. Das Ablehnungsgesuch sei am 22. Februar 2017 erst nach 22.00 Uhr an das Oberlandesgericht gefaxt worden. Es könne ausgeschlossen werden, dass der Richter die dienstliche Stellungnahme noch in der Nacht des 22. Februar 2017 gefertigt habe. Wer falsche Datumsangaben mache, werde auch nicht davor zurückschrecken, falsche Entscheidungen zulasten der Beschwerdeführerin zu treffen.

d) Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 20. März 2017 lehnte die Beschwerdeführerin zudem Richterin am Oberlandesgericht W. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Auf Anfragen des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin teilte Richterin am Oberlandesgericht W. in einer Verfügung vom 14. Februar 2017 mit, dass über die Ablehnungsgesuche vom 3./4. November 2016 in einer aus ihr selbst, Richter am Oberlandesgericht Dr. St. und Richterin am Oberlandesgericht P. (beide Mitglieder des 16. Zivilsenats) bestehenden Besetzung entschieden werde, sofern die Entscheidung vor dem 16. März 2017 ergehe. Sofern erst ab dem 16. März 2017 entschieden werde, würden an der Entscheidung sie selbst, Richterin am Oberlandesgericht P. (16. Zivilsenat) und Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht

Dr. K. mitwirken, die zum 16. März 2017 als Nachfolgerin der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht B. den Vorsitz des 33. Zivilsenats übernehmen werde. Richterin am Oberlandesgericht W. ging bei der Erteilung dieser Auskunft davon aus, dass zuständiger Vertretersenat des 33. Zivilsenats derjenige Senat sei, der im Zeitpunkt des Eingangs des Ablehnungsgesuchs (November 2016) laut Geschäftsverteilung als Vertretersenat bestimmt war (16. Zivilsenat). Mit Schreiben vom 1. März 2017 im Verfahren Az. 33 WF 1635/16 teilte Richterin am Oberlandesgericht W. dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin mit, nach Rücksprache mit einem Mitglied des Präsidiums habe sich herausgestellt, dass hinsichtlich der Vertretungsregelung nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs des Ablehnungsgesuchs abzustellen sei, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch. Danach seien für die Zeit zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 30. Juni 2017 nicht die Mitglieder des 16. Zivilsenats zur Vertretung der Richter des 33. Zivilsenats berufen, sondern die Mitglieder des 26. Zivilsenats. Neben ihr und der neuen Vorsitzenden des 33. Zivilsenats werde der dienstjüngste Richter des 26. Zivilsenats, Richter am Oberlandesgericht D., an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mitwirken.

Vor diesem Hintergrund machte die Beschwerdeführerin geltend, gegen Richterin am Oberlandesgericht W. bestehe die Besorgnis der Befangenheit, weil sie sich in der Beurteilung der Frage, wie die Vertretungsregelung der Geschäftsverteilung auszulegen sei, offenbar an die Einschätzung eines Präsidiumsmitglieds gebunden fühle. Es handle sich hierbei jedoch um eine Rechtsfrage, über die allein das Spruchrichterkollegium zu befinden habe, das über das Ablehnungsgesuch entscheide. Ein weiterer Ablehnungsgrund gegen Richterin am Oberlandesgericht W. ergebe sich daraus, dass letztlich sie dafür verantwortlich sei, dass die Geschäftsstellenbeamtin des 33. Zivilsenats dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 19. Januar 2017 die Mitnahme eines Teils der Gerichtsakte Az. 564 F 9827/11 (einstweilige Anordnung Umgangsrecht) in seine Kanzleiräume verweigert habe. Ein weiterer Ablehnungsgrund ergebe sich daraus, dass Richterin am Oberlandesgericht W. eine Anfrage der Beschwerdeführerin vom 20. Oktober 2016, in der diese um Erteilung und Übersendung beglaubigter Abschriften verschiedener Entscheidungen über Ablehnungsgesuche gebeten habe, nicht zutreffend beantwortet habe.

e) Mit dem angegriffenen Beschluss vom 22. Juni 2017, an dem Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. K. (33. Zivilsenat), Richter am Oberlandesgericht F. (33. Zivilsenat) und Richter am Oberlandesgericht D. (26. Zivilsenat) mitwirkten, verwarf das Oberlandesgericht die Ablehnungsgesuche vom 3./4. November 2016, 22. Februar und 20. März 2017 als unzulässig. Nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung dürfe ein Spruchkörper ausnahmsweise in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern über unzulässige Ablehnungsgesuche entscheiden, wenn diese offensichtlich grundlos seien und rechtsmissbräuchlich für verfahrensfremde Zwecke eingesetzt würden. Dies sei hinsichtlich der genannten Ablehnungsgesuche der Fall. Die Auswertung der Akten der Verfahren Az. 564 F 2862/11, 564 F 9827/11, 564 F 11849/14, 564 F 6162/16 und 564 F 6238/16 belege eine Chronologie und Häufigkeit von Ablehnungsgesuchen der Beschwerdeführerin, die nur damit erklärt werden könne, dass es ihr um eine Verfahrensverschleppung als taktisches Mittel für verfahrensfremde Zwecke gehe. Gerade in Kindschaftsverfahren, wie den hier vorliegenden, gelte ein Beschleunigungspostulat, das nicht durch Kettenablehnungen verbunden mit der Ablehnung von Richtern der Vertretersenate blockiert werden dürfe. Das rechtsmissbräuchliche Vorgehen der Beschwerdeführerin verletze den Justizgewährungsanspruch des Vaters.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 20. Juli 2017 erhob die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 22. Juni 2017, die durch Nr. I des angegriffenen Beschlusses vom 7. August 2017 zurückgewiesen wurde.

II.

Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügt die Beschwerdeführerin jeweils die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) i. V. m. dem Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV).

1. Mit der Verfassungsbeschwerde Vf. 65-VI-17 werden folgende Verfassungsverstöße geltend gemacht:

a) Die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts verstießen insbesondere gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) und das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV), weil die Ablehnungsgesuche der Beschwerdeführerin gegen Richterin Dr. M. in willkürlicher Weise wegen Verschleppungsabsicht als offensichtlich unzulässig verworfen worden seien. Außerdem hätten die Entscheidungen über die sofortigen Beschwerden gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts durch den zuständigen Einzelrichter des Beschwerdesenats und nicht durch den Senat in der Besetzung mit drei Richtern getroffen werden müssen.

b) Aufgrund der unzutreffenden Verwerfung der Ablehnungsgesuche als unzulässig hätten sich das Amtsgericht und das Oberlandesgericht mit dem Sachvortrag der Beschwerdeführerin über das Vorliegen von Befangenheitsgründen bei Richterin Dr. M nicht inhaltlich befasst. Dies verletze den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV).

2. Mit der Verfassungsbeschwerde Vf. 66-VI-17 werden folgende Verfassungsverstöße geltend gemacht:

a) Eine Verletzung des Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV sei wegen der Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht D. (26. Zivilsenat) am Beschluss vom 22. Juni 2017 anzunehmen. Die Beschwerdeführerin könne nicht abschließend feststellen, ob Richter am Oberlandesgericht D. zur Mitwirkung an diesem Beschluss berufen gewesen sei. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts für das Jahr 2017 seien - soweit ein Senatsmitglied nicht innerhalb des zuständigen Senats vertreten werden könne - zur Vertretung die Mitglieder des jeweiligen Vertretersenats in der Reihenfolge ihres allgemeinen Dienstalters (§ 20 DRiG) heranzuziehen, beginnend mit dem Dienstjüngsten. Nach ihren Erfahrungen werde die Geschäftsverteilung beim Oberlandesgericht willkürlich gehandhabt. Sie gehe deshalb davon aus, dass Richter am Oberlandesgericht D. nicht der dienstjüngste Richter des zur Vertretung der Mitglieder des 33. Zivilsenats berufenen 26. Zivilsenats gewesen sei.

b) Das Oberlandesgericht habe die Voraussetzungen für die Verwerfung von Ablehnungsgesuchen als unzulässig unter Mitwirkung des abgelehnten Richters verkannt und dadurch gegen Art. 86 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 118 Abs. 1 BV verstoßen. Die Bewertung des Oberlandesgerichts, die Auswertung der Akten hinsichtlich der Chronologie und Häufigkeit von Ablehnungsgesuchen, Rechtsmitteln und nicht förmlichen Rechtsbehelfen der Beschwerdeführerin belege, dass sie die Ablehnungsgesuche zur Verschleppung und als taktisches Mittel für verfahrensfremde Zwecke einsetze, treffe nicht zu. Das Oberlandesgericht habe insoweit unberücksichtigt gelassen, dass sie schon mehrfach Verzögerungsrügen nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG erhoben habe. Es habe ferner verkannt, dass die Feststellung einer angeblichen Verschleppungsabsicht für die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig nicht ausreiche, sondern vielmehr auch die Grundlosigkeit der Ablehnung gegeben sein müsse. Eine Grundlosigkeit der Ablehnung könne im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ohne Weiteres angenommen werden, weil in den Jahren 2012 und 2013 Ablehnungsgesuche der Beschwerdeführerin gegen zwei Richter des Amtsgerichts Erfolg gehabt hätten und ein weiterer Richter des Amtsgerichts sich selbst für befangen erklärt habe. Die Befangenheitsgesuche vom 3./4. November 2016, 22. Februar und 20. März 2017 seien jedenfalls nicht grundlos gewesen, vielmehr habe begründeter Anlass zur Besorgnis der Befangenheit sämtlicher abgelehnter Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts bestanden. Dies hätten offenbar auch einige der abgelehnten Richterinnen und Richter so gesehen, da sie andernfalls keine dienstlichen Stellungnahmen zu den Ablehnungsgesuchen abgegeben hätten. Unzutreffend sei ferner die Annahme, die Beschwerdeführerin verletze durch ihr Verhalten den Justizgewährleistungsanspruch des Vaters. Dieser Anspruch verpflichte einzig und allein die staatlichen Gewalten, nicht aber die Beschwerdeführerin.

c) Die angegriffenen Entscheidungen verletzten den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV), weil das Oberlandesgericht die vorgebrachten Befangenheitsgründe nicht in der Sache geprüft, sondern die Ablehnungsgesuche zu Unrecht als unzulässig verworfen habe.

III.

1. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von Stellungnahmen zu den beiden Verfassungsbeschwerden abgesehen.

2. Dem Antragsteller in den Ausgangsverfahren wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

IV.

1. Die Verfassungsbeschwerde Vf. 65-VI-17 ist nur hinsichtlich eines Teils der angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen zulässig.

a) Sie ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 5. September 2016 wendet. Die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts auf den von ihr gerügten Verfassungsverstößen beruhen. Sie macht geltend, ihre Grundrechte aus Art. 86 Abs. 1 Satz 2 i. V. m.

Art. 118 Abs. 1 BV sowie Art. 91 Abs. 1 BV seien verletzt, weil ihre Ablehnungsgesuche gegen Richterin Dr. M. in willkürlicher Weise wegen Verschleppungsabsicht als offensichtlich unzulässig verworfen worden seien. Sie lässt dabei unberücksichtigt, dass das Amtsgericht die angegriffenen Beschlüsse hilfsweise auch darauf gestützt hat, dass die Ablehnungsgesuche unbegründet seien, weil keinerlei Umstände vorlägen, die ein berechtigtes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin Dr. M rechtfertigten. Das Amtsgericht hat insoweit auf die dienstlichen Stellungnahmen der Richterin Bezug genommen und ausgeführt, dass Verfahrensverstöße im Rahmen der Prozessleitung oder fehlerhafte Entscheidungen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund darstellten. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit dieser selbständig tragenden Begründung nicht in einer den Substanziierungsanforderungen der Verfassungsbeschwerde genügenden Weise auseinander. Es fehlt somit an der erforderlichen Darlegung der Kausalität der gerügten Verfassungsverstöße für die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts (vgl. VerfGH vom 9.12.1988 - Vf. 121-VI-87 - Orientierungssatz nach juris).

b) Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen die Nrn. II und IV des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 7. August 2017 wendet.

aa) Das Oberlandesgericht hat die Zurückweisung der Ablehnungsgesuche - anders als das Amtsgericht - allein auf deren Unzulässigkeit gestützt. Dementsprechend genügt die Verfassungsbeschwerde insoweit den Anforderungen an die Darlegung der Kausalität der gerügten Verfassungsverstöße.

bb) Die Beschwerdeführerin hat hinsichtlich des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 7. August 2017 den Rechtsweg erschöpft. Nachdem sie sich nicht darauf beruft, das Oberlandesgericht habe im Beschwerdeverfahren neue eigenständige Gehörsverletzungen begangen, sondern lediglich sekundäre Gehörsverstöße rügt, wäre eine Anhörungsrüge nach § 44 FamFG gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht statthaft gewesen (vgl. VerfGH vom 2.10.2013 VerfGHE 66, 179/185).

2. Die Verfassungsbeschwerde Vf. 66-VI-17 ist nur hinsichtlich eines Teils der erhobenen Rügen zulässig.

a) Sie ist unzulässig, soweit die Beschwerdeführerin rügt, ein Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV sei anzunehmen, weil Richter am Oberlandesgericht D. am Beschluss vom 22. Juni 2017 mitgewirkt habe. Zur Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gehört nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG, dass die behauptete Verletzung verfassungsmäßiger Rechte im Einzelnen dargelegt wird. Es muss erkennbar sein, inwiefern durch eine Maßnahme oder Entscheidung ein solches Recht verletzt sein soll. Die bloße Behauptung, ein Verfassungsverstoß sei anzunehmen, genügt den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde nicht (vgl. VerfGH vom 14.2.2006 VerfGHE 59, 47/50 f. m. w. N.). Vor diesem Hintergrund reicht das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie könne nicht abschließend feststellen, ob Richter am Oberlandesgericht D. tatsächlich der dienstjüngste Richter des Vertretersenats gewesen sei, nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV substanziiert darzulegen. Die Beschwerdeführerin zeigt insbesondere keine begründeten Zweifel an der ihr erteilten gerichtlichen Auskunft auf, wonach Richter am Oberlandesgericht D. der dienstjüngste Richter im Sinn des § 20 DRiG sei. Soweit sie vorbringt, nach ihrer Einschätzung werde die Geschäftsverteilung beim Oberlandesgericht willkürlich gehandhabt, stellt dies eine Behauptung ins Blaue hinein dar.

b) Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde Vf. 66-VI-17 zulässig. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin den Rechtsweg erschöpft. Sie hat die nach § 44 FamFG statthafte Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. Juni 2017 erfolglos erhoben.

V.

1. Soweit die Verfassungsbeschwerde Vf. 65-VI-17 zulässig ist, ist sie begründet. Die Nrn. II und IV des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 7. August 2017 (soweit sie angegriffen sind) wurden nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Gerichtsbesetzung erlassen und verletzen die Beschwerdeführerin deshalb in ihrem Grundrecht aus Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV.

a) Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV wird durch ein Gericht nur dann verletzt, wenn einer Partei der gesetzliche Richter durch eine willkürliche, offensichtlich unhaltbare Entscheidung entzogen wird (VerfGH vom 15.7.2005 VerfGHE 58, 168/177; vom 17.11.2015 - Vf. 12-VI-15 - juris Rn. 17). Hinsichtlich der offensichtlichen Unhaltbarkeit einer Entscheidung ist die objektive Sichtweise maßgeblich. Auf einen subjektiven Schuldvorwurf kommt es nicht an (VerfGH vom 26.6.1987 VerfGHE 40, 78/80). Vor diesem Hintergrund wird die Nichtberücksichtigung einer offensichtlich einschlägigen Norm als Verstoß gegen das Willkürverbot gewertet (VerfGH vom 25.1.2002 VerfGHE 55, 12/18).

Über die sofortigen Beschwerden der Beschwerdeführerin gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 5. September 2016 hatte nicht der 33. Zivilsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden, sondern vielmehr der nach der senatsinternen Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichter. Dies ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 568 Satz 1 ZPO, der nach § 6 Abs. 2 FamFG auch bei der Ablehnung von Gerichtspersonen in familiengerichtlichen Verfahren anzuwenden ist. Das Oberlandesgericht hat den eindeutig einschlägigen § 568 Satz 1 ZPO bei der Entscheidung über die sofortigen Beschwerden offenbar übersehen. Eine Zuständigkeit des Richterkollegiums könnte im vorliegenden Fall auch nicht aus § 568 Satz 2 ZPO hergeleitet werden, da eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat durch den zuständigen Einzelrichter nicht erfolgt ist. Auch für eine Übertragung durch schlüssiges Handeln gibt es keine Anhaltspunkte (vgl. dazu BVerfG vom 2.6.2009 NJW-RR 2010, 268/269).

Die Entscheidung über die Beschwerde durch den Senat anstelle des zuständigen Einzelrichters verstößt gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters nach Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG NJW-RR 2010, 268/269 m. w. N.) kann dem nicht entgegengehalten werden, das Kollegium stelle gegenüber dem Einzelrichter ein „besseres Gericht“ dar. Die angegriffenen Nrn. II und IV des Beschlusses vom 7. August 2017 beruhen auf der Verletzung des Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV.

b) Ob die Nrn. II und IV des Beschlusses vom 7. August 2017 auch aus anderen Gründen gegen Grundrechte der Beschwerdeführerin verstoßen, bedarf keiner Entscheidung.

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde Vf. 66-VI-17 zulässig ist, ist sie unbegründet.

a) Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) i. V. m. dem Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV). Die Verwerfung der Ablehnungsgesuche der Beschwerdeführerin als unzulässig unter Mitwirkung des abgelehnten Richters F. ist mit den genannten Grundrechten vereinbar.

Ein Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV kann - wie hier - auch mit der Behauptung gerügt werden, ein Ablehnungsgesuch sei aufgrund willkürlicher, offensichtlich unhaltbarer Erwägungen zurückgewiesen worden (VerfGH vom 16.5.2006 VerfGHE 59, 58/60 f.; vom 8.1.2013 VerfGHE 66, 1/4). Willkürlich wäre eine solche Zurückweisung jedoch nur dann, wenn sie bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht verständlich wäre und sich der Schluss aufdrängte, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Zurückweisung dürfte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheinen. Sie müsste vielmehr schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig, eindeutig unangemessen sein (VerfGHE 66, 1/4 m. w. N.). Dies ist hinsichtlich des angegriffenen Beschlusses vom 22. Juni 2017 nicht der Fall. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. BGH vom 12.10.2011 NJW-RR 2012, 61 Rn. 8; BVerwG vom 29.1.2014 NJW 2014, 953 Rn. 5) und Literatur (vgl. z. B. Vollkommer in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 45 Rn. 4) ist anerkannt, dass abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO der ursprünglich zuständige Spruchkörper unter Mitwirkung des abgelehnten Richters über unzulässige oder missbräuchliche Ablehnungsgesuche entscheidet. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, soweit das vereinfachte Ablehnungsverfahren auf gänzlich untaugliche oder rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche beschränkt bleibe. Das vereinfachte Verfahren solle echte Formalentscheidungen ermöglichen oder offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern, was eine enge Auslegung der Voraussetzungen gebiete. Ob ein Gericht bei seiner Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Gewährleistung des gesetzlichen Richters verkannt habe, könne nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. z. B. BVerfG vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - juris Rn. 10, 24; vom 11.3.2013 - 1 BvR 2853/11 - juris Rn. 26, 30; vom 15.6.2015 -1 BvR 1288/14 - juris Rn. 15, 17). Hiervon ausgehend ist nicht zu erkennen, dass das Oberlandesgericht die Voraussetzungen für die Verwerfung rechtsmissbräuchlicher Ablehnungsgesuche in verfassungswidriger Weise verkannt haben könnte.

aa) Die von der Beschwerdeführerin in ihren Ablehnungsgesuchen vorgetragenen Gründe rechtfertigten keine Ablehnung der betroffenen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit. Die Substanzlosigkeit der vorgetragenen Ablehnungsgründe lag auf der Hand und bedurfte keiner inhaltlichen Auseinandersetzung im angegriffenen Beschluss vom 22. Juni 2017. Dabei kommt es nicht darauf an, dass einige Richter dienstliche Stellungnahmen zu den Ablehnungsgesuchen abgegeben haben. Aus keiner der dienstlichen Stellungnahmen ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, dass die abgelehnten Richter der Beschwerdeführerin Anlass zu einer Besorgnis der Befangenheit gegeben haben könnten.

(1) Der Vorwurf, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht B. bzw. Richter am Oberlandesgericht S. hätten den Schriftsatz vom 16. August 2015 aus der Verfahrensakte Az. 564 F 11849/14 „verschwinden lassen“ (Ablehnungsgesuch vom 3./4. November 2016 sowie 22. Februar 2017), stellt eine bloße Behauptung ohne Tatsachengrundlage dar. Wie die Beschwerdeführerin in der Begründung ihres Ablehnungsgesuchs selbst einräumt, lässt sich nicht feststellen, durch wen und wann der Schriftsatz in das Anlagenheft „Ausgehobene Aktenstücke Oberlandesgericht München“ eingelegt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht B. oder Richter am Oberlandesgericht S., die ebenso wenig wie der zuvor abgelehnte Richter am Oberlandesgericht F. mit der Bearbeitung des Schriftsatzes befasst waren, diesen überhaupt mit der Akte vorgelegt bekommen haben, existieren nicht. Auch der Vorwurf, die genannten Richter hätten „ins Blaue hinein“ behauptet, der Schriftsatz sei in der Akte nicht auffindbar, verfängt nicht, da nicht feststeht, dass er sich zum fraglichen Zeitpunkt in der vorgelegten Akte befand. Ein Verstoß der abgelehnten Richter gegen § 5 Abs. 6 AktO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Vorschrift lediglich eine Anzeigepflicht für die Geschäftsstellen der Gerichte begründet.

(2) Die Behauptung, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht B. bzw. Richter am Oberlandesgericht S. hätten die Beschwerdeführerin der Lüge bezichtigt (Ablehnungsgesuch vom 3./4. November 2016 sowie 22. Februar 2017), beruht auf einem sprachlichen Fehlverständnis. Die Beschwerdeführerin will sich insoweit auf eine Textpassage im Beschluss vom 21. September 2016 stützen, die besagt, dass die dem abgelehnten Richter am Oberlandesgericht F. zur Last gelegte Handlungsweise „durch den Akteninhalt und die Stellungnahme nicht nachvollziehbar belegt“ sei, sondern sich als „Unterstellung“ darstelle. Ihre Annahme, mit der Verwendung des Begriffs „Unterstellung“ sei „automatisch der Vorwurf der Lüge assoziiert“, ist unzutreffend. Denn die Feststellung, die dem abgelehnten Richter am Oberlandesgericht F. unterstellte Handlungsweise einer Aktenmanipulation sei durch den Inhalt und die Stellungnahme nicht nachvollziehbar belegt, besagt nicht, die Beschwerdeführerin behaupte der Wahrheit zuwider, der abgelehnte Richter habe die Akten in einer bestimmten Weise manipuliert. Sie besagt vielmehr lediglich, dass sich für eine solche Behauptung in der Akte und Stellungnahme keine Belege finden würden. Ersteres wäre der Vorwurf einer Lüge, Letzteres ist lediglich die Qualifizierung des Vortrags der Beschwerdeführerin als eine Unterstellung im Sinn einer substanzlosen Behauptung. In diesem Zusammenhang ist eine „Unterstellung“ etwas anderes als eine „Lüge“.

(3) Der Vorwurf, Richter am Oberlandesgericht F. habe durch den Erlass eines Beschlusses vom 27. Juli 2016 im Verfahren Az. 33 WF 1355/15 gegen die Wartepflicht aus § 47 Abs. 1 ZPO verstoßen (Ablehnungsgesuch vom 3./4. November 2016 sowie 22. Februar 2017), beruht auf der Annahme der Beschwerdeführerin, das vorangegangene Ablehnungsgesuch gegen den Richter sei erst mit der Zustellung des unanfechtbaren Beschlusses vom 21. Juli 2016 am 28. Juli 2016 einer „Erledigung“ im Sinn des § 47 Abs. 1 ZPO zugeführt worden. Allerdings war die unanfechtbare Entscheidung schon am 21. Juli 2016 erlassen. Es wird die Auffassung vertreten, dass ein abgelehnter Richter bereits mit Erlass der Verwerfungs- bzw. Zurückweisungsentscheidung wieder regulär tätig werden könne (vgl. z. B. Schäfer, NJOZ 2014, 681/682). Außerdem war der Beschluss am 25. Juli 2016 hinausgegeben worden und wurde spätestens damit als gerichtliche Entscheidung existent; vom Zeitpunkt des Existentwerdens an wird ein Beschluss für das erlassende Gericht bindend (vgl. Musielak in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 329 Rn. 5). Vor diesem Hintergrund kann keinesfalls angenommen werden, der Richter habe sich von dem Ablehnungsgesuch völlig unberührt gezeigt, was u. U. die Besorgnis der Befangenheit hätte begründen können (vgl. dazu BayObLG vom 21. Januar 1988 MDR 1988, 500).

(4) Der Vorwurf, Richter am Oberlandesgericht F. habe einen Wartepflichtverstoß begangen, indem er - nach Eingang des Ablehnungsgesuchs vom 3./4. November 2016 - in der Gerichtsakte Az. 564 F 9827/11 „WV mit Akte“ verfügt habe (Ablehnungsgesuch vom 22. Februar 2017), geht schon deshalb ins Leere, weil die reine Aktenverwaltung durch den abgelehnten Richter von § 47 Abs. 1 ZPO unberührt bleibt (vgl. Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, § 47 Rn. 5).

(5) Der Vorwurf, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht B. habe am 19. Januar 2017 gegen die Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem sie auf mündliche Nachfrage gegenüber der Geschäftsstellenbeamtin des 33. Zivilsenats erklärt habe, dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin werde eine Verfahrensakte nicht zur Einsichtnahme in seinen Kanzleiräumen überlassen (Ablehnungsgesuch vom 22. Februar 2017), findet schon im eigenen Sachvortrag der Beschwerdeführerin keine Bestätigung. Sie hat in ihrem weiteren Ablehnungsgesuch vom 20. März 2017 vorgetragen, die Geschäftsstellenbeamtin habe am 19. Januar 2017 wegen der Frage der Akteneinsicht sowohl mit der abgelehnten Vorsitzenden Richterin B. als auch mit der stellvertretenden Vorsitzenden des 33. Zivilsenats, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelehnten Richterin am Oberlandesgericht W., Rücksprache genommen. Es ist somit nicht festzustellen, dass die Entscheidung über die Akteneinsicht durch die abgelehnte Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht B. getroffen wurde. Vielmehr spricht schon der Umstand, dass die Geschäftsstellenbeamtin wegen dieser Frage überhaupt die stellvertretende Vorsitzende kontaktierte, dafür, dass die abgelehnte Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht B. keine Entscheidung über die Akteneinsicht getroffen hat, da andernfalls kein Grund bestanden hätte, sich an die stellvertretende Vorsitzende zu wenden. Vor diesem Hintergrund geht die Beschwerdeführerin in ihrem Ablehnungsgesuch vom 20. März 2017 selbst davon aus, dass die Ablehnung der Akteneinsicht in den Geschäftsräumen „willkürlich“ durch Richterin am Oberlandesgericht W. erfolgt sei.

(6) Der Vorwurf, Richterin am Oberlandesgericht W. fühle sich in der Beurteilung der Frage, wie die Vertretungsregelung der Geschäftsverteilung auszulegen sei, offenbar an die Einschätzung eines Präsidiumsmitglieds gebunden und verkenne, dass es sich dabei um eine Rechtsfrage handle, über die allein das Spruchrichterkollegium zu befinden habe, das über das Ablehnungsgesuch entscheide (Ablehnungsgesuch vom 20. März 2017), ist nicht nachvollziehbar. Bei der Mitteilung der voraussichtlichen Gerichtsbesetzung im Schreiben vom 2. März 2017 handelte es offensichtlich um eine Auskunft auf der Grundlage einer vorläufigen Einschätzung der Rechtslage durch Richterin am Oberlandesgericht W. Dass sich die Richterin dabei an die Einschätzung eines Präsidiumsmitglieds rechtlich gebunden fühlte, ist der Auskunft nicht zu entnehmen. Ebenso wenig kann aus der Erteilung der Auskunft hergeleitet werden, Richterin am Oberlandesgericht W. habe die Entscheidung des Spruchrichterkollegiums hinsichtlich der Frage der Gerichtsbesetzung vorwegnehmen wollen. Ob die rechtliche Einschätzung der Richterin zutreffend war, bedurfte keiner Klärung, da ein Ablehnungsgesuch nach allgemeiner Auffassung nicht in zulässiger Weise auf den Vorwurf falscher Rechtsanwendung gestützt werden kann (vgl. z. B. BVerfG vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - juris Rn. 26). Vor diesem Hintergrund ging auch der Vorwurf, Richterin am Oberlandesgericht W. habe eine weitere Anfrage unzutreffend beantwortet und eine Mitnahme von Verfahrensakten in die Kanzlei des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 19. Januar 2017 zu Unrecht nicht genehmigt (Ablehnungsgesuch vom 20. März 2017), erkennbar ins Leere.

(7) Der Vorwurf, die dienstliche Stellungnahme des Richters am Oberlandesgericht F. zu einem Ablehnungsgesuch im Verfahren Az. 33 WF 238/17 trage das unzutreffende Datum „22.02.2017“ bedurfte keiner Klärung. Die Schlussfolgerung der Beschwerdeführerin, „Wer falsche Datumsangaben macht, wird auch nicht davor zurückschrecken, falsche Entscheidungen zulasten der Antragsgegnerin zu treffen“ (Ablehnungsgesuch vom 20. März 2017), entbehrt einer sachlichen Grundlage und ist ungeeignet, ein Ablehnungsgesuch zu rechtfertigen.

bb) Bereits die Zusammenschau der in den Ablehnungsgesuchen vom 3./4. November 2016, 22. Februar und 20. März 2017 vorgebrachten offensichtlich substanzlosen Ablehnungsgründe rechtfertigt die Annahme, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Gesuchen rechtsmissbräuchliche Zwecke verfolgte, nämlich eine Verzögerung der Ausgangsverfahren Az. 564 F 2862/11, 564 F 9827/11, 564 F 11849/14, 564 F 6162/16 und 564 F 6238/16 sowie eine Verhinderung für sie nachteiliger Entscheidungen in den genannten Verfahren. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Ablehnungsgesuche seien einzeln und vor allem in ihrer Zusammenschau offensichtlich unzulässig, ist mit Blick auf die oben dargestellten Umstände des Einzelfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

cc) Die Bewertung der Ablehnungsgesuche als rechtsmissbräuchlich wird durch den vom Oberlandesgericht in den Gründen des angegriffenen Beschlusses vom 22. Juni 2017 (dort Nr. I, Seiten 2 bis 17) dargestellten bisherigen Verlauf der Verfahren Az. 564 F 2862/11, 564 F 9827/11, 564 F 11849/14, 564 F 6162/16 und 564 F 6238/16 zusätzlich bestätigt. Die Verfahrensübersicht belegt, dass die Beschwerdeführerin allein im Verfahren Az. 564 F 9827/11 (einstweilige Anordnung Umgangsrecht) in mehr als 20 Fällen die zuständigen Richter des Amtsgerichts und in fünf Fällen Richter des Oberlandesgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Sie folgt dabei dem Muster, auch die Richter, die zur Entscheidung über Ablehnungsgesuche berufen sind, ihrerseits wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Mit den Ablehnungsgesuchen wird erkennbar das Ziel verfolgt, Entscheidungen, die zu einem von der Beschwerdeführerin nicht gewünschten Ergebnis führen könnten, möglichst zu vermeiden oder hinauszuschieben.

Die Beschwerdeführerin tritt der Richtigkeit der Darstellung der Verfahrensabläufe in Nr. I des Beschlusses vom 22. Juni 2017 (abgesehen vom Hinweis auf Unvollständigkeit) nicht entgegen. Ihr Einwand, das Oberlandesgericht habe in der Bewertung der Verfahrensabläufe bestimmte Gesichtspunkte zu ihrem Nachteil nicht berücksichtigt, dringt nicht durch.

(1) Der Gesichtspunkt, dass die Beschwerdeführerin in den familiengerichtlichen Verfahren mehrfach Verzögerungsrügen nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG erhoben hat, wurde vom Oberlandesgericht im Beschluss vom 22. Juni 2017 ausdrücklich berücksichtigt. Die Bewertung des Oberlandesgerichts, die Verzögerungsrügen stünden der Annahme, die Beschwerdeführerin verfolge mit ihren Ablehnungsgesuchen rechtsmissbräuchliche Zwecke, nicht entgegen, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

(2) Dass ein Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin gegen eine Richterin am Amtsgericht mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 28. Februar 2012 für begründet erklärt wurde (Verfahren Az. 564 F 9827/11), findet in den Gründen des Beschlusses vom 22. Juni 2017 ausdrücklich Erwähnung. Ebenso ist in den Gründen ausgeführt, dass das Oberlandesgericht am 21. November 2013 einen Beschluss des Amtsgerichts aufhob, mit dem ein Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin als unzulässig verworfen wurde (Verfahren Az. 564 F 2862/11). Vor dem Hintergrund der Vielzahl von Ablehnungsgesuchen, die die Beschwerdeführerin in den folgenden Jahren gestellt hat, und mit Blick auf die Substanzlosigkeit der Ablehnungsgesuche vom 3./4. November 2016, 22. Februar und 20. März 2017 stellt es keinen Verfassungsverstoß dar, dass das Oberlandesgericht der Entscheidung vom 21. November 2013 und dem Erfolg eines Ablehnungsgesuchs im Jahr 2012 keine ausschlaggebende Bedeutung für die Bewertung der Zulässigkeit der hier verfahrensgegenständlichen Ablehnungsgesuche beigemessen hat.

(3) Dass sich ein Richter des Amtsgerichts im Verfahren Az. 564 F 2862/11 am

5. Februar 2014 selbst für befangen erklärt hat, ist in den Gründen des Beschlusses vom 22. Juni 2017 ebenfalls erwähnt. In der Selbstablehnung hat der Richter ausgeführt, er sehe sich aufgrund der offensichtlichen wiederholten Verzögerungen durch Verfahrensanträge der Beschwerdeführerin an einer neutralen, fairen und transparenten Verfahrensführung gehindert. Auch wenn die Beschwerdeführerin eine Verschleppungsabsicht zurückweise, werde zulasten des Kindes mit wiederholten Befangenheitsanträgen das Verfahren in ungebührlichem Maß verzögert. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht in dieser Selbstablehnung kein Argument gegen die Rechtsmissbräuchlichkeit der Ablehnungsgesuche gesehen hat.

dd) Die Frage, ob der Justizgewährleistungsanspruch des Vaters - etwa im Wege der Drittwirkung von Grundrechten im Rahmen des Privatrechts (vgl. hierzu Lindner in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, vor Art. 98 Rn. 47) oder im Wege des Eingreifens staatlicher Schutzpflichten bei Grundrechtsbeeinträchtigungen durch Private (vgl. hierzu Lindner, a. a. O., vor Art. 98 Rn. 94) - als weiteres Argument für die Unzulässigkeit der Ablehnungsgesuche herangezogen werden konnte, bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung. Die Bewertung des Oberlandesgerichts, die Ablehnungsgesuche seien rechtmissbräuchlich und deshalb unzulässig, hält bereits aus den unter aa) bis cc) genannten Gründen der verfassungsrechtlichen Überprüfung stand.

b) Ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 BV liegt nicht vor. Das Oberlandesgericht hat die Ablehnungsgesuche der Beschwerdeführerin in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als rechtmissbräuchlich und damit unzulässig verworfen.

VI.

Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Der Beschwerdeführerin sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren Vf. 65-VI-17 verursachten notwendigen Auslagen zur Hälfte aus der Staatskasse zu erstatten (Art. 27 Abs. 4 Satz 1 VfGHG). Einer vollständigen Auslagenerstattung im Verfahren Vf. 65-VI-17 steht entgegen, dass die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 5. September 2016 erfolglos geblieben ist. Die Verfassungsbeschwerde Vf. 66-VI-17 ist in vollem Umfang erfolglos geblieben, weshalb eine Auslagenerstattung insoweit unterbleibt.

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(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 568 Originärer Einzelrichter


Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur

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(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. (2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Verta

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Das allgemeine Dienstalter eines Richters bestimmt sich nach dem Tag, an dem ihm sein Richteramt übertragen worden ist. Hat der Richter zuvor ein anderes Richteramt oder ein sonstiges Amt mit mindestens dem gleichen Anfangsgrundgehalt bekleidet, so b

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Oberlandesgericht München Endbeschluss, 07. Aug. 2017 - 33 WF 238/17

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Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft Richterablehnungen im sozialgerichtlichen Verfahren und die Statthaftigkeit der Anhörungsrüge

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Gründe

A.

Die zulässig erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 44 FamFG ist unbegründet.

Die Rüge ist unbegründet, weil das Gericht durch die mit der Rüge angegriffene Entscheidung den Anspruch der Rügeführerin auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Die Antragstellerin rügt im Wesentlichen, dass sich der Senat in seinem Beschluss vom 22.6.2017 inhaltlich nicht mit den Ablehnungsgesuchen auseinandergesetzt hat und die dargestellte Verfahrenshistorie unvollständig wiedergegeben sei.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Beschluss hatte der Senat die Befangenheitsanträge der Antragstellerin wegen Verschleppungsabsicht als unzulässig verworfen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgte daher keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ablehnungsgründen, sondern lediglich eine Bewertung des prozessualen Vorgehens der Antragstellerin in den einzelnen Verfahren bezogen auf die Dauer der Verfahren. Mit der Gehörsrüge versucht die Antragstellerin nunmehr, eine inhaltliche Überprüfung ihrer Anträge zu erreichen. Dies ist aber aus den in dem Beschluss vom 22.6.17 angeführten Gründen, auf die Bezug genommen wird, nicht möglich, so dass darauf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht gestützt werden kann.

Dass der Senat insoweit zu einer anderen Bewertung gelangt als die Rügeführerin, rechtfertigt nicht die Annahme der Verletzung rechtlichen Gehörs. Soweit sie auf eine unvollständige Sachverhaltsdarstellung hinweist, ist das Gericht nicht gehalten, sich in der schriftlichen Begründung seiner Entscheidung mit allen denkbaren Gesichtspunkten auseinanderzusetzen und alle Einzelpunkte des Beteiligtenvorbringens abzuhandeln (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG 18. Aufl. § 38 Rdnr. 66 m.w.N). Der Senat hat die tragenden Gründe für seine Entscheidung in dem Beschluss dargestellt.

B.

Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerden sind zulässig, jedoch überwiegend unbegründet.

I. Dem Senat liegen folgende Sachverhalte zur Entscheidung vor:

1. Im Verfahren 564 F 2862/11 = 33 WF 1573/16 und 33 WF 1635/16 beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 8.3.2011 das Umgangsrecht für die gemeinsame Tochter der Beteiligten Rebecca zu regeln; die Antragsgegnerin beantragte, diesen Antrag zurückzuweisen und das Umgangsrecht auszuschließen.

a. 33 WF 1635/16

Am 09.08.2016 lehnte die Antragsgegnerin Richterin am Amtsgericht Dr. M. wegen Besorgnis der Befangenheit ab (Blatt 1015/1020), wobei sie den Antrag durch weitere Schriftsätze vom 11. 08.2016 und 29.08.2016 erweiterte (Blatt 1023/1025; 1027/1033). Mit Beschluss vom 05.09.2016 wies das Amtsgericht München durch Richterin am Amtsgericht A. dieses Ablehnungsgesuch zurück (Blatt 1034/1035). Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin am 21.09.2016 mit ihrer sofortigen Beschwerde, die beim Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen 33 WF 1635/16 geführt wird (Blatt 1037/1051). b. 33 WF 1573/16 Mit weiterem Schriftsatz vom 21.9.16 lehnte sie Richterin am Amtsgericht A. wegen Besorgnis der Befangenheit ab (Blatt 1052/1062). Diesen Antrag wies Richter am Amtsgericht R. mit Beschluss vom 17.10.2016 zurück (Blatt 1066/1067). Die Antragsgegnerin wendete sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 02.11.2016, die beim Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen 33 WF 1573/16 geführt wird (Blatt 1074/1087), gegen diesen Beschluss.

2. In dem Verfahren 564 F 9827/11 = 33 WF 1574/16 und 33 WF 1636/16 beantragte der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung am 09.09.2011 das Umgangsrecht mit seiner Tochter Rebecca zu regeln (Blatt 1/5).Die Antragsgegnerin beantragte am 26.9.2011 Antragabweisung (Blatt 16/26).

a. 33 WF 1636/16

Am 9.8.2016, ergänzt durch Schriftsätze vom 11.8.2016 und 29.8.2016, lehnte die Antragsgegnerin Richterin am Amtsgericht Dr. M. wegen Besorgnis der Befangenheit ab (Blatt 1142/1176). Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 5.9.2016 wies Richterin am Amtsgericht A. dieses Ablehnungsgesuch als unzulässig zurück (Blatt 1177/1178). Am 21.9.2016 erhob die Antragsgegnerin hiergegen sofortige Beschwerde, die beim Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen 33 WF 1636/16 geführt wird (Blatt 1179/1193).

b. 33 WF 1574/16 Mit weiterem Schriftsatz vom gleichen Tag lehnte sie Richterin am Amtsgericht A. wegen Besorgnis der Befangenheit ab (Blatt 1194/1196). Mit Beschluss vom 17.10.2016 wies Richter am Amtsgericht R. dieses Ablehnungsgesuch zurück (Blatt 1200/1201). Mit Schriftsatz vom 2.11.2016 legt daraufhin die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 17.10.2016 ein, die beim Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen 33 WF 1574/16 geführt wird (Blatt 1205//1225).

3. In den Verfahren 564 F 11849/14 = 33 WF 1575/16, 33 WF 1638/16 und 33 WF 1782/15 hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23.09.2014 (Bl. 1/6) beantragt, ihm das alleinige Sorgerecht für die Tochter Rebecca zu übertragen, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, hilfsweise das alleinige Sorgerecht dem Jugendamt M. zu übertragen, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Jugendamt M. zu übertragen.

a. 33 WF 1782/15

Mit Schriftsatz vom 21.10.2014 (Bl. 9/35) ist die Antragsgegnerin den Haupt- und Hilfsanträgen entgegengetreten und lehnte Richter am Amtsgericht Z. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Am 18.11.2015 wies das Amtsgericht München durch Richterin am Amtsgericht Anke das Ablehnungsgesuch betreffend Richter am Amtsgericht Z. vom 21.10.2014 zurück (Bl. 165/166). Am 08.12.2015 legte die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.11.2015 ein (Bl. 183/208), welche unter dem Aktenzeichen 33 WF 1782/15 geführt wird. Am 13.04.2016 half das Amtsgericht München dieser nicht ab (Bl. 214/215).

b. 33 WF 1638/16

Mit Schriftsatz vom 09.08.2016 lehnte die Antragsgegnerin Richterin am Amtsgericht Dr. M. als befangen ab, nachdem diese am 16.06.2016 die Referatsnachfolge des bisher zuständigen Richter am Amtsgericht Z. angetreten hatte (Bl. 255/260) und ergänzte diesen Ablehnungsantrag mit Schriftsatz vom 11.08.2016 (Bl. 262/264).Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 05.09.2016 verwarf Richterin am Amtsgericht A. dieses Ablehnungsgesuch (Bl. 273/274).Am 21.09.2016 legte die Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 05.09.2016 sofortige Beschwerde ein (Bl. 288/302), welche beim Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen 33 WF 1638/2016 geführt wurde.

c. 33 WF 1575/16

Am 21.09.2016 lehnte die Antragsgegnerin Richterin am Amtsgericht A. wegen Besorgnis der Befangenheit ab (Bl. 303/313). Dieses Ablehnungsgesuch wies das Amtsgericht München durch Richter am Amtsgericht R. mit Beschluss vom 17.10.2016 zurück (Bl. 316/319).Mit Schriftsatz vom 02.11.2016 legte die Antragsgegnerin hiergegen sofortige Beschwerde ein (Bl. 331/334), welche vor dem Oberlandesgericht unter den Aktenzeichen 33 WF 1575/16 geführt wurde.

4. In dem Verfahren 564 F 6162/16 = 33 WF 1639/16 und 33 WF 1576/16 regte der Antragsteller am 6.6.2016 gegenüber der Antragsgegnerin den Entzug des Sorgerechts für die gemeinsame Tochter Rebecca, geboren am 18.1.2009, an. Diese beantragte mit Schriftsatz vom 23.06.2016 den Antrag zurückzuweisen.

a. 33 WF 1639/16 Mit Antrag vom 9.8.2016 (Blatt 49/54), ergänzt durch Schriftsatz vom 11. 8. 2016 (Blatt 58/60), lehnte die Antragsgegnerin Richterin am Amtsgericht Dr. M. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 5.9.2016 (Blatt 71/72) durch Richterin am Amtsgericht A. wurde das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin wandte sich gegen diesen Beschluss mit der sofortigen Beschwerde vom 21.9.2016 (Blatt 73/87), die bei dem Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen 33 WF 1639/16 geführt wird.

b. 33 WF 1576/16 Mit Schriftsatz vom 21.9.2016 (Blatt 88/98) lehnte die Antragsgegnerin Richterin am Amtsgericht A. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dieses Ablehnungsgesuch wies das Amtsgericht München durch Richter am Amtsgericht R. mit Beschluss vom 17.10.2016 zurück (Blatt 101/102). Mit Schriftsatz vom 2.11.2016 (Blatt 111/124) wendete sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 17.10.2016, die unter dem Aktenzeichen 33 WF 1576/16 beim Oberlandesgericht geführt wird.

5. Im Verfahren 564 F 6238/16 = 33 WF 238/17 beantragte der Antragsteller am 6.6.2016 gegenüber der Antragsgegnerin Auskunft über die gemeinsame Tochter Rebecca, geboren am 18.1.2009, in Form der Herstellung und Übergabe eines aktuellen Porträtfotos. Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 8. 7.2016 den Antrag zurückzuweisen.

Durch Beschluss des Amtsgerichts München - Rechtspflegerin - vom 7.10.2016 (Blatt 14/15) wurde dem Kind eine Verfahrensbeiständin bestellt. Hiergegen wendete sich die Antragsgegnerin mit ihrer Gegenvorstellung/Erinnerung vom 20.10.2016 (Blatt 17/18), die das Amtsgericht durch Beschluss vom 5.1.2017 (Blatt 42/44) als unzulässig verworfen hat. Nach der Beschwerde der Antragsgegnerin vom 26.1.2017 (Blatt 46/53) hiergegen, sprach das Amtsgericht mit Beschluss vom 3.2.2017 die Berichtigung eines Schreibfehlers aus (Blatt 55/56), half der Beschwerde nicht ab (Blatt 57/58) und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung vor. Die Beschwerde wird unter dem Az. 33 WF 238/17 geführt.

6. Wegen des Inhalts der Entscheidungen, der Ablehnungsanträge und der sofortigen Beschwerden wird auf die einzelnen Schriftstücke Bezug genommen.

II. Die zulässigen Beschwerden in den Verfahren 33 WF 1573/16, 33 WF 1635/16, 33 WF 1574/16,33 WF 1636/16, 33 WF 1575/16, 33 WF 1638/16, 33 WF 1782/15, 33 WF 1576/16 und 33 WF 1639/16 sind unbegründet.

Die von der Beschwerdeführerin jeweils erhobenen Ablehnungsanträge waren wegen Verschleppungsabsicht unzulässig. Wegen der Begründung wird auf den in sämtlichen Verfahren ergangenen Senatsbeschluss vom 22.6.2017 Bezug genommen. Soweit das Amtsgericht daher bereits selbst die Ablehnungsanträge als unzulässig verworfen hatte, waren die Beschwerden zurückzuweisen, soweit das Amtsgericht die Anträge als unbegründet zurück gewiesen hatte, waren die angefochtenen Beschlüsse dahingehend zu ändern, dass die Zurückweisung richtigerweise als unzulässig hätte erfolgen müssen.

III. Die sofortige Beschwerde im Verfahren 33 WF 238/17 ist gemäß §§ 11 Abs. 2 RPflG, 567 ff. ZPO statthaft und zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. In der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

Das Amtsgericht hat zu Unrecht ein Rechtsmittel gegen die Verfahrensbeistandsbestellung durch den Rechtspfleger im Hinblick auf die Regelung in § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG als unzulässig erachtet. Aufgrund der nach der Entscheidung des Amtsgerichts veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.3.2017 (NJW - RR 2017,578) ist die Erinnerung zulässig. Die angegriffene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Das Amtsgericht hat in der Sache noch nicht entschieden, sodass das Verfahren zur Entscheidung über die Erinnerung zurückzugeben war.

IV. Hinsichtlich des Rügeverfahrens hat die Antragstellerin die Gerichtskosten ihrer erfolglosen Gehörsrügen zu tragen (Nr. 1800 KV zu § 3 Abs. 2 FamGKG). Hinsichtlich der erfolglosen Beschwerde bezüglich der abgelehnten Ablehnungsanträge ergibt sich die Kostenfolge aus § 6 FamFG in Verbindung mit§§ 46 II, 567, 97 ZPO. Soweit die Beschwerde im Verfahren 33 WF 238/17 erfolgreich war, ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst. Die Kosten gelten als solche des Rechtsstreits. Die Festsetzung des Verfahrenswerts war in Ermangelung eines Antrages nach § 33 Abs. 1 RVG nicht veranlasst.

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen.

Das allgemeine Dienstalter eines Richters bestimmt sich nach dem Tag, an dem ihm sein Richteramt übertragen worden ist. Hat der Richter zuvor ein anderes Richteramt oder ein sonstiges Amt mit mindestens dem gleichen Anfangsgrundgehalt bekleidet, so bestimmt sich das allgemeine Dienstalter nach dem Tag der Übertragung dieses Amtes.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Auf die Rüge eines durch eine Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung oder eine andere Abänderungsmöglichkeit nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung an diesen Beteiligten kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Die Rüge ist schriftlich oder zur Niederschrift bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch nicht anfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist.

Das allgemeine Dienstalter eines Richters bestimmt sich nach dem Tag, an dem ihm sein Richteramt übertragen worden ist. Hat der Richter zuvor ein anderes Richteramt oder ein sonstiges Amt mit mindestens dem gleichen Anfangsgrundgehalt bekleidet, so bestimmt sich das allgemeine Dienstalter nach dem Tag der Übertragung dieses Amtes.

(1) Auf die Rüge eines durch eine Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung oder eine andere Abänderungsmöglichkeit nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung an diesen Beteiligten kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Die Rüge ist schriftlich oder zur Niederschrift bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch nicht anfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung entsprechend. Ausgeschlossen ist auch, wer bei einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(2) Der Beschluss, durch den das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(1) Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über das Gesuch. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(3) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig, so entscheidet das im Rechtszug zunächst höhere Gericht.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Richterablehnungen im sozialgerichtlichen Verfahren und die Statthaftigkeit der Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung eines Richterablehnungsgesuches.

I.

2

Der Beschwerdeführer führt vor dem Sozialgericht ein Klageverfahren. Er lehnte den dort zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Landessozialgericht wies das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 29. Juli 2009 zurück.

3

Daraufhin lehnte der Beschwerdeführer die Richter des Landessozialgerichts, die diesen Beschluss gefasst hatten, wegen Besorgnis der Befangenheit unter Hinweis auf die Möglichkeit, gegen den Beschluss eine Anhörungsrüge zu erheben, ab. Das Landessozialgericht verwarf dieses Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 7. August 2009 als unzulässig. Zum einen sei die Ablehnung eines ganzen Spruchkörpers unzulässig und zum anderen sei das Verfahren über das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht abgeschlossen; eine Anhörungsrüge wäre nicht statthaft.

4

Der Beschwerdeführer erhob nun Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 29. Juli 2009 und lehnte die zuständigen Richter des Landessozialgerichts erneut als befangen ab.

5

Das Landessozialgericht verwarf mit Beschluss vom 3. September 2009 die Anhörungsrüge als unzulässig. Der Beschluss vom 29. Juli 2009 sei gemäß § 178a Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung nicht mit der Anhörungsrüge anfechtbar. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2007 (1 BvR 782/07 - BVerfGE 119, 292 ff.) betreffe nur den Fall, dass ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung, mit dem auch eine Inzidentprüfung der Verletzung rechtlichen Gehörs erfolgen könnte, nicht mehr gegeben sei. Hier sei zwar die Beschwerde gegen die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausgeschlossen. Gleichwohl könne eine Verletzung rechtlichen Gehörs im danach wieder aufgenommenen Verfahren vor dem Sozialgericht weiterhin gerügt werden und könne dort oder in der Folgeinstanz geheilt werden. Über die Anhörungsrüge habe das Gericht unter Beteiligung der erneut abgelehnten Richter entscheiden dürfen, da das erneute Ablehnungsgesuch ebenfalls unzulässig sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich die Gründe aus dem ersten, bereits verworfenen Ablehnungsgesuch wiederholt.

6

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen alle drei Beschlüsse des Landessozialgerichts. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2 und 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Er sei gehindert, seine Argumente vorzubringen. Er könne nicht erkennen, dass das Landessozialgericht sein Vorbringen gewürdigt habe.

II.

7

Zwar genügen die angegriffenen Entscheidungen des Landessozialgerichts zum Teil den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Gleichwohl ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nicht angezeigt.

8

1. Nicht zu beanstanden ist, dass das Landessozialgericht das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht zurückgewiesen hat.

9

a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert auch, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes auszuschließen (vgl. BVerfGE 21, 139 <145 f.>; 30, 149 <153>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>; BVerfGK 5, 269 <279 f.>; 12, 139 <143>).

10

Eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143>). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Verfahrensnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 <299> m.w.N.; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143 f.>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 <49>; 82, 159 <197>; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143 f.>) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <144>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -, NVwZ 2009, S. 581 <582>).

11

b) Nach diesen Maßstäben begegnet die Entscheidung des Landessozialgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist im Hinblick auf das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere unbedenklich, wenn die Fachgerichte davon ausgehen, dass die Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht durch rechtliche Hinweise oder Anregungen begründet werden kann, wenn nicht ausnahmsweise unsachliche Erwägungen erkennbar sind, wobei es allerdings nicht auf die Richtigkeit der zugrundeliegenden Rechtsansicht ankommt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -, NVwZ 2009, S. 581 <584>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 -, juris, Rn. 17). Entsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass das Landessozialgericht in der deutlichen Äußerung des abgelehnten Richters über die Erfolgsaussichten der Klage des Beschwerdeführers keinen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Umstand gesehen hat. Das Landessozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die sozialgerichtliche Verfahrensordnung in § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG selbst vorsieht, dass dem Betroffenen die unter Umständen aus der Aussichtslosigkeit seines Klagebegehrens resultierende Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt werden kann.

12

Ebenso führt auch eine etwaige unrichtige Handhabung des Verfahrensrechts für sich genommen nicht zur begründeten Besorgnis der Befangenheit eines Richters (vgl. BVerfGK 12, 139 <145>). Erforderlich ist vielmehr, dass sich in der Verfahrensweise des Richters eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung äußert (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -, NVwZ 2009, S. 581 <583>), wobei selbst mit der Feststellung eines objektiven Verstoßes gegen das Willkürverbot nicht zugleich die Feststellung verbunden sein muss, dass ein Betroffener bei vernünftiger Würdigung Anlass habe, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGK 12, 139 <145>). Dass das Landessozialgericht einen solchen Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des abgelehnten Richters nicht feststellen konnte, ist seinerseits von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Das Landessozialgericht hat sich insbesondere mit dem Vorwurf des Beschwerdeführers, dass er in dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht nicht ausreichend zu Wort gekommen sei und dass die Gründe seines Befangenheitsantrages nicht in die Niederschrift des Termins aufgenommen wurden, auseinandergesetzt und ist zu einem jedenfalls vertretbaren Ergebnis gekommen.

13

2. Zu Unrecht ist die Anhörungsrüge vom Landessozialgericht als unzulässig behandelt worden.

14

a) Zwar findet gemäß § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Anhörungsrüge nicht statt, und bei der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch handelt es sich um eine solche Zwischenentscheidung. § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG ist jedoch verfassungskonform dahin auszulegen, dass es sich beim Verfahren über die Ablehnung eines Richters am Sozialgericht um ein selbständiges Zwischenverfahren mit Bindungswirkung für die nachfolgenden Entscheidungen handelt und dass der Zurückweisungsbeschluss deshalb eine mit der Anhörungsrüge angreifbare Entscheidung darstellt.

15

Fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen eine mögliche Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung ist nach dem Grundsatz wirkungsvollen Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG dann notwendig, wenn in diesem Zwischenverfahren abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren über den Antrag befunden wird und die Entscheidung später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfGE 119, 292 <299>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 - 1 BvR 3113/08 -, NJW 2009, S. 833; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 - 1 BvR 2774/09 -, juris, Rn. 1).

16

Vor diesem Hintergrund kann auch die Entscheidung des Landessozialgerichts über die Zurückweisung der Ablehnung eines Richters am Sozialgericht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden. Derjenige, der sich in einem solchen Richterablehnungsverfahren in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sieht, kann nicht darauf verwiesen werden, dass die behauptete Gehörsverletzung im weiteren Instanzenzug noch kontrolliert würde. Dafür, dass gegenwärtig eine derartige Kontrolle stattfände, gibt es keine Anhaltspunkte.

17

aa) Das Bundessozialgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach § 202 SGG in Verbindung mit § 557 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen der Beurteilung des Revi-sionsgerichts nicht unterliegen, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind. Diese Einschränkung sei bei Beschlüssen, durch die ein Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden ist, immer dann gegeben, wenn sie von einem Landessozialgericht erlassen worden und daher gemäß § 177 SGG der Anfechtung mit der Beschwerde entzogen sind (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, S. 222 <223>; BSG, Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B -, NJOZ 2007, S. 3666 <3668> m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 - B 13 R 121/09 B -, juris, Rn. 5). Entsprechend könne die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, S. 222 <223> m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 - B 13 R 121/09 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 13. August 2009 - B 8 SO 13/09 B -, juris, Rn. 8; BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - B 1 KR 51/09 B -, juris, Rn. 6).

18

Etwas anderes gelte zwar ausnahmsweise dann, wenn es an einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mangeln würde (vgl. BSG, Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B -, NJOZ 2007, S. 3666 <3668>) oder wenn die Behandlung eines Ablehnungsantrags so fehlerhaft sei, dass durch die weitere Mitwirkung des abgelehnten Richters das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt und das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung deshalb unrichtig besetzt gewesen sei (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, 222 <223> m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 - B 13 R 121/09 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 13. August 2009 - B 8 SO 13/09 B -, juris, Rn. 8). Letzteres sei aber nur der Fall, wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs bestimmend gewesen seien (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, S. 222 <223> m.w.N.) oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs jedenfalls darauf hindeuten würde, dass das Gericht die Bedeutung und die Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt habe (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - B 1 KR 51/09 B -, juris, Rn. 6). Die lediglich unrichtige Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch führe noch nicht zur vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts.

19

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist im Falle eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG, der nicht zugleich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen. Da das Bundessozialgericht in einer Entscheidung ausdrücklich offen gelassen hat, ob auch Gehörsverstöße während des Befangenheitsverfahrens mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden können (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Januar 2008 - B 12 KR 24/07 B -, juris, Rn. 12), ist in dieser Prozesssituation keine sichere und zumutbare Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet.

20

Dafür, dass im Berufungs- oder Berufungszulassungsverfahren anders als im Revisions- oder Revisionszulassungsverfahren auch die behauptete Verletzung des Gehörsanspruchs im Richterablehnungsverfahren geprüft würde, gibt es weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht hinreichende Anhaltspunkte.

21

bb) Ließe man gleichwohl die Anhörungsrüge bei entsprechender Auslegung des § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG auch bei einer derartigen, ein selbständiges Zwischenverfahren abschließenden Entscheidung nicht zu, könnte die dadurch entstehende, mit den im Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 (vgl. BVerfGE 107, 395 ff.) dargelegten Grundsätzen unvereinbare Rechtsschutzlücke im fachgerichtlichen Verfahren nicht dadurch beseitigt werden, dass der Antragsteller auf die Möglichkeit einer Anhörungsrüge gegen die spätere abschließende Sachentscheidung verwiesen würde. Die behauptete Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung könnte mit einer Anhörungsrüge gegen die spätere Sachentscheidung nicht mehr in geeigneter, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügender Weise geltend gemacht werden (vgl. BVerfGE 119, 292 <300>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 31. Juli 2008 - 1 BvR 416/08 -, juris, Rn. 26; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 - 1 BvR 3113/08 -, NJW 2009, S. 833).

22

Einer erst nach der abschließenden Sachentscheidung eingelegten Anhörungsrüge könnte entgegengehalten werden, es könne nicht verlässlich festgestellt werden, dass die behauptete, im vorangegangenen Zwischenverfahren geschehene Gehörsverletzung in entscheidungserheblicher Weise das Ergebnis der Sachentscheidung beeinflusst habe. Ob es sich zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt hat, dass an der Sachentscheidung ein Richter beteiligt war, dessen Ablehnung möglicherweise unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zurückgewiesen worden war, könnte kaum beurteilt werden. Die Begründung des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 119, 292 <297>) für den Ausschluss der Anhörungsrüge bei Zwischenentscheidungen, die Entscheidungserheblichkeit könne erst zum Zeitpunkt der späteren Sachentscheidung festgestellt werden, greift bei einer im weiteren Verfahren nicht mehr überprüften Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nicht (vgl. BVerfGE 119, 292 <300>).

23

Die behauptete Gehörsverletzung muss deshalb vor einer Fortsetzung des zur abschließenden Sachentscheidung führenden Verfahrens einer fachgerichtlichen Überprüfung zugeführt werden können. Insofern laufen die Maßstäbe zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen selbständige Zwischenentscheidungen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die fachgerichtliche Beurteilung der Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge gegen die ein Zwischenverfahren beendende Entscheidung gleich (vgl. BVerfGE 119, 292 <300 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 - 1 BvR 3113/08 -, NJW 2009, S. 833 <834>).

24

b) Nicht zu beanstanden ist hingegen, dass das Landessozialgericht über die Anhörungsrüge entschieden hat, ohne zuvor über das erneute, gegen den Senat selbst gerichtete Ablehnungsgesuch entschieden zu haben. Die dem zugrunde liegende Auffassung, dass die Wiederholung einer Richterablehnung ohne neue Gesichtspunkte rechtsmissbräuchlich ist, die auch vom Bundessozialgericht geteilt wird (vgl. BSG, Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B -, NJOZ 2007, S. 3666 <3667>), ist nicht unvertretbar und daher mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar (vgl. auch BVerfGE 11, 1 < 5 f.>; 11, 343 <348>). Rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche müssen nicht erneut beschieden werden (vgl. BVerfGE 11, 343 <348>; 72, 51 <59>; 74, 96 <100>).

25

3. Die Entscheidung des Landessozialgerichts über das erste Ablehnungsgesuch gegen die zuständigen Richter des Landessozialgerichts ist damit teilweise fehlerhaft begründet. Das Landessozialgericht durfte die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs nicht auf die mit Verfassungsrecht nicht zu vereinbarende Annahme stützen, dass eine Anhörungsrüge gegen seine vorhergehende Entscheidung nicht statthaft wäre.

26

Das Landessozialgericht hat das Ablehnungsgesuch außerdem als unzulässig behandelt, weil es sich pauschal gegen alle drei Richter des Senats gerichtet hatte. Das begegnet im Ergebnis schon deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da ausgeschlossen ist, dass das Ablehnungsgesuch in der Sache Erfolg gehabt hätte. Der Beschwerdeführer hat sein Ablehnungsgesuch nur darauf gestützt, dass das Landessozialgericht sein Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht seiner Ansicht nach zu Unrecht abgelehnt hatte. Auf den bloßen Vorwurf der falschen Rechtsanwendung ohne Hinzutreten besonderer Umstände, die der Beschwerdeführer nicht dargetan hat und die sich auch insbesondere aus dem ersten Beschluss des Landessozialgerichts nicht ergeben, kann ein Ablehnungsgesuch aber in zulässiger Weise nicht gestützt werden.

27

4. Trotz der mit Verfassungsrecht nicht im Einklang stehenden Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahme einer Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte nicht angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG), wenn der Beschwerdeführer sein vor den Fachgerichten verfolgtes Begehren nicht erreichen kann (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 119, 292 <301 f.>).

28

Dies ist hier der Fall, weil der Beschwerdeführer mit seinem Begehren - der Ablehnung des Richters am Sozialgericht - keinen Erfolg haben kann. Würde das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Landessozialgerichts über die Anhörungsrüge aufheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückverweisen, könnte das Landessozialgericht bei der erneuten Entscheidung zu keinem anderen Ergebnis kommen, weil der Beschwerdeführer weder im Anhörungsrügeverfahren noch im Verfassungsbeschwerdeverfahren schlüssig dargetan hat, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Vielmehr besteht sein Vortrag durchweg in der Behauptung, Sozialgericht und Landessozialgericht würden das Recht falsch anwenden. Art. 103 Abs. 1 GG enthält aber keinen Anspruch, dass die Gerichte der Rechtsansicht des Grundrechtsträgers folgen, und schützt nicht vor einer aus dessen Sicht "unrichtigen" Rechtsanwendung (vgl. BVerfGK 6, 88 <91>; 11, 203 <206 f.> m.w.N.). Auch ansonsten ist nicht ersichtlich, dass das Landessozialgericht in der mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätte. Für die Anhörungsrüge bestand damit kein vernünftiger Anlass. Da ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers Erfolg haben könnte, führt auch ihre Verwerfung als unzulässig nicht zu einem die Annahme der Verfassungsbeschwerde rechtfertigenden Nachteil (vgl. BVerfGE 119, 292 <302>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 - 1 BvR 2774/09 -, juris, Rn. 1).

29

Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93a Abs. 2 lit. a BVerfGG kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. Sie wirft keine Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BVerfGE 119, 292 <301>). Die Anforderungen an den fachgerichtlichen Rechtsschutz bei behaupteten Gehörsverletzungen ergeben sich aus dem Plenumsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395 ff.).

30

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 20. August 2009 - 5 K 1216/06 - (erster Befangenheitsantrag), der Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 20. August 2009 - 5 K 1216/06 - (zweiter Befangenheitsantrag) und das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 20. August 2009 - 5 K 1216/06 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden aufgehoben und die Sache wird an das Verwaltungsgericht Leipzig zurückverwiesen.

Damit wird der Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. September 2011 - 4 A 186/10 - gegenstandslos.

2. Der Freistaat Sachsen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verwerfung von Befangenheitsanträgen unter Mitwirkung der abgelehnten Kammervorsitzenden in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

I.

2

1. Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin war Klägerin in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vernahm die mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzte Kammer des Verwaltungsgerichts einen Zeugen unter anderem zu der Verwaltungspraxis der Behörde, die den angegriffenen Bescheid erlassen hatte. Dabei weigerte sich der Zeuge, bestimmte Einzelheiten zu anderen Fällen mitzuteilen.

3

a) Im Verlauf der Beweisaufnahme lehnte der Prozessbevollmächtigte der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin die Kammervorsitzende mit folgender Begründung wegen Besorgnis der Befangenheit ab:

4

"(…)

Der Zeuge (…) hat sich auf 'nicht näher darzulegende Umstände' im Rahmen seiner Zeugenaussage berufen. Als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin insoweit nachfragte, erklärte die abgelehnte Richterin, es könnten insoweit datenschutzrechtliche Gründe maßgebend sein. Obwohl der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Zeugen insoweit nochmals befragte, hielt die abgelehnte Richterin nicht zur vollständigen Aussage an. Die abgelehnte Richterin meinte sogar, der Zeuge sollte weiter befragt werden.

(…)

Die Klägerin behält sich weiteren Sachvortrag nach Vorlage des Sitzungsprotokolls vor und auch dann, wenn die dienstliche Äußerung vorliegt."

5

Daraufhin wurde die mündliche Verhandlung unterbrochen. Nach Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung verkündete die Kammer den folgenden in unveränderter Besetzung getroffenen und mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss:

6

"Der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gestellte Beweisantrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

Er geht zum einen von Tatsachen aus, die so nicht stattgefunden haben. Der Zeuge (…) hat sich nicht verweigert Umstände offenzulegen, sondern Einzelfälle darzulegen. Im Übrigen ist offensichtlich ein Hinweis darauf, dass die einzelfallbezogene Darlegung anderer Fälle als des vorliegenden Falles datenschutzrechtlichen Bedenken begegnen könnte, nicht zu beanstanden. Schließlich ist es auch offensichtlich korrekt, wenn die Vorsitzende den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bittet, konkrete Fragen zu stellen, damit der Zeuge auch konkret antworten kann, ggf. dann bezogen auf die konkrete Verwaltungspraxis zum vorliegenden Fall.

Dieser Beschluss ergeht in der Besetzung wie bisher verhandelt worden ist. Dies ist zulässig, weil der Beweisantrag als unzulässig abgewiesen wird.

(...)"

7

b) Daraufhin stellte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, einen weiteren Antrag, mit dem sie nunmehr sämtliche an der zuvor erwähnten Entscheidung beteiligten Richter der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnte. Sie begründete dies unter anderem wie folgt:

8

"Die Begründung des Befangenheitsgesuchs ergibt sich aus der Begründung des - soeben - abgelehnten Befangenheitsgesuchs (…). Der vorgenannte Antrag ist als solcher zulässig. Niemand kann in eigener Sache entscheiden. Jedenfalls durfte Frau (…) an dem vorgenannten Beschluss nicht mitwirken. Rechtliches Gehör wurde trotz Vorbehalts nicht gewährt.

(…)"

9

Nach erneuter Unterbrechung der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer daraufhin den weiteren in unveränderter Besetzung getroffenen und mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss folgenden Inhalts:

10

"Der zweite Befangenheitsantrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird als unzulässig zurückgewiesen.

Der Befangenheitsantrag ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn er ausschließlich auf einer abweichenden rechtlichen Bewertung der Klägerseite gegenüber der Bewertung der Kammer beruht. Offensichtlich unbegründete Befangenheitsanträge können von der Kammer als solcher insgesamt abgelehnt werden, d.h. auch von dem Richter, der als befangen abgelehnt worden ist. Die Einschätzung des Beweisantrags als zulässig oder unzulässig ist eine Rechtsfrage, auf die allein ein Befangenheitsantrag nicht gestützt werden kann.

(…)"

11

2. Aufgrund der mündlichen Verhandlung erließ die Kammer in unveränderter Besetzung das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil, mit dem die Klage abgewiesen wurde.

12

3. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit angegriffenem Beschluss vom 27. September 2011 ab. Im Hinblick auf den von der Beschwerdeführerin wegen der Behandlung ihrer Ablehnungsgesuche geltend gemachten Verfahrensmangel stand es zwar auf dem Standpunkt, dass die willkürliche Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs einen Berufungszulassungsgrund darstellen könne. Es sah die Voraussetzungen hierfür jedoch nicht als gegeben an.

II.

13

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin allein eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen der aus ihrer Sicht zu Unrecht in unveränderter Kammerbesetzung erfolgten Zurückweisung der Befangenheitsanträge als unzulässig.

14

Mit dem ersten Befangenheitsantrag seien offensichtlich keine Umstände oder Handlungen, die nach der Prozessordnung vorgeschrieben seien oder sich aus der Stellung des Richters ergäben, beanstandet worden. Mit datenschutzrechtlichen Gründen lasse sich ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht begründen. Halte die abgelehnte Richterin den Zeugen nicht zur Aussage an, sondern lege diesem sogar noch nahe, von der Aussage abzusehen, sei eine solche Vorgehensweise geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin zu rechtfertigen.

15

Jedenfalls - und dies sei vorliegend allein entscheidend - sei ein solcher erster Befangenheitsantrag nicht offensichtlich rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig. Das habe auch die Kammer unter Mitwirkung der abgelehnten Richter in ihrem ersten zurückweisenden Beschluss nicht darzulegen vermocht. Eine Begründung dafür, weshalb der Befangenheitsantrag als ausnahmsweise unzulässig zu qualifizieren sein sollte, gebe die Kammer nicht an. Soweit sich die Kammer mit der Begründung des Befangenheitsantrags auseinandersetze, handele es sich hierbei um Ausführungen, die - wenn überhaupt - im Rahmen der Begründetheit des Befangenheitsantrags zu berücksichtigen gewesen wären. Die Tatsache, dass die Kammer unter Mitwirkung der abgelehnten Richterin meine, nicht ohne Stellungnahme zur Unbegründetheit auszukommen, zeige gerade, dass sie den Befangenheitsantrag nicht für aussichtslos und damit rechtsmissbräuchlich gehalten habe.

16

Noch weniger sei der zweite Befangenheitsantrag offensichtlich rechtsmissbräuchlich und unzulässig. Dass der erste Befangenheitsantrag rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig gewesen sei, vermöge die Kammer erneut nicht zu begründen. Sie führe sogar ausdrücklich aus, dass die Einschätzung eines Befangenheitsantrags als zulässig oder unzulässig eine Rechtsfrage darstelle. Dann könne hierüber aber erst Recht nicht von der Kammer selbst entschieden werden.

III.

17

Das Staatsministerium der Justiz und für Europa des Freistaats Sachsen sowie der Beklagte des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

IV.

18

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG statt.

19

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

20

a) Das gilt auch, obwohl die Beschwerdeführerin zunächst einen - im Ergebnis erfolglosen - Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht gestellt hat. Ausweislich der Begründung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts war der Zulassungsantrag der Beschwerdeführerin soweit er sich auf die Behandlung der Befangenheitsgesuche stützte, nicht von vornherein aussichtslos. Das Oberverwaltungsgericht hat lediglich, im Ergebnis zu Unrecht, das Vorliegen einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch das Verwaltungsgericht verneint.

21

b) Die Beschwerdeführerin ist auch beschwerdebefugt. Zwar war sie selbst zunächst nicht am Ausgangsrechtsstreit beteiligt. Sie ist jedoch im Laufe des Berufungszulassungsverfahrens aufgrund Verschmelzung im Wege der Aufnahme (vgl. § 2 Nr. 1 UmwG) Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglichen Klägerin geworden.

22

Zur Durchsetzung vermögenswerter Rechte und für sonstige Rügen, die der Rechtsnachfolger im eigenen Interesse geltend machen kann, können Rechtsnachfolger Verfassungsbeschwerdeverfahren fortführen oder erheben (vgl. BVerfGE 3, 162 <164>; 17, 86 <90 f.>; 23, 288 <300>; 26, 327 <332>; 69, 188 <201>; 94, 12 <30>; 109, 279 <304>), nicht jedoch zur Durchsetzung des Schutzes der Menschenwürde und höchstpersönlicher Rechte (vgl. BVerfGE 109, 279 <304>).

23

Jedenfalls im Berufungszulassungsverfahren war die Beschwerdeführerin selbst Partei des Rechtsstreits und damit ohne weiteres beschwerdebefugt. Aber auch soweit Verfassungsverstöße gegenüber ihrer Rechtsvorgängerin, begangen in der ersten Instanz, im Raum stehen, ist die Beschwerdebefugnis gegeben. Die Rechtskraft der fachgerichtlichen Entscheidung erstreckt sich auch insoweit auf die Beschwerdeführerin (vgl. § 121 Nr. 1 VwGO). Aufgrund ihrer daraus resultierenden Bindung an die Entscheidung, die mit für sie nachteiligen (finanziellen) Folgen verbunden ist, ist sie hierdurch auch als Rechtsnachfolgerin beschwert. Es geht demnach nicht um speziell ihrer Rechtsvorgängerin zustehende höchstpersönliche Rechte, die eine Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin entfallen lassen könnten.

24

2. Die angegriffenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts verletzen das grundrechtsgleiche Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

25

a) aa) Die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens haben nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Anspruch auf den gesetzlichen Richter, der sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergibt. Darüber hinaus wird ihnen durch die Verfassung gewährleistet, dass sie nicht vor einem Richter stehen, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt. Die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt die prozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerfGE 89, 28 <36>).

26

Eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann allerdings nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 <49>; 82, 159 <197>; 87, 282 <286>) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280>).

27

Bei der Anwendung der Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern ist zu beachten, dass diese Normen dem durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Ziel dienen, auch im Einzelfall die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung berufenen Richter zu sichern. Für den Zivilprozess und damit über § 54 Abs. 1 VwGO auch für den Verwaltungsprozess enthalten die §§ 44 ff. ZPO Regelungen über das Verfahren zur Behandlung des Ablehnungsgesuchs und bestimmen, dass das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung zur Entscheidung auf der Grundlage einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters berufen ist. Durch diese Zuständigkeitsregelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Annahme nahe liegt, es werde an der inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden muss (vgl. BVerfGK 7, 325 <337> für den Strafprozess; BVerfGK 11, 434 <442> für den Zivilprozess und BVerfGK 13, 72 <77 f.> für den Verwaltungsprozess).

28

bb) In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings auch für den Bereich des Verwaltungsprozesses anerkannt, dass der abgelehnte Richter ein Ablehnungsgesuch selbst ablehnen kann, ohne dass es der Durchführung des Verfahrens nach § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 44 f. ZPO bedarf, wenn das Gesuch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, etwa wenn pauschal alle Richter eines Gerichts abgelehnt werden, das Gesuch nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können, oder wenn gegen den Richter unqualifizierbare Angriffe wegen seiner angeblich rechtsstaatswidrigen Rechtsfindung erhoben werden (vgl. BVerfGK 13, 72 <78> m.w.N. zu Rspr. und Lit.).

29

Ähnlich wie der Gesetzgeber im Strafprozessrecht, in welchem § 26a StPO ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren für unzulässige Ablehnungsgesuche unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zur Verfügung stellt, während das Regelverfahren nach § 27 StPO die Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters garantiert, trägt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mit der differenzierenden Zuständigkeitsregelung in den Fällen der Richterablehnung einerseits dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung: Ein Richter, dessen Unparteilichkeit mit jedenfalls nicht von vorneherein untauglicher Begründung in Zweifel gezogen worden ist, kann und soll nicht an der Entscheidung gegen das gegen ihn selbst gerichtete Ablehnungsgesuch mitwirken, das sein eigenes richterliches Verhalten und die - ohnehin nicht einfach zu beantwortende - Frage zum Gegenstand hat, ob das beanstandete Verhalten für eine verständige Partei Anlass sein kann, an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Andererseits soll aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens der abgelehnte Richter in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert sein und ein aufwendiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280 f.>; 7, 325 <338>).

30

Im Verwaltungs- und Zivilprozessrecht gilt ebenso wie im Strafprozessrecht, dass bei strenger Beachtung der Voraussetzungen des gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs eine Entscheidung des abgelehnten Richters selbst mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt gerät, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache ist (vgl. BVerfGK 5, 269 <281 f.>; 11, 434 <442>; 13, 72 <79>). Ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren soll indes nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern, was eine enge Auslegung der Voraussetzungen gebietet (vgl. BVerfGK 5, 269 <282>; 11, 434 <442>; 13, 72 <79>). Völlige Ungeeignetheit ist anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens selbst entbehrlich ist. Hierfür werden regelmäßig nur solche Gesuche in Betracht kommen, die Handlungen des Richters beanstanden, welche nach der Prozessordnung vorgeschrieben sind oder sich ohne weiteres aus der Stellung des Richters ergeben. Unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch daher, wenn der Ablehnende die bloße Tatsache beanstandet, ein Richter habe an einer Vor- oder Zwischenentscheidung mitgewirkt. Unzulässig ist das Gesuch auch, wenn sich der Richter an den von der Prozessordnung vorgeschriebenen Verfahrensgang hält, der Ablehnende aber eine Änderung begehrt. Grundsätzlich wird also eine Verwerfung als unzulässig nur dann in Betracht kommen, wenn das Ablehnungsgesuch für sich allein - ohne jede weitere Aktenkenntnis - offenkundig eine Ablehnung nicht zu begründen vermag. Ist hingegen ein - wenn auch nur geringfügiges - Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet die Ablehnung als unzulässig aus. Eine gleichwohl erfolgende Ablehnung durch den abgelehnten Richter selbst ist dann willkürlich. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen (vgl. BVerfGK 7, 325 <340>; 11, 434 <442>; 13, 72 <79 f.>).

31

b) Bei Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die Verwerfung des ersten Befangenheitsgesuchs durch das Verwaltungsgericht - was die Zurückweisung des "Beweisantrags" als unzulässig offensichtlich meint - unter Mitwirkung der abgelehnten Kammervorsitzenden als objektiv willkürlich. Damit liegt ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor.

32

Das folgt jedenfalls daraus, dass es sich vorliegend gerade nicht um eine bloße Formalentscheidung handelt. Die Kammer einschließlich der abgelehnten Richterin setzt sich vielmehr im Sinne einer Begründetheitsprüfung mit dem Vorbringen im Ablehnungsgesuch auseinander.

33

Anlass der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit war die Verhandlungsführung der abgelehnten Kammervorsitzenden bei Vernehmung des Zeugen. Dabei ging es nicht bloß um formale Fragen wie zum Beispiel den Umstand, dass ihr als Kammervorsitzender die Leitung der mündlichen Verhandlung und damit auch die Vernehmung des Zeugen oblag (vgl. § 173 VwGO in Verbindung mit § 136 ZPO). Die aus Sicht der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zentrale Frage war, ob die wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Kammervorsitzende den Zeugen hinreichend zu einer vollständigen Aussage veranlasst hatte. Das zielt auf den Inhalt ihrer Verhandlungsführung. Die Beantwortung dieser Frage erforderte folglich eine Bewertung des Verhaltens der abgelehnten Richterin unter Berücksichtigung des von der Prozessordnung gesteckten Rahmens. Eine Entscheidung hierüber war ihr demnach verwehrt.

34

c) Der Beschluss über den zweiten Befangenheitsantrag erfolgte ebenfalls unter Verstoß gegen das grundrechtsgleiche Recht der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

35

Bei der Prüfung, ob ein Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen werden kann, ist das Gericht in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen, da das Gericht andernfalls leicht dem Vorwurf ausgesetzt sein kann, tatsächlich im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten, und sich zu Unrecht zum Richter in eigener Sache zu machen. Überschreitet das Gericht bei dieser Prüfung die ihm gezogenen Grenzen, so kann dies seinerseits die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. BVerfGK 5, 269 <283>; 11, 434 <444>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 2228/06 -, NJW 2007, S. 3771 <3773>).

36

Obwohl der Vorwurf der Selbstentscheidung durch den vorangegangenen Beschluss über das Ablehnungsgesuch gegen die Kammervorsitzende Gegenstand des zweiten Befangenheitsantrags war, hat die Kammer in unveränderter Besetzung den daraufhin ergangenen Beschluss erlassen, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten. Der formelhaft begründete Beschluss zieht zur Rechtfertigung der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs das Kriterium der Rechtsmissbräuchlichkeit heran und versucht dies mit dem Verweis auf die offensichtliche Unbegründetheit des Befangenheitsantrags zu untermauern. Abgesehen davon, dass an keiner Stelle erläutert wird, weshalb - abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGK 5, 269 <282>) - auch bei offensichtlicher Unbegründetheit eines Ablehnungsgesuchs das vereinfachte Ablehnungsverfahren mit Selbstentscheidung des abgelehnten Richters angewendet werden können soll, lag ein Fall offensichtlicher Unbegründetheit des Befangenheitsantrags hier nicht vor. Das folgt schon aus dem einfachen Umstand, dass die festgestellte Überschreitung der durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Grenzen bei Bescheidung des ersten Befangenheitsantrags nach der zitierten bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit auszulösen. Das Ablehnungsgesuch erforderte letztendlich eine Entscheidung darüber, ob sich die abgelehnten Richter durch die Behandlung des ersten Befangenheitsantrags soweit von Recht und Gesetz entfernt hatten, dass die Besorgnis ihrer Befangenheit bestand. Damit waren sie gezwungen, über ihr vorangegangenes eigenes Verhalten bei der Beschlussfassung über das erste Ablehnungsgesuch zu entscheiden und sich dadurch zu Richtern in eigener Sache zu machen.

37

d) Der durch die fehlerhafte Behandlung der Ablehnungsgesuche verursachte Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst auch das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts.

38

Die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs ist zwar nach § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Die abgelehnte Kammervorsitzende und die weiteren mit dem zweiten Ablehnungsgesuch abgelehnten Richter unterlagen daher formal nicht mehr dem Gebot des § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 ZPO, der bis zur Erledigung des jeweiligen Ablehnungsgesuchs die Befugnisse des abgelehnten Richters auf die Vornahme unaufschiebbarer Handlungen beschränkt. Auch steht bislang nicht fest, dass tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit bei einer der abgelehnten Gerichtspersonen vorgelegen hätte.

39

In der Konsequenz der in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Garantie, nicht vor einem Richter stehen zu müssen, dem es an der gebotenen Neutralität mangelt (vgl. BVerfGE 89, 28 <36>), liegt es jedoch auch, nicht vor einem Richter stehen zu müssen, über dessen Ablehnung unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entschieden worden ist (vgl. BVerfGK 13, 72 <75 ff.>).

40

Die hinter dem Ablehnungsgesuch stehende Partei kann so lange nicht davon ausgehen, dass sie unabhängigen Richtern gegenübersteht, bis diese Frage von dem zuständigen Gericht ohne Beteiligung der möglicherweise befangenen Richter geklärt ist. Sie muss im Falle einer nach den dargelegten Kriterien unzulässigen Selbstentscheidung befürchten, dass die Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch maßgeblich von Richtern beeinflusst ist, die der Sache nicht mit der notwendigen Distanz und Neutralität gegenüberstehen und dass sich diese Voreingenommenheit auch in der anschließend zu treffenden Sachentscheidung fortsetzt. Aus den genannten Gründen ist immer dann, wenn ein Fall unzulässiger Selbstentscheidung vorliegt, davon auszugehen, dass auch die dem Ablehnungsgesuch folgende Sachentscheidungen mit dem Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter behaftet ist.

41

3. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts sind aufzuheben und die Sache gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, da nicht auszuschließen ist, dass sie auf dem festgestellten Verfassungsverstoß beruhen. Ob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ebenfalls gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt, kann offen bleiben. Die Entscheidung wird durch die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils gegenstandslos.

V.

42

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

VI.

43

Der Gegenstandswert für das Verfassungsbeschwerdeverfahren ist nach § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>) auf 8.000 € festzusetzen. Es ist nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerin ein über diesen Betrag hinausgehendes Interesse hat.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 20. Januar 2014 - 23 O 95/03 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 7. März 2014 - 3 W 13/14 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 17. April 2014 - 3 W 13/14 - wird damit gegenstandslos. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Bamberg zurückverwiesen.

2. Der Freistaat Bayern hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Zurückweisung eines Befangenheitsantrages in einem - seit 2003 anhängigen - zivilrechtlichen Ausgangsverfahren.

2

1. In einem Termin zur mündlichen Verhandlung lehnte die Beschwerdeführerin den erkennenden Vorsitzenden Richter am Landgericht als Einzelrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab und begründete dies unter anderem damit, dass das Gericht die Zurückgabe eines Gutachtenauftrags als "Stellungnahme" zu Lasten der Beschwerdeführerin gewertet habe. Zudem habe der abgelehnte Richter geäußert, dass die Sache nun "durchgehauen werden müsse" und ihm ein eventueller Vorwurf "nach mir die Sintflut" egal sei. Außerdem sei die Objektivität des Gerichts anzuzweifeln, da die Aufnahme des Ablehnungsantrages zum Teil mit ins Lächerliche gehendem "süffisantem Gelächter" quittiert worden sei.

3

Das Landgericht wies das Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin noch im Termin mit Beschluss vom 20. Januar 2014 durch den abgelehnten Richter zurück. Die Ablehnung sei unzulässig, weil sie - wie sich aus dem gesamten Verfahrensgang ergebe - nur der Prozessverschleppung dienen solle. In einem solchen Fall des Rechtsmissbrauchs sei der abgelehnte Richter befugt, auch selbst und sogleich zu entscheiden. Es fehle am Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin für die beantragte Ablehnung, da diese im zivilprozessrechtlichen Sinne verfahrensfremden Zwecken diene und mit dem Beschleunigungsgebot nicht vereinbar sei. Daher sei durch den abgelehnten Richter - wie geschehen - selbst zu entscheiden. Einer dienstlichen Äußerung bedürfe es nicht.

4

Der sofortigen Beschwerde der Beschwerdeführerin half das Landgericht nicht ab. Das Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde zurück. Zu Recht habe das Landgericht das Befangenheitsgesuch als unzulässig verworfen. Es richte sich ausschließlich gegen die vorläufige Rechtsauffassung des Einzelrichters und sei daher rechtsmissbräuchlich. Eine inhaltliche Prüfung der vorgebrachten Ablehnungsgründe sei nicht erforderlich. Die daraufhin von der Beschwerdeführerin erhobene Anhörungsrüge wies das Oberlandesgericht zurück.

5

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde ist ein das Verfahren vor dem Landgericht beendendes Urteil ergangen, gegen das die Beschwerdeführerin und die Kläger des Ausgangsverfahrens Berufung eingelegt haben. Das Berufungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

6

3. Zu der Verfassungsbeschwerde hatten das Bayerische Staatsministerium der Justiz und die Beteiligten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

7

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig (1.) und offensichtlich begründet (2.), soweit sie sich gegen den das Ablehnungsgesuch verwerfenden Beschluss des Landgerichts und den die sofortige Beschwerde zurückweisenden Beschluss des Oberlandesgerichts richtet.

8

1. a) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass es sich bei den angegriffenen Entscheidungen um Zwischenentscheidungen handelt. Zwischenentscheidungen können selbstständig angegriffen werden, wenn sie zu einem bleibenden rechtlichen Nachteil für den Betroffenen führen, der später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann (vgl. BVerfGE 101, 106 <120>). Dies trifft auf Entscheidungen der Fachgerichte über Ablehnungsgesuche zu, wenn sie Bindungswirkung für das weitere Verfahren entfalten, über eine wesentliche Rechtsfrage abschließend befinden und in weiteren Instanzen nicht mehr nachgeprüft und korrigiert werden können (vgl. BVerfGE 119, 292 <294>). Die hier angegriffenen Entscheidungen sind danach tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde, obwohl der Zivilprozess in der Hauptsache weiter anhängig ist. Sie beenden das Zwischenverfahren zu dem Ablehnungsgesuch und sind für das weitere Verfahren bindend (§ 46 Abs. 2, § 512 ZPO).

9

b) Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass das Landgericht zwischenzeitlich ein Endurteil gefällt hat. Das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin ist hierdurch nicht entfallen, weil die Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse deren Bindungswirkung für das Berufungsverfahren beseitigt.

10

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich begründet. Die Beschlüsse des Landgerichts vom 20. Januar 2014 und des Oberlandesgerichts vom 7. März 2014 verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

11

a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 48, 246 <254>; 82, 286 <296>; 95, 322 <327>). Damit soll die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (BVerfGE 95, 322 <327>).

12

Deshalb verpflichtet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Jede sachwidrige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und außen soll dadurch verhindert werden. Die Gerichte sind bei der ihnen obliegenden Anwendung der vom Gesetzgeber geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung zu tragen.

13

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darüber hinaus auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfGE 10, 200 <213 f.>; 21, 139 <145 f.>; 30, 149 <153>; 40, 268 <271>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>).

14

Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes auszuschließen (vgl. BVerfGK 5, 269 <279 f.>).

15

Die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern dienen dem durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Ziel, auch im Einzelfall die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung berufenen Richter zu sichern. Für den Zivilprozess enthalten die §§ 44 ff. ZPO Regelungen über das Verfahren zur Behandlung des Ablehnungsgesuchs und bestimmen, dass das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung zur Entscheidung auf der Grundlage einer dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters berufen ist. Durch die Zuständigkeitsregelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es nach der Natur der Sache an der völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden müsste (BVerfGK 11, 434 <441>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 2228/06 -, NJW 2007, S. 3771 <3772>). In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass abweichend von diesem Grundsatz und vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in ursprünglicher Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheidet. Hierzu zählen die Ablehnung eines ganzen Gerichts als solchem, das offenbar grundlose, nur der Verschleppung dienende und damit rechtsmissbräuchliche Gesuch und die Ablehnung als taktisches Mittel für verfahrensfremde Zwecke (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 45 Rn. 4 m.w.N.).

16

Mit der differenzierenden Zuständigkeitsregelung in den Fällen der Richterablehnung trägt die zivilgerichtliche Rechtsprechung einerseits dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung: Ein Richter, dessen Unparteilichkeit mit jedenfalls nicht von vornherein untauglicher Begründung in Zweifel gezogen worden ist, kann und soll nicht an der Entscheidung über das gegen ihn selbst gerichtete Ablehnungsgesuch mitwirken, das sein eigenes richterliches Verhalten und die Frage zum Gegenstand hat, ob das beanstandete Verhalten für eine verständige Partei Anlass sein kann, an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Andererseits soll aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens der abgelehnte Richter in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert sein und ein aufwendiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden (vgl. BVerfGE 131, 239 <252 f.>; BVerfGK 5, 269 <280 f.>; siehe auch §§ 26a, 27 StPO für den Strafprozess).

17

In einem strafprozessualen Fall hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass bei strenger Beachtung der Voraussetzungen des gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs eine Selbstentscheidung mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt gerät, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetze und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache ist (vgl. BVerfGK 5, 269 <281 f.>). Es hat indes klargestellt, dass ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern soll, was eine enge Auslegung der Voraussetzungen gebietet (vgl. BVerfGK 5, 269 <282>). Völlige Ungeeignetheit ist demnach anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Ist hingegen ein - wenn auch nur geringfügiges - Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet eine Ablehnung als unzulässig aus. Eine gleichwohl erfolgende Entscheidung ist dann willkürlich. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen. Überschreitet das Gericht bei der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs die ihm gezogenen Grenzen, kann dies seinerseits die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. BVerfGK 5, 269 <283>).

18

Für den Zivilprozess sind diese Grundsätze entsprechend heranzuziehen. Da die Voraussetzungen für eine Selbstentscheidung des abgelehnten Richters über den ihn betreffenden Befangenheitsantrag verfassungsrechtlich durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorgegeben sind, ist für eine abweichende Beurteilung im Zivilprozessrecht kein Raum (vgl. ebenso BVerfGK 11, 434 <442>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 2228/06 -, NJW 2007, S. 3771 <3773>).

19

b) Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt der Beschluss des Landgerichts vom 20. Januar 2014 die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter. Die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig durch den abgelehnten Richter beruht auf grob fehlerhaften Erwägungen und zeigt, dass das Landgericht den Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt hat.

20

Das Landgericht begründet die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs damit, dass es nur der Prozessverschleppung diene und einen Fall des Rechtsmissbrauchs darstelle. Eine überprüfbare Begründung hierfür kann den gerichtlichen Erwägungen jedoch nicht entnommen werden und ist auch nicht ersichtlich. Erst mit der Nichtabhilfeentscheidung hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin einen kurzfristigen Terminsverlegungsantrag mit einem Attest belegt habe, welches sich nicht auf den Termin, sondern auf die beiden Tage zuvor bezogen habe. Die Beschwerdeführerin hat dies aber - nachdem sie im Rahmen des Ablehnungsverfahrens erstmals hierauf hingewiesen wurde - plausibel mit einem Versehen bei der Ausstellung des Attests begründet. Auch der Hinweis auf "den gesamten bisherigen Verfahrensgang", der ausweislich der Akten des Ausgangsverfahrens von fruchtlosen Vergleichsverhandlungen und Anregungen der Beschwerdeführerin, die Beweisaufnahme fortzusetzen, gezeichnet ist, rechtfertigt nicht die Einordnung des Ablehnungsgesuchs als rechtsmissbräuchlich. Vielmehr wäre es geboten gewesen, sich mit der Begründung des - erstmalig gestellten - Ablehnungsgesuchs im Einzelnen auseinanderzusetzen. Eine solche Auseinandersetzung hätte gezeigt, dass eine Zurückweisung als unzulässig nicht in Betracht kam.

21

Die von der Beschwerdeführerin angeführten Äußerungen des Einzelrichters, wonach die Aufklärungsmöglichkeiten erschöpft seien und die Sache nun "durchgehauen werden müsse", wobei ihm ein eventueller Vorwurf "nach mir die Sintflut" egal sei, erscheinen in Verbindung mit dem Umstand, dass die Zurückgabe eines Gutachtenauftrags als sachliche Stellungnahme des Sachverständigen habe gewertet werden sollen, nicht als schlechthin ungeeignet, eine Ablehnung zu begründen. Es handelt sich gerade um solche Behauptungen, die nach den Vorgaben des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG einer objektiven Klärung durch einen neutralen, unvoreingenommenen Richter hätten zugeführt werden müssen, weil andernfalls der abgelehnte Richter seine eigene Prozessführung beurteilen müsste und sich zum Richter in eigener Sache aufschwänge.

22

Die Annahme einer Kompetenz zur Verwerfung des Antrags durch den abgelehnten Richter stellt sich daher als grobe Verkennung des Rechts auf den gesetzlichen Richter dar. Es handelt sich gerade nicht um eine bloße Formalentscheidung. Die im Befangenheitsantrag geäußerte Befürchtung, dass trotz Fehlens der Entscheidungsreife eine Endentscheidung erlassen werde, nachdem der abgelehnte Richter unter anderem geäußert habe, dass die Sache "durchgehauen werden müsse" und ihm ein Vorwurf "nach mir die Sintflut" egal sei, konnte nicht ohne Eingehen auf weitere, außerhalb des Gesuchs selbst liegende Verfahrensumstände beurteilt werden.

23

c) Der Beschluss des Oberlandesgerichts, mit dem die sofortige Beschwerde zurückgewiesen wurde, wird dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ebenfalls nicht gerecht. Die Einordnung als rechtsmissbräuchlich rechtfertigt das Oberlandesgericht anders als das Landgericht mit der Begründung, dass sich das Ablehnungsgesuch ausschließlich gegen die vorläufige Rechtsauffassung des abgelehnten Richters richte. Damit erfasst das Oberlandesgericht aber die Begründung des Befangenheitsgesuchs nur unzureichend. Dieses enthält zwar auch Ausführungen, die sich gegen die Rechtsauffassung des Landgerichts richten, erschöpft sich aber nicht hierin. Das liegt insbesondere auf der Hand, soweit die Besorgnis der Befangenheit auf die Unsachlichkeit der Äußerungen des abgelehnten Richters gestützt wird (die Sache müsse "durchgehauen werden"; ein Vorwurf "nach mir die Sintflut" sei ihm egal). Bei der Frage, ob ein Ablehnungsgesuch als unzulässig behandelt und durch den abgelehnten Richter selbst entschieden werden kann, ist ein Gericht in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen (vgl. BVerfGK 7, 325 <340>).

III.

24

Der Beschluss des Oberlandesgerichts über die sofortige Beschwerde wird gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben. Der Beschluss des Oberlandesgerichts über die Anhörungsrüge wird durch die Aufhebung des vorangegangenen Beschlusses gegenstandslos. Die Sache wird gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG an das Oberlandesgericht zurückgewiesen, das im Berufungsrechtzug nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters abschließend auch über das Befangenheitsgesuch entscheiden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2007 - 2 BvR 1849/07 -, NJW-RR 2008, S. 512 <514>; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2006 - XII ZB 244/04 -, NJW-RR 2007, S. 411, FamRZ 2007, S. 274). Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Richterablehnungen im sozialgerichtlichen Verfahren und die Statthaftigkeit der Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung eines Richterablehnungsgesuches.

I.

2

Der Beschwerdeführer führt vor dem Sozialgericht ein Klageverfahren. Er lehnte den dort zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Landessozialgericht wies das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 29. Juli 2009 zurück.

3

Daraufhin lehnte der Beschwerdeführer die Richter des Landessozialgerichts, die diesen Beschluss gefasst hatten, wegen Besorgnis der Befangenheit unter Hinweis auf die Möglichkeit, gegen den Beschluss eine Anhörungsrüge zu erheben, ab. Das Landessozialgericht verwarf dieses Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 7. August 2009 als unzulässig. Zum einen sei die Ablehnung eines ganzen Spruchkörpers unzulässig und zum anderen sei das Verfahren über das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht abgeschlossen; eine Anhörungsrüge wäre nicht statthaft.

4

Der Beschwerdeführer erhob nun Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 29. Juli 2009 und lehnte die zuständigen Richter des Landessozialgerichts erneut als befangen ab.

5

Das Landessozialgericht verwarf mit Beschluss vom 3. September 2009 die Anhörungsrüge als unzulässig. Der Beschluss vom 29. Juli 2009 sei gemäß § 178a Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung nicht mit der Anhörungsrüge anfechtbar. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2007 (1 BvR 782/07 - BVerfGE 119, 292 ff.) betreffe nur den Fall, dass ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung, mit dem auch eine Inzidentprüfung der Verletzung rechtlichen Gehörs erfolgen könnte, nicht mehr gegeben sei. Hier sei zwar die Beschwerde gegen die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausgeschlossen. Gleichwohl könne eine Verletzung rechtlichen Gehörs im danach wieder aufgenommenen Verfahren vor dem Sozialgericht weiterhin gerügt werden und könne dort oder in der Folgeinstanz geheilt werden. Über die Anhörungsrüge habe das Gericht unter Beteiligung der erneut abgelehnten Richter entscheiden dürfen, da das erneute Ablehnungsgesuch ebenfalls unzulässig sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich die Gründe aus dem ersten, bereits verworfenen Ablehnungsgesuch wiederholt.

6

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen alle drei Beschlüsse des Landessozialgerichts. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2 und 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Er sei gehindert, seine Argumente vorzubringen. Er könne nicht erkennen, dass das Landessozialgericht sein Vorbringen gewürdigt habe.

II.

7

Zwar genügen die angegriffenen Entscheidungen des Landessozialgerichts zum Teil den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Gleichwohl ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nicht angezeigt.

8

1. Nicht zu beanstanden ist, dass das Landessozialgericht das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht zurückgewiesen hat.

9

a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert auch, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes auszuschließen (vgl. BVerfGE 21, 139 <145 f.>; 30, 149 <153>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>; BVerfGK 5, 269 <279 f.>; 12, 139 <143>).

10

Eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143>). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Verfahrensnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 <299> m.w.N.; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143 f.>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 <49>; 82, 159 <197>; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143 f.>) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <144>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -, NVwZ 2009, S. 581 <582>).

11

b) Nach diesen Maßstäben begegnet die Entscheidung des Landessozialgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist im Hinblick auf das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere unbedenklich, wenn die Fachgerichte davon ausgehen, dass die Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht durch rechtliche Hinweise oder Anregungen begründet werden kann, wenn nicht ausnahmsweise unsachliche Erwägungen erkennbar sind, wobei es allerdings nicht auf die Richtigkeit der zugrundeliegenden Rechtsansicht ankommt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -, NVwZ 2009, S. 581 <584>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 -, juris, Rn. 17). Entsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass das Landessozialgericht in der deutlichen Äußerung des abgelehnten Richters über die Erfolgsaussichten der Klage des Beschwerdeführers keinen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Umstand gesehen hat. Das Landessozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die sozialgerichtliche Verfahrensordnung in § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG selbst vorsieht, dass dem Betroffenen die unter Umständen aus der Aussichtslosigkeit seines Klagebegehrens resultierende Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt werden kann.

12

Ebenso führt auch eine etwaige unrichtige Handhabung des Verfahrensrechts für sich genommen nicht zur begründeten Besorgnis der Befangenheit eines Richters (vgl. BVerfGK 12, 139 <145>). Erforderlich ist vielmehr, dass sich in der Verfahrensweise des Richters eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung äußert (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 -, NVwZ 2009, S. 581 <583>), wobei selbst mit der Feststellung eines objektiven Verstoßes gegen das Willkürverbot nicht zugleich die Feststellung verbunden sein muss, dass ein Betroffener bei vernünftiger Würdigung Anlass habe, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGK 12, 139 <145>). Dass das Landessozialgericht einen solchen Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des abgelehnten Richters nicht feststellen konnte, ist seinerseits von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Das Landessozialgericht hat sich insbesondere mit dem Vorwurf des Beschwerdeführers, dass er in dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht nicht ausreichend zu Wort gekommen sei und dass die Gründe seines Befangenheitsantrages nicht in die Niederschrift des Termins aufgenommen wurden, auseinandergesetzt und ist zu einem jedenfalls vertretbaren Ergebnis gekommen.

13

2. Zu Unrecht ist die Anhörungsrüge vom Landessozialgericht als unzulässig behandelt worden.

14

a) Zwar findet gemäß § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Anhörungsrüge nicht statt, und bei der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch handelt es sich um eine solche Zwischenentscheidung. § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG ist jedoch verfassungskonform dahin auszulegen, dass es sich beim Verfahren über die Ablehnung eines Richters am Sozialgericht um ein selbständiges Zwischenverfahren mit Bindungswirkung für die nachfolgenden Entscheidungen handelt und dass der Zurückweisungsbeschluss deshalb eine mit der Anhörungsrüge angreifbare Entscheidung darstellt.

15

Fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen eine mögliche Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung ist nach dem Grundsatz wirkungsvollen Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG dann notwendig, wenn in diesem Zwischenverfahren abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren über den Antrag befunden wird und die Entscheidung später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfGE 119, 292 <299>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 - 1 BvR 3113/08 -, NJW 2009, S. 833; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 - 1 BvR 2774/09 -, juris, Rn. 1).

16

Vor diesem Hintergrund kann auch die Entscheidung des Landessozialgerichts über die Zurückweisung der Ablehnung eines Richters am Sozialgericht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden. Derjenige, der sich in einem solchen Richterablehnungsverfahren in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sieht, kann nicht darauf verwiesen werden, dass die behauptete Gehörsverletzung im weiteren Instanzenzug noch kontrolliert würde. Dafür, dass gegenwärtig eine derartige Kontrolle stattfände, gibt es keine Anhaltspunkte.

17

aa) Das Bundessozialgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach § 202 SGG in Verbindung mit § 557 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen der Beurteilung des Revi-sionsgerichts nicht unterliegen, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind. Diese Einschränkung sei bei Beschlüssen, durch die ein Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden ist, immer dann gegeben, wenn sie von einem Landessozialgericht erlassen worden und daher gemäß § 177 SGG der Anfechtung mit der Beschwerde entzogen sind (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, S. 222 <223>; BSG, Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B -, NJOZ 2007, S. 3666 <3668> m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 - B 13 R 121/09 B -, juris, Rn. 5). Entsprechend könne die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, S. 222 <223> m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 - B 13 R 121/09 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 13. August 2009 - B 8 SO 13/09 B -, juris, Rn. 8; BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - B 1 KR 51/09 B -, juris, Rn. 6).

18

Etwas anderes gelte zwar ausnahmsweise dann, wenn es an einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mangeln würde (vgl. BSG, Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B -, NJOZ 2007, S. 3666 <3668>) oder wenn die Behandlung eines Ablehnungsantrags so fehlerhaft sei, dass durch die weitere Mitwirkung des abgelehnten Richters das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt und das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung deshalb unrichtig besetzt gewesen sei (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, 222 <223> m.w.N.; BSG, Beschluss vom 30. April 2009 - B 13 R 121/09 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 13. August 2009 - B 8 SO 13/09 B -, juris, Rn. 8). Letzteres sei aber nur der Fall, wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs bestimmend gewesen seien (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B 3 P 8/03 B -, NZS 2004, S. 222 <223> m.w.N.) oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs jedenfalls darauf hindeuten würde, dass das Gericht die Bedeutung und die Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt habe (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - B 1 KR 51/09 B -, juris, Rn. 6). Die lediglich unrichtige Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch führe noch nicht zur vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts.

19

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist im Falle eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG, der nicht zugleich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen. Da das Bundessozialgericht in einer Entscheidung ausdrücklich offen gelassen hat, ob auch Gehörsverstöße während des Befangenheitsverfahrens mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden können (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Januar 2008 - B 12 KR 24/07 B -, juris, Rn. 12), ist in dieser Prozesssituation keine sichere und zumutbare Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet.

20

Dafür, dass im Berufungs- oder Berufungszulassungsverfahren anders als im Revisions- oder Revisionszulassungsverfahren auch die behauptete Verletzung des Gehörsanspruchs im Richterablehnungsverfahren geprüft würde, gibt es weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht hinreichende Anhaltspunkte.

21

bb) Ließe man gleichwohl die Anhörungsrüge bei entsprechender Auslegung des § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG auch bei einer derartigen, ein selbständiges Zwischenverfahren abschließenden Entscheidung nicht zu, könnte die dadurch entstehende, mit den im Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 (vgl. BVerfGE 107, 395 ff.) dargelegten Grundsätzen unvereinbare Rechtsschutzlücke im fachgerichtlichen Verfahren nicht dadurch beseitigt werden, dass der Antragsteller auf die Möglichkeit einer Anhörungsrüge gegen die spätere abschließende Sachentscheidung verwiesen würde. Die behauptete Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung könnte mit einer Anhörungsrüge gegen die spätere Sachentscheidung nicht mehr in geeigneter, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügender Weise geltend gemacht werden (vgl. BVerfGE 119, 292 <300>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 31. Juli 2008 - 1 BvR 416/08 -, juris, Rn. 26; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 - 1 BvR 3113/08 -, NJW 2009, S. 833).

22

Einer erst nach der abschließenden Sachentscheidung eingelegten Anhörungsrüge könnte entgegengehalten werden, es könne nicht verlässlich festgestellt werden, dass die behauptete, im vorangegangenen Zwischenverfahren geschehene Gehörsverletzung in entscheidungserheblicher Weise das Ergebnis der Sachentscheidung beeinflusst habe. Ob es sich zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt hat, dass an der Sachentscheidung ein Richter beteiligt war, dessen Ablehnung möglicherweise unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zurückgewiesen worden war, könnte kaum beurteilt werden. Die Begründung des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 119, 292 <297>) für den Ausschluss der Anhörungsrüge bei Zwischenentscheidungen, die Entscheidungserheblichkeit könne erst zum Zeitpunkt der späteren Sachentscheidung festgestellt werden, greift bei einer im weiteren Verfahren nicht mehr überprüften Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nicht (vgl. BVerfGE 119, 292 <300>).

23

Die behauptete Gehörsverletzung muss deshalb vor einer Fortsetzung des zur abschließenden Sachentscheidung führenden Verfahrens einer fachgerichtlichen Überprüfung zugeführt werden können. Insofern laufen die Maßstäbe zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen selbständige Zwischenentscheidungen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die fachgerichtliche Beurteilung der Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge gegen die ein Zwischenverfahren beendende Entscheidung gleich (vgl. BVerfGE 119, 292 <300 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 - 1 BvR 3113/08 -, NJW 2009, S. 833 <834>).

24

b) Nicht zu beanstanden ist hingegen, dass das Landessozialgericht über die Anhörungsrüge entschieden hat, ohne zuvor über das erneute, gegen den Senat selbst gerichtete Ablehnungsgesuch entschieden zu haben. Die dem zugrunde liegende Auffassung, dass die Wiederholung einer Richterablehnung ohne neue Gesichtspunkte rechtsmissbräuchlich ist, die auch vom Bundessozialgericht geteilt wird (vgl. BSG, Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B -, NJOZ 2007, S. 3666 <3667>), ist nicht unvertretbar und daher mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar (vgl. auch BVerfGE 11, 1 < 5 f.>; 11, 343 <348>). Rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche müssen nicht erneut beschieden werden (vgl. BVerfGE 11, 343 <348>; 72, 51 <59>; 74, 96 <100>).

25

3. Die Entscheidung des Landessozialgerichts über das erste Ablehnungsgesuch gegen die zuständigen Richter des Landessozialgerichts ist damit teilweise fehlerhaft begründet. Das Landessozialgericht durfte die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs nicht auf die mit Verfassungsrecht nicht zu vereinbarende Annahme stützen, dass eine Anhörungsrüge gegen seine vorhergehende Entscheidung nicht statthaft wäre.

26

Das Landessozialgericht hat das Ablehnungsgesuch außerdem als unzulässig behandelt, weil es sich pauschal gegen alle drei Richter des Senats gerichtet hatte. Das begegnet im Ergebnis schon deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da ausgeschlossen ist, dass das Ablehnungsgesuch in der Sache Erfolg gehabt hätte. Der Beschwerdeführer hat sein Ablehnungsgesuch nur darauf gestützt, dass das Landessozialgericht sein Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht seiner Ansicht nach zu Unrecht abgelehnt hatte. Auf den bloßen Vorwurf der falschen Rechtsanwendung ohne Hinzutreten besonderer Umstände, die der Beschwerdeführer nicht dargetan hat und die sich auch insbesondere aus dem ersten Beschluss des Landessozialgerichts nicht ergeben, kann ein Ablehnungsgesuch aber in zulässiger Weise nicht gestützt werden.

27

4. Trotz der mit Verfassungsrecht nicht im Einklang stehenden Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahme einer Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte nicht angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG), wenn der Beschwerdeführer sein vor den Fachgerichten verfolgtes Begehren nicht erreichen kann (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 119, 292 <301 f.>).

28

Dies ist hier der Fall, weil der Beschwerdeführer mit seinem Begehren - der Ablehnung des Richters am Sozialgericht - keinen Erfolg haben kann. Würde das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Landessozialgerichts über die Anhörungsrüge aufheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückverweisen, könnte das Landessozialgericht bei der erneuten Entscheidung zu keinem anderen Ergebnis kommen, weil der Beschwerdeführer weder im Anhörungsrügeverfahren noch im Verfassungsbeschwerdeverfahren schlüssig dargetan hat, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Vielmehr besteht sein Vortrag durchweg in der Behauptung, Sozialgericht und Landessozialgericht würden das Recht falsch anwenden. Art. 103 Abs. 1 GG enthält aber keinen Anspruch, dass die Gerichte der Rechtsansicht des Grundrechtsträgers folgen, und schützt nicht vor einer aus dessen Sicht "unrichtigen" Rechtsanwendung (vgl. BVerfGK 6, 88 <91>; 11, 203 <206 f.> m.w.N.). Auch ansonsten ist nicht ersichtlich, dass das Landessozialgericht in der mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätte. Für die Anhörungsrüge bestand damit kein vernünftiger Anlass. Da ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers Erfolg haben könnte, führt auch ihre Verwerfung als unzulässig nicht zu einem die Annahme der Verfassungsbeschwerde rechtfertigenden Nachteil (vgl. BVerfGE 119, 292 <302>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 - 1 BvR 2774/09 -, juris, Rn. 1).

29

Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93a Abs. 2 lit. a BVerfGG kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. Sie wirft keine Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BVerfGE 119, 292 <301>). Die Anforderungen an den fachgerichtlichen Rechtsschutz bei behaupteten Gehörsverletzungen ergeben sich aus dem Plenumsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395 ff.).

30

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.