Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. Jan. 2015 - L 5 KR 4/11

bei uns veröffentlicht am20.01.2015
vorgehend
Sozialgericht München, S 18 KR 1185/08, 19.08.2010

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. August 2010 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Kostenerstattung für ambulante Behandlungen mit dem Medikament Avastin (Bevacizumab) sowie für ambulante Behandlungen mit regionaler Hyperthermie der 1944 geborenen und 2009 an einem Karzinom verstorbenen Versicherten M. A. (Ehefrau des Klägers).

1. Die Versicherte war mit einem Kostenerstattungstarif gesetzlich krankenversichertes Mitglied der Beklagten. Im Jahr 2007 wurde die Versicherte von ihrer Hausärztin wegen Schluckbeschwerden und Gefühl eines „Kloß im Hals“ in das Klinikum F. überwiesen worden. Dort wurde gastroskopisch am 24.5.2007 ein bösartiger Tumor, hervorgegangen aus Drüsengewebe im Bereich des Überganges Speiseröhre/Magen festgestellt. Dieses Karzinom wurde im Universitätsklinikum R./M-Stadt vom 31.5.2007 bis 22.6.2007 stationär operativ sowie anschließend ambulant chemotherapeutisch.

Im April 2008 wurde computertomographisch diagnostiziert, dass sich bei der Versicherten in der Leber sowie in den Lymphknoten Tumorabsiedelungen (Metastasen) gebildet hatten. Ab 27.5.2008 begann Dr. S. (onkologische Praxis Dr. S. und Kollegen/F. - zugleich Oberärztin des Klinikum F.) eine ambulante chemotherapeutische palliative Therapie nach dem „Folfox-Schema“.

Am 29.5.2008 wurde die Klägerin ambulant im Medizinischen Versorgungszentrum St. G. (MVZ), R. Straße 6-8, Bad A. von dem zur Vertragsversorgung zugelassenen Facharzt für Innere Medizin Dr. med. F. R. D. behandelt. Daran schlossen sich beginnend ab 3.6.2008 mehrere stationäre Behandlungen an durch die im gleichen Gebäude wie das MVZ befindliche M.T. Kliniken GmbH & Co. KG (Kommanditisten: Dr. F. D., St. G. Hospital GmbH), gesetzlich vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter M.T. Kliniken Verwaltungs-GmbH, diese gesetzlich vertreten durch die Geschäftsführerin R. D.. Diese Klinik ist im hier streitigen Zeitraum weder durch Aufnahme in den Krankenhausplan des Freistaates Bayern noch anderweitig als Leistungserbringer der Gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen gewesen. Zwischen den dortigen stationären Behandlungen (3.6. - 21.6.2008, 28.7. - 9.8.2008, 6. - 23.10.2008, 5. - 26.2.2009, 7.3. - 9.4.2009 sowie 20.4. - 1.5.2009), die hier nicht streitgegenständlich sind, behandelte Dr. D. die Versicherte ambulant mit dem Medikament Avastin (Bevacizumab) sowie mit regionaler Hyperthermie.

2. Mit Telefax vom 13.6.2008 beantragte Dr. G. Z. (M.T. Kliniken GmbH & Co. KG) bei der Beklagten für die Versicherte die zusätzliche Therapie mit Avastin, welches unterstützend außerhalb des Zulassungsbereiches verabreicht werden solle. Der hierzu von der Beklagten befragte MDK stellte am 1.9.2008 fest, dass zur Palliativ-Behandlung zugelassene Arzneimittel zur Verfügung stünden und die Versicherte wohnortnah in zugelassenen Kliniken und Praxen behandelt werden könne. Mit Bescheid vom 16.9.2008 lehnte die Beklagte dem folgend die Kostenübernahme für Avastin ab. Der zulassungsübergreifende Gebrauch für dieses Medikament sei nicht erforderlich, weil zugelassene Medikamente und Behandlungsmethoden zur Verfügung stünden.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren hat die Versicherte das Vorhandensein zugelassener Behandlungsmethoden bestritten, sie habe die Chemotherapie nach dem Folfox-Schema nicht vertragen. Ergänzend hat der Kläger für die Versicherte u. a. zwei von Dr. D. als ärztlichem Leiter des MVZ ausgestellte und quittierte Rezepte (1.10.2008 und 28.10.2008 über jeweils 1.332,48 €) vorgelegt und Erstattung beantragt. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 hat die Beklagte die Kostenübernahme abgelehnt, weil ein zulassungsübergreifender Gebrauch von Avastin ebenso wie ein verfassungsrechtlich begründeter Leistungsanspruch am Vorhandensein zugelassener Arzneimittel und Behandlungsmethoden scheiterten.

3. Mit Eingang bei der Beklagten am 7.8.2008 beantragte die Versicherte, ihr 1.610,90 € zu erstatten für ambulante Hyperthermie-Behandlungen, die ihr Dr. D. am 25.7.2008 unter den M.T. Kliniken GmbH & Co. KG in Rechnung gestellt hatte. Mit weiterem, am 15.9.2008 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Versicherte, ihr u. a. 580,56 € zu erstatten für Hyperthermie-Behandlungen, die ihr Dr. D. am 29.8.2008 unter den M.T. Kliniken GmbH & Co. KG in Rechnung gestellt hatte. Mit Bescheid vom 19.8.2008 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab, weil die medizinische Wirksamkeit dieses Verfahrens nicht bewiesen sei.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte die Versicherte geltend, die von Dr. D. in den Zeiten zwischen den stationären Behandlungen vorgenommene ambulante regionale Hyperthermie-Maßnahmen seien Teil des umfassenden ambulant-stationären Behandlungskonzepts des Dr. D. Die dazu zählende regionale ambulante Hyperthermie sei aus verfassungsrechtlichen Gründen von der Beklagten zu übernehmen. Sie beantragte, weitere Kosten i. H. v. 290,28 € für ambulante Hyperthermie zu erstatten gem. Rechnung vom 29.10.2008 des Dr. D., erstellt unter dem Briefkopf M.T. Kliniken GmbH & Co. KG. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 lehnte die Beklagte einer Stellungnahme des MDK folgend die Kostenübernahme ab, weil die ambulante Hyperthermie eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss ausgeschlossene Behandlungsmethode sei.

3. Gegen beide Widerspruchsbescheide hat die Versicherte jeweils Klage zum Sozialgericht München erhoben und Kostenübernahme für die ambulante Medikamentengabe von Avastin sowie für die ambulanten Maßnahmen der Hyperthermie beantragt. Das Sozialgericht hat beide Klagen unter dem führenden Aktenzeichen S 18 KR 1185/08 miteinander verbunden und diese in Auswertung der von der Versicherten und dem Kläger vorgelegten umfangreichen medizinischen Dokumentation sowie einer von der Beklagten vorgelegten MDK-Stellungnahme vom 5.11.2009 mit Urteil vom 19.8.2010 abgewiesen. Avastin sei ein für die Erkrankung der Versicherten nicht zugelassenes Arzneimittel. Eine ausnahmsweise begründbare zulassungsüberschreitende Anwendung setzte Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Nebenwirkungsfreiheit voraus, die aus Erkenntnissen einer Phase-III-Studie stammten oder diesen gleichkämen. Daran fehle es. Ein verfassungsrechtlich begründeter Leistungsanspruch scheitere daran, dass zugelassene Behandlungsmethoden und Arzneimittel zur Behandlung der Versicherten zur Verfügung gestanden hätten. Die lokale Hyperthermie sei mit Wirkung vom 15.5.2005 durch eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) von der Behandlung zur Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Auch hier scheitere ein verfassungsrechtlich begründeter Leistungsanspruch am Vorhandensein zugelassener Behandlungsmethoden und Arzneimittel.

4. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, die lebensbedrohliche Krebserkrankung der Versicherten sei mit zugelassenen Medikamenten und Methoden bereits erfolglos behandelt gewesen, als die Versicherte sich für die streitgegenständliche Vorgehensweise des Dr. D. entscheiden habe. Die palliative Folfox-Behandlung habe die Versicherte nicht vertragen. Das umfassende ambulant/stationäre Konzept des Dr. D. habe demgegenüber Aussicht auf nicht nur palliative Behandlung gehabt, sondern jedenfalls zeitweise zu einem Rückgang der Krankheit und auch zu einer erweiterten Überlebensdauer geführt. Jedenfalls verfassungsrechtlich sei die Beklagte zur Kostenübernahme verpflichtet.

Der Senat hat die einschlägigen Befund- und Behandlungsberichte beigezogen und ein hämatologisch-onkologisches Fachgutachten des Prof. Dr. R. (9.10.2014) eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass im Zeitpunkt der Behandlung durch die Gabe von Avastin keine Aussicht auf Heilung, nur eine Aussicht auf eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens bestanden habe. Zur Hyperthermie-Behandlung eines metastasierenden Magenkarzinoms hätten keine belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgelegen, so dass es sich um eine rein experimentelle Therapie gehandelt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.8.2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 16.9.2008 und 19.8.2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu

verurteilen, dem Kläger die Kosten für die ambulante Behandlung mit dem Medikament Avastin insbesondere gemäß Rezept vom 1.10.2008, 28.10.2008 sowie vom 11.9.2008 in Höhe von gesamt 3.997,44 Euro in gleicher Weise wie die Kosten der ambulanten Behandlung mit regionaler Hyperthermie zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge und auf die Akten der Parallelverfahren der Beteiligten L 5 KR 6/11, L 5 KR 56/11, L 5 KR 57/11, L 5 KR 58/11, L 5 KR 59/11 und L 5 KR 317/11 einschließlich der dort eingeholten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. C. welche ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet. Der Kläger hat als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten (§ 56 Abs.. 1 SGB I; vgl. BSG, Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 6/11 R, Rn. 10 - zitiert nach juris) keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.8.2010 ist damit ebenso wenig zu beanstanden wie der streitige Bescheid der Beklagten vom 16.9.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 und der streitige Bescheid der Beklagten vom 19.8.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008.

1. Der hier strittige Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 2 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse und setzt voraus, dass die beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben.

Nach § 28 Abs. 1 SGB V umfasst die vorliegend streitige ambulante ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. § 2 Abs. 1 S 3 SGB V bestimmt dazu, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 S 3 SGB V schließlich entspricht eine Behandlung, wenn die „große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)“ die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG, Urteil vom 21.3.2013 - B 3 KR 2/12 R, Rn. 12 - zitiert nach juris).

Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V (ambulante Versorgung) nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i. V. m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich festgelegt (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R).

2. Zur Anwendung dieser Rechtsgrundsätze sind zunächst die nachfolgenden Feststellungen zu treffen. Die Versicherte war nach der vorgelegten und beigezogenen ärztlichen Dokumentation, nach den Stellungnahmen des MDK sowie nach den überzeugenden sachverständigen Ausführungen des Prof. Dr. R. im vorliegenden Berufungsverfahren sowie in den zwischen den Beteiligten unter den Aktenzeichen L 5 KR 6/11, L 5 KR 56/11, L 5 KR 57/11, L 5 KR 58/11, L 5 KR 59/11 und L 5 KR 317/11 geführten Verfahren im streitgegenständlichen Zeitraum ab Ende Mai 2008 an einem bösartigen Tumor, hervorgegangen aus Drüsengewebe im Bereich des Überganges Speiseröhre/Magen erkrankt. Dieser Tumor hatte trotz operativer (vollständige R0 - Resektion) und anschließender chemotherapeutischer Behandlung 2007/2008 bereits in die Leber und in das Lymphsystem der Versicherten metastasiert (TNM-Klassifikation, BSG vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R, Rn. 29). Im April 2008 hatte die Versicherte bereits 18 kg an Gewicht verloren, es stand für diese Art der Krebserkrankung in diesem weit fortgeschrittenen Stadium weder ein zugelassenes Arzneimittel noch eine zugelassene Methode zur Verfügung, mit welchen ein kuratives, d. h. die Erkrankung heilendes Behandlungsziel hätte verfolgt werden können. Die am 27.5.2008 begonnene chemotherapeutische Behandlung der Versicherten nach dem Folfox-Schema (5-Fluoruracil/Leukovorin/Oxaliplatin) hatte daher lediglich palliative Ziele, d. h. die bei Nichtbehandlung nur auf fünf weitere Monate zu prognostizierende Lebenserwartung zu verlängern, nicht aber das Ziel einer Heilung.

3. Die Versicherte konnte in dieser Situation von der Beklagten eine Versorgung mit Avastin bzw. die hier streitgegenständliche Kostenerstattung für Avastin (Bevacizumab) gem. § 13 Abs. 2 SGB V nicht verlangen. Versicherte können vertragsärztlich verordnete Fertigarzneimittel von der Gesetzlichen Krankenversicherung i.W. nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem sie angewendet werden sollen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 S 3, § 12 Abs. 1 SGB V) dagegen nicht von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 Abs. 1 S 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 S 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 AMG) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 03. Juli 2012 - B 1 KR 25/11 R, Rn. 12 - zitiert nach juris).

a) Avastin ist nach den übereinstimmenden ärztlichen Ausführungen des Dr. D., der behandelnden Ärzte in den M.T. Kliniken GmbH & Co. KG, des MDK sowie des Prof. Dr. R. weder in Deutschland noch EU-weit als Arzneimittel für die hier zu beurteilende Erkrankung der Versicherten mit einem bösartigen Tumor, hervorgegangen aus Drüsengewebe im Bereich des Überganges Speiseröhre/Magen mit Metastasierung in die Leber und in das Lymphsystem oder ein zu dieser Erkrankung in diesem Stadium übergeordnetes Indikationsgebiet zugelassen. Die Behandlung mit diesem Medikament ist daher grundsätzlich ausgeschlossen gewesen. Ausnahmetatbestände dazu sind nicht erfüllt gewesen, wie im Folgenden dargestellt.

b) Die Versicherte konnte Avastin im Rahmen einer zulassungsüberschreitenden Anwendung - Off-Label-Use - weder nach § 35c SGB V noch nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung beanspruchen. Für einen Anspruch aus § 35c SGB V liegt wegen dessen zeitlichen Anwendungsbereiches nichts vor. Ein Off-Label-Use kommt somit nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien nur in Betracht, wenn

1. es um eine schwerwiegende (lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung) - wie hier - geht,

2. keine andere Therapie verfügbar ist und

3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 03. Juli 2012 - B 1 KR 25/11 R, Rn. 15 - zitiert nach juris).

Hinreichende Erfolgsaussichten entsprechend Ziff. 3 sind nur dann vorhanden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Es müssen also Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sein und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen (BSG a. a. O..). Eine solche abgeschlossene, veröffentlichte Studie in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III mit Relevanz für das Erkrankungsstadium der Versicherten bestand nach den überzeugenden Ausführungen des MDK und des Prof. Dr. R. im hier relevanten Zeitraum für die konkrete Erkrankung der Versicherten im bezeichneten Stadium nicht.

c) Avastin war nach den Grundsätzen eines „Seltenheitsfalles“ von der Beklagten nicht zu erbringen, da die Krebserkrankung der Versicherten ausreichend Gegenstand der medizinischen Forschung hinsichtlich Ursache, Diagnose und Behandlung war. Dies belegen die Ausführungen der Beteiligten, des MDK sowie des Prof. Dr. R. zu den relevanten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft.

d) Avastin war nach einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung von der Beklagten ebenfalls nicht zu erbringen. Nach dem „Nikolausbeschluss“ (Kingreen) des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005 (1 BvR 347/98) ist es mit den Grundrechten aus Artikel 2 Abs.. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Abs.. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten,

- für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung

- eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht,

- von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen,

- wenn nach medizinsicher Einschätzung eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (vgl. BR-Drs. 456/11 vom 2.8.2011 - S. 73 zur gesetzgeberischen Umsetzung dieser Grundsätze in § 2 Abs.. 1a SGB V).

Nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. R. waren im Jahre 2008 für die Behandlung mit Avastin für die Erkrankung der Versicherten im damaligen weit fortgeschrittenen Stadium diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn es bestanden keine medizinischen Erkenntnisse, dass die Behandlung mit Avastin ein kuratives Ergebnis hätte erwarten lassen könnte.

Zwar hat Prof. Dr. R. im überzeugenden Gutachten vom 9.10.2014 ausgeführt, dass nach den damaligen, hier relevanten medizinischen Erkenntnissen ein lebensverlängernder Effekt der Behandlung mit Avastin zu erwarten war, also eine Behandlung mit palliativem Ziel nicht ausgeschlossen war. Damit allein sind die Voraussetzungen des verfassungsrechtlich begründeten Leistungsanspruches nicht erfüllt. Denn aus dem zum Verfahren beigezogenen Gutachten des Prof. Dr. R. vom 9.10.2014 (Bl. 5) in der Berufungssache der Beteiligten L 5 KR 57/11 ergibt sich überzeugend, dass als zur palliativen Behandlung der Versicherten das Folfox-Schema (5-Fluoruracil/Leukovorin/Oxaliplatin) als zugelassene und medizinisch als Standard anerkannte Behandlungsmethode zu Gebote stand, die zu einer signifikant verlängerten Lebenserwartung geführt hätte. Zwar hat die Versicherte, die Ende Mai 2008 durch die vorangegangene Chemotherapie bereits erheblich geschwächt war und insbesondere 18 kg Gewicht verloren hatte, diese Behandlung nicht gut vertragen. Es waren mit Behandlungsbeginn am 28.5.2008 Übelkeiten und weitere Schwächungen des Körpers aufgetreten. Jedoch hätten - wie von Prof. Dr. R.s überzeugend dargestellt - mit Hilfe supprimierender Maßnahmen und Medikation sowie mit Schmerztherapie, paraenteraler Ernährung, psychoonkologischer Behandlung diese Effekte aufgefangen werden können. Dies wäre der Versicherten trotz der Erfahrungen mit der vorangegangenen Chemotherapie und deren Nebenwirkungen auch zumutbar gewesen. Zumindest wäre es ihr zuzumuten gewesen, die begonnene Therapie nicht bereits nach einem Tage abzubrechen und sich einem Medikationskonzept zuzuwenden, das keine Zulassung besaß.

e) Wäre der Anspruch auf Avastin nicht bereits aus diesen Gründen abzulehnen, ergäbe sich ein weiteres Anspruchshindernis aus folgendem Grunde.

Die Gesetzliche Krankenversicherung unterscheidet zwischen ambulantem und stationärem Behandlungsbereich (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Nr. 5 SGB V; § 135 SGB V einerseits und § 137c SGB V andererseits; vgl. BSG, Urteil vom 27.11.2014 - B 3 KR 27.11.2014, Rn. 17 ff - zitiert nach juris). Diese materielle Unterscheidung ist sachlich bereits begründet durch die umfassende, medizinisch und auch zeitlich stets gesicherte ärztliche Behandlungspräsenz im stationären Bereich, den die ambulante Versorgung nicht bietet. Diese Unterscheidung wurde im vorliegenden Fall in mehrfacher Weise durchbrochen. Den verfahrensbeginnenden Telefax-Antrag vom 13.6.2008 hat Dr. G. Z. von der M.T. Kliniken GmbH & Co. KG gestellt, das gegenständliche Kostenerstattungsbegehren bezieht sich aber namentlich auf die ambulante Behandlung. Die erstinstanzlich (Bl. 47 - 49 Akte S 18 KR 1185/08) zur Erstattung vorgelegten Verordnungen des Dr. D. vom 3.6., 25.6. und 8.7.2008, welche jeweils den Vermerk „nur für gerichtliche Belange“ tragen, sind den hier nicht gegenständlichen stationären Behandlungen der Versicherten zuzuordnen. Hingegen gehören insbesondere die von Dr. D. als ärztlichem Leiter des MVZ ausgestellten und quittierten privatärztlichen Rezepte vom 11.9.2008, 1.10.2008 und 28.10.2008 über jeweils 1.332,48 € zum ambulanten Bereich. Diese vermengende Vermischung entspricht auch dem übrigen dokumentierten Behandlungsvorgehen des Dr. D. sowie den eigenen Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung, dass es sich um ein „umfassendes ambulant-stationäres Therapiekonzept“ des Dr. D. gehandelt habe. Zu beachten ist dabei, dass Dr. D. als zugelassener Arzt nur als Leistungserbringer im ambulanten Bereich berechtigt war, zulasten der Beklagten Behandlungen zu erbringen, nicht aber als ärztlicher Leiter der nicht zugelassenen stationären Einrichtung M.T. Kliniken GmbH & Co. KG. Ein vermischendes Vermengen dieser Art bedürfte auch im Rahmen des verfassungsrechtlich begründeten Leistungsanspruches einer besonderen Begründung. Diese ist aber vorliegend nicht erkennbar, zumal onkologisch hochqualifizierte Einrichtungen nicht nur im universitären Bereich sondern auch im Übrigen insbesondere in Gestalt der Klinik Bad T. GmbH in O-Stadt in erreichbarer Nähe zur Behandlung der Versicherten zu Gebote gestanden hätten. Insoweit ist eine besondere Hinweispflicht der Beklagten auf die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten nicht anzunehmen, schon allein weil die Versicherte durch die Wahl des Kostenerstattungsweges gem. § 13 Abs. 2 SGB V zu erkennen gegeben hatte, dass sie die Auswahl der Leistungserbringer im Wege selbstverantwortlicher Entscheidung trifft.

4. Die Versicherte hatte keinen Anspruch auf eine ambulante Behandlung mit lokaler Hyperthermie gegen die Beklagte.

Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs. 1 S 2 Nr. 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der Versicherten verpflichtet. Dieser Anspruch richtet sich aber nach § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V und umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Gesetzliche Krankenversicherung ist nicht schon leistungspflichtig, falls die streitige Therapie - wie im vorliegenden Fall - nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie - hier die lokale Hyperthermie - rechtlich von der Leistungspflicht der Gesetzliche Krankenversicherung umfasst sein. Dies ist bei - wie hier - neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 S 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S 2 Nr. 5 i. V. m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 03.7. 2012 - B 1 KR 6/11 R m. w. N.).

a) Vorliegend war die Hyperthermie - auch in der hier strittigen Form - bereits durch den Beschluss des GBA vom 18.5.2005 (BAnz. Nr.. 90 S. 7485 vom 14.5.2005) als nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethode von dem Leistungsspektrum der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen.

b) Mit dem bezeichneten Beschluss des GBA entfällt auch ein Anspruch nach einem sogenannten Systemversagen (vgl. BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R; vom 10.05.2012, B 1 KR 78/11 B).

c) Ein verfassungsrechtlich begründeter Leistungsanspruch besteht ebenfalls nicht. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, selbst bei bereits nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden einen solchen Leistungsanspruch nach den o.g. Kriterien zu begründen. Das allerdings setzte voraus, dass entgegen den Forschungsergebnissen, die der Entscheidung des GBA zugrunde lagen (hier nach dem zusammenfassenden Bericht des Unterausschusses Ärztliche Behandlung vom 15.6.2005 - veröffentlicht unter www.g...de) medizinisch begründete nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf kurative oder palliative Effekte bestehen. Dies war vorliegend nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. R. im Sachverständigengutachten vom 9.10.2014 nach damaligem und derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht belegt und somit rein spekulativ. Dies gilt nach Prof. Dr. R. auch für den kombinierten Therapieansatz, bei welchem Avastin und lokale Hyperthermie zum Einsatz kommen.

Zusammengefasst hat damit im Behandlungszeitpunkt kein Sachleistungsanspruch auf das Medikament Avastin und auf die lokale Hyperthermie-Therapie bestanden, so dass der strittige Kostenerstattungsanspruch zu verneinen ist. Die Berufung bleibt damit vollumfänglich ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 SGG) sind nicht erkennbar.

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(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs.

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(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und B

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Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 28 Ärztliche und zahnärztliche Behandlung


(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung

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(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Unte

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 35c Zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln


(1) Für die Abgabe von Bewertungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind, beruft das Bunde

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Bundessozialgericht Urteil, 21. März 2013 - B 3 KR 2/12 R

bei uns veröffentlicht am 21.03.2013

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 07. März 2013 - L 5 KR 58/11

bei uns veröffentlicht am 07.03.2013

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Januar 2011 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2008 wird betreffend die Zuschüsse

Bundessozialgericht Urteil, 03. Juli 2012 - B 1 KR 6/11 R

bei uns veröffentlicht am 03.07.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main

Bundessozialgericht Urteil, 03. Juli 2012 - B 1 KR 25/11 R

bei uns veröffentlicht am 03.07.2012

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Beschluss, 10. Mai 2012 - B 1 KR 78/11 B

bei uns veröffentlicht am 10.05.2012

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 wird zurückgewiesen.

Referenzen

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Januar 2011 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2008 wird betreffend die Zuschüsse zur Krankenversicherung/Pflegeversicherung und der Rückforderung über 5.302,50 EUR aufgehoben.

Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen zur Hälfte zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklage Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nachfordern sowie überzahlte Zuschüsse zu den Aufwendungen für die freiwillige Krankenversicherung und Pflegeversicherung zurückfordern durfte.

2

Die 1930 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten eine Altersrente und aufgrund des Todes ihres Ehemanns ... 2007 darüber hinaus eine Witwenrente.

3

Mit Schreiben vom 19. November 2007 teilte die B... E... (B...) der Klägerin mit, dass bei dieser bis zum 31. März 2002 die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner wegen langjähriger freiwilliger Versicherung nicht erfüllt gewesen seien. Im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000 erfolge jedoch für die Zeit ab dem 1. April 2002 die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner. Im Rahmen dieser Versicherung seien von der Klägerin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen, die der Rentenversicherungsträger direkt einbehalten müsse. Hierzu benötige dieser aber eine entsprechende Änderungsmitteilung der Krankenkasse. Durch ein Versäumnis der Kasse sei eine derartige Meldung nicht erfolgt. Die hierfür maßgeblichen Gründe seien nicht mehr nachvollziehbar. Aufgrund dieser fehlenden Änderungsmeldung seien Beiträge nicht abgeführt worden. Die erforderliche Meldung sei jetzt im November 2007 nachgeholt worden. Für das Jahr 2002 erfolge keine Beitragserhebung, da die Beiträge bereits verjährt seien. Es sei bedauerlich, dass es nun zu einer Nachforderung des Rentenversicherungsträgers kommen werde. Hierfür entschuldige sich die B... ausdrücklich.

4

Die Änderung des Versicherungsverhältnisses wegen der von der B... genannten Gründe erfolgte zunächst durch Bescheid der Beklagten vom 22. November 2007. In der Anlage 10 dieses Bescheides befindet sich ein Anhörungsschreiben, wonach der Zuschuss zur Krankenversicherung nach § 106 Abs. 1 SGB VI und der Zuschuss zur Pflegeversicherung nach § 106a SGB VI zu Unrecht gewährt worden sei, da die Klägerin bereits ab dem 1. April 2002 der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterläge. Es sei daher beabsichtigt, den Bescheid vom 6. Oktober 1998 ab Änderung der Verhältnisse, also mit Wirkung ab dem 1. April 2002, nach § 48 SGB X aufzuheben und die für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 31. Dezember 2007 überzahlten Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.302,50 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern.

5

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein.

6

Mit weiterem Bescheid vom 15. Januar 2008 wurde der Rückforderungsbetrag in Höhe von 5.302,50 EUR bestätigt. Darüber hinaus wurden die Eigenbeteiligungen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.709,81 EUR nachgefordert. Dieser Betrag wurde aufgrund einer Nachzahlung von 955,80 EUR reduziert, sodass sich bezüglich der Eigenbeteiligungen ein Nachforderungsbetrag in Höhe von 4.754,01 EUR ergab. Die Gesamtforderung aus Zuschuss und Eigenbeteiligung betrug 10.056,51 EUR. Mit Schreiben vom 30. Januar 2008 teilte die Beklagte der Klägerin erläuternd mit, dass mit dem Eintritt der Versicherungspflicht nach § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI gleichzeitig der Anspruch auf Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung entfalle. Dies gelte für den bis 31. März 2004 gezahlten Zuschuss zur Pflegeversicherung im Rahmen des § 106a SGB VI entsprechend. Die Zahlung des Zuschusses sei ausgeschlossen, wenn der Rentner der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 SGB XI unterliege. Wegen einer rückwirkenden Korrektur des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses ergäben sich folglich immer zwei voneinander getrennt zu betrachtende Forderungsbeträge. Die Summe der einzubehaltenden Eigenanteile an den Aufwendungen zur Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund der bestehenden Versicherungspflicht belaufe sich im vorliegenden Fall auf 5.709,81 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2007. Der Zeitraum begänne erst am 1. Januar 2003, obwohl die maßgebende Krankenversicherungspflicht bereits am 1. April 2002 eingetreten sei. Der Grund hierfür sei Verjährung, die jedoch nur in Bezug auf die einzubehaltenden Eigenanteile eingetreten sei. Die Summe der in der Zeit vom 1. April 2002 bis 31. Dezember 2007 zu Unrecht gezahlten Beitragszuschüsse zu den Aufwendungen für die freiwillige Krankenversicherung aufgrund der nicht mehr bestehenden freiwilligen Krankenversicherung belaufe sich auf 5.302,50 EUR. Insgesamt sei daher ein Nach- bzw. Rückforderungsanspruch in Höhe von 11.012,31 EUR entstanden, der sich um die vorgenommene Verrechnung mit der Nachzahlung aus der Witwenrente in Höhe von 955,80 EUR auf 10.056,51 EUR vermindert habe.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Einwand der Klägerin, dass sich für sie zum 1. April 2002 nichts geändert habe und sie daher den Wechsel von der freiwilligen Versicherung zur Versicherungspflicht nicht bemerkt habe, könne nicht als plausibel angesehen werden. Nach Aktenlage habe die Klägerin zu Beginn des Kalenderjahres 2002 freiwillige Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung in Höhe von monatlich ca. 250,00 EUR selbst an die B... abgeführt. Ab dem 1. April 2002 seien keine freiwilligen Beiträge mehr von der Klägern zu leisten gewesen, anderweitige Beiträge seien ebenfalls nicht gezahlt worden. Selbst wenn die Klägerin keinen entsprechenden Bescheid von der B... erhalten habe, hätte ihr zwangsläufig auffallen müssen, dass sie keine Beiträge mehr zur Kranken- und Pflegeversicherung geleistet habe. Mithin habe die Klägerin das Unterbleiben einer Beitragsabführung sowie die Überzahlung der Beitragszuschüsse billigend in Kauf genommen.

8

Hiergegen hat die Klägerin am 14. Mai 2008 Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben und geltend gemacht, ihr sei nicht aufgefallen, dass sie ab dem 1. April 2002 keine Beiträge mehr abgeführt habe. Es habe auch keine Hinweise seitens der Krankenkasse oder der Beklagten gegeben.

9

Die Klägerin hat beantragt,

10

die Bescheide der Beklagten vom 22. November 2007 und vom 15. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2008 aufzuheben.

11

Die Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen nach § 48 SGB X hier erfüllt seien. Gerade der Hinweis, dass die ab dem 1. April 2002 nicht mehr erfolgte Beitragszahlung für die freiwillige Versicherung der Klägerin habe zwangsläufig auffallen müssen, unterstreiche nochmals, dass auf jeden Fall eine qualifizierte Bösgläubigkeit im Sinne einer grob fahrlässigen Unkenntnis gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vorliege. Darüber hinaus stehe fest, dass die Klägerin seit dem 1. April 2002 pflichtversichert gewesen sei und tatsächlich außerdem keine freiwilligen Versicherungsbeiträge mehr an ihre Krankenkasse gezahlt habe. Bei vernünftiger Betrachtungsweise dränge sich auch für einen Laien auf, dass für den Erhalt von Zuschüssen des Rentenversicherungsträgers für Beitragszahlungen zur freiwilligen Versicherung keine Grundlage mehr bestehe, wenn diese tatsächlich nicht mehr erbracht würden. Die Klägerin könne sich dabei auch nicht darauf berufen, nicht gewusst zu haben, dass sie seit dem 1. April 2002 pflichtversichert gewesen sei. Zum einen sei wiederum darauf zu verweisen, dass sie keine Beiträge zur freiwilligen Versicherung mehr entrichtet habe, wie sie es zuvor über mehrere Jahre getan habe. Damit habe die Klägerin schon durch ihr eigenes Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sich auch aus ihrer Sicht offenbar etwas am bisherigen Krankenversicherungsverhältnis verändert habe. Andernfalls hätte sie die freiwillige Beitragszahlung wieder aufnehmen bzw. fortführen müssen. Zum anderen sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. April 2002 bis zur Erteilung der Bescheide vom 22. November 2007 und 15. Januar 2008 keine Klarheit über ihr Krankenversicherungsverhältnis habe erhalten können, denn es sei unwahrscheinlich, dass sie in diesem Zeitraum nicht wenigstens einmal bei einem Arzt gewesen sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ihr auffallen müssen, dass sie offensichtlich pflichtversichert und eben nicht freiwillig versichert gewesen sei. Zumindest habe die Klägerin erkennen können, dass Änderungen am Versicherungsverhältnis eingetreten seien, die angesichts des weiterlaufenden Bezugs des Zuschusses durch die Beklagte Anlass für eine Rückfrage bei der Krankenkasse bzw. beim Rentenversicherungsträger hätte geben müssen. Eine Mitteilung an die Beklagte über die Änderung im Versicherungsverhältnis sei jedoch nicht erfolgt, obwohl die Klägerin im Antrag auf Beitragszuschuss unterschrieben habe, dass sie jede Änderung mitzuteilen habe. Es sei nicht zu erkennen, dass der Sachverhalt vom Regelfall signifikant abweiche, sodass hier Raum auf Ermessen eröffnet gewesen sei.

14

Mit Urteil vom 18. Januar 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Gemäß § 255 Abs. 2 SGB V seien rückständige Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten, wenn bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben sei. Mithin bestehe die Pflicht zur nachträglichen Einbehaltung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen unabhängig von der Schuldfrage. Selbst wenn der Rentenversicherungsträger den Beitragseinbehalt zunächst schuldhaft unterlassen habe, berühre dies grundsätzlich nicht die Pflicht zur Nachforderung von Beiträgen. Bezüglich der Nachforderung der überzahlten Zuschüsse gehe das Sozialgericht im Einklang mit der Beklagten von dem Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 48 SGB X aus und folge insofern der Begründung der angefochtenen Bescheide der Beklagten.

15

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10. Mai 2011 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 7. Juni 2011 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein Versäumnis der Krankenkasse nicht dazu führen könne, von der Beklagten im Nachhinein belastet zu werden. Damit die rückständigen Beiträge durch die Beklagte einzubehalten wären, müssten diese zunächst einmal an die Krankenkasse abgeführt worden sein. Dies sei bislang nicht geschehen. Weiterhin macht die Klägerin geltend, dass das Sozialgericht den Rückforderungsanspruch hinsichtlich der von der Beklagten gezahlten Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zu Unrecht auf § 48 SGB X gestützt habe. Zum einen habe das Sozialgericht dies nicht näher begründet. Zum anderen könne der Klägerin kein vorwerfbares Verhalten zur Last gelegt werden. Keiner der Tatbestände des § 48 SGB X sei hier erfüllt.

16

Die Klägerin beantragt,

17

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Januar 2011 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. November 2007 und 15. Januar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2008 aufzuheben.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. In den §§ 255 Abs. 2 SGB V, 60 SGB XI werde nicht verlangt, dass sie die Beiträge, die sie nach diesen Vorschriften einbehalten solle, schon vorab an die Krankenkasse/Pflegekasse ausgezahlt haben müsse.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

22

Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist jedoch nur zum Teil begründet.

23

Es handelt sich hier um zwei voneinander getrennt zu betrachtende Streitgegenstände: Zum einen geht es um die Nachforderung der Eigenbeteiligung zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 4.754,01 EUR, zum anderen um die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.302,50 EUR. Die materielle Richtigkeit der Forderungen der Beklagten ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Es geht allein darum, ob die besonderen Voraussetzungen für Nach- bzw. Rückforderungen vorliegen, insbesondere ob Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes entgegenstehen.

24

Soweit die von der Klägerin angefochtenen Bescheide der Beklagten die Eigenbeteiligung zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung nachfordern, sind sie nicht zu beanstanden. Deshalb ist das die Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts insoweit zu Recht ergangen.

25

Die am 1. April 2002 eingetretene Krankenversicherungspflicht hat zur Folge, dass von der Rente entsprechende Beiträge bzw. Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 255 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 60 SGB XI einzubehalten sind. Die Pflicht zur nachträglichen Einbehaltung besteht unabhängig von der Schuldfrage hinsichtlich der in der Vergangenheit unterbliebenen Einbehaltung. Selbst wenn die Beklagte den Beitragseinbehalt zunächst schuldhaft unterlassen hätte, berührt dies ihre grundsätzliche Berechtigung zur Nachforderung der Beiträge nicht (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. September 1989, 12 RK 9/89). Die Nacherhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (a. a. O.) auch nicht den Einschränkungen des SGB X für die Rücknahme oder Änderung von Rentenbescheiden, da es sich hierbei nicht um die Herabsetzung der früher – ohne Abzug entsprechender Beiträge – ausgezahlten Rente handelt. Vielmehr liegt hier eine nachträgliche Erhebung der Beiträge durch Einbehalt von der laufenden Rente vor. Die Rente selbst sowie ihre Rechnungselemente werden davon nicht berührt. Das hat zur Folge, dass hier die in den §§ 45, 48 SGB X enthaltenen Grundsätze zum Vertrauensschutz des Rentenempfängers keine Anwendung finden. Insoweit ist auch ein teilweiser Verzicht auf die Nachforderung entsprechender Beitragsanteile durch die Beklagte ausgeschlossen. Sie ist insoweit lediglich gehalten, die Nachforderung sozial verträglich durchzuführen und soziale Härten zu vermeiden. Die rückständigen Beitragsanteile sind daher dann nicht aus der laufenden Rente einzubehalten, wenn dies für die Klägerin zur Sozialhilfebedürftigkeit führen würde. Dies wäre jedoch von ihr nachzuweisen, was nicht geschehen ist. Die von der Beklagten rückwirkend einzubehaltenden Beitragsanteile wurden der Höhe nach zutreffend festgestellt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Insbesondere hat die Beklagte beachtet, dass für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 31. Dezember 2002 gemäß § 25 SGB IV Verjährung eingetreten ist. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte dürfe die rückständigen Beiträge erst einbehalten, wenn sie diese zuvor an die Krankenkasse/Pflegekasse abgeführt habe, greift nicht durch. Eine entsprechende Verpflichtung lässt sich §§ 255 Abs. 2 SGB V, 60 SGB XI nicht entnehmen.

26

Hinsichtlich der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung sind die Bescheide der Beklagten rechtswidrig und daher ebenso wie das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts auf die Anfechtungsklage der Klägerin hin (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) aufzuheben.

27

Mit dem Eintritt der Versicherungspflicht der Klägerin entfällt nach § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI gleichzeitig der Anspruch auf Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung. Dies gilt für den bis 31. März 2004 gezahlten Zuschuss zur Pflegeversicherung im Rahmen des § 106a SGB VI entsprechend. Die Zahlung des Zuschusses zur Pflegeversicherung ist ausgeschlossen, wenn der Rentner der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 SGB XI unterliegt. Deshalb besteht kein Zweifel daran, dass die Zuschüsse ab 1. April 2002 zu Unrecht an die Klägerin gezahlt wurden. Die Rückforderung dieser Zuschüsse ist nur nach Maßgabe der Grundsätze des SGB X für die Rücknahme oder Änderung von Bescheiden – hier nach dem allein in Betracht kommenden § 48 SGB X – möglich. Danach (Abs. 1) ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden soweit

28
1. die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt,
29
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
30
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde oder
31
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
32

Hier liegen die Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 der Norm vor. Die jeweilige Voraussetzung („Bösgläubigkeit“) liegt im Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse vor, wenn der Betroffene umfassend und rechtzeitig über seine Pflichten, die Anspruchsvoraussetzungen, Wegfallgründe oder die Auswirkungen von Nichtleistungsvorschriften unterrichtet worden ist. Davon ist hier auszugehen, da die Klägerin in ihren Anträgen auf Beitragszuschuss vom 22. April 1993 bzw. 26. August 1993 bestätigt hat, dass sie von der gesetzlichen Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung jeder Änderung in ihrem Krankenversicherungsverhältnis an die Beklagte Kenntnis genommen hat. Zudem ist die Klägerin im Bescheid über die Zuschussbewilligung sowie in den Rentenanpassungsmitteilungen deutlich und in verständlicher Form darauf hingewiesen worden, dass der Beitragszuschuss unter bestimmten Voraussetzungen entfällt und sie verpflichtet ist, solche für den Empfang des Zuschusses wesentlichen Umstände (wie beispielsweise den Eintritt von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung) der Beklagten mitzuteilen. Diesen Pflichten ist die Klägerin nicht nachgekommen. Die Beklagte wurde erst durch eine Meldung der B... im Zuge des Antragsverfahrens zur Witwenrente (Juli 2007) davon informiert, dass ab 1. April 2002 eine Pflichtversicherung vorliegt.

33

Der Senat teilt insoweit auch die Auffassung der Beklagten, dass die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) und dass sie die Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Liegen mithin – wie hier – die tatbestandlichen Voraussetzungen einer oder mehrerer Alternativen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vor, so „soll“ der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden. In der Regel besteht damit eine Verpflichtung auch zur rückwirkenden Aufhebung, wenn nicht ein atypischer Fall gegeben ist, der die Ausübung von Ermessen erforderlich macht. Dabei ist die Entscheidung, ob ein atypischer Fall vorliegt, nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern dieser vorgelagert und damit von den Gerichten in vollem Umfang nachprüfbar. Wurde von der Behörde angenommen, dass kein atypischer Fall vorliegt und deshalb kein Ermessen ausgeübt, ist der Bescheid wegen fehlender Ermessensausübung aufzuheben, wenn die gerichtliche Prüfung ergibt, dass ein atypischer Fall gegeben und das Ermessen nicht auf Null reduziert ist (ständige Rechtsprechung des BSG, siehe Nachweise bei Mertens in Hauck/Noftz, SGB X, K§ 48 Rdn. 68).

34

Von einem atypischen Fall ist regelmäßig dann auszugehen, wenn die Behörde ein Mitverschulden an der rechtswidrigen Leistungsgewährung trifft (vgl. Schütze in von Wulffen SGB X, § 48 Rdn. 21 m. w. N.). Diese Rechtslage hat die Beklagte offenbar erkannt, da sie im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat, dass sich kein (Mit-)Verschulden bei ihr feststellen lasse. Dies trifft zwar zu, lässt aber unberücksichtigt, dass hier ein Verschulden der B... vorliegt, indem diese die Änderung im Krankenversicherungsverhältnis der Klägerin der Beklagten nicht mitgeteilt hat. Die B... hat dieses Verschulden, dessen Hintergründe sich nicht mehr aufklären lassen, selbst gegenüber der Klägerin im Schreiben vom 19. November 2007 eingeräumt. Dieses Verschulden der B... begründet einen atypischen Fall, da sie in den Beitragseinzug als für die Kranken- und Pflegeversicherung zuständiger Sozialversicherungsträger mit eingebunden ist. Bei der Subsumtion unter den Tatbestand „atypischer Fall“ müssen alle in der Sphäre der Beklagten liegenden Gründe berücksichtigt werden, die zu dem unrichtigen Verwaltungshandeln beigetragen haben. Grundsätzlich stellt auch ein (Mit-)Verschulden eines Sozialversicherungsträgers an der Gewährung einer rechtswidrigen Leistung eines anderen Sozialversicherungsträgers einen atypischen Fall dar, weil eine Behörde im Regelfall eben typischerweise pflichtgemäß und nicht schuldhaft handelt. Da die unterbliebene Mitteilung der B... im Regelfall (also typischerweise) zeitnah erfolgt, liegt eine atypische Situation vor. Das im Regelfall funktionierende Zusammenwirken zweier Sozialversicherungsträger hat hier versagt. Das Verschulden der B... wirkt sich mithin zu Lasten der Beklagten aus (vgl. den gleichen Rechtsgedanken beim sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, wonach der Beratungsfehler eines Sozialversicherungsträgers einem anderen Sozialversicherungsträger zugerechnet wird – ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 44/09 R m. w. N.).

35

Der unterlassenen Mitteilung von Seiten der Klägerin und der stillschweigenden Entgegennahme einer Leistung, deren Rechtswidrigkeit die Klägerin ohne Weiteres hätte erkennen können, steht das Versäumnis der B... gegenüber, ohne das es trotz des Verschuldens der Klägerin nicht zur rechtswidrigen Leistung gekommen wäre. Wie es zu dem Versäumnis kommen konnte und wie schwer dieses wiegt, konnte bei der B... nicht mehr aufgeklärt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass die Abläufe bei der B... so organisiert sind, dass eine einfache Fahrlässigkeit eines Einzelnen nicht dazu führen kann, dass die Mitteilung unterbleibt. Bei einer besonderen Nachlässigkeit der Behörde im Sinne grober Fahrlässigkeit muss jedenfalls von einem atypischen Fall ausgegangen werden (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 1986, L 7 RAr 126/84).

36

Im Ergebnis liegt mithin ein atypischer Fall vor, der zur Ausübung des Ermessens zwingt. Ermessen hat die Beklagte, wie sie selbst einräumt, nicht ausgeübt. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist auch nicht anzunehmen. Hieran könnte man nur bei vorsätzlichem Handeln der Klägerin denken. Dies ist jedoch nicht nachzuweisen. Auch die Beklagte geht hiervon nicht aus. Der Ermessensfehlgebrauch der Beklagten im Sinne eines Nichtgebrauchs führt zur Rechtswidrigkeit der Bescheide, die dann auf die Anfechtungsklage hin aufzuheben sind.

37

Deshalb hat die Berufung der Klägerin, soweit sie die Rückforderung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.302,50 EUR durch die Beklagte betrifft, Erfolg.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt angemessen den Erfolg der Klage.

39

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2008 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für ambulante transarterielle Chemoperfusionen und eine Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie (LITT).

2

Der Kläger war Ehemann und ist Erbe der 1927 geborenen und am 24.3.2008 verstorbenen Dr. K. M. (im Folgenden: Versicherte). Er lebte zur Zeit ihres Todes mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt. Die Versicherte, eine ehemalige Zahnärztin, war als Bezieherin einer Regelaltersrente bei der beklagten Krankenkasse (KK) freiwillig versichert. Die Versicherte litt an einem Sigmakarzinom, das sie im Juli 2003 operieren ließ. Kontrolluntersuchungen im Mai und Juni 2005 zeigten einen hepatischen und lymphatischen Progress der Erkrankung. Daraufhin leitete das Krankenhaus N. in F. eine Chemotherapie ein (16.6.2005). Die Versicherte setzte die Behandlung nicht fort. Vertragsarzt Dr. L. überwies sie zur "Chemoembolisation" in das Universitätsklinikum F. zur Mit-/Weiterbehandlung "Leber NPL" (17.6.2005). Chefarzt Prof. Dr. V. war dort mit Einschränkungen ua zur Chemoembolisation ermächtigt (GO-Nr 34286 EBM 2000 plus), nicht aber zur Chemoperfusion (kein Gegenstand des EBM 2000 plus), die er als "lokale Chemotherapie " bezeichnet. Er klärte die Versicherte nach seinen Angaben anlässlich der Untersuchung darüber auf, dass sie die Kosten der beabsichtigten Chemoperfusion selbst tragen müsse, da "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" stattfinde. Weiter vereinbarte er mit ihr bei jeder Behandlungseinheit schriftlich private persönliche Beratung und Behandlung. Die Versicherte beantragte bei der Beklagten, die bei Prof. Dr. V./Universitätsklinikum F. anfallenden Kosten zu übernehmen. Prof. Dr. V. werde bereits am 21.6.2005 mit "einer lokalen Chemotherapie beginnen". Diese werde im Abstand von einem Monat noch zweimal wiederholt, damit der Tumor schrumpfe, um ihn dann "mit Laser-Technik zu vernichten" (18./20.6.2005). Die Beklagte antwortete ua, wenn sie eine Privatbehandlungsvereinbarung treffe, habe sie die Mehrkosten zu tragen. Es sei nicht zu erkennen, ob sie eine Privatbehandlung gewählt habe. Der behandelnde Arzt kläre sie vor Behandlungsbeginn hierüber auf. Die Versicherte erhielt ab 21.6.2005 transarterielle Chemoperfusionen sowie später eine LITT. Sie beantragte, die bereits für den 21.6.2005 gezahlten Behandlungs- und Fahrkosten zu übernehmen (17./19.8.2005). Prof. Dr. V. rechne "prinzipiell nur mit den Patienten direkt ab". Die Rechnungen für den 21.6.2005 wie für die beiden Folgetermine umfassen ua neben Positionen für bildgebende Verfahren die GOÄ-Ziffer 5357 - "Embolisation". Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da die Chemoperfusion keine vertragsärztliche Leistung sei, nur privat abgerechnet werden könne, die Versicherte hierüber aufgeklärt worden sei und Wahlerklärungen - auch für die folgenden Perfusionen - unterschrieben habe (Bescheid vom 22.9.2005). Mit ihrem Widerspruch trug die Versicherte vor, sie benötige dringend die lebensnotwendigen, als Methode etablierten Chemoperfusionen, die keine Wahlleistung seien, mit anschließender Laser-Therapie. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.3.2006). Die Versicherte hat Zahlungsklage erhoben und ihre Erstattungsforderung an den Kläger abgetreten. Das SG hat die Klage abgewiesen: Ambulante Chemoperfusionen seien umstritten und nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) empfohlen. Als Alternative sei eine systemische Chemotherapie möglich gewesen (Urteil vom 17.11.2008).

3

Mit seiner auf Zahlung von 77 700,92 Euro für die Behandlung bis 8.11.2007 nebst Fahrkosten gerichteten Berufung hat der Kläger vorgetragen, Prof. Dr. V. habe nicht darüber aufgeklärt, dass die Chemoperfusion eine Privatleistung sei, "die meine Frau dann unterschrieben habe". Das LSG hat die Beklagte - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - verurteilt, 18 708,87 Euro zu zahlen, Kosten für die vom 21.6. bis 13.9.2005 durchgeführten transarteriellen Chemoperfusionen und für die Fahrten zum Universitätsklinikum. Die Art der Rechtsnachfolge des Klägers sei unerheblich. Die Versicherte habe sich trotz der ihr abgerungenen Unterzeichnung privatärztlicher Behandlungsverträge bis zum Erlass des Bescheides vom 22.9.2005 in dem Glauben befunden, sie erhalte eine Chemoembolisation. Darin liege ein Systemversagen, das zur Kostenerstattung zwinge. Es sei nicht gewährleistet, dass die Zivilgerichte der Beurteilung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit folgten. Nach Bescheiderlass habe die Versicherte nicht mehr geirrt. Auf die weitere erbrachte Behandlung bei Prof. Dr. V. habe sie keinen Naturalleistungsanspruch gehabt, da die Leistungen nicht zur ambulanten Behandlung zugelassen gewesen seien und eine systemische Chemotherapie als zugelassene Alternative zur Verfügung gestanden habe (Urteil vom 28.4.2011).

4

Der Kläger rügt zur Begründung seiner Revision sinngemäß die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und ausdrücklich mangelnde Sachaufklärung. Das LSG hätte Vertrauensschutz gewähren und klären müssen, dass nach Zugang des Bescheides vom 22.9.2005 ein Wechsel zu einer systemischen Chemotherapie noch zumutbar gewesen sei.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 sowie den Bescheid vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 in vollem Umfang aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über die zuerkannten 18 708,87 Euro hinaus weitere 58 992,05 Euro zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, soweit es die Berufung des Klägers zurückgewiesen hat, und insoweit die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen,
sowie
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 in vollem Umfang zurückzuweisen.

7

Sie rügt zur Begründung ihrer Revision die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und sinngemäß, das LSG habe das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend beachtet. Mangels Naturalleistungsanspruchs im Zeitpunkt der Behandlung bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet; die zulässige Revision des Klägers ist dagegen unbegründet. Das LSG-Urteil ist zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das SG-Urteil ist in vollem Umfang zurückzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Behandlung der Versicherten vom 21.6.2005 bis 8.11.2007 aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V(idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Obwohl die Versicherte ihren Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V während des Klageverfahrens an den Kläger abgetreten hat, blieb sie zunächst allein berechtigt, prozessual die Feststellung dieses Anspruchs zu betreiben(vgl entsprechend BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 11 ff und LS 1 mwN). Der Kläger handelte sinngemäß zunächst für die Versicherte. Er ist seit dem Tod der Versicherten als ihr Sonderrechtsnachfolger, nicht aber als Erbe prozessführungsbefugt (zum Begriff vgl BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 15 mwN), den Kostenerstattungsanspruch der Versicherten gerichtlich geltend zu machen (dazu 1.). Der Versicherten stand aber kein Zahlungsanspruch zu, da die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nicht erfüllt sind. Die Versicherte hatte nämlich gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die durchgeführte Krankenbehandlung (dazu 2.). Der abweichenden LSG-Auffassung ist nicht zu folgen (dazu 3.).

10

1. Der Kläger ist prozessführungsbefugt, weil er Sonderrechtsnachfolger der Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V ist. Das folgt aus § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I. Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit der Berechtigten zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es beim Kläger. Bei dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch handelt es sich auch um einen fälligen Anspruch auf laufende Geldleistungen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Kostenerstattungsanspruch auf Geldleistungen gerichtet (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Bestand ein Kostenerstattungsanspruch, war er mit seinem Entstehen fällig (§ 41 SGB I).

11

Der Kostenerstattungsanspruch ist im Rechtssinne auf "laufende" Geldleistungen jedenfalls dann gerichtet, wenn er - wie vorliegend - über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen betrifft. § 56 SGB I ist in diesem Sinne bei Todesfällen in der Zeit ab dem 2.1.2002 auszulegen. Die Regelung ist einer weiten Auslegung zugänglich. Sie kann sogar als Basis einer Analogie dienen (vgl dazu BSG SozR 1500 § 75 Nr 44 S 48). Den Begriff der laufenden Geldleistungen, dem der Begriff der "einmaligen" Geldleistung gegenübersteht, definiert das Gesetz nicht. Nach den Gesetzesmaterialien (Entwurf der Bundesregierung zum SGB I, BT-Drucks 7/868 S 31 zu § 48)handelt es sich um Leistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; sie verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammenfassende Zahlung für mehrere Zeitabschnitte geleistet werden. Das kommt auch für die Kostenerstattungsansprüche nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei Systemmangel in Betracht (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V; § 15 Abs 1 SGB IX). Sie knüpfen daran an, dass der Berechtigte regelmäßig zu einer Vorfinanzierung für mehrere Zeitabschnitte gezwungen ist (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Dem Zweck der Sonderrechtsnachfolge in § 56 SGB I wird es in besonderem Maße gerecht, solche Kostenerstattungsansprüche als Ansprüche auf laufende Geldleistungen anzusehen. Es beschränkt in aller Regel die Lebensführung nicht nur des Leistungsberechtigten, sondern aller Familienangehörigen, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn Ansprüche auf laufende Geldleistung nicht rechtzeitig erfüllt werden (vgl Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 7/868 S 33 zu den §§ 56 bis 59). Das gilt in gleicher Weise regelmäßig für die Fälle, in denen die KK ihre Pflicht zur Naturalleistungsgewährung (§ 2 Abs 2 und § 13 Abs 1 SGB V) nicht erfüllt, der Versicherte sich deshalb die zu beanspruchenden Leistungen selbst beschafft, vorfinanziert und später die Kostenerstattung von der KK erstreitet. Um die dadurch entstandene Benachteiligung auszugleichen, sieht § 56 SGB I in Abweichung vom Erbrecht, aber in Übereinstimmung mit Vorschriften des bis zum Inkrafttreten des SGB I geltenden Rechts und mit der Funktion solcher Leistungen eine Sonderrechtsnachfolge vor. Der Schutzbedarf der durch die Vorschriften der Sonderrechtsnachfolge erfassten Personen hat zwischenzeitlich noch dadurch zugenommen, dass § 183 S 1 SGG(hier idF durch Art 1 Nr 61 des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes <6. SGGÄndG> vom 17.8.2001, BGBl I 2144) seit dem 2.1.2002 allein Sonderrechtsnachfolger hinsichtlich der Gerichtskosten privilegiert, während sonstige Rechtsnachfolger nach § 183 S 2 SGG Kostenfreiheit nur in dem Rechtszug haben können, indem sie das Verfahren aufnehmen(vgl zum Ganzen BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 11 - Ilomedin).

12

Der Vorbehalt abweichender Regelungen (§ 37 SGB I; vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 17)steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Allerdings hatte das vor Inkrafttreten des SGB I geltende Recht der RVO für die GKV - anders als für das Recht der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung (vgl hierzu § 630 und § 1288 RVO, dementsprechend § 65 Angestelltenversicherungsgesetz und § 88 Reichsknappschaftsgesetz) - keine Regelung zur Sonderrechtsnachfolge enthalten. Deshalb nahm auch die Rechtsprechung des BSG zum alten Rechtszustand an, der galt, wenn ein Sozialleistungsberechtigter vor dem Inkrafttreten des SGB I (1.1.1976) gestorben war (vgl Art II § 19 SGB I idF vom 11.12.1975, BGBl I 3015), dass ein Erstattungsanspruch im Wege der Rechtsnachfolge auf die Erben übergeht (vgl BSG Urteil vom 10.10.1978 - 3 RK 11/78 - USK 78126). Die bewusst umfassend getroffene Regelung des § 56 SGB I erfasst dagegen auch das Recht der GKV. Die Besonderheiten dieses Rechtsgebiets erfordern es nicht, Kostenerstattungsansprüche von der Sonderrechtsnachfolge nach dem SGB I auszuschließen. Besondere Überlegungen, die im Recht der Sozialhilfe für den Ausschluss der Sonderrechtsnachfolge oder Modifikationen in Betracht kommen (vgl dazu BVerwGE 96, 18, 22 ff = Buchholz 435.11 § 58 SGB I Nr 2; BSG SozR 4-3500 § 19 Nr 3, RdNr 16 ff mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), greifen insoweit für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V und § 15 Abs 1 SGB IX nicht durch.

13

Der vorliegende Fall unterscheidet sich durch den Tod der Versicherten in der Zeit ab dem 2.1.2002, dem Tag des Inkrafttretens des 6. SGGÄndG, auch wesentlich von jenem, der dem Urteil des 9. Senats des BSG vom 10.12.2003 (vgl BSGE 92, 42 = SozR 4-3100 § 35 Nr 3)zugrunde lag. Jener Rechtsstreit betraf die Erstattung von bis zum Tode des Berechtigten im Jahr 1999 verauslagten Aufwendungen entsprechend § 18 Abs 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit Blick auf Heimpflege nach § 35 Abs 6 BVG. Er war schon vor Inkrafttreten des 6. SGGÄndG rechtshängig geworden, sodass nach dem Übergangsrecht (Art 17 Abs 1 S 2 6. SGGÄndG) noch altes Kostenrecht anzuwenden war.

14

Der erkennende Senat kann diese Rechtsprechung fortführen (vgl grundlegend BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5 - Ilomedin), ohne den Großen Senat anrufen zu müssen. Denn der 3. Senat des BSG hat seine entgegenstehende, abweichende Rechtsauffassung aus den Urteilen vom 3.8.2006 und vom 25.8.2009 (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 10 RdNr 11)auf Anfrage des erkennenden Senats (BSG Beschluss vom 8.11.2011 - B 1 KR 6/11 R) aufgegeben (BSG Beschluss vom 15.3.2012 - B 3 KR 2/11 S).

15

2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten - hier allein in Betracht kommenden - Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind nicht erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war". Der Anspruch aus § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 und 2 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch des Versicherten gegen seine KK. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 8 - Leucinose, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 - Lorenzos Öl; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT). Daran fehlt es.

16

Nach den insoweit unangegriffenen und damit den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte die Versicherte keinen Anspruch auf eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT gegen die Beklagte. Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der Versicherten verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die KKn sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie - wie im vorliegenden Fall - nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei - wie hier - neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 S 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der KKn erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den KKn geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 12 - LITT, stRspr). Es fehlte zur Zeit der Behandlung der Versicherten an einer Empfehlung des GBA für eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT.

17

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 - ICL). Für ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl dazu BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff mwN - LITT; § 135 Abs 1 S 4 und 5 SGB V idF des Art 1 Nr 105 Buchst b des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - vom 26.3.2007, BGBl I 378). Auch die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung sind nicht erfüllt (vgl hierzu zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21 und 29 ff mwN - Tomudex; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - 32 - D-Ribose; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 20 ff mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - Lorenzos Öl; ab 1.1.2012 § 2 Abs 1a SGB V). Es stand nämlich für die Versicherte im maßgeblichen Zeitpunkt Juni 2005 zu Beginn der Behandlung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 28, 33 - LITT) mit der systemischen Chemotherapie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 21 - LITT; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 31 - Tomudex). Entgegen der Auffassung des Klägers stellt sich die Frage nach einem zumutbaren Wechsel von der transarteriellen Chemoperfusion zur systemischen Chemotherapie zu einem späteren Zeitpunkt nicht.

18

3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist es für den Erstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V unerheblich, dass - wovon das LSG ausgeht, was aber die Beklagte angegriffen hat - Prof. Dr. V. angeblich die Versicherte nicht über die Verabreichung von Chemoperfusionen aufgeklärt hat, sodass sie von einer Chemoembolisation ausging. Es bedarf deshalb keiner Vertiefung, ob die Beklagte mit ihrem Vorbringen noch hinreichend sinngemäß als Verfahrensverstoß gerügt hat, dass das LSG bei seiner Annahme das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat (vgl dazu BSG SozR Nr 56 zu § 128 SGG; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012 § 128 RdNr 13 mwN) und dass das LSG mit diesem Verfahrensverstoß die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten hat. Hierfür spricht allerdings, dass es nicht darauf eingegangen ist, dass nach den vom LSG in Bezug genommenen Akteninhalt die Versicherte durch ihren Ehegatten schon am 18.6.2005, nach der Erstuntersuchung bei Prof. Dr. V. am 17.6.2005, Kostenerstattung für eine "lokale Chemotherapie" beantragte - so bezeichnet Prof. Dr. V. die Chemoperfusion; dass die Nachfrage der Beklagten im Sekretariat von Prof. Dr. V. ergab, dass die Versicherte über die nur privat abzurechnende Chemoperfusionen aufgeklärt wurde und entsprechende Wahlerklärungen unterschrieb; dass die Versicherte auf die Wiedergabe dieses Sachverhalts in ihrem Widerspruch nicht etwa überrascht reagierte, sondern ausführte, sie benötige dringend "die lebensnotwendige Chemoperfusion mit anschließender Laser-Therapie. Zu dieser Therapie gibt es keine Alternative"; dass Prof. Dr. V. selbst gegenüber dem SG angab, die Chemoperfusion habe er der Versicherten privat in Rechnung gestellt, weil "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" erfolge, er habe mit der Versicherten eine private Kostenvereinbarung getroffen und ihr vor der Behandlung mit Chemoperfusion die Auskunft erteilt, dass die Kosten selbst getragen werden müssten; schließlich dass der Kläger dem bei Kenntnisnahme während des Klageverfahrens nicht etwa sofort widersprach, sondern die unmittelbar daneben aufgeführte Angabe von Prof. Dr. V. im gleichen Schreiben als entscheidend ansah, die Chemoembolisation wäre zu gefährlich gewesen.

19

Auch wenn man in Widerspruch zum Akteninhalt zugunsten des Klägers unterstellt, der hierzu nicht vom LSG persönlich angehörte Prof. Dr. V. habe die Versicherte nicht darüber aufgeklärt, Chemoperfusionen zu verabreichen, begründet dies entgegen der Auffassung des LSG kein "Systemversagen", welches das Erfordernis des Bestehens eines Primäranspruchs entfallen lässt und zur Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V führt. Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck des § 13 Abs 3 S 1 SGB V geben für die Rechtsauffassung des LSG nichts her, Versicherten seien bei unterlassener ärztlicher Aufklärung über eine durchgeführte, nicht zu Lasten der GKV zu beanspruchende Behandlung Kosten zu erstatten. Schon der Wortlaut der abschließenden Regelung (vgl dazu BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 19 mwN)des § 13 Abs 3 S 1 SGB V knüpft an die Voraussetzung an, dass die KK "eine … Leistung" nicht rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht ablehnte, sie zu erbringen. Dreh- und Angelpunkt des Anspruchs ist die dem Versicherten geschuldete Leistung, hier also die Krankenbehandlung. Die Gesetzesmaterialien belegen Gleiches. Danach ersetzt die Vorschrift den Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die KK eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit … nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen besteht keine Leistungspflicht der KK (vgl insgesamt Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen , BT-Drucks 11/2237 S 164, zu § 13 Abs 2). Sowohl § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 SGB V als auch § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V knüpfen zwingend an die von der KK geschuldete, aber rechtswidrig nicht erbrachte Leistung an(vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; Brandts in Kasseler Komm, Stand April 2012, § 13 SGB V RdNr 52 ff; E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V RdNr 233 ff mwN). Das Regelungssystem des SGB V begründet Ansprüche auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 SGB V)unter Beachtung des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) grundsätzlich nach objektiven Kriterien (vgl beispielhaft für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 30 f; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 19 ff mwN; Hauck, NZS 2007, 461 ff). Besteht die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen, sind diese krankenversicherungsrechtlich auf ihre Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen (§ 12 Abs 1 SGB V). Nur wenn mehrere verschiedene in Betracht kommende Maßnahmen ärztlichen Handelns diesen Anforderungen genügen, hat der versicherte Patient auch hierüber aufgeklärt zu werden und die Auswahl zu treffen (vgl BSG Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R - GesR 2007, 276 RdNr 54). Dieses Regelungssystem sichert die Gleichbehandlung der Versicherten (Art 3 Abs 1 GG) und richtet die Leistungen am Gesichtspunkt der Qualität und Wirtschaftlichkeit aus. Es vermeidet, den Anspruch Versicherter von dem in dieser Hinsicht ungeeigneten Maßstab ärztlicher Pflichtverletzungen abhängig zu machen, wie es bei der Rechtsauffassung des LSG der Fall wäre.

20

Entgegen der Ansicht des LSG entstehen infolge der Regelung des Gesetzgebers keine Rechtsschutzdefizite zu Lasten der Versicherten. Erhalten Versicherte eine GKV-Leistung, müssen sie grundsätzlich hierfür abgesehen von der Zuzahlung nicht zahlen. Zahlen sie dennoch, können sie das Gezahlte im Zivilrechtsweg zurückfordern. Ihre Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, die Versicherten können zudem vom Leistungserbringer, etwa vom Arzt, Schadensersatz fordern (§ 76 Abs 4 SGB V). Deutet sich ein solcher Sachverhalt erst im Rechtsstreit der Sozialgerichtsbarkeit über Kostenerstattung an, kann der Versicherte nach dem SGG zwar nicht dem betroffenen Arzt den Streit verkünden. Das Gericht kann ihn aber - funktional gleichwertig - beiladen, um eine Bindungswirkung seiner Entscheidung zu erreichen (vgl dazu BSGE 40, 130, 132 = SozR 1750 § 41 Nr 1; zur rechtswegübergreifenden Interventionswirkung vgl auch BSGE 109, 133 = SozR 4-1750 § 68 Nr 1).

21

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V ist für einen solchen Fall nicht gedacht. Kosten im Sinne des § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind dem Versicherten in einem solchen Fall nicht dadurch "entstanden", dass seine KK eine Leistung rechtswidrig abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Seine KK kann ihn bei der Rückforderung unterstützen (vgl § 66 SGB V), hat aber nicht die Aufgabe, für solche ärztlichen Pflichtverletzungen nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V einzustehen.

22

Die Regelung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V will vielmehr Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der KK geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht(vgl BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 25). Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will. So lag es nach den LSG-Feststellungen hinsichtlich der Chemotherapie für die Versicherte. Will ein Versicherter dagegen eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen, weiß er, dass er diese - abgesehen von den gesetzlichen Zuzahlungen - frei von Honorar beanspruchen kann.

23

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V garantiert - wie dargelegt - lediglich, dass Versicherte tatsächlich bestehende Versorgungslücken des Naturalleistungssystems in den gesetzlich bestimmten Fällen zu Lasten der KKn beseitigen können, indem sie sich die geschuldete Leistung selbst verschaffen. Auch die irrige Annahme eines Versicherten, ihm werde eine GKV-Leistung erbracht, obwohl dies nicht der Fall ist, schafft keine Versorgungslücke. Denn die Fehlvorstellung ändert nicht den Umfang des GKV-Leistungskatalogs: Der Versicherte erhält eine Leistung, die er gerade nicht von der GKV beanspruchen kann. Hat der Leistungserbringer die Fehlvorstellung des Versicherten erzeugt, kann der Versicherte erst recht das Gezahlte nach den oben dargelegten Grundsätzen zurückverlangen. Schließt der zutreffend umfassend aufgeklärte Versicherte dagegen über die Leistung von vornherein eine private Honorarvereinbarung ab, begibt er sich des Schutzes des Naturalleistungssystems. Er ist in diesem Fall nicht schutzwürdig.

24

Verletzt der behandelnde Arzt seine Aufklärungspflichten, kann dies zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs des Arztes führen (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 35 - LITT; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18). Sollte der behandelnde Arzt mit Hilfe einer Honorarvereinbarung versuchen, ihn selbst treffende Risiken auf den Versicherten abzuwälzen, kommt nach der Rechtsprechung des Senats auch eine Nichtigkeit der Vereinbarung nach § 32 SGB I in Betracht(vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 26; BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 16 f; BSG Urteil vom 18.7.2006 - B 1 KR 9/05 R - USK 2006-79 - juris RdNr 13; vgl auch die Auflistung der verschiedenen Fallgruppen fehlender Zahlungsverpflichtungen bei E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V, RdNr 267 ff).

25

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, weil der Kläger in seiner Eigenschaft als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I klagt.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. Die Partner der Bundesmantelverträge legen für die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten Personen nach Satz 2 ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Der Bundesärztekammer ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2) Die zahnärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Wählen Versicherte bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen. In diesen Fällen ist von den Kassen die vergleichbare preisgünstigste plastische Füllung als Sachleistung abzurechnen. In Fällen des Satzes 2 ist vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten zu treffen. Die Mehrkostenregelung gilt nicht für Fälle, in denen intakte plastische Füllungen ausgetauscht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert. Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschußt werden. Das Gleiche gilt für implantologische Leistungen, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach den §§ 26 und 27 des Psychotherapeutengesetzes und durch Psychotherapeuten nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 durchgeführt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Spätestens nach den probatorischen Sitzungen gemäß § 92 Abs. 6a hat der Psychotherapeut vor Beginn der Behandlung den Konsiliarbericht eines Vertragsarztes zur Abklärung einer somatischen Erkrankung sowie, falls der somatisch abklärende Vertragsarzt dies für erforderlich hält, eines psychiatrisch tätigen Vertragsarztes einzuholen.

(4) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 7055,12 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt ein nach § 108 Nr 1 SGB V zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Hochschulklinikum. In der dortigen Abteilung Kinderheilkunde I mit Poliklinik wurde der am 1984 geborene, bei der Beklagten versicherte R. H. (Versicherter) im September 2000 wegen eines T-zellreichen B-Zell-non-Hodgkin-Lymphoms (in der Folge: NHL) mit einer konventionellen Chemotherapie behandelt. Aufgrund eines im Dezember 2003 festgestellten Rezidivs erhielt der Versicherte im Januar 2004 zunächst erneut eine konventionelle Chemotherapie. In der Zeit vom 7.4. bis 7.5.2004 behandelte der Kläger den Versicherten zudem stationär mit Hochdosischemotherapie und autologer Stammzellgabe. Am 17.4.2004 erhielt der Versicherte autologe periphere Blutstammzellen, bei denen eine CD34+-Anreicherung durchgeführt worden war. Bei der CD34+-Anreicherung handelt es sich um eine Form der in-vitro Aufbereitung, mit der mögliche Tumorzellen aus dem Stammzellentransplantat entfernt werden sollen (in der Folge: in-vitro Aufbereitung).

2

Der Kläger stellte der Beklagten am 31.5.2004 auf der Basis der Diagnosis Related Group (DRG) A15b (Knochenmarktransplantation/Stammzellentransfusion, autogen, mit in-vitro Aufbereitung > 18 Jahre) nach dem Fallpauschalen-Katalog 2004 insgesamt 33 966,75 Euro in Rechnung. Die Beklagte bezahlte diesen Betrag und beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Rechnungsprüfung. Dieser kam in seinem Gutachten vom 13.9.2004 zu dem Ergebnis, dass eine CD34+-Anreicherung eindeutig nicht dem evidenzbasierten Standard entspreche. Ein klinischer Nutzen gegenüber der autologen Stammzellentransplantation ohne in-vitro Aufbereitung sei nicht belegt. Somit sei die Behandlung unwirtschaftlich. Es werde eine Abrechnung der erbrachten Leistung nach der DRG A15c (Knochenmarktransplantation/Stammzellentransfusion, autogen, ohne in-vitro Aufbereitung) empfohlen. Im weiteren Verfahren verwies der MDK darauf, dass sich aus den für erwachsene Patienten zur Verfügung stehenden Studien keine Senkung der Rückfallquote und auch keine Verbesserung der Überlebensrate ergebe. Die Beklagte ermittelte unter Zugrundelegung der DRG A15c einen Rechnungsbetrag von 26 913,63 Euro und forderte mit Schreiben vom 15.9.2004 vom Kläger 7055,12 Euro zurück. Diesen Betrag rechnete sie am 10.11.2004 gegen Forderungen des Klägers aus anderen Behandlungsfällen auf.

3

Der Kläger trat den Ausführungen des MDK durch die Vorlage verschiedener Stellungnahmen von Prof. Dr. L. entgegen, der auch der behandelnde Oberarzt des Versicherten war. Trotz des nunmehrigen Alters des Versicherten sei von einer pädiatrischen Erkrankung auszugehen, da diese erstmals im Kindesalter aufgetreten sei. Studien mit erwachsenen Patienten seien deshalb nicht maßgeblich. Vergleichsstudien mit pädiatrischen Patienten hingegen ergäben keine einheitliche Datenlage. Die Ersterkrankung des Versicherten sei im Rahmen der Therapieoptimierungsstudie NHL-BFM 95 im Kindes- und Jugendalter von Prof. Dr. R., Universität G., und damit auf der Behandlungsgrundlage für jede NHL-Erkrankung im Kindes- und Jugendalter therapiert worden. Die weitere Therapie des Versicherten, insbesondere des Rezidivs, sei in Rücksprache mit der NHL-BFM-Studienzentrale erfolgt. Die klägerische Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, in der die streitige Behandlung des Versicherten erfolgt sei, verfüge über eigene langjährige Erfahrungen mit der Transplantatbearbeitung bei autologen Stammzellentransplantationen. Die Ergebnisse von entsprechenden Projekten seien in den Jahren 1997 bis 2003 veröffentlicht worden. Die beim Versicherten angewandte Therapie sei das Ergebnis eigener Erfahrungen und Plausibilitätsüberlegungen der Klinik gewesen. Der Versicherte wäre in anderen hämatologisch-onkologischen Zentren der Kinderkliniken mit sehr großer Wahrscheinlichkeit genauso behandelt worden.

4

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger 7055,12 Euro nebst Zinsen seit dem 10.11.2004 zu zahlen, weil die streitige Behandlung zum Zeitpunkt ihrer Anwendung nicht nach § 137c SGB V ausgeschlossen und jedenfalls vertretbar gewesen sei(Urteil vom 23.11.2009). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die Entscheidung des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.1.2012): Der vom Kläger geltend gemachte restliche Vergütungsanspruch bestehe nicht, da die ihm zugrunde liegende Behandlung bereits zum Zeitpunkt ihrer Anwendung nicht mehr den Qualitätsanforderungen des SGB V entsprochen habe.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Das LSG sei entgegen §§ 135 ff SGB V davon ausgegangen, dass auch nach § 137c SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) von der Leistungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht ausgeschlossene Behandlungsmethoden im Einzelfall auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden könnten. Dieser Auslegung widersprächen sowohl Gesetzessystematik als auch -wortlaut. Es sei zu klären, ob die - vom LSG in Bezug genommene - neuere Rechtsprechung des 1. Senats des BSG auf den vorliegenden Fall bzw vergleichbare Fällen anzuwenden sei, weil es sich um eine Hochschulklinik handele, die gerade in dem hier fraglichen Behandlungsbereich der Versorgung onkologischer Krankheitsbilder über eine unbestritten international anerkannte Erfahrung verfüge. Das LSG habe weiter gegen § 2 Abs 1 S 3 SGB V verstoßen, indem es unberücksichtigt gelassen habe, dass neben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse auch der medizinische Fortschritt maßgeblich sei, so dass ebenso die Meinung weniger namhafter Spezialisten zu berücksichtigen sei. Weiter werde gegen § 6 Abs 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) verstoßen, da auch dort von einer ausschließlichen Kompetenz des GBA zur Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus ausgegangen werde. Die Entscheidung des LSG sei schließlich unter mehrfacher Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes zustande gekommen. Insbesondere habe sich das LSG mit den in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nicht befasst.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.1.2012 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.11.2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Entscheidung des LSG, das Urteil des SG zu ändern und die Zahlungsklage abzuweisen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitergehendes Entgelt für Krankenhausleistungen, da die Beklagte insoweit gegen die Klageforderung rechtswirksam mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung aufgerechnet hat (dazu 1.). Grundlage der Aufrechnung ist ein Erstattungsanspruch der Beklagten wegen des überzahlten Krankenhausentgelts für die im Rahmen der Behandlung des Versicherten durchgeführte in-vitro Aufbereitung. Auf dieses Entgelt hatte der Kläger keinen Anspruch, da die Behandlung insoweit nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach (dazu 2.). An diesem Stand war die im April/Mai 2004 erfolgte Krankenhausbehandlung zu messen, obgleich die Behandlungsmethode nicht nach § 137c Abs 1 S 2 SGB V durch den GBA als Leistung der GKV ausgeschlossen war(dazu 3.). Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf die Grundsätze eines Seltenheitsfalles (dazu 4.) oder auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsanspruchs des Versicherten (dazu 5.) stützen. Seine Verfahrensrügen sind schließlich ebenfalls unbegründet (dazu 6.).

9

1. Dem zulässig im Wege der Leistungsklage (vgl dazu BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1) geltend gemachten Anspruch des Krankenhauses steht die Aufrechnung der Beklagten mit der streitigen Erstattungsforderung entgegen. Zwar hat das LSG weder ausdrücklich noch konkludent festgestellt, welche Vergütungsansprüche (Hauptforderung) der Kläger aufgrund welcher konkreten Krankenhausbehandlung geltend macht. Die Beteiligten haben aber übereinstimmend als selbstverständlich vorausgesetzt, dass dem Kläger gegen die Beklagte - ohne Berücksichtigung der streitigen Gegenforderung - laufende Zahlungsansprüche aus Anlass der Krankenhausbehandlung von Versicherten der Beklagten in Höhe von weiteren 7055,12 Euro erwachsen sind. Da die Beklagte sich gegenüber der Klage ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Klageforderung (Hauptforderung) selbst außer Streit (vgl zu einer entsprechenden Prozesssituation BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 6).

10

2. Die Beklagte konnte gegen die Hauptforderung des Klägers in Höhe von 7055,12 Euro aufrechnen. Denn in diesem Umfang hat sie für die stationäre Behandlung des Versicherten in der Zeit April/Mai 2004 Krankenhausentgelt ohne Rechtsgrund gezahlt, weil dem Kläger insoweit kein Vergütungsanspruch zustand (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 8 f).

11

a) Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, jeweils RdNr 13; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, jeweils RdNr 13; BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3). Nach dem seit 1993 unverändert geltenden § 39 Abs 1 S 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist (…). Dabei umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs 1 S 3 Halbs 1 SGB V). Die Leistungspflicht der GKV besteht aber nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung; alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, müssen vielmehr den in §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien genügen(so bereits BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10 mwN; BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23).

12

b) Nach § 28 Abs 1 SGB V, auf den § 39 SGB V ausdrücklich Bezug nimmt, umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. § 2 Abs 1 S 3 SGB V bestimmt allgemein, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs 1 S 3 SGB V schließlich entspricht eine Behandlung, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 22, 24 ff mwN; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 23; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 21 für den Bereich Hilfsmittel). Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen; in ihrer Gesamtheit kennzeichnen sie den Stand der medizinischen Erkenntnisse (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 29).

13

c) Diesen Anforderungen wurde die streitige in-vitro Aufbereitung zum hier maßgeblichen Zeitpunkt April/Mai 2004 (zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts für die Beurteilung, ob eine Behandlungsmethode zum Leistungskatalog der Krankenkasse gehört, vgl BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12) nicht gerecht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Versicherte nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse wie ein Kind oder wie ein Erwachsener zu behandeln war. Denn gesicherte Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung sind in beiden Fällen weder vom Kläger benannt worden noch haben sich dafür im Laufe der Verfahrens andere Anhaltspunkte ergeben (zur Feststellung als generelle Tatsache, ob eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f; BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19). Die vom Kläger benannten Studien bzw Veröffentlichungen dokumentieren zwar in Einzelfällen Überlebensvorteile bei Patienten mit in-vitro gereinigten Transplantaten bzw mit Transplantaten ohne Tumorzellen. Dieselben Studien stellen allerdings gleichzeitig fest, dass die Ursache hierfür unklar bzw dieses Ergebnis in anderen Studien unbestätigt geblieben ist (Alvarnas JC et alt 2004). Auch soweit in der Studie "Granena et alt 1999" ein signifikanter Überlebensvorteil für Hochrisiko-Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie nach Behandlung mit in-vitro gereinigtem Transplantat festgestellt wird, fordern die Verfasser im Anschluss gleichwohl die Durchführung einer Studie der Phase III, sehen selbst also ebenfalls noch keine gesicherte Wirksamkeit der Methode. Wie das LSG im Einzelnen ausführlich dargelegt hat (Urteilsumdruck S 27 ff), was im Revisionsverfahren nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat verbindlich (§ 163 SGG) festgestellt ist, finden sich weitere Studien und Veröffentlichungen, die keine verlässlichen Aussagen über die Wirksamkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung hinsichtlich Überlebensvorteil oder Rezidivfreiheit zulassen, so dass beim Vergleich von Patienten mit und ohne in-vitro Aufbereitung signifikante und statistisch aussagekräftige Unterschiede im Hinblick auf Rezidivrate, rezidivfreie Überlebenszeit oder Gesamtüberlebenszeit gerade nicht festgestellt werden konnten. Nach der zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden Studienlage ergibt sich damit kein wissenschaftlicher Konsens über die Wirksamkeit der in-vitro Aufbereitung. Dies wird schließlich auch vom Kläger selbst eingeräumt, wenn er selbst für den aus seiner Sicht allein maßgeblichen pädiatrischen Bereich auf eine damals nicht einheitliche Datenlage verweist (Schriftsatz vom 26.2.2013, S 1).

14

Konsensfähige medizinische Erkenntnisse lassen sich auch nicht aus einschlägigen Leitlinien (zu deren Aussagekraft vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 33) ableiten. Für erwachsene Patienten haben sich im maßgeblichen Zeitraum keine einschlägigen Leitlinien feststellen lassen. Die Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie zu Non-Hodgkin-Lymphomen (zitiert nach Forum DKG 3/00 S 47 ff) sieht bei bestimmten Rezidivpatienten zwar die Durchführung von Knochenmarktransplantationen vor, nicht hingegen eine in-vitro Aufbereitung. Nachdem die in-vitro Aufbereitung damals in der medizinischen Fachdiskussion gerade keine breite Resonanz gefunden hatte, vermag auch der Hinweis des Klägers auf eine mutmaßlich entsprechende Behandlung des Versicherten in anderen hämatologischen Zentren und damit eine eventuelle Verbreitung in der Praxis den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht zu begründen (BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19; BSGE 81, 54, 70 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 26 f - Systemversagen). Entsprechendes gilt für die vom Kläger in Anspruch genommene und zweifelsohne vorliegende langjährige Erfahrung der behandelnden Ärzte des Versicherten, da die Meinung einzelner Mediziner grundsätzlich nicht geeignet ist, einen allgemein anerkannten Stand zu begründen (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 24).

15

Das Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 S 3 SGB V kann vorliegend ebenfalls nicht "unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts" als erfüllt angesehen werden. Denn dieses Tatbestandsmerkmal bedeutet - wie der Senat bereits entschieden hat - gerade nicht, dass Anspruch auch auf solche Behandlungen besteht, deren Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit noch erforscht wird, über die somit noch keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse vorliegen. Vielmehr wird damit nur klargestellt, dass die Versicherten in der GKV am medizinischen Fortschritt teilhaben und grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Kosten Anspruch auf diejenige Behandlung haben, die dem neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10; BSGE 81, 182, 187 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39). Letzteres ist - wie dargelegt - vorliegend nicht der Fall.

16

3. Auch der Kläger behauptet letztlich nicht, dass die streitige in-vitro Aufbereitung zum Zeitpunkt der Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach. Er meint vielmehr, dass es auf diesen Stand vorliegend nicht ankomme. Weder die Beklagte noch das Sozialgericht seien berechtigt, die Einhaltung des Qualitätsgebots zu überprüfen, da die streitige Behandlungsmethode vom GBA nicht nach § 137c SGB V als Leistung der GKV ausgeschlossen worden sei(vgl auch Felix, NZS 2012, 1, 7 ff sowie NZS 2013, 81, 87 f; Bender, NZS 2012, 761, 766 f; Vollmöller, NZS 2012, 921, 922; Trefz, Pflege- und Krankenhausrecht 2011, 104 f; Hessisches LSG Urteil vom 5.2.2013 - L 1 KR 391/12 - RdNr 19, Juris; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 13.11.2012 - L 11 KR 2254/10 - RdNr 33, Juris; aA hingegen Clemens in MedR 2012, 769, 772 - die insoweit vom Kläger in Bezug genommene Fußnote 59 betrifft aber nicht die hier streitige Frage). Etwas anderes könne nur für solche Behandlungen gelten, die offensichtlich nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen, was auf die streitige Behandlung hier nicht zutreffe.

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Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen, da sie keine Stütze im Gesetz findet.

18

a) Nach § 137c Abs 1 S 1 SGB V(in der hier maßgeblichen Fassung des Art 1 Nr 106 Gesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190) überprüft der GBA auf Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, darauf hin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass die Methode nicht den oa Kriterien entspricht, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie (§ 137c Abs 1 S 2 SGB V). Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt unberührt (§ 137c Abs 2 S 2 SGB V).

19

§ 137c SGB V regelt damit ausdrücklich ausschließlich die Voraussetzungen, unter denen der GBA die Anwendung von Methoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkassen ausschließen kann. Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die stationäre Behandlung eines Versicherten zu Lasten der GKV erbracht werden darf, ist für den Fall des Fehlens eines Negativvotums allein dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen und mithin durch Auslegung zu ermitteln.

20

b) Der Kläger geht davon aus, dass aus der ausdrücklichen Regelung in § 137c SGB V, wann eine Methode im Rahmen der Krankenhausbehandlung ausgeschlossen ist, zu schlussfolgern sei, dass nicht ausgeschlossene Methoden ohne weitere Prüfung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Dies widerspricht der Systematik des Gesetzes, die eine Leistungspflicht der GKV gerade nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung vorsieht. Vielmehr unterliegen alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, den in § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen(vgl hierzu bereits die oa Ausführungen 2 a. und b. sowie BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10; BSGE 90, 289, 291 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, RdNr 6; BSGE 81, 182, 187 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71). Diese Anforderungen gelten uneingeschränkt auch für den Bereich des Leistungserbringerrechts (§ 70 Abs 1 SGB V idF des Art 1 Nr 27 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 2626; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 10 mwN). Der Ansatz des Klägers, die Beklagte sei wegen des Fehlens eines Negativvotums nach § 137c Abs 2 S 2 SGB V von einer Prüfung des Falles ausgeschlossen, widerspricht zudem der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkassen, auch Krankenhausabrechnungen beim Vorliegen von Auffälligkeiten zu überprüfen(§ 275 Abs 1 Nr 1 SGB V, vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 10; zu der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 137c SGB V geltenden Fassung des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V bereits BSGE 90, 1, 3 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 22).

21

c) Die vom Kläger geforderte Außerachtlassung der Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V würde zudem dem aus den Gesetzesmaterialien ableitbaren Gesetzeszweck widersprechen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte durch die GKV-Gesundheitsreform 2000 die Qualität der medizinischen Versorgung durch ein umfassendes System der Qualitätssicherung und die Bewertung von Kosten und Wirtschaftlichkeit medizinischer Technologien verbessert werden, indem für die stationäre Leistungserbringung im Krankenhaus der GBA beauftragt wurde, etablierte und neue medizinische Behandlungsmethoden zu überprüfen, ob sie - ähnlich wie in der vertragsärztlichen Versorgung - für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung erforderlich sind (Begründung - Allgemeiner Teil, BT-Drucks 14/1245 S 57). Zudem sollte die Qualität der medizinischen Versorgung gesichert und vermieden werden, dass medizinisch fragwürdige Leistungen zu Lasten der GKV erbracht werden (Begründung - Besonderer Teil, BT-Drucks 14/1245 S 90). Die mit der Einführung des § 137c SGB V verfolgte Zielsetzung entspricht damit der des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V, weshalb die Anwendung der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V auch nach Inkrafttreten des § 137c SGB V der in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Zielsetzung der Norm entspricht. Ihnen ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass durch die Einführung des § 137c SGB V für den Bereich der Krankenhausbehandlung jegliche bis dorthin bereits vorhandenen Qualitätsanforderungen und die diesbezügliche Prüfungspflicht der Krankenkassen entfallen sollten.

22

d) Der Kläger kann seine Auslegung schließlich weder auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Nutzenbewertung von nichtmedikamentösen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" vom 1.7.2011 (BT-Drucks 17/6397, insbesondere S 6 und 7) noch auf die Gesetzesmaterialien zum GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003 (BT-Drucks 15/1525 S 126) und zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG - vom 22.12.2011 (BT-Drucks 17/6906 S 86 zu Nr 54 <§ 137c> und S 88) stützen. Zwar ist diesen Unterlagen zu entnehmen, dass dort für den stationären Bereich von einer "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" ausgegangen wird, so dass erst ein negatives Votum den Einsatz einer Methode zu Lasten der GKV in den Krankenhäusern ausschließt. Hierbei handelt es sich allerdings methodisch um eine sog authentische Interpretation, an die der Senat nicht gebunden ist. Sie schränkt die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte nicht ein. Denn zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich allein die rechtsprechende Gewalt berufen, die nach Art 92 GG den Richtern anvertraut ist (BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73). Dies wird schließlich auch dann übersehen, wenn mit Blick auf die zum 1.1.2012 mit dem GKV-VStG in Kraft getretene Änderung des § 137c SGB V gefordert wird, nunmehr die Rechtsprechung entsprechend der Ausführungen in den dortigen Materialien anzupassen(so insbesondere Felix, NZS 2013, 81 ff). Denn zum einen hat die zum 1.1.2012 in Kraft getretene Änderung des § 137c SGB V an der für die hier streitige Frage maßgeblichen Grundkonzeption des § 137c SGB V nichts geändert. Mit ihr wird lediglich der GBA ermächtigt, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergibt, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet(§ 137c Abs 1 S 4 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Aufgrund einer solchen Richtlinie dürfte die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dann in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenbehandlung oder der Früherkennung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden (§ 137e Abs 1 S 2 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Zur Anwendung des Qualitätsgebots bei einzelnen Krankenhausbehandlungen trifft § 137c SGB V aber weiter keine Regelung. Die Anwendung der Neuregelung des § 137c SGB V auf den vorliegenden Streitfall würde zum anderen die Annahme bedingen, dass der Gesetzgeber neben einer Gesetzesänderung für die Zukunft gleichzeitig im Wege einer Rechtsfortschreibung ohne Textänderung für die Vergangenheit angeordnet habe, den unveränderten Wortlaut des bisherigen § 137c Abs 1 S 2 und Abs 2 S 2 SGB V von Anfang an so zu verstehen, als habe er den vom Kläger gewünschten und allein in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Inhalt auch schon früher gehabt. Diese Annahme lässt sich aber mit keiner der zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden begründen.

23

e) Auch der Verweis auf § 6 Abs 2 KHEntgG(idF des Art 2 Nr 4 Buchst b des Fallpauschalenänderungsgesetzes - FPÄndG - vom 17.7.2003, BGBl I 1461) kann die Auffassung des Klägers nicht stützen. Danach sollen die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG erstmals für das Kalenderjahr 2005 zeitlich befristete, fallbezogene Entgelte oder Zusatzentgelte vereinbaren für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die mit den Fallpauschalen und Zusatzentgelten nach § 7 S 1 Nr 1 und 2 KHEntgG noch nicht sachgerecht vergütet werden können und die nicht gemäß § 137c SGB V von der Finanzierung ausgeschlossen sind. Damit ist indes eine Aussage zu der hier streitigen Frage, ob eine Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, nicht zu erkennen; diese ist vielmehr ausschließlich anhand des SGB V zu beantworten. Zudem schließt § 6 Abs 2 KHEntgG die Anwendung des Qualitätsgebots auf neue stationäre Behandlungsmethoden nicht aus, sondern ist für dessen Berücksichtigung im Rahmen der Auslegung völlig offen.

24

f) Insgesamt schließt sich der Senat nach eigener Prüfung der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG an, wonach § 137c SGB V nicht im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden für das Krankenhaus mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden darf(grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff sowie BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23 und Urteil vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R - RdNr 34 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137 Nr 2 vorgesehen). Die Vorschrift setzt die Geltung des Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft. Andernfalls würde die aufgezeigte Systematik des SGB V durchbrochen und die Einheit der Rechtsordnung gefährdet. Denn eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, muss nicht von den Krankenkassen bezahlt werden (BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff). § 137c SGB V bewirkt vor diesem Hintergrund lediglich, dass - anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - nicht in einem generalisierten, zentralisierten formellen Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit formalisiert überprüft wird, sondern die Prüfung der eingesetzten Methoden im zugelassenen Krankenhaus grundsätzlich prospektiv durch das Krankenhaus selbst und retrospektiv lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post erfolgt. Erst ein generalisiertes, zentralisiertes Prüfverfahren nach § 137c SGB V schafft über den Einzelfall hinaus Regelungsklarheit(BSG aaO), so dass es insoweit keiner Einzelfallprüfung mehr bedarf. Der 1. Senat des BSG hat schließlich auch schon entschieden, dass diese Rechtsauslegung nicht nur im Rahmen von Zulassungsverfahren nach § 109 SGB V maßgeblich ist, sondern ebenso bei der Bewertung des - für den Entgeltanspruch des Krankenhauses maßgeblichen - Leistungsanspruchs des Versicherten nach § 39 SGB V zu berücksichtigen ist(BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23). Hieran vermag die Stellung des Klägers als Universitätsklinikum nichts zu ändern, da das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) auch hier gilt (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 29.12.2012 - 1 BvR 1849/12 ua -, RdNr 11 f zitiert nach Juris).

25

4. Der Kläger kann den streitigen Vergütungsanspruch auch nicht auf die Grundsätze eines Seltenheitsfalles stützen, da ein solcher der streitigen Behandlung nicht zugrunde lag. Denn ein Seltenheitsfall setzt voraus, dass eine Krankheit weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (grundlegend BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 21 sowie in der Folge BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, jeweils RdNr 30; BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, jeweils RdNr 21; BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20, jeweils RdNr 13 f; Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 25/11 R - BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, jeweils RdNr 18 ff). Vorliegend ergibt sich sowohl aus dem Vortrag des Klägers als auch aus den Stellungnahmen des MDK, dass eine systematische Erforschung sowohl der Behandlung der NHL-Erkrankung des Versicherten als auch der Wirksamkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung erfolgt ist. Dabei kommt der Tatsache, dass die im Verfahren benannten Studien nicht genau zur Erkrankung des Versicherten, sondern teilweise zu anderen Unterarten des Non-Hodgking-Lymphoms durchgeführt worden sind, keine besondere Bedeutung zu, da die Beteiligten ungeachtet dessen davon ausgegangen sind, aus diesen auch Schlüsse über die Wirksamkeit der in-vitro Aufbereitung beim Versicherten ziehen zu können. Darüber hinaus hat die Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie zu Non-Hodgkin-Lymphomen im Kindesalter bereits in ihrer im Jahr 2000 veröffentlichten Fassung als ein vorrangiges Ziel die Entwicklung einer erfolgversprechenden Rezidivtherapie formuliert (zitiert nach Forum DKG 3/00 S 47, 50). Von einem Seltenheitsfall ist deshalb nicht auszugehen.

26

5. Auch unter Berücksichtigung der vom BVerfG entwickelten Grundsätze einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts ("Nikolausbeschluss", zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; vgl auch BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, jeweils RdNr 21 und 29 ff mwN; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, jeweils RdNr 31 f; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, jeweils RdNr 20 ff mwN; seit 1.1.2012: § 2 Abs 1a SGB V),ergibt sich kein Anspruch des Krankenhauses, da mit der Hochdosischemotherapie mit autogener Stammzelltransplantation eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung zur Verfügung stand (vgl BSG Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 6/11 R - BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, jeweils RdNr 17).

27

6. Die Revision hat schließlich auch keinen Erfolg mit den Verfahrensrügen, das LSG habe keine ordnungsgemäße Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse betrieben und insoweit gegen § 103 SGG verstoßen, da es seine Entscheidung auf die Gutachten des MDK gestützt und weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung der in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragten Sachverständigengutachten unterlassen habe.

28

Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seines Ermessens die Ermittlungen und Maßnahmen, die nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind. Sein Ermessen ist dabei durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem für die Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt. Ein Verstoß gegen § 103 SGG liegt deshalb nur dann vor, wenn das Berufungsgericht sich zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen(BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 103 RdNr 20 mwN). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es konnte materiell-rechtlich weder auf die Auffassung des MDK noch auf die Auffassung eines Sachverständigen zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ankommen. Die Auffassung einzelner Mediziner - und als nichts anderes ist eine fachliche Stellungnahme des MDK zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu werten - ist bei der Beurteilung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gerade nicht maßgeblich (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 24). Auch auf die Anerkennung und Akzeptanz der streitigen Methode in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen zum Zeitpunkt der Behandlung konnte es aufgrund des fehlenden wissenschaftlichen Belegs der Wirksamkeit nicht ankommen (BSGE 84, 90, 96 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19; BSGE 81, 54, 70 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 26 f - Systemversagen).

29

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 GKG.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Januar 2011 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2008 wird betreffend die Zuschüsse zur Krankenversicherung/Pflegeversicherung und der Rückforderung über 5.302,50 EUR aufgehoben.

Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen zur Hälfte zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklage Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nachfordern sowie überzahlte Zuschüsse zu den Aufwendungen für die freiwillige Krankenversicherung und Pflegeversicherung zurückfordern durfte.

2

Die 1930 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten eine Altersrente und aufgrund des Todes ihres Ehemanns ... 2007 darüber hinaus eine Witwenrente.

3

Mit Schreiben vom 19. November 2007 teilte die B... E... (B...) der Klägerin mit, dass bei dieser bis zum 31. März 2002 die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner wegen langjähriger freiwilliger Versicherung nicht erfüllt gewesen seien. Im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000 erfolge jedoch für die Zeit ab dem 1. April 2002 die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner. Im Rahmen dieser Versicherung seien von der Klägerin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen, die der Rentenversicherungsträger direkt einbehalten müsse. Hierzu benötige dieser aber eine entsprechende Änderungsmitteilung der Krankenkasse. Durch ein Versäumnis der Kasse sei eine derartige Meldung nicht erfolgt. Die hierfür maßgeblichen Gründe seien nicht mehr nachvollziehbar. Aufgrund dieser fehlenden Änderungsmeldung seien Beiträge nicht abgeführt worden. Die erforderliche Meldung sei jetzt im November 2007 nachgeholt worden. Für das Jahr 2002 erfolge keine Beitragserhebung, da die Beiträge bereits verjährt seien. Es sei bedauerlich, dass es nun zu einer Nachforderung des Rentenversicherungsträgers kommen werde. Hierfür entschuldige sich die B... ausdrücklich.

4

Die Änderung des Versicherungsverhältnisses wegen der von der B... genannten Gründe erfolgte zunächst durch Bescheid der Beklagten vom 22. November 2007. In der Anlage 10 dieses Bescheides befindet sich ein Anhörungsschreiben, wonach der Zuschuss zur Krankenversicherung nach § 106 Abs. 1 SGB VI und der Zuschuss zur Pflegeversicherung nach § 106a SGB VI zu Unrecht gewährt worden sei, da die Klägerin bereits ab dem 1. April 2002 der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterläge. Es sei daher beabsichtigt, den Bescheid vom 6. Oktober 1998 ab Änderung der Verhältnisse, also mit Wirkung ab dem 1. April 2002, nach § 48 SGB X aufzuheben und die für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 31. Dezember 2007 überzahlten Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.302,50 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern.

5

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein.

6

Mit weiterem Bescheid vom 15. Januar 2008 wurde der Rückforderungsbetrag in Höhe von 5.302,50 EUR bestätigt. Darüber hinaus wurden die Eigenbeteiligungen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.709,81 EUR nachgefordert. Dieser Betrag wurde aufgrund einer Nachzahlung von 955,80 EUR reduziert, sodass sich bezüglich der Eigenbeteiligungen ein Nachforderungsbetrag in Höhe von 4.754,01 EUR ergab. Die Gesamtforderung aus Zuschuss und Eigenbeteiligung betrug 10.056,51 EUR. Mit Schreiben vom 30. Januar 2008 teilte die Beklagte der Klägerin erläuternd mit, dass mit dem Eintritt der Versicherungspflicht nach § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI gleichzeitig der Anspruch auf Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung entfalle. Dies gelte für den bis 31. März 2004 gezahlten Zuschuss zur Pflegeversicherung im Rahmen des § 106a SGB VI entsprechend. Die Zahlung des Zuschusses sei ausgeschlossen, wenn der Rentner der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 SGB XI unterliege. Wegen einer rückwirkenden Korrektur des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses ergäben sich folglich immer zwei voneinander getrennt zu betrachtende Forderungsbeträge. Die Summe der einzubehaltenden Eigenanteile an den Aufwendungen zur Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund der bestehenden Versicherungspflicht belaufe sich im vorliegenden Fall auf 5.709,81 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2007. Der Zeitraum begänne erst am 1. Januar 2003, obwohl die maßgebende Krankenversicherungspflicht bereits am 1. April 2002 eingetreten sei. Der Grund hierfür sei Verjährung, die jedoch nur in Bezug auf die einzubehaltenden Eigenanteile eingetreten sei. Die Summe der in der Zeit vom 1. April 2002 bis 31. Dezember 2007 zu Unrecht gezahlten Beitragszuschüsse zu den Aufwendungen für die freiwillige Krankenversicherung aufgrund der nicht mehr bestehenden freiwilligen Krankenversicherung belaufe sich auf 5.302,50 EUR. Insgesamt sei daher ein Nach- bzw. Rückforderungsanspruch in Höhe von 11.012,31 EUR entstanden, der sich um die vorgenommene Verrechnung mit der Nachzahlung aus der Witwenrente in Höhe von 955,80 EUR auf 10.056,51 EUR vermindert habe.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Einwand der Klägerin, dass sich für sie zum 1. April 2002 nichts geändert habe und sie daher den Wechsel von der freiwilligen Versicherung zur Versicherungspflicht nicht bemerkt habe, könne nicht als plausibel angesehen werden. Nach Aktenlage habe die Klägerin zu Beginn des Kalenderjahres 2002 freiwillige Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung in Höhe von monatlich ca. 250,00 EUR selbst an die B... abgeführt. Ab dem 1. April 2002 seien keine freiwilligen Beiträge mehr von der Klägern zu leisten gewesen, anderweitige Beiträge seien ebenfalls nicht gezahlt worden. Selbst wenn die Klägerin keinen entsprechenden Bescheid von der B... erhalten habe, hätte ihr zwangsläufig auffallen müssen, dass sie keine Beiträge mehr zur Kranken- und Pflegeversicherung geleistet habe. Mithin habe die Klägerin das Unterbleiben einer Beitragsabführung sowie die Überzahlung der Beitragszuschüsse billigend in Kauf genommen.

8

Hiergegen hat die Klägerin am 14. Mai 2008 Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben und geltend gemacht, ihr sei nicht aufgefallen, dass sie ab dem 1. April 2002 keine Beiträge mehr abgeführt habe. Es habe auch keine Hinweise seitens der Krankenkasse oder der Beklagten gegeben.

9

Die Klägerin hat beantragt,

10

die Bescheide der Beklagten vom 22. November 2007 und vom 15. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2008 aufzuheben.

11

Die Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen nach § 48 SGB X hier erfüllt seien. Gerade der Hinweis, dass die ab dem 1. April 2002 nicht mehr erfolgte Beitragszahlung für die freiwillige Versicherung der Klägerin habe zwangsläufig auffallen müssen, unterstreiche nochmals, dass auf jeden Fall eine qualifizierte Bösgläubigkeit im Sinne einer grob fahrlässigen Unkenntnis gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vorliege. Darüber hinaus stehe fest, dass die Klägerin seit dem 1. April 2002 pflichtversichert gewesen sei und tatsächlich außerdem keine freiwilligen Versicherungsbeiträge mehr an ihre Krankenkasse gezahlt habe. Bei vernünftiger Betrachtungsweise dränge sich auch für einen Laien auf, dass für den Erhalt von Zuschüssen des Rentenversicherungsträgers für Beitragszahlungen zur freiwilligen Versicherung keine Grundlage mehr bestehe, wenn diese tatsächlich nicht mehr erbracht würden. Die Klägerin könne sich dabei auch nicht darauf berufen, nicht gewusst zu haben, dass sie seit dem 1. April 2002 pflichtversichert gewesen sei. Zum einen sei wiederum darauf zu verweisen, dass sie keine Beiträge zur freiwilligen Versicherung mehr entrichtet habe, wie sie es zuvor über mehrere Jahre getan habe. Damit habe die Klägerin schon durch ihr eigenes Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sich auch aus ihrer Sicht offenbar etwas am bisherigen Krankenversicherungsverhältnis verändert habe. Andernfalls hätte sie die freiwillige Beitragszahlung wieder aufnehmen bzw. fortführen müssen. Zum anderen sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. April 2002 bis zur Erteilung der Bescheide vom 22. November 2007 und 15. Januar 2008 keine Klarheit über ihr Krankenversicherungsverhältnis habe erhalten können, denn es sei unwahrscheinlich, dass sie in diesem Zeitraum nicht wenigstens einmal bei einem Arzt gewesen sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ihr auffallen müssen, dass sie offensichtlich pflichtversichert und eben nicht freiwillig versichert gewesen sei. Zumindest habe die Klägerin erkennen können, dass Änderungen am Versicherungsverhältnis eingetreten seien, die angesichts des weiterlaufenden Bezugs des Zuschusses durch die Beklagte Anlass für eine Rückfrage bei der Krankenkasse bzw. beim Rentenversicherungsträger hätte geben müssen. Eine Mitteilung an die Beklagte über die Änderung im Versicherungsverhältnis sei jedoch nicht erfolgt, obwohl die Klägerin im Antrag auf Beitragszuschuss unterschrieben habe, dass sie jede Änderung mitzuteilen habe. Es sei nicht zu erkennen, dass der Sachverhalt vom Regelfall signifikant abweiche, sodass hier Raum auf Ermessen eröffnet gewesen sei.

14

Mit Urteil vom 18. Januar 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Gemäß § 255 Abs. 2 SGB V seien rückständige Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten, wenn bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben sei. Mithin bestehe die Pflicht zur nachträglichen Einbehaltung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen unabhängig von der Schuldfrage. Selbst wenn der Rentenversicherungsträger den Beitragseinbehalt zunächst schuldhaft unterlassen habe, berühre dies grundsätzlich nicht die Pflicht zur Nachforderung von Beiträgen. Bezüglich der Nachforderung der überzahlten Zuschüsse gehe das Sozialgericht im Einklang mit der Beklagten von dem Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 48 SGB X aus und folge insofern der Begründung der angefochtenen Bescheide der Beklagten.

15

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10. Mai 2011 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 7. Juni 2011 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein Versäumnis der Krankenkasse nicht dazu führen könne, von der Beklagten im Nachhinein belastet zu werden. Damit die rückständigen Beiträge durch die Beklagte einzubehalten wären, müssten diese zunächst einmal an die Krankenkasse abgeführt worden sein. Dies sei bislang nicht geschehen. Weiterhin macht die Klägerin geltend, dass das Sozialgericht den Rückforderungsanspruch hinsichtlich der von der Beklagten gezahlten Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zu Unrecht auf § 48 SGB X gestützt habe. Zum einen habe das Sozialgericht dies nicht näher begründet. Zum anderen könne der Klägerin kein vorwerfbares Verhalten zur Last gelegt werden. Keiner der Tatbestände des § 48 SGB X sei hier erfüllt.

16

Die Klägerin beantragt,

17

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Januar 2011 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. November 2007 und 15. Januar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2008 aufzuheben.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. In den §§ 255 Abs. 2 SGB V, 60 SGB XI werde nicht verlangt, dass sie die Beiträge, die sie nach diesen Vorschriften einbehalten solle, schon vorab an die Krankenkasse/Pflegekasse ausgezahlt haben müsse.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

22

Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist jedoch nur zum Teil begründet.

23

Es handelt sich hier um zwei voneinander getrennt zu betrachtende Streitgegenstände: Zum einen geht es um die Nachforderung der Eigenbeteiligung zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 4.754,01 EUR, zum anderen um die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.302,50 EUR. Die materielle Richtigkeit der Forderungen der Beklagten ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Es geht allein darum, ob die besonderen Voraussetzungen für Nach- bzw. Rückforderungen vorliegen, insbesondere ob Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes entgegenstehen.

24

Soweit die von der Klägerin angefochtenen Bescheide der Beklagten die Eigenbeteiligung zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung nachfordern, sind sie nicht zu beanstanden. Deshalb ist das die Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts insoweit zu Recht ergangen.

25

Die am 1. April 2002 eingetretene Krankenversicherungspflicht hat zur Folge, dass von der Rente entsprechende Beiträge bzw. Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 255 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 60 SGB XI einzubehalten sind. Die Pflicht zur nachträglichen Einbehaltung besteht unabhängig von der Schuldfrage hinsichtlich der in der Vergangenheit unterbliebenen Einbehaltung. Selbst wenn die Beklagte den Beitragseinbehalt zunächst schuldhaft unterlassen hätte, berührt dies ihre grundsätzliche Berechtigung zur Nachforderung der Beiträge nicht (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. September 1989, 12 RK 9/89). Die Nacherhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (a. a. O.) auch nicht den Einschränkungen des SGB X für die Rücknahme oder Änderung von Rentenbescheiden, da es sich hierbei nicht um die Herabsetzung der früher – ohne Abzug entsprechender Beiträge – ausgezahlten Rente handelt. Vielmehr liegt hier eine nachträgliche Erhebung der Beiträge durch Einbehalt von der laufenden Rente vor. Die Rente selbst sowie ihre Rechnungselemente werden davon nicht berührt. Das hat zur Folge, dass hier die in den §§ 45, 48 SGB X enthaltenen Grundsätze zum Vertrauensschutz des Rentenempfängers keine Anwendung finden. Insoweit ist auch ein teilweiser Verzicht auf die Nachforderung entsprechender Beitragsanteile durch die Beklagte ausgeschlossen. Sie ist insoweit lediglich gehalten, die Nachforderung sozial verträglich durchzuführen und soziale Härten zu vermeiden. Die rückständigen Beitragsanteile sind daher dann nicht aus der laufenden Rente einzubehalten, wenn dies für die Klägerin zur Sozialhilfebedürftigkeit führen würde. Dies wäre jedoch von ihr nachzuweisen, was nicht geschehen ist. Die von der Beklagten rückwirkend einzubehaltenden Beitragsanteile wurden der Höhe nach zutreffend festgestellt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Insbesondere hat die Beklagte beachtet, dass für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 31. Dezember 2002 gemäß § 25 SGB IV Verjährung eingetreten ist. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte dürfe die rückständigen Beiträge erst einbehalten, wenn sie diese zuvor an die Krankenkasse/Pflegekasse abgeführt habe, greift nicht durch. Eine entsprechende Verpflichtung lässt sich §§ 255 Abs. 2 SGB V, 60 SGB XI nicht entnehmen.

26

Hinsichtlich der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung sind die Bescheide der Beklagten rechtswidrig und daher ebenso wie das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts auf die Anfechtungsklage der Klägerin hin (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) aufzuheben.

27

Mit dem Eintritt der Versicherungspflicht der Klägerin entfällt nach § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI gleichzeitig der Anspruch auf Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung. Dies gilt für den bis 31. März 2004 gezahlten Zuschuss zur Pflegeversicherung im Rahmen des § 106a SGB VI entsprechend. Die Zahlung des Zuschusses zur Pflegeversicherung ist ausgeschlossen, wenn der Rentner der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 SGB XI unterliegt. Deshalb besteht kein Zweifel daran, dass die Zuschüsse ab 1. April 2002 zu Unrecht an die Klägerin gezahlt wurden. Die Rückforderung dieser Zuschüsse ist nur nach Maßgabe der Grundsätze des SGB X für die Rücknahme oder Änderung von Bescheiden – hier nach dem allein in Betracht kommenden § 48 SGB X – möglich. Danach (Abs. 1) ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden soweit

28
1. die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt,
29
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
30
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde oder
31
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
32

Hier liegen die Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 der Norm vor. Die jeweilige Voraussetzung („Bösgläubigkeit“) liegt im Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse vor, wenn der Betroffene umfassend und rechtzeitig über seine Pflichten, die Anspruchsvoraussetzungen, Wegfallgründe oder die Auswirkungen von Nichtleistungsvorschriften unterrichtet worden ist. Davon ist hier auszugehen, da die Klägerin in ihren Anträgen auf Beitragszuschuss vom 22. April 1993 bzw. 26. August 1993 bestätigt hat, dass sie von der gesetzlichen Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung jeder Änderung in ihrem Krankenversicherungsverhältnis an die Beklagte Kenntnis genommen hat. Zudem ist die Klägerin im Bescheid über die Zuschussbewilligung sowie in den Rentenanpassungsmitteilungen deutlich und in verständlicher Form darauf hingewiesen worden, dass der Beitragszuschuss unter bestimmten Voraussetzungen entfällt und sie verpflichtet ist, solche für den Empfang des Zuschusses wesentlichen Umstände (wie beispielsweise den Eintritt von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung) der Beklagten mitzuteilen. Diesen Pflichten ist die Klägerin nicht nachgekommen. Die Beklagte wurde erst durch eine Meldung der B... im Zuge des Antragsverfahrens zur Witwenrente (Juli 2007) davon informiert, dass ab 1. April 2002 eine Pflichtversicherung vorliegt.

33

Der Senat teilt insoweit auch die Auffassung der Beklagten, dass die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) und dass sie die Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Liegen mithin – wie hier – die tatbestandlichen Voraussetzungen einer oder mehrerer Alternativen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vor, so „soll“ der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden. In der Regel besteht damit eine Verpflichtung auch zur rückwirkenden Aufhebung, wenn nicht ein atypischer Fall gegeben ist, der die Ausübung von Ermessen erforderlich macht. Dabei ist die Entscheidung, ob ein atypischer Fall vorliegt, nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern dieser vorgelagert und damit von den Gerichten in vollem Umfang nachprüfbar. Wurde von der Behörde angenommen, dass kein atypischer Fall vorliegt und deshalb kein Ermessen ausgeübt, ist der Bescheid wegen fehlender Ermessensausübung aufzuheben, wenn die gerichtliche Prüfung ergibt, dass ein atypischer Fall gegeben und das Ermessen nicht auf Null reduziert ist (ständige Rechtsprechung des BSG, siehe Nachweise bei Mertens in Hauck/Noftz, SGB X, K§ 48 Rdn. 68).

34

Von einem atypischen Fall ist regelmäßig dann auszugehen, wenn die Behörde ein Mitverschulden an der rechtswidrigen Leistungsgewährung trifft (vgl. Schütze in von Wulffen SGB X, § 48 Rdn. 21 m. w. N.). Diese Rechtslage hat die Beklagte offenbar erkannt, da sie im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat, dass sich kein (Mit-)Verschulden bei ihr feststellen lasse. Dies trifft zwar zu, lässt aber unberücksichtigt, dass hier ein Verschulden der B... vorliegt, indem diese die Änderung im Krankenversicherungsverhältnis der Klägerin der Beklagten nicht mitgeteilt hat. Die B... hat dieses Verschulden, dessen Hintergründe sich nicht mehr aufklären lassen, selbst gegenüber der Klägerin im Schreiben vom 19. November 2007 eingeräumt. Dieses Verschulden der B... begründet einen atypischen Fall, da sie in den Beitragseinzug als für die Kranken- und Pflegeversicherung zuständiger Sozialversicherungsträger mit eingebunden ist. Bei der Subsumtion unter den Tatbestand „atypischer Fall“ müssen alle in der Sphäre der Beklagten liegenden Gründe berücksichtigt werden, die zu dem unrichtigen Verwaltungshandeln beigetragen haben. Grundsätzlich stellt auch ein (Mit-)Verschulden eines Sozialversicherungsträgers an der Gewährung einer rechtswidrigen Leistung eines anderen Sozialversicherungsträgers einen atypischen Fall dar, weil eine Behörde im Regelfall eben typischerweise pflichtgemäß und nicht schuldhaft handelt. Da die unterbliebene Mitteilung der B... im Regelfall (also typischerweise) zeitnah erfolgt, liegt eine atypische Situation vor. Das im Regelfall funktionierende Zusammenwirken zweier Sozialversicherungsträger hat hier versagt. Das Verschulden der B... wirkt sich mithin zu Lasten der Beklagten aus (vgl. den gleichen Rechtsgedanken beim sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, wonach der Beratungsfehler eines Sozialversicherungsträgers einem anderen Sozialversicherungsträger zugerechnet wird – ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 44/09 R m. w. N.).

35

Der unterlassenen Mitteilung von Seiten der Klägerin und der stillschweigenden Entgegennahme einer Leistung, deren Rechtswidrigkeit die Klägerin ohne Weiteres hätte erkennen können, steht das Versäumnis der B... gegenüber, ohne das es trotz des Verschuldens der Klägerin nicht zur rechtswidrigen Leistung gekommen wäre. Wie es zu dem Versäumnis kommen konnte und wie schwer dieses wiegt, konnte bei der B... nicht mehr aufgeklärt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass die Abläufe bei der B... so organisiert sind, dass eine einfache Fahrlässigkeit eines Einzelnen nicht dazu führen kann, dass die Mitteilung unterbleibt. Bei einer besonderen Nachlässigkeit der Behörde im Sinne grober Fahrlässigkeit muss jedenfalls von einem atypischen Fall ausgegangen werden (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 1986, L 7 RAr 126/84).

36

Im Ergebnis liegt mithin ein atypischer Fall vor, der zur Ausübung des Ermessens zwingt. Ermessen hat die Beklagte, wie sie selbst einräumt, nicht ausgeübt. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist auch nicht anzunehmen. Hieran könnte man nur bei vorsätzlichem Handeln der Klägerin denken. Dies ist jedoch nicht nachzuweisen. Auch die Beklagte geht hiervon nicht aus. Der Ermessensfehlgebrauch der Beklagten im Sinne eines Nichtgebrauchs führt zur Rechtswidrigkeit der Bescheide, die dann auf die Anfechtungsklage hin aufzuheben sind.

37

Deshalb hat die Berufung der Klägerin, soweit sie die Rückforderung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.302,50 EUR durch die Beklagte betrifft, Erfolg.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt angemessen den Erfolg der Klage.

39

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Fertigarzneimittel dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt hat. Satz 1 gilt auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1; L 201 vom 27.7.2012, S. 28), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 oder in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007.

(2) Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die

1.
auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind,
1a.
Arzneimittel sind, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehene Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne von § 4 Absatz 4,
1b.
andere als die in Nummer 1a genannten Arzneimittel sind und für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln
a)
als Zytostatikazubereitung oder für die parenterale Ernährung sowie in anderen medizinisch begründeten besonderen Bedarfsfällen, sofern es für die ausreichende Versorgung des Patienten erforderlich ist und kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht, hergestellt werden oder
b)
als Blister aus unveränderten Arzneimitteln hergestellt werden oder
c)
in unveränderter Form abgefüllt werden,
1c.
antivirale oder antibakterielle Wirksamkeit haben und zur Behandlung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, aus Wirkstoffen hergestellt werden, die von den Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen benannten Stellen für diese Zwecke bevorratet wurden, soweit ihre Herstellung in einer Apotheke zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis oder zur Abgabe an andere Apotheken erfolgt,
1d.
Gewebezubereitungen sind, die der Pflicht zur Genehmigung nach den Vorschriften des § 21a Abs. 1 unterliegen,
1e.
Heilwässer, Bademoore oder andere Peloide sind, die nicht im Voraus hergestellt und nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder die ausschließlich zur äußeren Anwendung oder zur Inhalation vor Ort bestimmt sind,
1f.
medizinische Gase sind und die für einzelne Personen aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln durch Abfüllen und Kennzeichnen in Unternehmen, die nach § 50 zum Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken befugt sind, hergestellt werden,
1g.
als Therapieallergene für einzelne Patienten auf Grund einer Rezeptur hergestellt werden,
2.
zur klinischen Prüfung bestimmt sind oder
3.
unter den in Artikel 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen kostenlos für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können; dies gilt auch für die nicht den Kategorien des Artikels 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugehörigen Arzneimittel; Verfahrensregelungen werden in einer Rechtsverordnung nach § 80 bestimmt.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung ist vom pharmazeutischen Unternehmer zu beantragen. Für ein Fertigarzneimittel, das in Apotheken oder sonstigen Einzelhandelsbetrieben auf Grund einheitlicher Vorschriften hergestellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben wird, ist die Zulassung vom Herausgeber der Herstellungsvorschrift zu beantragen. Wird ein Fertigarzneimittel für mehrere Apotheken oder sonstige Einzelhandelsbetriebe hergestellt und soll es unter deren Namen und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben werden, so hat der Hersteller die Zulassung zu beantragen.

(4) Die zuständige Bundesoberbehörde entscheidet ferner, unabhängig von einem Zulassungsantrag nach Absatz 3 oder von einem Genehmigungsantrag nach § 21a Absatz 1 oder § 42 Absatz 2, auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels, die Genehmigungspflicht einer Gewebezubereitung oder über die Genehmigungspflicht einer klinischen Prüfung. Dem Antrag hat die zuständige Landesbehörde eine begründete Stellungnahme zur Einstufung des Arzneimittels oder der klinischen Prüfung beizufügen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine selbst beschaffte augenärztliche Behandlung mit dem Arzneimittel Avastin (Wirkstoff Bevacizumab).

2

Die 1938 geborene Klägerin war bei der beklagten Krankenkasse (KK) bis zum 31.8.2008 versichert. Sie leidet an einer erheblichen Visuseinschränkung auf dem rechten Auge wegen rezidivierender Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem bei im Zeitraum 2006/2007 nahezu unbeeinträchtigtem Sehen auf dem linken Auge. Sie beantragte (14.9.2006), die Kosten für die intravitreale Injektion von Avastin zu übernehmen. Entsprechend einer Beurteilung von Prof. Dr. H. seien die Voraussetzungen eines Off-Label-Use von Avastin aufgrund eines diabetischen Makulaödems (zystoid persistierend) erfüllt. Avastin ist in Deutschland nur zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen zugelassen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 5.10.2006). Im November 2006, im Januar 2007 und im März 2007 ließ sich die Klägerin ärztlich intravitreal Avastin injizieren und wendete hierfür insgesamt 982,28 Euro auf. Ihr Überprüfungsantrag (12./15.10.2007) blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 18.10.2007; Widerspruchsbescheid vom 10.1.2008). Das SG hat ihre Klage auf Kostenerstattung abgewiesen (Urteil vom 18.9.2008), das LSG ihre Berufung zurückgewiesen. Es fehle für einen Off-Label-Use an dem hierfür erforderlichen Wirksamkeitsnachweis. Es bestehe keine notstandsähnliche Situation und kein Seltenheitsfall (entsprechend BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 - Visudyne). Das Makulaödem trete eher häufig auf und sei deshalb erforschbar bzw sogar erforscht. Das Krankheitsbild der Klägerin könne von entsprechenden Studien "mit umfasst sein" (Urteil vom 25.5.2011).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und mangelhafte Sachverhaltsaufklärung. Zu Unrecht habe das LSG das Vorliegen des Kostenerstattungsanspruchs verneint. Es handele sich bei der rezidivierenden Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem um einen die Therapie mit Avastin rechtfertigenden Seltenheitsfall. Dies sei bei einer Inzidenz von 5 auf 10 000 Personen anzunehmen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011, das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 18. September 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 5. Oktober 2006 zurückzunehmen und ihr 982,28 Euro zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Denn die Klägerin hat gegen die beklagte KK keinen Anspruch auf Zahlung von 982,28 Euro Kosten dreier intravitrealer Injektionen von Avastin aus der hier allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage § 44 Abs 1 SGB X iVm § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(idF durch Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046; vgl dazu 1.). Der Klägerin steht kein Anspruch zu, weil die Avastin-Injektionen nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehören (vgl dazu 2.-5.).

8

1. Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches - hier: § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20) - längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs 4 S 1 SGB X).

9

a) Es bedarf einer Einzelüberprüfung der Anspruchsvoraussetzungen trotz des zwischenzeitlich erfolgten Kassenwechsels der Klägerin. Zwar erlischt nach § 19 Abs 1 SGB V der Anspruch auf Leistungen grundsätzlich mit dem Ende der Mitgliedschaft. Die Vorschrift findet auch bei einem Kassenwechsel Anwendung (vgl BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4 RdNr 12 mwN). Sie führt nach ihrem Sinn und Zweck aber nur zum Erlöschen der Naturalleistungspflicht der früheren Kasse (vgl BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34 RdNr 9 ff unter Aufgabe von BSGE 99, 220 = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 bzgl der Naturalleistungspflicht), nicht jedoch zum Erlöschen bereits entstandener Geldleistungsansprüche wie dem Anspruch auf Kostenerstattung für eine durch die bisherige KK zu Unrecht abgelehnte Leistung (vgl - dies stillschweigend voraussetzend - zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5; entsprechend zu höheren Krg-Ansprüchen zB BSG Urteil vom 10.5.2012 - B 1 KR 26/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; ausdrücklich für einen speziellen Fall BSGE 76, 45 = SozR 3-2500 § 29 Nr 2; vgl allgemein auch E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand November 2011, § 13 SGB V RdNr 82 ff mwN; Helbig in JurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 13 SGB V RdNr 87).

10

b) Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 SGB X sind indes nicht erfüllt. Die Beklagte wandte weder das Recht unrichtig an noch ging sie von einem Sachverhalt aus, der sich als unrichtig erweist, als sie eine Kostenübernahme der Avastin-Injektionen für die Klägerin ablehnte (Bescheid vom 5.10.2006). Der Anspruch auf Kostenerstattung reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl nur BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 mwN - "Lorenzos Öl"). Es fehlt bereits an einem Naturalleistungsanspruch der Klägerin auf intravitreale Avastin-Injektionen.

11

Die Klägerin kann zwar nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig ist, um ihre rezidivierende Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem des rechten Auges zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung ua auch die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V). Das Arzneimittel Avastin ist aber mangels Arzneimittelzulassung für die Erkrankung der Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig (dazu 2.). Es besteht auch kein Anspruch auf eine Versorgung nach den Grundsätzen des Off-Label-Use (dazu 3.), der grundrechtsorientierten Leistungsausweitung (dazu 4.) oder des Seltenheitsfalles (dazu 5.). Da die Klägerin schon das Arzneimittel Avastin nicht als Naturalleistung beanspruchen kann, kommt es auf die weiteren Fragen nicht an, ob intravitreale Injektionen wegen ihrer Besonderheiten (etwa: Eigenarten der Applikation unter Beachtung der Spezifika des Zielgebiets; erforderlicher Hygienestandard; erforderliche Sicherungen für den Fall von Komplikationen) grundsätzlich einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) bedürfen oder - als der Art nach bekannte Anwendungsform einer Pharmakotherapie - gerade nicht (vgl § 135 SGB V),und ob das Fehlen einer ausdrücklichen EBM-Position einem Leistungsanspruch entgegensteht, oder etwa nach dem Rechtsgedanken eines Systemversagens überspielt werden kann (vgl dazu zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17 RdNr 13 f mwN; Hauck, NZS 2007, 461).

12

2. Die Klägerin konnte von der Beklagten Versorgung mit Avastin nach den allgemeinen Grundsätzen nicht verlangen. Versicherte können Versorgung mit vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV grundsätzlich ungeachtet weiterer Einschränkungen (vgl §§ 31, 34 SGB V) nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem sie angewendet werden sollen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 S 3, § 12 Abs 1 SGB V) dagegen nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 S 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche(§ 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 22 mwN - D-Ribose; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 15 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 9 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 ADHS/Methylphenidat).

13

So liegt es hier. Das begehrte Fertigarzneimittel Avastin ist zulassungspflichtig. Es ist weder in Deutschland noch EU-weit als Arzneimittel für die Indikation Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem oder ein übergeordnetes Indikationsgebiet zugelassen, das die genannte Erkrankung mit umfasst. Das steht nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG fest (§ 163 SGG).

14

3. Die Klägerin konnte eine Versorgung mit Avastin auch im Rahmen eines Off-Label-Use zur Behandlung ihres Makulaödems auf Kosten der GKV weder nach § 35c SGB V noch nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung beanspruchen. Für einen Anspruch aus § 35c SGB V liegt - schon mit Blick auf seinen zeitlichen Anwendungsbereich - nichts vor. Entsprechend dem Rechtsgedanken der heute geltenden Anmerkung zu Abschnitt K Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) (AM-RL vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, Nr 49a , zuletzt geändert am 19.1.2012, BAnz AT 30.4.2012 B 3, in Kraft getreten am 1.5.2012) bleiben die allgemeinen, vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV unberührt, wenn - wie hier - ein nicht in der AM-RL geregelter Off-Label-Use betroffen ist (vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - juris RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

15

Die nach diesen Grundsätzen erforderlichen Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27 mwN - Wobe-Mugos E; im Falle des Systemversagens s BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 24 mwN - Neuropsychologische Therapie).

16

An einer aufgrund der Datenlage begründeten Erfolgsaussicht fehlt es. Von hinreichenden Erfolgsaussichten im dargelegten Sinne ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Es müssen also Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sein und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist es zu einer abgeschlossenen, veröffentlichten Studie in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III mit Relevanz für die Erkrankung der Klägerin bisher nicht gekommen.

17

4. Die Klägerin konnte Avastin nach den Grundsätzen einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung zu Lasten der Beklagten ebenfalls nicht verlangen. Der erkennende Senat wendet diese Rechtsfigur für Arzneimittel nur einschränkend unter Beachtung der verfassungskonformen Wertungen des AMG an (vgl zB BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - USK 2007 - 25 RdNr 18 ff; BVerfG SozR 4-2500 § 31 Nr 10 RdNr 9 ff; BVerfG SozR 4-2500 § 31 Nr 17 RdNr 9 ff; dementsprechend Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der GKV - GKV-Versorgungsstrukturgesetz - BR-Drucks 456/11 S 74). Eine grundrechtsorientierte Leistungsauslegung setzt ua zumindest voraus, dass Versicherte an einer Krankheit leiden, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung wertungsmäßig vergleichbar ist (vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 mwN; vgl nunmehr auch § 2 Abs 1a SGB V idF durch Art 1 Nr 1 des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Hierzu zählt etwa der Fall einer drohenden Erblindung (vgl BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31 mwN),nicht aber eine Krankheit unterhalb dieser Schwelle. So kann selbst zB eine hochgradige Beeinträchtigung der Sehfähigkeit nicht mit einer Erblindung auf eine Stufe gestellt werden (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 13 - ICL). An einer so weitgehenden Betroffenheit der Klägerin fehlt es. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)besteht bei ihr eine erhebliche Visuseinschränkung alleine auf dem rechten Auge, während sie mit dem linken Auge nahezu unbeeinträchtigt sehen kann.

18

5. Die Klägerin konnte Avastin auch nach den Grundsätzen eines Seltenheitsfalles nicht beanspruchen. Der erkennende Senat hält im Kern an seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Anforderungen an einen Seltenheitsfall (dazu a) entgegen den Einwendungen der Klägerin (dazu b) fest. Die Behandlung der Klägerin erfüllte die danach maßgeblichen Anforderungen für einen Leistungsanspruch nicht (dazu c).

19

a) Die Rechtsprechung des erkennenden Senats hat zu den Grundsätzen eines Seltenheitsfalles entschieden, dass ein Einzelimport eines Arzneimittels nach § 73 Abs 3 AMG ausnahmsweise zur Leistungspflicht der GKV führen kann, wenn das Mittel zur Behandlung einer einzigartigen Krankheit in einer außergewöhnlichen medizinischen Situation auf diesem Wege legal zu beschaffen ist(BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 23 ff - Visudyne). Hierzu darf das festgestellte Krankheitsbild aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar sein (vgl auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 14 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - Leucinose). Allein geringe Patientenzahlen stehen einer wissenschaftlichen Erforschung nicht entgegen, wenn etwa die Ähnlichkeit zu weit verbreiteten Erkrankungen eine wissenschaftliche Erforschung ermöglicht (BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 31 - Visudyne). Das gilt erst recht, wenn - trotz der Seltenheit der Erkrankung - die Krankheitsursache oder Wirkmechanismen der bei ihr auftretenden Symptomatik wissenschaftlich klärungsfähig sind, deren Kenntnis der Verwirklichung eines der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Ziele der Krankenbehandlung dienen kann. Die Art möglicher wissenschaftlicher Studien über den Nutzen eines Arzneimittels spiegelt sich ua wider - geordnet nach den Stufen erreichbarer Evidenz im Rahmen der heute gesetzlich gebotenen Bewertung des therapeutischen Nutzens - im 4. Kapitel in § 7 Verfahrensordnung des GBA(VerfO vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.06.2009, zuletzt geändert am 19.1.2012, BAnz Nr 36 S 915 vom 2.3.2012, in Kraft getreten am 1.2.2012).

20

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es demgegenüber ausgeschlossen, für die genannten Seltenheitsfälle allein auf die Häufigkeit einer Erkrankung abzustellen (vgl zum Unterschied zwischen einem Seltenheitsfall nach der Rechtsprechung des Senats und "seltenen Erkrankungen" iS des Unionsrechts bzw der Zuerkennung eines "orphan-drug"-Status bereits BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 2, 17 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 5, 14 - Idebenone; kritisch gegenüber der Senatsrechtsprechung Lelgemann/Francke, Bundesgesundheitsbl 2008, 509, 513 ff; vgl auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 14 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - Leucinose: Ursachen, Wirkungen und Therapiemöglichkeiten bekannt trotz einer Inzidenz von 1 auf 200 000 Geburten). Die Besonderheiten seltener Erkrankungen rechtfertigen es grds nicht, die Evidenzanforderungen an Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln für ihre Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV abzusenken. Es bestünde andernfalls die Gefahr, dass das für die Besonderheiten seltener Erkrankungen geschaffene differenzierte Zulassungssystem umgangen wird. Arzneimittelverwendung außerhalb der zugelassenen Indikationen bedeutet, Arzneimittel ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität einzusetzen. Diese Kontrolle soll in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen. Ausnahmen kommen nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung in Betracht, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernisse entgegenwirkt (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 18 mwN - Idebenone; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 33 - Venimmun; BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - USK 2007-25 = juris RdNr 21; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 23 - Visudyne).

21

Eine Absenkung der genannten Evidenzanforderungen erschiene auch deshalb problematisch, weil sich das nationale GKV-Leistungsrecht in Widerspruch zu Wertungen des europäischen Zulassungsrechts für Arzneimittel setzen würde, insbesondere bei einer Ausdehnung der "Seltenheitsfälle" dem Zulassungsrecht für Arzneimittel seine praktische Wirksamkeit nehmen könnte (vgl im Hinblick auf die Unvereinbarkeit nationaler Regelungen mit dem - den notwendigen Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dienenden - unionsrechtlichen Arzneimittelzulassungsrecht zuletzt EuGH Urteil vom 29.3.2012 C-185/10 Kommission/Polen - juris). Es widerspräche der Zielsetzung sowohl der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl L 311 vom 28.11.2001, S 67, zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/62/EU vom 8.6.2011) als auch des deutschen Zulassungsrechts für Arzneimittel. Im Rahmen der Marktzulassung unterliegen Arzneimittel für seltene Leiden grundsätzlich dem "normalen Bewertungsverfahren" (vgl Erwägungsgrund 7 VO [EG] Nr 141/2000 vom 16.12.1999, ABl L 18 vom 22.1.2000, S 1). Denn an seltenen Erkrankungen leidende Patienten haben denselben Anspruch auf Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln wie andere Patienten (kritisch zu den in der Zulassungspraxis angelegten Evidenzanforderungen aber Joppi/Bertele/Garattini, British Journal of Clinical Pharmacology 2009, Bd 67, 494 ff; ferner Dupont/Van Wilder, British Journal of Clinical Pharmacology 2011, Bd 71, 488 ff).

22

Allein der anerkannte Status als Arzneimittel für seltene Leiden rechtfertigt nicht bereits für sich Einschränkungen der grundsätzlich bestehenden Notwendigkeit, umfassende Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels vorzulegen (vgl im Einzelnen EMA, Guideline on procedures for the granting of a marketing authorisation under exceptional circumstances, pursuant to Article 14 (8) of Regulation (EC) No 726/2004 vom 15.12.2005, Dokumentennummer EMEA/357981/2005, S 4). Denn hierfür ist die Prävalenzrate, die über die Anerkennung als seltene Erkrankung insbesondere entscheidet (vgl Art 3 Abs 1 VO [EG] Nr 141/2000 iVm Art 2 der VO [EG] Nr 847/2000 der Kommission vom 27.4.2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe "ähnliches Arzneimittel" und "klinische Überlegenheit", ABl L 103 vom 28.4.2000, S 5), wenig aussagekräftig.

23

Im europäischen Sekundärrecht wird ein Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden ua ausgewiesen, wenn der Investor nachweisen kann, dass a) das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt ist, das lebensbedrohend ist oder eine chronische Invalidität nach sich zieht und von dem zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinschaft nicht mehr als fünf von zehntausend Personen betroffen sind, und b) in der Gemeinschaft noch keine zufriedenstellende Methode für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung des betreffenden Leidens zugelassen wurde oder dass das betreffende Arzneimittel - sofern eine solche Methode besteht - für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen sein wird (vgl Art 3 Abs 1 VO [EG] Nr 141/2000 iVm Art 2 der VO [EG] Nr 847/2000 der Kommission vom 27.4.2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe "ähnliches Arzneimittel" und "klinische Überlegenheit", ABl L 103 vom 28.4.2000, S 5; vgl hierzu auch Dear/Lilitkarntakul/Webb, British Journal of Clinical Pharmacology 2006, Bd 62, 264, 266 ua auch zu der Einführung der Begrifflichkeit sog "ultra-orphan diseases" für Erkrankungen mit einer deutlich geringeren Prävalenzrate als vom europäischen Sekundärrecht gefordert; vgl zu Herkunft und Entwicklung von Begriff und Definition der "seltenen Erkrankungen", insbesondere auch zu dem Versuch, das eigentliche Problem aus Herstellersicht nicht ausreichender Gewinnerwartungen mit Hilfe der Prävalenzrate einer Krankheit abzubilden, Huyard, Sociology of Health & Illness 2009, 463 ff).

24

Dementsprechend gilt das "normale" Verfahren zur Bewertung von Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit grundsätzlich auch für Arzneimittel für seltene Leiden. Die Regelung schließt es nur nicht aus, die besondere Situation seltener Erkrankungen zu berücksichtigen. Das unionsrechtliche Zulassungssystem ist vielmehr im Grundsatz offen für eine Berücksichtigung der beim Nachweis von Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit bei seltenen Erkrankungen bestehenden strukturellen Schwierigkeiten. Nach Nr 4 des Anhangs der VO [EG] Nr 726/2004 vom 31.3.2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl L 136 vom 30.4.2004, S 1, zuletzt geändert durch VO [EG] Nr 470/2009 vom 6.5.2009) sind Arzneimittel, die als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der VO [EG] Nr 141/2000 ausgewiesen sind, von der Union im zentralen Zulassungsverfahren zu genehmigen, um verkehrsfähig zu sein (vgl Art 3 Abs 1 und - für den fakultativen Anwendungsbereich des zentralisierten Zulassungsverfahrens - Abs 2 und 3 VO [EG] Nr 726/2004). Im Hinblick auf die für die Genehmigung vorzulegenden Nachweise verweist Art 6 Abs 1 S 1 VO [EG] Nr 726/2004 ua auf Anhang I der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl L 311 vom 28.11.2001, S 67, zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/62/EU vom 8.6.2011).

25

Nach dem sich mit sog orphan drugs befassenden Teil III Nr 5 des Anhangs I des Gemeinschaftskodexes idF der Richtlinie 2003/63/EG vom 25.6.2003 können für entsprechend der VO [EG] Nr 141/2000 als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesene Arzneimittel die allgemeinen Bestimmungen von Teil II Nr 6 ("Unterlagen bei Anträgen unter außergewöhnlichen Umständen") gelten, wenn der Antragsteller in den präklinischen und klinischen Zusammenfassungen begründet, warum er keine vollständigen Angaben vorlegen kann und er das Nutzen/Risiko-Verhältnis des betreffenden Arzneimittels für seltene Leiden begründet. Nach Teil II Nr 6 kann unter bestimmten spezifischen Auflagen (zB Durchführung eines Versuchsprogramms mit anschließender Neubeurteilung des Nutzen/Risikoprofils, besonderen Anforderungen an die Abgabe des Arzneimittels oder an die Packungsbeilage und die Fachinformation) eine Zulassung erteilt werden, wenn der Antragsteller nachweisen kann, dass er keine vollständigen Auskünfte über die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei bestimmungsgemäßen Gebrauch erteilen kann, weil die Indikationen, für die das betreffende Arzneimittel bestimmt ist, so selten vorkommen, dass dem Antragsteller billigerweise nicht zugemutet werden kann, die vollständigen Angaben vorzulegen (vgl hierzu näher die entsprechenden Leitlinien der EMA, insbesondere den "Guideline on procedures for the granting of a marketing authorisation under exceptional circumstances, pursuant to Article 14 (8) of Regulation (EC) No 726/2004" vom 15.12.2005, Dokumentennummer EMEA/357981/2005). Damit korrespondiert Art 14 Abs 8 S 2 VO [EG] Nr 726/2004. Hiernach kann der Antragsteller im Rahmen einer solchen Genehmigung aufgrund außergewöhnlicher Umstände verpflichtet werden, besondere Verfahren zu schaffen, die insbesondere die Sicherheit des Arzneimittels, die Information der zuständigen Behörden über alle Zwischenfälle im Zusammenhang mit seiner Verwendung und die zu ergreifenden Maßnahmen betreffen. Nach S 3 ist die Aufrechterhaltung einer solchen im Ausnahmefall erteilten Genehmigung von der jährlichen Neubeurteilung ihrer Erteilungsvoraussetzungen abhängig.

26

Aus dem nationalen Zulassungsrecht ergibt sich für einen Antrag auf Zulassung im dezentralen Verfahren nichts Anderes. Die für die Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel (§ 1 AMG)vorzulegenden Zulassungsunterlagen bestimmt insbesondere § 22 AMG. Die dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechenden Anforderungen an diese Unterlagen lassen sich den auf der Grundlage des § 26 AMG erlassenen und zurzeit noch in der Form von Verwaltungsvorschriften geltenden Arzneimittelprüfrichtlinien entnehmen. Art 2 Nr 2 der Zweiten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der Arzneimittelprüfrichtlinien vom 11.10.2004 (BAnz 2004, Nr 197 S 22037) verweist vollständig auf Überschrift und Wortlaut des Anhangs I zur Richtlinie 2001/83/EG ("Gemeinschaftskodex") idF der Richtlinie 2003/63/EG. Auch insoweit besteht - ausgehend von den allgemeinen Anforderungen - lediglich die Möglichkeit einer erleichterten Zulassung unter Auflagen bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände wie dem seltenen Auftreten einer Erkrankung.

27

c) Das LSG hat die danach rechtlich maßgebliche Feststellung, dass die Erkrankung der Klägerin aufgrund ihrer Einzigartigkeit im dargelegten Sinne medizinisch nicht erforschbar ist, im angegriffenen Urteil verneint. Es hat festgestellt, dass das Krankheitsbild der Klägerin erforschbar sei, weil es von Studien zum eher häufig auftretenden Makulaödem "mit umfasst sein" könne. Der Senat ist an diese getroffene Feststellung gebunden, denn die Klägerin hat diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht (vgl § 163 SGG). Soweit sie mit der Revision rügt, das LSG habe es unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) unterlassen, diese Annahme zu überprüfen, hat sie iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben sollen(vgl § 164 Abs 2 S 3 SGG; näher BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 68 ff mwN).

28

Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger deshalb die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 69 mwN; BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 S 50; BSG SozR Nr 40 zu § 103 SGG; BSG SozR Nr 7 zu § 103 SGG). Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem LSG hätte aufdrängen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2010, § 164 RdNr 12a). Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten (vgl BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 30).

29

Die Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie legt mit ihrer Rüge nicht dar, aufgrund welcher Tatsachen sich das LSG zu einer weiteren Tatsachenermittlung hätte gedrängt fühlen müssen. Sie geht nicht darauf ein, dass bereits das SG unter Berufung auf den Zusammenfassenden Bericht des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 22.1.2001 über die Beratungen gemäß § 135 Abs 1 SGB V zur Photodynamischen Therapie (PDT) mit Verteporfin bei altersabhängiger feuchter Makuladegeneration mit subfoveolären klassischen choriodalen Neovaskularisationen die Möglichkeit bejaht hat, das Krankheitsbild der Klägerin zu erforschen. Sie legt nicht dar, mit Blick auf welches Vorbringen sich das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Im Übrigen bezeichnet die Klägerin auch die zu erhebenden Beweismittel nicht konkret.

30

Die Klägerin versäumt es ferner, das Ergebnis der für erforderlich gehaltenen Ermittlungen darzulegen und auszuführen, ob und inwieweit dieses nach dem sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG zu einer anderen Berufungsentscheidung geführt hätte. Diese Ausführungen wären erforderlich gewesen, denn nur so ist für das Revisionsgericht allein aus der Revisionsbegründung ersichtlich, ob das angegriffene Urteil auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann.

31

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Für die Abgabe von Bewertungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind, beruft das Bundesministerium für Gesundheit Expertengruppen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, davon mindestens eine ständige Expertengruppe, die fachgebietsbezogen ergänzt werden kann. Das Nähere zur Organisation und Arbeitsweise der Expertengruppen regelt eine Geschäftsordnung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, die der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit bedarf. Zur Sicherstellung der fachlichen Unabhängigkeit der Experten gilt § 139b Absatz 3 Satz 2 entsprechend. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Expertengruppen mit Bewertungen nach Satz 1 beauftragen; das Nähere regelt er in seiner Verfahrensordnung. Bewertungen nach Satz 1 kann auch das Bundesministerium für Gesundheit beauftragen. Die Bewertungen werden dem Gemeinsamen Bundesausschuss als Empfehlung zur Beschlussfassung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zugeleitet. Bewertungen sollen nur mit Zustimmung der betroffenen pharmazeutischen Unternehmer erstellt werden. Gesonderte Klagen gegen diese Bewertungen sind unzulässig.

(2) Außerhalb des Anwendungsbereichs des Absatzes 1 haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln in klinischen Studien, sofern hierdurch eine therapierelevante Verbesserung der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung im Vergleich zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten zu erwarten ist, damit verbundene Mehrkosten in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten medizinischen Zusatznutzen stehen, die Behandlung durch einen Arzt erfolgt, der an der vertragsärztlichen Versorgung oder an der ambulanten Versorgung nach den §§ 116b und 117 teilnimmt, und der Gemeinsame Bundesausschuss der Arzneimittelverordnung nicht widerspricht. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse ist ausgeschlossen, sofern das Arzneimittel auf Grund arzneimittelrechtlicher Vorschriften vom pharmazeutischen Unternehmer kostenlos bereitzustellen ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist mindestens zehn Wochen vor dem Beginn der Arzneimittelverordnung zu informieren; er kann innerhalb von acht Wochen nach Eingang der Mitteilung widersprechen, sofern die Voraussetzungen nach Satz 1 nicht erfüllt sind. Das Nähere, auch zu den Nachweisen und Informationspflichten, regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6. Leisten Studien nach Satz 1 für die Erweiterung einer Zulassung einen entscheidenden Beitrag, hat der pharmazeutische Unternehmer den Krankenkassen die Verordnungskosten zu erstatten. Dies gilt auch für eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach europäischem Recht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine selbst beschaffte augenärztliche Behandlung mit dem Arzneimittel Avastin (Wirkstoff Bevacizumab).

2

Die 1938 geborene Klägerin war bei der beklagten Krankenkasse (KK) bis zum 31.8.2008 versichert. Sie leidet an einer erheblichen Visuseinschränkung auf dem rechten Auge wegen rezidivierender Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem bei im Zeitraum 2006/2007 nahezu unbeeinträchtigtem Sehen auf dem linken Auge. Sie beantragte (14.9.2006), die Kosten für die intravitreale Injektion von Avastin zu übernehmen. Entsprechend einer Beurteilung von Prof. Dr. H. seien die Voraussetzungen eines Off-Label-Use von Avastin aufgrund eines diabetischen Makulaödems (zystoid persistierend) erfüllt. Avastin ist in Deutschland nur zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen zugelassen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 5.10.2006). Im November 2006, im Januar 2007 und im März 2007 ließ sich die Klägerin ärztlich intravitreal Avastin injizieren und wendete hierfür insgesamt 982,28 Euro auf. Ihr Überprüfungsantrag (12./15.10.2007) blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 18.10.2007; Widerspruchsbescheid vom 10.1.2008). Das SG hat ihre Klage auf Kostenerstattung abgewiesen (Urteil vom 18.9.2008), das LSG ihre Berufung zurückgewiesen. Es fehle für einen Off-Label-Use an dem hierfür erforderlichen Wirksamkeitsnachweis. Es bestehe keine notstandsähnliche Situation und kein Seltenheitsfall (entsprechend BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 - Visudyne). Das Makulaödem trete eher häufig auf und sei deshalb erforschbar bzw sogar erforscht. Das Krankheitsbild der Klägerin könne von entsprechenden Studien "mit umfasst sein" (Urteil vom 25.5.2011).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und mangelhafte Sachverhaltsaufklärung. Zu Unrecht habe das LSG das Vorliegen des Kostenerstattungsanspruchs verneint. Es handele sich bei der rezidivierenden Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem um einen die Therapie mit Avastin rechtfertigenden Seltenheitsfall. Dies sei bei einer Inzidenz von 5 auf 10 000 Personen anzunehmen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Mai 2011, das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 18. September 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 5. Oktober 2006 zurückzunehmen und ihr 982,28 Euro zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Denn die Klägerin hat gegen die beklagte KK keinen Anspruch auf Zahlung von 982,28 Euro Kosten dreier intravitrealer Injektionen von Avastin aus der hier allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage § 44 Abs 1 SGB X iVm § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(idF durch Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046; vgl dazu 1.). Der Klägerin steht kein Anspruch zu, weil die Avastin-Injektionen nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehören (vgl dazu 2.-5.).

8

1. Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches - hier: § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20) - längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs 4 S 1 SGB X).

9

a) Es bedarf einer Einzelüberprüfung der Anspruchsvoraussetzungen trotz des zwischenzeitlich erfolgten Kassenwechsels der Klägerin. Zwar erlischt nach § 19 Abs 1 SGB V der Anspruch auf Leistungen grundsätzlich mit dem Ende der Mitgliedschaft. Die Vorschrift findet auch bei einem Kassenwechsel Anwendung (vgl BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4 RdNr 12 mwN). Sie führt nach ihrem Sinn und Zweck aber nur zum Erlöschen der Naturalleistungspflicht der früheren Kasse (vgl BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34 RdNr 9 ff unter Aufgabe von BSGE 99, 220 = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 bzgl der Naturalleistungspflicht), nicht jedoch zum Erlöschen bereits entstandener Geldleistungsansprüche wie dem Anspruch auf Kostenerstattung für eine durch die bisherige KK zu Unrecht abgelehnte Leistung (vgl - dies stillschweigend voraussetzend - zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5; entsprechend zu höheren Krg-Ansprüchen zB BSG Urteil vom 10.5.2012 - B 1 KR 26/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; ausdrücklich für einen speziellen Fall BSGE 76, 45 = SozR 3-2500 § 29 Nr 2; vgl allgemein auch E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand November 2011, § 13 SGB V RdNr 82 ff mwN; Helbig in JurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 13 SGB V RdNr 87).

10

b) Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 SGB X sind indes nicht erfüllt. Die Beklagte wandte weder das Recht unrichtig an noch ging sie von einem Sachverhalt aus, der sich als unrichtig erweist, als sie eine Kostenübernahme der Avastin-Injektionen für die Klägerin ablehnte (Bescheid vom 5.10.2006). Der Anspruch auf Kostenerstattung reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl nur BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 mwN - "Lorenzos Öl"). Es fehlt bereits an einem Naturalleistungsanspruch der Klägerin auf intravitreale Avastin-Injektionen.

11

Die Klägerin kann zwar nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig ist, um ihre rezidivierende Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem des rechten Auges zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung ua auch die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V). Das Arzneimittel Avastin ist aber mangels Arzneimittelzulassung für die Erkrankung der Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig (dazu 2.). Es besteht auch kein Anspruch auf eine Versorgung nach den Grundsätzen des Off-Label-Use (dazu 3.), der grundrechtsorientierten Leistungsausweitung (dazu 4.) oder des Seltenheitsfalles (dazu 5.). Da die Klägerin schon das Arzneimittel Avastin nicht als Naturalleistung beanspruchen kann, kommt es auf die weiteren Fragen nicht an, ob intravitreale Injektionen wegen ihrer Besonderheiten (etwa: Eigenarten der Applikation unter Beachtung der Spezifika des Zielgebiets; erforderlicher Hygienestandard; erforderliche Sicherungen für den Fall von Komplikationen) grundsätzlich einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) bedürfen oder - als der Art nach bekannte Anwendungsform einer Pharmakotherapie - gerade nicht (vgl § 135 SGB V),und ob das Fehlen einer ausdrücklichen EBM-Position einem Leistungsanspruch entgegensteht, oder etwa nach dem Rechtsgedanken eines Systemversagens überspielt werden kann (vgl dazu zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17 RdNr 13 f mwN; Hauck, NZS 2007, 461).

12

2. Die Klägerin konnte von der Beklagten Versorgung mit Avastin nach den allgemeinen Grundsätzen nicht verlangen. Versicherte können Versorgung mit vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV grundsätzlich ungeachtet weiterer Einschränkungen (vgl §§ 31, 34 SGB V) nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem sie angewendet werden sollen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 S 3, § 12 Abs 1 SGB V) dagegen nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 S 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche(§ 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 22 mwN - D-Ribose; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 15 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 9 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 ADHS/Methylphenidat).

13

So liegt es hier. Das begehrte Fertigarzneimittel Avastin ist zulassungspflichtig. Es ist weder in Deutschland noch EU-weit als Arzneimittel für die Indikation Vaskulitis mit sekundärer epiretinaler Membran und zystoidem Makulaödem oder ein übergeordnetes Indikationsgebiet zugelassen, das die genannte Erkrankung mit umfasst. Das steht nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG fest (§ 163 SGG).

14

3. Die Klägerin konnte eine Versorgung mit Avastin auch im Rahmen eines Off-Label-Use zur Behandlung ihres Makulaödems auf Kosten der GKV weder nach § 35c SGB V noch nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung beanspruchen. Für einen Anspruch aus § 35c SGB V liegt - schon mit Blick auf seinen zeitlichen Anwendungsbereich - nichts vor. Entsprechend dem Rechtsgedanken der heute geltenden Anmerkung zu Abschnitt K Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) (AM-RL vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, Nr 49a , zuletzt geändert am 19.1.2012, BAnz AT 30.4.2012 B 3, in Kraft getreten am 1.5.2012) bleiben die allgemeinen, vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV unberührt, wenn - wie hier - ein nicht in der AM-RL geregelter Off-Label-Use betroffen ist (vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - juris RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

15

Die nach diesen Grundsätzen erforderlichen Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27 mwN - Wobe-Mugos E; im Falle des Systemversagens s BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 24 mwN - Neuropsychologische Therapie).

16

An einer aufgrund der Datenlage begründeten Erfolgsaussicht fehlt es. Von hinreichenden Erfolgsaussichten im dargelegten Sinne ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Es müssen also Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sein und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist es zu einer abgeschlossenen, veröffentlichten Studie in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III mit Relevanz für die Erkrankung der Klägerin bisher nicht gekommen.

17

4. Die Klägerin konnte Avastin nach den Grundsätzen einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung zu Lasten der Beklagten ebenfalls nicht verlangen. Der erkennende Senat wendet diese Rechtsfigur für Arzneimittel nur einschränkend unter Beachtung der verfassungskonformen Wertungen des AMG an (vgl zB BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - USK 2007 - 25 RdNr 18 ff; BVerfG SozR 4-2500 § 31 Nr 10 RdNr 9 ff; BVerfG SozR 4-2500 § 31 Nr 17 RdNr 9 ff; dementsprechend Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der GKV - GKV-Versorgungsstrukturgesetz - BR-Drucks 456/11 S 74). Eine grundrechtsorientierte Leistungsauslegung setzt ua zumindest voraus, dass Versicherte an einer Krankheit leiden, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung wertungsmäßig vergleichbar ist (vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 mwN; vgl nunmehr auch § 2 Abs 1a SGB V idF durch Art 1 Nr 1 des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Hierzu zählt etwa der Fall einer drohenden Erblindung (vgl BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31 mwN),nicht aber eine Krankheit unterhalb dieser Schwelle. So kann selbst zB eine hochgradige Beeinträchtigung der Sehfähigkeit nicht mit einer Erblindung auf eine Stufe gestellt werden (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 13 - ICL). An einer so weitgehenden Betroffenheit der Klägerin fehlt es. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)besteht bei ihr eine erhebliche Visuseinschränkung alleine auf dem rechten Auge, während sie mit dem linken Auge nahezu unbeeinträchtigt sehen kann.

18

5. Die Klägerin konnte Avastin auch nach den Grundsätzen eines Seltenheitsfalles nicht beanspruchen. Der erkennende Senat hält im Kern an seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Anforderungen an einen Seltenheitsfall (dazu a) entgegen den Einwendungen der Klägerin (dazu b) fest. Die Behandlung der Klägerin erfüllte die danach maßgeblichen Anforderungen für einen Leistungsanspruch nicht (dazu c).

19

a) Die Rechtsprechung des erkennenden Senats hat zu den Grundsätzen eines Seltenheitsfalles entschieden, dass ein Einzelimport eines Arzneimittels nach § 73 Abs 3 AMG ausnahmsweise zur Leistungspflicht der GKV führen kann, wenn das Mittel zur Behandlung einer einzigartigen Krankheit in einer außergewöhnlichen medizinischen Situation auf diesem Wege legal zu beschaffen ist(BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 23 ff - Visudyne). Hierzu darf das festgestellte Krankheitsbild aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar sein (vgl auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 14 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - Leucinose). Allein geringe Patientenzahlen stehen einer wissenschaftlichen Erforschung nicht entgegen, wenn etwa die Ähnlichkeit zu weit verbreiteten Erkrankungen eine wissenschaftliche Erforschung ermöglicht (BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 31 - Visudyne). Das gilt erst recht, wenn - trotz der Seltenheit der Erkrankung - die Krankheitsursache oder Wirkmechanismen der bei ihr auftretenden Symptomatik wissenschaftlich klärungsfähig sind, deren Kenntnis der Verwirklichung eines der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Ziele der Krankenbehandlung dienen kann. Die Art möglicher wissenschaftlicher Studien über den Nutzen eines Arzneimittels spiegelt sich ua wider - geordnet nach den Stufen erreichbarer Evidenz im Rahmen der heute gesetzlich gebotenen Bewertung des therapeutischen Nutzens - im 4. Kapitel in § 7 Verfahrensordnung des GBA(VerfO vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.06.2009, zuletzt geändert am 19.1.2012, BAnz Nr 36 S 915 vom 2.3.2012, in Kraft getreten am 1.2.2012).

20

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es demgegenüber ausgeschlossen, für die genannten Seltenheitsfälle allein auf die Häufigkeit einer Erkrankung abzustellen (vgl zum Unterschied zwischen einem Seltenheitsfall nach der Rechtsprechung des Senats und "seltenen Erkrankungen" iS des Unionsrechts bzw der Zuerkennung eines "orphan-drug"-Status bereits BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 2, 17 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 5, 14 - Idebenone; kritisch gegenüber der Senatsrechtsprechung Lelgemann/Francke, Bundesgesundheitsbl 2008, 509, 513 ff; vgl auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 14 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - Leucinose: Ursachen, Wirkungen und Therapiemöglichkeiten bekannt trotz einer Inzidenz von 1 auf 200 000 Geburten). Die Besonderheiten seltener Erkrankungen rechtfertigen es grds nicht, die Evidenzanforderungen an Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln für ihre Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV abzusenken. Es bestünde andernfalls die Gefahr, dass das für die Besonderheiten seltener Erkrankungen geschaffene differenzierte Zulassungssystem umgangen wird. Arzneimittelverwendung außerhalb der zugelassenen Indikationen bedeutet, Arzneimittel ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität einzusetzen. Diese Kontrolle soll in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen. Ausnahmen kommen nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung in Betracht, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernisse entgegenwirkt (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 18 mwN - Idebenone; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 33 - Venimmun; BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - USK 2007-25 = juris RdNr 21; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 23 - Visudyne).

21

Eine Absenkung der genannten Evidenzanforderungen erschiene auch deshalb problematisch, weil sich das nationale GKV-Leistungsrecht in Widerspruch zu Wertungen des europäischen Zulassungsrechts für Arzneimittel setzen würde, insbesondere bei einer Ausdehnung der "Seltenheitsfälle" dem Zulassungsrecht für Arzneimittel seine praktische Wirksamkeit nehmen könnte (vgl im Hinblick auf die Unvereinbarkeit nationaler Regelungen mit dem - den notwendigen Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dienenden - unionsrechtlichen Arzneimittelzulassungsrecht zuletzt EuGH Urteil vom 29.3.2012 C-185/10 Kommission/Polen - juris). Es widerspräche der Zielsetzung sowohl der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl L 311 vom 28.11.2001, S 67, zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/62/EU vom 8.6.2011) als auch des deutschen Zulassungsrechts für Arzneimittel. Im Rahmen der Marktzulassung unterliegen Arzneimittel für seltene Leiden grundsätzlich dem "normalen Bewertungsverfahren" (vgl Erwägungsgrund 7 VO [EG] Nr 141/2000 vom 16.12.1999, ABl L 18 vom 22.1.2000, S 1). Denn an seltenen Erkrankungen leidende Patienten haben denselben Anspruch auf Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln wie andere Patienten (kritisch zu den in der Zulassungspraxis angelegten Evidenzanforderungen aber Joppi/Bertele/Garattini, British Journal of Clinical Pharmacology 2009, Bd 67, 494 ff; ferner Dupont/Van Wilder, British Journal of Clinical Pharmacology 2011, Bd 71, 488 ff).

22

Allein der anerkannte Status als Arzneimittel für seltene Leiden rechtfertigt nicht bereits für sich Einschränkungen der grundsätzlich bestehenden Notwendigkeit, umfassende Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels vorzulegen (vgl im Einzelnen EMA, Guideline on procedures for the granting of a marketing authorisation under exceptional circumstances, pursuant to Article 14 (8) of Regulation (EC) No 726/2004 vom 15.12.2005, Dokumentennummer EMEA/357981/2005, S 4). Denn hierfür ist die Prävalenzrate, die über die Anerkennung als seltene Erkrankung insbesondere entscheidet (vgl Art 3 Abs 1 VO [EG] Nr 141/2000 iVm Art 2 der VO [EG] Nr 847/2000 der Kommission vom 27.4.2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe "ähnliches Arzneimittel" und "klinische Überlegenheit", ABl L 103 vom 28.4.2000, S 5), wenig aussagekräftig.

23

Im europäischen Sekundärrecht wird ein Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden ua ausgewiesen, wenn der Investor nachweisen kann, dass a) das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt ist, das lebensbedrohend ist oder eine chronische Invalidität nach sich zieht und von dem zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinschaft nicht mehr als fünf von zehntausend Personen betroffen sind, und b) in der Gemeinschaft noch keine zufriedenstellende Methode für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung des betreffenden Leidens zugelassen wurde oder dass das betreffende Arzneimittel - sofern eine solche Methode besteht - für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen sein wird (vgl Art 3 Abs 1 VO [EG] Nr 141/2000 iVm Art 2 der VO [EG] Nr 847/2000 der Kommission vom 27.4.2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe "ähnliches Arzneimittel" und "klinische Überlegenheit", ABl L 103 vom 28.4.2000, S 5; vgl hierzu auch Dear/Lilitkarntakul/Webb, British Journal of Clinical Pharmacology 2006, Bd 62, 264, 266 ua auch zu der Einführung der Begrifflichkeit sog "ultra-orphan diseases" für Erkrankungen mit einer deutlich geringeren Prävalenzrate als vom europäischen Sekundärrecht gefordert; vgl zu Herkunft und Entwicklung von Begriff und Definition der "seltenen Erkrankungen", insbesondere auch zu dem Versuch, das eigentliche Problem aus Herstellersicht nicht ausreichender Gewinnerwartungen mit Hilfe der Prävalenzrate einer Krankheit abzubilden, Huyard, Sociology of Health & Illness 2009, 463 ff).

24

Dementsprechend gilt das "normale" Verfahren zur Bewertung von Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit grundsätzlich auch für Arzneimittel für seltene Leiden. Die Regelung schließt es nur nicht aus, die besondere Situation seltener Erkrankungen zu berücksichtigen. Das unionsrechtliche Zulassungssystem ist vielmehr im Grundsatz offen für eine Berücksichtigung der beim Nachweis von Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit bei seltenen Erkrankungen bestehenden strukturellen Schwierigkeiten. Nach Nr 4 des Anhangs der VO [EG] Nr 726/2004 vom 31.3.2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl L 136 vom 30.4.2004, S 1, zuletzt geändert durch VO [EG] Nr 470/2009 vom 6.5.2009) sind Arzneimittel, die als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der VO [EG] Nr 141/2000 ausgewiesen sind, von der Union im zentralen Zulassungsverfahren zu genehmigen, um verkehrsfähig zu sein (vgl Art 3 Abs 1 und - für den fakultativen Anwendungsbereich des zentralisierten Zulassungsverfahrens - Abs 2 und 3 VO [EG] Nr 726/2004). Im Hinblick auf die für die Genehmigung vorzulegenden Nachweise verweist Art 6 Abs 1 S 1 VO [EG] Nr 726/2004 ua auf Anhang I der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl L 311 vom 28.11.2001, S 67, zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/62/EU vom 8.6.2011).

25

Nach dem sich mit sog orphan drugs befassenden Teil III Nr 5 des Anhangs I des Gemeinschaftskodexes idF der Richtlinie 2003/63/EG vom 25.6.2003 können für entsprechend der VO [EG] Nr 141/2000 als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesene Arzneimittel die allgemeinen Bestimmungen von Teil II Nr 6 ("Unterlagen bei Anträgen unter außergewöhnlichen Umständen") gelten, wenn der Antragsteller in den präklinischen und klinischen Zusammenfassungen begründet, warum er keine vollständigen Angaben vorlegen kann und er das Nutzen/Risiko-Verhältnis des betreffenden Arzneimittels für seltene Leiden begründet. Nach Teil II Nr 6 kann unter bestimmten spezifischen Auflagen (zB Durchführung eines Versuchsprogramms mit anschließender Neubeurteilung des Nutzen/Risikoprofils, besonderen Anforderungen an die Abgabe des Arzneimittels oder an die Packungsbeilage und die Fachinformation) eine Zulassung erteilt werden, wenn der Antragsteller nachweisen kann, dass er keine vollständigen Auskünfte über die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei bestimmungsgemäßen Gebrauch erteilen kann, weil die Indikationen, für die das betreffende Arzneimittel bestimmt ist, so selten vorkommen, dass dem Antragsteller billigerweise nicht zugemutet werden kann, die vollständigen Angaben vorzulegen (vgl hierzu näher die entsprechenden Leitlinien der EMA, insbesondere den "Guideline on procedures for the granting of a marketing authorisation under exceptional circumstances, pursuant to Article 14 (8) of Regulation (EC) No 726/2004" vom 15.12.2005, Dokumentennummer EMEA/357981/2005). Damit korrespondiert Art 14 Abs 8 S 2 VO [EG] Nr 726/2004. Hiernach kann der Antragsteller im Rahmen einer solchen Genehmigung aufgrund außergewöhnlicher Umstände verpflichtet werden, besondere Verfahren zu schaffen, die insbesondere die Sicherheit des Arzneimittels, die Information der zuständigen Behörden über alle Zwischenfälle im Zusammenhang mit seiner Verwendung und die zu ergreifenden Maßnahmen betreffen. Nach S 3 ist die Aufrechterhaltung einer solchen im Ausnahmefall erteilten Genehmigung von der jährlichen Neubeurteilung ihrer Erteilungsvoraussetzungen abhängig.

26

Aus dem nationalen Zulassungsrecht ergibt sich für einen Antrag auf Zulassung im dezentralen Verfahren nichts Anderes. Die für die Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel (§ 1 AMG)vorzulegenden Zulassungsunterlagen bestimmt insbesondere § 22 AMG. Die dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechenden Anforderungen an diese Unterlagen lassen sich den auf der Grundlage des § 26 AMG erlassenen und zurzeit noch in der Form von Verwaltungsvorschriften geltenden Arzneimittelprüfrichtlinien entnehmen. Art 2 Nr 2 der Zweiten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der Arzneimittelprüfrichtlinien vom 11.10.2004 (BAnz 2004, Nr 197 S 22037) verweist vollständig auf Überschrift und Wortlaut des Anhangs I zur Richtlinie 2001/83/EG ("Gemeinschaftskodex") idF der Richtlinie 2003/63/EG. Auch insoweit besteht - ausgehend von den allgemeinen Anforderungen - lediglich die Möglichkeit einer erleichterten Zulassung unter Auflagen bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände wie dem seltenen Auftreten einer Erkrankung.

27

c) Das LSG hat die danach rechtlich maßgebliche Feststellung, dass die Erkrankung der Klägerin aufgrund ihrer Einzigartigkeit im dargelegten Sinne medizinisch nicht erforschbar ist, im angegriffenen Urteil verneint. Es hat festgestellt, dass das Krankheitsbild der Klägerin erforschbar sei, weil es von Studien zum eher häufig auftretenden Makulaödem "mit umfasst sein" könne. Der Senat ist an diese getroffene Feststellung gebunden, denn die Klägerin hat diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht (vgl § 163 SGG). Soweit sie mit der Revision rügt, das LSG habe es unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) unterlassen, diese Annahme zu überprüfen, hat sie iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben sollen(vgl § 164 Abs 2 S 3 SGG; näher BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 68 ff mwN).

28

Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger deshalb die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 69 mwN; BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 S 50; BSG SozR Nr 40 zu § 103 SGG; BSG SozR Nr 7 zu § 103 SGG). Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem LSG hätte aufdrängen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2010, § 164 RdNr 12a). Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten (vgl BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 30).

29

Die Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie legt mit ihrer Rüge nicht dar, aufgrund welcher Tatsachen sich das LSG zu einer weiteren Tatsachenermittlung hätte gedrängt fühlen müssen. Sie geht nicht darauf ein, dass bereits das SG unter Berufung auf den Zusammenfassenden Bericht des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 22.1.2001 über die Beratungen gemäß § 135 Abs 1 SGB V zur Photodynamischen Therapie (PDT) mit Verteporfin bei altersabhängiger feuchter Makuladegeneration mit subfoveolären klassischen choriodalen Neovaskularisationen die Möglichkeit bejaht hat, das Krankheitsbild der Klägerin zu erforschen. Sie legt nicht dar, mit Blick auf welches Vorbringen sich das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Im Übrigen bezeichnet die Klägerin auch die zu erhebenden Beweismittel nicht konkret.

30

Die Klägerin versäumt es ferner, das Ergebnis der für erforderlich gehaltenen Ermittlungen darzulegen und auszuführen, ob und inwieweit dieses nach dem sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG zu einer anderen Berufungsentscheidung geführt hätte. Diese Ausführungen wären erforderlich gewesen, denn nur so ist für das Revisionsgericht allein aus der Revisionsbegründung ersichtlich, ob das angegriffene Urteil auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann.

31

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2008 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für ambulante transarterielle Chemoperfusionen und eine Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie (LITT).

2

Der Kläger war Ehemann und ist Erbe der 1927 geborenen und am 24.3.2008 verstorbenen Dr. K. M. (im Folgenden: Versicherte). Er lebte zur Zeit ihres Todes mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt. Die Versicherte, eine ehemalige Zahnärztin, war als Bezieherin einer Regelaltersrente bei der beklagten Krankenkasse (KK) freiwillig versichert. Die Versicherte litt an einem Sigmakarzinom, das sie im Juli 2003 operieren ließ. Kontrolluntersuchungen im Mai und Juni 2005 zeigten einen hepatischen und lymphatischen Progress der Erkrankung. Daraufhin leitete das Krankenhaus N. in F. eine Chemotherapie ein (16.6.2005). Die Versicherte setzte die Behandlung nicht fort. Vertragsarzt Dr. L. überwies sie zur "Chemoembolisation" in das Universitätsklinikum F. zur Mit-/Weiterbehandlung "Leber NPL" (17.6.2005). Chefarzt Prof. Dr. V. war dort mit Einschränkungen ua zur Chemoembolisation ermächtigt (GO-Nr 34286 EBM 2000 plus), nicht aber zur Chemoperfusion (kein Gegenstand des EBM 2000 plus), die er als "lokale Chemotherapie " bezeichnet. Er klärte die Versicherte nach seinen Angaben anlässlich der Untersuchung darüber auf, dass sie die Kosten der beabsichtigten Chemoperfusion selbst tragen müsse, da "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" stattfinde. Weiter vereinbarte er mit ihr bei jeder Behandlungseinheit schriftlich private persönliche Beratung und Behandlung. Die Versicherte beantragte bei der Beklagten, die bei Prof. Dr. V./Universitätsklinikum F. anfallenden Kosten zu übernehmen. Prof. Dr. V. werde bereits am 21.6.2005 mit "einer lokalen Chemotherapie beginnen". Diese werde im Abstand von einem Monat noch zweimal wiederholt, damit der Tumor schrumpfe, um ihn dann "mit Laser-Technik zu vernichten" (18./20.6.2005). Die Beklagte antwortete ua, wenn sie eine Privatbehandlungsvereinbarung treffe, habe sie die Mehrkosten zu tragen. Es sei nicht zu erkennen, ob sie eine Privatbehandlung gewählt habe. Der behandelnde Arzt kläre sie vor Behandlungsbeginn hierüber auf. Die Versicherte erhielt ab 21.6.2005 transarterielle Chemoperfusionen sowie später eine LITT. Sie beantragte, die bereits für den 21.6.2005 gezahlten Behandlungs- und Fahrkosten zu übernehmen (17./19.8.2005). Prof. Dr. V. rechne "prinzipiell nur mit den Patienten direkt ab". Die Rechnungen für den 21.6.2005 wie für die beiden Folgetermine umfassen ua neben Positionen für bildgebende Verfahren die GOÄ-Ziffer 5357 - "Embolisation". Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da die Chemoperfusion keine vertragsärztliche Leistung sei, nur privat abgerechnet werden könne, die Versicherte hierüber aufgeklärt worden sei und Wahlerklärungen - auch für die folgenden Perfusionen - unterschrieben habe (Bescheid vom 22.9.2005). Mit ihrem Widerspruch trug die Versicherte vor, sie benötige dringend die lebensnotwendigen, als Methode etablierten Chemoperfusionen, die keine Wahlleistung seien, mit anschließender Laser-Therapie. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.3.2006). Die Versicherte hat Zahlungsklage erhoben und ihre Erstattungsforderung an den Kläger abgetreten. Das SG hat die Klage abgewiesen: Ambulante Chemoperfusionen seien umstritten und nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) empfohlen. Als Alternative sei eine systemische Chemotherapie möglich gewesen (Urteil vom 17.11.2008).

3

Mit seiner auf Zahlung von 77 700,92 Euro für die Behandlung bis 8.11.2007 nebst Fahrkosten gerichteten Berufung hat der Kläger vorgetragen, Prof. Dr. V. habe nicht darüber aufgeklärt, dass die Chemoperfusion eine Privatleistung sei, "die meine Frau dann unterschrieben habe". Das LSG hat die Beklagte - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - verurteilt, 18 708,87 Euro zu zahlen, Kosten für die vom 21.6. bis 13.9.2005 durchgeführten transarteriellen Chemoperfusionen und für die Fahrten zum Universitätsklinikum. Die Art der Rechtsnachfolge des Klägers sei unerheblich. Die Versicherte habe sich trotz der ihr abgerungenen Unterzeichnung privatärztlicher Behandlungsverträge bis zum Erlass des Bescheides vom 22.9.2005 in dem Glauben befunden, sie erhalte eine Chemoembolisation. Darin liege ein Systemversagen, das zur Kostenerstattung zwinge. Es sei nicht gewährleistet, dass die Zivilgerichte der Beurteilung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit folgten. Nach Bescheiderlass habe die Versicherte nicht mehr geirrt. Auf die weitere erbrachte Behandlung bei Prof. Dr. V. habe sie keinen Naturalleistungsanspruch gehabt, da die Leistungen nicht zur ambulanten Behandlung zugelassen gewesen seien und eine systemische Chemotherapie als zugelassene Alternative zur Verfügung gestanden habe (Urteil vom 28.4.2011).

4

Der Kläger rügt zur Begründung seiner Revision sinngemäß die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und ausdrücklich mangelnde Sachaufklärung. Das LSG hätte Vertrauensschutz gewähren und klären müssen, dass nach Zugang des Bescheides vom 22.9.2005 ein Wechsel zu einer systemischen Chemotherapie noch zumutbar gewesen sei.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 sowie den Bescheid vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 in vollem Umfang aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über die zuerkannten 18 708,87 Euro hinaus weitere 58 992,05 Euro zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, soweit es die Berufung des Klägers zurückgewiesen hat, und insoweit die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen,
sowie
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 in vollem Umfang zurückzuweisen.

7

Sie rügt zur Begründung ihrer Revision die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und sinngemäß, das LSG habe das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend beachtet. Mangels Naturalleistungsanspruchs im Zeitpunkt der Behandlung bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet; die zulässige Revision des Klägers ist dagegen unbegründet. Das LSG-Urteil ist zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das SG-Urteil ist in vollem Umfang zurückzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Behandlung der Versicherten vom 21.6.2005 bis 8.11.2007 aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V(idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Obwohl die Versicherte ihren Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V während des Klageverfahrens an den Kläger abgetreten hat, blieb sie zunächst allein berechtigt, prozessual die Feststellung dieses Anspruchs zu betreiben(vgl entsprechend BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 11 ff und LS 1 mwN). Der Kläger handelte sinngemäß zunächst für die Versicherte. Er ist seit dem Tod der Versicherten als ihr Sonderrechtsnachfolger, nicht aber als Erbe prozessführungsbefugt (zum Begriff vgl BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 15 mwN), den Kostenerstattungsanspruch der Versicherten gerichtlich geltend zu machen (dazu 1.). Der Versicherten stand aber kein Zahlungsanspruch zu, da die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nicht erfüllt sind. Die Versicherte hatte nämlich gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die durchgeführte Krankenbehandlung (dazu 2.). Der abweichenden LSG-Auffassung ist nicht zu folgen (dazu 3.).

10

1. Der Kläger ist prozessführungsbefugt, weil er Sonderrechtsnachfolger der Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V ist. Das folgt aus § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I. Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit der Berechtigten zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es beim Kläger. Bei dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch handelt es sich auch um einen fälligen Anspruch auf laufende Geldleistungen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Kostenerstattungsanspruch auf Geldleistungen gerichtet (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Bestand ein Kostenerstattungsanspruch, war er mit seinem Entstehen fällig (§ 41 SGB I).

11

Der Kostenerstattungsanspruch ist im Rechtssinne auf "laufende" Geldleistungen jedenfalls dann gerichtet, wenn er - wie vorliegend - über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen betrifft. § 56 SGB I ist in diesem Sinne bei Todesfällen in der Zeit ab dem 2.1.2002 auszulegen. Die Regelung ist einer weiten Auslegung zugänglich. Sie kann sogar als Basis einer Analogie dienen (vgl dazu BSG SozR 1500 § 75 Nr 44 S 48). Den Begriff der laufenden Geldleistungen, dem der Begriff der "einmaligen" Geldleistung gegenübersteht, definiert das Gesetz nicht. Nach den Gesetzesmaterialien (Entwurf der Bundesregierung zum SGB I, BT-Drucks 7/868 S 31 zu § 48)handelt es sich um Leistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; sie verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammenfassende Zahlung für mehrere Zeitabschnitte geleistet werden. Das kommt auch für die Kostenerstattungsansprüche nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei Systemmangel in Betracht (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V; § 15 Abs 1 SGB IX). Sie knüpfen daran an, dass der Berechtigte regelmäßig zu einer Vorfinanzierung für mehrere Zeitabschnitte gezwungen ist (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Dem Zweck der Sonderrechtsnachfolge in § 56 SGB I wird es in besonderem Maße gerecht, solche Kostenerstattungsansprüche als Ansprüche auf laufende Geldleistungen anzusehen. Es beschränkt in aller Regel die Lebensführung nicht nur des Leistungsberechtigten, sondern aller Familienangehörigen, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn Ansprüche auf laufende Geldleistung nicht rechtzeitig erfüllt werden (vgl Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 7/868 S 33 zu den §§ 56 bis 59). Das gilt in gleicher Weise regelmäßig für die Fälle, in denen die KK ihre Pflicht zur Naturalleistungsgewährung (§ 2 Abs 2 und § 13 Abs 1 SGB V) nicht erfüllt, der Versicherte sich deshalb die zu beanspruchenden Leistungen selbst beschafft, vorfinanziert und später die Kostenerstattung von der KK erstreitet. Um die dadurch entstandene Benachteiligung auszugleichen, sieht § 56 SGB I in Abweichung vom Erbrecht, aber in Übereinstimmung mit Vorschriften des bis zum Inkrafttreten des SGB I geltenden Rechts und mit der Funktion solcher Leistungen eine Sonderrechtsnachfolge vor. Der Schutzbedarf der durch die Vorschriften der Sonderrechtsnachfolge erfassten Personen hat zwischenzeitlich noch dadurch zugenommen, dass § 183 S 1 SGG(hier idF durch Art 1 Nr 61 des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes <6. SGGÄndG> vom 17.8.2001, BGBl I 2144) seit dem 2.1.2002 allein Sonderrechtsnachfolger hinsichtlich der Gerichtskosten privilegiert, während sonstige Rechtsnachfolger nach § 183 S 2 SGG Kostenfreiheit nur in dem Rechtszug haben können, indem sie das Verfahren aufnehmen(vgl zum Ganzen BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 11 - Ilomedin).

12

Der Vorbehalt abweichender Regelungen (§ 37 SGB I; vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 17)steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Allerdings hatte das vor Inkrafttreten des SGB I geltende Recht der RVO für die GKV - anders als für das Recht der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung (vgl hierzu § 630 und § 1288 RVO, dementsprechend § 65 Angestelltenversicherungsgesetz und § 88 Reichsknappschaftsgesetz) - keine Regelung zur Sonderrechtsnachfolge enthalten. Deshalb nahm auch die Rechtsprechung des BSG zum alten Rechtszustand an, der galt, wenn ein Sozialleistungsberechtigter vor dem Inkrafttreten des SGB I (1.1.1976) gestorben war (vgl Art II § 19 SGB I idF vom 11.12.1975, BGBl I 3015), dass ein Erstattungsanspruch im Wege der Rechtsnachfolge auf die Erben übergeht (vgl BSG Urteil vom 10.10.1978 - 3 RK 11/78 - USK 78126). Die bewusst umfassend getroffene Regelung des § 56 SGB I erfasst dagegen auch das Recht der GKV. Die Besonderheiten dieses Rechtsgebiets erfordern es nicht, Kostenerstattungsansprüche von der Sonderrechtsnachfolge nach dem SGB I auszuschließen. Besondere Überlegungen, die im Recht der Sozialhilfe für den Ausschluss der Sonderrechtsnachfolge oder Modifikationen in Betracht kommen (vgl dazu BVerwGE 96, 18, 22 ff = Buchholz 435.11 § 58 SGB I Nr 2; BSG SozR 4-3500 § 19 Nr 3, RdNr 16 ff mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), greifen insoweit für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V und § 15 Abs 1 SGB IX nicht durch.

13

Der vorliegende Fall unterscheidet sich durch den Tod der Versicherten in der Zeit ab dem 2.1.2002, dem Tag des Inkrafttretens des 6. SGGÄndG, auch wesentlich von jenem, der dem Urteil des 9. Senats des BSG vom 10.12.2003 (vgl BSGE 92, 42 = SozR 4-3100 § 35 Nr 3)zugrunde lag. Jener Rechtsstreit betraf die Erstattung von bis zum Tode des Berechtigten im Jahr 1999 verauslagten Aufwendungen entsprechend § 18 Abs 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit Blick auf Heimpflege nach § 35 Abs 6 BVG. Er war schon vor Inkrafttreten des 6. SGGÄndG rechtshängig geworden, sodass nach dem Übergangsrecht (Art 17 Abs 1 S 2 6. SGGÄndG) noch altes Kostenrecht anzuwenden war.

14

Der erkennende Senat kann diese Rechtsprechung fortführen (vgl grundlegend BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5 - Ilomedin), ohne den Großen Senat anrufen zu müssen. Denn der 3. Senat des BSG hat seine entgegenstehende, abweichende Rechtsauffassung aus den Urteilen vom 3.8.2006 und vom 25.8.2009 (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 10 RdNr 11)auf Anfrage des erkennenden Senats (BSG Beschluss vom 8.11.2011 - B 1 KR 6/11 R) aufgegeben (BSG Beschluss vom 15.3.2012 - B 3 KR 2/11 S).

15

2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten - hier allein in Betracht kommenden - Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind nicht erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war". Der Anspruch aus § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 und 2 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch des Versicherten gegen seine KK. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 8 - Leucinose, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 - Lorenzos Öl; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT). Daran fehlt es.

16

Nach den insoweit unangegriffenen und damit den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte die Versicherte keinen Anspruch auf eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT gegen die Beklagte. Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der Versicherten verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die KKn sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie - wie im vorliegenden Fall - nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei - wie hier - neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 S 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der KKn erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den KKn geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 12 - LITT, stRspr). Es fehlte zur Zeit der Behandlung der Versicherten an einer Empfehlung des GBA für eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT.

17

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 - ICL). Für ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl dazu BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff mwN - LITT; § 135 Abs 1 S 4 und 5 SGB V idF des Art 1 Nr 105 Buchst b des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - vom 26.3.2007, BGBl I 378). Auch die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung sind nicht erfüllt (vgl hierzu zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21 und 29 ff mwN - Tomudex; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - 32 - D-Ribose; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 20 ff mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - Lorenzos Öl; ab 1.1.2012 § 2 Abs 1a SGB V). Es stand nämlich für die Versicherte im maßgeblichen Zeitpunkt Juni 2005 zu Beginn der Behandlung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 28, 33 - LITT) mit der systemischen Chemotherapie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 21 - LITT; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 31 - Tomudex). Entgegen der Auffassung des Klägers stellt sich die Frage nach einem zumutbaren Wechsel von der transarteriellen Chemoperfusion zur systemischen Chemotherapie zu einem späteren Zeitpunkt nicht.

18

3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist es für den Erstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V unerheblich, dass - wovon das LSG ausgeht, was aber die Beklagte angegriffen hat - Prof. Dr. V. angeblich die Versicherte nicht über die Verabreichung von Chemoperfusionen aufgeklärt hat, sodass sie von einer Chemoembolisation ausging. Es bedarf deshalb keiner Vertiefung, ob die Beklagte mit ihrem Vorbringen noch hinreichend sinngemäß als Verfahrensverstoß gerügt hat, dass das LSG bei seiner Annahme das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat (vgl dazu BSG SozR Nr 56 zu § 128 SGG; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012 § 128 RdNr 13 mwN) und dass das LSG mit diesem Verfahrensverstoß die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten hat. Hierfür spricht allerdings, dass es nicht darauf eingegangen ist, dass nach den vom LSG in Bezug genommenen Akteninhalt die Versicherte durch ihren Ehegatten schon am 18.6.2005, nach der Erstuntersuchung bei Prof. Dr. V. am 17.6.2005, Kostenerstattung für eine "lokale Chemotherapie" beantragte - so bezeichnet Prof. Dr. V. die Chemoperfusion; dass die Nachfrage der Beklagten im Sekretariat von Prof. Dr. V. ergab, dass die Versicherte über die nur privat abzurechnende Chemoperfusionen aufgeklärt wurde und entsprechende Wahlerklärungen unterschrieb; dass die Versicherte auf die Wiedergabe dieses Sachverhalts in ihrem Widerspruch nicht etwa überrascht reagierte, sondern ausführte, sie benötige dringend "die lebensnotwendige Chemoperfusion mit anschließender Laser-Therapie. Zu dieser Therapie gibt es keine Alternative"; dass Prof. Dr. V. selbst gegenüber dem SG angab, die Chemoperfusion habe er der Versicherten privat in Rechnung gestellt, weil "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" erfolge, er habe mit der Versicherten eine private Kostenvereinbarung getroffen und ihr vor der Behandlung mit Chemoperfusion die Auskunft erteilt, dass die Kosten selbst getragen werden müssten; schließlich dass der Kläger dem bei Kenntnisnahme während des Klageverfahrens nicht etwa sofort widersprach, sondern die unmittelbar daneben aufgeführte Angabe von Prof. Dr. V. im gleichen Schreiben als entscheidend ansah, die Chemoembolisation wäre zu gefährlich gewesen.

19

Auch wenn man in Widerspruch zum Akteninhalt zugunsten des Klägers unterstellt, der hierzu nicht vom LSG persönlich angehörte Prof. Dr. V. habe die Versicherte nicht darüber aufgeklärt, Chemoperfusionen zu verabreichen, begründet dies entgegen der Auffassung des LSG kein "Systemversagen", welches das Erfordernis des Bestehens eines Primäranspruchs entfallen lässt und zur Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V führt. Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck des § 13 Abs 3 S 1 SGB V geben für die Rechtsauffassung des LSG nichts her, Versicherten seien bei unterlassener ärztlicher Aufklärung über eine durchgeführte, nicht zu Lasten der GKV zu beanspruchende Behandlung Kosten zu erstatten. Schon der Wortlaut der abschließenden Regelung (vgl dazu BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 19 mwN)des § 13 Abs 3 S 1 SGB V knüpft an die Voraussetzung an, dass die KK "eine … Leistung" nicht rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht ablehnte, sie zu erbringen. Dreh- und Angelpunkt des Anspruchs ist die dem Versicherten geschuldete Leistung, hier also die Krankenbehandlung. Die Gesetzesmaterialien belegen Gleiches. Danach ersetzt die Vorschrift den Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die KK eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit … nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen besteht keine Leistungspflicht der KK (vgl insgesamt Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen , BT-Drucks 11/2237 S 164, zu § 13 Abs 2). Sowohl § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 SGB V als auch § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V knüpfen zwingend an die von der KK geschuldete, aber rechtswidrig nicht erbrachte Leistung an(vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; Brandts in Kasseler Komm, Stand April 2012, § 13 SGB V RdNr 52 ff; E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V RdNr 233 ff mwN). Das Regelungssystem des SGB V begründet Ansprüche auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 SGB V)unter Beachtung des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) grundsätzlich nach objektiven Kriterien (vgl beispielhaft für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 30 f; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 19 ff mwN; Hauck, NZS 2007, 461 ff). Besteht die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen, sind diese krankenversicherungsrechtlich auf ihre Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen (§ 12 Abs 1 SGB V). Nur wenn mehrere verschiedene in Betracht kommende Maßnahmen ärztlichen Handelns diesen Anforderungen genügen, hat der versicherte Patient auch hierüber aufgeklärt zu werden und die Auswahl zu treffen (vgl BSG Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R - GesR 2007, 276 RdNr 54). Dieses Regelungssystem sichert die Gleichbehandlung der Versicherten (Art 3 Abs 1 GG) und richtet die Leistungen am Gesichtspunkt der Qualität und Wirtschaftlichkeit aus. Es vermeidet, den Anspruch Versicherter von dem in dieser Hinsicht ungeeigneten Maßstab ärztlicher Pflichtverletzungen abhängig zu machen, wie es bei der Rechtsauffassung des LSG der Fall wäre.

20

Entgegen der Ansicht des LSG entstehen infolge der Regelung des Gesetzgebers keine Rechtsschutzdefizite zu Lasten der Versicherten. Erhalten Versicherte eine GKV-Leistung, müssen sie grundsätzlich hierfür abgesehen von der Zuzahlung nicht zahlen. Zahlen sie dennoch, können sie das Gezahlte im Zivilrechtsweg zurückfordern. Ihre Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, die Versicherten können zudem vom Leistungserbringer, etwa vom Arzt, Schadensersatz fordern (§ 76 Abs 4 SGB V). Deutet sich ein solcher Sachverhalt erst im Rechtsstreit der Sozialgerichtsbarkeit über Kostenerstattung an, kann der Versicherte nach dem SGG zwar nicht dem betroffenen Arzt den Streit verkünden. Das Gericht kann ihn aber - funktional gleichwertig - beiladen, um eine Bindungswirkung seiner Entscheidung zu erreichen (vgl dazu BSGE 40, 130, 132 = SozR 1750 § 41 Nr 1; zur rechtswegübergreifenden Interventionswirkung vgl auch BSGE 109, 133 = SozR 4-1750 § 68 Nr 1).

21

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V ist für einen solchen Fall nicht gedacht. Kosten im Sinne des § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind dem Versicherten in einem solchen Fall nicht dadurch "entstanden", dass seine KK eine Leistung rechtswidrig abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Seine KK kann ihn bei der Rückforderung unterstützen (vgl § 66 SGB V), hat aber nicht die Aufgabe, für solche ärztlichen Pflichtverletzungen nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V einzustehen.

22

Die Regelung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V will vielmehr Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der KK geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht(vgl BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 25). Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will. So lag es nach den LSG-Feststellungen hinsichtlich der Chemotherapie für die Versicherte. Will ein Versicherter dagegen eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen, weiß er, dass er diese - abgesehen von den gesetzlichen Zuzahlungen - frei von Honorar beanspruchen kann.

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§ 13 Abs 3 S 1 SGB V garantiert - wie dargelegt - lediglich, dass Versicherte tatsächlich bestehende Versorgungslücken des Naturalleistungssystems in den gesetzlich bestimmten Fällen zu Lasten der KKn beseitigen können, indem sie sich die geschuldete Leistung selbst verschaffen. Auch die irrige Annahme eines Versicherten, ihm werde eine GKV-Leistung erbracht, obwohl dies nicht der Fall ist, schafft keine Versorgungslücke. Denn die Fehlvorstellung ändert nicht den Umfang des GKV-Leistungskatalogs: Der Versicherte erhält eine Leistung, die er gerade nicht von der GKV beanspruchen kann. Hat der Leistungserbringer die Fehlvorstellung des Versicherten erzeugt, kann der Versicherte erst recht das Gezahlte nach den oben dargelegten Grundsätzen zurückverlangen. Schließt der zutreffend umfassend aufgeklärte Versicherte dagegen über die Leistung von vornherein eine private Honorarvereinbarung ab, begibt er sich des Schutzes des Naturalleistungssystems. Er ist in diesem Fall nicht schutzwürdig.

24

Verletzt der behandelnde Arzt seine Aufklärungspflichten, kann dies zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs des Arztes führen (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 35 - LITT; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18). Sollte der behandelnde Arzt mit Hilfe einer Honorarvereinbarung versuchen, ihn selbst treffende Risiken auf den Versicherten abzuwälzen, kommt nach der Rechtsprechung des Senats auch eine Nichtigkeit der Vereinbarung nach § 32 SGB I in Betracht(vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 26; BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 16 f; BSG Urteil vom 18.7.2006 - B 1 KR 9/05 R - USK 2006-79 - juris RdNr 13; vgl auch die Auflistung der verschiedenen Fallgruppen fehlender Zahlungsverpflichtungen bei E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V, RdNr 267 ff).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, weil der Kläger in seiner Eigenschaft als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I klagt.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, wegen eines Lipödem-Syndroms der Beine im Wege der Kostenerstattung von den Kosten einer ambulanten Liposuktion mit vier Behandlungseinheiten freigestellt zu werden, in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat ua ausgeführt, die ambulante Liposuktion sei nicht Gegenstand einer Sachleistung, weil eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) fehle. Anhaltspunkte für eine grundrechtsorientierte Auslegung, einen Seltenheitsfall oder ein Systemversagen bestünden nicht (Urteil vom 25.8.2011).

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

3

II. Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet. Die Beschwerde ist dementsprechend insgesamt unter Hinzuzuziehung der ehrenamtlichen Richter zurückzuweisen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 1 SGG; vgl BSG Beschluss vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B). Die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen(dazu 1.). Der zulässig geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung liegt nicht vor (dazu 2.).

4

1. Die Klägerin bezeichnet einen Verfahrensmangel nicht ausreichend. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Gemäß § 160a Abs 2 S 3 SGG muss der Verfahrensfehler bezeichnet werden. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin rügt zwar die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG), legt aber die erforderlichen Umstände einer Pflichtverletzung nicht dar. Auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht kann die Zulassungsbeschwerde nämlich nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG; BSG Beschluss vom 30.7.2009 - B 1 KR 22/09 B - RdNr 5). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keinen Vortrag.

5

2. Die Revision ist nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Klägerin legt dies ausreichend dar (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Hierzu wirft die Klägerin sinngemäß die entscheidungserhebliche, allgemein bedeutsame sowie ursprünglich klärungsbedürftig gewesene Rechtsfrage auf, ob eine KK aufgrund der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), insbesondere des Art 6 Abs 1 UN-BRK, eine Fürsorgepflicht hat, für einen Antrag (eines hierzu Berechtigten) auf Einleitung eines Verfahrens zur Bewertung der Liposuktion durch den GBA Sorge zu tragen. Um dem Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zu entsprechen, muss die aufgeworfene Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren indes nicht nur entscheidungserheblich sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung, sondern auch klärungsbedürftig sein (vgl zB SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN; BSG Beschluss vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - Juris RdNr 4 ). Der Rechtssache kommt gemessen an diesen Kriterien keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu. Die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine KK eine Fürsorgepflicht hat, für einen Antrag (durch einen Berechtigten) auf Einleitung eines Verfahrens zur Bewertung der Liposuktion durch den GBA Sorge zu tragen (vgl § 135 Abs 1 S 1 SGB V iVm 2. Kap, 2. Abschn, § 4 Verfahrensordnung des GBA vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009), wirft keinen Klärungsbedarf (mehr) auf.

6

Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt nämlich, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist" (BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38; BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 7). Der erkennende Senat hat - wie vom LSG ausgeführt - bereits entschieden, dass ein Anspruch auf die neue Behandlungsmethode der ambulanten ärztlichen Liposuktion zu Lasten der GKV nicht in Betracht kommt, solange der GBA die neue Methode der Fettabsaugung nicht positiv empfohlen hat (§ 135 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V)oder ein Ausnahmefall vorliegt, in welchem die positive Empfehlung entbehrlich ist (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 13 ff ). Der hier allein in Betracht kommende Ausnahmefall des Systemversagens setzt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats voraus, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (vgl dazu BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 f mwN - LITT). Abgesehen davon, dass schon in tatsächlicher Sicht nicht ersichtlich ist, aufgrund welcher neueren oder schon vorhandenen, aber bislang nicht berücksichtigten medizinischen Erkenntnisse die antragsberechtigten Stellen es versäumt hätten, einen Antrag zu stellen, bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass eine solche Fürsorgepflicht nicht besteht. Ein Klärungsbedarf ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht (mehr) unter Berücksichtigung des Art 25 (dazu a) oder des Art 6 (dazu b) der UN-BRK, der seit dem 26.3.2009 völkerrechtliche Verbindlichkeit für Deutschland gemäß Art 45 Abs 2 UN-BRK und innerstaatlich der Rang eines Bundesgesetzes zukommt (näher dazu BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - SozR 4-1100 Art 3 Nr 69 RdNr 19 f, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen).

7

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist aus Art 25 UN-BRK keine eigenständige, über die Rechtsprechung des BSG zum Systemversagen hinausgehende Pflicht der KK abzuleiten, für die Einleitung eines Bewertungsverfahrens Sorge zu tragen. Ein über das gesetzlich Geregelte hinausgehender Anspruch auf die formelle Einleitung eines ergebnisoffenen GBA-Prüfungsverfahrens ergibt sich weder aus Art 25 S 1 und 2 UN-BRK noch aus Art 25 S 3 Buchst f UN-BRK.

8

Art 25 S 1 und 2 UN-BRK sind nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfen der Umsetzung durch den Gesetzgeber. Nach Art 25 S 1 UN-BRK erkennen die Vertragsstaaten - wie in der Beschwerdebegründung zitiert - an, dass Menschen mit Behinderungen das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund der Behinderung haben. Zudem haben die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechtsspezifischen Gesundheitsdiensten haben. Hiermit können nach dem für das Übereinkommen verbindlichen englischen und französischen Wortlaut - Art 50 UN-BRK - auch Gesundheitsleistungen gemeint sein ("access … to health services that are gender-sensitive"; "l'accès à des services de santé qui prennent en compte les sexospécificités"), einschließlich gesundheitlicher Rehabilitation (Art 25 S 2 UN-BRK). Auf Letzteres nimmt die Klägerin inhaltlich insoweit Bezug als sie sinngemäß meint, die von ihr begehrte Liposuktion sei wegen der psychosozialen Auswirkungen des Lipödems bei Frauen eine geschlechtsspezifische Gesundheitsleistung. Der erkennende Senat hat indes zu Art 25 S 3 Buchst b iVm S 1 und 2UN-BRK zwischenzeitlich - nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist - entschieden, dass diese Normen non-self-executing sind. Nichts anderes gilt für die isolierte Betrachtung des Art 25 S 1 und 2 UN-BRK.

9

Art 25 S 3 Buchst f UN-BRK ist demgegenüber zwar self-executing, wird aber durch die gesetzliche Regelung des Antragsverfahrens für Entscheidungen nach § 135 Abs 1 SGB V nicht verletzt. Durch die Rechtsprechung des erkennenden Senats ist geklärt, dass das Diskriminierungsverbot des Art 5 Abs 2 UN-BRK unmittelbar anwendbares Recht ist (BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - SozR 4-1100 Art 3 Nr 69 RdNr 29, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Das trifft auch auf Art 25 S 3 Buchst f UN-BRK zu. Danach verhindern die Vertragsstaaten die diskriminierende Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung oder -leistungen oder von Nahrungsmitteln und Flüssigkeiten aufgrund von Behinderung. Die rechtliche Reichweite dieses speziellen, auf die Gesundheit bezogenen Diskriminierungsverbots ist ebenfalls - mittelbar durch die Rechtsprechung zum allgemeinen Diskriminierungsverbot - geklärt. Es ergänzt das allgemeine Verbot der Diskriminierung aufgrund von Behinderung des Art 5 Abs 2 UN-BRK und wiederholt es bereichsspezifisch. Das unmittelbar anwendbare allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 5 Abs 2 UN-BRK entspricht für die Leistungsbestimmungen der GKV im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des Art 3 Abs 3 S 2 GG (BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - SozR 4-1100 Art 3 Nr 69 RdNr 30 f, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Dies ist auf Art 25 S 3 Buchst f UN-BRK übertragbar.

10

Sowohl die Regelung des Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt für die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für die vertragsärztliche Versorgung als auch die normative Ausgestaltung seines Verfahrens, insbesondere auch seine Einleitung (vgl § 92 Abs 1 S 2 Nr 1; § 135 Abs 1 S 1 Nr 1; § 140f Abs 2 S 5 SGB V; 2. Kap, 2. Abschn § 4 VerfO), verstoßen nicht gegen das aufgezeigte Diskriminierungsverbot. Die Regelungen knüpfen nicht an eine Behinderung im konventionsrechtlichen Sinne an, sondern an Krankheiten als solche, die weder zu Behinderungen führen müssen noch bereits eingetretene Behinderungen voraussetzen. Allerdings sind noch nicht oder nicht ausreichend diagnostizier- oder therapierbare schwere Erkrankungen faktisch regelmäßig mit daraus resultierenden Behinderungen der Erkrankten assoziiert.

11

Soweit die angegriffene Regelung indes zugleich behinderte Menschen iS des Art 3 Abs 3 S 2 GG oder des Art 1 Abs 2 UN-BRK trifft, ist sie wegen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des GKV-Leistungskatalogs gerechtfertigt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die GKV den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V)unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs 1 S 1 SGB V),und hierbei grundsätzlich Qualität und Wirksamkeit der Leistungen einem Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)unterwirft, das er durch die Regelungen über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden absichert. Auch die Regelungen über die betroffenen Verfahrensvorschriften müssen sich an den unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der UN-BRK messen lassen, weil sie die Möglichkeiten eines geregelten Erkenntnisprozesses mit verbindlichen Folgen für die Gesundheitsversorgung und -leistungen behinderter Menschen beschränken. Hierbei ist die Regelung des Art 2 UN-BRK zu berücksichtigen. Danach erfasst der konventionsrechtliche Begriff der "Diskriminierung aufgrund von Behinderung" auch die Versagung "angemessener Vorkehrungen". Auch dies hat die Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt (vgl BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - SozR 4-1100 Art 3 Nr 69 RdNr 32 ff, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen).

12

Die beteiligten Normgeber haben indessen dem Ziel, Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu vermeiden, bei der Ausgestaltung des Verfahrens Rechnung getragen. Sie haben nämlich neben allen anderen Antragsberechtigten auch dem Deutschen Behindertenrat in Bezug auf Verfahren zur Bewertung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ein Antragsrecht zugebilligt (§ 140f Abs 2 S 5 SGB V). Als maßgebliche Organisation für die Wahrnehmung der Interessen behinderter Menschen ist der Deutsche Behindertenrat berechtigt, das Verfahren der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden einzuleiten (2. Kap, 2. Abschn § 4 Abs 2 Buchst d Spiegelstrich 2 VerfO iVm § 2 Abs 1 Nr 1 Patientenbeteiligungsverordnung). Eine allgemeine Fürsorgepflicht der KK, auf einen Antrag eines Berechtigten hinzuwirken, ist neben dem speziell auf die Belange behinderter Menschen zugeschnittenen Antragsrecht der genannten Patientenorganisation nicht erforderlich.

13

b) Die Rechtsfrage, ob eine KK eine Fürsorgepflicht hat, für einen Antrag (durch einen Berechtigten) auf Einleitung eines Verfahrens zur Bewertung der Liposuktion durch den GBA Sorge zu tragen, wirft nach diesen Grundsätzen auch im Hinblick auf die Regelung des geltend gemachten Art 6 UN-BRK keinen Klärungsbedarf (mehr) auf. Nach Art 6 Abs 1 UN-BRK erkennen die Vertragsparteien an, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt sind, und in dieser Hinsicht Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass sie alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll und gleichberechtigt genießen können. Die Regelung ist im Zusammenhang mit Art 6 Abs 2 UN-BRK zu sehen, wonach die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Sicherung der vollen Entfaltung, der Förderung und der Stärkung der Autonomie der Frauen treffen, um zu garantieren, dass sie die in diesem Übereinkommen genannten Menschenrechte und Grundfreiheiten ausüben und genießen können. Selbst wenn hiernach dem Konventionstext ein auf Frauen und Mädchen mit Behinderung bezogenes unmittelbar anwendbares bereichsspezifisches Diskriminierungsverbot zu entnehmen sein sollte, hätte der nationale Normgeber für das Verfahren zur Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durch das Antragsrecht des Deutschen Behindertenrats eine angemessene Vorkehrung im Sinne von Art 2 UN-BRK getroffen.

14

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.