Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 28. Juli 2014 - L 3 SB 195/13

bei uns veröffentlicht am28.07.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tatbestand

Die 2007 geborene kindliche Klägerin ist schwerbehindert im Sinne von §§ 2 Abs. 2, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Merkzeichens „B“ im Sinne von § 146 Abs. 2 SGB IX streitig.

Die Klägerin leidet an einem Diabetes mellitus, der mit Diät und Insulin einstellbar ist. Auf den Erstantrag vom 03.03.2010 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 05.05.2010 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest, ebenso die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „H“. Mit Bescheid vom 12.09.2012 wurde die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „B“ abgelehnt.

Auf den weiteren Antrag vom 04.10.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10.10.2012 die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „G“ und „B“ ab. Im Hinblick auf beide beantragte Merkzeichen sei darauf hinzuweisen, dass bei Kindern und Jugendlichen für die Beurteilung dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend seien.

Der gesetzliche Vertreter der Klägerin beantragte mit Widerspruch vom 15.10.2012 die Zuerkennung des Merkzeichens „B“. Seine schwerbehinderte Tochter sei unter 16 Jahre alt und bedürfe wegen des Diabetes mellitus der ständigen Begleitung.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2013 zurück. Ein Kind mit einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus habe nur unter den gleichen Bedingungen wie ein Erwachsener Anspruch auf den Nachteilsausgleich „B“. Tagsüber auftretende, häufige hypoglykämische Schockzustände, die eine Begleitung bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erforderlich machen würden, seien durch die ärztlichen Unterlagen nicht nachgewiesen. Hypoglykämien seien nicht beschrieben.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Klage zum Sozialgericht München (SG) vom 15.02.2013 beantragt, das Merkzeichen „B“ zuzuerkennen.

Das SG hat die Schwerbehinderten-Akten des Beklagten beigezogen und Dr. M. zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser ist mit fachinternistischem Gutachten vom 29.04.2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Allgemeininspektion keine Auffälligkeiten bestanden haben. Das altersentsprechend gesund aussehende Kind hat äußerlich keine Symptome gravierender Gesundheitsstörungen im Bereich der inneren Organe und des Bewegungsapparates geboten. Es ist örtlich und zeitlich für das Alter ausreichend orientiert gewesen. Der Gang und das Bewegungsbild sind nicht erkennbar gestört gewesen. Auch psychisch ist es altersentsprechend unauffällig gewesen. Dennoch sei das Merkzeichen „B“ zuzuerkennen. Im vorliegenden Fall bestehe eine so schwerwiegende Erkrankung mit einer hochgradigen Gefährdung durch Unterzuckerung, dass eine ständige Begleitung medizinisch indiziert sei.

Dr. S. hat mit internistisch-versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 16.05.2013 entgegnet, durch die Zuerkennung des Merkzeichens „H“ sei bereits festgestellt worden, dass das Kind aufgrund der Erkrankung als „hilflos“ anzusehen sei und deshalb eine Hilfsperson/Begleitperson benötige, um die Zuckerkrankheit zu überwachen. Hinsichtlich des Merkzeichens „B“ sei entscheidend, ob Erwachsene mit der gleichen Gesundheitsstörung regelmäßig eine Begleitung bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel benötigten. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Dr. M. hat mit Stellungnahme vom 25.06.2013 darauf hingewiesen, die potentiell lebensbedrohlichen Zustände der Unterzuckerung sollten nicht einfach unerfahrenen Mitreisenden in öffentlichen Verkehrsmitteln überlassen werden. Hier seien Begleitpersonen notwendig, die mit solchen Krisensituationen vertraut seien.

Nach Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 01.10.2013 ausgesprochen: Der Bescheid vom 10.10.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2013 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, bei der Klägerin ab Antragstellung das Merkzeichen „B“ zuzuerkennen. Hierbei hat sich das SG auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. mit Gutachten vom 29.04.2013 und ergänzender Stellungnahme vom 25.06.2013 gestützt.

Der Beklagte hebt mit Berufung vom 23.10.2013 hervor, die Argumentation, die bei Diabetes mellitus quasi regelhaft zur Zuerkennung des Merkzeichens „B“ jedenfalls bei Kindern führe, gehe fehl. Dem latenten Hilfebedarf der Klägerin werde durch die Zuerkennung des Merkzeichens „H“ Rechnung getragen, das gerade bei Kindern nach seinen Voraussetzungen insoweit eine generalisierende Betrachtungsweise zulasse. Das Merkzeichen „B“ stehe jedoch nicht zu. Tatsächlich aufgetretene bzw. konkret drohende hypoglykämische Schocks in der Vergangenheit hätten bei der Klägerin aufgrund der verwaltungsseitig betriebenen Sachverhaltsermittlung definitiv ausgeschlossen werden können.

Der Senat zieht die Schwerbehinderten-Akten des Beklagten bei und überträgt mit Beschluss vom 13.11.2013 die Berufung dem Berichterstatter, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern über die Berufung zu entscheiden hat.

Die Bevollmächtigten der Klägerin übermitteln das Diabetes-Tagebuch für den Zeitraum 12.10.2012 bis 28.11.2013. Dr. L. weist mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 17.02.2014 darauf hin, dass in dem genannten Zeitraum nur zwei sicher schwere, einer Fremdhilfe bedürfenden Hypoglykämien am 22.12.2012 und 25.03.2013 belegt seien. An sechs weiteren Tagen seien grenzwertige Werte dokumentiert.

Die gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. D. kommt mit Gutachten vom 28.04.2014 zu dem Ergebnis, dass die Merkzeichen „G“ und „B“ nicht zuständen. Das Blutzuckertagebuch vom 12.10.2012 bis 28.11.2013 habe insgesamt 17 Unterzuckerungen mit Werten von weniger als 50 mg/dl und davon vier Unterzuckerungen mit Werten von weniger als 40 mg/dl gezeigt, die möglicherweise auch bei einem Erwachsenen fremde Hilfe bei der Bewältigung der Hypoglykämien erfordern könnten. Diese Befundlage sei nicht gleichzusetzen mit hirnorganischen Anfällen mittlerer Anfallshäufigkeit.

In Berücksichtigung der von den Bevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.06.2014 aufgeworfenen medizinischen und rechtlichen Fragen weist Dr. D. mit ergänzender Stellungnahme vom 01.07.2014 darauf hin, ein erwachsener Diabetiker mit gleicher Stoffwechsellage, bei dem möglicherweise viermal fremde Hilfe bei Hypoglykämien erforderlich gewesen sein könnte, in einem Zeitraum von zwölf Monaten, zuletzt am 07.07.2013, also zuletzt vor acht Monaten, sei durchaus in der Lage, sich im öffentlichen Straßenverkehr und bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sowohl beim Ein- und Aussteigen, als auch während der Fahrt sicher zu verhalten. Anzumerken sei, dass ein erwachsener Diabetiker mit der Stoffwechsellage, wie sie bei der kindlichen Klägerin vorliege, auch einen Pkw führen dürfe, wenn er sich entsprechend vorbereite. Die weitergehenden Fragen der Klägerbevollmächtigten seien rechtlicher Natur und nicht von sachverständiger Seite aus zu beantworten.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 20.06.2014 insbesondere darauf hingewiesen, sollte der Klägerin das Merkzeichen „B“ verweigert werden, würde dies letztendlich eine unzulässige Diskriminierung wegen ihres jugendlichen Alters darstellen. Die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ seien insoweit nicht mehr anwendbar. Sollte, wie gefordert, tatsächlich bei der Beurteilung des Vorliegens des Merkzeichens „B“ bei Säuglingen und Kleinkindern nicht der Vergleich mit gleichaltrigen Nichtbehinderten zugrunde gelegt werden, sondern der Vergleich mit festgestellten Gesundheitsstörungen bei Erwachsenen, so habe dies das absurde und sicherlich nicht gewollte Ergebnis zur Folge, dass trotz wesentlich höheren Schutzbedürfnisses das Kleinkind im Vergleich zum Erwachsenen deutlich schlechter gestellt werden würde.

In der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2011 stellt der Bevollmächtigte des Beklagten den Antrag, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 01.10.2013 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 10.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2013 abzuweisen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Schwerbehinderten-Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet. Der Senat hat mit Beschluss vom 13.11.2013 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern über die Berufung zu entscheiden hat (§§ 105 Abs. 1, 153 Abs. 5 SGG).

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München (SG) vom 01.10.2013 ist aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 10.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2013 ist abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „B“ im Sinne von § 146 Abs. 2 SGB IX.

Zur Mitnahme einer Begleitperson sind schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind (§ 146 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass Menschen behindert sind, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Nach dem Willen des Gesetzgebers führen alterstypische Beeinträchtigungen somit nicht zu einem Nachteilsausgleich im Sinne des Schwerbehindertenrechts.

Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits mit Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 1/95 (SozR 3-3870 § 4 Nr. 18; BSGE 80, 97 ff.; Breithaupt 1997, 797 ff.) hinsichtlich des dort streitigen Nachteilsausgleichs „RF“ bestätigt: Behinderungsbedingt und damit nach dem Schwerbehindertenrecht auszugleichen sind in der Regel nur solche Nachteile, die einen gleichaltrigen Nichtbehinderten typischerweise nicht treffen. Ob das der Fall ist, ist nach dem Zweck des Nachteilsausgleichs zu beurteilen. Bei einem behinderten Kleinkind können die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „RF“ grundsätzlich nicht vor Vollendung des zweiten Lebensjahres vorliegen.

In Fortführung dieser Rechtsprechung hat das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 28.05.1998 - L 7 SB 140/97 (juris) zur Frage der Zuerkennung der Merkzeichen „G“ und „B“ bei einem dreijährigen an Diabetes mellitus erkrankten Kind ausgeführt: Zur Annahme einer erheblichen Einschränkung der Bewegungsfähigkeit genügt es nicht, dass der Behinderte jederzeit mit der Möglichkeit einer gravierenden Einschränkung der Bewegungsfähigkeit durch das Auftreten eines entsprechenden akuten Zustandes rechnen muss. Vielmehr ist die tatsächliche Feststellung einer dauerhaften Einschränkung und nicht nur die theoretische oder gegebenenfalls sogar wenig wahrscheinliche Möglichkeit ihres jederzeitigen Eintretens in Form eines Notfalles erforderlich. Deshalb muss bei einem Anfallsleiden aufgrund der hohen Anfallsfrequenz die abstrakte Gefahr zu einer konkreten geworden sein, deren Eintritt aufgrund objektiver Kriterien, z. B. wegen der Anfallshäufigkeit oder wegen früheren Auftretens zahlreicher Anfälle überwiegend im Freien, jederzeit gut möglich erscheinen. Bei einem behinderten Kleinkind ist bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches „G“ vorliegen, als Vergleichsmaßstab nicht auf den Gesundheitszustand eines gleichaltrigen gesunden Kleinkindes abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob die bei dem Kleinkind festgestellten Gesundheitsstörungen bei einem Erwachsenen die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs „G“ rechtfertigen würden, also die Gesundheitsstörungen die entsprechenden Funktionen eines erwachsenen Behinderten im erforderlichen Ausmaß beeinträchtigen würden. Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „B“ bei einem behinderten Kleinkind vorliegen, sind dieselben Kriterien wie bei einem Erwachsenen anzunehmen.

Auch hinsichtlich des hier streitigen Merkzeichens „B“ sind gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in Verbindung mit § 30 Abs. 1 und 16 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ (Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung in der jeweiligen Fassung) zugrunde zu legen. Sie haben die vormals geltenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996 ff., 2008“ mit Wirkung zum 01.01.2009 abgelöst.

Die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ entsprechen auch in Teil D Rz. 2 den gesetzlichen Vorgaben in §§ 146 Abs. 2, 2 Abs. 1 SGB IX und der hierzu ergangenen Rechtsprechung, wenn dort normiert ist: Für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson ist nach dem SGB IX die Berechtigung für eine ständige Begleitung zu beurteilen. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern ist die gutachtliche Beurteilung der Berechtigung für eine ständige Begleitung erforderlich. Für die Beurteilung sind dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend. Es ist nicht zu prüfen, ob tatsächlich diesbezüglich behinderungsbedingte Nachteile vorliegen oder behinderungsbedingte Mehraufwendungen entstehen. Eine Berechtigung für eine ständige Begleitung ist bei schwerbehinderten Menschen (bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen „G“, „GL“ oder „H“ vorliegen) gegeben, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Dementsprechend ist zu beachten, ob sie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels angewiesen sind oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen (z. B. bei Sehbehinderung, geistiger Behinderung) erforderlich sind. Die Berechtigung für eine ständige Begleitung ist anzunehmen bei Querschnittsgelähmten, Ohnhändern, Blinden und Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist.

Hiervon ausgehend hat die Sachverständige Dr. D. mit internistischem Fachgutachten vom 28.04.2014 das vorgelegte Diabetestagebuch für den Zeitraum 12.10.2012 bis 28.11.2013 ausgewertet. Das Blutzuckertagebuch vom 12.10.2012 bis 28.11.2013 zeigt insgesamt 17 Unterzuckerungen mit Werten von weniger als 50 mg/dl und davon 4 Unterzuckerungen mit Werten von weniger als 40 mg/dl, die möglicherweise auch bei einem Erwachsenen fremde Hilfe bei Bewältigung der Hypoglykämien erfordern könnten. Die Sachverständige Dr. D. weist darauf hin, dass die kindliche Klägerin an einem Diabetes mellitus mit schwankender, jedoch weitgehend stabiler Stoffwechsellage mit häufigen leichteren Hypoglykämien leidet, jedoch seltenen schwerwiegenden Hypoglykämien, die bei einem Erwachsenen mit entsprechender Stoffwechsellage fremde Hilfe erfordern würden. Die kindliche Klägerin habe unter der kompetenten und umsichtigen Betreuung durch ihre Eltern mit engmaschigen Blutzuckerkontrollen bislang keine eigenständig nicht kontrollierbaren Unterzuckerungen, keine comatösen Zustände und keine Ohnmachtsanfälle erlitten.

In Beantwortung der medizinischen Fragen, die die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.06.2014 gestellt haben, hat die Sachverständige Dr. D. mit Stellungnahme vom 01.07.2014 ergänzend ausgeführt, dem kinderärztlichen Befund des Dr. D. vom 22.03.2010 ist zu entnehmen, dass vier- bis sechsmal täglich Insulin gespritzt und regelmäßig Blutzucker gemessen wird. Ausdrücklich wird angegeben, dass eine körperliche Beeinträchtigung nicht vorliegt und die kindliche Klägerin an allen Aktivitäten des sozialen und täglichen Lebens teilnehmen kann. Dem pädiatrischen/diabetologischen Befund von Prof. Dr. K. vom 31.01.2012 ist zu entnehmen, dass leichte Hypoglykämien auftraten, die Insulindosierung optimal ist. Dem Blutzuckertagebuch ist zu entnehmen, dass seit 20.07.2013 bei täglich mehrfachen Blutzuckermessungen (bis zu zwölf Messungen) am Tag keine Unterzuckerungen von weniger als 50 mg/dl aufgetreten sind. Im Zeitraum von mehr als einem Jahr sind somit vier Hypoglykämien aufgetreten, zumeist in Zusammenhang mit besonderen Situationen, Untersuchungen. Dem Blutzuckertagebuch ist nicht zu entnehmen, ob bzw. wann Infekte oder Magen-Darm-Probleme komplizierend hinzugetreten sind. Ein erwachsener Diabetiker mit dieser Stoffwechsellage, bei dem möglicherweise viermal fremde Hilfe bei Hypoglykämien erforderlich gewesen sein könnte, in einem Zeitraum von zwölf Monaten, zuletzt am 07.07.2013, also zuletzt vor acht Monaten, ist durchaus in der Lage, sich im öffentlichen Straßenverkehr und bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sowohl beim Ein- und Aussteigen, als auch während der Fahrt sicher zu verhalten. Eine Vergleichbarkeit mit epileptischen Anfällen mittlerer Häufigkeit ist nicht gegeben. Darüber hinaus ist anzumerken, dass ein erwachsener Diabetiker mit der Stoffwechsellage, wie sie bei der kindlichen Klägerin vorliegt, bei entsprechender Vorbereitung auch einen Pkw fahren dürfe.

Dementsprechend ist die kindliche Klägerin bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung nicht regelmäßig auf Hilfe im Sinne von § 146 Abs. 2 Satz 1 SGB IX angewiesen. Das Merkzeichen „B“ steht ihr nicht zu.

Soweit die Bevollmächtigten der Klägerin hierin eine unzulässige Diskriminierung wegen ihres jugendlichen Alters sehen, ist dies nicht durchgreifend. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX normiert hat, dass Menschen behindert sind, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Denn Säuglinge und Kleinkinder sind in natürlich verstandenem Wortsinne grundsätzlich hilflos, ohne dass ihnen jedoch das Merkzeichen „H“ im Sinne von § 33b Einkommensteuergesetz (EStG) zusteht. Im Falle der kindlichen Klägerin resultiert die Zuerkennung des Merkzeichens „H“ aus der Erkrankung Diabetes mellitus, die im Alter bis zu 16 Jahren dem generellen, latent vorhandenen Hilfebedarf der Klägerin Rechnung trägt. Insoweit gehen die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ in Teil A Rz. 5 von einer generalisierenden Betrachtungsweise aus. Hinsichtlich weiterer Merkzeichen (hier des streitigen Merkzeichens „B“) kommt es jedoch auf einen konkreten, regelmäßigen Hilfebedarf bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel an, welcher nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vorliegt.

Insoweit geht der erstinstanzlich gehörte Sachverständige Dr. M. mit fachinternistischem Gutachten vom 29.04.2013 und ergänzender Stellungnahme vom 25.06.2013 nicht von den rechtlich normierten Vorgaben aus, sondern von medizinisch Wünschenswertem.

Im Übrigen ist anzumerken, dass auch in anderen Rechtsgebieten wie z. B. dem Pflegeversicherungsrecht (§ 15 Abs. 2 SGB XI) das Problem bekannt ist, das Kinder einen „natürlichen“ Hilfebedarf haben. Wenn der Gesetzgeber im Rahmen des Schwerbehindertenrechts hierfür keine gesonderten Nachteilsausgleiche vorsieht (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX), stellt dies keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht dar. Insbesondere ist das in Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) normierte Sozialstaatsprinzip nicht verletzt. Entsprechendes gilt für die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. 2008, 2. Teil, S. 1499 ff.).

Weiterhin setzt die Zuerkennung des Merkzeichens „B“ regelmäßig das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung (= Merkzeichen „G“ im Sinne von §146 Abs. 1 SGB IX) voraus (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 6/86 in Thannheiser/Wende/Zech, Handbuch des Bundesversorgungsrechts, BSG-Rspr. § 59 SchwbG/§ 145 SGB IX Seite 1; BSG, Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 zur Entziehung der Merkzeichen „B“ und „G“ wegen Änderung der Verhältnisse in SozR 3-1300 § 48 Nr. 57; BSGE 79, 223 ff.; Breithaupt 1997, 457 ff.). Insoweit hat die gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. D. mit internistischem Fachgutachten vom 28.04.2014 auch ausgeführt, dass die kindliche Klägerin nicht erheblich gehbehindert im Sinne von § 146 Abs. 1 SGB IX ist.

Nach alledem ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 01.10.2013 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 10.10.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2013 abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Tenor Der Bescheid vom 13.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2017 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach. 1Tatbestand: 2Streitgegenständlich ist Herabsetzung des festgestel

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Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.