vorgehend
Sozialgericht Würzburg, S 5 U 165/12, 27.12.2012

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 27.12.2012 und der Bescheid vom 25.11.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2012 werden aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Veranlagung der Klägerin in dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen neuen Gefahrtarif der Beklagten.

Die Klägerin ist in das Mitgliedsverzeichnis der Beklagten eingetragen, wobei als Hauptunternehmen „Malerarbeiten aller Art“ zugrunde gelegt wurden. Nachdem die Beklagte die Klägerin im vor dem 01.01.2012 gültigen Gefahrtarif dem Gewerbezweig „Bauausbau“ sowie Büroteil des Unternehmens zugerechnet hatte, veranlagte sie die Klägerin ab 01.01.2012 mit Bescheid vom 25.11.2011 in der Gefahrtarifstelle 100 (Gewerbezweig: Bauwerksbau) mit der Gefahrklasse 15,12 sowie in der Gefahrtarifstelle 900 (Gewerbezweig: Büroteil des Unternehmens) mit der Gefahrklasse 0,44. Den hiergegen gerichteten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnen sei. Sie gehöre der Malerinnung sowie der Urlaubskasse des Maler- und Lackierhandwerks an. Dementsprechend bitte sie um die Eingruppierung in die Tarifstelle 200 (Gewerbezweig: Bauausbau und Fertigteilherstellung) mit der Gefahrklasse 7,48.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Betriebsprüfung bei der Klägerin, die am 26.01.2012 durchgeführt wurde. Mit Schreiben vom 03.02.2012 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über das Ergebnis der Betriebsprüfung und führte aus, dass die Klägerin ab dem 01.01.2012 zu 100 Prozent Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) anbringe. Die Beklagte erhob mit Beitragsvorschussbescheid vom 20.04.2012 einen Gesamtvorschuss in Höhe von 160.707,65 Euro für das Beitragsjahr 2013. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.11.2011 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2012 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 25.06.2012 beim Sozialgericht Würzburg (SG) Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Veranlagungsbescheides vom 25.11.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2012 verfolgt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.12.2012 abgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und damit begründet, dass WDVS-Beschichtungen dem Außenputzbereich und daher die Klägerin nicht dem Bauwerksbau zuzuordnen seien. Die WDVS würden sach- und fachgerecht durch Betriebe des Maler- und Lackierhandwerks ausgeführt und nicht von Fassadenbaubetrieben und fielen unter die Tarifstelle 200 (Bauausbau und Fertigteilherstellung). Die Eingruppierung sei von der Begriffsbestimmung her falsch, da sich die Klägerin nicht mit Fassadenbau befasse, sondern lediglich WDVS aufbringe und kein Bauwerk errichte. Ein Bauwerk sei eine von Menschen errichtete Konstruktion mit ruhendem Kontakt zum Untergrund. Es sei in der Regel für langfristige Nutzungsdauer konzipiert. Durch die nachträgliche Anbringung von WDVS werde kein Bauwerk erstellt. Es liege lediglich ein Bauausbau vor. WDVS stellten lediglich eine Isolierung dar und isolierten, ohne selbst ein Bauwerk zu sein, gegen Wärme, Kälte, Schall und Brand. Neben den WDVS würden von der Klägerin auch andere Malerarbeiten verrichtet, die in einem völlig normalen Malerbetrieb anfallen würden. Allein aufgrund der Gesamtstruktur des Unternehmens - es würden mehrere Malermeister beschäftigt, die allesamt der Malerinnung und der Urlaubskasse des Maler- und Lackierhandwerks angehören - sowie der Tatsache, dass kein Bauwerksbauer beschäftigt sei, sei die Eingruppierung falsch.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 27.12.2012 und den Bescheid vom 25.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 27.12.2012 zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte trägt vor, in der Erläuterungstabelle zu Teil III des Gefahrtarifs (die zwar der Vertreterversammlung am 22.06.2011 bei der Beschlussfassung bekannt gewesen, von dieser aber nicht mitbeschlossen worden sei) sei ausgeführt, dass der Fassadenbau auch alle Außenwandbekleidungen einschließlich Wärmedämmungen umfasse. Die von der Klägerin angeführten Unterscheidungen des Fassadenbaus seien im Gefahrtarif 2012 nicht vorgesehen. Bei der unter Teil III der Tarifstelle 100 und damit dem Gewerbezweig Bauwerksbau in Klammern aufgeführten Aufzählung (Hoch-, Brücken-, Tunnel- und Gerüstbau, Dach- und Zimmerarbeiten u. a.) handele es sich nicht um weitere Gewerbezweige, sondern lediglich um Teilbereiche. Gewerbezweig sei bei der Tarifstelle 100 ausschließlich der Bauwerksbau. Die Aufzählung sei nicht vollständig, was mit dem Hinweis „u. a.“ zum Ausdruck komme. Der unter dem Gewerbezweig „Bauausbau und Fertigteilherstellung“ als Teilbereich aufgeführte Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz beziehe sich ausschließlich auf Arbeiten in Bauwerken (Erläuterungstabelle zu Teil III des Gefahrtarifs). Die Zugehörigkeit zu einer Innung oder Urlaubskasse sei bei der Veranlagung zu den Gefahrklassen nach dem Gefahrtarif unerheblich. Ebenso komme es bei der Zuordnung zu dem Gewerbezweig Bauwerksbau nicht darauf an, dass ein Bauwerk errichtet werde. Nach der Erläuterungstabelle zu Teil III des Gefahrtarifes beinhalte der Bauwerksbau neben der Errichtung von Bauwerken auch deren Erhaltung, den Umbau und die Sanierung von Bauwerken und Bauwerkteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG), und damit zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Denn die zwischen den Beteiligten streitige Veranlagung der Klägerin zum Gefahrtarif 2012 der Beklagten war rechtswidrig, so dass auf die Anfechtungsklage der Klägerin hin die allein verfahrensgegenständlichen Bescheide vom 25.11.2011 und vom 24.05.2012 (Widerspruchsbescheid) aufzuheben waren. Die Klägerin war nicht in die Tarifstelle 100 (Gewerbezweig: Bauwerksbau) mit der Gefahrklasse 15,12 zu veranlagen.

1. Verfahrensgegenständlich sind allein die Bescheide vom 25.11.2011 und 24.05.2012. Dies ergibt sich aus den eindeutig gestellten Anträgen der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufungsinstanz. Über den Beitragsvorschussbescheid vom 24.02.2012 und etwaige andere Beitragsbescheide hatte der Senat daher nicht zu entscheiden. Diese Bescheide sind auch nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil die Beitragsbescheide den Veranlagungsbescheid weder abändern noch ersetzen (vgl. dazu Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 05.07.2005 - B 2 U 32/03 R).

2. Rechtsgrundlage für die Veranlagung eines Unternehmens ist § 159 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), wonach der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen veranlagt. Der Unfallversicherungsträger erstellt einen Gefahrtarif als autonomes Recht, in dem zur Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr Gefahrklassen festzustellen sind (§ 157 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII). Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrgemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleiches gebildet werden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind der Finanzbedarf, die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen (§ 153 Abs. 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs. 3 SGB VII). Der Gefahrtarif und jede seiner Änderungen bedürfen der Genehmigung des Bundesversicherungsamtes als Aufsichtsbehörde (§ 158 Abs. 1 SGB VII).

Den Gefahrtarif 2012, den die Vertreterversammlung der Beklagten am 22.06.2011 beschlossen und das Bundesversicherungsamt am 05.07.2011 genehmigt hat, hat die Beklagte zwecks Zuteilung der Unternehmensarten zu den Gefahrklassen in 10 Gefahrtarifstellen untergliedert, wobei er folgende in dem Streitverfahren relevante Gefahrtarifstellen vorsieht: Gefahrtarifstelle 100, Gewerbezweig Bauwerksbau, Gefahrklasse 15,12 und Gefahrtarifstelle 200, Gewerbezweig Bauausbau und Fertigteilherstellung, Gefahrklasse 7,48. Teil II Nr. 1 Abs. 1 des Gefahrtarifs 2012 regelt: Die Veranlagung eines Unternehmens zur Gefahrklasse wird durch seine Zugehörigkeit zu einer Unternehmensart bestimmt. Die Zugehörigkeit zu einer Unternehmensart richtet sich ausschließlich nach Art und Gegenstand des Unternehmens. Die Zuordnung zu einer spezielleren Unternehmensart geht der Zuordnung zu einer allgemeinen Unternehmensart vor.

Der Gefahrtarif 2012 der Beklagten unterliegt gerichtlicher Kontrolle. Der als Satzung erlassene Gefahrtarif (BSG, Beschluss vom 30.11.2006 - B 2 U 410/05) ist als autonomes Recht von den Gerichten nur daraufhin überprüfbar, ob er mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist. Denn dem Unfallversicherungsträger ist innerhalb der gesetzlichen Grenzen ein gerichtlich nicht überprüfbarer Gestaltungsspielraum eingeräumt (BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R m. w. N.), innerhalb dessen er sich für die seines Erachtens zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste gefahrtarifliche Regelung entscheiden darf. Ähnlich wie dem Gesetzgeber ist den ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften als Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung, somit auch den Trägern der Sozialversicherung, ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen. Als gesetzliche Vorgaben sind die in §§ 152 f, 157, 162 SGB VII zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen und Wertentscheidungen sowie die tragenden Grundsätze des Unfallversicherungsrechts zu beachten. Bei komplexen und sich sprunghaft entwickelnden Sachverhalten ist dem Unfallversicherungsträger ein zeitlicher Anpassungsspielraum zuzubilligen, um weitere Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln in den Regelungen abzuhelfen. Aufgrund dieser eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungsbefugnis kann nicht jeder Fehler Beachtung finden. Die Bildung des Gefahrtarifs muss aber auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen. Denn Veranlagungs- und Beitragsbescheide sind eingreifende Verwaltungsakte, die nur auf einer klaren rechtlichen und tatsächlichen Grundlage erlassen werden dürfen (BSG, Urteil vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94). Im Rahmen ihrer Satzungsautonomie und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben hat sich die Beklagte - wie die gewerblichen Unfallversicherungsträger allgemein - in nicht zu beanstandender Weise entschlossen, den Gefahrtarif nach Gewerbezweigen zu gliedern, da dieser Grundsatz mit den Zielvorstellungen und Wertentscheidungen der Gesetze und der Verfassung vereinbar ist (ständige Rechtsprechung, BSG, Urteil vom 21.03.2006 - a. a. O. m. w. N.). Denn ein Gewerbezweigtarif rechtfertigt sich aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und Präventionserfordernisse bei technologisch verwandten Betrieben. Für deren Zuordnung zu einer Gefahrtarifstelle kommt es neben Art und Gegenstand des Unternehmens entscheidend auf die im Unternehmen anzutreffenden Arbeitsbedingungen an, wobei alle das Gefährdungsrisiko beeinflussenden Faktoren einzubeziehen sind.

Der Gefahrtarif 2012 begegnet weder im Hinblick auf das Gewerbezweigprinzip noch hinsichtlich der Aufgliederung in 10 Gefahrtarifstellen noch bezüglich der Zusammenfassung einzelner Risikogemeinschaften in der jeweiligen Gefahrtarifstelle oder der jeweils errechneten Gefahrklasse rechtlichen Bedenken. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßgaben (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R, juris Rdnr. 15) ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die Gewerbe „Bauwerksbau“ und „Bauausbau und Fertigteileherstellung“ in verschiedene Gewerbezweige aufgliedert. Schon die Unterschiedlichkeit der Gefahrklassen belegt, dass sich in diesen Gewerbezweigen unterschiedliche Gefahren verwirklichen. Bei der Bildung der Gefahrklassen besteht nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.04.2013, a. a. O.), der sich der Senat anschließt, ein Regelungsspielraum des Satzungsgebers, der auch bei einer Differenz des Gefährdungsrisikos von 33,3 v. H. noch nicht überschritten wird. Der Senat hat keinen Anhalt dafür, dass die in den Gewerbezweigen „Bauwerksbau“ und „Bauausbau und Fertigteileherstellung“ jeweils zusammengefassten Unternehmen untereinander ein stärker abweichendes Gefährdungsrisiko aufweisen.

3. Die Beklagte hat aber den formell und materiell rechtmäßigen Gefahrtarif 2012 bei Veranlagung der Klägerin fehlerhaft angewendet, indem sie die Klägerin in die Gefahrtarifstelle 100 veranlagt hat. Die Klägerin ist in der Gefahrtarifstelle 200 zu veranlagen.

In Bezug auf die von der Klägerin ausgeführten, Art und Gegenstand des Unternehmens bestimmenden Tätigkeiten trifft der Senat folgende Feststellungen: Die gesamte Tätigkeit der Klägerin besteht in der Ausführung von WDVS-Arbeiten. Dies folgt zur vollen Überzeugung des Senats aus dem Ergebnis der Betriebsprüfung bei der Klägerin vom 26.01.2012 und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Zu den von der Klägerin bei diesen WDVS-Arbeiten in der Regel jeweils durchzuführenden Arbeitsschritten trifft der Senat folgende Feststellungen: Die Dämmplatten (Größe 0,50 m x 1,00 m) werden auf ebenem Untergrund in der Regel mit einem speziellen Klebemörtel direkt auf den vorhandenen Außenputz geklebt, der gegebenenfalls zuvor grundiert werden muss. Der Klebemörtel wird mit Kelle und Glättscheibe aufgetragen, und zwar auf die Rückseite der Platten, die dann ans Mauerwerk angeklebt werden. Der Mörtel wird auf die Platte ganzflächig aufgetragen oder im sogenannten Randstreifenwulstverfahren, d. h. der Mörtel wird bei diesem Verfahren nur außen um die Platte herum als Wulst aufgetragen, und zwar mit der Kelle. Falls erforderlich, werden die Platten zusätzlich mit Tellerdübeln befestigt. Auf den Dämmstoff kommt ein Armierungsmörtel/Unterputz, der mit der Glättscheibe vorgespachtelt wird. Dann wird ein Gewebe eingebettet und abgezogen. Es folgt eine Putzgrundierung mit Quarzsandanteil, die dann mit Rolle aufgetragen wird. Darauf kommt der Oberputz, der als Eimer- oder Sackware geliefert wird. Der Oberputz wird aufgerührt, mit der Kelle aufgetragen und strukturiert. Am Ende erfolgt der Anstrich mit einer Farbe, die auch wieder in 15- bis 25-kg-Eimern geliefert und mit der Rolle aufgetragen wird. Das Ankleben der Dämmplatten ist dabei mit 10% der Arbeitszeit zu veranschlagen, was bedeutet, dass 90% der Arbeiten auf das Aufbringen von Putzmörteln bzw. Farben auf die Fassade fallen.

Diese Feststellungen zu den Arbeitsschritten bei WDVS-Arbeiten der Klägerin beruhen auf den glaubhaften Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin (G) in der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2015, die mit Blick auf die von der Klägerin durchgeführten Arbeiten den Stand der einschlägigen Wärmedämmtechnik (vgl. dazu zum Beispiel die Beschreibungen im Internet unter Stichworten „Wärmedämmung Fassade Anleitung“ sowie zum Beispiel w...de, Stichwort Wärmedämmverbundsystem, Stand 30.12.2014) darstellen.

Von diesen Feststellungen ausgehend ist die Tätigkeit der Klägerin dem Gewerbezweig „Bauausbau und Fertigteilherstellung“ zuzuordnen und nicht dem Gewerbezweig „Bauwerksbau“.

Bei der konkreten Veranlagung eines Unternehmens für die Tarifzeit auf der Grundlage des Gefahrtarifs ist der Beklagten kein Ermessen eingeräumt und ihre Entscheidung insoweit in vollem Umfange gerichtlich überprüfbar (Hessisches LSG, Urteil vom 30.08.2011 - L 3 U 141/09 m. w. N.). Wie jede andere Rechtsnorm ist auch der als Satzung erlassene Gefahrtarif eines Unfallversicherungsträgers bei der gerichtlichen Überprüfung der Veranlagung eines Unternehmens nach den anerkannten juristischen Methoden auszulegen. Danach sind zur Ermittlung des Gesetzessinns der Wortlaut, der systematische Zusammenhang, Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte der Norm zu beachten (BSG, Beschluss vom 30.11.2006 - B 2 U 410/05). Diese Auslegung führt zu dem eingangs genannten Ergebnis.

Der Wortlaut der Regelung im Gefahrtarif 2012 unterscheidet im Wesentlichen zwischen „Bau“ und „Ausbau“. Letzterer setzt denknotwendig ein bereits vor bestehendes Bauwerk voraus, dass eben „aus“ gebaut bzw. vergrößert oder erweitert wird (vgl. zur Bedeutung des Ausbaus als „erweitern“ Duden, Bd. 8, Sinn- und sachverwandte Wörter, 1972, Seite 76; zur Bedeutung „vergrößern“ Duden, Band 10, Das Bedeutungswörterbuch, 1970, Seite 78). Dem Begriff Bau bzw. bauen wohnt hingegen eher die Bedeutung „erbauen, errichten, erstellen“ (Duden, Bd. 8, a. a. O., Seite 94) bzw. entwickeln, konstruieren (Duden, Bd. 10, a. a. O., Seite 103) inne. Ansonsten führt die grammatikalische Auslegung der in den Gefahrtarifstellen 100 bzw. 200 verwendeten Begriffe Bau und Ausbau für sich genommen und mit Blick auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht weiter. Die Beklagte hat jedoch ihre Satzungsregelung dergestalt erlassen, dass sie die Gewerbezweige jeweils durch Klammerzusätze näher erläutert hat, die ihrerseits Satzungsinhalt geworden sind. Für den Gewerbezweig „Bauausbau und Fertigteileherstellung“ (Gefahrtarifstelle 200) hat die Beklagte in Klammern die Maler-, Verputz-, Stuck-, Glaser-, Steinmetz-, Installations-, Wand- und Bodenbelagsarbeiten benannt und durch die Hinzufügung des Kürzels „u. a.“ darauf verwiesen, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Für den Gewerbezweig Bauwerksbau“ (Gefahrtarifstelle 100) hat die Beklagte in Klammern Hoch-, Brücken-, Tunnel- und Gerüstbau, Dach- und Zimmerarbeiten wiederum mit dem Zusatz u. a. benannt.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus dem grammatikalischen Deutungskriterium, dass die von der Klägerin durchgeführten WDVS-Arbeiten der Gefahrtarifstelle 200 zuzuordnen sind. Die Klägerin erweitert nämlich jeweils vorbestehende Bauwerke durch Ankleben und gegebenenfalls Verdübeln von Dämmplatten an bestehende Hauswände. Soweit also die 0,50 x 1,00 m großen Styroporplatten bewegt, gegebenenfalls bearbeitet und dann verklebt werden, was nach den überzeugenden Angaben des G ohnehin nur 10% der Arbeitszeit ausmacht, handelt es sich mithin bei grammatikalischer Betrachtungsweise um „Ausbau“. Die damit zusammenhängenden und die folgenden Putzarbeiten unterfallen ohnehin den ausdrücklich in der Stelle 200 genannten Verputzarbeiten. Entsprechendes gilt für die abschließenden Malerarbeiten, die ebenfalls ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Bauwerksausbau genannt sind. Daraus ergibt sich denknotwendig, dass die Klägerin keine Bauarbeiten verrichtet, und zwar weder im Sinne des Bauwerkbaus als solchem noch im Sinne der Klammerzusätze der Stelle 100.

Das systematische Argument bestätigt das durch das grammatikalische Deutungskriterium gefundene Ergebnis. Nach dem systematischen Argument ist eine Norm so auszulegen, dass sie sich widerspruchsfrei in die Rechtsordnung einfügt, es sei denn es gibt verfassungsrechtlich anerkannte und vorzuziehende Gründe für einen Systembruch (vgl. dazu z. B. BVerfG vom10.11.1981, 1 BvL 18/77, 1 BvL 19/77 juris Rn. 34 f). Die oben vorgenommene Auslegung fügt sich widerspruchsfrei in die Rechtsordnung ein. So sehen die Regelungen der einschlägigen Ausbildungsverordnung (Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackierergewerbe vom 3. Juli 2003 - MalerLackAusbV - BGBl I S. 1064) das Anbringen von Dämmstoffen ausdrücklich als Ausbildungsinhalt an. Die MalerLackAusbV ordnet solche Arbeiten damit dem Kernbereich des Maler- und Lackiererhandwerks zu (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 09.04.2014, 8 C 50/12 juris Rn. 22). Dass die Beklagte in ihren „Erläuterungen und Arbeitshilfen zum 2. Gefahrtarif“ die Auffassung vertritt, dass Betriebe, die WDVS an Gebäuden anbringen, in die Tarifstelle 100 einzuordnen sind, stellt keine Widersprüchlichkeit im obigen Sinne dar. Denn die Arbeitshilfen nehmen an der Satzungsqualität des Gefahrtarifs nicht teil, da sie von der Vertreterversammlung nicht beschlossen wurden, und sind daher nicht Teil der die Gerichte bindenden Rechtsordnung. Da sie der Vertreterversammlung bei der Beschlussfassung über den Gefahrtarif vorgelegen haben, können die Arbeitshilfen lediglich im Rahmen einer historischen Interpretation herangezogen werden (wie hier Hessisches LSG, Urteil vom 28.01.2014 - L 3 U 180/10). Allerdings kann der Rekurs auf den mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers allein angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses in grammatikalischer, systematischer und, wie noch auszuführen sein wird, teleologischer Hinsicht keinen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis haben.

Auch das teleologische Argument gebietet nämlich keine Auslegung des Gefahrtarifs der Beklagten, die eine Zuordnung der Tätigkeiten der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 100 rechtfertigen könnte. Nach dem Deutungskriterium der Teleologie soll die Auslegung einer Norm nach deren Sinn und Zweck erfolgen. Der Sinn einer Norm ergibt sich aus dem objektivierten Willen des Gesetzgebers (BVerfG vom 11.06.1980, 1 PBvU 1/79 juris Rn. 51; BVerfG vom 16.02.1983, 2 BvE 1/83, 2 BvE 2/83, 2 BvE 3/83, 2 BvE 4/83 juris Rn. 124 zum „objektiven Gesetzesinhalt“; dazu Wenzel, NJW 2008, 346, kritisch Rüthers, JZ 2002, 365, 369) und damit meist aus den anderen Auslegungsregeln, die diesen Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck bringen, insbesondere also aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und deren Sinnzusammenhang. Zweck der unterschiedlichen Gefahrtarifstellen und der entsprechenden Zuordnung von Unternehmen nach deren Art und Gegenstand ist es, den jeweiligen Unfallrisiken und Präventionserfordernissen Rechnung zu tragen und insofern vergleichbare Unternehmen unter diesen Gesichtspunkten zu veranlagen. Diesem Zweck trägt der Wortlaut der Gefahrtarifstellen durch die Unterscheidung in Bau und Ausbau und die jeweilige Konkretisierung der Begriffe durch Beispiele Rechnung. Statistische Zahlen für die Unfallrisiken und Präventionserfordernisse bei WDVS-Arbeiten, die ein Gefährdungspotenzial belegen könnten, das den in der Gefahr Tarifstelle 100 genannten Tätigkeiten entspricht, hat die Beklagte nicht benennen können. Ein Vergleich der Tätigkeiten der Klägerin mit den explizit im Gefahrtarif genannten Tätigkeiten legt eine Zuordnung zu der Tarifstelle 100 gerade nicht nahe, sondern spricht für eine Zuordnung zur Tarifstelle 200. So sind die von der Klägerin durchgeführten, nicht ausdrücklich unter die Tarifstelle 200 fallenden und daher hier relevanten Arbeiten an der Fassade vom Gefährdungspotential her offensichtlich nicht zu vergleichen mit den in der Tarifstelle 100 explizit benannten Dach- und Zimmerarbeiten, ebenso wenig mit Gerüstbauarbeiten, wohl aber mit den in der Tarifstelle 200 explizit benannten Verputz-, Stuck- oder Wandbelagsarbeiten. Dass die Tätigkeit der Klägerin den zu Tarifstelle 100 gehörenden Gerüstbau als solchen umfasst, wird auch von der Beklagten nicht behauptet. Die hierzu von der Beklagten vorgebrachte Überlegung, zum Anbringen der Platten müsse das Gerüst weiter von der Wand entfernt stehen und die Gerüste seien insofern oft nicht vorschriftsmäßig aufgebaut, überzeugt nicht. Denn insofern ist keine Gefährdung angesprochen, die einen Vergleich mit gerüstbausspezifischen Gefahren nahelegt. Das Argument ist insgesamt nicht stichhaltig, weil es Gefahren anspricht, die nur bei einer nicht vorschriftsgemäßen Errichtung der Gerüste gegeben sind. Diesbezügliche Präventionserfordernisse können sich aber denknotwendig nur auf die Gerüstbautätigkeiten beziehen (die die Klägerin nicht durchführt) und eben nicht auf von der Klägerin durchgeführten WDVS-Arbeiten.

Nach alledem war die durch die Beklagte vorgenommene Einstufung in den Gefahrtarif 100 nicht rechtmäßig, so dass die verfahrensgegenständlichen Bescheide aufzuheben sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe hierfür gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG). Insbesondere hat der Senat seiner Entscheidung die aktuelle Rechtsprechung des BSG zu den entscheidungserheblichen Fragen zugrunde gelegt und diese auf den zu entscheidenden Einzelfall angewendet.

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(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Der Unfallversicherungsträger veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Satz 1 gilt nicht für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten.

(2) Für die Auskunftspflicht der Unternehmer gilt § 98 des Zehnten Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass sich die Auskunfts- und Vorlagepflicht der Unternehmer auch auf Angaben und Unterlagen über die betrieblichen Verhältnisse erstreckt, die für die Veranlagung der Unternehmen zu den Gefahrklassen erforderlich sind. Soweit die Unternehmer ihrer Auskunftspflicht nicht nachkommen, nimmt der Unfallversicherungsträger die Veranlagung nach eigener Einschätzung der betrieblichen Verhältnisse vor.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nicht etwas anderes ergibt, der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen.

(2) Das Arbeitsentgelt der Versicherten wird bis zur Höhe des Höchstjahresarbeitsverdienstes zugrunde gelegt.

(3) Die Satzung kann bestimmen, daß der Beitragsberechnung mindestens das Arbeitsentgelt in Höhe des Mindestjahresarbeitsverdienstes für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zugrunde gelegt wird. Waren die Versicherten nicht während des ganzen Kalenderjahres oder nicht ganztägig beschäftigt, wird ein entsprechender Teil dieses Betrages zugrunde gelegt.

(4) Soweit Rentenlasten nach § 178 Abs. 2 und 3 gemeinsam getragen werden, bleiben bei der Beitragsberechnung Unternehmen nach § 180 Abs. 2 außer Betracht. Soweit Rentenlasten nach § 178 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 gemeinsam getragen werden, werden sie auf die Unternehmen ausschließlich nach den Arbeitsentgelten der Versicherten in den Unternehmen unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 180 Abs. 1 umgelegt.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Der Gefahrtarif und jede Änderung bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat spätestens drei Monate vor Ablauf der Geltungsdauer des Gefahrtarifs der Aufsichtsbehörde beabsichtigte Änderungen mitzuteilen. Wird der Gefahrtarif in einer von der Aufsichtsbehörde gesetzten Frist nicht aufgestellt oder wird er nicht genehmigt, stellt ihn die Aufsichtsbehörde auf. § 89 des Vierten Buches gilt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger verschiedene Tätigkeiten aus dem Bereich des Maler- und Lackiererhandwerks ohne Eintragung in die Handwerksrolle selbstständig im stehenden Gewerbe ausüben darf.

2

Der Kläger legte im Jahre 1997 die Gesellenprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk ab und war anschließend mehrere Jahre lang als angestellter Geselle tätig. Im Jahr 2007 meldete er ein Gewerbe des Holz- und Bautenschutzes an und erhielt im Jahre 2008 eine Reisegewerbekarte für das Anbieten von Leistungen des Maler- und Lackiererhandwerks.

3

Einen Antrag des Klägers auf Erteilung einer Ausübungsberechtigung gemäß § 7b Handwerksordnung (HwO) für das Maler- und Lackiererhandwerk vom März 2011 hatte die Handwerkskammer der Pfalz abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hatte die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen; die Berufung wurde nicht zugelassen.

4

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger festzustellen, dass er ohne Eintragung in die Handwerksrolle zur selbstständigen Ausübung der im Klageantrag genannten Tätigkeiten im stehenden Gewerbe berechtigt sei.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Februar 2012 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Oktober 2012 ergangenem Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Teil der im Feststellungsantrag aufgeführten Tätigkeiten sei für das Maler- und Lackiererhandwerk wesentlich, weshalb ihre selbstständige Ausübung im Rahmen eines stehenden Gewerbes die Eintragung in die Handwerksrolle voraussetze. Die im Klageantrag genannten Tätigkeiten Streichen und Verputzen von Fassaden sowie das ebenfalls aufgeführte Lackieren und Lasieren von Türen und Fenstern stellten wesentliche Tätigkeiten für das Maler- und Lackiererhandwerk im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 HwO dar. Sie könnten jeweils nicht in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden und seien für das Maler- und Lackiererhandwerk auch nicht nebensächlich, sondern prägend und erforderten die Fertigkeiten und Kenntnisse, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet sei. Die Tätigkeiten gehörten auch nicht zum Berufsbild eines zulassungsfreien Berufs, insbesondere nicht zu den Berufsbildern des Raumausstatters, des Hochbau- und Ausbaufacharbeiters, des Holz- und Bautenschutzfacharbeiters oder des Fassadenmonteurs. Das gesetzliche Erfordernis der Eintragung in die Handwerksrolle verstoße ferner nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG sowie die europarechtliche Niederlassungsfreiheit.

6

Mit der Revision rügt der Kläger Verfahrensmängel, darunter eine unzutreffende Auslegung des Klageantrages (§ 88 VwGO). Das Berufungsgericht habe zu Unrecht den Feststellungsantrag dahingehend ausgelegt, dass er auch "gestalterische Tätigkeiten" umfasst habe. Weiter rügt der Kläger, das Berufungsgericht habe es unterlassen, erforderliche Beweise zu erheben. In materiellrechtlicher Hinsicht gehe das angegriffene Urteil unzutreffend von einem zulassungspflichtigen Handwerk im Sinne des § 1 Abs. 2 HwO aus. Bei den im Klageantrag genannten Tätigkeiten handele es sich nicht um ein eintragungspflichtiges Maler- und Lackiererhandwerk, da nicht sämtliche Tätigkeiten aus diesem Berufsbild ausgeübt werden sollten, sondern um ein "Aliud" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 6 B 5.04 - GewArch 2004, 488) und um einen nicht in der Anlage A zur Handwerksordnung bezeichneten Beruf. Bei der Frage, ob Tätigkeiten ausgeübt werden, die für das Gewerbe wesentlich sind, habe sich das Berufungsgericht zu Unrecht allein an den in den einschlägigen Ausbildungsverordnungen vorgestellten Ausbildungsberufsbildern orientiert. Darüber hinaus bestehe auch deswegen keine Eintragungspflicht, da alle im Klageantrag genannten Tätigkeiten in frei ausübbaren Berufen enthalten seien, insbesondere den Berufen des Bauwerkabdichters, Fassadenmonteurs, Raumausstatters, Verputzers und Trockenbauers. Die Eintragungspflicht sei zudem verfassungswidrig, da der Eingriff in die Berufsfreiheit nicht durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass dem Maler- und Lackiererhandwerk für die Ausbildung des Nachwuchses eine bedeutsame Rolle zukomme, lasse sich nicht durch Fakten belegen. Auch zur Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben Dritter, sei die Eintragungspflicht jedenfalls im Hinblick auf den Malerberuf unverhältnismäßig. Schließlich liege ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG vor.

7

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Oktober 2012 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Februar 2012 zu ändern und festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, die Tätigkeiten

- Fassaden streichen mit mineralischer Fassadenfarbe, Silikat-Fassadenfarbe oder Silikon-Harz-Fassadenfarbe

- Fassaden verputzen mit Mineralputz, Silikatputz oder Silikon-Harzputz

- Fassaden mit Vollwärmeschutz dämmen

- Tapezieren von Mustertapeten, Rauhfaser oder Glasgewebe

- Wände im Innenbereich mit Füll- und Glättespachtel verspachteln

- Streicharbeiten im Gebäude-Innenbereich mit Dispersionsfarbe, Silikatfarbe oder Latexfarbe

- Lackieren von Türen und Fenstern mit Acryllasur, lösemittelhaltigem Lack oder lösemittelhaltiger Lasur

ohne Eintragung in die Handwerksrolle selbstständig im stehenden Gewerbe auszuüben.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil ebenso wie der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht, der sich am Verfahren beteiligt hat.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision hat keinen Erfolg. Das angegriffene Urteil verletzt kein Bundesrecht.

11

1. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen Verfahrensrecht verstoßen.

12

a) Die Rüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe es unterlassen, erforderliche Beweise zu erheben, ist schon nicht den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden. Danach müssen innerhalb der Frist zur Begründung der Revision die verletzte Rechtsnorm bezeichnet und substantiiert die Tatsachen vorgetragen werden, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Für die ordnungsgemäße Begründung der hier (sinngemäß) erhobenen Rüge mangelhafter Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss dementsprechend substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und für erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der Rechtsauffassung des entscheidenden Gerichts zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Urteil vom 23. November 2005 - BVerwG 6 C 9.05 - GewArch 2006, 158).

13

Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Soweit sie auf den Schriftsatz zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 18. April 2012 Bezug nimmt, enthält dieser nicht die erforderlichen Angaben. Soweit sich der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Vortrag in dem Schriftsatz vom 5. Oktober 2011 bezogen hat, reicht dies für eine den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügende Darlegung bereits deshalb nicht aus, weil ein vor dem Erlass des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts vorgenommener Vortrag die erforderliche Auseinandersetzung mit dem erst später ergangenen Berufungsurteil naturgemäß nicht enthalten kann.

14

b) Das Oberverwaltungsgericht hat auch § 88 VwGO nicht missachtet. Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

15

aa) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht § 88 VwGO nicht dadurch verletzt, dass es den Feststellungsantrag auf die Gesamtheit der im Feststellungsantrag umschriebenen Tätigkeiten bezogen hat. Bei sachgerechter Auslegung des Klageantrages ergibt sich nicht, dass auch die Zulassungsfreiheit jeder einzelnen Tätigkeit festgestellt oder geklärt werden sollte, inwieweit einzeln benannte Tätigkeiten zulassungsfrei miteinander kombiniert werden können. Die Zulassungspflicht nach § 1 Abs. 2 HwO betrifft die Handwerksausübung in einem bestimmten Gewerbebetrieb. Die Aufzählung der Tätigkeiten, die der Kläger auszuüben beabsichtigt, konkretisiert das betriebliche Leistungsangebot, dessen Zulassungsfreiheit festgestellt werden soll. Dass der Kläger die aufgezählten Einzeltätigkeiten darüber hinaus auch alternativ oder in anderen Kombinationen auf ihre Zulassungsfreiheit hin geprüft wissen wollte, konnte das Oberverwaltungsgericht weder dem Klageantrag noch dem erst- und zweitinstanzlichen Klagevorbringen entnehmen. Im Streit um die Eintragungspflicht eines Handwerksbetriebes ist es aber Sache des Klägers, das beabsichtigte Gewerbe zu konkretisieren. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, diejenigen Einzeltätigkeiten zu ermitteln, mit denen ein Gewerbe (noch) eintragungsfrei betrieben werden könnte (Urteil vom 31. August 2011 - BVerwG 8 C 8.10 - BVerwGE 140, 267 Rn. 13).

16

bb) Mit seiner Annahme, die im Feststellungsantrag genannten Tätigkeiten "Fassaden Streichen" und "Streicharbeiten im Gebäude-Innenbereich" bezögen sich auch auf eine gestalterische Betätigung, hat das Oberverwaltungsgericht § 88 VwGO ebenfalls nicht verletzt.

17

Das Gericht muss das wirkliche Rechtsschutzziel von Amts wegen ermitteln. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus den prozessualen Erklärungen und sonstigen Umständen ergibt. Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrages anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu (Beschluss vom 12. März 2012 - BVerwG 9 B 7.12 - DÖD 2012, 190). Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht das Klagebegehren zutreffend ausgelegt. Es geht zu Recht davon aus, dass der Kläger Veranlassung hatte, seinen Antrag ggf. entsprechend einzuschränken bzw. zu präzisieren, nachdem das Verwaltungsgericht den Klageantrag so verstanden hatte, dass zu den Tätigkeiten "Fassaden Streichen" und "Streicharbeiten im Gebäude-Innenbereich" auch gestalterische Tätigkeiten gehören sollten. Da der anwaltlich vertretene Kläger dieser vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung des Klagebegehrens nicht entgegengetreten ist, muss er sich an seinem Klageantrag festhalten lassen.

18

2. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass die selbstständige Ausübung der im Klageantrag bezeichneten Tätigkeiten im stehenden Gewerbe als zulassungspflichtiges Handwerk der Eintragungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO unterfällt.

19

a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO ist der selbstständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Ein Gewerbebetrieb ist ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten), § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO. Keine wesentlichen Tätigkeiten sind nach § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO insbesondere solche, die in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können (Nr. 1), die zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist (Nr. 2), oder die nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind (Nr. 3).

20

Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass das Streichen und Verputzen von Fassaden sowie das Lackieren und Lasieren von Türen und Fenstern als wesentliche Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 HwO anzusehen sind.

21

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Tätigkeit wesentlich, wenn sie nicht nur fachlich zu dem betreffenden Handwerk gehört, sondern gerade den Kernbereich dieses Handwerks ausmacht und ihm sein essentielles Gepräge verleiht. Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes als untergeordnet erscheinen, also lediglich einen Randbereich des betreffenden Handwerks erfassen, können demnach die Annahme eines handwerklichen Betriebes nicht rechtfertigen. Dies trifft nicht nur auf Arbeitsvorgänge zu, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades keine qualifizierten Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen. Vielmehr gehören hierzu auch solche Tätigkeiten, die zwar anspruchsvoll, aber im Rahmen des Gesamtbildes des entsprechenden Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten verlangen, auf welche die einschlägige handwerkliche Ausbildung hauptsächlich ausgerichtet ist (Urteile vom 3. September 1991 - BVerwG 1 C 55.88 - Buchholz 451.45 § 1 HwO Nr. 22 und vom 25. Februar 1992 - BVerwG 1 C 27.89 - Buchholz 451.45 § 1 HwO Nr. 23).

22

Nach diesem Maßstab gehört das Verbringen von Farben oder Lacken und Lasuren auf Oberflächen zum Kernbereich des Maler- und Lackiererhandwerks. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht für die Beantwortung der Frage, ob die ausgeübten Tätigkeiten zu den "wesentlichen Tätigkeiten" des betroffenen Handwerks gehören, die Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackierergewerbe vom 3. Juli 2003 - MalerLackAusbV - (BGBl I S. 1064) nebst dem beigefügten Ausbildungsrahmenplan herangezogen. Nach der Rechtsprechung des Senats können die in den einschlägigen Ausbildungsverordnungen veröffentlichten (Ausbildungs-)Berufsbilder für die Frage der fachlichen Zugehörigkeit einer Tätigkeit zu einem handwerksfähigen Gewerbe herangezogen werden. Sie enthalten erläuternde Einzelheiten über das Arbeitsgebiet und die zu dessen Bewältigung benötigten Fertigkeiten und Kenntnisse (Urteil vom 31. August 2011 - BVerwG 8 C 9.10 - BVerwGE 140, 276 Rn. 20; vgl. auch Detterbeck, Handwerksordnung, 4. Aufl. 2008, § 1 Rn. 75).

23

Nach § 5 Nr. 12 MalerLackAusbV ist das Herstellen, Bearbeiten, Behandeln und Gestalten von Oberflächen Gegenstand der Berufsausbildung zum(r) Bauten- und Objektbeschichter(in), die gemäß § 2 Abs. 1, 2 und 4 MalerLackAusbV eine Vorstufe für den Ausbildungsberuf Maler(in) und Lackierer(in) darstellt. Ferner sieht § 5 Nr. 10 und 11 MalerLackAusbV vor, dass in der Ausbildung Fertigkeiten und Kenntnisse im Be- und Verarbeiten von Werk-, Hilfs- und Beschichtungsstoffen sowie von Bauteilen (Nr. 10) und dem Prüfen, Bewerten und Vorbereiten von Untergründen (Nr. 11) zu vermitteln sind. Diese Tätigkeiten erfordern jeweils eine Anlernzeit von mehr als drei Monaten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO). Nach dem einschlägigen Ausbildungsrahmenplan (Anlage 1 I. und II. zu § 7 MalerLackAusbV) betragen die zeitlichen Richtwerte für das Herstellen, Bearbeiten, Behandeln und Gestalten von Oberflächen 29 Wochen, für das Be- und Verarbeiten von Werk-, Hilfs- und Beschichtungsstoffen sowie Bauteilen 18 Wochen und für das Prüfen, Bewerten und Vorbereiten von Untergründen 20 Wochen. Die vorgenannten Tätigkeiten sind auch weder nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HwO für das Gesamtbild des Maler- und Lackiererhandwerks nebensächlich noch aus einem nicht zulassungspflichtigen Handwerk entstanden (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 HwO).

24

b) Entgegen dem Vorbringen der Revision entfällt die Eintragungspflicht auch nicht deshalb, weil der Kläger durch das Herausgreifen einzelner Tätigkeiten aus dem Katalog der möglichen Betätigungen im Maler- und Lackiererhandwerk nicht den Beruf des Malers und Lackierers im Sinne der Anlage A zur Handwerksordnung, sondern einen anderen Beruf ausübte. Zwar ist es nach der vom Kläger angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 6 B 5.04 - GewArch 2004, 488) möglich, dass durch eine Reduzierung auf einzelne Betätigungen der Kernbereich des Handwerks verlassen wird, so dass eine minderhandwerkliche Tätigkeit vorliegen kann. Hieraus folgt jedoch nicht, dass jede von dem gesamten Spektrum des jeweiligen Berufsbildes abweichende Kombination von Tätigkeiten zur Folge hat, dass für dieses Gewerbe keine Eintragungspflicht mehr besteht. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit die (jeweils) angestrebten Tätigkeiten den Kernbereich des Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge verleihen, was hier aus den dargelegten Gründen der Fall ist.

25

c) Das Oberverwaltungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass die Erheblichkeitsgrenze nach § 3 Abs. 2 HwO für die Frage der Wesentlichkeit einer Tätigkeit für ein zulassungspflichtiges Handwerk keine Bedeutung hat. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Frage, ob Tätigkeiten ausgeübt werden, die für das betreffende Gewerbe wesentlich sind, nicht darauf an, ob sie während eines Jahres die durchschnittliche Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte in Vollzeit arbeitenden Betriebes übersteigen (vgl. § 3 Abs. 2 HwO). Denn das Wesentlichkeitsmerkmal ist ein qualitatives, nicht ein quantitatives Kriterium, weshalb es unerheblich ist, welchen zeitlichen Umfang die betreffenden Arbeiten im Rahmen des Gewerbebetriebes haben (Urteil vom 31. August 2011 - BVerwG 8 C 9.10 - juris Rn. 22 ).

26

d) Der Einwand der Revision, die bezeichneten Tätigkeiten könnten für das Berufsbild des Malers und Lackierers nicht wesentlich sein, weil sie nach anderen Berufsbildern zulassungs- und eintragungsfrei ausgeübt werden dürften, überzeugt nicht. Zwar kann eine Tätigkeit nicht dem Kernbereich eines Handwerks zuzuordnen sein, wenn sie als zulassungsfreies Handwerk oder handwerksähnliches Gewerbe der Anlage B zur Handwerksordnung unterfällt. Dies ist hier aber nicht der Fall.

27

Das (Ausbildungs-)Berufsbild des zulassungsfreien Handwerks des Raumausstatters (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HwO i.V.m. Anlage B Abschnitt I Nr. 27 zur Handwerksordnung) umfasst zwar ausweislich der Verordnung über die Berufsausbildung zum Raumausstatter/zur Raumausstatterin vom 18. Mai 2004 - RaumAAusbV - (BGBl I S. 980) unter anderem das Be- und Verarbeiten von Werk- und Hilfsstoffen (§ 4 Nr. 10 RaumAAusbV), das Prüfen, Vorbereiten und Bearbeiten von Untergründen (§ 4 Nr. 12 RaumAAusbV), das Behandeln von Oberflächen (§ 4 Nr. 14 RaumAAusbV) und das Gestalten, Bekleiden und Beschichten von Wand- und Deckenflächen (§ 4 Nr. 19 RaumAAusbV). Das Oberverwaltungsgericht ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass diese Tätigkeiten bereits deshalb nicht mit denen nach § 5 Nr. 10 bis 12 MalerLackAusbV identisch sind, weil sie sich - im Gegensatz zum Maler- und Lackiererhandwerk - ausschließlich auf Innenräume beziehen.

28

Zum Berufsbild des Fassadenmonteurs gehören zwar das Auftragen von Putzen (§ 5 Nr. 13 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Fassadenmonteur/zur Fassadenmonteurin vom 19. Mai 1999 - FMontAusbV - sowie das Behandeln von Oberflächen <§ 5 Nr. 14 FMontAusbV>). Dieser Ausbildungsberuf erfasst aber nicht das das Maler- und Lackiererhandwerk prägende Anstreichen von Fassaden sowie das Lackieren und Lasieren von Türen und Fenstern (insbesondere unter Beachtung gestalterischer Gesichtspunkte).

29

Das Aufgabenspektrum des Trockenbaumonteurs/der Trockenbaumonteurin ist auf das Herstellen, Sanieren und Instandsetzen von Trockenbaukonstruktionen für den Innen- und Außenbereich gerichtet (vgl. § 63 Nr. 8 und 9 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999 - BauWiAusbV - 1999 - , zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 20. Februar 2009 ). Eine Überschneidung mit dem Maler- und Lackiererhandwerk besteht nicht.

30

Die Tätigkeit des Bauwerksabdichters/der Bauwerksabdichterin umfasst ausweislich der einschlägigen Verordnung über die Berufsausbildung zum Bauwerksabdichter/zur Bauwerksabdichterin vom 24. April 1997 - BauwAbdAusbV - (BGBl I S. 946) zwar auch das Ausführen von Putzarbeiten (§ 5 Nr. 11 BauwAbdAusbV). Nach der Konkretisierung in Teil I Nr. 11 des Ausbildungsrahmenplanes sind darunter jedoch bloße Ausbesserungsarbeiten zu verstehen.

31

Soweit sich der Kläger schließlich auf den Beruf des Verputzers bezogen hat, hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass es ein eigenständig geregeltes Berufsbild des Verputzers nicht gibt, sondern die Verputzertätigkeit verschiedenen Bauberufen, u.a. dem zulassungspflichtigen Stukkateurhandwerk (Anlage A Nr. 9 zur Handwerksordnung), zugeordnet ist (vgl. auch VGH München, Beschluss vom 10. April 2006 - 22 ZB 05.2622 - GewArch 2007, 125).

32

Sind das Streichen und Verputzen von Fassaden sowie das Lackieren bzw. Lasieren von Türen und Fenstern für das Maler- und Lackiererhandwerk wesentliche Tätigkeiten, so kommt es nicht mehr darauf an, ob die übrigen von dem Kläger angestrebten Tätigkeiten wesentliche Tätigkeiten gemäß § 1 Abs. 2 HwO sind. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO genügt für ein Vollhandwerk, dass mindestens eine wesentliche Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Detterbeck, a.a.O., § 1 Rn. 68). Aus demselben Grund bedarf es auch keiner Gesamtbetrachtung nach § 1 Abs. 2 Satz 3 HwO.

33

3. Einen Verfassungsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht verneint.

34

a) Zu Unrecht meint der Kläger, das Wesentlichkeitsmerkmal in § 1 Abs. 2 HwO verletze das rechtsstaatliche Gebot der Bestimmtheit einer Norm (Art. 20 Abs. 3 GG).

35

Das Bestimmtheitsgebot verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <396>; BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2005 - BVerwG 10 C 4.04 - NVwZ 2006, 589). Die Notwendigkeit der Auslegung einer Begriffsbestimmung nimmt der Norm noch nicht die Bestimmtheit. Es genügt, wenn die Betroffenen die Rechtslage anhand objektiver Kriterien erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können (BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 1988 - 2 BvR 579/84 - BVerfGE 78, 205 <212>; BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1994 - BVerwG 4 C 2.94 - BVerwGE 96, 110 <111>). Diesen Anforderungen genügt § 1 Abs. 2 HwO i.V.m. der Anlage A zur Handwerksordnung.

36

Wie oben (2.a) gezeigt, ist es möglich, das Berufsbild des Malers und Lackierers unter Rückgriff auf die einschlägige Ausbildungsverordnung ausreichend genau zu beschreiben. Für die Beurteilung einzelner Tätigkeiten stellt das Gesetz in § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 HwO ausreichend konkrete Maßstäbe bereit.

37

b) § 1 Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 7 ff. HwO sind, soweit sie die Ausübung des Maler- und Lackiererhandwerks betreffen, mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

38

Es kann offenbleiben, ob § 7 HwO mit den persönlichen Eintragungsvoraussetzungen eine subjektive Berufswahlbeschränkung oder eine Berufsausübungsregelung normiert, da auch bei Annahme einer Berufsausübungsregelung die Intensität des Eingriffs nicht hinter der einer subjektiven Berufswahlbeschränkung zurückbliebe und daher an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs dieselben Anforderungen zu stellen wären (vgl. Urteil vom 31. August 2011 - BVerwG 8 C 9.10 - BVerwGE 140, 276 Rn. 31).

39

Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen worden ist, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 <213>).

40

Der Gesetzgeber verfolgte bei der Neuregelung der Zulassungspflicht für das Handwerk im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen bezweckte er die Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter durch unsachgemäße Ausübung von Handwerken mit entsprechendem Gefährdungspotenzial, deren fachgerechte Ausübung deswegen in der Regel eine besonders gründliche handwerkliche Ausbildung erfordert (vgl. BTDrucks 15/1206 S. 22). Zum anderen hat der Gesetzgeber auch für das neue Recht an dem Ziel der Sicherung der besonderen Ausbildungsleistung des Handwerks für die gewerbliche Wirtschaft festgehalten (BR-Plenarprotokoll 795/2003 S. 517).

41

Ob das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, dass auch die Sicherung der besonderen Ausbildungsleistung des Handwerks die streitgegenständliche Berufsbeschränkung zu rechtfertigen vermag, kann hier dahinstehen. Diese ist jedenfalls verhältnismäßig in Bezug auf den anderen Gemeinwohlzweck, Gesundheitsgefahren für Dritte abzuwenden. Auch wenn das Oberverwaltungsgericht keine Feststellungen zur Gefahrgeneigtheit des Maler- und Lackiererhandwerks getroffen hat, ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO nicht gehindert, die Gefahrgeneigtheit aufgrund allgemeinkundiger Tatsachen zu bejahen. Allein aus der nachträglichen Aufnahme des Maler- und Lackiererhandwerks in die Anlage A zur Handwerksordnung aufgrund der Empfehlung des Vermittlungsausschusses kann nicht gefolgert werden, dass die Zulassungspflicht ausschließlich der Sicherung der Ausbildungsleistung des Maler- und Lackiererhandwerks Rechnung tragen sollte (BTDrucks 15/2246 S. 4). Denn aus den Gesetzesmaterialien geht nicht hervor, dass die nachträgliche Aufnahme des Maler- und Lackiererhandwerks in die Anlage A zur Handwerksordnung allein darauf zurückzuführen war. Die Gefahrgeneigtheit des Maler- und Lackiererhandwerks ergibt sich daraus, dass Maler und Lackierer beim "Herstellen, Bearbeiten, Behandeln und Gestalten von Oberflächen" (§ 5 Nr. 12 MalerLackAusbV) mit gesundheitsgefährlichen Stoffen umgehen. Die zum Einsatz kommenden Farben und Lacke können bei nicht ordnungsgemäßer Verwendung zu Gesundheitsgefahren für Dritte führen (vgl. auch: Stober, GewArch 2003, 393 <395>). Beispielsweise können Dritten erhebliche Gesundheitsschäden drohen, wenn bei der Ausführung von Oberflächenbehandlungen notwendige Trocken- und Lüftungszeiten nicht eingehalten werden oder für Gebäudeinnenbereiche ungeeignete Farben oder Lacke aufgetragen werden. Zudem sind mit der Verwendung hochentzündlicher Lösungsmittel Brandgefahren verbunden. Nr. I/3 (Buchstabe d) der Anlage 1 zu § 7 MalerLackAusbV sieht dementsprechend vor, dass im Rahmen der gesamten Ausbildungszeit Fertigkeiten und Kenntnisse bezüglich des vorbeugenden Brandschutzes zu vermitteln sind. Der Einwand des Klägers, dass im Handwerk ausschließlich mit im allgemeinen Handel erhältlichen Produkten gearbeitet werde, greift nicht durch. Denn mit dem Kauf dieser Produkte werden die zur Gefahrenabwehr und -vermeidung erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht vermittelt und erworben. Die erlaubte Selbstgefährdung bei der häuslichen, nicht gewerblichen Verwendung von gesundheitsgefährlichen Farben und Lacken schließt die Geeignetheit der Anforderungen an das selbständige Führen eines niedergelassenen Handwerks nicht aus.

42

Die an die Zulassungspflicht anknüpfende Regelung der persönlichen Eintragungsvoraussetzungen, die grundsätzlich den Großen Befähigungsnachweis (§ 7 HwO) oder eine sechsjährige qualifizierte Berufserfahrung mit mindestens vierjähriger Leitungsfunktion nach Ablegen der Gesellenprüfung (§ 7b HwO) verlangt, ist zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit von Dritten schon deshalb geeignet, weil hierdurch der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2007 - 1 BvR 2186/06 - BVerfGE 119, 59 <84>). Die Qualifikationsanforderungen an die Ausbildung tragen zur Erreichung des Gemeinwohlziels der Gefahrenabwehr bei. Ein Betriebsinhaber oder Betriebsleiter mit meisterhafter Sachkunde oder qualifizierter Berufserfahrung als Altgeselle ist in der Lage, bei der Ausübung des Handwerks selbst Gefahren zu vermeiden und die im Betrieb Mitarbeitenden dazu anzuleiten und zu beaufsichtigen. Die berufsbeschränkende Regelung ist auch zur Gefahrenabwehr erforderlich. Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung der von ihm verfolgten Gemeinwohlzwecke für erforderlich halten darf, ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn die gesetzgeberischen Entscheidungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können (BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2007 a.a.O. S. 85 f.). Solche "fehlsamen" Erwägungen sind jedenfalls in Bezug auf die Gefahrgeneigtheit des Maler- und Lackiererhandwerks nicht zu erkennen. Die Beschränkungsregelung ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Weil die erforderliche Befähigung alternativ durch eine berufspraktische Qualifizierung nach der Altgesellenregelung nachgewiesen werden kann, ist die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten (vgl. Urteil vom 31. August 2011 - BVerwG 8 C 9.10 - BVerwGE 140, 276 Rn. 37).

43

c) Der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.

44

aa) Dass das Eintragungserfordernis nicht für eine handwerkliche Betätigung im Reisegewerbe (§§ 55 f. GewO) gilt, sondern nur für eine handwerkliche Betätigung im stehenden Gewerbe, ist im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel der Gefahrenabwehr für Dritte nicht willkürlich und erfolgt nicht ohne sachlichen Grund. Zwischen der handwerklichen Betätigung im Reisegewerbe einerseits und im stehenden Gewerbe andererseits bestehen strukturelle Unterschiede, die es nach der Wertung des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 15/1481 S. 19) rechtfertigen, für das stehende Gewerbe neben der persönlichen auch die fachliche Eignung des Betriebsinhabers/Betriebsleiters zu verlangen, während im Reisegewerbe die persönliche Zuverlässigkeit genügt (Urteil vom 31. August 2011 - BVerwG 8 C 9.10 - a.a.O. Rn. 39; Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 6 B 5.04 - GewArch 2004, 488 <489>). Im Reisegewerbe werden in der Regel nur handwerklich weniger aufwändige und weniger komplizierte Arbeiten durchgeführt, die deshalb mit einem geringeren Gefahrenpotenzial verbunden sind. Da es im Reisegewerbe nur begrenzt möglich ist, Aufträge auf Vorrat zu akquirieren, werden handwerkliche Tätigkeiten regelmäßig nicht in dem Umfang angeboten, der für einen Handwerksbetrieb im stehenden Gewerbe typisch ist, denn ohne verlässliche Auftragsstruktur ist die personelle und sachliche Ausstattung des Betriebes nur in begrenztem Umfang möglich.

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bb) Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht dadurch verletzt, dass Gewerbetreibenden mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes erworbenen Qualifikation die Ausübung eines Handwerks in Deutschland unter teilweise anderen Voraussetzungen ermöglicht wird. Mit § 7b HwO wird deutschen Handwerkern ein vergleichbar einfacher Weg in das zulassungspflichtige Handwerk geebnet wie EU-Ausländern aufgrund der EU/EWR-Handwerk-Verordnung (EU/EWR HwV) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I S. 3075). Nach Inkrafttreten der sogenannten Altgesellenregelung wird deutschen Handwerkern für den Marktzugang in zeitlicher, fachlicher und finanzieller Hinsicht jedenfalls nicht deutlich mehr abverlangt als ihren ausländischen EU-Konkurrenten (vgl. hierzu im Einzelnen: Urteil vom 31. August 2011 - BVerwG 8 C 9.10 - a.a.O. Rn. 45). Die Vorschriften der EU/EWR-Handwerk-Verordnung mussten bindende unionsrechtliche Vorgaben für die Zulassung im EU/EWR-Ausland Qualifizierter in nationales Recht umsetzen. Die hierdurch eingeschränkte Gestaltungsfreiheit des deutschen Gesetzgebers zwingt diesen aber nicht zu einer vollständig deckungsgleichen innerstaatlichen Parallelregelung.

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Soweit EU/EWR-Angehörigen ohne Niederlassung in Deutschland eine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung mit deutlich niedrigerer Qualifikation erlaubt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HwO i.V.m. § 7 EU/EWR HwV), liegt ebenfalls keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Es ist davon auszugehen, dass wegen der Nahversorgungsfunktion des Handwerks eine ernsthafte Konkurrenz mit Handwerkern aus anderen EU-Staaten in erster Linie lediglich in grenznahen Gebieten in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 5. Dezember 2005 - 1 BvR 1730/02 - GewArch 2006, 71 = juris Rn. 21). Mangels bundesweiter Bedeutung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung fällt eine etwaige Ungleichbehandlung demnach nicht ins Gewicht.

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d) Der Kläger rügt zu Unrecht eine Verletzung des Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG).

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Die Rechtsanwendung durch die Verwaltungsgerichte führte nicht dazu, dass der Kläger mit seinem Anliegen kein Gehör gefunden hätte mit der Folge, dass die Feststellung seines Rechts von vornherein ausgeschlossen gewesen wäre. Der Kläger sieht einen solchen Mangel darin, dass das Oberverwaltungsgericht die Berufung im vorliegenden Rechtsstreit aus Gründen zurückgewiesen habe, die zu jenen Gründen in Widerspruch stünden, aus denen es den Antrag auf Zulassung der Berufung im Vorprozess abgelehnt hatte. Ungeachtet der Frage, ob mit diesem Vortrag überhaupt eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG begründet werden könnte, hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz mit Beschluss vom 19. April 2012 (GewArch 2013, 38) die Ablehnung des Antrages auf Zulassung der Berufung im Vorprozess damit begründet, dass der Kläger die nach § 7b Abs. 1 Nr. 2 HwO erforderlichen vier Jahre in leitender Stellung nicht nachgewiesen habe, während die Verwaltungsgerichte im vorliegenden Fall die Frage zu beantworten hatten, ob die selbstständige Ausübung der im Klageantrag bezeichneten Tätigkeiten im stehenden Gewerbe als zulassungspflichtiges Handwerk der Eintragungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO unterfällt.

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4. Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV ist mangels grenzüberschreitenden Bezugs nicht berührt (vgl. Urteil vom 31. August 2011 - BVerwG 8 C 9.10 - a.a.O. Rn. 47). Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kein Verzicht auf dieses Erfordernis. Dies gilt auch für die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 - Rs. C-34/09, Ruiz Zambrano - (NJW 2011, 2033), die nur für den Bereich des Aufenthaltsrechts sowie des Arbeitsmarktzugangs gilt, ein Verbot der Ausweisung von Unionsbürgern aus dem Gebiet der Europäischen Union postuliert und allein den Kernbereich der Unionsbürgerschaft vom Erfordernis des Grenzübertritts befreit.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.