Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 09. Nov. 2016 - L 12 KA 140/15

bei uns veröffentlicht am09.11.2016
vorgehend
Sozialgericht München, S 21 KA 663/13, 12.06.2015
Sozialgericht München, S 21 KA 662/13, 12.06.2015
Sozialgericht München, S 21 KA 664/13, 12.06.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.06.2015 (S 21 KA 663/13) sowie der Bescheid des Beklagten vom 13.07.2006 (Quartal 4/2001) aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers gegen den Prüfbescheid vom 10.08.2005 (Quartal 4/2001) erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

II. Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts München vom 12.06.2015 (S 21 KA 661/13, S 21 KA 662/13, S 21 KA 664/13) werden zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens S 21 KA 663/13 sowie 1/2 der Kosten des Berufungsverfahrens L 12 KA 140/15. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren S 21 KA 661/13, S 21 KA 662/13 und S 21 KA 664/13 sowie die Hälfte der Kosten des Berufungsverfahrens L 12 KA 140/15 einschließt 1/6 der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich gegen ihn festgesetzte Regresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise beim Sprechstundenbedarf. Der Kläger nahm aufgrund einer Sonderbedarfszulassung ab 1998 als Hämatologe und internistischer Onkologe an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in W-Stadt teil. Die Praxis des Klägers wurde im Juni 1999 als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt. Dem Kläger wurde die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung mit Bescheid des Berufungsausschusses für Ärzte Bayern vom 16.11.2004 - bestätigt durch Urteil des SG München vom 20.07.2007 und Urteil des Senats vom 04.02.2009 - entzogen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger wieder zurückgenommen.

II.

Die Beigeladene zu 2) hat am 19.12.2001 für das Quartal Antrag auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beim Sprechstundenbedarf gestellt wegen einer Überschreitung des Arztdurchschnitts um + 3.448,2%. Der Prüfungsausschuss hat mit Bescheid vom 02.12.2002 bei der Sprechstundenbedarfsanforderung einen Regress in Höhe von 15% (entspricht 84.310,56 Euro) ausgesprochen. Der statistische Vergleich sei mit der Arztgruppe der fachärztlichen Internisten in Bayern erfolgt. Der Kläger habe Arzneimittel mit Kosten von insgesamt 301.266,90 DM über Sprechstundenbedarf verordnet, obwohl diese nach Anlage e) zu Abschnitt III. 1 der Sprechstundenbedarfsverordnung nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig seien. Der Bezug von Bisphosphonaten und Liponsäure als Individualrezepturen sei als unwirtschaftlich anzusehen. Hiergegen richtet sich zum einen der Widerspruch des Klägers vom 05.12.2002, der mit Schriftsatz vom 24.02.2003 näher begründet wurde. Der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit für das Quartal konzentriere sich auf zwei Punkte. Zum einen soll der Kläger Arzneimittel über den Sprechstundenbedarf angefordert haben, die nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig seien. Zum anderen sei die Anforderung von Sprechstundenbedarf als Individualrezeptur bei Bisphosphonaten und Liponsäurepräparaten als unwirtschaftlich eingestuft worden. Eine Beschränkung der Verordnung von Zytostatika, Metastasenhemmern und Diphosphonaten auf parenterale Zubereitung bestehe laut Protokollnotiz zu Abschnitt III.1 der Sprechstundenvereinbarung nicht, so dass eine Kürzung bei den Präparaten Ovastat und Syrea nicht hätte erfolgen dürfen. Im Hinblick auf die Verordnung von Erythropoetin sei durch den Prüfungsausschuss behauptet worden, dass keine Serienbehandlung mit wirtschaftlichen Großpackungen vorliege und deswegen eine Verordnung auf den Namen des Patienten üblich wäre. Der Prüfungsausschuss habe nicht dargelegt, warum keine Serienbehandlung mit wirtschaftlichen Großpackungen stattgefunden habe. Die Verordnung als Sprechstundenbedarf sei durch den Kläger aus Wirtschaftlichkeitsgründen erfolgt. Er habe versucht, zur Kostensenkung den Patienten nur so viel NeoRecormon zu geben, wie absolut notwendig gewesen sei und habe einzelne Packungen auf mehrere Patienten aufgeteilt. Dadurch sei es nicht nötig gewesen, schwerkranke Patienten zunächst zur Beschaffung des Arzneimittels in eine Apotheke zu schicken. Die Folge einer Einzelverordnung wäre gewesen, dass es zu Behandlungsverzögerungen gekommen wäre. Bei dem Immunglobulin Gamma-Venin sei die Verordnung auf Sprechstundenbedarf erfolgt, um so dieses Arzneimittel ständig in der Praxis vorrätig zu haben. Die Verordnung als Sprechstundenbedarf sei hier aus der Behandlungsnotwendigkeit sowie der Fürsorge für den Patienten heraus erfolgt. Agrylin sei bis Mitte 2002 aus den USA importiert worden. Bei diesem Arzneimittel habe die Notwendigkeit bestanden, immer einige wenige Packungen in der Praxis vorrätig zu halten. Der sofortige Einsatz von Agrylin sei therapeutisch zwingend notwendig. Ein Aussetzen der Agrylin-Therapie z. B. wegen Beschaffungsschwierigkeiten des Patienten führe sofort zu Komplikationen. Der Kläger sei erstmals mit Prüfantrag der Beigeladenen zu 2) vom 25.09.2001 darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich die Ausnahme von der Sprechstundenbedarfsvereinbarung gemäß der Protokollnotiz ausschließlich auf Zytostatika, Metastasenhemmer und Diphosphonate beschränke und ansonsten eine Verordnung zur Serienbehandlung in wirtschaftlichen Großpackungen üblicherweise nicht anerkannt werde. Im Hinblick auf die für den Vertragsarzt nicht eindeutige Rechtslage und den verspäteten Hinweis der Krankenkasse auf ihre Ansicht sei ein Regress im Hinblick auf diese Präparate bei ordnungsgemäßer Ausübung des Ermessens ausgeschlossen. Nach Auffassung des Prüfungsausschusses und insbesondere der ... solle die Herstellung applikationsfertiger Arzneimittellösungen von Biphosphonaten und Liponsäurepräparaten durch den Arzt erfolgen. Biphosphonate seien Chemotherapeutika, die zytostatisch wirksam seien. Wegen ihrer potentiellen Mutagenität und Teratogenität seien Biphosphonate den Zytostatika in ihrer Sonderstellung gleichzustellen. Wegen der Gefahren, die auch von den Biphosphonaten ausgehen, sei auch bei der Zubereitung dieser Präparate ein umfangreicher Personenschutz zu fordern. Wegen der potenziellen Mutagenität und Teratogenität sei die Zubereitung durch den Apotheker angezeigt. Die Zubereitung könne nicht zum typischen Aufgabengebiet des Arztes gerechnet werden, schon gar nicht könne der Arzt gezwungen werden, die Herstellung von Rezepturarzneimitteln selbst vorzunehmen. Auch aus den gesetzlichen und vertraglichen Regelungen betreffend den Onkologen könne nicht abgeleitet werden, dass der Onkologe zur Herstellung von Infusionslösungen selbst verpflichtet wäre. Die Herstellung von Zytostatika- und Biphosphonat-Lösungen in der Praxis des Arztes wäre mit einer enormen technischen Ausrüstung und entsprechend hohen Kosten für den Arzt verbunden, die gerade nicht über die Gebühren für die ärztliche Tätigkeit mitabgeholten würden, sondern vielmehr durch die Taxe des Apothekers vergütet würde. Hinsichtlich der Liponsäure sei dem Kläger nicht bekannt gewesen, dass die Apotheken derartig hohe Aufschläge für die Zubereitung erheben. Wenn die Krankenkassen die allgemein übliche und seit vielen Jahren praktizierte Zubereitung der Liponsäurepräparate und der Biphosphonate durch die Apotheken für zu teuer halten, hätten sie die verordnenden Ärzte und insbesondere den Kläger vorab darauf hinweisen müssen. Gegen den Prüfbescheid vom 02.12.2002 hat auch die Beigeladene zu 2) mit Schriftsatz vom 20.12.2002 Widerspruch eingelegt. Der Beklagte hat die Beteiligten mit Schriftsatz vom 12.03.2003 darauf hingewiesen, dass der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine verfeinerte Vergleichsgruppe der bayerischen Facharzt-Internisten, Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie (32 Praxen) zugrunde gelegt worden sei, die diesbezüglichen Unterlagen wurden den Beteiligten übersandt. Hierzu haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 14.03.2003 darauf hingewiesen, dass der Kläger ausschließlich auf die Behandlung onkologischer Patienten beschränkt sei und diese Spezialisierung bei ihm deutlich stärker ausgeprägt sei als in der Vergleichsgruppe. Der Kläger weise eine deutlich geringere Fallzahl von 284 Patienten im Quartal auf. Bemerkenswert sei auch, dass zwar beim Sprechstundenbedarf eine Überschreitung im Vergleich zur Fachgruppe bestehe, jedoch würden im Hinblick auf die Arzneiverordnungskosten deutliche Unterschreitungen der Vergleichsgruppe bestehen. Für den Fall, dass der Beschwerdeausschuss zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Praxis des Klägers mit der vorgeschlagenen Vergleichsgruppe zu vergleichen sei, seien die angeführten Besonderheiten als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen. Der Kläger habe auch einen überdurchschnittlich hohen Überweisungsanteil. Dagegen unterschreite der Kläger bei den Krankenhauseinweisungen die entsprechenden Zahlen der Vergleichsgruppe deutlich.

Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2003 den gegen den Kläger festgesetzten Regress halbiert und im Übrigen den Widerspruch des Klägers abgewiesen. Der Widerspruch der ... wurde abgewiesen. Der Beklagte habe in seiner Sitzung eine eingehende Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten durchgeführt. Bei 260 Behandlungsfällen der bayerischen Krankenkassen habe der Kläger im 1. Quartal 2001 pro Behandlungsfall Arzneimittel (gesamt) im Wert von 4.591,88 DM verordnet. Der Kläger überschreite beim PC-Bedarf (4.228,13 DM) die Vergleichsgruppe der Fachinternisten in Bayern mit 29,00 DM um + 14.479,8%. Da der Kläger nahezu ausschließlich onkologische Patienten versorge, sei der pauschale Vergleich mit den Facharztinternisten falsch und es werde ein verfeinerter Vergleich mit 32 bayerischen Facharzt-Internisten zugrunde gelegt, welche den Schwerpunkt „Hämatologie und internistische Onkologie“ führen. Hier weise der Kläger beim Sprechstundenbedarf eine Überschreitung von + 564,7% auf, was noch deutlich im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses liege. Darüber hinaus überschreite der Kläger aber bei nahezu allen „Onkologie-Indikatoren“ (wird näher aufgeschlüsselt) diese Spezialisten, was auf die Sonderzulassung im Teilgebiet und die dadurch bedingte Zusammensetzung des Patientengutes zurückzuführen sei. Diese Feststellung stehe auch im Einklang mit den schriftsätzlichen Ausführungen, wonach das Klinikum W-Stadt ebenfalls die Ermächtigung zur ambulanten Chemotherapie besitze. Die dort operierten Karzinompatienten würden adjuvant weiterbehandelt, den Weg zum niedergelassenen Onkologen würden primär Rezidivpatienten mit dem Bedarf teurer Therapievarianten (kurativ, palliativ) finden. Ein weiterer Beleg für die Betreuung eines abweichenden Patientengutes stelle der gegenüber anderen Onkologen höhere Rentneranteil dar (+ 39%). Laboraufhebungspauschalen wegen der Betreuung von Krebspatienten (3488 und 3495) mache der Kläger 260 geltend, die bayerischen Onkologen dagegen 135. Bei den Onkologieziffern (8650 bis 8655) errechne sich eine Quote von 251 zu 163 Patienten. Es dürfe daher von einem rund doppelt so hohen Krebspatientenanteil ausgegangen werden, der sich auch PC-mehrend auswirke. Ermessenshalber werde der doppelte Fallwert bayerischer Facharzt-Internisten mit dem Schwerunkt Hämatologie und internistische Onkologie als wirtschaftlich eingestuft (= 1.172,18 DM), wodurch die Sonderbedarfszulassung mit dem regionalen Spezialbedarf abgegolten sei. Wenngleich die bayerischen Onkologen rund doppelt so viele Patienten (650) behandeln, erlaube diese Scheinzahl einen statistischen Fallkostenvergleich. Erst bei weniger als einem Fünftel der Fachgruppenfallzahl bzw. bei einer kleineren Scheinzahl als 100 sei eine Einzelfallprüfung erforderlich. Auch Einsparungen seien zu beurteilen. So falle auf, dass die Arzneikosten gegenüber anderen Onkologen ungewöhnlich niedrig liegen. Je Fall würden DM 546,71 eingespart, die Abweichung liege bei - 60%. Dies hänge damit zusammen, dass der Vertragsarzt in großem Umfang Mittel über Sprechstundenbedarf beziehe, welche laut Vereinbarung gar nicht PC-tauglich seien. Wenngleich ein beliebiges Hin- und Herschieben zwischen den einzelnen Verordnungsbereichen nicht zulässig sei, empfehle sich doch ein Gegenrechnen des arzneilichen Minderbedarfs. Auch die Zusammenschau von Sprechstundenbedarf und Einzelrezepten weise eine markant hohe Fallwertüberschreitung aus. Der überhängende Bedarf sei weder durch den sonderzulassungsbedingten Mehraufwand noch durch die Einsparung im Arzneisektor begründet. Um der Sache gerecht zu werden, empfehle sich die Gutschrift des Minderaufwandes bei den Arzneimitteln (546,71 DM). Beachtlich sei die Entwicklung der Fallwerte beim Kläger. Die Arzneikosten insgesamt seien sprunghaft angestiegen. Noch im Quartal 1/2000 sei der Kläger mit dem halben Fallwert ausgekommen (1.984,02 DM gegenüber 4.591,88 DM). Interessant sei ferner die plötzliche Verschiebung der Kosten in den Sprechstundenbedarf. In 2/1999 hätten die Einzelrezepte des Klägers 1.956,67 DM und sein PC-Bedarf 96,99 DM gekostet. Bereits in 3/1999 habe sich der Bedarf quasi umgekehrt (Arznei 687,48 DM/PC 1.861,07 DM). Eine Änderung der Verschreibungsweise sei erst wieder in 1/2002 auszumachen. Die Statistik des Klägers weise dann deutlich niedrigere Arzneikosten aus, wobei eine Verlagerung mehr in den Arzneisektor hinein zu beobachten sei. Der Trend habe sich im Quartal 2/2002 bestätigt. Auffällig seien primär und im großen Umfang nicht PC-bezugsfähige Mittel. Zytostatika, Biphosphonate und Liponsäuremittel seien grundsätzlich vom Bezug als Sprechstundenbedarf ausgeschlossen. Die ... Bayern habe dem Kläger aber gemäß der Protokollnotiz zu Abschnitt III.1 der PC-Vereinbarung den PC-Bezug im Juni 1999 genehmigt. Wenn schon solche Mittel auf dem korrekten Wege bezogen würden, dann sei zu hinterfragen, warum der Vertragsarzt die Präparate in der Apotheke habe mischen lassen. Durch eine Vereinbarung der Kasse mit den Apotheken dürften jene einen Aufschlag von 90% der Kosten in Rechnung stellen. Hinsichtlich des Mischens von Zytostatika werde die Ansicht der ... nicht geteilt. Die Aufwendungen und Risiken, welche der Onkologe beim Herstellen zu tragen habe, könnten keinesfalls mit der Onkologiepauschale abgegolten werden. Baumaßnahmliche Auflagen sowie gesundheitliche Gefährdungen von Patienten und Personal seien nicht zumutbar. Dagegen bräuchten Biphosphonat- und Liponsäure-Infusionslösungen keine besonderen Schutzvorkehrungen. Lediglich der Ampulleninhalt sei mit der Trägerlösung zu verdünnen. Weil der Bezug in Rezepturform wesentlich teurer sei als die Mengung in der Praxis, handle der Kläger unwirtschaftlich. In den Quartalen 3/2000 und 4/2000 habe die Beigeladene zu 2) hierdurch verursachte Mehrkosten in Höhe von 72.000,00 DM vorgerechnet. Im Übrigen zählt der Beklagte Arzneimittel auf, die nicht über PC verordnungsfähig seien. Auf dieser Grundlage kommt der Beklagte zu einer Überschreitung von + 1.775,02 DM (+ 139,5%), die immer noch im offensichtlichen Missverhältnis liege. Für den Arzt spreche, dass der ...-seitige Hinweis aus den Quartalen 3/2000 und 4/2000 erst im September 2001 erfolgt sei. Es bleibe offen, ob der Kläger von der Kassenvereinbarung (Preisaufschläge bis 90% beim Mischen von Biphosphonaten und Liponsäureprodukten durch die Apotheken) hätte wissen müssen. Zu Beginn seiner Tätigkeit sei er unbestreitbar beraten worden. Bei korrektem Bezugs Weg der genannten Mittel über Einzelrezept hätte die Krankenkasse den überwiegenden Teil der Kosten ebenfalls zu tragen gehabt. Weiter sei ein drastischer Fallwertrückgang ab dem Quartal 1/2002 festzustellen. Nicht zuletzt würden Regressentscheidungen in dieser Größenordnung für eine Praxis mit rund 260 Patienten de facto den Ruin darstellen. Nach eingehender Beratung und Erörterung werde der Regress deshalb halbiert.

Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers vom 25.06.2003 zum Sozialgericht München, die in der Folge zunächst zum Ruhen gebracht wurde und dann wieder aufgenommen wurde (Az.: S 21 KA 272/10). Mit Schriftsatz vom 24.4.2012 hat der neue und auch noch jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers die Klage begründet. Der Kläger habe in den Jahren 2001, 2002 und 2003 an Arzneimittelverträgen partizipiert, die zwischen den Verbänden, den Krankenkassen und der KVB abgeschlossen worden seien. Darin sei ein Regressschutz bei Durchschnittsprüfungen und Richtgrößenprüfungen vereinbart worden, gegen den die streitigen Prüfbescheide verstoßen würden. Unzulässigerweise würden die Prüfanträge mit den Kosten für die Zytostatikazubereitung begründet, die allenfalls Gegenstand einer Einzelfallprüfung sein könnten. Die Kosten der Zytostatikazubereitung seien vorab aus den Verordnungen herauszurechnen, da aufgrund des hohen Aufwandes der Arzt diese Aufwendungen nicht kostenlos zubereiten müsse und berechtigt sei, diese Zubereitung zu verordnen. Nach Auffassung des Sozialgerichts München (S 38 KA 645/05) habe das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V und in Konkretisierung hierzu die Protokollnotiz zu III.1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung dann keine Bedeutung für den Behandler, wenn der therapeutische Nutzen bei der Verordnung auf Einzelrezept ein höherer sei. In diesem Fall seien höhere Kosten unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit in Kauf zu nehmen. Nicht zuletzt aufgrund des Patientenschutzes, mit dem erhöhte Qualitätsanforderungen einhergehen, seien höhere Kosten unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit in Kauf zu nehmen, da davon auszugehen sei, dass der therapeutische Nutzen höher sei. Es sei onkologischen Schwerpunktpraxen nicht zuzumuten, personell und ausstattungsmäßig so aufzurüsten, dass die vorgenannten Qualitätsanforderungen erfüllt würden. Nach Ansicht des Sozialgerichts München spreche der Umstand, dass eine INN-Vereinbarung (International Non-Proprietary Name) rückwirkend ab dem 01.07.2006 zwischen der KVB und allen gesetzlichen Krankenkassen geschlossen worden sei, vielmehr für das Gegenteil. Wäre die „Zubereitung“ durch die GOP 8655 miterfasst, hätte es der INN-Vereinbarung überhaupt nicht bedurft. Es liege eine nicht geeignete Vergleichsgruppenbildung vor. Die rein onkologische Ausrichtung der Praxis habe ihre Ursache in der Sonderbedarfszulassung, die grundsätzlich untersage, andere als onkologische Patienten zu behandeln und in der Monopolstellung als einziger Arzt für Hämatologie und Onkologie zwischen A-Stadt, P-Stadt, N-Stadt und P-Stadt im Zeitraum von 1998 bis 2004 begründet gewesen sei. Die Praxis habe nur ca. 300 Patienten pro Quartal behandelt, die fast alle Chemotherapie bekommen hätten, während die Gruppe der Onkologen aus den teilweise durchgeführten Spezialvergleichen z. B. im Quartal 2/2001 699 Patienten im Durchschnitt gehabt hätten, von denen aber nur ca. 100 Chemotherapie erhalten hätten. Regelmäßig führten 50 bis 20% der Ärzte in der verfeinerten Vergleichsgruppe gar keine intravenöse Chemotherapie durch. Die intravenöse Chemotherapie sei vergleichsweise kostspielig. Im Prüfbescheid vom 10.08.2005 zum Quartal 1/2003 sei kein Regress ausgesprochen worden bei einer rechnerischen Überschreitung von 525,8%. Mit seinem Bescheid vom 17.02.2003 (Verfahren zum Spechstundenregress Quartal 2/2001) stelle der Prüfungsausschuss fest, dass trotz einer Überschreitung von mehr als 50% keine Maßnahme ausgesprochen werde, weil ein verfeinerter Vergleich mit anderen Praxen scheitere. Obwohl die ... zu den Arzneimitteln im Quartal 4/2008 einen Prüfantrag gestellt habe wegen einer 487%-igen Überschreitung in der Durchschnittsprüfung, komme der Prüfungsausschuss zu dem Ergebnis, keine Maßnahme zu verhängen, weil im Spezialvergleich der Medikamentenverbrauch der Praxis des Klägers unter dem der Vergleichsgruppe mit 1.132,43 Euro pro Quartal und Patient liege. Trotz unveränderter Praxisstruktur und unverändert sparsamer Verordnungsweise hätten am 21.06.2010 verschiedene Krankenkassen und die KVB die Prüfanträge Verordnung Arzneimittel Durchschnittswerte für die Quartale 2/2008, 3/2008 und 4/2008 bei einer rechnerischen Überschreitung von 429,6% zurückgenommen mit Ausnahme der ... Im Quartal sei ein Verzeichnis der Patienten mit Angaben zu Diagnosen und Therapie von den Prüfgremien ignoriert worden. Im Widerspruchsbescheid des Beklagten werde die Regresssumme einfach halbiert. Ausgeführt werde, dass der Kläger die doppelte Anzahl an Chemotherapie gegenüber der Vergleichsgruppe habe. Die hohe Zahl der Nichttumorpatienten in der Vergleichsgruppe, die deren Durchschnittskosten deutlich senke, werde nicht beachtet. Die Klagebegründung des Arztes habe darauf abgezielt, dass die Vergleichsgruppe der „Onkologen“ zu 20% keine Chemotherapie durchführe, der Kläger nur 260 Patienten im Quartal behandle, die fast ausschließlich teure Chemotherapie bekämen, während in der Vergleichsgruppe der Arzt durchschnittlich 650 Patienten im Quartal behandle und davon nur ca. 100 mit Chemotherapie. Durch die illegale Ermächtigung des Klinikums W-Stadt würden die postoperativen preisgünstigeren („adjuvanten“) Chemotherapien dort durchgeführt. In der Praxis des Klägers würden überwiegend „ausbehandelte“ Patienten betreut, die mit neueren und teuren Therapien behandelt werden müssten. Entsprechend dem Bescheid des Beklagten würden einem Chemotherapiepatienten nur 1.546,00 DM (im Quartal) zugestanden. Eine moderne, noch unter Patentschutz stehende Chemotherapie koste aber regelmäßig 4.000,00 Euro im Monat. Die onkologischen Spezialziffern 8650 bis 8655 seien in 251 Fällen abgerechnet worden. Die überlassenen Zahlen würden außerdem zeigen, dass auch beim durchgeführten „Feinvergleich“ mit Ärzten für Onkologie in Bayern nur drei von vier überhaupt eine intravenöse Chemotherapie durchführen würden. Es sei seitens der ... ausdrücklich erwünscht gewesen, die Zytostatikarezepturen im Sprechstundenbedarf zu verordnen, damit die Apotheken die Zubereitungen nicht abrechnen könnten. Deshalb habe der Kläger insgesamt vier Jahre lang selbst im eigens eingerichteten und dreimal behördlich kontrollierten Labor zubereitet. Für weitere Verwirrung habe gesorgt, dass beim Gespräch im Dienstleistungszentrum Ärzte am 11.11.1998 gefordert worden sei, ausgerechnet die vitaminähnliche Substanz Folinsäure, die die Wirksamkeit bestimmter Chemotherapeutika verbessern solle, selbst aber nicht chemotherapeutisch wirksam sei, sowie Immunglobuline und parenterale Nährungslösungen im Sprechstundenbedarf zu verordnen. Es wurde empfohlen, das Immunglobulin der Firma Alpha in verschiedenen Konfektionsgrößen jeweils als Bündelpackung zu 20 Flaschen zu verordnen. Immunglobulin und Folinsäure seien wie die meisten Zytostatika und alle monoklonalen Antikörper Kühlware. Die von der ... wiederholt geforderte Verordnung von Großpackungen hätte die logistischen Möglichkeiten der Praxis weit überfordert. Während nun die Protokollnotiz ausgerechnet die Verordnung von Zytostatika als Sprechstundenbedarf verlange, wolle der Beklagte den Arzt wegen der Verordnung der Zytostatika Ovastat, Syrea und Agrylin im Sprechstundenbedarf in Regress nehmen. Demgegenüber wolle der Beklagte das hochpreisige NeoRecromon, das nur eingesetzt werde bei schwerer Anämie nach Chemotherapie, und das in Packungen zu sechs Fertigspritzen als Kühlware vorliege, gerade nicht im Sprechstundenbedarf akzeptieren. Die weiteren Ausführungen betreffen speziell die folgenden Quartale. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.04.2012 hat das Sozialgericht München zu zwei Quartalen (Quartale 3/2001 und 1/2002) die Klagen abgewiesen. Die Berufungen gegen diese Urteile wurden mit Urteilen des Senats vom 25.06.2014 (L 12 KA 116/12 und L 12 KA 117/12) zurückgewiesen. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Bayer. Landessozialgerichts vom 25.06.2014 wurden mit Beschlüssen des Bundessozialgerichts vom 11.02.2015 (B 6 KA 51/14 B und B 6 KA 52/14 B) verworfen. Das Verfahren mit dem Az.: S 21 KA 272/10 wurde abermals zum Ruhen gebracht und auf den Antrag des Klägers vom 09.04.2013 wieder aufgenommen (S 21 KA 661/13).

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 12.06.2015 die Klage abgewiesen. Die form- und fristgerecht erhobene Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Rechtsgrundlage für die vom Beklagten angewandte Form der arztbezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung der ärztlichen Verordnungsweise Arzneimittel nach Durchschnittswerten sei § 106 SGB V i. V. m. § 13 Prüfungsvereinbarung in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung. Unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe habe der Beklagte die Verordnungstätigkeit des Klägers hinsichtlich des Sprechstundenbedarfs über die statistische Durchschnittsprüfung hinaus auch der erforderlichen intellektuellen Prüfung unterzogen. Dass die Durchschnittsprüfung wegen der Teilnahme des Klägers an Arzneimittelverträgen ausgeschlossen gewesen sei, habe der Kläger zwar behauptet, aber für das Jahr 2001 nicht belegt. Der Vergleich sei zutreffend mit der Vergleichsgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie durchgeführt worden. Diese Vergleichsgruppe sei mit 32 Praxen für einen Vergleich auch ausreichend groß. Der Kläger habe gegen die herangezogene Vergleichsgruppe eingewendet, dass in der Vergleichsgruppe von einigen Praxen keine ambulanten Chemotherapien durchgeführt worden seien und auch in keiner Praxis nahezu ausschließlich Krebspatienten behandelt worden seien. Ein aussagekräftiger Vergleich sei bereits deshalb nicht möglich gewesen. Der Bildung einer besonderen, engeren Vergleichsgruppe bedürfe es nur, wenn die jeweils maßgebenden Leistungsbedingungen so verschieden seien, dass von einem statistischen Vergleich von vorneherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit zu erwarten seien. Dies sei der Fall, wenn die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik beim Durchschnitt der Fachgebiete signifikant abweiche. Den Prüfgremien stehe es im Rahmen des ihnen auch insoweit zustehenden, gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Spielraums bei der Auswahl von Methoden zur Verfeinerung des statistischen Vergleichs - selbst bei grundsätzlich bestehender Notwendigkeit einer verfeinerten Vergleichsgruppenbildung - frei, signifikante Abweichungen von den fachgruppentypischen Leistungsbedingungen statt durch Bildung engerer Vergleichsgruppen im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheiten oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts zu berücksichtigen. Der Beklagte habe dem Vortrag des Klägers Rechnung getragen und innerhalb der Vergleichsgruppe anhand der Abrechnungsdaten der GOP 16, 278, 280, 282, 308, 319, 3488, 3495, 8650 bis 8655 überprüft, ob sich der Anteil von Patienten, die in der Praxis des Klägers mittels Chemotherapie behandelt werden, von demjenigen der Vergleichsgruppe unterscheide. Zutreffend habe er festgestellt, dass der Kläger einen etwa doppelt so hohen Anteil an Patienten mit Chemotherapiebehandlung aufweise. Er habe dieser Abweichung dadurch Rechnung getragen, dass er dem Kläger die doppelten Verordnungskosten/Fall als Praxisbesonderheit anerkannt und von seinem Fallwert abgesetzt habe. Dem Kläger seien damit in der Summe das Dreifache des Fallwertes der Vergleichsgruppe als wirtschaftliche Verordnungskosten beim Sprechstundenbedarf zugestanden worden. Damit werde dem vom Kläger vorgetragenen Umstand, mehr Patienten mit einer Chemotherapie zu behandeln, ausreichend Rechnung getragen. Wenn sich aus den vom Beklagten herangezogenen Häufigkeitsstatistiken ergebe, dass der Kläger etwa doppelt so viele Patienten mit einer Chemotherapie behandle als die Vergleichsgruppe, sei der Abzug des doppelten Fallwertes der Vergleichsgruppe als Praxisbesonderheit ein probates Mittel, dieser Abweichung gerecht zu werden. Dagegen spreche auch nicht der Vortrag des Klägers, in der Vergleichsgruppe sei von einigen Praxen teilweise gar keine Chemotherapie durchgeführt worden und damit der Durchschnittswert vermindert worden. Aus der vom Beklagten herangezogenen Häufigkeitsstatistik für die verfeinerte Vergleichsgruppe sei zu entnehmen, dass die GOP 16 von 96,88% der Praxen, die GOP 278 von 84,38% der Praxen, die GOP 3488 von 87,5% der Praxen und die GOP 3495 von 93,75% der Praxen abgerechnet worden sei. Die Häufigkeit auf 100 Fälle bei der Abrechnung dieser GOP überschreite der Kläger vor allem bei der GOP 3488 (+ 54,93%) und 3495 (+ 148,90%) sowie bei der GOP 8651 (parenterale Chemotherapie + 102,06%). Der vom Beklagten daraus gezogene Schluss, der Anteil von Patienten mit einer Chemotherapiebehandlung sei in der Praxis des Klägers etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Vergleichsgruppe, sei nach diesen Abrechnungsdaten plausibel. Der Einwand des Klägers, mit dem Durchschnittswert der Vergleichsgruppe, auch angehoben durch die anerkannten Praxisbesonderheiten sei eine angemessene Therapie der Patienten nicht zu finanzieren, sei unbegründet. Im streitgegenständlichen Prüfverfahren gehe es nur um die Verordnung des Sprechstundenbedarfs. Die insolierte Betrachtung des Fallwerts für den Sprechstundenbedarf sage nichts darüber aus, in welchem Maße dem Vertragsarzt wirtschaftliche Verordnungskosten pro Patient insgesamt von den Prüfgremien oder Krankenkassen „zugestanden“ würden. Der für das streitgegenständliche Quartal geltenden Prüfungsvereinbarung sei keine Vorgabe zu entnehmen, dass Kosten der Zytostatikazubereitung von den zu prüfenden Verordnungskosten herauszurechnen und damit von der Prüfung auszunehmen seien. Grundsätzlich sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zur Begründung seiner Entscheidung auf einzelne Verordnungen eingehe, deren Verordnung gar nicht oder zumindest nicht über Sprechstundenbedarf hätte erfolgen dürfen. Nachdem die Praxis des Klägers als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt gewesen sei, habe der Kläger auch Zytostatika als Sprechstundenbedarf verordnen dürfen. Der Beklagte habe dem Vortrag des Klägers zugestimmt und festgestellt, dass wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen eine Verpflichtung zur Zubereitung von Zytostatika-Lösungen nicht bestanden habe. Wenn der Kläger jedoch die für den jeweiligen Patienten benötigte Zytostatika-Lösung nicht habe selbst zubereiten wollen und können, so hätte auch keine Verordnung der Zytostatika über den Sprechstundenbedarf erfolgen dürfen. Mangels eines entsprechenden Antrages der Beigeladenen zu 2) gemäß § 14 der Prüfungsvereinbarung habe der Beklagte auf diese Prüfung verzichtet und zugunsten des Klägers auch berücksichtigt, dass bei korrekter Verordnung auf den Namen des Versicherten unter Angabe der zuständigen Krankenkasse diese Kosten von der jeweiligen Krankenkasse ebenfalls zu tragen gewesen wäre. Der Beklagte hat darüber hinaus großzügig kompensatorische Einsparungen wegen der Unterschreitung bei der Arzneiverordnungen anerkannt und zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass die hohe Überschreitung beim Sprechstundenbedarf auch auf Verordnungen beruht, die als Sprechstundenbedarf unzulässig gewesen seien. Diese Verordnungen hätten als Einzelverordnungen ausgestellt werden müssen, deren Kosten den Krankenkassen damit auch entstanden wären. Darüber hinaus sei eine großzügige Restüberschreitung von 164,5% belassen worden, die noch weit im offensichtlichen Missverhältnis liege.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 24.08.2015.

III.

Der Kläger wendet sich gegen den gegen ihn festgesetzten Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise beim Sprechstundenbedarf im Quartal 2/2001.

Die Beigeladenen zu 1) bis 7) haben beantragt, die PC-Verordnungsweise des Klägers einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu unterziehen.

Der Kläger hat hierzu mit Schreiben vom 16.10.2002 geltend gemacht, dass er in seiner onkologischen Schwerpunktpraxis mit Sonderzulassung fast ausschließlich onkologische Patienten behandle. Diese Patienten seien in der Regel multimorbid, älter (das Durchschnittsalter bei Krebserkrankungen sei 70 Jahre), schwerkrank, so dass auch für Begleitmedikationen wie Schmerzmittel, Antiemetika, Vitamine und Nährlösungen ein dem durchschnittlichen Patienten übersteigender Bedarf bestehe. Die betreute Auswahl an Patienten sei üblicherweise stationär für Monate im Krankenhaus oder Universitätsklinikum. Es würden durch die arbeits- und zeitintensive ambulante Betreuung Kosteneinsparungen erzielt, die den Medikamentenverbrauch weit überschreiten würden.

Der Prüfungsausschuss hat mit Prüfbescheid vom 17.02.2003 beschlossen, keine Maßnahme auszusprechen. Primär fehle es an einer homogenen und ausreichend großen Vergleichsgruppe. Die Abweichung gegenüber anderen Facharzt-Internisten stelle kein Kriterium für pauschale Kürzungsentscheidungen nach Schätzung dar. Nicht zuletzt habe der Kläger seine PC-Anforderung im Quartal 4/2001 um rund ein Drittel gemindert. Ein quartalsübergreifender Ausgleich sei nicht auszumachen. Der Jahres-PC überschreite ähnlich hoch. Dies könne ein Indiz dafür sein, dass die Patientenschaft in ihrer Zusammensetzung konstant bleibe und die angefochtenen Medikamente zur Krebstherapie über das ganze Jahr hinweg anfallen.

Hiergegen richten sich die Widersprüche der Beigeladenen zu 2) und 7) vom 26.02.2003 und 12.03.2003. Die Beigeladene zu 7) hat mit dem Schreiben vom 26.02.2003 geltend gemacht, dass die Begründung des Prüfungsausschusses nicht nachvollziehbar sei. Im Quartal sei bei einer Überschreitung von 3.448,2% eine Kürzung von 15% ausgesprochen worden.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben hierzu mit Schreiben vom 01.07.2003 Stellung genommen. Dem Kläger sei durch den Beklagten ein Spezialvergleich mit 36 fachinternistischen Praxen vorgelegt worden, die ebenfalls den Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie haben. Im Bescheid des Prüfungsausschusses sei noch ausgeführt worden, dass allein fünf Praxen bayernweit dieselbe Ausbildung besitzen würden wie der Kläger. Angesichts der Vergleichsstatistik erhärte sich der Verdacht, dass der Kläger mit einer Vergleichsgruppe verglichen werde, mit der er nicht vergleichbar sei. Wie sonst sei zu erklären, dass er sowohl bei den Arzneikosten auf Einzelrezept als auch beim Sprechstundenbedarf eine Überschreitung der Vergleichsgruppe aufweise, die kaum noch nachvollziehbar sei. Es stelle sich die Frage, wie in den anderen Praxen Chemotherapien erbracht würden, wenn der durchschnittliche Verordnungswert je Fall beim Sprechstundenbedarf, über den Zytostatika in Bayern bezogen würden, bei 584,27 Euro liege. Selbst bei Anwendung der billigsten Substanzen, die verfügbar seien und zumeist mittlerweile auch nicht mehr dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, koste eine Chemotherapie mindestens 800,00 Euro im Monat. Die Zahlen wären nur so erklärbar, dass der Kläger in seiner Praxis verglichen mit der Gesamtpatientenzahl deutlich mehr Chemotherapien durchführe als dies in den Vergleichspraxen der Fall sei. Die Patientenzahl in der Praxis des Klägers liege mit - 68% deutlich unter der Fallzahl der Vergleichsgruppe. Dieser Umstand resultiere daraus, dass durch den Kläger deutlich mehr Patienten chemotherapeutisch und damit zeitaufwändig behandelt würden als in der Vergleichsgruppe. Es sei davon auszugehen, dass viele Ärzte der Vergleichsgruppe auch rein internistisch tätig würden, da sie aufgrund der Zulassung nicht auf den Bereich der Hämatologie und Onkologie beschränkt seien. Darüber hinaus sei zu beachten, dass viele Onkologen stärker rein diagnostisch tätig seien und mithin deutlich geringere Arzneimittelkosten verursachen, als dies beim Kläger der Fall sei. Auffällig seien in diesem Zusammenhang die Zahlen im Hinblick auf die Rezepte je Fall, während der Kläger durchschnittlich 2,62 Rezepte je Fall ausstelle, liege die Relation in der Vergleichsgruppe nur bei 1,5. Die Spezialisierung auf die Behandlung onkologischer Fälle sei beim Kläger deutlich stärker ausgeprägt als dies in der Vergleichsgruppe der internistischen Hämato-Onkologen der Fall sei. Beispielsweise habe der Kläger die Ziffer 8651 (parenterale Polychemotherapie) fast doppelt so häufig abgerechnet wie die Ärzte in der Vergleichsgruppe. Wie die onkologiespezifischen Ziffern 16, 17, 278, 280 und 308 EBM zeigen würden, unterscheide sich das Patientenklientel des Klägers deutlich von dem der Vergleichsgruppe. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Bundesempfehlung zur Richtgrößenvereinbarung Anlage 3 vorsehe, dass parenterale Chemotherapien bei Tumorpatienten als Rezepturzubereitung sowie parenterale Chemotherapie mit für diese Indikation zugelassenen Interferonen als Praxisbesonderheit anerkannt werden sollen. Zwar handle es sich hier nicht um eine Richtgrößenprüfung. Doch müsse die Wertung der paritätischen Selbstverwaltung zu der Prüfungsart, die vom Gesetzgeber für die Arzneimittelverordnung präferiert werde, dennoch Berücksichtigung finden, da es ansonsten zu Wertungswidersprüchen komme und es von der Wahl des Prüfverbands abhängen würde, ob ein Regress ausgesprochen werde oder nicht.

Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2003 einen Regress gegen den Kläger in Höhe von 10% festgesetzt, im Übrigen wurde der Widerspruch der Kassen abgewiesen. Die Widersprüche seien zulässig und auch begründet. Der Beklagte habe in seiner Sitzung eine eingehende Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten durchgeführt. Bei einem Vergleich mit dem Fachgebiet der Fachinternisten in Bayern überschreite der Kläger beim PC-Bedarf mit einer Verordnung in Höhe von 4.236,43 DM der Wert der Vergleichsgruppe (31,58 DM) um + 13.314,9%. Da der Kläger aber nahezu ausschließlich onkologische Patienten versorge, sei der pauschale Vergleich mit den Facharztinternisten ermessensfehlerhaft. Der verfeinerte Vergleich mit 36 bayerischen Facharztinternisten, welche den Schwerpunkt „Hämatologie und internistische Onkologie“ führen, ergäbe bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf eine Überschreitung gegenüber der Onkologengruppe (Verordnung PC in Höhe von 584,27 DM) um + 625,1%. Der Kläger überschreite bei nahezu allen „Onkologie-Indikatoren“ (Ziffern 16, 278, 280, 282, 308, 319, 3488, 3495, 8650, 8651, 8652, 8653 und 8655 EBM) die Vergleichsgruppe der Onkologen, was auf die Sonderzulassung im Teilgebiet und die entsprechende Zusammensetzung des Patientengutes zurückzuführen sei. Diese Feststellung könnte auch damit zusammenhängen, dass das Klinikum W-Stadt ebenfalls die Ermächtigung zur ambulanten Chemotherapie besitze. Die dort operierten Karzinompatienten würden adjuvant weiterbehandelt, den Weg zum niedergelassenen Onkologen würden primär Rezidivpatienten mit dem Bedarf teurer Therapievarianten (kurativ, palliativ) finden. Ein weiterer Beleg für die Betreuung eines abweichenden Patientengutes stelle der gegenüber anderen Onkologen höhere Rentneranteil dar (+ 29%). Laboraufhebungspauschalen wegen der Betreuung von Krebspatienten (3488 und 3495) mache der Kläger 270 geltend, die bayerischen Onkologen im Verhältnis 137. Bei den Onkologieziffern (8650 bis 8655) errechne sich eine Quote von 254 zu 145 Patienten. Es dürfe daher von einem rund doppelt so hohen Krebspatientenanteil ausgegangen werden. Ermessenshalber werde der doppelte Fallwert bayerischer Facharztinternisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie als wirtschaftlich eingestuft (= 1.168,54 DM). Die Sonderbedarfszulassung mit dem regionalen Spezialbedarf sei damit abgegolten. Der Vergleichswertberechnung würden die Behandlungsausweise von 254 bayerischen GKV-Kassenversicherten zugrunde gelegt. Wenngleich die bayerischen Onkologen rund doppelt so viele Patienten behandeln, erlaube diese Scheinzahl einen statischen Fallkostenvergleich. Auch Einsparungen seien zu beurteilen. Generell könnten nur PC-taugliche Mittel über den Sprechstundenbedarf bezogen werden. Insoweit sei ein beliebiges Hin- und Herschieben zwischen den einzelnen Verordnungsbereichen nicht zulässig. Mitunter würden die Krankenkassen auch Einnahmen durch Patientenzuzahlungen verlieren. Aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus erlaube allerdings die PC-Vereinbarung den onkologischen Schwerpunktpraxen Zytostatika, Metastasenhemmer und Biphosphonate über Sprechstundenbedarf zu beziehen. Eine entsprechende Bezugsmodalität habe der Kläger beantragt und im Juni 1999 die Genehmigung hierzu erhalten. Im streitigen Quartal seien kausale Einsparungen bei den Arzneiverordnungen nicht auszumachen. Gegenüber den anderen Onkologen liege der Kläger im Schnitt. Bei Rezeptdurchsicht würden sich wie erwartet zahlreiche Zytostatika und Biphosphonate zeigen. Hinsichtlich des Bezugs von Biphosphonaten sei nicht plausibel, warum der Vertragsarzt die Präparate in der Apotheke mischen lasse. Durch eine Vereinbarung der Kasse mit den Apotheken dürften jene einen Aufschlag bis zu 90% der Kosten in Rechnung stellen. Hier liege eindeutig unwirtschaftliches Handeln vor. Soweit sich der Kläger für den USA-Import Agrylin-Kapseln entscheide, verstoße er gegen die Idee des Abschnittes IV Satz 4 der PC-Vereinbarung. Als Sprechstundenbedarf verordnete Fertigarzneimittel müssten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte registriert und zugelassen und allgemein in Apotheken erhältlich sein. Danach ergebe sich eine bereinigte Überschreitung in Höhe von + 3.067,89 DM bzw. 262,5%, was unverändert im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses liege. Es sei nach erfolgter „intellektueller Beurteilung“ nicht auszumachen, wieso der Prüfungsausschuss von einer materiellen Prüfentscheidung abgesehen habe. Pauschale Prüfentscheidungen in diesem Bereich seien jederzeit möglich und bräuchten nicht gesondert begründet werden. Die o. g. Aussagen zur Apothekenmischung bei Biphosphonaten oder zum Bezug des Auslandsmittels Agrylin hätten nur beispielhaften Charakter und sollen dem Arzt die Möglichkeit zur Umstellung geben. Insgesamt sei festzustellen, dass die Arzneikosten insgesamt sprunghaft angestiegen seien. Genauso erstaunlich sei die Kostenreduzierung in der nahen Zukunft. Im entsprechenden Vergleichsquartal 2/2002 komme der Arzt wieder mit 2.076,84 DM aus. Bei sicherlich gleichbleibender Qualität der Patientenleiden seien solche Kostenunterschiede nicht plausibel. Nach eingehender Beratung und Erörterung werde ein Regress in Höhe von 10% (= 55.017,78 Euro) festgesetzt, was zu einer bereinigten Restüberschreitung in Höhe von 2.644,25 DM bzw. + 226,3% führe.

Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers vom 15.10.2003 zum Sozialgericht München, die ruhend gestellt wurde und später unter dem Az.: S 21 KA 273/10 wieder aufgenommen wurde, unter diesem Aktenzeichen wurde der schon bekannte Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 24.04.2012 eingereicht, der weitgehend identisch mit dem Schriftsatz zum Quartal ist. Zum Quartal 2/2001 wurde ausgeführt, dass der Kläger eine deutlich geringere Fallzahl mit 278 Patienten im Quartal betreue. Durch einen rein onkologisch tätigen Onkologen könne höchstens eine Patientenzahl von 300 bis 350 Patienten pro Quartal behandelt werden. Es sei davon auszugehen, dass viele Ärzte der Vergleichsgruppe auch rein internistisch tätig arbeiten. Anhand typischer onkologiespezifischer Ziffern könne sehr eindrücklich gezeigt werden, dass ein Vergleich der Praxis des Klägers mit der vorgeschlagenen Vergleichsgruppe unzulässig sei. Hinzu komme, dass in W-Stadt eine Krankenhausambulanz bestehe, weswegen die Praxis des Klägers vorrangig von Patienten aufgesucht werde, die sich in einem späten Stadium der Erkrankung befinden. Dies habe wiederum zur Folge, dass die Behandlung deutlich teurer ausfalle, da die Therapie bei Remissionen usw. deutlich teurer sei.

Die Streitsache wurde sodann abermals im Hinblick auf die genannten als Pilotverfahren ausgewählten Entscheidungen vom 25.04.2012 zum Ruhen gebracht und unter dem Az.: S 21 KA 662/13 wieder aufgenommen.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 12.06.2015 die Klage des Klägers abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze habe der Beklagte die Verordnungstätigkeit des Klägers hinsichtlich des Sprechstundenbedarfs über die statistische Durchschnittsprüfung hinaus auch der nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen intellektuellen Prüfung unterzogen. Dass die Durchschnittsprüfung wegen der Teilnahme des Klägers an Arzneimittelverträgen ausgeschlossen sei, habe der Kläger zwar behauptet, aber nicht belegt. Der Vergleich sei zutreffend mit der Vergleichsgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie durchgeführt worden. Die Vergleichsgruppe sei mit 36 Praxen für einen Vergleich auch ausreichend groß. Voraussetzung für die statistische Vergleichbarkeit im Rahmen einer Durchschnittsprüfung sei eine Homogenität der verglichenen Ärzte in dem Sinne, dass die wesentlichen Leistungsbedingungen des geprüften Arztes mit den wesentlichen Leistungsbedingungen der verglichenen Ärzte übereinstimmen. Der Kläger habe gegen die herangezogene Vergleichsgruppe eingewendet, dass in der Vergleichsgruppe von einigen Praxen keine ambulanten Chemotherapien durchgeführt worden seien und auch in keiner Praxis nahezu ausschließlich Krebspatienten behandelt worden seien. Der Bildung einer besonderen engeren Vergleichsgruppe bedürfe es nur, wenn die jeweils maßgebenden Leistungsbedingungen so verschieden seien, dass von einem statistischen Vergleich von vorneherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit zu erwarten seien. Den Prüfgremien stehe es im Rahmen des ihnen auch insoweit zustehenden, gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Spielraums bei der Auswahl von Methoden zur Verfeinerung des statistischen Vergleichs - selbst bei grundsätzlich bestehender Notwendigkeit einer verfeinerten Vergleichsgruppenbildung - frei, signifikante Abweichungen von den fachgruppentypischen Leistungsbedingungen statt durch Bildung engerer Vergleichsgruppen im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheiten oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts zu berücksichtigen. Der Beklagte habe dem Vortrag des Klägers Rechnung getragen und innerhalb der Vergleichsgruppe anhand von Abrechnungsdaten der GOP 16, 278, 280, 282, 308, 319, 3488, 3495, 8650 bis 8655 überprüft, ob sich der Anteil von Patienten, die in der Praxis des Klägers mittels Chemotherapie behandelt worden seien, von denjenigen der Vergleichsgruppe unterscheide. Zutreffend habe er festgestellt, dass der Kläger einen etwa doppelt so hohen Anteil an Patienten mit Chemotherapie aufweise. Er habe dieser Abweichung dadurch Rechnung getragen, dass er dem Kläger die doppelten Verordnungskosten/je Fall als Praxisbesonderheit anerkannt und von seinem Fallwert abgesetzt habe. Dem Kläger seien damit in der Summe das Dreifache des Fallwertes der Vergleichsgruppe als wirtschaftliche Verordnungskosten beim Sprechstundenbedarf zugestanden worden. Die Vorgehensweise des Beklagten trage dem vom Kläger vorgetragenen Umstand ausreichend Rechnung, er habe deutlich mehr Patienten mit einer Chemotherapie behandelt. Wenn sich aus den vom Beklagten herangezogenen Häufigkeitsstatistiken ergebe, dass der Kläger etwa doppelt so viele Patienten mit einer Chemotherapie behandelt habe als die Vergleichsgruppe, sei der Abzug des doppelten Fallwertes der Vergleichsgruppe als Praxisbesonderheit ein probates Mittel, dieser Abweichung gerecht zu werden. Dagegen spreche auch nicht der Vortrag des Klägers, in der Vergleichsgruppe sei von einigen Praxen teilweise gar keine Chemotherapien durchgeführt und damit der Durchschnittsfallwert vermindert worden. Aus der vom Beklagten herangezogenen Häufigkeitsstatistik für die verfeinerte Vergleichsgruppe sei zu entnehmen, dass die GOP 16 von 94,44% der Praxen, die GOP 278 von 80,56% der Praxen, die GOP 3488 von 91,67% der Praxen und die GOP 3495 von 94,44% der Praxen abgerechnet worden seien. Die Häufigkeit auf 100 Fälle bei der Abrechnung dieser GOP überschreite der Kläger vor allem bei den GOP 3488 (+ 75,93%) und 3495 (+ 133,69%) sowie bei der GOP 8651 (parenterale Chemotherapie + 167,42%). Der vom Beklagten daraus gezogene Schluss, der Anteil von Patienten mit einer Chemotherapiebehandlung sei in der Praxis des Klägers etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Vergleichsgruppe, sei nach diesen Abrechnungsdaten plausibel. Der Einwand des Klägers, mit dem Durchschnittswert der Vergleichsgruppe, auch angehoben um die anerkannten Praxisbesonderheiten, sei eine angemessene Therapie der Patienten nicht zu finanzieren, sei unbegründet. Im streitgegenständlichen Prüfverfahren gehe es nur um die Verordnung des Sprechstundenbedarfs. Die insolierte Betrachtung des Fallwertes für den Sprechstundenbedarf sage nichts darüber aus, in welchem Maße dem Vertragsarzt wirtschaftliche Verordnungskosten pro Fall insgesamt von den Prüfgremien oder Krankenkassen „zugestanden“ würden. Der für das streitgegenständliche Quartal geltenden Prüfungsvereinbarung sei keine Vorgabe zu entnehmen, dass Kosten der Zytostatikazubereitung von den zu prüfenden Verordnungskosten herauszurechnen und damit von der Prüfung auszunehmen seien. Auch der Hinweis auf die „Empfehlung für regionale Vereinbarungen über die Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung auf der Grundlage von Richtgrößen für Arzneimittel und Heilmittel ab dem Jahre 2000“ (Richtgrößen-Empfehlung) der Kassenärztlichen Bundesvereinbarung und der GKV Spitzenverbände vom 21.02.2000 mit den Ergänzungen, Stand 08.12.2000 und 25.09.2001, sei nicht geeignet, die Unzulässigkeit der vorgenommenen Prüfung zu begründen. Nach Ziffer 2 Abs. 5 der Richtgrößen-Empfehlung könnten bei der Bildung von Richtgrößen für Arzneimittel Verordnungen ausgenommen werden, bei denen keine Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Anwendung, für eine Verordnung außerhalb der zugelassenen Indikation oder für eine Mengenausweitung bestehen. Wirkstoffe, die unter diesen Voraussetzungen von der Richtgrößenfestlegung ausgenommen werden könnten, seien in der Anlage 2 zur Richtgrößen-Empfehlung zusammengestellt. Nach Ziffer 3 Abs. 7 der Richtgrößen-Empfehlung seien die besonderen Versorgungsverhältnisse einer Praxis im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach Richtgrößen zu berücksichtigen. Indikationsgebiete, bei denen im Hinblick auf Arzneimittel regelmäßig von Praxisbesonderheiten ausgegangen werden könne, seien in der Anlage 3 zur Richtgrößen-Empfehlung festgelegt. Nach der Anlage 2 Nr. 1 zur Richtgrößen-Empfehlung könnten die Vertragspartner auf der Landesebene in regionalen Vereinbarungen vorsehen, Zytostatika und Metastasenhemmer aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtgrößen auszunehmen. Gleichzeitig werde aber in Anlage 2 zur Richtgrößen-Empfehlung auch darauf hingewiesen, dass neben den Richtgrößenprüfungen weitere Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V zur Verfügung stehen. Bereits daraus ergebe sich, dass Wirkstoffe nach der Anlage 2 zur Richtgrößen-Empfehlung nicht vollständig ungeprüft bleiben sollen, sondern dass deren Verordnung nach wie vor im Rahmen der Durchschnittsprüfung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden solle. Nach der Anlage 3 Nr. 1.9 der Richtgrößen-Empfehlung werde die Verordnung parenteraler Chemotherapie bei Tumorpatienten als Rezepturzubereitung sowie parenterale Chemotherapie mit für diese Indikation zugelassenen Interveronen als Praxisbesonderheit berücksichtigt. Dies gelte nach dem Einleitungssatz der Anlage 3 zur Richtgrößen-Empfehlung nur für diejenigen Arzneimittel, die nicht bereits in der Wirkstoffliste der Anlage 2 berücksichtigt seien. Der Kläger habe nicht vorgetragen, ob und in welchem Umfang er Verordnungen parenteraler Chemotherapie bei Tumorpatienten als Rezepturzubereitungen sowie parenterale Chemotherapie mit für diese Indikation zugelassenen Interferonen mit Wirkstoffen vorgenommen habe, die nicht in der Anlage 2 zur Richtgrößen-Empfehlung aufgeführt seien. Im Übrigen würde auch bei solchen Verordnungen weiterhin die Einhaltung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen in weiteren Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung geprüft werden können. Grundsätzlich sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zur Begründung seiner Entscheidung darauf hingewiesen habe, dass die Verordnung von Agrylin gar nicht oder zumindest nicht über Sprechstundenbedarf habe erfolgen dürfen. Nachdem die Praxis des Klägers als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt gewesen sei, habe der Kläger auch Zytostatika als Sprechstundenbedarf verordnen dürfen. Dem habe der Beklagte zugestimmt und festgestellt, dass wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen eine Verpflichtung zur Zubereitung von Zytostatika-Lösungen nicht bestanden habe. Wenn der Kläger jedoch die für den jeweiligen Patienten benötigte Zytostatika-Lösung nicht habe selbst zubereiten wollen oder können, so habe er auch keine Verordnung der Zytostatika über den Sprechstundenbedarf vornehmen dürfen. Mangels eines entsprechenden Antrages gemäß § 14 der Prüfungsvereinbarung der Beigeladenen zu 2) habe der Beklagte auf diese Prüfung verzichtet und zugunsten des Klägers auch berücksichtigt, dass bei korrekter Verordnung auf den Namen des Versicherten unter Angabe der zuständigen Krankenkasse diese Kosten von der jeweiligen Krankenkasse ebenfalls zu tragen gewesen wären. Dem Kläger sei eine großzügige Restüberschreitung von 226,3% belassen worden, die noch weit im offensichtlichen Missverhältnis liege.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 24.08.2015.

IV.

Der Kläger wendet sich gegen den gegen ihn verhängten Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung beim Sprechstundenbedarf im Quartal 4/2001. Die gesetzlichen Krankenkassen in Bayern haben mit gemeinsamem Prüfantrag vom 30.04.2003 Antrag auf Prüfung der Verordnungsweise des Klägers im Quartal 4/2001 gestellt.

Der Prüfungsausschuss Ärzte Bayern hat mit Bescheid vom 10.08.2005 bei der Sprechstundenbedarfsanforderung einen Regress in Höhe von 60% ausgesprochen (= 296.163,05 Euro).

Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 06.09.2005. Obwohl eine moderne Chemotherapie ca. 10.000,00 Euro im Quartal koste und schwerkranke Tumorpatienten außer der Chemotherapie noch anderer teurer Medikamente wie Schmerzmittel und künstlicher Ernährung bedürften, würden auf Antrag der ... beim Kläger seit regelmäßig Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach Durchschnittswerten durchgeführt. Es werde eklatant gegen geltendes Recht verstoßen, wie z. B. gegen das Recht des Patienten auf Qualität und Wirksamkeit der Leistungen, wie es sich insbesondere aus § 2 SGB V ergebe. Mit 400,00 Euro im Quartal könne kein Krebspatient ausreichend behandelt werden. Es werde gegen geltende Vorschriften zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen verstoßen. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten habe das BSG ausgeführt, dass sich eine solche Prüfung nicht allein aufgrund einer rein statistischen Betrachtungsweise durchführen lasse, sondern erst aufgrund einer Zusammenschau der statistischen Erkenntnisse und der in Prüfgremien erkennbaren medizinisch-ärztlichen Gegebenheiten beurteilt werden könne, ob die vorgefundenen Vergleichswerte die Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses und somit den Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit rechtfertigen. Verstoßen werde gegen das Existenzrecht des Arztes. Der vom Prüfungsausschuss auf Antrag der ... ausgesprochene Regress sei existenzvernichtend. Der durchgeführte Vergleich sei nicht repräsentativ. Ein Vergleich der onkologiespezifischen Abrechnungsziffern ergebe, dass der Kläger doppelt so viele Tumorpatienten betreue und doppelt so viele Chemotherapien durchführe, wie die Vergleichsgruppe der niedergelassenen Onkologen in Bayern. Vom Prüfungsausschuss werde deshalb ermessenshalber der doppelte Fallwert als wirtschaftlich eingestuft. Es werde dabei allerdings nicht berücksichtigt, dass auf einen Chemotherapiepatienten in der Vergleichsgruppe sechs sogenannte „Verdünner“ kämen, die bei den Durchschnittsberechnungen miteingeschlossen seien. Da der Kläger durch seine Sonderbedarfszulassung - die ihm die Behandlung nichtonkologischer Patienten untersage - und durch die Krankenhausermächtigung im Ort ausschließlich onkologische Patienten, zumeist im fortgeschrittenen Tumorstadium betreue, sei ein Vergleich mit der sogenannten Vergleichsgruppe der niedergelassenen Onkologen nicht zulässig. Der Kläger betreue ausschließlich onkologische Patienten, davon die Hälfte unter Chemotherapie. Daraus ergebe sich auch die geringe Patientenzahl gegenüber der Vergleichsgruppe. Grundsätzlich würden schwerkranke Patienten und Chemotherapiepatienten als Praxisbesonderheit gelten. Eine Besonderheit in W-Stadt sei die weiterbestehende Ermächtigung zur Durchführung zytostatischer Chemotherapien am Klinikum W-Stadt durch den internistischen Chefarzt trotz mittlerweile zweier niedergelassener Onkologen. Da es am Klinikum W-Stadt keinen Krebsspezialisten gebe, bestehe das besondere Patientengut des Klägers ausschließlich aus Patienten, die nach Tumorrückfall oder Versagen der vorangegangenen Therapien mit den weit teureren Folgetherapien behandelt werden müssen, da in der Regel neu entwickelte teure Substanzen zum Einsatz kämen. Für den Fall, dass das Gericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der Kläger trotz der dargestellten Lage mit der Gruppe der fachärztlichen Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung Hämatologie/Onkologie vergleichbar sein sollte, seien die zu Anfang dargestellten Abweichungen vom Behandlungsverhalten der Vergleichsgruppe als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen. Die Tätigkeit des Onkologen sei latent ständig mit der Gefahr der Existenzvernichtung verbunden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzengremien der Krankenkassen hätten dieses Problem erkannt. Nach dem Strukturvertrag sollten alle besonderen Versorgungsverhältnisse „automatisch“ bei der Berechnung des Arzneimittelverbrauchs abgezogen werden.

Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2006 den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Der Widerspruch sei zulässig, aber nicht begründet. Der Beklagte habe eine eingehende Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten durchgeführt. Der Vergleich mit der Fachgruppe der Facharztinternisten in Bayern ergebe beim PC-Bedarf mit einer Verordnung des Klägers in Höhe von 3.250,53 DM pro Fall eine Überschreitung gegenüber dem Wert der Vergleichsgruppe in Höhe von 27,25 DM und damit eine Überschreitung in Höhe von + 11.828,6%. Die Scheine würden bei annähernd jeden Patienten eine Krebsdiagnose erkennen lassen. In der Abrechnung würden sich onkologische Betreuungsziffern (16) ebenso wie Infusionen von Zytostatika (278), Bluttransfusionen (280, 282) oder Punktionen (308, 319) finden lassen. Erkennbar seien zahlreiche Laboraufhebungspauschalen (3488, 3495) sowie Ergänzungspauschalen (8650 bis 8655), welche jeweils die intensive Betreuung von Krebspatienten dokumentieren. Insoweit sei der pauschale Vergleich mit den Facharztinternisten ungeeignet. Da der Kläger nahezu ausschließlich onkologische Patienten versorge, erfolge ein Vergleich mit 37 bayerischen Facharzt-Internisten, welche den Schwerpunkt „Hämatologie und internistische Onkologie“ führen. Die Überschreitung des Klägers gegenüber der Onkologengruppe beim Sprechstundenbedarf liege hier bei + 547,4%, was immer noch im Bereich des sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses liege. Gegenüber solchen Spezialisten unterscheide sich der Kläger wie folgt: Bei der GOP 3488 (Laboraufhebungspauschale Tumorpatient): + 92% sowie bei der GOP 3495 (Laboraufhebungspauschale Zytostasepatient): + 92%. Angesichts des Überschreitungswerts kann von rund einem doppelt so hohen Krebspatientenanteil ausgegangen werden. Insofern wirke sich die Sonderzulassung im Teilgebiet auf die Zusammensetzung des Patientengutes aus. Diese Feststellung könne auch damit zusammenhängen, dass das Klinikum W-Stadt ebenfalls die Ermächtigung zur ambulanten Chemotherapie besitze. Ermessenshalber werde der Fallwert bayerischer Facharzt-Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie zusätzlich gutgeschrieben (502,10 DM). Die Sonderbedarfszulassung mit dem regionalen Spezialbedarf sei damit abgegolten. Wenngleich die bayerischen Onkologen rund doppelt so viele Patienten behandeln, erlaube diese Scheinzahl einen statischen Fallkostenvergleich. Erst bei weniger als einem Fünftel der Fachgruppenfallzahl bzw. bei einer kleineren Scheinzahl als 100 sei eine Einzelfallprüfung erforderlich. Einen weiteren Beleg für die Betreuung eines abweichenden Patientengutes stelle der gegenüber anderen Onkologen höhere Rentneranteil dar (+ 38% in 2/2001). Für die Entscheidung bezüglich einer durchzuführenden Chemotherapie seien nicht nur Alter, sondern auch z. B. Nierenfunktion, kardialer Zustand oder kognitive Fähigkeit von entscheidender Bedeutung. Man unterscheide demzufolge bei alten Patienten zwischen Go-Go-Patienten und Slow-Go-Patienten. Die Go-Go-Patienten würden im Allgemeinen ähnlich behandelt wie junge Patienten. Die Chemotherapiekosten dürften hier in etwa gleich sein. In der palliativen Situation würden Slow-Go-Patienten (Alter ab etwa 70 Jahre) Chemotherapieprotokolle, die nur ein Zytostatikum enthalten, erhalten, so dass Chemotherapiekosten bei Slow-Go-Patienten nicht über den von jungen Patienten oder Go-Go-Patienten liegen würden, sondern eher darunter. Im adjuvanten oder kurativen Setting könnten die Therapapiekosten für Go-Go-Patienten und Slow-Go-Patienten ähnlich hoch sein, Slow-Go-Patienten würden aber im Allgemeinen nicht über Go-Go- bzw. jungen Patienten liegen. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass das hohe Lebensalter von Krebspatienten sich im PC-Bereich nicht leistungsmehrend auswirke. Generell könnten nur PC-taugliche Mittel über den Sprechstundenbedarf bezogen werden. Insoweit sei ein beliebiges Hin- und Herschieben zwischen den einzelnen Verordnungsbereichen (Arznei-PC) unzulässig. Aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus würden onkologische Schwerpunktpraxen Zytostatika, Metastasenhemmer und Biphosphonate über Sprechstundenbedarf beziehen. Der Kläger habe seit Juni 1999 eine entsprechende Genehmigung. Als Praxisbesonderheit werden dem Kläger der doppelte Krebspatientenanteil und der einfache Onkologenwert in Höhe von jeweils 502,10 DM anerkannt, was zu einer bereinigten Überschreitung von 2.246,33 DM bzw. 447,4% führe. Der Beklagte ist im Wege der Abwägung in diesem Quartal zu einer deutlich höheren Regressierung in Höhe von 60% (= 296.163,05 Euro) gelangt. Als positiv anzumerken seien zunächst günstige Arzneikosten und die deutlich rückläufige Fallkostenentwicklung beim PC ab Quartal 3/2002. Offen bleibe, ob auch in diesen Quartalen falsch gekennzeichnete Nicht-Impfstoffe die Statistik verkehrt wiedergeben würden. Gleichsam aber steige in der Folgezeit der Fallwert für Arzneimittel an. Bei sicherlich gleichbleibender Qualität der Patientenleiden seien solche Kostenunterschiede nicht plausibel. Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Folgezeit werde der Kläger seinen Krebspatienten keine notwendige Therapie verweigert haben. Es sei daher zu unterstellen, dass erstmalige Mitteilungen über Prüfabsichten ihre Wirkung zeigen. Der Jahres-PC entlaste nicht, er sei ähnlich teuer (Quartale bis 4/2001 3.918,30 DM). Schließlich würden das laufende Zulassungsentziehungsverfahren sowie die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen derselben Sache keine wohlwollende Beurteilung erlauben. Die bereinigte Restüberschreitung betrage danach + 296,01 DM bzw. + 59%.

Hiergegen richtet die Klage des Klägers vom 11.08.2006 zum Sozialgericht München. Das Sozialgerichtsverfahren wurde in der Folge zum Ruhen gebracht und unter dem Az.: S 21 KA 231/10 wieder aufgenommen. Unter diesem Aktenzeichen wurde der schon bekannte Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 24.04.2012 bei Gericht eingereicht. Zum hier streitigen Quartal 4/2001 wurde wiederum darauf hingewiesen, dass innerhalb der Vergleichsgruppe auf einen Chemotherapiepatienten sechs Verdünnerfälle kämen, während der Kläger infolge seiner Sonderbedarfszulassung ausschließlich Krebspatienten behandle. Die Krankenhausermächtigung für Onkologie in W-Stadt beschere ihm nur fortgeschrittene Tumorstadien. Schließlich habe der Prüfungsausschuss die vertraglich vorgegebene Frist des § 13 Abs. 6 Bayerische PV versäumt, wonach der Prüfungsausschuss die Verfahren spätestens 13 Monate nach Ende des Verordnungsquartals zu terminieren habe. Der Vertragsarzt überschreite die „Onkologie-Indikatoren“ (GOP 3488 und 3495) deutlich. Angesichts des Überschreitungswertes könne von einem rund doppelt so hohen Krebspatientenanteil ausgegangen werden. Das Verfahren wurde im Hinblick auf die schon genannten zwei Pilotverfahren nochmals zum Ruhen gebracht und schließlich unter dem Az.: S 21 KA 663/13 wieder aufgenommen.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 12.06.2015 die Klage abgewiesen. Die form- und fristgerecht erhobene Klage sei zulässig, aber unbegründet. Unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe habe der Beklagte die Verordnungstätigkeit des Klägers hinsichtlich des Sprechstundenbedarfs über die statistische Durchschnittsprüfung hinaus auch der erforderlichen intellektuellen Prüfung unterzogen. Dass die Durchschnittsprüfung wegen der Teilnahme des Klägers an Arzneimittelverträgen ausgeschlossen sei, habe der Kläger zwar behauptet, aber für das Jahr 2001 nicht belegt. Der Vergleich sei zutreffend mit der Vergleichsgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie durchgeführt worden. Diese Vergleichsgruppe sei mit 37 Praxen für einen Vergleich auch ausreichend groß. Voraussetzung für die statistische Vergleichbarkeit im Rahmen einer Durchschnittsprüfung sei eine Homogenität der verglichenen Ärzte in dem Sinne, dass die wesentlichen Leistungsbedingungen des geprüften Arztes mit den wesentlichen Leistungsbedingungen der verglichenen Ärzte übereinstimmen. Die Vergleichsgruppe müsse aus Ärzten bestehen, die ein annähernd gleichartiges Patientengut versorgen und im Wesentlichen dieselben Erkrankungen behandeln, weil nur unter diesen Voraussetzungen der durchschnittliche Behandlungsaufwand der Arztgruppe ein geeigneter Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- oder Verordnungsweise eines Angehörigen dieser Arztgruppe sei. Der Kläger habe gegen die herangezogene Vergleichsgruppe eingewendet, dass in der Vergleichsgruppe von einigen Praxen keine ambulanten Chemotherapien durchgeführt worden seien und auch in keiner Praxis nahezu ausschließlich Krebspatienten behandelt worden seien. Ein aussagekräftiger Vergleich sei bereits deshalb nicht möglich gewesen. Der Bildung einer besonderen, engeren Vergleichsgruppe bedürfe es nur, wenn die jeweils maßgebenden Leistungsbedingungen so verschieden seien, dass von einem statistischen Vergleich von vorneherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit zu erwarten seien. Dies sei der Fall, wenn die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik beim Durchschnitt der Fachgruppe signifikant abweiche. Den Prüfgremien stehe es im Rahmen des ihnen auch insoweit zustehenden, gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Spielraums bei der Auswahl von Methoden zur Verfeinerung des statistischen Vergleichs - selbst bei grundsätzlich bestehender Notwendigkeit einer verfeinerten Vergleichsgruppenbildung - frei, signifikante Abweichungen von den fachgruppentypischen Leistungsbedingungen statt durch Bildung engerer Vergleichsgruppen im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheiten oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts zu berücksichtigen. Der Beklagte habe dem Vortrag des Klägers Rechnung getragen und innerhalb der Vergleichsgruppe überprüft, ob sich der Anteil von Patienten, die in der Praxis des Klägers mittels Chemotherapie behandelt werden, von demjenigen der Vergleichsgruppe unterscheide. Zutreffend habe er dazu die Laboraufhebungsziffern 3488 und 3495 betrachtet und festgestellt, dass der Kläger die Abrechnungshäufigkeit in der Vergleichsgruppe um jeweils 92% übersteige, was auf einen etwa doppelt so hohen Anteil an Patienten mit Chemotherapiebehandlung hinweise. Er hat dieser Abweichung dadurch Rechnung getragen, dass er den Kläger die doppelten Verordnungskosten/pro Fall beim Sprechstundenbedarf zugestanden habe. Diese Vorgehensweise sei nicht zu beanstanden und trage nach Auffassung der Kammer dem vom Kläger vorgetragenen Umstand, er habe deutlich mehr Patienten mit einer Chemotherapie behandelt, ausreichend Rechnung. Der Einwand des Klägers, mit dem Durchschnittswert der Vergleichsgruppe, auch angehoben um die anerkannten Praxisbesonderheiten, sei eine angemessene Therapie der Patienten nicht zu finanzieren, sei unbegründet. Im streitgegenständlichen Prüfverfahren gehe es nur um die Verordnung des Sprechstundenbedarfs. Die Arzneimitteltherapie sei aber nicht nur über Sprechstundenbedarfs-Verordnungen, sondern auch über Verordnungen auf den Namen des Patienten unter Angabe der zuständigen Krankenkasse abzudecken. Die isolierte Betrachtung des Fallwerts über den Sprechstundenbedarf sage nichts darüber aus, in welchem Maße dem Vertragsarzt wirtschaftliche Verordnungskosten pro Patient insgesamt von den Prüfgremien oder Krankenkassen „zugestanden“ werden. Der für das streitgegenständliche Quartal geltenden Prüfungsvereinbarung sei keine Vorgabe zu entnehmen, dass Kosten der Zytostatikazubereitung von den zu prüfenden Verordnungskosten herauszurechnen und damit von der Prüfung auszunehmen seien. Nicht zu beanstanden sei, dass der Beklagte zur Begründung seiner Entscheidung auf einzelne Verordnungen eingehe, bei denen Kosten eingespart werden könnten. Die Bezugnahme auf einzelne Verordnungen belege gerade, dass sich der Beklagte nicht mit dem Ergebnis nach statistischen Werten und intellektueller Prüfung zufrieden gebe, sondern dieses anhand konkreter Verordnungen verifiziert habe. Zutreffend habe der Beklagte auch darauf hingewiesen, dass die Verordnung von Zytostatika als Rezeptur auf Sprechstundenbedarf jedenfalls ungewöhnlich sei. Nachdem die Praxis des Klägers als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt gewesen sei, habe der Kläger auch Zytostatika als Sprechstundenbedarf verordnen dürfen. Das habe ihn jedoch nicht von der Vorgabe entbunden, dass Sprechstundenbedarf nur dann vorliege, wenn die verordneten Mittel bei mehr als einem Patienten angewendet werden. Dies treffe bei patientenindividuellen Zubereitungen nicht zu, weshalb diese Verordnungen nach den Vorgaben der Sprechstundenbedarfsvereinbarung bereits unzulässig gewesen seien und im Verfahren nach § 14 GV hätten geprüft werden können. Die Unzulässigkeit der Verordnung als Sprechstundenbedarf schließe es aber nicht aus, diese in die Durchschnittsprüfung nach § 13 PV einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund sei auch unerheblich, ob der Kläger zur (kostenlosen) Zubereitung der von ihm eingesetzten Medikamente verpflichtet gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 24.08.2015.

V.

Der Kläger wendet sich gegen den gegen ihn festgesetzten Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise beim Sprechstundenbedarf im Quartal 2/2002.

Die gesetzlichen Krankenkassen haben mit Schreiben vom 29.04.2003 die Prüfung der Verordnungsweise des Klägers von Sprechstundenbedarf im Quartal 2/2002 beantragt.

Der Prüfungsausschuss Ärzte Bayern hat mit Bescheid vom 10.08.2005 gegen den Kläger bei der Sprechstundenanforderung einen Regress in Höhe von 50% ausgesprochen (= 216.250,13 Euro).

Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 06.09.2005, das Widerspruchsschreiben entspricht wortwörtlich dem zum Quartal 4/2001 eingereichten Widerspruchsschreiben.

Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2006 den Widerspruch des Klägers abgewiesen. Der Widerspruch sei zulässig, aber nicht begründet. Der Beklagte habe eine eingehende Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten vorgenommen. Bei 342 Behandlungsfällen habe der Kläger im Quartal 2/2002 pro Behandlungsfall Arzneimittel (gesamt) im Wert von 2.128,33 Euro verordnet. Beim PC-Bedarf liege der Kläger bei einer Anforderung in Höhe von 130,09 Euro pro Fall um + 773,1% über der Anforderung der Vergleichsgruppe in Höhe von 14,90 Euro. Es falle auf, dass der PC-Fallwert des Arztes gegenüber den Vorquartalen extrem absinke. Der Abgleich der PC-Rezepte lasse eine Vielzahl von Medikamenten erkennen, welche mit Feld 8 gekennzeichnet seien, ohne dass sie Impfstoffe seien. So seien in der PC-Statistik insgesamt 388.008,92 Euro nicht erfasst. Abzüglich 6% Apothekenrabatt errechne sich folgender bereinigter Fallwert: Anforderung des Klägers beim Sprechstundenbedarf 1.196,55 Euro ergibt eine Abweichung von + 7.577,3% gegenüber der Vergleichsgruppe. Die Falschkennzeichnung von Medikamenten sei auch der Grund, warum der Kläger für den Prüfzeitraum aus dem Arzneimittelprogramm der Beigeladenen zu 1) herausgefallen sei. Regressschutz bezüglich Durchschnittsprüfungen genieße er nicht. Da der Kläger nahezu ausschließlich onkologische Patienten versorge, empfehle sich eine Gegenüberstellung mit den 40 bayerischen Facharzt-Internisten, welche den Schwerpunkt „Hämatologie und internistische Onkologie“ führen. Hier ergebe sich beim Sprechstundenbedarf eine Abweichung in Höhe von + 381,3% gegenüber der Onkologengruppe mit einer Anforderung von 248,59 Euro pro Fall. Der Kläger weise bei den beiden „Onkologie-Indikatoren“ (GOP 3488 und 3495) deutliche Überschreitungen auf (+ 100% bzw. + 91%). Angesichts des Überschreitungswerts könne von rund einem doppelt so hohen Krebspatientenanteil ausgegangen werden. Insoweit wirke sich die Sonderzulassung im Teilgebiet auf die Zusammensetzung des Patientengutes aus. Diese Feststellung könnte auch damit zusammenhängen, dass das Klinikum W-Stadt ebenfalls die Ermächtigung zur ambulanten Chemotherapie besitze. Die dort operierten Karzinompatienten würden adjuvant weiterbehandelt. Den Weg zum niedergelassenen Onkologen fänden primär Rezidivpatienten mit dem Bedarf teurerer Therapievarianten. Ermessenshalber werde der Fallwert bayerischer Facharzt-Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie zusätzlich dem Kläger gutgeschrieben (248,59 Euro). Die Sonderbedarfszulassung mit dem regionalen Spezialbedarf sei damit abgegolten. Der Vergleichswertberechnung würden die Behandlungsausweise von 342 bayerischen GKV-Kassen-Versicherten zugrunde gelegt. Wenngleich die bayerischen Onkologen rund doppelt so viele Patienten behandeln, erlaube diese Scheinzahl einen statistischen Fallkostenvergleich. Erst bei weniger als einem Fünftel der Fachgruppenfallzahl bzw. bei einer kleineren Scheinzahl als 100 sei eine Einzelfallprüfung erforderlich. Einen weiteren Beleg für die Betreuung eines abweichenden Patientengutes stelle der gegenüber anderen Onkologen höhere Rentneranteil dar (+ 38% im Quartal 2/2001). Für die Entscheidung bezüglich einer durchzuführenden Chemotherapie seien nicht nur Alter, sondern auch z. B. Nierenfunktion, kardialer Zustand oder kognitive Fähigkeit von entscheidender Bedeutung. Man unterscheide demzufolge bei alten Patienten zwischen Go-Go-Patienten und Slow-Go-Patienten. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass das hohe Lebensalter von Krebspatienten sich im PC-Bereich nicht leistungsmehrend auswirke. Generell könnten nur PC-taugliche Mittel über den Sprechstundenbedarf bezogen werden. Insoweit sei ein beliebiges Hin- und Herschieben zwischen den einzelnen Verordnungsbereichen (Arznei-PC) unzulässig. Aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus würden onkologische Schwerpunktpraxen Zytostatika, Metastasenhemmer und Diphosphonate über Sprechstundenbedarf beziehen. Der Kläger habe die diesbezügliche Genehmigung seit Juni 1999. Der Beklagte hat in der Folge von der Anforderung des Arztes in Höhe von 1.196,55 Euro als Praxisbesonderheit für den doppelten Krebspatientenanteil 248,95 Euro abgezogen und diesen Onkologenwert der Vergleichsgruppe nochmals abgezogen, was zu einer bereinigten Überschreitung in Höhe von 699,37 Euro bzw. + 281,3% geführt hat. Der Beklagte beschäftigt sich sodann im Rahmen einer Rezeptdurchsicht mit der Verordnungsweise des Klägers. Abschließend kommt der Beklagte zu einem Regress in Höhe von 50% (= 204.609,86 Euro). Daraus ergibt sich eine bereinigte Restüberschreitung von + 101,09 Euro bzw. 40,7%. Auch die bereinigte Restüberschreitung liege immer noch im offensichtlichen Missverhältnis. Diesbezüglich hätten die Prüfgremien einen Ermessensspielraum. Das offensichtliche Missverhältnis sei kein starrer Festwert, sondern abhängig von Gesichtspunkten wie Homogenität, Anzahl der Prüfverfahren, Gesamtwirtschaftlichkeit oder Prüfergebnis. Als positiv anzumerken sei die deutlich rückläufige Fallkostenentwicklung beim PC ab 3/2002. Offen bleibe, ob auch in diesen Quartalen falsch gekennzeichnete Nicht-Impfstoffe die Statistik verkehrt wiedergeben. Gleichsam steige in der Folgezeit der Fallwert für Arzneimittel an. Bei sicherlich gleichbleibender Qualität der Patientenleiden seien solche Kostenunterschiede nicht plausibel. Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Folgezeit werde der Kläger seinen Krebspatienten keine notwendige Therapie verweigert haben. Es sei daher zu unterstellen, dass erstmalige Mitteilungen über Prüfabsichten ihre Wirkung zeigen. Die Sonderzulassung spiegle sich im doppelten Onkologenwert wieder, weitergehende kausale Einsparungen seien nicht offenkundig. Auch der Jahres-PC entlaste nicht. Schließlich würden das laufende Zulassungsentzugsverfahren sowie die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen derselben Sache keine wohlwollende Beurteilung erlauben.

Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers vom 11.08.2006, die zunächst nicht begründet, sondern zunächst zum Ruhen gebracht und unter dem Az.: S 21 KA 233/10 fortgesetzt wurde. Unter diesem Aktenzeichen wurde der schon bekannte Schriftsatz vom 24.04.2012 des Bevollmächtigten der Klägerin eingereicht. Die Ausführungen speziell zum Quartal 2/2002 entsprechen inhaltlich den Ausführungen zu den Vorquartalen, modifiziert durch die Zahlen des Quartals 2/2002. Ergänzend wurde ausgeführt, dass aus den Rezepten das Feld 8 vom Drucker ungenau angekreuzt worden sei aufgrund von ungeradem Papiereinzug. Dass der Kläger nicht Impfstoffe in der hier vorliegenden Größenordnung beziehe, sei den Krankenkassen sofort aufgefallen.

Das Verfahren wurde dann im Hinblick auf zwei entschiedene Pilotverfahren nochmals zum Ruhen gebracht. Unter dem Az.: S 21 KA 664/13 wurde die Klage des Klägers mit Urteil des Sozialgerichts München vom 12.06.2015 abgewiesen. Die form- und fristgerecht erhobene Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Maßstäbe habe der Beklagte die Verordnungstätigkeit des Klägers hinsichtlich des Sprechstundenbedarfs über die statistische Durchschnittsprüfung hinaus auch der erforderlichen intellektuellen Prüfung unterzogen. Dass die Durchschnittsprüfung wegen der Teilnahme des Klägers an Arzneimittelverträgen ausgeschlossen sei, habe der Kläger zwar behauptet, aber nicht belegt. Der Vergleich sei zutreffend mit der Vergleichsgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie durchgeführt worden. Diese Vergleichsgruppe sei mit 40 Praxen für einen Vergleich auch ausreichend groß. Den Prüfgremien stehe es im Rahmen des ihnen auch insoweit zustehenden, gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Spielraums bei der Auswahl von Methoden zur Verfeinerung des statistischen Vergleichs - selbst bei grundsätzlich bestehender Notwendigkeit einer verfeinerten Vergleichsgruppenbildung - frei, signifikante Abweichungen von den fachgruppentypischen Leistungsbedingungen statt durch Bildung engerer Vergleichsgruppen im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheiten oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts zu berücksichtigen. Der Beklagte habe dem Vortrag des Klägers Rechnung getragen und innerhalb der Vergleichsgruppe überprüft, ob sich der Anteil von Patienten, die in der Praxis des Klägers mittels Chemotherapie behandelt worden seien, von denjenigen der Vergleichsgruppe unterscheide. Zutreffend habe er dazu die Laboraufhebungsziffern 3488 und 3495 betrachtet und festgestellt, dass der Kläger die Abrechnungshäufigkeit in der Vergleichsgruppe um 100% bzw. 91% übersteige, was auf einen etwa doppelt so hohen Anteil an Patienten mit Chemotherapiebehandlung hinweise. Er habe dieser Abweichung dadurch Rechnung getragen, dass er dem Kläger die doppelten Verordnungskosten/Fall beim Sprechstundenbedarf zugestanden habe. Diese Vorgehensweise sei nicht zu beanstanden und trage nach Auffassung der Kammer dem vom Kläger vorgetragenen Umstand, er habe deutlich mehr Patienten mit einer Chemotherapie behandelt, ausreichend Rechnung. Der Einwand des Klägers, mit dem Durchschnittswert der Vergleichsgruppe, auch angehoben um die anerkannten Praxisbesonderheiten, sei eine angemessene Therapie der Patienten nicht zu finanzieren, sei unbegründet. Im streitgegenständlichen Prüfverfahren gehe es nur um die Verordnung des Sprechstundenbedarfs. Die isolierte Betrachtung des Fallwerts für den Sprechstundenbedarf sage nichts darüber aus, in welchem Maß dem Vertragsarzt wirtschaftliche Verordnungskosten pro Patient insgesamt von den Prüfgremien oder Krankenkassen „zugestanden“ werden. Der für das streitgegenständliche Quartal geltenden Prüfungsvereinbarung sei keine Vorgabe zu entnehmen, dass Kosten der Zytostatikazubereitung von den zu prüfenden Verordnungskosten herauszurechnen und damit von der Prüfung auszunehmen seien. Der vom Kläger zitierte § 14 Abs. 3 der Prüfungsvereinbarung betreffe den Prüfungsgegenstand der Prüfung der Verordnungsweise in Einzelfällen. Nicht zu beanstanden sei, dass der Beklagte zur Begründung seiner Entscheidung auf einzelne Verordnungen eingehe, bei denen Kosten eingespart werden könnten. Die Bezugnahme auf einzelne Verordnungen belege gerade, dass sich der Beklagte nicht mit dem Ergebnis nach statistischen Werten und intellekter Prüfung zufrieden gebe, sondern dieses anhand konkreter Verordnungen verifiziere. Zutreffend habe der Beklagte auch darauf hingewiesen, dass die Verordnung von Zytostatika als Rezeptur auf Sprechstundenbedarf jedenfalls ungewöhnlich sei. Nachdem die Praxis des Klägers als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt gewesen sei, habe der Kläger auch Zytostatika als Sprechstundenbedarf verordnen dürfen. Das habe ihn jedoch nicht von der Vorgabe entbunden, dass Sprechstundenbedarf nur dann vorliege, wenn die verordneten Mittel bei mehr als einem Patienten angewendet werden. Dies treffe bei patientenindividuellen Zubereitungen nicht zu, weshalb diese Verordnungen nach den Vorgaben der Sprechstundenbedarfsvereinbarung bereits unzulässig gewesen seien und im Verfahren nach § 14 Prüfungsvereinbarung hätten geprüft werden können. Die Unzulässigkeit der Verordnung als Sprechstundenbedarf schließe es aber nicht aus, diese in die Durchschnittsprüfung nach § 13 Prüfungsvereinbarung einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund sei es auch unerheblich, ob der Kläger zur (kostenlosen) Zubereitung der von ihm eingesetzten Medikamente verpflichtet gewesen sei. Die Regressierung bis auf eine Restüberschreitung von 40,7% begegne keinen Bedenken. Der Beklagte war sich des insoweit eingeräumten Beurteilungs- und Ermessensspielraums bewusst und habe seine Entscheidung ausführlich begründet.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 24.08.2015.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellt den Antrag, die Urteile des Sozialgerichts München vom 12.06.2015 (S 21 KA 661/13, S 21 KA 662/13, S 21 KA 663/13 und S 21 KA 664/13) sowie die Bescheide des Beklagten vom 12.06.2003, soweit der Kläger beschwert ist (Quartal), vom 30.09.2003 (Quartal 2/2001), vom 13.07.2006 (Quartal 4/2001) und vom 13.07.2006 (Quartal 2/2002) aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über die Widersprüche gegen die Prüfbescheide zu den Quartalen, 2/2001, 4/2001 und 2/2002 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Vertreter des Beklagten stellt den Antrag, die Berufungen zurückzuweisen.

Die Vertreterin der Beigeladenen zu 2) stellt in den Verfahren mit den früheren Aktenzeichen L 12 KA 140/15 und 141/15 den Antrag, die Berufungen zurückzuweisen, im Übrigen keinen Antrag.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts München S 21 KA 920/03, S 21 KA 272/10, S 21 KA 661/13, S 21 KA 1400/03, S 21 KA 273/10, S 21 KA 662/13, S 21 KA 1388/06, S 21 KA 231/10, S 21 KA 663/13, S 21 KA 1390/06, S 21 KA 233/10, S 21 KA 664/13 sowie die Akten des Bayer. Landessozialgerichts L 12 KA 140/15, L 12 KA 141/15, L 12 KA 142/15, L 12 KA 143/15 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Gründe

Die Berufungen des Klägers sind zulässig und insoweit auch begründet, als das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.06.2015 (S 21 KA 663/13) sowie der Bescheid des Beklagten vom 13.07.2006 (Quartal 4/2001) aufzuheben waren und der Beklagte zu verpflichten war, über den Widerspruch des Klägers gegen den Prüfbescheid vom 10.08.2005 (Quartal 4/2001) erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts München vom 12.06.2015 (S 21 KA 661/13 - Quartal, S 21 KA 662/13 - Quartal 2/2001 und S 21 KA 664/13 - Quartale 2/2002) waren dagegen zurückzuweisen. Der Kläger wird durch die streitgegenständlichen Bescheide zu den Quartalen, 2/2001 und 2/2002 nicht in seinen Rechten verletzt. Der Beklagte ist insoweit zutreffend von einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise beim Sprechstundenbedarf ausgegangen und hat sich auch ansonsten an die Vorgaben des Bundessozialgerichts zur Wirtschaftlichkeitsprüfung durch statistische Vergleichsprüfung gehalten. Diesbezüglich wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts München verwiesen, denen sich der Senat anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Entscheidung des Beklagten zum Quartal 4/2001 hält dagegen nicht in vollem Umfang den Anforderungen an eine rechtmäßige Wirtschaftlichkeitsprüfung statt.

Rechtsgrundlage der Bescheide ist § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB V in der bis31.12.2003 geltenden Fassung i. V. m. § 13 der Prüfungsvereinbarung a. F. (PV a. F.). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (§ 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V) und/oder anhand von Stichproben (§ 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V) geprüft. Nach dieser Gesetzeslage ist davon auszugehen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten wegen ihres hohen Erkenntniswerts bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand die Regelprüfmethode darstellt (vgl. zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 33 Rdnrn. 19, 27). Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (vgl. BSG, SozR 4-2500 § 106 Nr. 2 Rdnrn. 14/15; BSG, SozR 4-2500 § 106 Nr. 23 Rdnr. 13). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder Einzelleistungswerten - im offensichtlichen Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sogenannten kompensatorischen Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (BSG, SozR 4-2500 § 106 Nr. 23 Rdnr. 13). Dabei liegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen beim Arzt (BSG, SozR 4-2500 § 106 Nr. 29 Rdnr. 30). Die Prüfgremien sind allerdings zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher auffällig sind (BSG, SozR 3-2500 § 106 Nr. 51 S. 277). Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, so dass deren Einschätzungen von den Gerichten nur im begrenzten Umfang überprüft und gegebenenfalls beanstandet werden können (BSG, SozR 4-2500 § 106 Nr. 33 Rdnrn. 16, 17, 19).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte den Kläger grundsätzlich zutreffend mit der verfeinerten Vergleichsgruppe der fachärztlichen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie verglichen, wobei diese Vergleichsgruppe in den streitigen Quartalen auch eine ausreichende Größe zur Durchführung einer statistischen Durchschnittsprüfung mit 32, 36, 37 bzw. 40 vergleichbaren Praxen hat. Von einer weitergehenden Differenzierung auf der ersten Stufe der Wirtschaftlichkeitsprüfung hat der Beklagte im Rahmen seines vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraumes in nicht zu beanstandender Weise abgesehen, zumal eine solche weitere Differenzierung wohl zwangsläufig zu einer zahlenmäßig zu kleinen Vergleichsgruppe geführt hätte. Unter Zugrundelegung dieses Spezialvergleiches mit den Facharzt-Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie weist der Kläger mit Überschreitungswerten von + 564,7% (Quartal 2/2001), + 625,1% (Quartal 2/2001), + 547,4% (Quartale 4/2001) und + 381,3% (Quartal 2/2002) Abweichungen auf, die noch deutlich im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses liegen. Der Beklagte ist der Frage der Homogenität der Vergleichsgruppe in den nachfolgenden Prüfungsschritten weiter nachgegangen. Er hat deswegen die tatsächliche Tätigkeit des Klägers anhand der Häufigkeitsstatistik bezüglich typischer Onkologie Ziffern (z. B. GOP 16, 278, 280, 282, 308, 319, 3488, 3495, 8650, 8651, 8652, 8653, 8655 EBM) weiter überprüft und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger in der Tat, wie von ihm vorgetragen, mehr Krebsbehandlungen durchgeführt hat als die Vergleichsgruppe. Das Ausmaß der Abweichung ermittelte der Beklagte unter Heranziehung der für Tumorpatienten besonders spezifischen GOP 3488 und 3495, die der Kläger im Durchschnitt rund doppelt so häufig angesetzt hat wie die verfeinerte, onkologisch tätige Vergleichsgruppe. Diesen vom Ausschuss teils als Praxisbesonderheit, teils als Einsparung berücksichtigten Umstand wurde dadurch Rechnung getragen, dass der Beklagte von der Anforderung des Klägers beim Sprechstundenbedarf den doppelten Fallwert der bayerischen Facharzt-Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie bei der Anforderung beim Sprechstundenbedarf als Praxisbesonderheit/Einsparung in Abzug gebracht und damit als wirtschaftlich anerkannt hat. Demgegenüber berücksichtigte der Beklagte die höhere Zahl älterer Krebspatienten (den um 39% im Quartal bzw. 29% im Quartal 2/2001 erhöhten Rentneranteil) zu Recht nicht als Praxisbesonderheiten, da die bei alten Patienten, den sogenannten „Slow-Go-Patienten“, in der Regel durchgeführte palliative Chemotherapie - mit nur einem Zytostatikum - eher kostengünstiger ist als die Behandlung von jungen Patienten, jedenfalls nicht teurer, was die Anforderung beim Sprechstundenbedarf angeht. Hinsichtlich der Anerkennung von weiteren kausalen Einsparungen neben dem erhöhten Krebspatientenanteil ist festzustellen, dass der Beklagte im Quartal kausale Einsparungen anerkannt hat, weil beim Kläger die Arzneikosten gegenüber anderen Onkologen ungewöhnlich niedrig liegen und er damit je Fall ungefähr 546,71 DM einspare, was einer Abweichung von - 60% entspreche. Der Beklagte sieht zwar, dass ein beliebiges Hin- und Herschieben zwischen den einzelnen Verordnungsbereichen Arzneimittelverordnungen/Sprechstundenbedarf nicht zulässig ist, nimmt hier aber doch eine Gegenrechnung des arzneilichen Minderbedarfs in Höhe der Einsparung pro Fall vor, weil es sich um Medikamente gehandelt habe, die nicht als PC-verordnungsfähig gewesen wären, aber bei einer Verordnung als Arzneimittel auch von der Krankenkasse hätten getragen werden müssen. Das BSG lehnt zwar eine solche Gegenrechnung im Sinne eines „rechtmäßigen Alternativerhaltens“ bzw. als „Vorteilsausgleich“ grundsätzlich ab (vgl. BSG, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30, S. 246, 259, Rz. 44). Die Zuerkennung von Kosten, die bei rechtmäßigem Verhalten angefallen wären, hätte zur Folge, dass es auf die Beachtung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen nicht mehr ankäme (BSG, SozR 4-2500 § 106 Nr. 29, Rz. 51). Dies gilt auch bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf, weil es hier in der Regel schon an der Austauschbarkeit der Verordnung fehlt.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der Kläger durch die Berücksichtigung seiner deutlich unterdurchschnittlichen Zahlen bei der Einzelverordnung von Arzneimitteln als Einsparung beim Sprechstundenbedarf im Quartal nicht beschwert ist. Abgesehen davon ist die Entscheidung des Beklagten zur Berücksichtigung der unterschnittlichen Werte bei den Arzneiverordnungen als Einsparung beim Sprechstundenbedarf nach Auffassung des Senats auch im Ergebnis richtig. Zwar ist es im Grundsatz zutreffend, dass die Verordnung von Sprechstundenbedarf und Einzelverordnungen eigenen Regeln folgen und nicht austauschbar sind. Im Falle des Klägers, der auf der Grundlage einer Sonderbedarfszulassung eine onkologische Schwerpunktpraxis betreibt und mit Facharzt-Internisten mit dem Schwerpunkt „Hämatologie und internistische Onkologie“ verglichen wird, ist im Rahmen der intellektuellen Prüfung eine andere Sichtweise geboten. Den wesentlichen Grund hat der Beklagte genannt. Der Kläger besitzt nämlich seit 1999 als onkologische Schwerpunktpraxis eine Ausnahmegenehmigung nach der Sprechstundenbedarfsvereinbarung (vgl. Protokollnotiz zum Abschnitt III.1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung vom 1. April 1999), die es ihm erlaubt, Zytostatika, Metastasenhemmer und Diphosphonate, die grundsätzlich vom Bezug als Sprechstundenbedarf ausgeschlossen und auf Einzelrezept auf den Namen des Patienten zu verordnen sind, gleichwohl als Sprechstundenbedarf zu verordnen. Eine „onkologische Schwerpunktpraxis“ im Sinne der Ausnahme liegt vor, wenn bei mehr als 25 Behandlungsfällen intravasale Chemotherapien pro Quartal (gemäß Ziffer 8651 BMÄ/8655 E-GO 87) durchgeführt werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass alle Praxen in der zahlenmäßig kleinen Vergleichsgruppe diese Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung erfüllen bzw. trotz Erfüllung einen entsprechenden Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung gestellt haben. Zudem gibt es in der Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2016, B 6 KA 3/15 R; Urteil des Bayer. LSG vom 04.12.2013, Az.: L 12 KA 98/12) Belege dafür, dass es im Zusammenhang mit der Behandlung von Krebspatienten mit Zytostatika und monoklonalen Antikörpern (MAK) zu Verschiebungen zwischen den Bereichen Sprechstundenbedarf und Einzelverordnung gekommen ist. Auch der Kläger hat selbstverständlich - wie auch vom Beklagten nach Rezeptdurchsicht bestätigt - Monoklonale Antikörper wie Herceptin und Mabthera eingesetzt und über Sprechstundenbedarf verordnet. Von daher hat der Beklagte das Vorliegen kausaler Einsparungen im Quartal in nicht zu beanstandender Weise abgehandelt. In den Quartalen 2/2001 und 2/2002 bestand keine Veranlassung dazu, auf die Frage des Vorliegens kausaler Einsparungen näher einzugehen, da der Kläger hier auch bei der Verordnung von Einzelverordnungen Überschreitungen aufweist (Quartal 2/2001: + 2,5%; Quartal 2/2002: + 103%). Anders stellt sich die Lage im Quartal 4/2001 dar. Der Kläger weist hier bei den Arzneikosten eine deutliche Unterschreitung von - 31,5% auf, die der Beklagte auch gesehen und aufgeführt hat. Im Anschluss daran fehlt es aber - ganz im Gegensatz zu den ausführlichen Darlegungen zum Quartal - gänzlich an Ausführungen, ob und inwieweit die unterdurchschnittlichen Werte bei den Arzneikosten als kausale Einsparungen beim Sprechstundenbedarf angesehen werden kann. Damit fehlt es aber insoweit an der notwendigen ergänzenden intellektuellen Überprüfung der allein statistischen Werte. Dies wird der Beklagte in seiner erneuten Entscheidung nachholen und darauf aufbauend die weiteren Schritte der Wirtschaftlichkeitsprüfung vornehmen müssen.

Weitere Praxisbesonderheiten bzw. kausale Einsparungen hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt und sind für den Senat aus den Akten auch nicht erkennbar. In den Quartalen, 2/2001 und 2/2002 hat der Beklage die weiteren Schritte der Wirtschaftlichkeit in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt. Der Beklagte hat zunächst in diesen Quartalen nach Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten und kausalen Einsparungen festgestellt, dass auch die bereinigte Überschreitung des Wertes der Vergleichsgruppe noch im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses liegt (Quartal: + 189,4%; Quartal 2/2001: + 262,5%; Quartal 2/2002: + 281,3%). Der Beklagte hat sodann Kürzungen vorgenommen (Quartal: 7,5% = 42.155,28 Euro; Quartal 2/2001: 10% = 55.017,78 Euro; Quartal 2/2002: 50% = 204.609,86 Euro), die nach den Ausführungen des Beklagten zu Restwertüberschreitungen führen, die immer noch im Bereich des sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses liegen (Quartal: + 139,5%; Quartal 2/2001: + 226,3%; Quartal 2/2002: + 40,7%). Dies ist nicht zu beanstanden. Bei der Frage der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2011 - SozR 4-2500 § 106 Nr. 33 Rdnr. 13 m. w. N.), der vorliegend auch im Quartal 2/2002 mit der Festlegung einer Grenze von 40,7% nicht überschritten wurde (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2011, SozR 4-2500 § 106 Nr. 33 Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 02.11.2005, SozR 4-2500 Nr. 11 Rdnr. 50; BSG, Urteil vom 27.04.2005, SozR 4-2500 Nr. 9 Rdnr. 7). Durchgreifende Bedenken ergeben sich schließlich auch nicht daraus, dass der Beklagte die anfangs sehr großzügige Kürzungspraxis in den Quartalen und 2/2002 mit sehr großzügigen Restüberschreitungen beendet hat und im Quartal 2/2002 eine strengen Maßstab angelegt hat. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass die Abkehr von der großzügigen Praxis in den Quartalen und 2/2001 bereits ab dem Quartal 3/2001 (Quartal 3/2001: Restüberschreitung nach Kürzung: + 51,7%; Quartal 4/2001: + 59,0%; Quartal 1/2002: + 56,9%) erfolgte und die weitgehende Ausschöpfung der Kürzungsmöglichkeit bis zur Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses im Quartal 2/2002 im Gleichklang zu diesen Vorquartalen steht. Die von dem Beklagten für die abweichenden Kürzungen in den Quartalen und 2/2001 einerseits und Quartal 2/2002 andererseits dargelegten Ermessenserwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Während dem Kläger für die Quartale und 2/2001 unter anderem zugute kam, dass die erstmaligen Hinweise auf Prüfabsichten im Zusammenhang mit der Verordnung von Sprechstundenbedarf zu den Quartalen 3/2000 und 4/2000 erst im September 2001 erfolgten und daher vom Kläger vorher nicht berücksichtigt werden konnten, wurde in den Folgequartalen - auch im Quartal 2/2002 - immer deutlicher, dass es beim Kläger im Zusammenhang mit der Verordnung von Medikamenten zu einem erheblichen (strafbaren) Fehlverhalten gekommen ist, das zu einem Zulassungsentziehungsverfahren und zu einem Strafverfahren geführt hat. Der Beklagte sah vor diesem Hintergrund in nicht zu beanstandender Weise keinen Raum für eine wohlwollende Behandlung des Klägers. Die Entziehung der Zulassung des Klägers wurde im Jahre 2009 nach Rücknahme der Beschwerde des Klägers gegen die Entscheidung des Senats vom 04.02.2009, L 12 KA 492/07, bestandskräftig. Das Strafverfahren endete mit Strafbefehl des Amtsgerichts W-Stadt vom 19.12.2007 - rechtskräftig seit 02.01.2008 - und einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung wegen gemeinschaftlichen Betrugs.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGG i. V. m. §§ 154, 155 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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Tenor I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.06.2015 (S 21 KA 663/13) sowie der Bescheid des Beklagten vom 13.07.2006 (Quartal 4/2001) aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, über de

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung eines Regresses nach einer Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise beim Sprechstundenbedarf im Quartal.

Der Kläger nahm aufgrund einer Sonderbedarfszulassung ab 1998 als Hämatologe und internistischer Onkologe an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in C-Stadt teil. Die Praxis des Klägers wurde im Juni 1999 als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt. Für das streitgegenständliche Quartal beantragte die Beigeladene zu 2) eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise bezüglich des Sprechstundenbedarfs. Dem Prüfantrag lag eine Überschreitung des Klägers bei den Kosten für Sprechstundenbedarfs-Verordnungen in Höhe von 3.448,2% zugrunde.

Der Kläger wurde durch den Prüfungsausschuss Ärzte Bayern mit Schreiben vom 28.2.2002 über die Einleitung des Prüfverfahrens informiert und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Kläger gab im Prüfverfahren keine Stellungnahme ab.

Der Prüfungsausschuss Ärzte Bayern sprach aufgrund der Sitzung am 11.5.2005 mit Bescheid vom 2.12.2002 einen Regress in Höhe von 15% (84.310,56 €) aus. Der Kläger habe Arzneimittel mit Kosten von insgesamt 301.266,90 DM über Sprechstundenbedarf verordnet, obwohl diese nach Anlage e) zu Abschnitt III.1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig seien. Der Bezug von Bisphosphonaten und Liponsäure als Individualrezepturen sei als unwirtschaftlich anzusehen. Es ergebe sich nach Schätzung damit ein Regress von 84.310,56 € (164.897,13 DM).

Der Kläger legte gegen den Prüfbescheid am 6.12.2002 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schriftsatz vom 30.12.2002 dahingehend, dass die Arztgruppe der fachärztlichen Internisten keine geeignete Vergleichsgruppe sei. Internisten, die keine zytostatische Chemotherapie durchführen, würden hierfür auch keinen Sprechstundenbedarf rezeptieren. Er wendet sich auch gegen die im Bescheid vorausgesetzte Verpflichtung, Medikamentenlösungen (unentgeltlich) selbst herzustellen. Auch weise sein Patientengut eine besondere Selektion von Schwerkranken aus, nachdem auch ein Arzt des Klinikums C-Stadt die Ermächtigung zur ambulanten Chemotherapie erhalten habe. Mit den Schriftsätzen vom 24.2.2003, 14.3.2003 und 18.3.2003 wurde der Widerspruch weiter begründet.

Gegen den Bescheid legte auch die AOK Bayern, die Beigeladene zu 2), am 2.1.2003 Widerspruch ein.

Der Beklagte zog zur Vorbereitung seiner Entscheidung eine Häufigkeitsstatistik, bezogen auf die fachärztlichen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie, insgesamt 32 Praxen bei. Diese wurde dem Kläger mit Schreiben vom 12.3.2003 übersandt.

Der Beklagte gab dem Widerspruch aufgrund der Sitzung am 19.3.2003 mit Bescheid vom 12.6.2003 teilweise statt, halbierte den Regress und wies den Widerspruch im Übrigen ab. Er führte eine Prüfung nach Durchschnittswerten in der Form eines statistischen Fallkostenvergleichs mit der Fachgruppe der fachärztlichen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie (32 Praxen) durch. Die Scheindiagnosen ließen bei annähernd jedem Patienten eine Krebsdiagnose erkennen, in der Abrechnung würden sich onkologische Betreuungsziffern (16) ebenso wie Infusionen von Zytostatika (278), Bluttransfusionen (280, 282) und Punktionen (308, 319) finden. Auch würden die Laboraufhebungspauschalen 3488 und 3495 sowie die Ergänzungspauschalen 8650 – 8655 in zahlreichen Fällen abgerechnet und damit die intensive Behandlung von Krebspatienten dokumentiert. Der Vergleich sei daher auf die fachärztlichen Internisten mit Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie zu beschränken. Den Fallwert der verfeinerten Vergleichsgruppe von 636,09 DM überschreite der Kläger bei Fallkosten von 4.228,13 DM mit 564,7%. Innerhalb dieser verfeinerten Vergleichsgruppe zeige sich bei einer Analyse der Abrechnungsdaten, dass der Kläger gegenüber der Vergleichsgruppe einen rund doppelt so großen Anteil an Krebspatienten behandele. Ermessenshalber werde daher der doppelte Fallwert der verfeinerten Vergleichsgruppe als wirtschaftlich eingestuft. Damit sei die Sonderbedarfszulassung mit regionalem Spezialbedarf abgegolten. Auffallend sei, dass die Arzneikosten gegenüber anderen Onkologen ungewöhnlich niedrig liegen bei einer Abweichung von -60%. Das hänge damit zusammen, dass der Kläger in großem Umfang Arzneimittel über Sprechstundenbedarf verordne, die nicht pc-tauglich wären. Ein beliebiges Hin- und Herschieben sei zwar unzulässig, es empfehle sich aber ein Gegenrechnen des arzneilichen Minderbedarfs durch eine Gutschrift des Minderaufwandes bei Arzneimitteln von 546,71 DM. Beachtlich sei auch der sprunghafte Anstieg der Verordnungskosten und die Verschiebung der Kosten in den Sprechstundenbedarf.

Bei der Rezeptdurchsicht sei der große Anteil an nicht pc-fähigen Mitteln aufgefallen, welche im Einzelnen aufgeführt werden. Der Bezug von Zytostatika, Bisphosphonaten und Liponsäure sei für den Kläger nach der Anerkennung als onkologische Schwerpunktpraxis zulässig gewesen, allerdings sei das Mischen in der Apotheke zu hinterfragen. Der Kläger sei zwar entgegen der Auffassung der AOK Bayern wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen nicht zum Mischen von Zytostatikalösungen verpflichtet. Für Bisphosphonat- und Liponsäure-Lösungen bedürfe er aber keiner besonderen Sicherheitsvorkehrungen, da nur der Ampulleninhalt mit der Trägerlösung zu verdünnen sei. Der Bezug angefertigter Lösungen aus der Apotheke sei unwirtschaftlich.

Die bereinigte Überschreitung unter Berücksichtigung des doppelten Onkologenfallwertes (1.272,18 DM) und der Einsparungen im Arzneibereich (546,71 DM) betrage mit 2.409,24 DM 189,4%. Dies liege im offensichtlichen Missverhältnis und begründe den Verdacht der Unwirtschaftlichkeit. Auch bei Berücksichtigung des vom Prüfungsausschuss ausgesprochenen Regresses ergebe sich eine Restüberschreitung von 139,5%. Dem Kläger sei zugutezuhalten, dass der erste AOK-seitige Hinweis erst im September 2001 erfolgte, als der streitige Prüfzeitraum bereits abgelaufen war. Bei korrektem Bezugsweg wäre der überwiegende Teil der Kosten von den Krankenkassen ebenfalls zu tragen gewesen. Wegen der existenzbedrohenden Höhe des Regresses solle dem Kläger die Gelegenheit gegeben werden, durch eine Änderung der Verordnungsweise den finanziellen Interessen der Krankenkassen gerecht zu werden. Der Regress werde daher halbiert. Es ergebe sich eine Restüberschreitung von 164,5%.

Der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, erhob am 30.6.2003 Klage zum Sozialgericht München, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 21 KA 920/03 geführt und nach dem Ruhen des Verfahren zuletzt unter dem Aktenzeichen S 21 KA 661/13 fortgesetzt wurde.

Gegen den Bescheid des Beklagten vom 12.6.2003 hat auch die Beigeladene zu 2) am 11.7.2003 Klage erhoben, welche zunächst unter dem Aktenzeichen S 21 KA 993/03 und zuletzt unter dem Aktenzeichen S 21 KA 183/15 geführt wurde.

Mit seiner Klagebegründung vom 24.4.2012 trug der Kläger vor, er habe von 2001 bis 2003 an Arzneimittelverträgen teilgenommen. Nach den Vereinbarungen in diesen Verträgen sollten keine Regresse aufgrund von Durchschnittsprüfungen verhängt werden. Die Prüfanträge seien mit den Kosten der Zytostatikazubereitungen begründet worden. Diese könnten allenfalls Gegenstand einer Einzelfallprüfung sein. Nach der Prüfungsvereinbarung seien Kosten der Zytostatikazubereitung vorab aus den Verordnungen herauszurechnen. Auch sei ein Arzt nicht zur kostenlosen Zubereitung von Medikamenten verpflichtet. Er verwies hierzu auf die Urteile des Sozialgerichts München vom 6.12.2006, Az. S 38 KA 645/05 und vom 13.3.2007, Az. S 28 KA 781/05. Die Durchführung von Durchschnittsprüfungen mit Begründung des Regresses durch Einzelverordnungen stelle einen Begründungsmangel nach § 35 SGB X dar. Die Vergleichsgruppenbildung sei ungeeignet. Die rein onkologische Ausrichtung der Praxis habe ihre Ursache in der Sonderbedarfszulassung, der Kläger habe nur onkologische Patienten behandeln dürfen. Fast alle Patienten hätten eine Chemotherapie bekommen, dies sei bei den übrigen Praxen der Vergleichsgruppe im Spezialvergleich nicht der Fall gewesen, teilweise seien auch gar keine Chemotherapien durchgeführt worden. Die Prüfungsvereinbarungen hätten alle zugelassenen Zytostatika und monoklonale Antikörper als Praxisbesonderheiten im Anhang gelistet und außerdem verlangt, die Zubereitungskosten der in der Onkologie eigesetzten Parenteralia als Praxisbesonderheiten zu behandeln. Der Kläger verwies hierzu auf § 14 Abs. 2 Prüfungsvereinbarung. Der Kläger führte weiter zu den vom Beklagten im angefochtenen Bescheid als unzulässige Sprechstundenbedarfs-Verordnung beanstandeten Arzneimittel aus. Immunglobuline und Folinsäure seien Kühlware, die Bestellung von Großpackungen hätte die logistischen Möglichkeiten der Praxis überfordert. Bei der nur begrenzt haltbaren Ware wäre es zu Verfall gekommen. Nicht verständlich sei die Beanstandung der Zytostatika Ovastat, Syrea, Agrylin und Neorecomorn. Diese lebenswichtigen Arzneimittel habe der Kläger wegen des weiten Einzugsgebietes seiner Patienten zum Soforteinsatz vorrätig halten müssen, um die Patienten nicht erst zur Medikamentenbeschaffung wegschicken zu müssen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.6.2015 trug der Kläger vor, die Durchführung einer Durchschnittsprüfung sei sachwidrig und nicht möglich. Er habe im Schnitt 300 Patienten im Quartal behandelt, die Vergleichsgruppe aber 800 Patienten mit einem Anteil von nur etwa 100 Krebspatienten. Die übrigen Nicht-Krebspatienten würden den Durchschnitt der Sprechstundenbedarfskosten absenken. Eine Prüfung des Sprechstundenbedarfs dürfe auch deshalb nicht durchgeführt werden, weil einige Praxen keine Sprechstundenbedarfsverordnungen gemacht hätten. Wenn die Auffassung des Beklagten als richtig angesehen werde, dann bleibe dem Patienten das Recht auf eine angemessene Behandlung mit Chemotherapeutika vorenthalten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 12.6.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers gegen den Prüfbescheid vom 2.12.2002 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass die Durchschnittsprüfung die Regelprüfmethode sei. Den vom Kläger vorgetragenen Umständen sei durch eine Verfeinerung der Prüfgruppe und die Anerkennung von Praxisbesonderheiten Rechnung getragen worden. Die Vorgehensweise des Beklagten sei durch das Bayerische Landessozialgericht hinsichtlich weiterer Verfahren des Klägers bereits gebilligt worden.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen der Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte des Beklagten und die Gerichtsakte, insbesondere auf die Klagebegründung vom 24.4.2012, verwiesen.

Gründe

I.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 12.6.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Rechtsgrundlage für die vom Beklagten angewandte Form der arztbezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung der ärztlichen Verordnungsweise Arzneimittel nach Durchschnittswerten ist § 106 SGB V i. V.m. § 13 Prüfungsvereinbarung (in der ab 1.1.2001 geltenden Fassung). Die Prüfung nach Durchschnittswerten wurde wegen ihres hohen Erkenntniswertes bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand lange Zeit als Regelprüfmethode angesehen (etwa BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 17 Rn. 17; Soz-R 4-1500 § 141 Nr. 1 Rn. 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 Rn. 14; aus jüngerer Zeit Urteil vom 19.10.2011, Az. B 6 KA 38/10 R = SozR 4-2500 § 106 Nr. 33 Rn. 19, 27).

Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S. 303; Nr. 55 S. 307 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 2 RdNr. 14, 15; Nr. 3 RdNr. 14; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 RdNr. 14; Nr. 23 RdNr. 13). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog. kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 57 S. 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1 RdNr. 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 RdNr. 14; Nr. 23 RdNr. 13). Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S. 298 f mwN; Nr. 57 S. 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 RdNr. 14; Nr. 23 RdNr. 13; Nr. 29 RdNr. 30 mwN). Die Prüfgremien sind allerdings zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sein. Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, so dass deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf. beanstandet werden könne (vgl. BSGE 95, 199 = SozR 4-2500, § 106 Nr. 11 Rn. 36 m.w.Nw.; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1 Rn. 20; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 Rn. 22; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 33 Rn. 16, 17, 19).

2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Beklagte die Verordnungstätigkeit des Klägers hinsichtlich des Sprechstundenbedarfs über die statistische Durchschnittsprüfung hinaus auch der nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen intellektuellen Prüfung unterzogen.

a) Dass die Durchschnittsprüfung wegen der Teilnahme des Klägers an Arzneimittelverträgen ausgeschlossen ist, hat der Kläger zwar behauptet. Er hat aber bereits seine Teilnahme an der Arzneimittelvereinbarung für das Jahr 2001 nicht belegt.

b) Der Vergleich ist zutreffend mit der Vergleichsgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie durchgeführt worden. Diese Vergleichsgruppe war mit 32 Praxen für einen Vergleich auch ausreichend groß.

Voraussetzung für die statistische Vergleichbarkeit im Rahmen einer Durchschnittsprüfung ist eine Homogenität der verglichenen Ärzte in dem Sinne, dass die wesentlichen Leistungsbedingungen des geprüften Arztes mit den wesentlichen Leistungsbedingungen der verglichenen Ärzte übereinstimmen (BSGE 61, 143, 144 = SozR 2200 § 368n Nr. 45, S. 153, 154; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 31, S. 175, 180). Die Vergleichsgruppe muss aus (Zahn)ärzten bestehen, die ein annähernd gleichartiges Patientengut versorgen und im wesentlichen dieselben Erkrankungen behandeln, weil nur unter diesen Voraussetzungen der durchschnittliche Behandlungsaufwand der Arztgruppe ein geeigneter Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- oder Verordnungsweise eines Angehörigen dieser Arztgruppe ist (Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, 08/14, § 106 SGB V, Rn. 310 unter Verweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 36, S. 199, 202; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 49, S. 255, 257; vgl. auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 45, S. 241, 244).

Der Kläger hat gegen die herangezogene Vergleichsgruppe eingewendet, dass in der Vergleichsgruppe von einigen Praxen keine ambulanten Chemotherapien durchgeführt worden seien und auch in keiner Praxis nahezu ausschließlich Krebspatienten behandelt worden seien. Ein aussagekräftiger Vergleich sei bereits deshalb nicht möglich gewesen.

Der Bildung einer besonderen, engeren Vergleichsgruppe bedarf es nur, wenn die jeweils maßgebenden Leistungsbedingungen so verschieden sind, dass von einem statistischen Vergleich von vornherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit zu erwarten sind (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 36, S. 199, 203; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 49, S. 255, 258; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 10, S. 80, 82; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 114 Rz 16). Dies ist der Fall, wenn die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik beim Durchschnitt der Fachgruppe signifikant abweicht (Engelhard, a.a.O. Rn. 322, unter Verweis auf die std. Rspr. des BSG: Urteil vom 15. 11. 1995, 6 RKa 58/94 = USK 95137 S. 733, 737 - insoweit unter SozR 3-1300 § 16 Nr. 1 nicht abgedruckt; Urteil vom 28.6.2000, B 6 KA 36/98 R S. 8; SozR 3-2500 § 106 Nr. 50, S. 261, 264; SozR 3-2500 § 106 Nr. 57, S. 316, 321; SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 115 Rz 18; SozR 4-2500 § 106 Nr. 34, S. 285, 292 Rz 27; SozR 4-2500 § 106 Nr. 35, S. 297, 304 Rz 30; vgl. auch SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 114 Rz 16; Beschluss vom 15. 8. 2012, B 6 KA 100/11 B Rz 7).

Den Prüfgremien steht es im Rahmen des ihnen auch insoweit zustehenden, gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren, Spielraums bei der Auswahl von Methoden zur Verfeinerung des statistischen Vergleichs – selbst bei grundsätzlich bestehender Notwendigkeit einer verfeinerten Vergleichsgruppenbildung – frei, signifikante Abweichungen von den fachgruppentypischen Leistungsbedingungen statt durch Bildung engerer Vergleichsgruppen im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheiten oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts zu berücksichtigen (Engelhard, a.a.O., Rn. 330, unter Verweis auf die std. Rspr. des BSG: BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr. 4, S. 7, 9 f.; SozR 3-2500 § 106 Nr. 36, S. 199, 202; SozR 3-2500 § 106 Nr. 57, S. 316, 322; Beschluss vom 11. 12. 2002, B 6 KA 21/02 B; SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 114 Rz 16; Beschluss vom 22. 1. 2009, B 6 KA 52/08 R Rz 7; SozR 4-2500 § 106 Nr. 34, S. 285, 292 Rz 27; SozR 4-2500 § 106 Nr. 35, S. 297, 304 Rz 30).

Der Beklagte hat dem Vortrag des Klägers Rechnung getragen und innerhalb der Vergleichsgruppe anhand der Abrechnungsdaten der GOP 16, 278, 280, 282, 308, 319, 3488, 3495, 8650-8655 überprüft, ob sich der Anteil von Patienten, die in der Praxis des Klägers mittels Chemotherapie behandelt werden, von demjenigen der Vergleichsgruppe unterscheidet. Zutreffend hat er festgestellt, dass der Kläger einen etwa doppelt so hohen Anteil an Patienten mit Chemotherapiebehandlung aufweist. Er hat dieser Abweichung dadurch Rechnung getragen, dass er dem Kläger die doppelten Verordnungskosten/Fall als Praxisbesonderheit anerkannt und von seinem Fallwert abgesetzt hat. Dem Kläger wurden damit in der Summe das Dreifache des Fallwertes der Vergleichsgruppe als wirtschaftliche Verordnungskosten beim Sprechstundenbedarf zugestanden.

Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden und wird nach Auffassung der Kammer dem vom Kläger vorgetragenen Umstand, er habe deutlich mehr Patienten mit einer Chemotherapie behandelt, ausreichend gerecht. Wenn sich aus den vom Beklagten herangezogenen Häufigkeitsstatistiken ergibt, dass der Kläger etwa doppelt so viele Patienten mit einer Chemotherapie behandelt hat als die Vergleichsgruppe, ist der Abzug des doppelten Fallwertes der Vergleichsgruppe als Praxisbesonderheit ein probates Mittel, dieser Abweichung gerecht zu werden. Dagegen spricht auch nicht der Vortrag des Klägers, in der Vergleichsgruppe sei von einigen Praxen teilweise gar keine Chemotherapie durchgeführt worden und damit der Durchschnittsfallwert vermindert worden. Aus der vom Beklagten herangezogenen Häufigkeitsstatistik für die verfeinerte Vergleichsgruppe ist zu entnehmen, dass die GOP 16 (kontinuierliche Betreuung eines tumorkranken Patienten unter tumorspezifischer Behandlung) von 96,88% der Praxen, die GOP 278 (Infusion von Zytostatika) von 84,38% der Praxen, die GOP 3488 (Tumorerkrankung unter parenteraler tumorspezifischer Behandlung) von 87,5% der Praxen und die GOP 3495 (Erkrankungen unter systemischer Zytostatika-Therapie) von 93,75% der Praxen abgerechnet wurde. Die Häufigkeit auf 100 Fälle bei der Abrechnung dieser GOP überschreitet der Kläger vor allem bei den GOP 3488 (+54,93%) und 3495 (+148,90%) sowie bei der GOP 8651 (parenterale Chemotherapie, +102,06%). Der vom Beklagten daraus gezogene Schluss, der Anteil von Patienten mit einer Chemotherapiebehandlung sei in der Praxis des Klägers etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Vergleichsgruppe, ist nach diesen Abrechnungsdaten plausibel. So wie der Kläger mit dem hohen Anteil an Patienten mit Chemotherapie den Durchschnitt der Vergleichsgruppe anhebt, senken andere Praxen mit einem geringen Anteil an Patienten mit Chemotherapie den Durchschnitt ab.

Der Einwand des Klägers, mit dem Durchschnittswert der Vergleichsgruppe, auch angehoben um die anerkannten Praxisbesonderheiten, sei eine angemessene Therapie der Patienten nicht zu finanzieren, ist unbegründet. Im streitgegenständlichen Prüfverfahren geht es nur um die Verordnung des Sprechstundenbedarfs. Die Arzneimitteltherapie ist aber nicht nur über Sprechstundenbedarfs-Verordnungen, sondern auch über Verordnungen auf den Namen des Patienten unter Angabe der zuständigen Krankenkasse abzudecken. Die isolierte Betrachtung des Fallwertes für den Sprechstundenbedarf sagt nichts darüber aus, in welchem Maße dem Vertragsarzt wirtschaftliche Verordnungskosten pro Patient insgesamt von den Prüfgremien oder Krankenkassen „zugestanden“ werden.

c) Der für das streitgegenständliche Quartal geltenden Prüfungsvereinbarung ist keine Vorgabe zu entnehmen, dass Kosten der Zytostatikazubereitung von den zu prüfenden Verordnungskosten herauszurechnen und damit von der Prüfung auszunehmen seien. Der vom Kläger zitierte § 14 Abs. 2 der Prüfungsvereinbarung betrifft den Prüfungsgegenstand der Prüfung der Verordnungsweise in Einzelfällen. Auch in den Prüfungsvereinbarungen für spätere Quartale enthält § 14 Abs. 2 eine solche Vorgabe nicht.

d) Grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte zur Begründung seiner Entscheidung auf einzelne Verordnungen (Liponsäure, Bisphoshonate, Sexualhormone und ihre Hemmstoffe, Immuntherapeutika und Zytokine, Neuraltherapeutika, vitaminhaltige Präparate, Mineralstoffe, Antianämika, Blutgerinnungsmittel, Agrylin) eingeht, deren Verordnung gar nicht oder zumindest nicht über Sprechstundenbedarf erfolgen durfte.

Nach Abschnitt III.1. der Sprechstundenbedarfsvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und der AOK Bayern, dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. - Landesvertretung Bayern -, dem BKK Landesverband Bayern, der Bundesknappschaft Verwaltungsstelle München, dem Funktionellen Landesverband der Landwirtschaftlichen Krankenkassen und Pflegekassen in Bayern, dem Landesverband der Innungskrankenkassen in Bayern und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. - Landesvertretung Bayern – vom 1.4.1999 (nachfolgend: Sprechstundenbedarfsvereinbarung) gelten als Sprechstundenbedarf nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet werden oder bei Notfällen für mehr als einen Berechtigten zur Verfügung stehen müssen. Hierzu ist eine Anlage vereinbart worden. Nach Buchstabe e) dieser Anlage sind als Sprechstundenbedarf nicht verordnungsfähig u.a. Immuntherapeutika und Zytokine, Sexualhormone und ihre Hemmstoffe sowie Zytostatika, Metastasenhemmer und Diphosphonate. Zu Abschnitt III. 1. existierte eine Protokollnotiz, nach der es onkologischen Schwerpunktpraxen gestattet war, Zytostatika, Metastasenhemmer und Diphosphonate als Sprechstundenbedarf zu verordnen. Zutreffend hat der Beklagte damit festgestellt, dass Sexualhormone und ihre Hemmstoffe, Immuntherapeutika und Zytokine, Neuraltherapeutika, vitaminhaltige Präparate, Mineralstoffe, Antianämika sowie Blutgerinnungsmittel nicht als Sprechstundenbedarf hätten verordnet werden dürfen.

Arzneimittel, die in Deutschland nicht zugelassen sind, sind gemäß §§ 31 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V in Verbindung mit A.3. der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien/AM-RL) und § 21 Abs. 1 AMG von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Dies gilt nach Abschnitt IV.4. Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung auch für die Verordnung als Sprechstundenbedarf. Die Verordnung des in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels Agrylin war damit ebenfalls unzulässig.

e) Nachdem die Praxis des Klägers als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt war, durfte der Kläger auch Zytostatika als Sprechstundenbedarf verordnen. Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid dem Vortrag des Klägers bereits zugestimmt und festgestellt, dass wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen eine Verpflichtung zur Zubereitung von Zytostatika-Lösungen nicht bestand. Wenn der Kläger jedoch die für den jeweiligen Patienten benötigte Zytostatika-Lösung nicht selbst zubereiten wollte oder konnte, so durfte auch keine Verordnung der Zytostatika über den Sprechstundenbedarf erfolgen. Denn Sprechstundenbedarf liegt nach Abschnitt III.1. der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung nur vor, wenn die verordneten Mittel bei mehr als einem Patienten angewendet werden. Nach Abschnitt III.4.a Sprechstunden-Bedarfsvereinbarung stellen Arznei- und Verbandmittel, die nur für einen Patienten bestimmt sind, keinen Sprechstundenbedarf dar und sind daher mit Angabe der zuständigen Krankenkasse auf den Namen des Versicherten zu verordnen. Damit war die Verordnung patientenindividueller Zubereitungen als Sprechstunden-Bedarf unzulässig und hätte gemäß § 14 der Prüfungsvereinbarung geprüft werden können. Mangels eines entsprechenden Antrages der Beigeladenen zu 2) hat der Beklagte auf diese Prüfung verzichtet und zugunsten des Klägers auch berücksichtigt, dass bei korrekter Verordnung auf den Namen des Versicherten unter Angabe der zuständigen Krankenkasse diese Kosten von der jeweiligen Krankenkasse ebenfalls zu tragen gewesen wären.

f) Der Beklagte hat darüber hinaus großzügig kompensatorische Einsparungen wegen der Unterschreitung bei den Arzneiverordnungen anerkannt und zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass die hohe Überschreitung beim Sprechstundenbedarf auch auf Verordnungen beruht, die als Sprechstundenbedarf unzulässig waren. Diese Verordnungen hätten als Einzelverordnungen ausgestellt werden müssen, deren Kosten den Krankenkasse damit auch entstanden wären. Darüber hinaus wurde eine großzügige Restüberschreitung von 164,5% belassen, die noch weit im offensichtlichen Missverhältnis liegt. Ein den Kläger belastender Fehler bei der Ermessensausübung ist nicht ersichtlich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit§ 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

(2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung eines Regresses nach einer Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise beim Sprechstundenbedarf im Quartal.

Der Kläger nahm aufgrund einer Sonderbedarfszulassung ab 1998 als Hämatologe und internistischer Onkologe an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in C-Stadt teil. Die Praxis des Klägers wurde im Juni 1999 als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt. Für das streitgegenständliche Quartal beantragte die Beigeladene zu 2) eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise bezüglich des Sprechstundenbedarfs. Dem Prüfantrag lag eine Überschreitung des Klägers bei den Kosten für Sprechstundenbedarfs-Verordnungen in Höhe von 3.448,2% zugrunde.

Der Kläger wurde durch den Prüfungsausschuss Ärzte Bayern mit Schreiben vom 28.2.2002 über die Einleitung des Prüfverfahrens informiert und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Kläger gab im Prüfverfahren keine Stellungnahme ab.

Der Prüfungsausschuss Ärzte Bayern sprach aufgrund der Sitzung am 11.5.2005 mit Bescheid vom 2.12.2002 einen Regress in Höhe von 15% (84.310,56 €) aus. Der Kläger habe Arzneimittel mit Kosten von insgesamt 301.266,90 DM über Sprechstundenbedarf verordnet, obwohl diese nach Anlage e) zu Abschnitt III.1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig seien. Der Bezug von Bisphosphonaten und Liponsäure als Individualrezepturen sei als unwirtschaftlich anzusehen. Es ergebe sich nach Schätzung damit ein Regress von 84.310,56 € (164.897,13 DM).

Der Kläger legte gegen den Prüfbescheid am 6.12.2002 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schriftsatz vom 30.12.2002 dahingehend, dass die Arztgruppe der fachärztlichen Internisten keine geeignete Vergleichsgruppe sei. Internisten, die keine zytostatische Chemotherapie durchführen, würden hierfür auch keinen Sprechstundenbedarf rezeptieren. Er wendet sich auch gegen die im Bescheid vorausgesetzte Verpflichtung, Medikamentenlösungen (unentgeltlich) selbst herzustellen. Auch weise sein Patientengut eine besondere Selektion von Schwerkranken aus, nachdem auch ein Arzt des Klinikums C-Stadt die Ermächtigung zur ambulanten Chemotherapie erhalten habe. Mit den Schriftsätzen vom 24.2.2003, 14.3.2003 und 18.3.2003 wurde der Widerspruch weiter begründet.

Gegen den Bescheid legte auch die AOK Bayern, die Beigeladene zu 2), am 2.1.2003 Widerspruch ein.

Der Beklagte zog zur Vorbereitung seiner Entscheidung eine Häufigkeitsstatistik, bezogen auf die fachärztlichen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie, insgesamt 32 Praxen bei. Diese wurde dem Kläger mit Schreiben vom 12.3.2003 übersandt.

Der Beklagte gab dem Widerspruch aufgrund der Sitzung am 19.3.2003 mit Bescheid vom 12.6.2003 teilweise statt, halbierte den Regress und wies den Widerspruch im Übrigen ab. Er führte eine Prüfung nach Durchschnittswerten in der Form eines statistischen Fallkostenvergleichs mit der Fachgruppe der fachärztlichen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie (32 Praxen) durch. Die Scheindiagnosen ließen bei annähernd jedem Patienten eine Krebsdiagnose erkennen, in der Abrechnung würden sich onkologische Betreuungsziffern (16) ebenso wie Infusionen von Zytostatika (278), Bluttransfusionen (280, 282) und Punktionen (308, 319) finden. Auch würden die Laboraufhebungspauschalen 3488 und 3495 sowie die Ergänzungspauschalen 8650 – 8655 in zahlreichen Fällen abgerechnet und damit die intensive Behandlung von Krebspatienten dokumentiert. Der Vergleich sei daher auf die fachärztlichen Internisten mit Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie zu beschränken. Den Fallwert der verfeinerten Vergleichsgruppe von 636,09 DM überschreite der Kläger bei Fallkosten von 4.228,13 DM mit 564,7%. Innerhalb dieser verfeinerten Vergleichsgruppe zeige sich bei einer Analyse der Abrechnungsdaten, dass der Kläger gegenüber der Vergleichsgruppe einen rund doppelt so großen Anteil an Krebspatienten behandele. Ermessenshalber werde daher der doppelte Fallwert der verfeinerten Vergleichsgruppe als wirtschaftlich eingestuft. Damit sei die Sonderbedarfszulassung mit regionalem Spezialbedarf abgegolten. Auffallend sei, dass die Arzneikosten gegenüber anderen Onkologen ungewöhnlich niedrig liegen bei einer Abweichung von -60%. Das hänge damit zusammen, dass der Kläger in großem Umfang Arzneimittel über Sprechstundenbedarf verordne, die nicht pc-tauglich wären. Ein beliebiges Hin- und Herschieben sei zwar unzulässig, es empfehle sich aber ein Gegenrechnen des arzneilichen Minderbedarfs durch eine Gutschrift des Minderaufwandes bei Arzneimitteln von 546,71 DM. Beachtlich sei auch der sprunghafte Anstieg der Verordnungskosten und die Verschiebung der Kosten in den Sprechstundenbedarf.

Bei der Rezeptdurchsicht sei der große Anteil an nicht pc-fähigen Mitteln aufgefallen, welche im Einzelnen aufgeführt werden. Der Bezug von Zytostatika, Bisphosphonaten und Liponsäure sei für den Kläger nach der Anerkennung als onkologische Schwerpunktpraxis zulässig gewesen, allerdings sei das Mischen in der Apotheke zu hinterfragen. Der Kläger sei zwar entgegen der Auffassung der AOK Bayern wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen nicht zum Mischen von Zytostatikalösungen verpflichtet. Für Bisphosphonat- und Liponsäure-Lösungen bedürfe er aber keiner besonderen Sicherheitsvorkehrungen, da nur der Ampulleninhalt mit der Trägerlösung zu verdünnen sei. Der Bezug angefertigter Lösungen aus der Apotheke sei unwirtschaftlich.

Die bereinigte Überschreitung unter Berücksichtigung des doppelten Onkologenfallwertes (1.272,18 DM) und der Einsparungen im Arzneibereich (546,71 DM) betrage mit 2.409,24 DM 189,4%. Dies liege im offensichtlichen Missverhältnis und begründe den Verdacht der Unwirtschaftlichkeit. Auch bei Berücksichtigung des vom Prüfungsausschuss ausgesprochenen Regresses ergebe sich eine Restüberschreitung von 139,5%. Dem Kläger sei zugutezuhalten, dass der erste AOK-seitige Hinweis erst im September 2001 erfolgte, als der streitige Prüfzeitraum bereits abgelaufen war. Bei korrektem Bezugsweg wäre der überwiegende Teil der Kosten von den Krankenkassen ebenfalls zu tragen gewesen. Wegen der existenzbedrohenden Höhe des Regresses solle dem Kläger die Gelegenheit gegeben werden, durch eine Änderung der Verordnungsweise den finanziellen Interessen der Krankenkassen gerecht zu werden. Der Regress werde daher halbiert. Es ergebe sich eine Restüberschreitung von 164,5%.

Der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, erhob am 30.6.2003 Klage zum Sozialgericht München, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 21 KA 920/03 geführt und nach dem Ruhen des Verfahren zuletzt unter dem Aktenzeichen S 21 KA 661/13 fortgesetzt wurde.

Gegen den Bescheid des Beklagten vom 12.6.2003 hat auch die Beigeladene zu 2) am 11.7.2003 Klage erhoben, welche zunächst unter dem Aktenzeichen S 21 KA 993/03 und zuletzt unter dem Aktenzeichen S 21 KA 183/15 geführt wurde.

Mit seiner Klagebegründung vom 24.4.2012 trug der Kläger vor, er habe von 2001 bis 2003 an Arzneimittelverträgen teilgenommen. Nach den Vereinbarungen in diesen Verträgen sollten keine Regresse aufgrund von Durchschnittsprüfungen verhängt werden. Die Prüfanträge seien mit den Kosten der Zytostatikazubereitungen begründet worden. Diese könnten allenfalls Gegenstand einer Einzelfallprüfung sein. Nach der Prüfungsvereinbarung seien Kosten der Zytostatikazubereitung vorab aus den Verordnungen herauszurechnen. Auch sei ein Arzt nicht zur kostenlosen Zubereitung von Medikamenten verpflichtet. Er verwies hierzu auf die Urteile des Sozialgerichts München vom 6.12.2006, Az. S 38 KA 645/05 und vom 13.3.2007, Az. S 28 KA 781/05. Die Durchführung von Durchschnittsprüfungen mit Begründung des Regresses durch Einzelverordnungen stelle einen Begründungsmangel nach § 35 SGB X dar. Die Vergleichsgruppenbildung sei ungeeignet. Die rein onkologische Ausrichtung der Praxis habe ihre Ursache in der Sonderbedarfszulassung, der Kläger habe nur onkologische Patienten behandeln dürfen. Fast alle Patienten hätten eine Chemotherapie bekommen, dies sei bei den übrigen Praxen der Vergleichsgruppe im Spezialvergleich nicht der Fall gewesen, teilweise seien auch gar keine Chemotherapien durchgeführt worden. Die Prüfungsvereinbarungen hätten alle zugelassenen Zytostatika und monoklonale Antikörper als Praxisbesonderheiten im Anhang gelistet und außerdem verlangt, die Zubereitungskosten der in der Onkologie eigesetzten Parenteralia als Praxisbesonderheiten zu behandeln. Der Kläger verwies hierzu auf § 14 Abs. 2 Prüfungsvereinbarung. Der Kläger führte weiter zu den vom Beklagten im angefochtenen Bescheid als unzulässige Sprechstundenbedarfs-Verordnung beanstandeten Arzneimittel aus. Immunglobuline und Folinsäure seien Kühlware, die Bestellung von Großpackungen hätte die logistischen Möglichkeiten der Praxis überfordert. Bei der nur begrenzt haltbaren Ware wäre es zu Verfall gekommen. Nicht verständlich sei die Beanstandung der Zytostatika Ovastat, Syrea, Agrylin und Neorecomorn. Diese lebenswichtigen Arzneimittel habe der Kläger wegen des weiten Einzugsgebietes seiner Patienten zum Soforteinsatz vorrätig halten müssen, um die Patienten nicht erst zur Medikamentenbeschaffung wegschicken zu müssen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.6.2015 trug der Kläger vor, die Durchführung einer Durchschnittsprüfung sei sachwidrig und nicht möglich. Er habe im Schnitt 300 Patienten im Quartal behandelt, die Vergleichsgruppe aber 800 Patienten mit einem Anteil von nur etwa 100 Krebspatienten. Die übrigen Nicht-Krebspatienten würden den Durchschnitt der Sprechstundenbedarfskosten absenken. Eine Prüfung des Sprechstundenbedarfs dürfe auch deshalb nicht durchgeführt werden, weil einige Praxen keine Sprechstundenbedarfsverordnungen gemacht hätten. Wenn die Auffassung des Beklagten als richtig angesehen werde, dann bleibe dem Patienten das Recht auf eine angemessene Behandlung mit Chemotherapeutika vorenthalten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 12.6.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers gegen den Prüfbescheid vom 2.12.2002 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass die Durchschnittsprüfung die Regelprüfmethode sei. Den vom Kläger vorgetragenen Umständen sei durch eine Verfeinerung der Prüfgruppe und die Anerkennung von Praxisbesonderheiten Rechnung getragen worden. Die Vorgehensweise des Beklagten sei durch das Bayerische Landessozialgericht hinsichtlich weiterer Verfahren des Klägers bereits gebilligt worden.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen der Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte des Beklagten und die Gerichtsakte, insbesondere auf die Klagebegründung vom 24.4.2012, verwiesen.

Gründe

I.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 12.6.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Rechtsgrundlage für die vom Beklagten angewandte Form der arztbezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung der ärztlichen Verordnungsweise Arzneimittel nach Durchschnittswerten ist § 106 SGB V i. V.m. § 13 Prüfungsvereinbarung (in der ab 1.1.2001 geltenden Fassung). Die Prüfung nach Durchschnittswerten wurde wegen ihres hohen Erkenntniswertes bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand lange Zeit als Regelprüfmethode angesehen (etwa BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 17 Rn. 17; Soz-R 4-1500 § 141 Nr. 1 Rn. 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 Rn. 14; aus jüngerer Zeit Urteil vom 19.10.2011, Az. B 6 KA 38/10 R = SozR 4-2500 § 106 Nr. 33 Rn. 19, 27).

Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S. 303; Nr. 55 S. 307 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 2 RdNr. 14, 15; Nr. 3 RdNr. 14; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 RdNr. 14; Nr. 23 RdNr. 13). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog. kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 57 S. 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1 RdNr. 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 RdNr. 14; Nr. 23 RdNr. 13). Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S. 298 f mwN; Nr. 57 S. 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 RdNr. 14; Nr. 23 RdNr. 13; Nr. 29 RdNr. 30 mwN). Die Prüfgremien sind allerdings zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sein. Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, so dass deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf. beanstandet werden könne (vgl. BSGE 95, 199 = SozR 4-2500, § 106 Nr. 11 Rn. 36 m.w.Nw.; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1 Rn. 20; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 Rn. 22; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 33 Rn. 16, 17, 19).

2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Beklagte die Verordnungstätigkeit des Klägers hinsichtlich des Sprechstundenbedarfs über die statistische Durchschnittsprüfung hinaus auch der nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen intellektuellen Prüfung unterzogen.

a) Dass die Durchschnittsprüfung wegen der Teilnahme des Klägers an Arzneimittelverträgen ausgeschlossen ist, hat der Kläger zwar behauptet. Er hat aber bereits seine Teilnahme an der Arzneimittelvereinbarung für das Jahr 2001 nicht belegt.

b) Der Vergleich ist zutreffend mit der Vergleichsgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie durchgeführt worden. Diese Vergleichsgruppe war mit 32 Praxen für einen Vergleich auch ausreichend groß.

Voraussetzung für die statistische Vergleichbarkeit im Rahmen einer Durchschnittsprüfung ist eine Homogenität der verglichenen Ärzte in dem Sinne, dass die wesentlichen Leistungsbedingungen des geprüften Arztes mit den wesentlichen Leistungsbedingungen der verglichenen Ärzte übereinstimmen (BSGE 61, 143, 144 = SozR 2200 § 368n Nr. 45, S. 153, 154; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 31, S. 175, 180). Die Vergleichsgruppe muss aus (Zahn)ärzten bestehen, die ein annähernd gleichartiges Patientengut versorgen und im wesentlichen dieselben Erkrankungen behandeln, weil nur unter diesen Voraussetzungen der durchschnittliche Behandlungsaufwand der Arztgruppe ein geeigneter Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- oder Verordnungsweise eines Angehörigen dieser Arztgruppe ist (Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, 08/14, § 106 SGB V, Rn. 310 unter Verweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 36, S. 199, 202; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 49, S. 255, 257; vgl. auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 45, S. 241, 244).

Der Kläger hat gegen die herangezogene Vergleichsgruppe eingewendet, dass in der Vergleichsgruppe von einigen Praxen keine ambulanten Chemotherapien durchgeführt worden seien und auch in keiner Praxis nahezu ausschließlich Krebspatienten behandelt worden seien. Ein aussagekräftiger Vergleich sei bereits deshalb nicht möglich gewesen.

Der Bildung einer besonderen, engeren Vergleichsgruppe bedarf es nur, wenn die jeweils maßgebenden Leistungsbedingungen so verschieden sind, dass von einem statistischen Vergleich von vornherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit zu erwarten sind (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 36, S. 199, 203; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 49, S. 255, 258; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 10, S. 80, 82; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 114 Rz 16). Dies ist der Fall, wenn die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik beim Durchschnitt der Fachgruppe signifikant abweicht (Engelhard, a.a.O. Rn. 322, unter Verweis auf die std. Rspr. des BSG: Urteil vom 15. 11. 1995, 6 RKa 58/94 = USK 95137 S. 733, 737 - insoweit unter SozR 3-1300 § 16 Nr. 1 nicht abgedruckt; Urteil vom 28.6.2000, B 6 KA 36/98 R S. 8; SozR 3-2500 § 106 Nr. 50, S. 261, 264; SozR 3-2500 § 106 Nr. 57, S. 316, 321; SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 115 Rz 18; SozR 4-2500 § 106 Nr. 34, S. 285, 292 Rz 27; SozR 4-2500 § 106 Nr. 35, S. 297, 304 Rz 30; vgl. auch SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 114 Rz 16; Beschluss vom 15. 8. 2012, B 6 KA 100/11 B Rz 7).

Den Prüfgremien steht es im Rahmen des ihnen auch insoweit zustehenden, gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren, Spielraums bei der Auswahl von Methoden zur Verfeinerung des statistischen Vergleichs – selbst bei grundsätzlich bestehender Notwendigkeit einer verfeinerten Vergleichsgruppenbildung – frei, signifikante Abweichungen von den fachgruppentypischen Leistungsbedingungen statt durch Bildung engerer Vergleichsgruppen im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheiten oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts zu berücksichtigen (Engelhard, a.a.O., Rn. 330, unter Verweis auf die std. Rspr. des BSG: BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr. 4, S. 7, 9 f.; SozR 3-2500 § 106 Nr. 36, S. 199, 202; SozR 3-2500 § 106 Nr. 57, S. 316, 322; Beschluss vom 11. 12. 2002, B 6 KA 21/02 B; SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 114 Rz 16; Beschluss vom 22. 1. 2009, B 6 KA 52/08 R Rz 7; SozR 4-2500 § 106 Nr. 34, S. 285, 292 Rz 27; SozR 4-2500 § 106 Nr. 35, S. 297, 304 Rz 30).

Der Beklagte hat dem Vortrag des Klägers Rechnung getragen und innerhalb der Vergleichsgruppe anhand der Abrechnungsdaten der GOP 16, 278, 280, 282, 308, 319, 3488, 3495, 8650-8655 überprüft, ob sich der Anteil von Patienten, die in der Praxis des Klägers mittels Chemotherapie behandelt werden, von demjenigen der Vergleichsgruppe unterscheidet. Zutreffend hat er festgestellt, dass der Kläger einen etwa doppelt so hohen Anteil an Patienten mit Chemotherapiebehandlung aufweist. Er hat dieser Abweichung dadurch Rechnung getragen, dass er dem Kläger die doppelten Verordnungskosten/Fall als Praxisbesonderheit anerkannt und von seinem Fallwert abgesetzt hat. Dem Kläger wurden damit in der Summe das Dreifache des Fallwertes der Vergleichsgruppe als wirtschaftliche Verordnungskosten beim Sprechstundenbedarf zugestanden.

Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden und wird nach Auffassung der Kammer dem vom Kläger vorgetragenen Umstand, er habe deutlich mehr Patienten mit einer Chemotherapie behandelt, ausreichend gerecht. Wenn sich aus den vom Beklagten herangezogenen Häufigkeitsstatistiken ergibt, dass der Kläger etwa doppelt so viele Patienten mit einer Chemotherapie behandelt hat als die Vergleichsgruppe, ist der Abzug des doppelten Fallwertes der Vergleichsgruppe als Praxisbesonderheit ein probates Mittel, dieser Abweichung gerecht zu werden. Dagegen spricht auch nicht der Vortrag des Klägers, in der Vergleichsgruppe sei von einigen Praxen teilweise gar keine Chemotherapie durchgeführt worden und damit der Durchschnittsfallwert vermindert worden. Aus der vom Beklagten herangezogenen Häufigkeitsstatistik für die verfeinerte Vergleichsgruppe ist zu entnehmen, dass die GOP 16 (kontinuierliche Betreuung eines tumorkranken Patienten unter tumorspezifischer Behandlung) von 96,88% der Praxen, die GOP 278 (Infusion von Zytostatika) von 84,38% der Praxen, die GOP 3488 (Tumorerkrankung unter parenteraler tumorspezifischer Behandlung) von 87,5% der Praxen und die GOP 3495 (Erkrankungen unter systemischer Zytostatika-Therapie) von 93,75% der Praxen abgerechnet wurde. Die Häufigkeit auf 100 Fälle bei der Abrechnung dieser GOP überschreitet der Kläger vor allem bei den GOP 3488 (+54,93%) und 3495 (+148,90%) sowie bei der GOP 8651 (parenterale Chemotherapie, +102,06%). Der vom Beklagten daraus gezogene Schluss, der Anteil von Patienten mit einer Chemotherapiebehandlung sei in der Praxis des Klägers etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Vergleichsgruppe, ist nach diesen Abrechnungsdaten plausibel. So wie der Kläger mit dem hohen Anteil an Patienten mit Chemotherapie den Durchschnitt der Vergleichsgruppe anhebt, senken andere Praxen mit einem geringen Anteil an Patienten mit Chemotherapie den Durchschnitt ab.

Der Einwand des Klägers, mit dem Durchschnittswert der Vergleichsgruppe, auch angehoben um die anerkannten Praxisbesonderheiten, sei eine angemessene Therapie der Patienten nicht zu finanzieren, ist unbegründet. Im streitgegenständlichen Prüfverfahren geht es nur um die Verordnung des Sprechstundenbedarfs. Die Arzneimitteltherapie ist aber nicht nur über Sprechstundenbedarfs-Verordnungen, sondern auch über Verordnungen auf den Namen des Patienten unter Angabe der zuständigen Krankenkasse abzudecken. Die isolierte Betrachtung des Fallwertes für den Sprechstundenbedarf sagt nichts darüber aus, in welchem Maße dem Vertragsarzt wirtschaftliche Verordnungskosten pro Patient insgesamt von den Prüfgremien oder Krankenkassen „zugestanden“ werden.

c) Der für das streitgegenständliche Quartal geltenden Prüfungsvereinbarung ist keine Vorgabe zu entnehmen, dass Kosten der Zytostatikazubereitung von den zu prüfenden Verordnungskosten herauszurechnen und damit von der Prüfung auszunehmen seien. Der vom Kläger zitierte § 14 Abs. 2 der Prüfungsvereinbarung betrifft den Prüfungsgegenstand der Prüfung der Verordnungsweise in Einzelfällen. Auch in den Prüfungsvereinbarungen für spätere Quartale enthält § 14 Abs. 2 eine solche Vorgabe nicht.

d) Grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte zur Begründung seiner Entscheidung auf einzelne Verordnungen (Liponsäure, Bisphoshonate, Sexualhormone und ihre Hemmstoffe, Immuntherapeutika und Zytokine, Neuraltherapeutika, vitaminhaltige Präparate, Mineralstoffe, Antianämika, Blutgerinnungsmittel, Agrylin) eingeht, deren Verordnung gar nicht oder zumindest nicht über Sprechstundenbedarf erfolgen durfte.

Nach Abschnitt III.1. der Sprechstundenbedarfsvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und der AOK Bayern, dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. - Landesvertretung Bayern -, dem BKK Landesverband Bayern, der Bundesknappschaft Verwaltungsstelle München, dem Funktionellen Landesverband der Landwirtschaftlichen Krankenkassen und Pflegekassen in Bayern, dem Landesverband der Innungskrankenkassen in Bayern und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. - Landesvertretung Bayern – vom 1.4.1999 (nachfolgend: Sprechstundenbedarfsvereinbarung) gelten als Sprechstundenbedarf nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet werden oder bei Notfällen für mehr als einen Berechtigten zur Verfügung stehen müssen. Hierzu ist eine Anlage vereinbart worden. Nach Buchstabe e) dieser Anlage sind als Sprechstundenbedarf nicht verordnungsfähig u.a. Immuntherapeutika und Zytokine, Sexualhormone und ihre Hemmstoffe sowie Zytostatika, Metastasenhemmer und Diphosphonate. Zu Abschnitt III. 1. existierte eine Protokollnotiz, nach der es onkologischen Schwerpunktpraxen gestattet war, Zytostatika, Metastasenhemmer und Diphosphonate als Sprechstundenbedarf zu verordnen. Zutreffend hat der Beklagte damit festgestellt, dass Sexualhormone und ihre Hemmstoffe, Immuntherapeutika und Zytokine, Neuraltherapeutika, vitaminhaltige Präparate, Mineralstoffe, Antianämika sowie Blutgerinnungsmittel nicht als Sprechstundenbedarf hätten verordnet werden dürfen.

Arzneimittel, die in Deutschland nicht zugelassen sind, sind gemäß §§ 31 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V in Verbindung mit A.3. der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien/AM-RL) und § 21 Abs. 1 AMG von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Dies gilt nach Abschnitt IV.4. Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung auch für die Verordnung als Sprechstundenbedarf. Die Verordnung des in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels Agrylin war damit ebenfalls unzulässig.

e) Nachdem die Praxis des Klägers als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt war, durfte der Kläger auch Zytostatika als Sprechstundenbedarf verordnen. Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid dem Vortrag des Klägers bereits zugestimmt und festgestellt, dass wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen eine Verpflichtung zur Zubereitung von Zytostatika-Lösungen nicht bestand. Wenn der Kläger jedoch die für den jeweiligen Patienten benötigte Zytostatika-Lösung nicht selbst zubereiten wollte oder konnte, so durfte auch keine Verordnung der Zytostatika über den Sprechstundenbedarf erfolgen. Denn Sprechstundenbedarf liegt nach Abschnitt III.1. der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung nur vor, wenn die verordneten Mittel bei mehr als einem Patienten angewendet werden. Nach Abschnitt III.4.a Sprechstunden-Bedarfsvereinbarung stellen Arznei- und Verbandmittel, die nur für einen Patienten bestimmt sind, keinen Sprechstundenbedarf dar und sind daher mit Angabe der zuständigen Krankenkasse auf den Namen des Versicherten zu verordnen. Damit war die Verordnung patientenindividueller Zubereitungen als Sprechstunden-Bedarf unzulässig und hätte gemäß § 14 der Prüfungsvereinbarung geprüft werden können. Mangels eines entsprechenden Antrages der Beigeladenen zu 2) hat der Beklagte auf diese Prüfung verzichtet und zugunsten des Klägers auch berücksichtigt, dass bei korrekter Verordnung auf den Namen des Versicherten unter Angabe der zuständigen Krankenkasse diese Kosten von der jeweiligen Krankenkasse ebenfalls zu tragen gewesen wären.

f) Der Beklagte hat darüber hinaus großzügig kompensatorische Einsparungen wegen der Unterschreitung bei den Arzneiverordnungen anerkannt und zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass die hohe Überschreitung beim Sprechstundenbedarf auch auf Verordnungen beruht, die als Sprechstundenbedarf unzulässig waren. Diese Verordnungen hätten als Einzelverordnungen ausgestellt werden müssen, deren Kosten den Krankenkasse damit auch entstanden wären. Darüber hinaus wurde eine großzügige Restüberschreitung von 164,5% belassen, die noch weit im offensichtlichen Missverhältnis liegt. Ein den Kläger belastender Fehler bei der Ermessensausübung ist nicht ersichtlich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit§ 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. März 2010 und des Sozialgerichts Mainz vom 16. April 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. April 2006 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19. August 1999 und 6. Juni 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. und 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. je zu einem Drittel.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. in den Quartalen II/1998 bis III/1999.

2

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse, die Beigeladene zu 1. eine Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft), in der im streitgegenständlichen Zeitraum zwei Zahnärzte für Oralchirurgie und ein Allgemein-Zahnarzt tätig waren. Auf Antrag der Krankenkassen(-Verbände) prüfte der Prüfungsausschuss die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. in den Quartalen II bis IV/1998 sowie in den Quartalen I bis III/1999; mit Bescheiden vom 19.8.1999 (Quartale II bis IV/1998) sowie vom 6.6.2000 (Quartale I bis III/1999) lehnte der Ausschuss die Festsetzung von Honorarkürzungen ab. Gegen den Bescheid vom 19.8.1999 erhoben die Gemeinsame Beratungs- und Prüfstelle der Primärkassen sowie die Ersatzkassenverbände Widersprüche, gegen den Bescheid vom 6.6.2000 die "BKK-IKK-LKK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz" sowie die Ersatzkassenverbände. Der beklagte Beschwerdeausschuss gab den Widersprüchen mit Bescheid vom 29.8.2001 zunächst teilweise statt und setzte - nach Durchführung einer Prüfung nach Durchschnittswerten - wegen Überschreitung bestimmter "Relationen" bei den Gebührennr 37-Nbl2 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) ("Stillung einer übermäßigen Blutung durch Abbinden oder Umstechen eines Gefäßes oder durch Knochenbolzung"), 38-N Bema-Z ("Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff oder Tamponieren oder dergleichen, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, als selbständige Leistung, je Sitzung") und 47a-Ost1 Bema-Z ("Entfernen eines Zahnes durch Osteotomie einschließlich Wundversorgung") in den Quartalen II/1998 bis III/1999 eine Honorarkürzung in Höhe von 19 470,22 DM (= 9954,97 Euro) fest. Hiergegen erhob die Beigeladene zu 1. Klage. Im Laufe des Klageverfahrens teilte der Beklagte dem SG mit, dass er den angefochtenen Bescheid nicht für "rechtsfähig" halte und diesen "ersetzen" werde. Das SG wertete dies als verfahrensbeendendes Anerkenntnis. Mit erneutem Widerspruchsbescheid vom 6.4.2006 wies der Beklagte sodann die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte er aus, ein statistischer Vergleich des (Gesamt-)Fallwerts der Beigeladenen zu 1. mit dem der Gruppe der Oralchirurgen habe in den geprüften Quartalen nach Bereinigung des Gesamtfallwerts um anerkannte Praxisbesonderheiten keine Überschreitung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis, die er mit 40 % angesetzt habe, ergeben. Er habe bei der Ermittlung des aus der Praxisbesonderheit "Fälle mit überdurchschnittlichem Behandlungsbedarf" resultierenden Mehraufwandes überprüft, ob statistisch auffällige Gebührenpositionen wirtschaftlich abgerechnet worden seien. Bei dieser Prüfung habe sich zwar ein unwirtschaftlicher Mehraufwand von 1.015 Punkten bei der Gebührennr 37-Nbl2 Bema-Z, von 11.936 Punkten bei der Nr 38-N Bema-Z und von 7.452 Punkten bei der Nr 47a-Ost1 Bema-Z ergeben, um den der Mehraufwand wegen anerkannter Praxisbesonderheiten bereinigt worden sei; die Notwendigkeit von Honorarkürzungen sei damit aber nicht gegeben.

3

Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 16.4.2008, Urteil des LSG vom 4.3.2010). Das LSG hat ausgeführt, der Beklagte habe im Rahmen seiner Prüfung der gesamten zahnärztlichen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu Recht auf den Gesamtfallwert abgestellt. Er sei nicht gehalten gewesen, eine Sparten- oder Einzelleistungsprüfung vorzunehmen. Der angefochtene Bescheid sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte den Prozentsatz des offensichtlichen Missverhältnisses zu hoch angesetzt habe. Diese Festlegung unterliege dem Beurteilungsspielraum des Beklagten, den dieser nicht überschritten habe. Wegen der Spannbreite möglicher rechtmäßiger Entscheidungen könne jedenfalls in der Regel ein niedrigerer Grenzwert als 40 % von den beteiligten Krankenkassenverbänden nicht erzwungen werden. Auch stelle das vom Beklagten genannte erhöhte Risiko der Inhomogenität der Vergleichsgruppe einen sachlichen Gesichtspunkt dar, der Beurteilungsfehler nicht erkennen lasse.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Wenn die Prüfgremien im Rahmen der Prüfung der Praxisbesonderheiten feststellten, dass Leistungen teilweise unwirtschaftlich erbracht worden seien und damit nicht als Praxisbesonderheiten anerkannt werden könnten, dann seien diese Unwirtschaftlichkeiten zu beziffern und ein "Regress" festzusetzen. Es könne nicht richtig sein, dass dem Vertrags(zahn)arzt unwirtschaftlich erbrachte Leistungen sehenden Auges honoriert würden. Im Übrigen widerspreche es der Rechtsprechung des BSG, bei Anerkennung von Praxisbesonderheiten die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei 40 % zu belassen. Würden - wie vorliegend - Praxisbesonderheiten in so erheblichem Umfang anerkannt, sei die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis weit unter 40 % festzulegen, zumal eine Bereinigung der Fachgruppe nicht erfolgt sei.

5

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 4.3.2010 und des SG Mainz vom 16.4.2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19.8.1999 und 6.6.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

6

Der Beklagte, die Beigeladene zu 1. und (schriftsätzlich) die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Beklagte und die zu 2. beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung führen aus, die bei der Bewertung von Praxisbesonderheiten festgestellten Korrekturbeträge hätten nicht zu einem Regress führen können, weil es sich nicht um eine Einzelfallprüfung gehandelt habe. Die vom Beklagten durchgeführten Einzelfall- und Relationsbetrachtungen hätten lediglich der rechnerisch eindeutigen Quantifizierung der Praxisbesonderheiten im Rahmen einer statistischen Vergleichsprüfung gedient. Die Beigeladene zu 1. macht Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage geltend und verweist auf den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Beklagten, den dieser nicht überschritten habe.

8

Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist zulässig und - im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts erneut über die gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19.8.1999 und 6.6.2000 erhobenen Widersprüche zu entscheiden - begründet. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht die Entscheidung des Beklagten für rechtmäßig gehalten, von Kürzungsmaßnahmen abzusehen.

10

1. Die von der Beigeladenen zu 1. geltend gemachten prozessualen und formellen Bedenken greifen allerdings nicht durch. Insbesondere war die von der Klägerin erhobene Klage zulässig. Im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V wirkt der von einer Krankenkasse bzw einem Krankenkassenverband erhobene Widerspruch auch zugunsten der übrigen Beteiligten und verhindert den Eintritt der Bestandskraft des Bescheides(zur Einheitlichkeit des Verfahrens der Wirtschaftlichkeitsprüfung siehe schon BSGE 60, 69, 71 f = SozR 2200 § 368n Nr 42 S 139 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 18 S 98). Die Krankenkassen und ihre Verbände sind - unabhängig von einer Hinzuziehung nach § 12 Abs 2 SGB X - Beteiligte des Prüfverfahrens(BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 20). Die Prüfgremien treffen Entscheidungen, die unmittelbare Auswirkungen auf die vertragsärztliche Versorgung haben und die Verpflichtung der genannten Institutionen berühren können, für eine ordnungsgemäße Versorgung Sorge zu tragen (BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 22). Es ist für die Rechtsmittelbefugnis der Institutionen ohne Belang, ob die das Verfahren ggf letztlich allein weiterbetreibende Krankenkasse (bzw der Krankenkassenverband) in den vorangegangenen Verfahrensstufen jeweils selbst Rechtsmittel eingelegt hat. Vielmehr wirken von einzelnen Krankenkassen(-Verbänden) eingelegte Rechtsmittel grundsätzlich auch zugunsten der übrigen beteiligten Institutionen. Ob Abweichendes gilt, wenn ein Kostenregress zu Gunsten einer einzelnen Krankenkasse Streitgegenstand ist, bedarf hier keiner Erörterung. Auch eine Stellung von Prüfanträgen durch gemeinsame Einrichtungen der Krankenkassen begegnet keinen Bedenken.

11

2. Der Bescheid des Beklagten vom 6.4.2006, der alleiniger Streitgegenstand des Verfahrens ist (stRspr des BSG, zuletzt Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 16/10 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), ist rechtswidrig.

12

a. Ob die vom Beklagten durchgeführte, auf den Gesamtfallwert bezogene Prüfung nach Durchschnittswerten für sich genommen rechtmäßig ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.

13

Zweifel könnten sich insoweit ergeben, als der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung des Gesamtfallwertes der Vergleichsgruppe um mehr als 40 % angesetzt hat. Grundsätzlich steht den Prüfgremien allerdings hinsichtlich der Festlegung des für das offensichtliche Missverhältnis maßgeblichen Grenzwerts ein Beurteilungsspielraum zu (vgl ua BSGE 76, 53, 58 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 149; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 267; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12). Jedoch könnte es in Anbetracht der Vorab-Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten unter Umständen geboten sein, den Grenzwert niedriger anzusetzen. So hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Prüfgremien zumindest berechtigt sind, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis niedriger anzusetzen, seitdem Praxisbesonderheiten bereits auf der ersten Prüfungsstufe zu berücksichtigen sind (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 226; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 239); wenn die Prüfgremien Besonderheiten der Praxis von vornherein in den Fallwertvergleich einbezogen haben, sind auch 40 % unterschreitende Grenzwerte zulässig (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 17). Zudem bedarf noch der Klärung, wie die nach Herausrechnung der Praxisbesonderheiten verbleibenden Überschreitungen noch gerechtfertigt werden können und ob die Prüfgremien ggf nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sind, niedrigere Grenzwerte anzusetzen.

14

Der Beklagte hat seine Entscheidung damit begründet, er habe bei der Grenzziehung das Risiko der Inhomogenität des Abrechnungsverhaltens der Vergleichsgruppe berücksichtigt. Auch wenn sich das Problem der Inhomogenität bei einer genauen Quantifizierung kostenerhöhender Umstände relativiert (s hierzu Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2011, K § 106 RdNr 348),kann nicht außer Betracht bleiben, dass gerade die Gruppe der Oralchirurgen kein einheitliches Leistungsspektrum aufweist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 21, 22; s auch Engelhard aaO RdNr 331b). Ob dieses Argument für sich genommen tragfähig ist, um den vom Beklagten zugrunde gelegten hohen Grenzwert zu rechtfertigen, kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Entscheidung des Beklagten bereits aus anderen Gründen rechtswidrig ist.

15

b. Der Beklagte durfte die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der zu 1. beigeladenen Gemeinschaftspraxis nicht mit der Feststellung beenden, dass sich der Gesamtfallwert nicht im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses bewege und daher kein Raum für eine Honorarkürzung sei. Vielmehr wäre er ungeachtet des ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums bei Beachtung des Gebots der Effektivität von Wirtschaftlichkeitsprüfungen verpflichtet gewesen, den von ihm erkannten Unwirtschaftlichkeiten unter Anwendung anderer Prüfmethoden - namentlich im Wege einer Einzelleistungsprüfung nach Durchschnittswerten, ggf auch einer Einzelfallprüfung - nachzugehen. Sofern sich der Beklagte an der Anwendung anderer, von der Rechtsprechung generell als geeignet anerkannter, Prüfmethoden gehindert gesehen haben sollte, hätte er in der Begründung seiner Entscheidung darlegen müssen, warum er diese an sich gebotenen Prüfungen unterlassen hat.

16

aa. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stehen den Prüfgremien bei der Auswahl der im Einzelfall geeigneten Prüfmethode Entscheidungsspielräume zu (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 13). Diese sind rechtlich als Beurteilungsspielraum zu qualifizieren (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 31 S 177 mwN; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 267/268; soweit in der jüngeren Rechtsprechung des Senats von einem "Ermessen" der Prüfgremien gesprochen wird, wird hieran nicht festgehalten), weil es sich bei der Auswahl der Prüfmethode um eine Fragestellung handelt, die einer Bewertung unter Heranziehung der besonderen Fachkunde der Mitglieder der Prüfgremien bedarf (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 106; vgl auch BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN). Von diesem Beurteilungsspielraum ist grundsätzlich auch die Entscheidung umfasst, ob der Vergleichsprüfung die Gesamtfallwerte oder nur der Aufwand in einzelnen Leistungssparten oder bei bestimmten Einzelleistungen zugrunde gelegt werden (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 300).

17

Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich bei der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen, denen ein Beurteilungsspielraum zugrunde liegt, darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (stRspr des BSG, BSGE 72, 214, 216 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 7; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; vgl zuletzt BSGE 102, 21 = SozR 4-2500 § 101 Nr 3, RdNr 16 - zu Sonderbedarfszulassungen).

18

bb. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist auch unter Berücksichtigung des begrenzten Umfangs der gerichtlichen Überprüfung rechtswidrig. In Anbetracht der deutlichen Überschreitung der Vergleichswerte der Fachgruppe durch die beigeladene Gemeinschaftspraxis und namentlich der von ihm festgestellten Unwirtschaftlichkeiten bei einzelnen Leistungspositionen hätte sich dem Beklagten die ergänzende Anwendung einer anderen Prüfmethode geradezu aufdrängen müssen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt nicht hinreichend erkennen, warum der Beklagte vorliegend von einer Honorarkürzung bzw von der Anwendung einer anderen Prüfmethode abgesehen hat.

19

(1) Zu den erforderlichen Subsumtionserwägungen bei der Auswahl einer Prüfmethode gehören nicht zuletzt Ausführungen, die erkennen lassen, dass sich die Prüfgremien den Grenzen ihres Beurteilungsspielraums bewusst gewesen sind. Zu diesen Grenzen gehört zum einen, dass der Senat die statistische Vergleichsprüfung bzw Prüfung nach Durchschnittswerten auf der Grundlage des bis zum 31.12.2003 geltenden Rechts in ständiger Rechtsprechung als "Regelprüfmethode" bezeichnet hat (vgl BSGE 94, 273 = SozR 4-2500 § 106 Nr 9, RdNr 6; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 13 mwN),von der nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden durfte.

20

Zum anderen ergibt sich eine Einschränkung des Entscheidungsspielraums der Prüfgremien bei der Auswahl der Prüfmethode aus dem Gebot, "effektive" Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Verpflichtung der Prüfgremien betont, auf festgestellte bzw vorliegende Unwirtschaftlichkeiten zu reagieren. Diese haben die Frage der Unwirtschaftlichkeit mit allen dazu geeigneten und zulässigen Beweismitteln aufzuklären (BSGE 70, 246, 254 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 51 f; BSGE 75, 220, 224 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 135),ggf sachgerechte Prüfungsarten zu entwickeln und Prüfverfahren stets der gesetzlichen Intention entsprechend auszugestalten und durchzuführen, alle Ärzte einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu unterziehen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295 f). Es entspricht der Zielsetzung des Gesetzes, dass das Abrechnungs- und Verordnungsverhalten aller Ärzte zu jeder Zeit einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen muss (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 55 S 309/310 unter Hinweis auf BSGE 84, 85, 87 = SozR 3-2500 § 106 Nr 47 S 250; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 274; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295 f; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 32 S 185; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 61; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14). Unter Hinweis auf das Gebot effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen hat der Senat festgestellt, dass eine andere Prüfmethode gewählt werden "darf bzw muss", soweit eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten nicht effektiv ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14), bzw dass die Prüfgremien "berechtigt und verpflichtet" sind, ausnahmsweise auch andere Prüfmethoden anzuwenden bzw neu zu entwickeln, wenn sich im Einzelfall die Prüfung nach Durchschnittswerten "als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar" erweist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10).

21

Als "nicht effektiv" im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Senats anzusehen ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht erst dann, wenn die Prüfung in der gewählten Form zu überhaupt keinen Ergebnissen führt - etwa, weil sie mangels ausreichender Datengrundlagen (wie zB bei Richtgrößenprüfungen, vgl hierzu BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11) überhaupt nicht durchgeführt werden kann. Vielmehr ist dies bereits dann der Fall, wenn die Voraussetzungen für die Durchführung einer Prüfung zwar vorliegen, der gewählte Prüfungsansatz aber strukturell den Zugriff auf festgestellte Unwirtschaftlichkeiten verstellt. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn offensichtliche oder bei Durchführung der Regelprüfmethode festgestellte Unwirtschaftlichkeiten in einzelnen Leistungssparten oder bei bestimmten Leistungspositionen bestehen, der Gesamtfallwert jedoch nicht die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis überschreitet. Denn nach der Rechtsprechung des Senats muss die ärztliche bzw zahnärztliche Behandlung sowohl insgesamt als auch in jedem Teilbereich wirtschaftlich sein, also nicht nur beim Gesamtfallwert, sondern auch in jeder einzelnen Sparte und bei Einzelleistungen sowie in jedem Einzelfall (vgl BSG 3-2500 § 106 Nr 42 S 232 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 15).

22

(2) Den schon aus dem Beurteilungsspielraum abzuleitenden und durch das Effektivitätsgebot verstärkten Anforderungen genügen die Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Bescheid nicht. Denn angesichts der vom Beklagten im Rahmen der Überprüfung von Praxisbesonderheiten festgestellten Unwirtschaftlichkeiten (nach den in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben der Klägerin überschritt der Gesamtfallwert der beigeladenen Gemeinschaftspraxis vor Bereinigung um Praxisbesonderheiten in den strittigen Quartalen den Fachgruppendurchschnitt in einem Umfang von 60,2 % bis 107,1 %) hätte sich bei Beachtung der sich aus dem Gebot zur Durchführung effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen ergebenden Anforderungen ein Wechsel der Prüfmethode bzw eine Ergänzung der auf den Gesamtfallwert bezogenen Prüfung nach Durchschnittswerten aufgedrängt.

23

(a) In Anbetracht der vom Beklagten festgestellten Unwirtschaftlichkeiten bei einzelnen Leistungspositionen hätte es in erster Linie nahe gelegen, eine auf diese Positionen bezogene Einzelleistungsprüfung nach Durchschnittswerten durchzuführen. Einer entsprechenden Regelung in der Prüfvereinbarung bedurfte es nicht, da die Einzelleistungsprüfung einen Unterfall der - seinerzeit durch § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V in der bis 31.12.1994 geltenden Fassung gesetzlich vorgegebenen und durch die Rechtsprechung des Senats konkretisierten - Auffälligkeitsprüfung darstellt.

24

Einem ergänzenden bzw alternativen Einzelleistungsvergleich steht nicht entgegen, dass innerhalb der Prüfung nach Durchschnittswerten kein Vorrang von Sparten- und Einzelleistungsprüfungen gegenüber Gesamtfallwertvergleichen bestand (s hierzu Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2011, K § 106 RdNr 398 mwN). Zwar hat der Senat auf die Gefahren eines Sparten- oder Einzelleistungsvergleichs hingewiesen, da deren Aussagewert tendenziell geringer und die Gefahr einer Fehlinterpretation größer ist als bei einem Gesamtvergleich, weil sich die unterschiedlichen Diagnose- und Behandlungsmethoden hier naturgemäß stärker auswirken (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 57/58; vgl auch BSGE 69, 138, 144 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 27). Diesen Gefahren wird jedoch durch die Anforderungen, die der Senat für die Zulässigkeit speziell des Einzelleistungsvergleichs aufgestellt hat, in ausreichendem Maße begegnet. Danach setzt ein derartiger Vergleich voraus, dass davon Leistungen betroffen sind, die für die gebildete Vergleichsgruppe typisch sind und zumindest von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9 mwN). Eine fachgruppentypische Leistung liegt (insbesondere) dann vor, wenn sie von über 50 % der Mitglieder der Vergleichsgruppe erbracht werden (BSG aaO RdNr 11).

25

Auch der Gesichtspunkt der "Gesamtwirtschaftlichkeit" steht einer Verpflichtung der Prüfgremien, die Behandlungsweise der Klägerin bezogen auf einzelne Leistungen zu überprüfen, ebenfalls nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Senats darf zwar die Wirtschaftlichkeit einzelner Leistungen oder Leistungssparten nicht losgelöst von der Gesamttätigkeit und den Gesamtfallkosten des Vertragsarztes beurteilt werden (vgl zB BSGE 71, 194, 199 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 91; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9). Jedoch folgt daraus nicht, dass bei einem im Vergleich zur Fachgruppe unauffälligen Gesamtkostendurchschnitt eine unwirtschaftliche Erbringung bestimmter Leistungsarten oder Einzelleistungen ausgeschlossen wäre (in diesem Sinne ua BSGE 71, 194, 199 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 91; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9). Im Übrigen liegt der Gesamtfallwert der Beigeladenen zu 1. auch nach Bereinigung um Praxisbesonderheiten weiterhin deutlich über den Vergleichswerten der Fachgruppe - wenn auch nach Einschätzung des Beklagten nicht im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses -, so dass es bereits an einer "Unauffälligkeit" des Gesamtfallwerts fehlt. Weiter steht einer - separat durchgeführten - ergänzenden oder alternativen Einzelleistungsprüfung auch die Aussage des Senats nicht entgegen, dass Prüfmethoden nicht miteinander vermengt werden dürfen, weil jede von ihnen nur dann zu rechtlich tragbaren Ergebnissen führt, wenn die ihr eigenen Gesetzmäßigkeiten beachtet werden (vgl ua BSGE 55, 110, 111 = SozR 2200 § 368n Nr 27 S 82; BSGE 71, 194, 196 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 87).

26

(b) Sofern die Voraussetzungen für einen Einzelleistungsvergleich nicht erfüllt wären, wäre die Durchführung einer Einzelfallprüfung in Erwägung zu ziehen. Letztlich hat der Beklagte eine derartige Prüfung bereits ansatzweise durchgeführt, denn seine Erkenntnisse, dass die Berechnung bestimmter Leistungen "nicht in jedem Fall" nachvollziehbar sei, geht auf eine zumindest stichprobenartige Prüfung der einzelnen Fälle zurück. Eine derartige Prüfung kommt insbesondere in Form einer eingeschränkten Einzelfallprüfung (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14, 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14)in Betracht, ggf in Form einer Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (s hierzu BSGE 70, 246, 254 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 52 f). Die Prüfgremien sind an einer Anwendung dieser Prüfmethoden auch dann nicht gehindert, wenn die Prüfvereinbarung sie nicht explizit vorsieht; dies gilt jedenfalls dann, wenn andernfalls die Durchführung einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht möglich wäre.

27

Einer Einzelfallprüfung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten die Regelprüfmethode darstellt. Zwar hat das BSG wiederholt die Entscheidung der Prüfgremien für eine Einzelfallprüfung als Überschreitung der Grenzen des Beurteilungsspielraums gewertet (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10 unter Hinweis auf BSGE 77, 53, 56 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 187). Dem lag jedoch eine andere Konstellation zugrunde, da die Prüfgremien ihre Auswahl damit begründet hatten, die Einzelfallprüfung sei gegenüber einer Vergleichsprüfung die genauere und gerechtere Prüfmethode. Demgegenüber hat der Senat - wie bereits oben dargestellt - gerade unter Hinweis auf das Gebot effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Wahl einer anderen Prüfmethode gebilligt, soweit eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten nicht effektiv ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14).

28

(c) Der Beklagte hat weder ergänzende Prüfmaßnahmen durchgeführt noch dies (offenbar) überhaupt in Erwägung gezogen. Jedenfalls enthält der angefochtene Bescheid keine ausreichende Begründung dafür, warum von einer weitergehenden Prüfung abgesehen wurde. Auf Seite 5 des angefochtenen Bescheides wird lediglich ausgeführt, dass keine Gründe vorgelegen hätten, von der Vergleichsprüfung abzugehen, und dass die Durchführung "einer strengen Einzelfallprüfung" nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten möglich gewesen wäre. Die Möglichkeit eines statistischen Einzelleistungsvergleichs oder die Durchführung einer eingeschränkten Einzelfallprüfung (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14, 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14) -ggf auch einer Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (s hierzu BSGE 70, 246, 254 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 52 f) - hat der Ausschuss damit erkennbar nicht in Betracht gezogen.

29

3. Der Beklagte wird daher die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. erneut unter Beachtung der Ausführungen des Senats zur Aussagekraft der bereinigten Gesamtfallwertüberschreitungen und unter Heranziehung alternativer Prüfmethoden zu überprüfen haben. Sollte er dabei zu dem Ergebnis kommen, dass andere Prüfmethoden aus Rechtsgründen ausgeschlossen sind, wird er dies in der Begründung seines Bescheides so zu verdeutlichen haben, dass erkennbar und überprüfbar wird, dass er alle in Frage kommenden Prüfmethoden berücksichtigt und deren Anwendbarkeit aus durchgreifenden Sachgründen verneint hat.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. und 2. die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen zu tragen, da sie unterlegen sind (§ 154 Abs 1 und 3 iVm § 159 Satz 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. Dezember 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Frage, ob der beklagte Beschwerdeausschuss verpflichtet ist, gegen den Beigeladenen zu 2. wegen der Anforderung Monoklonaler Antikörper (MAK) als Rezepturen von der Apotheke in den Quartalen II/2008 bis I/2009 einen Verordnungsregress in Höhe von 4776,02 Euro festzusetzen.

2

Der zu 2. beigeladene Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie nimmt im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) an der vertragsärztlichen Versorgung teil und führt eine Praxis mit onkologischem Schwerpunkt. Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, beantragte eine Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise in Einzelfällen, weil der Beigeladene zu 2. die von ihm für die Krebsbehandlung bei seinen Patienten benötigten MAK - Herceptin (Trastuzumab) sowie MabThera (Rituximab) - in Form von Rezepturen von der Apotheke angefordert habe, statt diese Medikamente als Fertigarzneimittel zu verordnen und sie vor der Anwendung selbst in eine Kochsalzlösung einzubringen. Mit Bescheid vom 15.9.2010 lehnte die Prüfungsstelle den Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 24.5.2011 (aus der Sitzung vom 23.3.2011) mit der Begründung zurück, dem Vertragsarzt könne das Gebrauchsfertigmachen von toxischen Arzneimitteln wie Zytostatika und MAK in der Praxis nicht zugemutet werden; zudem stelle das Gebrauchsfertigmachen in der Praxis eine erhebliche Gefährdung der Patienten dar. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 22.6.2012, Urteil des LSG vom 4.12.2013).

3

Das LSG hat ausgeführt, die Anforderung von MAK als Rezepturen von einer Apotheke sei nicht unwirtschaftlich, weil Vertragsärzte nicht verpflichtet seien, MAK in Kochsalzlösung einzubringen. Dieser Vorgang sei als Herstellung von Arzneimitteln zu werten und somit von der Leistungspflicht der Vertragsärzte nicht umfasst. Nach der Legaldefinition des § 4 Abs 14 des Arzneimittelgesetzes (AMG) falle unter den Begriff des "Herstellens" von Arzneimitteln auch das "Zubereiten" und damit auch das vom Körpergewicht des Patienten abhängige Dosieren und Einbringen von MAK in eine Kochsalzlösung, die vor der Anwendung (Infusion) am Patienten notwendig sei. Zwar seien Vertragsärzte arzneimittelrechtlich berechtigt, Arzneimittel zur Anwendung beim Patienten zuzubereiten. Jedoch sei gemäß § 73 Abs 2 SGB V allein die Verordnung, nicht aber die Herstellung von Arzneimitteln von der vertragsärztlichen Leistungspflicht umfasst. Auch aus anderen Vorschriften des Vertragsarztrechts sei eine Verpflichtung der Vertragsärzte zur Herstellung von Arzneimitteln nicht ableitbar, insbesondere nicht aus dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä), weil dieser für die Zubereitung von Infusionslösungen keine Gebührenordnungsposition (GOP) vorsehe. Dies bestätige auch die Onkologie-Vereinbarung, indem diese sich darauf beschränke, bestimmte Qualitätsanforderungen zu definieren, soweit die Zubereitung in der Praxis erfolge.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Das Gebrauchsfertigmachen einer Arznei zur unmittelbaren Anwendung am Patienten sei keine Herstellung iS von § 4 Abs 14 AMG. Durch das Urteil des LSG würden jegliche Zubereitungsschritte einer Einordnung unter die vertragsärztlichen Pflichten nach § 73 Abs 2 Nr 1 SGB V entzogen, obwohl dieser Vorgang nicht zur Arzneimittelverordnung, sondern zur ärztlichen Behandlung gehöre. Wäre die Auffassung des LSG richtig, sei zu befürchten, dass künftig jedes noch so einfache Überführen eines Arzneimittels in die anwendungsfertige Form nicht mehr durch den Vertragsarzt erfolge.

5

MAK wiesen auch keine toxische Wirkung auf, die betriebliche Vorkehrungen erforderten, die einem onkologisch verantwortlichen Arzt nicht zugemutet werden könnten. Dies ergebe sich aus dem Grundsatzgutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 6 "Arzneimittelversorgung" der MDK-Gemeinschaft vom Juli 2005 ("Zubereitung von Monoklonaler Antikörper in Apotheken am Beispiel Trastuzumab und Rituximab") sowie aus den Ausführungen namhafter nationaler und internationaler Institutionen im Gutachten der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Vor dem Hintergrund dieser von der BGW selbst angeführten Quellen sei das dortige Fazit, dass von einer Toxizität ausgegangen werden müsse, solange deren Nichtvorhandensein nicht nachgewiesen sei, ebenso wie die Empfehlung der BGW, MAK als CMR-Stoffe (i.e. cancerogen - mutagen - reproduktionstoxisch) einzustufen, nur schwer nachzuvollziehen. Außerdem sei es lediglich beim Empfehlungscharakter verblieben, da MAK bis zum heutigen Tag nicht in der TRGS (Technische Regelung für Gefahrenstoffe) aufgenommen worden sei. Auch die Gutachter der Ludwig-Maximilian-Universität München hätten in ihrem pharmakologischen Gutachten vom 29.5.2012 gefolgert, dass eine tumorerzeugende Wirkung im Sinne einer klassischen Wirkung als Initiator nicht gegeben sei.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 4.12.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit erforderliche Kosten-Nutzen-Analyse könne nur vorgenommen werden, wenn es berücksichtigungsfähige Alternativen gebe; dies sei vorliegend jedoch zu verneinen. Vertragsärzte seien nicht verpflichtet, MAK sowie deren erforderliche Trägerlösung als solche zu verordnen, um daraus im Anschluss in ihren Praxisräumen eine applikationsfähige Lösung herzustellen; das "Herstellen" iS von § 4 Abs 14 AMG sei nicht von der vertragsärztlichen Versorgung iS des § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm § 28 SGB V umfasst. Auch das Gebrauchsfertigmachen eines Arzneimittels falle in den Pflichtenkreis des Apothekers, da auch dieses ein "Herstellen" iS von § 4 Abs 14 AMG sei. Das Herstellen der applikationsfähigen Lösung, bestehend aus den MAK und der Kochsalzlösung, stelle keine bloße Rekonstitution iS des § 4 Abs 31 AMG dar, da es sich nicht um einen einfachen Prozess handele, die applikationsfähige Infusionslösung aus zwei Arzneimitteln bestehe und diese in der Regel auch nicht anhand der Angaben aus der Packungsbeilage einfach zuzubereiten seien. Selbst wenn man von einer Rekonstitution ausgehe, handele es sich dabei ebenfalls um ein Herstellen iS von § 4 Abs 14 AMG.

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Zudem habe vorliegend die Wirtschaftlichkeit hinter dem höheren therapeutischen Nutzen bzw der Patientensicherheit zurückzustehen. Die Fachinformationen der Hersteller sähen bei den genannten MAK eine Herstellung der Infusionslösung durch ausgebildetes Personal unter aseptischen Bedingungen im Interesse der Patientensicherheit vor. Bei Patienten mit onkologischen Erkrankungen handele es sich in der Regel um solche mit geschwächtem Immunsystem, die daher besonders infektionsgefährdet seien. Im Übrigen seien bei der Fertigung applikationsfähiger Infusionslösungen mit MAK Standards einzuhalten, die ein Arbeiten unter aseptischen Bedingungen an einer Sicherheitswerkbank nach DIN 12980 verlangten. Hierüber bestehe Einigkeit zwischen der BGW sowie der Bundesapothekenkammer. Es dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekenverband in der "Hilfstaxe" für die Herstellung parenteraler Lösungen mit MAK in der Apotheke einen Zuschlag vereinbart hätten; hieraus lasse sich der Schluss ziehen, dass die Herstellung parenteraler Lösungen mit MAK grundsätzlich zum originären Aufgabenkreis der Apotheken gehöre.

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Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Der Gesetzgeber trenne zwischen der ärztlichen Behandlung und der Versorgung mit Arzneimitteln. Beide seien Teil der Krankenbehandlung, die Versorgung mit Arzneimitteln jedoch nicht Teil der ärztlichen Behandlung. Die Arzneimittelversorgung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erfolge gemäß § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V im Wege der Verordnung. Die Herstellung von Arzneimitteln, zu der auch die Zubereitung einer Infusionslösung gehöre, sei deshalb unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Teil der vertragsärztlichen Versorgung und könne vom Vertragsarzt im Rahmen seines Beitrags zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrags nicht verlangt werden. Dies gelte auch dann, wenn man von einer Rekonstitution iS von § 4 Abs 31 AMG ausginge, weil diese grundsätzlich dem Herstellungsbegriff des § 4 Abs 14 AMG unterfalle.

12

Die gemäß § 13 Abs 2b AMG zulässige Arzneimittelherstellung durch den Arzt stehe also nicht als obligatorische Leistungsalternative zur Verfügung und könne deshalb nicht als Vergleichsmaßstab für eine wirtschaftliche Versorgung dienen. Selbst wenn man die Zubereitung lediglich als unwesentlichen Teil-Herstellungsschritt ansehe, gelte nichts anderes, weil die in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringenden ärztlichen Leistungen abschließend im EBM-Ä geregelt seien. In der Leistungslegende der dort aufgenommenen GOP für Infusionen sei die patientenindividuelle Zubereitung von Krebs-Arzneimitteln in eine anwendbare Darreichungsform nicht aufgenommen worden. Auch in der Onkologie-Vereinbarung sei eine Zubereitung durch den Vertragsarzt nicht vorgesehen.

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Der Beigeladene zu 2. schließt sich, ohne einen Antrag zu stellen, den Ausführungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. an und weist ergänzend darauf hin, dass die Toxizität von MAK nicht durch das BGW-Gutachten in Frage gestellt werde. Auch verpflichteten die TRGS 525 in ihrer aktuellen Fassung die Ärzte bei Arzneimitteln, bei denen auch nur ein Verdacht auf CMR bestehe, dieselben Voraussetzungen wie bei CMR-Arzneimitteln einzuhalten.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet. Das LSG, das seine Entscheidung allein auf die - unzutreffende - Auffassung gestützt hat, dass das Gebrauchsfertigmachen von Arzneimitteln generell von der Leistungspflicht der Vertragsärzte nicht umfasst sei, weil hierzu allein die Verordnung, nicht aber die Herstellung von Arzneimitteln gehöre, wird erneut zu prüfen und zu entscheiden haben, ob der Beklagte verpflichtet ist, gegen den zu 2. beigeladenen Vertragsarzt einen Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungen im Einzelfall festzusetzen.

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Eine Verpflichtung des Beklagten, gegen den Beigeladenen zu 2. einen Regress festzusetzen, setzt voraus, dass jener gegen das ihn unmittelbar verpflichtende Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 12 Abs 1, 70 Abs 1 Satz 2 SGB V) verstoßen und damit unwirtschaftlich iS des § 106 Abs 1 SGB V gehandelt hätte, indem er die für die Behandlung von Versicherten der klagenden Krankenkasse benötigten MAK in Form von Rezepturen von der Apotheke angefordert hat, statt das Arzneimittel selbst gebrauchsfertig zu machen. Dies ist im Grundsatz nicht ausgeschlossen: Ein Vertragsarzt kann verpflichtet sein, Arzneimittel zur Anwendung an seinen Patienten selbst gebrauchsfertig zu machen, statt diese zur Anfertigung als Rezeptur durch eine Apotheke zu verordnen, weil dies regelmäßig kostengünstiger und damit (allein) wirtschaftlich ist (1.). Das Gebrauchsfertigmachen von Arzneimitteln ist - entgegen der Auffassung des LSG - auch nicht dem pharmazeutischen Bereich zuzuordnen, soweit es selbstverständlicher Bestandteil einer ärztlichen Behandlungsmaßnahme ist (2.). Die Festsetzung eines Regresses ist hier auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen (3.). Ob der Kläger hier verpflichtet war, MAK selbst gebrauchsfertig zu machen, vermag der Senat allerdings nicht abschließend zu beurteilen, weil das LSG hierzu nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen hat (4.).

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1. a. Rechtsgrundlage des von der Klägerin begehrten Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378, 404, die in den Quartalen II/2008 bis I/2009 galt). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren; diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 bis 14 mwN). Diese waren auch in § 16 der hier einschlägigen Prüfvereinbarung vorgesehen. Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und ihre Auswahl daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14).

17

b. § 106 Abs 1 SGB V verpflichtet die Krankenkassen und die KÄVen, die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen zu überwachen. Das Verfahren nach § 106 SGB V dient damit der Feststellung, ob die vertragsärztliche Versorgung in Bezug auf die Behandlungs- wie auch die Verordnungsweise den gesetzlichen Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots genügt. Der in § 106 Abs 1 SGB V verwendete Begriff der Wirtschaftlichkeit ist mit den in § 12 Abs 1 SGB V definierten, in § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V für die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern wiederholten und in § 72 Abs 2 SGB V für die Beziehungen der Krankenkassen zu Ärzten und Zahnärzten präzisierten Begriffen identisch. Nach § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (Satz 2 aaO). Nach § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V muss die Versorgung der Versicherten ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss wirtschaftlich erbracht werden. Der für die Prüfungsgremien maßgebende Begriff der Wirtschaftlichkeit trägt die anderen genannten Sachvoraussetzungen in sich (BSGE 17, 79, 84; BSGE 19, 123, 128 = SozR Nr 7 zu § 368n RVO, Bl Aa 10, 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 36).

18

Der Begriff der "Wirtschaftlichkeit" im engeren Sinne fordert, entsprechend dem Minimalprinzip (vgl BSGE 55, 277, 279 = SozR 2100 § 69 Nr 3 S 3)mit dem geringstmöglichen Aufwand die erforderliche - ausreichende und zweckmäßige - Leistung zu erbringen (s hierzu zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 37). Bezogen auf die Krankenversicherung bestimmt der Begriff - als Kernbestandteil des Wirtschaftlichkeitsgebots im engeren Sinne (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 44)- die Relation zwischen dem Kostenaufwand und dem Nutzen in Form des Heilerfolgs (vgl BSGE 52, 134, 139 = SozR 2200 § 182 Nr 76 S 147). Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit im Sinne des Minimalprinzips bedingt den Beleg, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (vgl zB BSGE 111, 146 = SozR 4-2500 § 35 Nr 6, RdNr 14; BSGE 113, 231 = SozR 4-2500 § 40 Nr 7, RdNr 16; BSG Urteil vom 7.5.2013 - B 1 KR 53/12 R - Juris RdNr 19 = USK 2013-67; BSGE 116, 138 = SozR 4-2500 § 12 Nr 4, RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 8 RdNr 26; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 37).

19

Entsprechend dem Minimalprinzip ist der Vertragsarzt bei zwei zur Behandlung einer bestimmten Gesundheitsstörung zur Verfügung stehenden, medizinisch gleichwertigen Therapieansätzen im Regelfall verpflichtet, den kostengünstigeren zu wählen (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 44; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 38; vgl auch BSG Beschluss vom 31.5.2006 - B 6 KA 68/05 B - Juris RdNr 11; ebenso zB Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 01/00, § 12 RdNr 23; Roters in Kasseler Kommentar, 2016, § 12 SGB V RdNr 41). Das Minimalprinzip ist grundsätzlich auch im Verhältnis zweier therapeutisch gleichwertiger, aber unterschiedlich teurer Arzneimittel zu beachten (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 38 unter Bezugnahme auf LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 28.10.2009 - L 7 KA 131/06 - Juris RdNr 52; in diesem Sinne auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 44; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 28; BSGE 111, 146 = SozR 4-2500 § 35 Nr 6 RdNr 14).

20

Die Verpflichtung des Vertragsarztes zu wirtschaftlichem Handeln gilt für jedwede ärztliche Tätigkeit (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 39 mwN). Das Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet den Vertragsarzt, umfassend - also in jedem Teilbereich - wirtschaftlich zu handeln (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 39 mwN). Dies folgt aus dem umfassenden Geltungsanspruch des Wirtschaftlichkeitsgebots (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 39 unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 34).

21

Ein Arzt hat das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Verordnung von Arzneimitteln nicht allein in Bezug auf die Auswahl des Arzneimittels zu beachten, sondern auch dann, wenn er vor der Entscheidung steht, ob er ein Arzneimittel selbst zur Anwendung an seinem Patienten gebrauchsfertig macht oder hiermit eine Apotheke beauftragt. § 12 Abs 1 Satz 2 SGB V bestimmt, dass Leistungserbringer Leistungen, die unwirtschaftlich sind, nicht "bewirken" dürfen. Der Begriff des "Bewirkens" umfasst nicht allein das "Veranlassen" - dh das Verordnen - einer Leistung, sondern auch das "Zustandebringen", also jede andere Form der Einwirkung des Vertragsarztes auf das wirtschaftliche Ergebnis.

22

Aus welchem Grund sich die Leistung im Ergebnis als unwirtschaftlich darstellt, spielt daher keine Rolle. Es gilt vielmehr auch hier der Grundsatz, dass dann, wenn "Leistungen" als gleichwertig anzusehen sind, weil sie voraussichtlich mit gleicher Wahrscheinlichkeit den gleichen Behandlungserfolg bringen werden, die kostengünstigere zu wählen ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 40 unter Hinweis auf Roters in Kasseler Kommentar, § 12 SGB V RdNr 42). Eine "Gleichwertigkeit" liegt erst recht dann vor, wenn es sich um identische Arzneimittel handelt und lediglich deren Gebrauchsfertigmachung in zulässiger Weise durch unterschiedliche Personen erfolgt.

23

2. Entgegen der Auffassung des LSG ist eine Gebrauchsfertigmachung von Arzneimitteln durch den Vertragsarzt zur Anwendung an seinen Patienten auch nicht ausschließlich dem pharmazeutischen Bereich zuzuordnen, sondern dieser Vorgang ist grundsätzlich von der vertragsärztlichen Leistungspflicht eines Vertragsarztes mit umfasst, wenn er als notwendige Vorbereitungshandlung Teil der ärztlichen Behandlung ist (a.). Auch arzneimittelrechtlich wird die Gebrauchsfertigmachung dem Vertragsarzt nicht nur erlaubt, sondern es wird durch generelle Ausnahmeregelungen im AMG anerkannt, dass diese Tätigkeit regelmäßiger Bestandteil der ärztlichen Behandlung ist (b.).

24

a. Ein Vertragsarzt kann - grundsätzlich - Kraft seines Versorgungsauftrags verpflichtet sein, ein Fertigarzneimittel zur Anwendung an seinen Patienten gebrauchsfertig zu machen, weil das Gebrauchtfertigmachen eines Arzneimittels im Sinne einer patientengerechten Zubereitung desselben als notwendige Vorbereitungshandlung zur ärztlichen Behandlung gehört und damit selbstverständlicher Teil der vom Vertragsarzt zu erbringenden ärztlichen Leistungen ist.

25

Nach § 95 Abs 3 Satz 1 SGB V bewirkt die Zulassung, dass der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung "im Umfang seines aus der Zulassung folgenden … Versorgungsauftrages" verpflichtet ist. Der Umfang des Versorgungsauftrags entspricht im Grundsatz dem Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung: Diese umfasst nach § 73 Abs 2 Satz 1 SGB V - soweit vorliegend relevant - die ärztliche Behandlung (Nr 1) und die Verordnung von Arzneimitteln (Nr 7) und entspricht damit wiederum inhaltlich dem in § 27 Abs 1 Satz 2 SGB V definierten Umfang der "Krankenbehandlung". Die Frage, ob ein Arzt ein Medikament selbst gebrauchsfertig machen muss, betrifft nicht die Verordnung, sondern die "Anwendung" des Medikaments, fällt also unter den Begriff "ärztliche Behandlung". Nach § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist.

26

Teil der eigentlichen ärztlichen Behandlung sind auch notwendige Vorbereitungshandlungen (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 17; Ulmer in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 27 RdNr 30). So hat das BSG (aaO) zB das Einfrieren und die Lagerung von Eierstockgewebe als Teilausschnitt der Gesamtbehandlung bezeichnet; es handele sich um eine unselbstständige Vorbereitungshandlung der späteren (eigentlichen) ärztlichen Krankenbehandlung. Dies fortführend gilt für eine ärztliche Behandlung, deren Inhalt die Gabe von Infusionen ist, dass nicht nur das Legen des Zugangs oder das Einfüllen der Infusionslösung notwendiger Teil der Behandlung ist, sondern auch das vorhergehende Zubereiten der Infusionslösung, weil es sich als notwendige Vorbereitungshandlung zur eigentlichen Krankenbehandlung darstellt.

27

Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass ein Vertragsarzt - grundsätzlich - nicht beliebig auswählen kann, welche vertragsärztlichen Leistungen er erbringen will. Danach hat die Zulassung des Vertragsarztes zur Folge, dass er alle wesentlichen Leistungen des Fachgebiets auch tatsächlich anbieten und erbringen muss (BSGE 88, 20, 25 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 71). Abweichungen hiervon können sich aus einer zulässigen Spezialisierung der ärztlichen Tätigkeit ergeben. Hingegen ist ein Vertragsarzt nicht berechtigt, sein Leistungsspektrum aus sachfremden - namentlich finanziellen - Erwägungen zu beschränken, weil er mit der Zulassung die Pflicht übernimmt, die Versorgung der Versicherten im Rahmen seines Versorgungsauftrags sicherzustellen (vgl BSGE 88, 20, 26 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 72). Dies gilt erst recht für die Verweigerung einzelner - vom Arzt als "unattraktiv" angesehener - Teilschritte der ärztlichen Behandlung.

28

b. Eine Zuordnung des Gebrauchsfertigmachens eines Arzneimittels zur ärztlichen Behandlung scheidet nicht deswegen aus, weil - wie das LSG meint - diese Tätigkeit allein dem Tätigkeitsbereich der Apotheken zugeordnet sei. Das LSG hat seine Entscheidung damit begründet, dass es sich beim Gebrauchsfertigmachen um die "Herstellung" eines Arzneimittels im Sinne des AMG handele, welches nicht von der vertragsärztlichen Leistungspflicht umfasst sei, weil hierzu allein die Verordnung, nicht aber die Herstellung von Arzneimitteln gehöre. Diese Auffassung trifft so nicht zu. Zwar ist nach der weiten Begriffsdefinition des AMG jede Form der patientengerechten Zubereitung eines Arzneimittels - auch das Einbringen von MAK in eine Kochsalzlösung - als "Herstellung" von Arzneimitteln anzusehen (aa.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Handlung damit ausschließlich dem Apotheker zugeordnet und zugleich aus dem Bereich der ärztlichen Behandlung ausgegrenzt ist (bb.).

29

aa. Nach § 13 Abs 1 Satz 1 AMG bedarf derjenige einer Erlaubnis der zuständigen Behörde im Sinne eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt(Kügel in Kügel/Müller/Hofmann, AMG-Kommentar, 2012, § 13 RdNr 1), der ua Arzneimittel "herstellen" will. Der Begriff des "Herstellens" wird in § 4 Abs 14 AMG ("Sonstige Begriffsbestimmungen") definiert; danach ist "Herstellen" das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe. Bezogen auf § 4 Abs 14 AMG ist allgemein anerkannt, dass das Gesetz von einem weiten Begriff des Herstellens ausgeht(BVerwG Urteil vom 3.3.2011 - 3 C 8/10 - Juris RdNr 16 = USK 2011-56 = Buchholz 418.32 AMG Nr 60; BGH Urteil vom 4.9.2012 - 1 StR 534/11 - Juris RdNr 24 mwN = BGHSt 57, 312). Dies entspricht dem Schutzzweck des Gesetzes, die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, indem der Verkehr von Arzneimitteln besonderen Anforderungen unterworfen wird (BVerwG aaO); es soll sichergestellt werden, dass die nach dem AMG vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen, insbesondere die Überwachung der an der Arzneimittelherstellung beteiligten Personen lückenlos bleibt (BGH aaO). Somit ist auch die patientengerechte "Zubereitung" bzw "Gebrauchsfertigmachung" eines Fertigarzneimittels unter den Begriff des "Herstellens" im Sinne des AMG zu subsumieren.

30

bb. Der weite Herstellungsbegriff hat jedoch nicht zur Folge, dass Vertragsärzte damit generell den Regelungen des AMG - insbesondere dem Erfordernis einer Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs 1 AMG - unterworfen sind, wenn sie lediglich Arzneimittel zur Anwendung an ihren Patienten gebrauchsfertig machen. Erst recht führt die Subsumierung der patientengerechten Zubereitung eines Arzneimittels durch einen Arzt unter den Begriff der "Herstellung" nicht dazu, dass dieser Vorgang allein dem Apotheker oder pharmazeutischen Unternehmer zugeordnet vorbehalten wäre.

31

(1) Dem steht bereits entgegen, dass in dem - vorliegend für die Beurteilung der Rechtslage maßgeblichen - Verordnungszeitraum (II/2008 bis I/2009) das AMG ausdrücklich keine Anwendung auf Arzneimittel fand, die ein Arzt ausschließlich zu dem Zweck "herstellte", um diese unter seiner unmittelbaren fachlichen Verantwortung am Patienten anzuwenden (§ 4a Satz 1 Nr 3 AMG aF). Diese Regelung geht auf das Urteil des BVerfG vom 16.2.2000 (BVerfGE 102, 26 ff) zurück, wonach der Gesetzgeber - nach damaligem Rechtszustand - zur Regelung der Herstellung von Arzneimitteln nur berechtigt war, soweit diese dazu bestimmt waren, in den Verkehr gebracht zu werden; Arzneimittel, die der Arzt herstellte und selbst anwendete, unterfielen der Regelungskompetenz somit nicht. Dies wurde durch die Nr 3 aaO nachfolgend ausdrücklich klargestellt (Rehmann, AMG, 3. Aufl 2008, § 4a RdNr 4).

32

(2) Im Übrigen geht das AMG zwar von einem sehr weiten, selbst das Auflösen einer Arzneimittel-Brausetablette durch Patienten einbeziehenden (so Koyuncu in Deutsch/Lippert, AMG, 3. Aufl 2011, § 4 RdNr 117), Begriff der "Herstellung" aus, nimmt jedoch - sowohl in der seinerzeit maßgeblichen als auch in der aktuellen Fassung - die patientengerechte Zubereitung von Arzneimitteln zur unmittelbaren Anwendung durch den Arzt generell von der ansonsten zwingend erforderlichen Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs 1 AMG aus:

33

(a) Nach § 13 Abs 1 AMG aF bedurfte es einer Herstellungserlaubnis nur dann, wenn die Herstellung "zur Abgabe an andere" erfolgte. Eine Abgabe an Andere im Sinne des Satzes 1 aaO lag vor, wenn die Person, die das Arzneimittel herstellte, eine andere war als die, die es anwendete (§ 13 Abs 1 Satz 3 AMG aF). Eine Abgabe setzte die Einräumung der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch körperliche Überlassung des Arzneimittels voraus, bedeutete also einen Wechsel in der Verfügungsmacht (ganz hM, vgl die Nachweise im Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29.4.1998 - 4St RR 12/98 - Juris RdNr 10 = NJW 1998, 3430 ff; Hartl, Die Herstellung von Infusionslösungen durch Arzt und medizinisches Hilfspersonal - Arzneimittelrechtliche Überlegungen zur Zulässigkeit, PharmaRecht 1986, S 97, 98; Rehmann aaO). Im Falle einer unmittelbaren Anwendung erhält der empfangende Patient jedoch keine Verfügungsmacht über das Arzneimittel (Hartl aaO mwN). Der Arzt, der Arzneimittel selbst herstellt und diese ausschließlich in seiner Praxis selbst anwendet, stellt diese daher nicht zur Abgabe an Andere her (Rehmann aaO). Dies galt gleichermaßen für die "Herstellung" einer Infusionslösung durch den Arzt zur Anwendung am eigenen Patienten (so ausdrücklich Hartl aaO).

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(b) Auch nach der neuen, durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) mit Wirkung zum 23.7.2009 geänderten, Rechtslage bestehen explizite, zubereitungs- wie auch personenbezogene Ausnahmen von der Erlaubnispflicht. Zwar ist in § 13 Abs 1 Satz 1 AMG nF die einschränkende Wendung "zum Zwecke der Abgabe an andere" entfallen. Zur Kompensation der Erweiterung der Erlaubnispflicht auf jede Herstellung unabhängig von einer "Abgabe" werden zahlreiche handlungs- bzw personenbezogene Ausnahmen von der Erlaubnispflicht normiert, nämlich zum einen für die "Herstellung" von Arzneimitteln durch Ärzte zur Anwendung am eigenen Patienten, zum anderen für "Rekonstruktionen":

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So ist eine Erlaubnis nach § 13 Abs 1 AMG nF dann entbehrlich, wenn die "Herstellung" durch eine Person erfolgt, die Arzt ist, soweit die Arzneimittel unter ihrer unmittelbaren fachlichen Verantwortung zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten hergestellt werden(§ 13 Abs 2b Satz 1 AMG nF). Diese Regelung entspricht (inhaltlich) der in § 4a Satz 1 Nr 3 AMG aF enthaltenen Regelung(Rehmann, AMG, 4. Aufl 2014, § 13 RdNr 13). Damit bleibt es dabei, dass ein Arzt ohne Herstellungserlaubnis Arzneimittel für die eigenen Patienten herstellen darf (so Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, BT-Drucks 16/12256 S 45; ebenso der Ausschussbericht, BT-Drucks 16/13428 S 84 zu § 13).

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Zudem bestimmt § 13 Abs 1a Nr 4 AMG nF, dass § 13 Abs 1 AMG im Falle einer "Rekonstitution" keine Anwendung findet, soweit es sich nicht um Arzneimittel handelt, die zur klinischen Prüfung bestimmt sind. Der Begriff der "Rekonstitution" eines Fertigarzneimittels zur Anwendung beim Menschen ist in § 4 Abs 31 Halbsatz 1 AMG definiert als "die Überführung in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor seiner Anwendung gemäß den Angaben der Packungsbeilage". Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/12256 S 42) ist unter Rekonstitution ein einfacher Prozess zu verstehen (aA Pannenbecker/Kügel in Kügel/Müller/Hofmann, AMG 2012, § 4 RdNr 212: Eine derartige Beschränkung lasse sich der Definition nicht entnehmen), zB das Auflösen eines Arzneimittels, das Verdünnen für die bestimmten Patienten oder das Mischen mit einem für die Anwendung geeigneten Hilfsstoff, der so kurz wie möglich vor der Anwendung hinzugefügt wird und in Übereinstimmung mit der Packungsbeilage stehen muss; das Arzneimittel darf zudem nicht erst durch die Rekonstitution - zum Beispiel aus einem Wirkstoff oder durch Mischen verschiedener Arzneimittel - hergestellt werden. Zwar gilt auch die Rekonstitution als "Herstellung" (BT-Drucks aaO), jedoch entfällt in diesen Fällen das Erfordernis einer Herstellungserlaubnis ebenso wie eine Überwachung "des Betriebes" (§ 64 Abs 1 Satz 1 AMG) und die Anzeigepflicht nach § 67 AMG(§ 67 Abs 1 Satz 1 AMG).

37

Welche Handlungen unter den Begriff der "Rekonstitution" zu subsumieren sind, ist nicht abschließend geklärt. Allerdings dürfte viel dafür sprechen, dass jedenfalls das bloße Anrühren eines pulverförmigen Arzneimittels oder dessen Verdünnung mit Wasser oder Kochsalzlösung den Begriffsinhalt erfüllt. So wird im Schrifttum etwa das Auflösen einer Arzneimittel-Brausetablette oder die Verflüssigung der Antibiotika-Trockensubstanz zur anschließenden Einnahme als Beispiel für eine "Rekonstitution" genannt (Koyuncu in Deutsch/Lippert, AMG, 3. Aufl 2011, § 4 RdNr 117 mwN). Für onkologische Zytostatika-Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln wird hingegen das Vorliegen einer "Rekonstitution" verneint, weil es sich dabei nicht um einen einfachen Prozess handelt und die Zytostatika in der Regel auch nicht anhand der Angaben auf der Packungsbeilage zuzubereiten sind (so Koyuncu aaO RdNr 118 unter Hinweis auf Dettling/Kieser/Ulshöfer in PharmR 2009, 546 ff; einschränkend auch OVG Berlin-Brandenburg Urteil vom 16.10.2014 - OVG 5 B 2.12 - Juris RdNr 37). Letztlich braucht der Senat aber nicht abschließend zu entscheiden, ob auch die gebrauchsfertige Zubereitung von MAK als "Restitution" anzusehen ist, weil auch die Verneinung einer "Rekonstitution" nichts an dem Grundsatz ändern würde, dass die Zubereitung eines Fertigarzneimittels durch den Arzt zum Zwecke der persönlichen Anwendung an einem bestimmten Patienten keine Herstellererlaubnis erfordert.

38

(c) Mit diesen Ausnahmen wollte der Gesetzgeber erkennbar dem Umstand Rechnung tragen, dass er mit der sehr weiten Fassung des Begriffs der "Herstellung" im Sinne des Arzneimittelrechts zugleich Teile der klassischen ärztlichen Tätigkeit dem AMG unterworfen hat. Mit den dargestellten generellen Ausnahmen berücksichtigt das AMG, dass die patientengerechte Gebrauchsfertigmachung von Arzneimitteln in einer Vielzahl von Fällen selbstverständlicher Bestandteil ärztlichen Handelns ist, sei es bei der Herstellung von Infusionslösungen aller Art oder etwa bei der Dosierung von Narkosemitteln. Trotz des weiten Herstellungsbegriffes verschiebt das AMG den Handlungsbereich des Pharmazeuten daher nicht zu Lasten der Ärzte, sondern räumt diesen in Bezug auf die Anwendung von Arzneimitteln am Patienten einen Freiraum ein, in dem eine "Herstellung" von Arzneimitteln durch Ärzte nicht nur zugelassen ist, sondern vorausgesetzt wird. Daher taugt der Umstand, dass auch die "Zubereitung" von Arzneimitteln ansonsten als "Herstellung" gilt, insoweit nicht für eine Abgrenzung der ärztlichen von der pharmazeutischen Tätigkeit.

39

c. Eine ausschließliche Zuordnung des Vorgangs der patientengerechten Zubereitung eines Arzneimittels zu den pharmazeutischen Tätigkeiten statt zur ärztlichen Behandlung ist auch nicht aus anderen Gründen gesetzlich vorgegeben oder implizit vorausgesetzt:

40

aa. Der Umstand, dass die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) Zuschläge für "Zubereitungen aus Stoffen" vorsieht und auch Zuschläge für parenterale Lösungen mit MAK bestimmt (vgl § 5 Abs 6 Nr 2 AMPreisV), ist ebenso wie die Tatsache, dass die Spitzenorganisationen entsprechende Vereinbarungen getroffen haben, nicht geeignet, eine Exklusivität der Apotheker hinsichtlich der Zubereitung zu belegen, weil derartige Regelungen auch dann erforderlich bzw zumindest sinnvoll sind, wenn die Zubereitung jedenfalls auch durch Apotheken erfolgt. Nichts anderes gilt für den Gesichtspunkt, dass in der "Onkologie-Vereinbarung" ("Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung krebskranker Patienten" - Anlage 7 zum BMV-Ä) die Vorschrift über die bei der Zubereitung der zur parenteralen Tumortherapie benötigten Wirkstoffe zu beachtenden Voraussetzungen mit den Worten "Soweit die Zubereitung ... in der Praxis des Arztes stattfindet …" eingeleitet wird (§ 5 Abs 1 Punkt 5).

41

bb. Auch aus dem Umstand, dass der EBM-Ä für die patientenbezogene "Zubereitung" eines Arzneimittels keine gesonderte GOP vorsieht, lässt sich kein durchgreifender Beleg dafür entnehmen, dass diese Tätigkeit nicht zur ärztlichen Behandlung gehört. Zwar ist zutreffend, dass der einheitliche Bewertungsmaßstab als Verzeichnis der abrechnungsfähigen Leistungen den gesetzlichen Leistungsrahmen der ärztlichen Behandlung nach den §§ 27, 28 SGB V sowie nach § 73 Abs 2 SGB V ausfüllt. Dass der Bewertungsmaßstab eine abschließende Regelung der Leistungen darstellt, die Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind (vgl zB BSGE 81, 86, 92 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 87 f), bedeutet jedoch nicht, dass damit jede einzelne ärztliche (Teil-)Leistung in diesem aufgeführt sein muss, um als ärztliche Behandlung angesehen zu werden. So mag man darin, dass eine ärztliche Tätigkeit in der "Gebührenordnung" aufgeführt ist, ein Indiz für das Vorliegen einer ärztlichen Tätigkeit sehen (so Fahlbusch in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 28 RdNr 23), weil diese die allgemeine Auffassung der Ärzteschaft darüber widerspiegeln, was zur ärztlichen Tätigkeit gehört (Fahlbusch aaO unter Hinweis auf BSGE 23, 176, 180). Aus dem Fehlen expliziter GOPen kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass eine Leistung nicht Teil der ärztlichen Behandlung ist.

42

Dem steht schon der Umstand entgegen, dass die ärztlichen Leistungen nach den gesetzlichen Vorgaben vorrangig als Pauschalen oder Leistungskomplexe abgebildet werden sollen, während Einzelleistungen eher die Ausnahme bilden (vgl § 87 Abs 2b Satz 1 und Abs 2c Satz 1 SGB V). Hinzu kommt, dass nicht alle Teilschritte einer ärztlichen Behandlung im Bewertungsmaßstab mit gesonderten GOPen aufgeführt sind. So bestimmt zB die GOP für Infusionen (Nr 02100 EBM-Ä) als obligaten Leistungsinhalt allein die Durchführung der Infusion (differenziert nach Art des "Zugangs"); nichts anderes gilt für die spezifischere Infusionstherapie mit Zytostatika nach der Nr 02101 EBM-Ä. Für die Behandlung mit MAK ist nach den Hinweisen zu den Zusatzpauschalen für Beobachtung und Betreuung nur die GOP Nr 01510 EBM-Ä, in begründeten Ausnahmefällen die Nr 01511 EBM-Ä berechnungsfähig. Diese GOP nennen - neben der Beobachtung und Betreuung - als fakultativen Leistungsinhalt ebenfalls nur "Infusionen". Da aber jede Infusion einige Vorbereitungshandlungen voraussetzt, nämlich zumindest das Legen eines Zugang und die Bereitstellung der Infusionslösung nebst der Öffnung des Transportbehältnisses bzw deren gesonderte Zubereitung unmittelbar vor der Anwendung, liegt es auf der Hand, dass diese Handlungen mit abgegolten sind.

43

3. Wenn danach ein Vertragsarzt grundsätzlich gehalten ist, ein für die Behandlung seines Patienten benötigtes Medikament als Fertigarzneimittel zu verordnen und selbst für die Anwendung aufzubereiten, müssen die Prüfgremien auf die mit der Verordnung einer Rezeptur verbundenen Mehrkosten mit einem Regress reagieren. Ein solcher ist weder ausgeschlossen, weil das vertragsärztliche Verordnungsverhalten vorrangig nach Richtgrößen geprüft wird (a.), noch, weil eine Regressverpflichtung im Verordnungsbereich regelmäßig eine normative Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots voraussetzt (b.).

44

a. Dass die Prüfung der Verordnungsweise nach den gesetzlichen Vorgaben (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm Abs 5a SGB V) vorrangig im Wege der Richtgrößenprüfung erfolgt, steht einer Einzelfallprüfung hier nicht entgegen, weil die Verordnung von MAK gemäß Nr 4 iVm Anl 2 Nr 2b der hier maßgeblichen "Richtgrößenvereinbarung ab 01.01.2008 (§ 84 Abs. 6 SGB V) im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns" nicht der Richtgrößenprüfung unterliegt(s hierzu auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 45 f).

45

b. Dem Begehren der Klägerin, die Handlungsweise des Beigeladenen zu 2. zum Anlass für Prüfmaßnahmen zu nehmen, steht - jedenfalls im Grundsatz - auch nicht entgegen, dass eine Verpflichtung des Vertragsarztes, Medikamente zur Anwendung an seinen Patienten selbst gebrauchsfertig zu machen, nicht ausdrücklich normiert ist, und es nach der Rechtsprechung des Senats nur in besonders gelagerten Konstellationen möglich ist, unmittelbar aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V konkrete, im Falle der Nichtbeachtung einen Regress auslösende Vorgaben für die ärztliche Behandlung eines Patienten im Einzelfall abzuleiten(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 44).

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aa. Zwar bedarf es - namentlich im Verordnungsbereich - im Regelfall näherer normativer Konkretisierungen des in § 12 Abs 1 SGB V abstrakt formulierten Wirtschaftlichkeitsgebots, an denen der Arzt seine Behandlungsweise ausrichten kann(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 47). Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) gemäß § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V gehalten ist, eine Richtlinie für die Verordnung von Arzneimitteln zu beschließen, welche den in § 92 Abs 2 SGB V niedergelegten detaillierten Vorgaben genügen müssen; hierzu gehören auch Regelungen, die dem Vertragsarzt eine Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit einer Verordnung ermöglichen. Weiterhin muss der Arzt davor geschützt sein, dass eine nicht offensichtlich regelwidrige Behandlungsweise im Nachhinein auf der Grundlage ganz allgemeiner Erwägungen zu wirtschaftlichen Alternativen als fehlerhaft bewertet wird (BSG aaO). Andererseits schließt das aber nicht aus, dass der Arzt im Verordnungsbereich in besonderen Konstellationen auch ohne entsprechende Konkretisierungen zur unmittelbaren Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet ist und aus dessen Nichtbeachtung Folgerungen gezogen werden dürfen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 48). Denn der GBA ist weder verpflichtet ("soll") noch in der Lage, für jede der im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung denkbaren Fallgestaltungen Regelungen aufzustellen. Mithin kann ein Vertragsarzt - insbesondere bei bestehenden rechtskonformen Handlungsalternativen, die mit unterschiedlich hohen Kosten verbunden sind - auch ohne entsprechende Konkretisierung durch die Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) verpflichtet sein, sich für die wirtschaftlichere Variante zu entscheiden (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 48).

47

bb. Dass die AM-RL keine ausdrückliche Verpflichtung der Vertragsärzte enthält, Arzneimittel selbst gebrauchsfertig zu machen, belegt nicht, dass ein Verzicht auf die Nutzung dieser Handlungsmöglichkeit als wirtschaftlich anzusehen bzw zumindest folgenlos hinzunehmen wäre, weil nach den vorstehend dargestellten Maßstäben eine den unmittelbaren Rückgriff auf § 12 Abs 1 SGB V erlaubende "besondere Konstellation" auch vorliegend dem Grunde nach gegeben ist:

48

Die patientengerechte "Zubereitung" von Arzneimitteln zur unmittelbaren Anwendung am Patienten in der Arztpraxis kann - wie bereits (unter 2.a.) ausgeführt - regelmäßiger Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit sein; die Gebrauchsfertigmachung erfolgt üblicherweise durch den Arzt selbst oder im Wege der Delegation durch das Fachpersonal der Praxis. Dies betrifft zB die von der Klägerin angeführten Beispiele, wie etwa die Zubereitung parenteral zu verabreichender Arzneimittel, die nicht direkt anwendungsfertig in Fertigspritzen oder vorgefüllten Applikatoren vorliegen, oder die Gebrauchsfertigmachung des Anästhetikums Propofol. Ein weiteres Beispiel sind Cortison-Präparate zur Anwendung bei allergischen Akutereignissen, bei welchen das Fertigarzneimittel aus Trägersubstanz und Lösungsmittel besteht, die zwecks längerer Haltbarkeit kurz vor der Applikation zusammengemischt werden müssen (so Ufer, ZMGR 2010, 346, 349). Bei diesen Fallgestaltungen ergibt sich die "besondere Konstellation" daraus, dass es sich - jedenfalls im Regelfall - um eine Selbstverständlichkeit handelt, dass ein Vertragsarzt ein Arzneimittel, das er für die Behandlung seiner Patienten benötigt, selbst gebrauchsfertig macht. In derartigen Fällen wäre es geradezu abwegig, als rechtliche Grundlage für die Festsetzung eines Regresses als Reaktion auf ein abweichendes Vorgehen entsprechende explizite Vorgaben in der AM-RL zu verlangen.

49

Eine auf der Üblichkeit des Gebrauchsfertigmachens durch den Arzt beruhende "besondere Konstellation" wäre nur dann zu verneinen, wenn die konkret in Rede stehende Handlung aufgrund von Besonderheiten, die sich aus der Eigenart des Arzneimittels bzw seiner Verarbeitung und/oder der behandelten Patienten ergeben, gerade nicht zu den üblicherweise in der Arztpraxis durchgeführten Tätigkeiten gehört. Die Rechtmäßigkeit eines Regresses hängt demnach (auch) davon ab, dass festgestellt wird, dass auch in Bezug auf MAK die Herstellung einer Infusionslösung zur unmittelbaren Anwendung am Patienten als selbstverständlicher, weil üblicher Teil der ärztlichen Behandlung anzusehen ist, und der Vertragsarzt keine berechtigten Einwände geltend machen kann, die einer durch ihn in der Arztpraxis vorgenommenen Zubereitung entgegenstehen (s 4.). Hierzu hat das LSG keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

50

4. In begründeten Ausnahmefällen kann es aus Sachgründen - insbesondere wegen der Eigenart des zuzubereitenden Arzneimittels - geboten sein, die Zubereitung nicht in der Arztpraxis, sondern in einer Apotheke durchzuführen. Wäre dies der Fall, entfiele die Verpflichtung des Vertragsarztes, das Medikament selbst gebrauchsfertig zu machen, und damit zugleich die entsprechende Handlungsalternative, deren Bestehen Voraussetzung für die Feststellung des unwirtschaftlichen Handelns bei Anforderung der fertigen Mischung als Rezeptur von der Apotheke ist; zugleich fehlte es dann an einer "besonderen Konstellation" im (unter 3.) dargestellten Sinne. Die Feststellung, dass dem Vertragsarzt die Zubereitung von Arzneimitteln in seiner Praxis zugemutet werden kann und er daher unwirtschaftlich handelt, wenn er diese durch die Apotheke vornehmen lässt, ist nur gerechtfertigt, wenn die an die Zubereitung zu stellenden Anforderungen nicht über das Maß hinausgehen, das von jedem Vertragsarzt erwartet werden kann.

51

Es steht außer Frage, dass dann, wenn ein Gebrauchsfertigmachen eines Arzneimittels besonderer Vorkehrungen bedarf, diese aber vor Ort nicht sichergestellt werden können und müssen, eine Zubereitung in der Arztpraxis schon aus diesem Grunde ausscheidet. Entsprechendes gilt auch dann, wenn die patientengerechte Gebrauchsfertigmachung eines Arzneimittels im Übrigen - insbesondere wegen des hiermit verbundenen zeitlichen Aufwands - besondere Anforderungen an die Arztpraxis stellen würde, die dieser nicht zumutbar sind. Die für die Zubereitung des Arzneimittels erforderlichen besonderen Vorkehrungen müssen daher über das allgemein in Arztpraxen Übliche - bei spezialisierten Praxen über das in vergleichbaren Praxen Übliche - hinausgehen. Es muss sich unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit um Vorkehrungen handeln, die zwar von einem Arzt nach eigenem Ermessen getroffen werden könnten, zu denen er aber - auch unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots - nicht verpflichtet ist. Auch der mit der Zubereitung verbundene zeitliche oder logistische Aufwand muss deutlich über den üblicherweise mit der Gebrauchsfertigmachung von Arzneimitteln verbundenen Aufwand hinausgehen, um die Unzumutbarkeit einer Zubereitung in der Arztpraxis zu begründen; insoweit können die auf Spitzenverbandsebene vereinbarten bzw die in der AMPreisV genannten Apothekenzuschläge für Zubereitungen einen Anhalt geben.

52

Umstände, die die bei der Zubereitung zu beachtenden Standards und (Schutz-)Maßnahmen mitbestimmen, ergeben sich primär aus den Eigenheiten des verwendeten Arzneimittels; sie können aber auch aus dem Patientengut, bei denen die Zubereitung zur Anwendung gelangt, herrühren:

53

Es steht außer Frage, dass ein Arzt grundsätzlich weder verpflichtet ist, in seiner Praxis überhaupt CMR-Stoffe - dh solche, die krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend und fruchtschädigend sind - zu verarbeiten, noch die hierzu zum Schutz des Personals sowie zum Eigenschutz erforderlichen baulichen bzw technischen Bedingungen zu schaffen. Etwas anderes gilt dann, wenn die Fachrichtung - wie zB bei Radiologen - den Umgang mit diesen Stoffen erfordert, sodass die damit verbundenen Vorkehrungen selbstverständliche Voraussetzung der ärztlichen Tätigkeit sind; dem gleichgestellt ist eine besondere, den Umgang mit CMR-Stoffen erfordernde Ausrichtung der Praxis, wenn der Vertragsarzt in seiner Praxis die hierfür erforderlichen Vorkehrungen tatsächlich getroffen hat. So haben Zytostatika-Zubereitungen nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln des Arzneibuches in sogenannten "Zytostatika-Werkbänken", also in Sicherheitsboxen unter Reinraumbedingungen, zu erfolgen (Ufer in ZMGR 2010, 346, 348). Ob dies gleichermaßen auch für MAK-Zubereitungen gilt, vermag der Senat nicht zu beurteilen, weil das LSG Feststellungen dazu, ob MAK-Stoffe toxische Wirkungen auf die "Anwender" haben - also auf Personen, die mit diesen umgehen (Arzt, Praxispersonal) -, nicht getroffen hat.

54

Ob sich zudem (allein) aus den besonderen gesundheitlichen Situationen der in einer onkologischen Praxis behandelten Patienten Umstände ergeben, die eine Zubereitung in einer Apotheke erfordern, vermag der Senat mangels entsprechender Feststellungen des LSG ebenfalls nicht abschließend zu beurteilen. Der bloße Umstand, dass bei der Zubereitung einer Infusionslösung "aseptisch" gearbeitet werden muss, genügt nicht, weil dies in jeder Arztpraxis sichergestellt werden muss. Ganz gleich, ob in der Arztpraxis zB eine Infusionslösung zubereitet wird, eine Blutabnahme erfolgt, eine Impfung verabreicht wird oder eine Magenspiegelung erfolgt, muss sichergestellt sein, dass Infektionen durch die verwendeten Gerätschaften, das ärztliche bzw nichtärztliche Personal und die Raumluft verhindert werden. Nicht zu folgen ist auch der Auffassung des SG Berlin (Urteil vom 27.4.2011 - S 71 KA 93/11 WA - Juris RdNr 31), dass es schon zur Vermeidung von Medikationsfehlern und damit (allgemein) zur Patientensicherheit erforderlich ist, die patientenindividuelle Herstellung aller im Rahmen einer onkologischen Therapie eingesetzten parenteralen Zubereitungen durch eine Apotheke durchführen zu lassen. Zwar mag es sein, dass die Dosierung von MAK eine besondere Sorgfalt erfordert, doch ist eine solche zB auch bei der Dosierung von Propofol (etwa bei einer Magenspiegelung) geboten.

55

Ansonsten wird einerseits zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei den Patienten mit onkologischen Erkrankungen in aller Regel um solche mit einem besonders geschwächten Immunsystem handelt und diese mithin besonders infektionsgefährdet sind (s auch SG Berlin aaO RdNr 32). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass MAK regelmäßig in spezialisierten onkologischen (Schwerpunkt-)Praxen zur Anwendung gelangen, in denen ohnehin Rücksicht auf die besondere Infektionsgefährdung der Patienten zu nehmen ist. So bestimmt § 5 der Onkologie-Vereinbarung ("Organisatorische Maßnahmen"), dass der onkologisch qualifizierte Arzt sicherzustellen hat, dass für stark immundefiziente Patienten oder Patienten mit ansteckenden Krankheiten separate Untersuchungs- und Behandlungsräume vorzuhalten sind(Abs 1 Punkt 3 Satz 2 aaO).

56

5. Auch wenn nach alledem nicht nur die Berechtigung, sondern auch eine Verpflichtung des Vertragsarztes besteht, Medikamente zur unmittelbaren Anwendung an seinen Patienten selbst gebrauchsfertig zu machen, soweit das nicht aus den angeführten Gründen unzumutbar ist, kann der Senat den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden, weil das LSG nicht die Feststellungen getroffen hat, die für die Beurteilung erforderlich sind, ob diese Annahme auch für den speziellen Fall der MAK-Zubereitungen zutrifft. Der Rechtsstreit ist daher zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

57

Das LSG wird zunächst aufzuklären haben, ob das Gebrauchsfertigmachen von MAK durch den behandelnden Arzt - bzw unter dessen Aufsicht durch sein medizinisches Fachpersonal - in onkologischen Praxen mit zumutbarem Aufwand möglich und "üblich" ist und es daher erwartet werden kann, dass ein Arzt bzw das Praxispersonal die patientengerechte Zubereitung des Arzneimittels selbst vornimmt. Ist dies der Fall, bedarf es objektiver, medizinisch begründeter Zweifel, wenn ein Arzt geltend macht, ohne Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot den teureren Weg einer Anfertigung durch eine Apotheke wählen zu dürfen. Insoweit besteht vorliegend Klärungsbedarf dahingehend, welchen zeitlichen und logistischen Aufwand dieses Gebrauchsfertigmachen erfordert; hierzu wird das LSG festzustellen haben, welche Handlungsschritte das Gebrauchsfertigmachen von MAK erfordert, welchen zeitlichen Aufwand dies erfordert und welche Anforderungen an die Aufbewahrung und an die Zubereitung von MAK zu stellen sind. In diesem Zusammenhang kann dem Umstand Bedeutung zukommen, dass die AMPreisV Zuschläge für die Zubereitung parenteraler Lösungen mit MAK vorsieht. Zu klären ist weiter, ob - und wenn ja, aus welchen Gründen - eine Verarbeitung von MAK in der Arztpraxis statt in einer Apotheke zu einer Gefährdung des Praxispersonals und/oder der Patienten führen kann.

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6. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren bleibt dem LSG überlassen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.