Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung eines Regresses nach einer Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise beim Sprechstundenbedarf im Quartal.

Der Kläger nahm aufgrund einer Sonderbedarfszulassung ab 1998 als Hämatologe und internistischer Onkologe an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in C-Stadt teil. Die Praxis des Klägers wurde im Juni 1999 als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt. Für das streitgegenständliche Quartal beantragte die Beigeladene zu 2) eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise bezüglich des Sprechstundenbedarfs. Dem Prüfantrag lag eine Überschreitung des Klägers bei den Kosten für Sprechstundenbedarfs-Verordnungen in Höhe von 3.448,2% zugrunde.

Der Kläger wurde durch den Prüfungsausschuss Ärzte Bayern mit Schreiben vom 28.2.2002 über die Einleitung des Prüfverfahrens informiert und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Kläger gab im Prüfverfahren keine Stellungnahme ab.

Der Prüfungsausschuss Ärzte Bayern sprach aufgrund der Sitzung am 11.5.2005 mit Bescheid vom 2.12.2002 einen Regress in Höhe von 15% (84.310,56 €) aus. Der Kläger habe Arzneimittel mit Kosten von insgesamt 301.266,90 DM über Sprechstundenbedarf verordnet, obwohl diese nach Anlage e) zu Abschnitt III.1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig seien. Der Bezug von Bisphosphonaten und Liponsäure als Individualrezepturen sei als unwirtschaftlich anzusehen. Es ergebe sich nach Schätzung damit ein Regress von 84.310,56 € (164.897,13 DM).

Der Kläger legte gegen den Prüfbescheid am 6.12.2002 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schriftsatz vom 30.12.2002 dahingehend, dass die Arztgruppe der fachärztlichen Internisten keine geeignete Vergleichsgruppe sei. Internisten, die keine zytostatische Chemotherapie durchführen, würden hierfür auch keinen Sprechstundenbedarf rezeptieren. Er wendet sich auch gegen die im Bescheid vorausgesetzte Verpflichtung, Medikamentenlösungen (unentgeltlich) selbst herzustellen. Auch weise sein Patientengut eine besondere Selektion von Schwerkranken aus, nachdem auch ein Arzt des Klinikums C-Stadt die Ermächtigung zur ambulanten Chemotherapie erhalten habe. Mit den Schriftsätzen vom 24.2.2003, 14.3.2003 und 18.3.2003 wurde der Widerspruch weiter begründet.

Gegen den Bescheid legte auch die AOK Bayern, die Beigeladene zu 2), am 2.1.2003 Widerspruch ein.

Der Beklagte zog zur Vorbereitung seiner Entscheidung eine Häufigkeitsstatistik, bezogen auf die fachärztlichen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie, insgesamt 32 Praxen bei. Diese wurde dem Kläger mit Schreiben vom 12.3.2003 übersandt.

Der Beklagte gab dem Widerspruch aufgrund der Sitzung am 19.3.2003 mit Bescheid vom 12.6.2003 teilweise statt, halbierte den Regress und wies den Widerspruch im Übrigen ab. Er führte eine Prüfung nach Durchschnittswerten in der Form eines statistischen Fallkostenvergleichs mit der Fachgruppe der fachärztlichen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie (32 Praxen) durch. Die Scheindiagnosen ließen bei annähernd jedem Patienten eine Krebsdiagnose erkennen, in der Abrechnung würden sich onkologische Betreuungsziffern (16) ebenso wie Infusionen von Zytostatika (278), Bluttransfusionen (280, 282) und Punktionen (308, 319) finden. Auch würden die Laboraufhebungspauschalen 3488 und 3495 sowie die Ergänzungspauschalen 8650 – 8655 in zahlreichen Fällen abgerechnet und damit die intensive Behandlung von Krebspatienten dokumentiert. Der Vergleich sei daher auf die fachärztlichen Internisten mit Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie zu beschränken. Den Fallwert der verfeinerten Vergleichsgruppe von 636,09 DM überschreite der Kläger bei Fallkosten von 4.228,13 DM mit 564,7%. Innerhalb dieser verfeinerten Vergleichsgruppe zeige sich bei einer Analyse der Abrechnungsdaten, dass der Kläger gegenüber der Vergleichsgruppe einen rund doppelt so großen Anteil an Krebspatienten behandele. Ermessenshalber werde daher der doppelte Fallwert der verfeinerten Vergleichsgruppe als wirtschaftlich eingestuft. Damit sei die Sonderbedarfszulassung mit regionalem Spezialbedarf abgegolten. Auffallend sei, dass die Arzneikosten gegenüber anderen Onkologen ungewöhnlich niedrig liegen bei einer Abweichung von -60%. Das hänge damit zusammen, dass der Kläger in großem Umfang Arzneimittel über Sprechstundenbedarf verordne, die nicht pc-tauglich wären. Ein beliebiges Hin- und Herschieben sei zwar unzulässig, es empfehle sich aber ein Gegenrechnen des arzneilichen Minderbedarfs durch eine Gutschrift des Minderaufwandes bei Arzneimitteln von 546,71 DM. Beachtlich sei auch der sprunghafte Anstieg der Verordnungskosten und die Verschiebung der Kosten in den Sprechstundenbedarf.

Bei der Rezeptdurchsicht sei der große Anteil an nicht pc-fähigen Mitteln aufgefallen, welche im Einzelnen aufgeführt werden. Der Bezug von Zytostatika, Bisphosphonaten und Liponsäure sei für den Kläger nach der Anerkennung als onkologische Schwerpunktpraxis zulässig gewesen, allerdings sei das Mischen in der Apotheke zu hinterfragen. Der Kläger sei zwar entgegen der Auffassung der AOK Bayern wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen nicht zum Mischen von Zytostatikalösungen verpflichtet. Für Bisphosphonat- und Liponsäure-Lösungen bedürfe er aber keiner besonderen Sicherheitsvorkehrungen, da nur der Ampulleninhalt mit der Trägerlösung zu verdünnen sei. Der Bezug angefertigter Lösungen aus der Apotheke sei unwirtschaftlich.

Die bereinigte Überschreitung unter Berücksichtigung des doppelten Onkologenfallwertes (1.272,18 DM) und der Einsparungen im Arzneibereich (546,71 DM) betrage mit 2.409,24 DM 189,4%. Dies liege im offensichtlichen Missverhältnis und begründe den Verdacht der Unwirtschaftlichkeit. Auch bei Berücksichtigung des vom Prüfungsausschuss ausgesprochenen Regresses ergebe sich eine Restüberschreitung von 139,5%. Dem Kläger sei zugutezuhalten, dass der erste AOK-seitige Hinweis erst im September 2001 erfolgte, als der streitige Prüfzeitraum bereits abgelaufen war. Bei korrektem Bezugsweg wäre der überwiegende Teil der Kosten von den Krankenkassen ebenfalls zu tragen gewesen. Wegen der existenzbedrohenden Höhe des Regresses solle dem Kläger die Gelegenheit gegeben werden, durch eine Änderung der Verordnungsweise den finanziellen Interessen der Krankenkassen gerecht zu werden. Der Regress werde daher halbiert. Es ergebe sich eine Restüberschreitung von 164,5%.

Der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, erhob am 30.6.2003 Klage zum Sozialgericht München, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 21 KA 920/03 geführt und nach dem Ruhen des Verfahren zuletzt unter dem Aktenzeichen S 21 KA 661/13 fortgesetzt wurde.

Gegen den Bescheid des Beklagten vom 12.6.2003 hat auch die Beigeladene zu 2) am 11.7.2003 Klage erhoben, welche zunächst unter dem Aktenzeichen S 21 KA 993/03 und zuletzt unter dem Aktenzeichen S 21 KA 183/15 geführt wurde.

Mit seiner Klagebegründung vom 24.4.2012 trug der Kläger vor, er habe von 2001 bis 2003 an Arzneimittelverträgen teilgenommen. Nach den Vereinbarungen in diesen Verträgen sollten keine Regresse aufgrund von Durchschnittsprüfungen verhängt werden. Die Prüfanträge seien mit den Kosten der Zytostatikazubereitungen begründet worden. Diese könnten allenfalls Gegenstand einer Einzelfallprüfung sein. Nach der Prüfungsvereinbarung seien Kosten der Zytostatikazubereitung vorab aus den Verordnungen herauszurechnen. Auch sei ein Arzt nicht zur kostenlosen Zubereitung von Medikamenten verpflichtet. Er verwies hierzu auf die Urteile des Sozialgerichts München vom 6.12.2006, Az. S 38 KA 645/05 und vom 13.3.2007, Az. S 28 KA 781/05. Die Durchführung von Durchschnittsprüfungen mit Begründung des Regresses durch Einzelverordnungen stelle einen Begründungsmangel nach § 35 SGB X dar. Die Vergleichsgruppenbildung sei ungeeignet. Die rein onkologische Ausrichtung der Praxis habe ihre Ursache in der Sonderbedarfszulassung, der Kläger habe nur onkologische Patienten behandeln dürfen. Fast alle Patienten hätten eine Chemotherapie bekommen, dies sei bei den übrigen Praxen der Vergleichsgruppe im Spezialvergleich nicht der Fall gewesen, teilweise seien auch gar keine Chemotherapien durchgeführt worden. Die Prüfungsvereinbarungen hätten alle zugelassenen Zytostatika und monoklonale Antikörper als Praxisbesonderheiten im Anhang gelistet und außerdem verlangt, die Zubereitungskosten der in der Onkologie eigesetzten Parenteralia als Praxisbesonderheiten zu behandeln. Der Kläger verwies hierzu auf § 14 Abs. 2 Prüfungsvereinbarung. Der Kläger führte weiter zu den vom Beklagten im angefochtenen Bescheid als unzulässige Sprechstundenbedarfs-Verordnung beanstandeten Arzneimittel aus. Immunglobuline und Folinsäure seien Kühlware, die Bestellung von Großpackungen hätte die logistischen Möglichkeiten der Praxis überfordert. Bei der nur begrenzt haltbaren Ware wäre es zu Verfall gekommen. Nicht verständlich sei die Beanstandung der Zytostatika Ovastat, Syrea, Agrylin und Neorecomorn. Diese lebenswichtigen Arzneimittel habe der Kläger wegen des weiten Einzugsgebietes seiner Patienten zum Soforteinsatz vorrätig halten müssen, um die Patienten nicht erst zur Medikamentenbeschaffung wegschicken zu müssen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.6.2015 trug der Kläger vor, die Durchführung einer Durchschnittsprüfung sei sachwidrig und nicht möglich. Er habe im Schnitt 300 Patienten im Quartal behandelt, die Vergleichsgruppe aber 800 Patienten mit einem Anteil von nur etwa 100 Krebspatienten. Die übrigen Nicht-Krebspatienten würden den Durchschnitt der Sprechstundenbedarfskosten absenken. Eine Prüfung des Sprechstundenbedarfs dürfe auch deshalb nicht durchgeführt werden, weil einige Praxen keine Sprechstundenbedarfsverordnungen gemacht hätten. Wenn die Auffassung des Beklagten als richtig angesehen werde, dann bleibe dem Patienten das Recht auf eine angemessene Behandlung mit Chemotherapeutika vorenthalten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 12.6.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers gegen den Prüfbescheid vom 2.12.2002 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass die Durchschnittsprüfung die Regelprüfmethode sei. Den vom Kläger vorgetragenen Umständen sei durch eine Verfeinerung der Prüfgruppe und die Anerkennung von Praxisbesonderheiten Rechnung getragen worden. Die Vorgehensweise des Beklagten sei durch das Bayerische Landessozialgericht hinsichtlich weiterer Verfahren des Klägers bereits gebilligt worden.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen der Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte des Beklagten und die Gerichtsakte, insbesondere auf die Klagebegründung vom 24.4.2012, verwiesen.

Gründe

I.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 12.6.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Rechtsgrundlage für die vom Beklagten angewandte Form der arztbezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung der ärztlichen Verordnungsweise Arzneimittel nach Durchschnittswerten ist § 106 SGB V i. V.m. § 13 Prüfungsvereinbarung (in der ab 1.1.2001 geltenden Fassung). Die Prüfung nach Durchschnittswerten wurde wegen ihres hohen Erkenntniswertes bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand lange Zeit als Regelprüfmethode angesehen (etwa BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 17 Rn. 17; Soz-R 4-1500 § 141 Nr. 1 Rn. 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 Rn. 14; aus jüngerer Zeit Urteil vom 19.10.2011, Az. B 6 KA 38/10 R = SozR 4-2500 § 106 Nr. 33 Rn. 19, 27).

Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S. 303; Nr. 55 S. 307 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 2 RdNr. 14, 15; Nr. 3 RdNr. 14; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 RdNr. 14; Nr. 23 RdNr. 13). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog. kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 57 S. 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1 RdNr. 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 RdNr. 14; Nr. 23 RdNr. 13). Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 54 S. 298 f mwN; Nr. 57 S. 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 RdNr. 14; Nr. 23 RdNr. 13; Nr. 29 RdNr. 30 mwN). Die Prüfgremien sind allerdings zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sein. Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, so dass deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf. beanstandet werden könne (vgl. BSGE 95, 199 = SozR 4-2500, § 106 Nr. 11 Rn. 36 m.w.Nw.; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr. 1 Rn. 20; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19 Rn. 22; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 33 Rn. 16, 17, 19).

2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Beklagte die Verordnungstätigkeit des Klägers hinsichtlich des Sprechstundenbedarfs über die statistische Durchschnittsprüfung hinaus auch der nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen intellektuellen Prüfung unterzogen.

a) Dass die Durchschnittsprüfung wegen der Teilnahme des Klägers an Arzneimittelverträgen ausgeschlossen ist, hat der Kläger zwar behauptet. Er hat aber bereits seine Teilnahme an der Arzneimittelvereinbarung für das Jahr 2001 nicht belegt.

b) Der Vergleich ist zutreffend mit der Vergleichsgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie durchgeführt worden. Diese Vergleichsgruppe war mit 32 Praxen für einen Vergleich auch ausreichend groß.

Voraussetzung für die statistische Vergleichbarkeit im Rahmen einer Durchschnittsprüfung ist eine Homogenität der verglichenen Ärzte in dem Sinne, dass die wesentlichen Leistungsbedingungen des geprüften Arztes mit den wesentlichen Leistungsbedingungen der verglichenen Ärzte übereinstimmen (BSGE 61, 143, 144 = SozR 2200 § 368n Nr. 45, S. 153, 154; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 31, S. 175, 180). Die Vergleichsgruppe muss aus (Zahn)ärzten bestehen, die ein annähernd gleichartiges Patientengut versorgen und im wesentlichen dieselben Erkrankungen behandeln, weil nur unter diesen Voraussetzungen der durchschnittliche Behandlungsaufwand der Arztgruppe ein geeigneter Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- oder Verordnungsweise eines Angehörigen dieser Arztgruppe ist (Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, 08/14, § 106 SGB V, Rn. 310 unter Verweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 36, S. 199, 202; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 49, S. 255, 257; vgl. auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 45, S. 241, 244).

Der Kläger hat gegen die herangezogene Vergleichsgruppe eingewendet, dass in der Vergleichsgruppe von einigen Praxen keine ambulanten Chemotherapien durchgeführt worden seien und auch in keiner Praxis nahezu ausschließlich Krebspatienten behandelt worden seien. Ein aussagekräftiger Vergleich sei bereits deshalb nicht möglich gewesen.

Der Bildung einer besonderen, engeren Vergleichsgruppe bedarf es nur, wenn die jeweils maßgebenden Leistungsbedingungen so verschieden sind, dass von einem statistischen Vergleich von vornherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit zu erwarten sind (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 36, S. 199, 203; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 49, S. 255, 258; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 10, S. 80, 82; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 114 Rz 16). Dies ist der Fall, wenn die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik beim Durchschnitt der Fachgruppe signifikant abweicht (Engelhard, a.a.O. Rn. 322, unter Verweis auf die std. Rspr. des BSG: Urteil vom 15. 11. 1995, 6 RKa 58/94 = USK 95137 S. 733, 737 - insoweit unter SozR 3-1300 § 16 Nr. 1 nicht abgedruckt; Urteil vom 28.6.2000, B 6 KA 36/98 R S. 8; SozR 3-2500 § 106 Nr. 50, S. 261, 264; SozR 3-2500 § 106 Nr. 57, S. 316, 321; SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 115 Rz 18; SozR 4-2500 § 106 Nr. 34, S. 285, 292 Rz 27; SozR 4-2500 § 106 Nr. 35, S. 297, 304 Rz 30; vgl. auch SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 114 Rz 16; Beschluss vom 15. 8. 2012, B 6 KA 100/11 B Rz 7).

Den Prüfgremien steht es im Rahmen des ihnen auch insoweit zustehenden, gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren, Spielraums bei der Auswahl von Methoden zur Verfeinerung des statistischen Vergleichs – selbst bei grundsätzlich bestehender Notwendigkeit einer verfeinerten Vergleichsgruppenbildung – frei, signifikante Abweichungen von den fachgruppentypischen Leistungsbedingungen statt durch Bildung engerer Vergleichsgruppen im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheiten oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts zu berücksichtigen (Engelhard, a.a.O., Rn. 330, unter Verweis auf die std. Rspr. des BSG: BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr. 4, S. 7, 9 f.; SozR 3-2500 § 106 Nr. 36, S. 199, 202; SozR 3-2500 § 106 Nr. 57, S. 316, 322; Beschluss vom 11. 12. 2002, B 6 KA 21/02 B; SozR 4-2500 § 106 Nr. 12, S. 110, 114 Rz 16; Beschluss vom 22. 1. 2009, B 6 KA 52/08 R Rz 7; SozR 4-2500 § 106 Nr. 34, S. 285, 292 Rz 27; SozR 4-2500 § 106 Nr. 35, S. 297, 304 Rz 30).

Der Beklagte hat dem Vortrag des Klägers Rechnung getragen und innerhalb der Vergleichsgruppe anhand der Abrechnungsdaten der GOP 16, 278, 280, 282, 308, 319, 3488, 3495, 8650-8655 überprüft, ob sich der Anteil von Patienten, die in der Praxis des Klägers mittels Chemotherapie behandelt werden, von demjenigen der Vergleichsgruppe unterscheidet. Zutreffend hat er festgestellt, dass der Kläger einen etwa doppelt so hohen Anteil an Patienten mit Chemotherapiebehandlung aufweist. Er hat dieser Abweichung dadurch Rechnung getragen, dass er dem Kläger die doppelten Verordnungskosten/Fall als Praxisbesonderheit anerkannt und von seinem Fallwert abgesetzt hat. Dem Kläger wurden damit in der Summe das Dreifache des Fallwertes der Vergleichsgruppe als wirtschaftliche Verordnungskosten beim Sprechstundenbedarf zugestanden.

Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden und wird nach Auffassung der Kammer dem vom Kläger vorgetragenen Umstand, er habe deutlich mehr Patienten mit einer Chemotherapie behandelt, ausreichend gerecht. Wenn sich aus den vom Beklagten herangezogenen Häufigkeitsstatistiken ergibt, dass der Kläger etwa doppelt so viele Patienten mit einer Chemotherapie behandelt hat als die Vergleichsgruppe, ist der Abzug des doppelten Fallwertes der Vergleichsgruppe als Praxisbesonderheit ein probates Mittel, dieser Abweichung gerecht zu werden. Dagegen spricht auch nicht der Vortrag des Klägers, in der Vergleichsgruppe sei von einigen Praxen teilweise gar keine Chemotherapie durchgeführt worden und damit der Durchschnittsfallwert vermindert worden. Aus der vom Beklagten herangezogenen Häufigkeitsstatistik für die verfeinerte Vergleichsgruppe ist zu entnehmen, dass die GOP 16 (kontinuierliche Betreuung eines tumorkranken Patienten unter tumorspezifischer Behandlung) von 96,88% der Praxen, die GOP 278 (Infusion von Zytostatika) von 84,38% der Praxen, die GOP 3488 (Tumorerkrankung unter parenteraler tumorspezifischer Behandlung) von 87,5% der Praxen und die GOP 3495 (Erkrankungen unter systemischer Zytostatika-Therapie) von 93,75% der Praxen abgerechnet wurde. Die Häufigkeit auf 100 Fälle bei der Abrechnung dieser GOP überschreitet der Kläger vor allem bei den GOP 3488 (+54,93%) und 3495 (+148,90%) sowie bei der GOP 8651 (parenterale Chemotherapie, +102,06%). Der vom Beklagten daraus gezogene Schluss, der Anteil von Patienten mit einer Chemotherapiebehandlung sei in der Praxis des Klägers etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Vergleichsgruppe, ist nach diesen Abrechnungsdaten plausibel. So wie der Kläger mit dem hohen Anteil an Patienten mit Chemotherapie den Durchschnitt der Vergleichsgruppe anhebt, senken andere Praxen mit einem geringen Anteil an Patienten mit Chemotherapie den Durchschnitt ab.

Der Einwand des Klägers, mit dem Durchschnittswert der Vergleichsgruppe, auch angehoben um die anerkannten Praxisbesonderheiten, sei eine angemessene Therapie der Patienten nicht zu finanzieren, ist unbegründet. Im streitgegenständlichen Prüfverfahren geht es nur um die Verordnung des Sprechstundenbedarfs. Die Arzneimitteltherapie ist aber nicht nur über Sprechstundenbedarfs-Verordnungen, sondern auch über Verordnungen auf den Namen des Patienten unter Angabe der zuständigen Krankenkasse abzudecken. Die isolierte Betrachtung des Fallwertes für den Sprechstundenbedarf sagt nichts darüber aus, in welchem Maße dem Vertragsarzt wirtschaftliche Verordnungskosten pro Patient insgesamt von den Prüfgremien oder Krankenkassen „zugestanden“ werden.

c) Der für das streitgegenständliche Quartal geltenden Prüfungsvereinbarung ist keine Vorgabe zu entnehmen, dass Kosten der Zytostatikazubereitung von den zu prüfenden Verordnungskosten herauszurechnen und damit von der Prüfung auszunehmen seien. Der vom Kläger zitierte § 14 Abs. 2 der Prüfungsvereinbarung betrifft den Prüfungsgegenstand der Prüfung der Verordnungsweise in Einzelfällen. Auch in den Prüfungsvereinbarungen für spätere Quartale enthält § 14 Abs. 2 eine solche Vorgabe nicht.

d) Grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte zur Begründung seiner Entscheidung auf einzelne Verordnungen (Liponsäure, Bisphoshonate, Sexualhormone und ihre Hemmstoffe, Immuntherapeutika und Zytokine, Neuraltherapeutika, vitaminhaltige Präparate, Mineralstoffe, Antianämika, Blutgerinnungsmittel, Agrylin) eingeht, deren Verordnung gar nicht oder zumindest nicht über Sprechstundenbedarf erfolgen durfte.

Nach Abschnitt III.1. der Sprechstundenbedarfsvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und der AOK Bayern, dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. - Landesvertretung Bayern -, dem BKK Landesverband Bayern, der Bundesknappschaft Verwaltungsstelle München, dem Funktionellen Landesverband der Landwirtschaftlichen Krankenkassen und Pflegekassen in Bayern, dem Landesverband der Innungskrankenkassen in Bayern und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. - Landesvertretung Bayern – vom 1.4.1999 (nachfolgend: Sprechstundenbedarfsvereinbarung) gelten als Sprechstundenbedarf nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet werden oder bei Notfällen für mehr als einen Berechtigten zur Verfügung stehen müssen. Hierzu ist eine Anlage vereinbart worden. Nach Buchstabe e) dieser Anlage sind als Sprechstundenbedarf nicht verordnungsfähig u.a. Immuntherapeutika und Zytokine, Sexualhormone und ihre Hemmstoffe sowie Zytostatika, Metastasenhemmer und Diphosphonate. Zu Abschnitt III. 1. existierte eine Protokollnotiz, nach der es onkologischen Schwerpunktpraxen gestattet war, Zytostatika, Metastasenhemmer und Diphosphonate als Sprechstundenbedarf zu verordnen. Zutreffend hat der Beklagte damit festgestellt, dass Sexualhormone und ihre Hemmstoffe, Immuntherapeutika und Zytokine, Neuraltherapeutika, vitaminhaltige Präparate, Mineralstoffe, Antianämika sowie Blutgerinnungsmittel nicht als Sprechstundenbedarf hätten verordnet werden dürfen.

Arzneimittel, die in Deutschland nicht zugelassen sind, sind gemäß §§ 31 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V in Verbindung mit A.3. der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien/AM-RL) und § 21 Abs. 1 AMG von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Dies gilt nach Abschnitt IV.4. Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung auch für die Verordnung als Sprechstundenbedarf. Die Verordnung des in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels Agrylin war damit ebenfalls unzulässig.

e) Nachdem die Praxis des Klägers als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt war, durfte der Kläger auch Zytostatika als Sprechstundenbedarf verordnen. Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid dem Vortrag des Klägers bereits zugestimmt und festgestellt, dass wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen eine Verpflichtung zur Zubereitung von Zytostatika-Lösungen nicht bestand. Wenn der Kläger jedoch die für den jeweiligen Patienten benötigte Zytostatika-Lösung nicht selbst zubereiten wollte oder konnte, so durfte auch keine Verordnung der Zytostatika über den Sprechstundenbedarf erfolgen. Denn Sprechstundenbedarf liegt nach Abschnitt III.1. der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung nur vor, wenn die verordneten Mittel bei mehr als einem Patienten angewendet werden. Nach Abschnitt III.4.a Sprechstunden-Bedarfsvereinbarung stellen Arznei- und Verbandmittel, die nur für einen Patienten bestimmt sind, keinen Sprechstundenbedarf dar und sind daher mit Angabe der zuständigen Krankenkasse auf den Namen des Versicherten zu verordnen. Damit war die Verordnung patientenindividueller Zubereitungen als Sprechstunden-Bedarf unzulässig und hätte gemäß § 14 der Prüfungsvereinbarung geprüft werden können. Mangels eines entsprechenden Antrages der Beigeladenen zu 2) hat der Beklagte auf diese Prüfung verzichtet und zugunsten des Klägers auch berücksichtigt, dass bei korrekter Verordnung auf den Namen des Versicherten unter Angabe der zuständigen Krankenkasse diese Kosten von der jeweiligen Krankenkasse ebenfalls zu tragen gewesen wären.

f) Der Beklagte hat darüber hinaus großzügig kompensatorische Einsparungen wegen der Unterschreitung bei den Arzneiverordnungen anerkannt und zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass die hohe Überschreitung beim Sprechstundenbedarf auch auf Verordnungen beruht, die als Sprechstundenbedarf unzulässig waren. Diese Verordnungen hätten als Einzelverordnungen ausgestellt werden müssen, deren Kosten den Krankenkasse damit auch entstanden wären. Darüber hinaus wurde eine großzügige Restüberschreitung von 164,5% belassen, die noch weit im offensichtlichen Missverhältnis liegt. Ein den Kläger belastender Fehler bei der Ermessensausübung ist nicht ersichtlich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit§ 154 Abs. 1 VwGO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106 Wirtschaftlichkeitsprüfung


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Sozialgericht München Urteil, 12. Juni 2015 - S 21 KA 661/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Sozialgericht München Urteil, 12. Juni 2015 - S 21 KA 661/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist,
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu begründen, wenn der Beteiligte, dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben ist, es innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe verlangt.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. März 2010 und des Sozialgerichts Mainz vom 16. April 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. April 2006 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19. August 1999 und 6. Juni 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. und 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. je zu einem Drittel.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. in den Quartalen II/1998 bis III/1999.

2

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse, die Beigeladene zu 1. eine Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft), in der im streitgegenständlichen Zeitraum zwei Zahnärzte für Oralchirurgie und ein Allgemein-Zahnarzt tätig waren. Auf Antrag der Krankenkassen(-Verbände) prüfte der Prüfungsausschuss die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. in den Quartalen II bis IV/1998 sowie in den Quartalen I bis III/1999; mit Bescheiden vom 19.8.1999 (Quartale II bis IV/1998) sowie vom 6.6.2000 (Quartale I bis III/1999) lehnte der Ausschuss die Festsetzung von Honorarkürzungen ab. Gegen den Bescheid vom 19.8.1999 erhoben die Gemeinsame Beratungs- und Prüfstelle der Primärkassen sowie die Ersatzkassenverbände Widersprüche, gegen den Bescheid vom 6.6.2000 die "BKK-IKK-LKK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz" sowie die Ersatzkassenverbände. Der beklagte Beschwerdeausschuss gab den Widersprüchen mit Bescheid vom 29.8.2001 zunächst teilweise statt und setzte - nach Durchführung einer Prüfung nach Durchschnittswerten - wegen Überschreitung bestimmter "Relationen" bei den Gebührennr 37-Nbl2 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) ("Stillung einer übermäßigen Blutung durch Abbinden oder Umstechen eines Gefäßes oder durch Knochenbolzung"), 38-N Bema-Z ("Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff oder Tamponieren oder dergleichen, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, als selbständige Leistung, je Sitzung") und 47a-Ost1 Bema-Z ("Entfernen eines Zahnes durch Osteotomie einschließlich Wundversorgung") in den Quartalen II/1998 bis III/1999 eine Honorarkürzung in Höhe von 19 470,22 DM (= 9954,97 Euro) fest. Hiergegen erhob die Beigeladene zu 1. Klage. Im Laufe des Klageverfahrens teilte der Beklagte dem SG mit, dass er den angefochtenen Bescheid nicht für "rechtsfähig" halte und diesen "ersetzen" werde. Das SG wertete dies als verfahrensbeendendes Anerkenntnis. Mit erneutem Widerspruchsbescheid vom 6.4.2006 wies der Beklagte sodann die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte er aus, ein statistischer Vergleich des (Gesamt-)Fallwerts der Beigeladenen zu 1. mit dem der Gruppe der Oralchirurgen habe in den geprüften Quartalen nach Bereinigung des Gesamtfallwerts um anerkannte Praxisbesonderheiten keine Überschreitung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis, die er mit 40 % angesetzt habe, ergeben. Er habe bei der Ermittlung des aus der Praxisbesonderheit "Fälle mit überdurchschnittlichem Behandlungsbedarf" resultierenden Mehraufwandes überprüft, ob statistisch auffällige Gebührenpositionen wirtschaftlich abgerechnet worden seien. Bei dieser Prüfung habe sich zwar ein unwirtschaftlicher Mehraufwand von 1.015 Punkten bei der Gebührennr 37-Nbl2 Bema-Z, von 11.936 Punkten bei der Nr 38-N Bema-Z und von 7.452 Punkten bei der Nr 47a-Ost1 Bema-Z ergeben, um den der Mehraufwand wegen anerkannter Praxisbesonderheiten bereinigt worden sei; die Notwendigkeit von Honorarkürzungen sei damit aber nicht gegeben.

3

Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 16.4.2008, Urteil des LSG vom 4.3.2010). Das LSG hat ausgeführt, der Beklagte habe im Rahmen seiner Prüfung der gesamten zahnärztlichen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu Recht auf den Gesamtfallwert abgestellt. Er sei nicht gehalten gewesen, eine Sparten- oder Einzelleistungsprüfung vorzunehmen. Der angefochtene Bescheid sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte den Prozentsatz des offensichtlichen Missverhältnisses zu hoch angesetzt habe. Diese Festlegung unterliege dem Beurteilungsspielraum des Beklagten, den dieser nicht überschritten habe. Wegen der Spannbreite möglicher rechtmäßiger Entscheidungen könne jedenfalls in der Regel ein niedrigerer Grenzwert als 40 % von den beteiligten Krankenkassenverbänden nicht erzwungen werden. Auch stelle das vom Beklagten genannte erhöhte Risiko der Inhomogenität der Vergleichsgruppe einen sachlichen Gesichtspunkt dar, der Beurteilungsfehler nicht erkennen lasse.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Wenn die Prüfgremien im Rahmen der Prüfung der Praxisbesonderheiten feststellten, dass Leistungen teilweise unwirtschaftlich erbracht worden seien und damit nicht als Praxisbesonderheiten anerkannt werden könnten, dann seien diese Unwirtschaftlichkeiten zu beziffern und ein "Regress" festzusetzen. Es könne nicht richtig sein, dass dem Vertrags(zahn)arzt unwirtschaftlich erbrachte Leistungen sehenden Auges honoriert würden. Im Übrigen widerspreche es der Rechtsprechung des BSG, bei Anerkennung von Praxisbesonderheiten die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei 40 % zu belassen. Würden - wie vorliegend - Praxisbesonderheiten in so erheblichem Umfang anerkannt, sei die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis weit unter 40 % festzulegen, zumal eine Bereinigung der Fachgruppe nicht erfolgt sei.

5

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 4.3.2010 und des SG Mainz vom 16.4.2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19.8.1999 und 6.6.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

6

Der Beklagte, die Beigeladene zu 1. und (schriftsätzlich) die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Beklagte und die zu 2. beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung führen aus, die bei der Bewertung von Praxisbesonderheiten festgestellten Korrekturbeträge hätten nicht zu einem Regress führen können, weil es sich nicht um eine Einzelfallprüfung gehandelt habe. Die vom Beklagten durchgeführten Einzelfall- und Relationsbetrachtungen hätten lediglich der rechnerisch eindeutigen Quantifizierung der Praxisbesonderheiten im Rahmen einer statistischen Vergleichsprüfung gedient. Die Beigeladene zu 1. macht Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage geltend und verweist auf den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Beklagten, den dieser nicht überschritten habe.

8

Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist zulässig und - im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts erneut über die gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 19.8.1999 und 6.6.2000 erhobenen Widersprüche zu entscheiden - begründet. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht die Entscheidung des Beklagten für rechtmäßig gehalten, von Kürzungsmaßnahmen abzusehen.

10

1. Die von der Beigeladenen zu 1. geltend gemachten prozessualen und formellen Bedenken greifen allerdings nicht durch. Insbesondere war die von der Klägerin erhobene Klage zulässig. Im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V wirkt der von einer Krankenkasse bzw einem Krankenkassenverband erhobene Widerspruch auch zugunsten der übrigen Beteiligten und verhindert den Eintritt der Bestandskraft des Bescheides(zur Einheitlichkeit des Verfahrens der Wirtschaftlichkeitsprüfung siehe schon BSGE 60, 69, 71 f = SozR 2200 § 368n Nr 42 S 139 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 18 S 98). Die Krankenkassen und ihre Verbände sind - unabhängig von einer Hinzuziehung nach § 12 Abs 2 SGB X - Beteiligte des Prüfverfahrens(BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 20). Die Prüfgremien treffen Entscheidungen, die unmittelbare Auswirkungen auf die vertragsärztliche Versorgung haben und die Verpflichtung der genannten Institutionen berühren können, für eine ordnungsgemäße Versorgung Sorge zu tragen (BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 22). Es ist für die Rechtsmittelbefugnis der Institutionen ohne Belang, ob die das Verfahren ggf letztlich allein weiterbetreibende Krankenkasse (bzw der Krankenkassenverband) in den vorangegangenen Verfahrensstufen jeweils selbst Rechtsmittel eingelegt hat. Vielmehr wirken von einzelnen Krankenkassen(-Verbänden) eingelegte Rechtsmittel grundsätzlich auch zugunsten der übrigen beteiligten Institutionen. Ob Abweichendes gilt, wenn ein Kostenregress zu Gunsten einer einzelnen Krankenkasse Streitgegenstand ist, bedarf hier keiner Erörterung. Auch eine Stellung von Prüfanträgen durch gemeinsame Einrichtungen der Krankenkassen begegnet keinen Bedenken.

11

2. Der Bescheid des Beklagten vom 6.4.2006, der alleiniger Streitgegenstand des Verfahrens ist (stRspr des BSG, zuletzt Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 16/10 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), ist rechtswidrig.

12

a. Ob die vom Beklagten durchgeführte, auf den Gesamtfallwert bezogene Prüfung nach Durchschnittswerten für sich genommen rechtmäßig ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.

13

Zweifel könnten sich insoweit ergeben, als der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung des Gesamtfallwertes der Vergleichsgruppe um mehr als 40 % angesetzt hat. Grundsätzlich steht den Prüfgremien allerdings hinsichtlich der Festlegung des für das offensichtliche Missverhältnis maßgeblichen Grenzwerts ein Beurteilungsspielraum zu (vgl ua BSGE 76, 53, 58 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 149; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 267; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12). Jedoch könnte es in Anbetracht der Vorab-Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten unter Umständen geboten sein, den Grenzwert niedriger anzusetzen. So hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Prüfgremien zumindest berechtigt sind, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis niedriger anzusetzen, seitdem Praxisbesonderheiten bereits auf der ersten Prüfungsstufe zu berücksichtigen sind (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 226; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 239); wenn die Prüfgremien Besonderheiten der Praxis von vornherein in den Fallwertvergleich einbezogen haben, sind auch 40 % unterschreitende Grenzwerte zulässig (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 17). Zudem bedarf noch der Klärung, wie die nach Herausrechnung der Praxisbesonderheiten verbleibenden Überschreitungen noch gerechtfertigt werden können und ob die Prüfgremien ggf nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sind, niedrigere Grenzwerte anzusetzen.

14

Der Beklagte hat seine Entscheidung damit begründet, er habe bei der Grenzziehung das Risiko der Inhomogenität des Abrechnungsverhaltens der Vergleichsgruppe berücksichtigt. Auch wenn sich das Problem der Inhomogenität bei einer genauen Quantifizierung kostenerhöhender Umstände relativiert (s hierzu Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2011, K § 106 RdNr 348),kann nicht außer Betracht bleiben, dass gerade die Gruppe der Oralchirurgen kein einheitliches Leistungsspektrum aufweist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 21, 22; s auch Engelhard aaO RdNr 331b). Ob dieses Argument für sich genommen tragfähig ist, um den vom Beklagten zugrunde gelegten hohen Grenzwert zu rechtfertigen, kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Entscheidung des Beklagten bereits aus anderen Gründen rechtswidrig ist.

15

b. Der Beklagte durfte die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der zu 1. beigeladenen Gemeinschaftspraxis nicht mit der Feststellung beenden, dass sich der Gesamtfallwert nicht im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses bewege und daher kein Raum für eine Honorarkürzung sei. Vielmehr wäre er ungeachtet des ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums bei Beachtung des Gebots der Effektivität von Wirtschaftlichkeitsprüfungen verpflichtet gewesen, den von ihm erkannten Unwirtschaftlichkeiten unter Anwendung anderer Prüfmethoden - namentlich im Wege einer Einzelleistungsprüfung nach Durchschnittswerten, ggf auch einer Einzelfallprüfung - nachzugehen. Sofern sich der Beklagte an der Anwendung anderer, von der Rechtsprechung generell als geeignet anerkannter, Prüfmethoden gehindert gesehen haben sollte, hätte er in der Begründung seiner Entscheidung darlegen müssen, warum er diese an sich gebotenen Prüfungen unterlassen hat.

16

aa. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stehen den Prüfgremien bei der Auswahl der im Einzelfall geeigneten Prüfmethode Entscheidungsspielräume zu (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 13). Diese sind rechtlich als Beurteilungsspielraum zu qualifizieren (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 31 S 177 mwN; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 267/268; soweit in der jüngeren Rechtsprechung des Senats von einem "Ermessen" der Prüfgremien gesprochen wird, wird hieran nicht festgehalten), weil es sich bei der Auswahl der Prüfmethode um eine Fragestellung handelt, die einer Bewertung unter Heranziehung der besonderen Fachkunde der Mitglieder der Prüfgremien bedarf (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 106; vgl auch BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN). Von diesem Beurteilungsspielraum ist grundsätzlich auch die Entscheidung umfasst, ob der Vergleichsprüfung die Gesamtfallwerte oder nur der Aufwand in einzelnen Leistungssparten oder bei bestimmten Einzelleistungen zugrunde gelegt werden (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 300).

17

Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich bei der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen, denen ein Beurteilungsspielraum zugrunde liegt, darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (stRspr des BSG, BSGE 72, 214, 216 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 7; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; vgl zuletzt BSGE 102, 21 = SozR 4-2500 § 101 Nr 3, RdNr 16 - zu Sonderbedarfszulassungen).

18

bb. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist auch unter Berücksichtigung des begrenzten Umfangs der gerichtlichen Überprüfung rechtswidrig. In Anbetracht der deutlichen Überschreitung der Vergleichswerte der Fachgruppe durch die beigeladene Gemeinschaftspraxis und namentlich der von ihm festgestellten Unwirtschaftlichkeiten bei einzelnen Leistungspositionen hätte sich dem Beklagten die ergänzende Anwendung einer anderen Prüfmethode geradezu aufdrängen müssen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt nicht hinreichend erkennen, warum der Beklagte vorliegend von einer Honorarkürzung bzw von der Anwendung einer anderen Prüfmethode abgesehen hat.

19

(1) Zu den erforderlichen Subsumtionserwägungen bei der Auswahl einer Prüfmethode gehören nicht zuletzt Ausführungen, die erkennen lassen, dass sich die Prüfgremien den Grenzen ihres Beurteilungsspielraums bewusst gewesen sind. Zu diesen Grenzen gehört zum einen, dass der Senat die statistische Vergleichsprüfung bzw Prüfung nach Durchschnittswerten auf der Grundlage des bis zum 31.12.2003 geltenden Rechts in ständiger Rechtsprechung als "Regelprüfmethode" bezeichnet hat (vgl BSGE 94, 273 = SozR 4-2500 § 106 Nr 9, RdNr 6; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 13 mwN),von der nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden durfte.

20

Zum anderen ergibt sich eine Einschränkung des Entscheidungsspielraums der Prüfgremien bei der Auswahl der Prüfmethode aus dem Gebot, "effektive" Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Verpflichtung der Prüfgremien betont, auf festgestellte bzw vorliegende Unwirtschaftlichkeiten zu reagieren. Diese haben die Frage der Unwirtschaftlichkeit mit allen dazu geeigneten und zulässigen Beweismitteln aufzuklären (BSGE 70, 246, 254 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 51 f; BSGE 75, 220, 224 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 135),ggf sachgerechte Prüfungsarten zu entwickeln und Prüfverfahren stets der gesetzlichen Intention entsprechend auszugestalten und durchzuführen, alle Ärzte einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu unterziehen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295 f). Es entspricht der Zielsetzung des Gesetzes, dass das Abrechnungs- und Verordnungsverhalten aller Ärzte zu jeder Zeit einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen muss (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 55 S 309/310 unter Hinweis auf BSGE 84, 85, 87 = SozR 3-2500 § 106 Nr 47 S 250; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 274; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295 f; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 32 S 185; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 61; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14). Unter Hinweis auf das Gebot effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen hat der Senat festgestellt, dass eine andere Prüfmethode gewählt werden "darf bzw muss", soweit eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten nicht effektiv ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14), bzw dass die Prüfgremien "berechtigt und verpflichtet" sind, ausnahmsweise auch andere Prüfmethoden anzuwenden bzw neu zu entwickeln, wenn sich im Einzelfall die Prüfung nach Durchschnittswerten "als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar" erweist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10).

21

Als "nicht effektiv" im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Senats anzusehen ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht erst dann, wenn die Prüfung in der gewählten Form zu überhaupt keinen Ergebnissen führt - etwa, weil sie mangels ausreichender Datengrundlagen (wie zB bei Richtgrößenprüfungen, vgl hierzu BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11) überhaupt nicht durchgeführt werden kann. Vielmehr ist dies bereits dann der Fall, wenn die Voraussetzungen für die Durchführung einer Prüfung zwar vorliegen, der gewählte Prüfungsansatz aber strukturell den Zugriff auf festgestellte Unwirtschaftlichkeiten verstellt. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn offensichtliche oder bei Durchführung der Regelprüfmethode festgestellte Unwirtschaftlichkeiten in einzelnen Leistungssparten oder bei bestimmten Leistungspositionen bestehen, der Gesamtfallwert jedoch nicht die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis überschreitet. Denn nach der Rechtsprechung des Senats muss die ärztliche bzw zahnärztliche Behandlung sowohl insgesamt als auch in jedem Teilbereich wirtschaftlich sein, also nicht nur beim Gesamtfallwert, sondern auch in jeder einzelnen Sparte und bei Einzelleistungen sowie in jedem Einzelfall (vgl BSG 3-2500 § 106 Nr 42 S 232 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 15).

22

(2) Den schon aus dem Beurteilungsspielraum abzuleitenden und durch das Effektivitätsgebot verstärkten Anforderungen genügen die Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Bescheid nicht. Denn angesichts der vom Beklagten im Rahmen der Überprüfung von Praxisbesonderheiten festgestellten Unwirtschaftlichkeiten (nach den in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben der Klägerin überschritt der Gesamtfallwert der beigeladenen Gemeinschaftspraxis vor Bereinigung um Praxisbesonderheiten in den strittigen Quartalen den Fachgruppendurchschnitt in einem Umfang von 60,2 % bis 107,1 %) hätte sich bei Beachtung der sich aus dem Gebot zur Durchführung effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen ergebenden Anforderungen ein Wechsel der Prüfmethode bzw eine Ergänzung der auf den Gesamtfallwert bezogenen Prüfung nach Durchschnittswerten aufgedrängt.

23

(a) In Anbetracht der vom Beklagten festgestellten Unwirtschaftlichkeiten bei einzelnen Leistungspositionen hätte es in erster Linie nahe gelegen, eine auf diese Positionen bezogene Einzelleistungsprüfung nach Durchschnittswerten durchzuführen. Einer entsprechenden Regelung in der Prüfvereinbarung bedurfte es nicht, da die Einzelleistungsprüfung einen Unterfall der - seinerzeit durch § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V in der bis 31.12.1994 geltenden Fassung gesetzlich vorgegebenen und durch die Rechtsprechung des Senats konkretisierten - Auffälligkeitsprüfung darstellt.

24

Einem ergänzenden bzw alternativen Einzelleistungsvergleich steht nicht entgegen, dass innerhalb der Prüfung nach Durchschnittswerten kein Vorrang von Sparten- und Einzelleistungsprüfungen gegenüber Gesamtfallwertvergleichen bestand (s hierzu Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2011, K § 106 RdNr 398 mwN). Zwar hat der Senat auf die Gefahren eines Sparten- oder Einzelleistungsvergleichs hingewiesen, da deren Aussagewert tendenziell geringer und die Gefahr einer Fehlinterpretation größer ist als bei einem Gesamtvergleich, weil sich die unterschiedlichen Diagnose- und Behandlungsmethoden hier naturgemäß stärker auswirken (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 57/58; vgl auch BSGE 69, 138, 144 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 27). Diesen Gefahren wird jedoch durch die Anforderungen, die der Senat für die Zulässigkeit speziell des Einzelleistungsvergleichs aufgestellt hat, in ausreichendem Maße begegnet. Danach setzt ein derartiger Vergleich voraus, dass davon Leistungen betroffen sind, die für die gebildete Vergleichsgruppe typisch sind und zumindest von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9 mwN). Eine fachgruppentypische Leistung liegt (insbesondere) dann vor, wenn sie von über 50 % der Mitglieder der Vergleichsgruppe erbracht werden (BSG aaO RdNr 11).

25

Auch der Gesichtspunkt der "Gesamtwirtschaftlichkeit" steht einer Verpflichtung der Prüfgremien, die Behandlungsweise der Klägerin bezogen auf einzelne Leistungen zu überprüfen, ebenfalls nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Senats darf zwar die Wirtschaftlichkeit einzelner Leistungen oder Leistungssparten nicht losgelöst von der Gesamttätigkeit und den Gesamtfallkosten des Vertragsarztes beurteilt werden (vgl zB BSGE 71, 194, 199 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 91; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9). Jedoch folgt daraus nicht, dass bei einem im Vergleich zur Fachgruppe unauffälligen Gesamtkostendurchschnitt eine unwirtschaftliche Erbringung bestimmter Leistungsarten oder Einzelleistungen ausgeschlossen wäre (in diesem Sinne ua BSGE 71, 194, 199 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 91; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9). Im Übrigen liegt der Gesamtfallwert der Beigeladenen zu 1. auch nach Bereinigung um Praxisbesonderheiten weiterhin deutlich über den Vergleichswerten der Fachgruppe - wenn auch nach Einschätzung des Beklagten nicht im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses -, so dass es bereits an einer "Unauffälligkeit" des Gesamtfallwerts fehlt. Weiter steht einer - separat durchgeführten - ergänzenden oder alternativen Einzelleistungsprüfung auch die Aussage des Senats nicht entgegen, dass Prüfmethoden nicht miteinander vermengt werden dürfen, weil jede von ihnen nur dann zu rechtlich tragbaren Ergebnissen führt, wenn die ihr eigenen Gesetzmäßigkeiten beachtet werden (vgl ua BSGE 55, 110, 111 = SozR 2200 § 368n Nr 27 S 82; BSGE 71, 194, 196 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 87).

26

(b) Sofern die Voraussetzungen für einen Einzelleistungsvergleich nicht erfüllt wären, wäre die Durchführung einer Einzelfallprüfung in Erwägung zu ziehen. Letztlich hat der Beklagte eine derartige Prüfung bereits ansatzweise durchgeführt, denn seine Erkenntnisse, dass die Berechnung bestimmter Leistungen "nicht in jedem Fall" nachvollziehbar sei, geht auf eine zumindest stichprobenartige Prüfung der einzelnen Fälle zurück. Eine derartige Prüfung kommt insbesondere in Form einer eingeschränkten Einzelfallprüfung (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14, 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14)in Betracht, ggf in Form einer Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (s hierzu BSGE 70, 246, 254 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 52 f). Die Prüfgremien sind an einer Anwendung dieser Prüfmethoden auch dann nicht gehindert, wenn die Prüfvereinbarung sie nicht explizit vorsieht; dies gilt jedenfalls dann, wenn andernfalls die Durchführung einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht möglich wäre.

27

Einer Einzelfallprüfung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten die Regelprüfmethode darstellt. Zwar hat das BSG wiederholt die Entscheidung der Prüfgremien für eine Einzelfallprüfung als Überschreitung der Grenzen des Beurteilungsspielraums gewertet (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10 unter Hinweis auf BSGE 77, 53, 56 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 187). Dem lag jedoch eine andere Konstellation zugrunde, da die Prüfgremien ihre Auswahl damit begründet hatten, die Einzelfallprüfung sei gegenüber einer Vergleichsprüfung die genauere und gerechtere Prüfmethode. Demgegenüber hat der Senat - wie bereits oben dargestellt - gerade unter Hinweis auf das Gebot effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Wahl einer anderen Prüfmethode gebilligt, soweit eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten nicht effektiv ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14).

28

(c) Der Beklagte hat weder ergänzende Prüfmaßnahmen durchgeführt noch dies (offenbar) überhaupt in Erwägung gezogen. Jedenfalls enthält der angefochtene Bescheid keine ausreichende Begründung dafür, warum von einer weitergehenden Prüfung abgesehen wurde. Auf Seite 5 des angefochtenen Bescheides wird lediglich ausgeführt, dass keine Gründe vorgelegen hätten, von der Vergleichsprüfung abzugehen, und dass die Durchführung "einer strengen Einzelfallprüfung" nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten möglich gewesen wäre. Die Möglichkeit eines statistischen Einzelleistungsvergleichs oder die Durchführung einer eingeschränkten Einzelfallprüfung (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14, 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 14) -ggf auch einer Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (s hierzu BSGE 70, 246, 254 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 52 f) - hat der Ausschuss damit erkennbar nicht in Betracht gezogen.

29

3. Der Beklagte wird daher die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Beigeladenen zu 1. erneut unter Beachtung der Ausführungen des Senats zur Aussagekraft der bereinigten Gesamtfallwertüberschreitungen und unter Heranziehung alternativer Prüfmethoden zu überprüfen haben. Sollte er dabei zu dem Ergebnis kommen, dass andere Prüfmethoden aus Rechtsgründen ausgeschlossen sind, wird er dies in der Begründung seines Bescheides so zu verdeutlichen haben, dass erkennbar und überprüfbar wird, dass er alle in Frage kommenden Prüfmethoden berücksichtigt und deren Anwendbarkeit aus durchgreifenden Sachgründen verneint hat.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. und 2. die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen zu tragen, da sie unterlegen sind (§ 154 Abs 1 und 3 iVm § 159 Satz 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 6. ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Fertigarzneimittel dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt hat. Satz 1 gilt auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1; L 201 vom 27.7.2012, S. 28), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 oder in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007.

(2) Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die

1.
auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind,
1a.
Arzneimittel sind, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehene Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne von § 4 Absatz 4,
1b.
andere als die in Nummer 1a genannten Arzneimittel sind und für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln
a)
als Zytostatikazubereitung oder für die parenterale Ernährung sowie in anderen medizinisch begründeten besonderen Bedarfsfällen, sofern es für die ausreichende Versorgung des Patienten erforderlich ist und kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht, hergestellt werden oder
b)
als Blister aus unveränderten Arzneimitteln hergestellt werden oder
c)
in unveränderter Form abgefüllt werden,
1c.
antivirale oder antibakterielle Wirksamkeit haben und zur Behandlung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, aus Wirkstoffen hergestellt werden, die von den Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen benannten Stellen für diese Zwecke bevorratet wurden, soweit ihre Herstellung in einer Apotheke zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis oder zur Abgabe an andere Apotheken erfolgt,
1d.
Gewebezubereitungen sind, die der Pflicht zur Genehmigung nach den Vorschriften des § 21a Abs. 1 unterliegen,
1e.
Heilwässer, Bademoore oder andere Peloide sind, die nicht im Voraus hergestellt und nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder die ausschließlich zur äußeren Anwendung oder zur Inhalation vor Ort bestimmt sind,
1f.
medizinische Gase sind und die für einzelne Personen aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln durch Abfüllen und Kennzeichnen in Unternehmen, die nach § 50 zum Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken befugt sind, hergestellt werden,
1g.
als Therapieallergene für einzelne Patienten auf Grund einer Rezeptur hergestellt werden,
2.
zur klinischen Prüfung bestimmt sind oder
3.
unter den in Artikel 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen kostenlos für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können; dies gilt auch für die nicht den Kategorien des Artikels 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugehörigen Arzneimittel; Verfahrensregelungen werden in einer Rechtsverordnung nach § 80 bestimmt.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung ist vom pharmazeutischen Unternehmer zu beantragen. Für ein Fertigarzneimittel, das in Apotheken oder sonstigen Einzelhandelsbetrieben auf Grund einheitlicher Vorschriften hergestellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben wird, ist die Zulassung vom Herausgeber der Herstellungsvorschrift zu beantragen. Wird ein Fertigarzneimittel für mehrere Apotheken oder sonstige Einzelhandelsbetriebe hergestellt und soll es unter deren Namen und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben werden, so hat der Hersteller die Zulassung zu beantragen.

(4) Die zuständige Bundesoberbehörde entscheidet ferner, unabhängig von einem Zulassungsantrag nach Absatz 3 oder von einem Genehmigungsantrag nach § 21a Absatz 1 oder § 42 Absatz 2, auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels, die Genehmigungspflicht einer Gewebezubereitung oder über die Genehmigungspflicht einer klinischen Prüfung. Dem Antrag hat die zuständige Landesbehörde eine begründete Stellungnahme zur Einstufung des Arzneimittels oder der klinischen Prüfung beizufügen.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.