Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.11.2015 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.01.2013.

Der 1968 geborene Kläger, der u. a. an gemischter Hyperlipidämie mit erhöhten Triglyceriden, multipler Fettstoffwechselstörung, Migräne, Refluxkrankheit der Speiseröhre sowie an orthopädischen Leiden (Funktionsbehinderung beider Kniegelenke sowie der Wirbelsäule) leidet, und bei dem ein GdB von 50 festgestellt wurde, bezieht vom Beklagten Alg II. Bereits in früheren Verfahren machte er im Hinblick auf seine Erkrankungen Mehrbedarfe geltend. So legte er ein Attest des Dr. R. vom 23.03.2010 vor. Danach müsse er wegen einer akuten, rezidivierenden Gastritis mit Refluxösophagitis eine besondere Ernährungsform einzuhalten und verschiedene Medikamente einnehmen. Ein entsprechender finanzieller Mehraufwand sollte dem Kläger erstattet werden. In einem weiteren Attest vom 20.12.2011 führte Dr. R. aus, der Kläger leide an einer multiplen Fettstoffwechselstörung und er sei auf fettreduzierte Produkte besonders aus Geflügel bzw. Soja angewiesen. Entsprechende Lebensmittel seien deutlich teurer. In Attesten vom 21.02.2011 und 10.03.2011 führte der Assistenzarzt Dr. S. u. a. aus, der Kläger sei aufgrund seiner chronischen Erkrankungen gezwungen, eine diätische Kost zu sich zu nehmen, wofür ihm ein erheblicher finanzieller Aufwand entstehe. Nach einem weiteren Attest des Assistenzarztes vom 15.12.2011 bedarf der Kläger einer streng triglycerid- und cholesterinsenkenden Kost. Dr. O. führte in einem Schreiben vom 30.04.2012 aus, es sei beim Kläger ein deutlich erhöhter Histaminspiegel festgestellt worden. Aus Kostengründen sei auf eine Überprüfung der Diaminooxidase verzichtet worden. Daneben listete der Kläger die ihm aus seiner Sicht entstehenden Mehraufwendungen auf und fügte diverse Belege (insbesondere Rechnungen, Quittungen und Verschreibungen) an.

Der Beklagte holte darauf beim Gesundheitsamt W-Stadt ein Gutachten ein. Nach dem Gutachten vom 13.01.2012 entstehe ein Mehrbedarf für Ernährung bei einem vorliegend krankheitsbedingt angezeigten Verzicht auf tierische Fette unter Bevorzugung pflanzlicher Fette bzw. einer Reduktion von Nahrungsfett, einer Einschränkung der Cholesterinzufuhr und einer Erhöhung des Ballaststoffanteils nicht. Eine mäßige körperliche Ausdauerbelastung sei u. a. im Hinblick auf Fettstoffwechselstörung erfolgversprechend. Es bestehe keine Evidenz für die Notwendigkeit der Zuführung von Haferkleie und Sojaeiweiß.

Mit Bescheid vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger darauf für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.07.2012 Alg II unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von monatlich 374 EUR und der Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wurde unter Verweis auf das Gutachten vom 13.01.2012 nicht berücksichtigt. Zudem fehle es an einem erforderlichen Kost- und Ernährungsplan. Ebenso wurde dem Kläger mit Bescheid vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2012 Alg II für die Zeit vom 01.08.2012 bis 31.01.2013 unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von monatlich 374 EUR bzw. - ohne weitergehenden Bescheid für Januar 2013 - von 382 EUR und der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gewährt. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wurde erneut nicht berücksichtigt.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.02.2012 (S 9 AS 250/12) und vom 21.08.2012 () hat der Kläger jeweils Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die beiden Klagen hat das SG mit Beschluss vom 22.10.2014 verbunden. Der Kläger hat zuletzt noch die weitere Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung iHv monatlich 75 EUR beantragt. Aufgrund seiner Erkrankungen habe er einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, wodurch ihm seit Jahren ein besonderer, jährlich steigender finanzieller Aufwand entstehe. Er habe bereits mehrere ärztliche Atteste und Schreiben beim Beklagten vorgelegt. Die Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 13.01.2012 sei nicht korrekt. Es seien dort nicht alle Erkrankungen berücksichtigt. Bei einem Verzicht auf tierische Eiweiße seien pflanzliche Eiweiße/Proteine, insb. teurere Soja- und Geflügelprodukte notwendig. Er benötige zudem hochwertige Öle und Bio-Obst/Gemüse bzw. Obst/Gemüse ohne chemische Zusätze. Je billiger das Öl sei, desto ungeeigneter sei es. Hierzu hat der Kläger entsprechende Einkaufsbelege vorgelegt. Auch wenn einzelne seiner Erkrankungen ggf. nicht geeignet seien, einen Mehrbedarf zu begründen, sei dies aber in ihrer Gesamtschau der Fall. Zudem bestehe in Bezug auf eine Histaminose eine gesicherte Diagnose. Eine spezielle Ernährung oder Nahrungsergänzungsmittel könne nicht zulasten der Krankenkasse verschrieben werden. Dr. R. und Dr. R. würden in ihren Attesten von einem erhöhten finanziellen Aufwand ausgehen. Nach einem vom Kläger vorgelegten Attest des Dr. R. vom 06.02.2014 sei eine diätische Ernährung wegen einer multiplen Fettstoffwechselstörung, einer Histaminintoleranz und einer Paraben-Allergie erforderlich. Notwendig seien fettreduzierte Produkte, besonders Produkte aus Geflügel bzw. Soja, die erheblich teurer seien als die aus Schweinefleisch hergestellten Lebensmittel.

Das SG hat verschiedene Befundberichte eingeholt und medizinische Unterlagen beigezogen. Nach dem Bericht des Dr. R. vom 03.11.2014 sei eine ausgewogene Vollkost wegen des darin beinhalteten Schweinefleischs (hoher Fettanteil) für den Kläger nicht ausreichend. Er solle auf besonders magere Geflügelprodukte ausweichen. Fettreduzierte Produkte seien in der Regel teurer. Der Assistenzarzt S. hat in seinem Attest vom 10.03.2011 ausgeführt, der Kläger sei wegen seiner multiplen Allergien, chronischen Gastritis mit intermittierenden Refluxösophagitiden und chronischen Erkrankungen auf eine diätische Behandlung angewiesen, die mit einem erheblichem finanzieller Aufwand verbunden sei. Im Befundbericht des Dr. R. vom 21.11.2014 wird ausgeführt, der Kläger leide an einer Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie, Histaminintoleranz und Paraben-Allergie. Es sei eine histaminarme Ernährung und eine fettreduzierte Ernährung notwendig. Es sollte nur wenig Alkohol getrunken und auf Parabene verzichtet werden. Der Kläger müsse testen, was er vertrage und was nicht, und sein Ernährungsverhalten dahingehend ausrichten. Es könne nicht festgestellt werden, ob ein erheblicher erhöhter finanzieller Mehraufwand bestehe. Prof. D. hat in seinem Befundbericht vom 16.12.2014 ausgeführt, es bestehe nach dem Beschwerdebild des Klägers und eines einmaligen Nachweises im Serum der Verdacht auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit und eine Histaminintoleranz. Er habe eine diätische Einstellung mit einer entsprechenden Broschüre empfohlen. Eine ausgewogene Vollkost sei in Bezug auf die angezeigte Reduzierung histaminhaltiger Nahrungsmittel nicht ausreichend, sondern eine entsprechende besondere Ernährung notwendig. Mehraufwendungen und Einsparungen würden sich die Waage halten und eine relevante finanzielle Belastung sei nicht zu erwarten.

Der Beklagte hat ein Gutachten des Dr. E. vom 29.01.2015 vorgelegt. Darin wird u. a. ausgeführt, eine Sondenernährung und Vitamine sowie Spurenelemente bei nachgewiesenem Mangel könnten auf Kosten der Krankenkasse verordnet werden. Bei einer Ablehnung komme ein Mehrbedarf iHv 10 vH der Regelbedarfsstufe 1 in Betracht. Die Histaminose sei nicht nachgewiesen. Bei Vermeidung histaminreicher Nahrung könne ein wesentlicher Mehraufwand nicht sicher gesehen werden.

Das SG hat Beweis erhoben und ein Gutachten durch Prof. B. - Universität H-Stadt, Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft - eingeholt. Dieser hat unter dem 26.07.2015 ausgeführt, der Kläger leide u. a. an einer multiplen Fettstoffwechselstörung, Refluxkrankheit der Speiseröhre, Magenschleimhautentzündung, Bluthochdruck, Histaminintoleranz und Allergie gegen Benzoylperoxid und Parabene. Da im Hinblick auf die Histaminintoleranz bislang eine notwenidge Enzymuntersuchung nicht durchgeführt worden sei, könne nur von einem Verdacht ausgegangen werden. Eine Zusammenstellung von Lebensmitteln nach unterschiedlichem Histamingehalt sei schwer möglich, weil der Histamingehalt je nach Reifungsgrad pflanzlicher Lebensmittel und Lagerungsbedingungen schwanke und weil einige Lebensmittel einen direkten Einfluss auf die körpereigene Histaminbildung hätten. Eine Ernährungstherapie der Histaminintoleranz sei demzufolge symptomatisch, so dass Lebensmittel, die zu den typischen Symptomen der Histaminintoleranz führten (was individuell sehr verschieden sein könne), gemieden werden müssten, insb. alkoholische Getränke und Käse. Ein besonderer Ernährungsplan sei nicht erforderlich. Benzoylperoxid komme in Lebensmitteln nicht vor. Im Hinblick auf die Allergie gegen Parabene, die als Konservierungsstoffe bei unterschiedlichen Stoffen sowie bei manchen Lebensmitteln eingesetzt würden, könne in der Nährwertkennzeichnung an dem Vermerk PHB-Ester oder den E-Nummern 214, 216, 218 erkannt werden, welche Produkte diese enthalten und einfach gemieden werden. Auch hier sei kein spezieller Ernährungsplan erforderlich. Schließlich sei für Fettstoffwechselstörungen ebenfalls kein spezieller Kost- und Ernährungsplan notwendig. Eine medizinisch begründete Empfehlung zur Ernährungsumstellung sei ohne zusätzliche Kosten zu erreichen. Insofern stelle Vollkost die geeignete Form der Ernährung dar. Hierbei seien viele der geeigneten Lebensmittel preisgünstig. Dass Alternativen zu Schweinefleisch teurer seien, sei nicht zutreffend, wenn vergleichbare Produkte hinzugezogen würden. Zudem bestünde auch eine ausgewogene Vollkost nicht überwiegend aus Schweinefleisch. Eine Notwendigkeit zum Konsum von Bio-Soja-Produkten gebe es nicht. Hier sei z. B. fettarme Milch gleichfalls geeignet.

In Bezug auf das Gutachten hat der Kläger ergänzend ausgeführt, der Gutachter gehe zu Unrecht lediglich vom Verdacht einer Histaminintoleranz aus, die durch den behandelnden Arzt tatsächlich festgestellt worden sei. Ggf. hätte der Gutachter weitere Untersuchungen anstellen müssen. Nicht überzeugend sei dessen Aussage, dass spezielle Diäten zur Histaminintoleranz nicht wissenschaftlich überprüft seien. Insofern werde auf Ausführungen des Schweizer Allergiezentrums verwiesen, wonach eine Behandlung durch eine dreistufige Ernährungsumstellung (Karenzphase, Testphase und Dauerernährung) erfolge. An erster Stelle stehe eine histaminarme Ernährung und bestimmte Nahrungsmittel seien zu meiden. Beim Verweis hinsichtlich der Fettstoffwechselstörung auf tierische Lebensmittel, die arm an gesättigten Fettsäuren seien, werde die Aussage, hierdurch würden keine höheren Kosten entstehen bzw. viele der angegebenen Lebensmittel seien preisgünstiger, nicht belegt. Es handele sich alleine um eine allgemeine Aussage. Es fehle auch ein Eingehen auf das Zusammenwirken der Krankheiten. Der Gutachter weiße auf Alkoholkarenz und Bewegung hin, ohne dass entsprechende Feststellungen von ihm beim Kläger getroffen worden seien. Der Verweis auf „Problemtrinker“ stamme nur aus einem Verdacht einer Ärztin aus dem Jahr 2007. Bezüglich einer medikamentösen Behandlung wäre den Akten zu entnehmen gewesen, dass diese wegen Nebenwirkungen nicht fortgesetzt worden sei. Nach Einschätzung des Dr. E. wäre bei - wie vorliegend gegeben - fehlender Kostenübernahme durch die Krankenkasse ein Mehrbedarf gegeben. Hiermit habe sich der Gutachter nicht auseinander gesetzt.

Mit Urteil vom 05.11.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen würden keine besondere Ernährung erfordern, die gegenüber der in der Bevölkerung üblichen Ernährung kostenaufwändiger sei. Dies folge aus dem Gutachten von Prof. B. vom 26.07.2015, dessen Einschätzung gefolgt werde. Bei den jeweiligen Erkrankungen des Klägers bedürfe es keines besonderen Ernährungsplans. Im Hinblick auf die diagnostizierte Fettstoffwechselstörung sei die Vollkost die geeignete Form der Ernährung. Dies habe der Gutachter mit ausführlicher, überzeugender und fundierter Begründung ohne innere Widersprüche für den konkreten Fall hergeleitet. Im Hinblick auf die Histaminintoleranz und auf die Parabenallergie müsse der Kläger bestimmte Nahrungsmittel meiden und durch andere ersetzen. Dies sei nicht mit einem Mehrkostenaufwand verbunden. Unerheblich sei, dass der Gutachter nur von einem Verdacht auf Histaminintoleranz ausgehe, denn die Begründungen, mit denen das Gutachtensergebnis insoweit hergeleitet werde, stelle nicht maßgeblich auf die bloße Verdachtsdiagnose ab, sondern beziehe sich ausdrücklich auf das Erkrankungsbild der Histaminintoleranz. Bei der Fettstoffwechselstörung sei für die Behandlung kein spezieller Kost- oder Ernährungsplan notwendig. Die medizinisch begründete Empfehlung zur Ernährungsumstellung sei ohne zusätzliche Kosten zu erreichen. Die geeignete Vollkost könne aus der Regelleistung bestritten werden.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt. Auch Dr. E. sei zum Ergebnis gekommen, ein Mehrbedarf sei zu gewähren, sollte die Krankenkasse keine Kosten übernehmen. Andere Ärzte hätten dies ebenfalls bestätigt. Als Beweis für Mehrkosten habe er verschiedene Kassenbelege vorgelegt. Im Hinblick auf die Reduzierung tierischer Fette sei er auf andere Produkte, insbesondere auf Soja-Basis, zur Deckung des Proteinbedarfs angewiesen, die nachweislich teurer seien. Gleiches gelte für den Einkauf von Putenfleisch im Vergleich zu Schweinefleisch. Auch hochwertigere Mehle, Öle, etc. seien teurer. Dies alles sei vom Gutachter nicht berücksichtigt worden. Es werde angeregt, ein weiteres Gutachten einzuholen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.11.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 und des Bescheides vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2012 zu verurteilen, für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.01.2013 weitere Leistungen im Hinblick auf einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt: Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.11.2015 (Az.: S 9 AS 250/12) wird zurückgewiesen.

Zur Begründung hat er auf das Urteil des SG verwiesen.

Einen am 13.05.2016 eingegangenen Befangenheitsantrag gegen die Richter des Senats hat der Senat mit Beschluss vom 24.05.2016 (L 11 SF 157/16 AB) für unzulässig befunden. Den am 30.05.2016 bei Gericht eingegangenen weiteren Befangenheitsantrag gegen die Richter des Senats hat der Kläger zurückgenommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung Einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte durch den bestellten Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben sich hiermit ausdrücklich einverstanden erklärt (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG- i. V. m. § 124 Abs. 2 SGG).

Die form- und fristgerechte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid des Beklagten vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2012 und der Bescheid vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2012 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.

Streitgegenstand ist vorliegend die Gewährung von Alg II in Bezug auf die Gewährung von Leistungen für Regel- und Mehrbedarfe für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2013, worüber der Beklagte mit Bescheid vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2012 (dieser ist nach § 96 SGG Gegenstand des bei dessen Erlass bereits beim SG anhängigen Verfahrens S 9 AS 250/12 geworden) und mit Bescheid vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2012 entschieden hat. Eine weitergehende Beschränkung des Streitgegenstandes auf Leistungen für den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, die nur ein Begründungselement für den Leistungsanspruch bezüglich Regel- und Mehrbedarfe darstellen, ist nicht möglich (vgl. BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 4 AS 26/14 R). Nur die Leistungen für Unterkunft und Heizung, die einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R; Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R; Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 55/13 R), sind - im Hinblick auf die Beschränkung des klägerischen Begehrens - vorliegend nicht mehr zu prüfen.

Ein höherer Anspruch auf Alg II nach §§ 19 Abs. 1, 7 SGB II für den Zeitraum vom01.02.2012 bis zum 31.01.2013, der über die Bewilligung der Regelleistungen in den angefochtenen Bescheiden hinausgeht, besteht nicht.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum 43 bzw. 44 Jahre alt, erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er war darüber hinaus in der Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2013 hilfebedürftig. Dementsprechend hat der Beklagte auch zutreffend Alg II unter Berücksichtigung der jeweils maßgeblichen Regelleistung iHv monatlich 374 EUR bzw. für Januar 2013 iHv 382 EUR - und der hier nicht streitgegenständlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung - bewilligt bzw. jedenfalls tatsächlich gezahlt.

Weitere Leistungen standen dem Kläger nicht zu. Ein Mehrbedarf war nicht zu berücksichtigen. Nach § 21 Abs. 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Dabei müssen die notwendigen Aufwendungen über den im Regelbedarf nach § 20 SGB II bereits berücksichtigten Anteil hinausgehen, mit dem die laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen, im Ergebnis eine Vollkosternährung, bestritten werden können (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R). Voraussetzung sind weiter medizinische Gründe iS von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, eine kostenaufwändige Ernährung und ein Ursachenzusammenhang zwischen den medizinischen Gründen und der kostenaufwändigen Ernährung (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R; Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R).

Der Kläger leidet unstreitig an einer Vielzahl von Erkrankungen, wobei nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen, den Befundberichten und dem Gutachten des Prof. B. insbesondere eine multiple Fettstoffwechselstörung, Refluxkrankheit der Speiseröhre, Magenschleimhautentzündung, Bluthochdruck, und Allergien gegen Benzoylperoxid und Parabene festgestellt wurden. Bezüglich der Histaminintoleranz besteht jedenfalls der Verdacht des Vorliegens. Ob beim Kläger eine Histaminintoleranz tatsächlich vorliegt ist insofern unerheblich, da selbst bei deren Unterstellung keine kostenaufwändigere Ernährung notwendig ist. Insofern ist es auch ohne Belang, dass der Gutachter des SG wohl lediglich von einem Verdacht einer solchen Erkrankung ausgegangen ist, da er sich mit den Auswirkungen auf die bei einer solchen Unverträglichkeit notwendige Ernährung auseinandergesetzt hat.

Der Gutachter Prof. B. hat zutreffend, überzeugend und widerspruchsfrei in seinem Gutachten vom 26.07.2015 erhöhte Aufwendungen für die im Fall des Klägers medizinisch angezeigte Ernährung verneint. Im Wesentlichen sind danach bei der Histaminintoleranz der Konsum histaminhaltiger Lebensmittel zu meiden bzw. zu reduzieren und ggf. durch andere Lebensmittel zu ersetzen. Darauf stellen im Grunde alle beteiligten Mediziner ab. Sofern aber Dr. R., Dr. R. und der Assistenzarzt S. davon ausgehen, hierdurch würden Mehrkosten im Vergleich zur gesunden Vollkost entstehen, kann dem nicht gefolgt werden. Belegt wird deren Ansicht nicht. Insbesondere erscheint gerade die für den Kläger offensichtlich teure Ernährung mit Soja-Produkten nicht medizinische indiziert. Im Übrigen kommt auch Prof. D. in seinem Befundbericht vom 16.12.2014 zum Ergebnis, dass sich Mehraufwendungen und Einsparungen bei der medizinisch notwendigen Ernährungsform die Waage halten und eine relevante finanzielle Belastung nicht zu erwarten ist. Es kann von der hinreichenden Sachkunde und Einschätzungsmöglichkeit des Gutachters Prof. B. ausgegangen werden, der sich an der Universität H-Stadt, Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft, mit Ernährungswissenschaft explizit befasst. Soweit er auf Alkoholkarenz und Bewegung zur Therapie verweist, ist dies unschädlich, da er sich daneben auch eingehend mit der notwendigen Ernährung im Hinblick auf das Krankheitsbild des Klägers auseinandersetzt. Sofern vom Kläger gerügt wird, das Gutachten gehe nicht auf das Zusammenspiel der verschiedenen Krankheiten ein, ist dies ebenfalls nicht durchgreifend. Insofern kann dem Gutachten im Hinblick auf die Ausführungen zu den bei den einzelnen Erkrankungen notwendigen Ernährungsformen entnommen werden, dass es insofern keine Überschneidungen bzw. Beeinflussungen gibt. Das Weglassen von Nahrungsmitteln mit hohem Histamingehalt oder mit Parabenen steht nicht im Widerspruch zu einer fettarmen und gesunden Ernährung.

Der Einwand des Klägers, dass das Schweizer Allergiezentrum eine „Diät“ bei Histaminintoleranz vorsehe, führt nicht zu einer anderen Sichtweise. Die dort empfohlene dreistufige Ernährungsumstellung mit einer Karenzphase, Testphase und Dauerernährung, die im Übrigen auch den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entspricht (vgl. z. B. Diätik Kompakt - Fachinformationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., 1. Auflage 2014, Seite 4 f), belegt keinen Kostenmehrbedarf. Vielmehr geht es dabei um das Austesten, welche Lebensmittel nicht vertragen werden und das anschließende Weglassen. Mehrkosten können damit alleine nicht begründet werden. Auf dieses Vorgehen weißt auch der Gutachter Prof. B. in seinem Gutachten vom 26.07.2015 hin. Im Übrigen ist der Histamingehalt nicht nur von der Art der Lebensmittel abhängig, sondern es ergibt sich eine große Schwankungsbreite des Histamingehalts vor allem durch die Lagerdauer, den Reifegrad sowie bestimmte Verarbeitungsprozesse (vgl. DGE a. a. O. Seite 5 mit dem Beispiel von Fisch). Auch hier ist nicht ersichtlich, dass das Berücksichtigen dieser Umstände mit Mehrkosten verbunden ist.

In Bezug auf die Fettstoffwechselstörung kommt der Gutachter Prof. B. ebenfalls zu dem Ergebnis, dass hier keine Mehrkosten entstehen würden. Dem schließt sich das Gericht an. Ein spezieller Kost- und Ernährungsplan ist hier nicht notwendig. Die vom Regelbedarf umfasste ausgewogene Vollkost ist die geeignete Ernährungsform und entspricht auch den Empfehlungen der DGE, die bereits die Erkenntnisse zur Prävention und Therapie u. a. von Fettstoffwechselstörungen berücksichtigt hat (vgl. auch BayLSG, Urteil vom 21.11.2014 - L 8 SO 128/12). Nicht nachvollziehbar ist, weshalb Geflügelfleisch generell teurer sein soll, als Schweinefleisch. Allein die Vorlage von Kassenbelegen für den Kauf von Schweinefleisch einerseits und Geflügelfleisch andererseits, kann dies nicht belegen. Es erscheint zudem nicht zwingend nachvollziehbar, dass die vom Regelbedarf umfasste gesunde Vollkost alleine Schweinefleisch beinhaltet bzw. dieses gewichtsmäßig eins zu eins durch Geflügelfleisch ersetzt werden müsste. Insofern erscheint die Darlegung des Gutachters nachvollziehbar.

Auch aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Erkrankungen und deren Erfordernissen für die Ernährung vermag das Gericht keinen Mehrbedarf zu erkennen. Dies folgt aus dem Ergebnis, dass in keinem Fall ein Abweichen von der grundsätzlichen Ernährungsform der gesunden Vollkost krankheitsbedingt indiziert ist.

Schließlich kann auch aus den Angaben des Dr. E. vom 29.01.2015 kein anderes Ergebnis hergeleitet werden. Dort ist die Rede von einer Sondenernährung und Vitaminen sowie Spurenelementen bei nachgewiesenem Mangel. Eine Sondenernährung wird hier nicht geltend gemacht und es gibt keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Notwendigkeit. Bei Vitaminen und Spurenelementen ist unklar, ob dabei auf nicht von § 21 Abs. 5 SGB II erfasste Nahrungsergänzungsmittel abgestellt wird. Im Hinblick auf das überzeugende Gutachten des Prof. B. wäre jedenfalls kein Mehrbedarf zu berücksichtigen.

Da auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers und der oben vorgenommenen Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Prof. B. für das Gericht keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit und Schlüssigkeit der Ergebnisse des Gutachtens vom 26.07.2015 verblieben sind, bedurfte es nicht der Einholung eines weiteren Gutachtens, wie es der Kläger angeregt hat.

Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. (2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrb

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bei uns veröffentlicht am 18.11.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2013 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Landessozialgerichts wird klarstellend wie folg

Bundessozialgericht Urteil, 06. Aug. 2014 - B 4 AS 55/13 R

bei uns veröffentlicht am 06.08.2014

Tenor Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2013 werden zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 04. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R

bei uns veröffentlicht am 04.06.2014

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 20. Feb. 2014 - B 14 AS 65/12 R

bei uns veröffentlicht am 20.02.2014

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 10. Mai 2011 - B 4 AS 100/10 R

bei uns veröffentlicht am 10.05.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der auf der Insel F. lebende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die im streitigen Zeitraum überwiegend bei ihrer Mutter in B. lebte. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Von November 2005 bis April 2006 wurde die Tochter in der Zeit vom 18.12.2005 bis 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis 22.4.2006 (insgesamt 56 Tage, rund 31 % des Leistungszeitraums von 181 Tagen) von dem Kläger an seinem Wohnort betreut.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 790 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 445 Euro), zunächst ohne anteiliges Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006). Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 5 Euro monatlich für die Kosten der Warmwasserzubereitung anerkannt. Auf die Klagen von Vater (Kläger zu 1) und Tochter hat das SG den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2006 verurteilt, an den Kläger zu 1) für den Zeitraum 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich weitere 70,68 Euro (12 Tage a 5,89 Euro) zu zahlen" und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 4.2.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger seien zusätzliche Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in analoger Anwendung von § 21 SGB II zu zahlen. Die Höhe des Anspruchs hat das SG unter Berücksichtigung des Sozialgeldes für die Tochter nach teilweisem Abzug von Aufwendungen bei den Bedarfen der Bekleidung, der Gesundheitspflege sowie anderer Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung stehe dem Kläger nicht zu, weil ein solcher Ausgleich nur gerechtfertigt sei, wenn die zeitliche, materielle und ideelle Belastung des Erziehenden deutlich über diejenige hinausgehe, die auch bei zusammenlebenden Elternteilen anzutreffen sei. Ein solches Maß sei hier nicht erreicht.

4

Auf die Berufungen des Klägers, seiner Tochter sowie des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil abgeändert und den Tenor neu gefasst. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 verurteilt, der Tochter des Klägers für die Zeiten vom 18.12.2005 bis zum 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis zum 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis zum 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis zum 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis zum 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis zum 22.4.2006 Sozialgeld in Höhe von 6,90 Euro pro Tag zu zahlen. "Im Übrigen" hat es die Klage ebenso wie die "weitergehenden Berufungen der Kläger sowie des Beklagten" zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes oder der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bei der Berechnung des Sozialgeldes der Tochter für die Dauer ihrer zeitweisen Aufenthalte bei dem Kläger scheide aus. Derartige Abschläge widersprächen dem Gedanken der Pauschalierung des Regelbedarfs. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Vor dem Hintergrund des Monatsprinzips könne eine nachhaltige Entlastung des betreuenden Elternteils nur angenommen und eine Teilung dieses Mehrbedarfs erfolgen, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG liege die Anspruchsvoraussetzung einer "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II vor, wenn es an einer nachhaltigen Entlastung des hilfebedürftigen Elternteils während der Betreuungszeit fehle. Allerdings habe das BSG auch betont, dass die Wertung des Familienrechts, die gemeinsame elterliche Sorge zu fördern, zu berücksichtigen sei. Eine Aufteilung des Mehrbedarfs nach Betreuungsanteilen müsse daher auch möglich sein, wenn keine hälftige Aufteilung der elterlichen Pflege und Erziehung gegeben sei. Der Schutz des Art 6 GG für die Beziehung des Elternteils zum Kind in häuslicher Gemeinschaft gelte auch bei einem kürzeren Zusammenleben. Er sei zT "alleinerziehend in einem zeitlichen Umfang, der wöchentliche Phasen überschreite".

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 4. Februar 2009 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, an ihn für den Leistungszeitraum von November 2005 bis April 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in Höhe der Hälfte von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 62,10 Euro, hilfsweise in Höhe von 40 vH des Anteils von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 49,68 Euro, monatlich zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er bezieht sich auf die Entscheidung des LSG.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung liegen nicht vor.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG - nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als sie der Beklagte mit seinem Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4.2.2009 verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen)und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff)und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden. Zwar hat sich der Kläger für die von ihm beanspruchten höheren Leistungen allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehung bezogen; dies beinhaltet aber nur ein Begründungselement für sein Begehren auf höhere Leistungen, das er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 54 Abs 4 SGG).

11

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte er zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 S 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist zutreffend ein Betrag in Höhe von 345 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende iS des § 21 Abs 3 SGB II ist jedoch nicht zu berücksichtigen. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben(§ 21 Abs 3 Nr 1 Variante 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein über die Regelleistung hinausgehender Bestandteil des Alg II, der unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt wird, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insofern von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14). Diese sind hier jedoch nicht gegeben.

12

Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ist für die Frage, ob eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II vorliegt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Alleinerziehung im gesetzlichen Sinne ist nicht erst zu bejahen, wenn eine Person das Kind nach den tatsächlichen Gegebenheiten ausschließlich erzieht und pflegt. Vielmehr ist der Mehrbedarf bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 15). Darüber hinaus hat das BSG bereits entschieden, dass eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II ebenfalls vorliegen kann, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 ff = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der erkennende Senat hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war bereits in zeitlicher Hinsicht eine Konstellation der hälftigen Pflege und Erziehung im streitigen Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 nicht gegeben. Die Tochter des Klägers hat sich an 56 Tagen des Bewilligungszeitraums bei ihm aufgehalten. Sie wurde somit nicht - wie von der Revision vorgebracht - zu 40 % des Leistungszeitraumes, sondern zu rund 30 % des Leistungszeitraums vom Kläger betreut. Dabei betrug die längste zusammenhängende Betreuungszeit im Leistungszeitraum einmalig 21 Tage (im Zusammenhang mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel) und ging im Übrigen über 14 Tage (29.1. bis 11.2. und 9.4. bis 22.4.2006) nicht hinaus.

13

Entgegen der Ansicht der Revision können die vom Senat entwickelten Grundsätze zur hälftigen Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Pflege- und Erziehungsaufgaben praktiziert wird, übertragen werden. Übernimmt ein Elternteil in geringerem als annähernd hälftigem zeitlichen Umfang diese Betreuung des gemeinsamen Kindes, so steht die Mehrbedarfsleistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16, 22; vgl auch BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass zumindest ein anteiliger Mehrbedarf auch dann zu erbringen ist, wenn die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den umgangsberechtigten Leistungsempfänger - wie in dem hier streitigen Bewilligungszeitraum - weniger als hälftig, aber in längeren zeitlichen Abschnitten wahrgenommen wird. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 21 Abs 3 SGB II, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehende.

14

Mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende sollen - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II erfassten Bedarfslagen (bei werdenden Müttern, erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten) - typisierend besondere Bedarfe für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Dabei verknüpft der Gesetzgeber den Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen Familienkonstellation ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") und verbindet damit zugleich regelhaft die Annahme, dass das Schwergewicht der Betreuung und Erziehung nur bei einem Elternteil liegt. Bereits hieraus folgt, dass diese Mehrbedarfsleistung nicht zwischen einem "Hauptverantwortlichen" für die Pflege und Erziehung und dem anderen Elternteil mit einem geringeren Anteil an Pflege- und Erziehungsleistungen aufzuteilen ist. Eine gleichgewichtige Verteilung der Pflege und Erziehung, die ggf eine Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs rechtfertigen kann, ist nur bei einem sogenannten "Wechselmodell" anzunehmen. Ein solches liegt vor, wenn die Hauptverantwortung und das deutliche Schwergewicht der Betreuungsleistung nicht mehr bei einem Elternteil liegt, sondern die Eltern sich in der Betreuung des Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgabe wahrnimmt (BGH Urteil vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331 ff, 333 zur Betreuungs- und Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell). Dabei kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher Betreuungsphasen eine wesentliche Indizwirkung zu (so zum Familienrecht auch BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 ff).

15

Auch die Erbringung der Mehrbedarfsleistung in Form einer Pauschale spricht gegen die Aufteilung nach Betreuungsanteilen. Es ist wesentliches Merkmal des Mehrbedarfs für Alleinerziehende, dass der Gesetzgeber - pauschalierend für die "typische Situation" von Alleinerziehenden - besondere, die Sicherung des Existenzminimums betreffende Bedarfe in einer bestimmten Höhe bei diesen Haushalten annimmt. Insofern wird bei dieser Pauschalierung der Sache nach auch einbezogen, dass besondere Bedarfe von in Familienhaushalten lebenden Erwachsenen durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bemessung der Regelleistungen zugrunde liegt, bisher nicht erhoben werden konnten (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - NJW 2014, 3425 ff, 3430 zur künftig erforderlichen Prüfung des Gesetzgebers, ob der Gesamtbedarf in Familienhaushalten auch tatsächlich gedeckt ist; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 4 RBEG RdNr 3; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 26 ff). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungshöhe durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) Haushalte von Alleinerziehenden bei der Ermittlung der Regelbedarfe von Kindern ausgeklammert, weil diese Haushalte "im Vergleich zu Paaren ein vergleichsweise niedriges Einkommens- und Konsumniveau" hätten (BT-Drucks 17/3404 S 65; vgl auch Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik - Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 26.6.2013 - BT-Drucks 17/14282 S 32). Vor dem Hintergrund dieser auch wirtschaftlich begründeten pauschalierten Leistungsgewährung kommt - anders als bei den konkret ermittelten Regelbedarfen für Kinder - eine "Aufsplittung" des Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit des Kindes in dem Haushalt des jeweiligen Elternteils nicht in Betracht. Hiermit wäre ferner zugleich eine nur anteilige Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei dem die Hauptverantwortung für das Kind tragenden Elternteil verbunden. Diesem Elternteil verbleiben jedoch auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche Aufgaben, Belastungen und Kosten, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (vgl zum Gesichtspunkt der Kostentragung bei der Gestaltung einer hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung bereits Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 RdNr 16).

16

Dieses Ergebnis wird durch die Betrachtung der Gesetzesentwicklung bestätigt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Alleinerziehenden hat der Gesetzgeber die Regelung zum Mehrbedarf für Alleinerziehende inhaltlich unverändert vom BSHG in das SGB II übernommen und hierbei auf die bisherigen Regelungen im BSHG Bezug genommen (BT-Drucks 15/1514 S 60; BT-Drucks 15/1516 S 57). Die besonderen Lebensumstände sind schon unter Geltung des BSHG, wenn auch nur exemplarisch ("vor allem") darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege sowie zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 ). Auch im SGB II soll der besondere Aufwand von Alleinerziehenden für die Pflege und Erziehung der Kinder, etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, durch den Mehrbedarf ausgeglichen werden (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 8). Darüber hinaus war beabsichtigt, ebenfalls die Situation des Kindes in der besonderen Konstellation der Alleinerziehung zu verbessern. Denn dessen Lebensbedingungen werden entscheidend durch die finanzielle Situation des Elternteils, bei dem es hauptsächlich lebt, geprägt (vgl zur Aufteilung des Kindergeldes auf den barunterhaltspflichtigen und den betreuenden Elternteil sowie zur wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender auch BVerfG vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 ff, 80). Dies berücksichtigend ist die Leistungshöhe des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) im Zusammenhang mit den Neuregelungen zum Schutz des vorgeburtlichen Lebens deutlich erhöht worden, um zu gewährleisten, dass "sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höheres Haushaltseinkommen erhalten, das sie für die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder verwenden können" (BT-Drucks 12/2605, S 21).

17

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auch sozialpolitisch motivierte Zuordnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende an den oder die für die Pflege und Erziehung Hauptverantwortlichen bestehen nicht (vgl zu den Grenzen sozialpolitischer Gestaltungsfreiheit BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 16).

18

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2013 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Landessozialgerichts wird klarstellend wie folgt gefasst: Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Januar 2012 sowie der Bescheid des Beklagten vom 10. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2011 werden geändert und der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger unter Änderung des Bescheides vom 31. Mai 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Januar 2011 für den Zeitraum vom 4. Juni bis 8. Oktober 2010 340 Euro als Mehrbedarfsleistung für Fahrtkosten zu gewähren.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung - im Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs durch Fahrtkosten, die im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts mit seiner 1999 geborenen Tochter entstanden sind.

2

Der Beklagte bewilligte dem alleinstehenden in D. wohnenden Kläger auf dessen Fortzahlungsantrag für den zuvor benannten Zeitraum eine Regelleistung in Höhe von monatlich 359 Euro (Bescheid vom 31.5.2010, geändert durch Bescheid vom 25.1.2011 wegen der Bewilligung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehung ab dem 15.10.2010). Über berücksichtigungsfähiges Einkommen verfügte er nicht. Er bewohnte ein in seinem Miteigentum stehendes Zweifamilienhaus und erhielt als Unterkunftsleistungen einen Betrag von 341,78 Euro monatlich. Die Tochter des Klägers lebte zunächst in K. bei ihrer Mutter. Die Eltern hatten ein gemeinsames Sorgerecht. Alle 14 Tage von Freitag bis Sonntag übte der Kläger sein Umgangsrecht aus. In den Sommerferien verbrachte die Tochter drei Wochen bei ihm. Er holte das zehn- bzw elfjährige Kind an den Besuchswochenenden und zu Ferienbeginn mit dem eigenen Pkw in K. ab und brachte sie sonntags bzw am Ferienende wieder dorthin zurück. Die Mutter lehnte es ab, dass die Tochter die Bahnfahrt von K. nach D. und zurück allein unternehme. Am 9.11.2010 teilte der Kläger dem Beklagten ua mit, an welchen Tagen sich die Tochter seit dem 1.6.2010 bei ihm aufgehalten hatte und dass sie seit dem 8.10.2010 bei ihm lebe. Ferner machte er die Erstattung der ihm durch die Fahrten zur Ausübung des Umgangsrechts entstandenen Aufwendungen geltend. Durch Bescheid vom 10.3.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Fahrtkostenerstattung in Höhe von 135,60 Euro. Dabei ging er von insgesamt zurückgelegten 3151 km aus, dividierte diese Summe durch zwei und multiplizierte sie mit 0,20. Von dem sich hieraus ergebenden Betrag von 315,20 Euro brachte er 10 % von der Regelleistung, die er dem Kläger für fünf Monate (Juni bis Oktober 2010) gewährt hatte (5 x 359 = 1795 Euro - hiervon 10 % = 179,50 Euro), in Abzug. Insoweit bestünden Einsparmöglichkeiten durch Umschichtung innerhalb der Regelleistung. Den Widerspruch wies er - nach Erhebung einer Untätigkeitsklage durch den Kläger beim SG Augsburg - mit derselben Begründung zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.8.2011).

3

Der Kläger hat nunmehr einen Anfechtungs- und Leistungsantrag gestellt und eine Fahrtkostenerstattung in Höhe von 0,30 Euro für insgesamt zurückgelegte 3151 km begehrt. Das SG hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger weitere 179,50 Euro mit der Begründung zugesprochen, dass die von dem Beklagten in dieser Höhe vorgenommene Berücksichtigung einer Einsparung rechtswidrig sei (Gesamtleistung: 179,50 Euro + 135,60 Euro = 315,10 Euro). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.1.2012).

4

Im Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht, 17 mal eine Wegstrecke von 272 km zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit dem Pkw zwischen D. und K. zurückgelegt zu haben. Eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei ihm nicht zumutbar gewesen, denn die Gesamtfahrtzeit betrage dann 5 Stunden, während er mit dem Pkw lediglich drei Stunden benötigt habe. Das LSG hat der Berufung insoweit stattgegeben, als es dem Kläger Leistungen von 80 Euro für den Monat Juni 2010, 100 Euro für den Monat Juli 2010, 40 Euro für den Monat August 2010 sowie jeweils 60 Euro für die Monate September 2010 und Oktober 2010 (insgesamt 340 Euro) abzüglich bereits erbrachter und vom SG ausgeurteilter Leistungen zugesprochen hat. Im Übrigen hat es die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Kläger zwar einen Anspruch auf Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II habe. Insoweit sei jedoch nur der unabweisbare Bedarf zu decken und seien Einsparmöglichkeiten zu nutzen. Unabweisbar sei der Bedarf lediglich in Höhe der Aufwendungen für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dem günstigsten Preis, hier mit dem "Bayern-Ticket" 2. Klasse zu einem Preis pro Fahrkarte von 20 Euro. Das LSG hat festgestellt, dass im streitigen Zeitraum die Fahrt zwischen D. und K. mit öffentlichen Verkehrsmitteln 2 bis 2 1/2 Stunden gedauert habe, mit einem Zwischenaufenthalt in U. von 45 bis zu 60 Minuten. Für die sonntägliche Fahrt von D. nach K. hätten zwei Anschlüsse (Abfahrt 13:25 Uhr bzw 17:25 Uhr) mit kurzem Zwischenaufenthalt und jeweils einer Gesamtfahrdauer von 1 Stunde und 47 Minuten bestanden. Die Mutter habe 17 "Fahrtage" zwischen dem 4.6. und dem 8.10.2010 bestätigt. Die Nutzung der Bahn sei dem Kläger auch trotz der im Vergleich längeren Fahrtzeit als mit einem Pkw zumutbar. Eine Einschränkung des Umgangsrechts folge hieraus nicht, denn bei den gemeinsamen Fahrten mit der Tochter habe er dieses bereits ausüben können. Weitere Einsparmöglichkeiten seien nicht ersichtlich, insbesondere keine solchen aus dem in der Regelleistung vorgesehenen Ansatz für Mobilitätsbedarf.

5

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 21 Abs 6 SGB II sowie eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn er auf öffentliche Verkehrsmittel verwiesen werde. Die Entscheidung des LSG stelle zugleich eine Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung dar. Er begehrt einen Betrag von 1072,10 Euro, der sich aus 0,30 Euro x 4624 gefahrenen Kilometern errechnet (1387,20 Euro), abzüglich der bereits vom Beklagten erbrachten 315,10 Euro.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen LSG vom 10.7.2013 und des SG Augsburg vom 17.1.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Änderung des Bescheides vom 31.5.2010 in der Fassung des Bescheides vom 25.1.2011 für den Zeitraum vom 4.6. bis 8.10.2010 weitere 1072,10 Euro zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend. Ergänzend führt er aus, dass keine unbeschränkte Sozialisierung der Scheidungsfolgekosten durch Leistungen der Grundsicherung zu erfolgen brauche. Es sei dem Kläger zuzumuten, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen, auch wenn diese länger dauerten als solche mit einem Pkw. Es gehe insoweit nicht um zeitsparendes und möglichst komfortables Reisen. Eine Einschränkung des Umgangsrechts sei damit nicht verbunden.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat die Entscheidungen von SG und Beklagtem insoweit zutreffend geändert, als es die Höhe des Mehrbedarfs des Klägers, der ihm durch die Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter zwischen dem 4.6. und dem 8.10.2010 entstanden ist, mit 340 Euro beziffert hat. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die von ihm begehrten, über den zugesprochenen Betrag von 340 Euro hinausgehenden Leistungen (weitere 1047,20 Euro).

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs des Klägers wegen der Ausübung des Umgangsrechts mit der Tochter im Zeitraum vom 4.6. bis 8.10.2010. Der Beklagte hatte ihm eine Regelleistung und ab Mitte Oktober 2010 einen Mehrbedarf für Alleinerziehung durch bestandskräftigen Bescheid vom 31.5.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.1.2011 für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 bewilligt und den die Regelleistung erhöhenden Härtemehrbedarf durch den hier streitbefangenen Bescheid vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011 mit 135,60 Euro beziffert. Der erkennende Senat folgt dem LSG insoweit, als nach der ausdrücklichen Erklärung des Klägers Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht im Streit stehen (zur Eigenständig- und Abtrennbarkeit der Kosten der Unterkunft als Streitgegenstand vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; s auch Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - RdNr 12, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die weiteren Regelungen in diesen Bescheiden betreffend die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können jedoch nicht rechtlich zulässig in unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11). Dies gilt auch für eine Leistung für Mehrbedarf, die nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist (vgl nur BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff; s auch Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 12). Daher stellt der Anspruch auf eine Leistung nach § 21 Abs 6 SGB II keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand dar(BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 12).

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2. Zutreffende Klageart ist hier die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage. Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Teilaufhebung des die Fahrtkosten bewilligenden Bescheides vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011. Die Verpflichtungsklage ist auf die Änderung des im Zeitpunkt der Mitteilung des Klägers vom 9.10.2010 bereits bestandskräftigen Ausgangsbescheides vom 31.5.2010 in der Fassung des Bescheides vom 25.1.2011 gerichtet. Diese Bescheide sind auf der Grundlage des § 44 SGB X zu überprüfen(vgl dazu BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 10; s auch Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - juris RdNr 13). Der die laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligende Bescheid vom 31.5.2010 ist nach dem klägerischen Begehren insoweit rechtswidrig iS des § 44 SGB X, als die Leistung von Beginn des Bewilligungsabschnitts an um den Härtemehrbedarf für Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts hätte höher sein müssen. Mit der Leistungsklage beantragt der Kläger die Erbringung einer Leistung für höheren Regelbedarf über den von dem Beklagten bewilligten Betrag hinaus.

12

3. Vorliegend sind durch den Bescheid vom 31.5.2010 iS von § 44 Abs 1 SGB X Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. So liegt der Fall hier.

13

Der Kläger erfüllte nach den Feststellungen des LSG in dem streitigen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II. Er hatte wegen seiner Hilfebedürftigkeit im Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 Anspruch auf eine Regelleistung in Höhe von damals 359 Euro gemäß § 20 Abs 2 S 1 SGB II(idF des Gesetzes über die Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) sowie ab dem 15.10.2010 auf Leistungen für einen Mehrbedarf durch Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954), wie durch Änderungsbescheid vom 25.1.2011 bewilligt. Daneben stand ihm - ohne dass es eines gesonderten Antrags insoweit bedurft hätte (vgl nur BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN) -ein Anspruch auf Leistungen für Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter nach § 21 Abs 6 SGB II zu.

14

Die Voraussetzungen des § 21 Abs 6 SGB II liegen hier dem Grunde nach vor. Zum Zeitpunkt des ersten geltend gemachten Bedarfs für eine Fahrt am 4.6.2010 kann der Kläger sein Begehren bereits auf diese Vorschrift stützen. Sie ist mit dem Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.5.2010 durch dessen Art 3a Nr 2 Buchst b mit Wirkung vom 3.6.2010 in § 21 SGB II eingefügt worden(BGBl I 671). Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (Satz 1). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2).

15

a) Bei den Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts handelt es sich um einen besonderen Bedarf. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 4.6.2014 (B 14 AS 30/13 R - RdNr 20 - zur Veröffentlichung vorgesehen) in Fortführung der Ausgangsentscheidung des 7b. Senats vom 7.11.2006 (B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22)an.

16

Ein besonderer Bedarf im Einzelfall ist dann gegeben, wenn die Bedarfslage eine andere ist, als die, die bei typischen Empfängern von Grundsicherungsleistungen vorliegt. Es muss daher ein Mehrbedarf im Verhältnis zum "normalen" Regelbedarf gegeben sein (vgl auch Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 78; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 75, Stand V/2011). Dies ist bei den Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts ungeachtet der Tatsache, dass im Regelbedarf ein Anteil für Fahrtkosten enthalten ist, der Fall. Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber nach der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12)und bei der Einfügung des § 21 Abs 6 SGB II im Mai 2010 ua speziell die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern als Anwendungsfall der Härtefallklausel im Blick hatte(BT-Drucks 17/1465, S 9), betrifft der Bedarf hier nicht nur die üblichen Fahrten im Alltag, sondern eine spezielle Situation bei der Aufrechterhaltung des Umgangs mit einem Kind. Diese Situation ist mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden, wenn die Wohnorte aufgrund der Trennung der Eltern weiter entfernt voneinander liegen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22; Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 97, 102; s auch Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 83, Stand V/2011). So liegt der Fall auch hier, denn der Kläger hatte seinen Wohnort rund 140 km entfernt von dem der Mutter, bei der das Kind lebte.

17

b) Der Bedarf war im vorliegenden Bewilligungsabschnitt auch ein laufender, nicht nur einmaliger. Dabei kann offen bleiben, ob ein Bedarf iS des § 21 Abs 6 SGB II nur dann ein laufender ist, wenn er prognostisch dauerhaft, regelmäßig und längerfristig entstehen wird(zu diesen Anforderungen s BSG im Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl hierzu kritisch Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 80; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 74, Stand V/2011; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 67 f). Der Senat neigt dazu, die Reduzierung des Begriffs "laufender Bedarf" auf diesen Inhalt als nicht durch den Wortlaut des § 21 Abs 6 S 1 SGB II geboten zu bewerten. Es ist vielmehr im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal des laufenden Bedarfs in Abgrenzung zum einmaligen Bedarf eine Entscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu treffen. Dabei können Umschreibungen wie dauerhaft, regelmäßig oder längerfristig sowie eine prognostische Betrachtung nur Anhaltspunkte dafür sein, ob es sich um einen "laufenden Bedarf" handelt. Im vorliegenden Fall war jedoch nur über Leistungen bis zum Zuzug des Kindes zum Kläger zu befinden, sodass ungeprüft bleiben konnte, ob der Bedarf auch in Zukunft entstehen oder ggf entfallen wird, etwa weil im Hinblick auf das Alter und den Entwicklungsstand des Kindes es nicht mehr erforderlich sein wird, das Kind abzuholen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 73). Im streitigen Bewilligungsabschnitt ist der besondere Bedarf durch die regelmäßige Ausübung des Umgangsrechts - hier alle zwei Wochen an einem Wochenende von Freitag bis Sonntag im Zeitraum von Juni bis Oktober - laufend entstanden. Die Mutter des Kindes hatte in dieser Zeit ihre Zustimmung dazu verweigert, das zehn- bzw elfjährige Kind die Zugfahrt alleine unternehmen zu lassen (vgl zur Maßgeblichkeit von Entscheidungen der Familiengerichte bzw von Vereinbarungen zum Umfang des Umgangsrechts Behrend, jM 2014, 22, 27 f).

18

c) Ebenso ist der Bedarf unabweisbar. Nach § 21 Abs 6 S 2 SGB II ist der Mehrbedarf unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Wenn der Kläger das verfassungsrechtlich geschützte Umgangsrecht mit seinem Kind ausüben möchte, ist das Entstehen des Bedarfs durch Fahrtkosten dem Grunde nach unabweisbar. Der Bedarf ist auch erheblich (aa) und kann nicht durch Zuwendungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Klägers gedeckt werden (bb). Allerdings ist der anzuerkennende Bedarf der Höhe nach niedriger als vom Kläger geltend gemacht. Insoweit sind Einsparmöglichkeiten zu berücksichtigen (cc).

19

aa) Die Erheblichkeit des hier geltend gemachten Bedarfs steht außer Zweifel. Der erkennende Senat folgt dem 14. Senat des BSG, wenn er als erheblich einen atypischen Bedarf erkennt, der von einem durchschnittlichen Bedarf in nicht nur unbedeutendem wirtschaftlichen Umfang abweicht (vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 28 - zur Veröffentlichung vorgesehen, unter Verweis auf BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 28). Zutreffend weist er darauf hin, dass Anknüpfungspunkt insoweit letztlich die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) und damit die Frage ist, ob das menschenwürdige Existenzminimum trotz Mehraufwendungen noch gewährleistet werden kann oder über die Regelleistung hinausgehende Leistungen dazu erforderlich sind (vgl BT-Drucks 17/1465, S 8). Im vorliegenden Fall ist eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf sowohl im Hinblick auf die Regelleistung von damals 359 Euro insgesamt, aber auch den in der damaligen Regelleistung enthaltenen Betrag für Fahrtkosten von rund 20 Euro zu bejahen.

20

bb) Eine Bedarfsdeckung durch Zuwendungen Dritter ist nach den bindenden Feststellungen des LSG nicht erfolgt. Auch sind nach dessen Feststellungen keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Realisierung unterhaltsrechtlicher Ansprüche gegen die Mutter des Kindes vorhanden (vgl zur "ersten objektiv rechtlich möglichen Umsetzung einer Änderung": BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 7/10 R - BSGE 107, 97 = SozR 4-4200 § 11 Nr 34, RdNr 29 ff; vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, juris RdNr 23; Behrend jM 2014, 22, 27 f). Der Senat folgt auch insoweit dem 14. Senat, wenn dieser darauf verweist, dass die im Grundsatz gegebene Einsparmöglichkeit durch "Umschichtung", also einer Präferenzentscheidung dahingehend, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen (BT-Drucks 17/1465, S 6 und 8), bei Bedarfen durch Fahrtkosten für die Ausübung des Umgangsrechts ausscheidet. Dieser Gedanke kommt nur bei Bedarfen, die dem Grunde nach vom Regelbedarf umfasst sind, zum Tragen. Dies ist aber gerade hinsichtlich des hier im Streit stehenden Mehrbedarfs nicht der Fall (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - juris RdNr 25 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ebenso wenig ist der Kläger auf den Ansparbetrag für notwendige Anschaffungen (§ 12 Abs 2 Nr 4 SGB II) als Einsparmöglichkeit zu verweisen. Dieser dient nur dazu, einmalige Bedarfe abzufangen. Müsste dieser Ansparbetrag für laufende Aufwendungen abgezweigt werden, stünde er gerade als Ansparbetrag für notwendige Anschaffungen nicht mehr zur Verfügung. Auch das Bestreiten des Bedarfs durch ein Darlehen (§ 24 Abs 1 SGB II) ist ausgeschlossen, denn insofern ist aufgrund der Entscheidung des BVerfG (Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 - BVerfGE 125, 175, 255 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 208; s auch BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - RdNr 121) davon auszugehen, dass nur einmalig auftretende "Bedarfsspitzen" über die Darlehensregelung erfasst werden können, sodass dies kein denkbarer Weg ist, um die laufend auftretenden Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts abzufangen.

21

cc) Allerdings versteht der erkennende Senat das Merkmal der "Einsparmöglichkeit" des § 21 Abs 6 SGB II so, dass auch bei einem dem Grunde nach unabweisbaren Bedarf die Höhe der hierfür gewährten Leistungen unter Berücksichtigung realistischer Einsparmöglichkeiten zu bemessen ist. Bei der Bestimmung der grundsicherungsrechtlich gebotenen Einsparmöglichkeit hinsichtlich der Aufwendungen für die Ausübung des Umgangsrechts ist Ausgangspunkt die verfassungsrechtliche Absicherung dieses Rechts durch Art 6 Abs 2 GG. Eine Einschränkung der Kosten des Umgangsrechts allein aus fiskalischen Gründen scheidet daher aus. Erforderlich ist vielmehr eine Betrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 86, Stand V/2011). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist - auch sozialhilferechtlich - eine Leistung für die Wahrnehmung des Umgangsrechts geboten, die dem Elternrecht beider Elternteile Rechnung trägt und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles dem Wohl des Kindes entspricht (BVerfG Beschluss vom 25.10.1994 - 1 BvR 1197/93 - juris RdNr 25). Mit dem BVerwG ist daher eine individualisierende Betrachtung, die alle das Eltern-Kind-Verhältnis bestimmenden Umstände würdigt, verfassungsrechtlich geboten. Es sind demnach das Alter, die Entwicklung und die Zahl der Kinder, die Intensität ihrer Bindung zum Umgangsberechtigten, die Einstellung des anderen Elternteils zum Umgangsrecht, insbesondere das Vorliegen und der Inhalt einverständlicher Regelungen, die Entfernung der jeweiligen Wohnorte beider Elternteile und die Art der Verkehrsverbindungen in den Blick zu nehmen (BVerwG Urteil vom 22.8.1995 - 5 C 15/94 - juris RdNr 12; vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 86, Stand V/2011).

22

Daneben ist zu berücksichtigen, dass Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung tragen, wonach die menschenwürdige Existenz gefährdet ist, wenn in bestimmten Situationen der Leistungsberechtigte allein auf die Regelleistung verwiesen wird und damit nicht in der Lage sein könnte, einen weiteren anerkannten, zwingenden Bedarf zu decken(vgl auch BT-Drucks 17/1465, S 8; BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 207 f).

23

Im Rahmen dieser Vorgaben sind andererseits bei der Beurteilung der "Einsparmöglichkeiten" sowohl die dem System des SGB II immanente Subsidiarität der Leistungserbringung nach § 5 Abs 1 S 1 SGB II(BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 21),als auch die aus § 3 Abs 3 1. Halbs SGB II folgende Beschränkung auf eine Leistungserbringung nur für den Fall, dass die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann, zu berücksichtigen. So hat der erkennende Senat bereits befunden, dass die getätigten Ausgaben iS eines durch Grundsicherungsleistungen zu deckenden Bedarfs aus Sicht eines verständigen Leistungsberechtigten nicht offenkundig außer Verhältnis zu dem stehen dürfen, was einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 79/12 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 5, RdNr 22). Der darüber hinausgehende Bedarf ist nicht mehr der Höhe nach unabweisbar. Hieraus folgt: Die Aufwendungen für die Kosten des Umgangsrechts müssen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen im Sinne des Grundsicherungsrechts sein; der Leistungsberechtigte muss also die kostengünstigste und gleichwohl im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Umgangsrechts verhältnismäßige sowie zumutbare Variante zur Bedarfsdeckung wählen bzw hat nur Anspruch auf Leistungen in deren Höhe. Unter Berücksichtigung dessen hat der Kläger hier keinen grundsicherungsrechtlich zu deckenden Bedarf, der über einen solchen hinaus geht, der durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstehen würde und den das LSG zutreffend nur insoweit als unabweisbar zugrunde gelegt hat.

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Der Kläger macht einen Bedarf geltend, der bedingt durch die Nutzung eines Pkw - folgt man seinen Berechnungen - über 1000 Euro höher ist, als der, der durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstanden wäre. Folgt man den Ausführungen des 14. Senats des BSG in seiner aktuellen Entscheidung zum Bedarf für die Ausübung des Umgangsrecht (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 28 - zur Veröffentlichung vorgesehen) und legt der Berechnung eine Kilometerpauschale von 0,20 Euro iS von § 5 Abs 1 BRKG zugrunde, so wäre der Bedarf des Klägers durch die Fahrt mit dem Pkw immer noch 584,80 Euro höher als der aufgrund der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel(4624 km x 0,20 = 924,80 - 340 = 584,80 Euro). Zwar weist der 14. Senat insoweit darauf hin, dass es sich nicht um hypothetische Einsparungsmöglichkeiten handeln dürfe (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 24 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Jedoch hat das LSG nach eingehenden Ermittlungen festgestellt, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, unter Nutzung des Bayern-Tickets die Fahrtkosten pro Abholfahrt auf 20 Euro zu senken. Für den gesamten hier streitigen Zeitraum ergäbe sich dann ein Gesamtbedarf von 340 Euro.

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Der Verweis auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist hier auch weder unverhältnismäßig, noch wird der Kläger dadurch unzumutbar in seinem verfassungsrechtlich abgesicherten Umgangsrecht beeinträchtigt. Der Kläger hatte alle 14 Tage ein Umgangsrecht mit seiner im hier streitigen Zeitraum zehn bzw elf Jahre alten Tochter, das sich über 2 1/2 Tage erstreckte. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)betrug die maximale Fahrtzeit für eine Fahrtstrecke mit der Bahn jeweils rund 2 bis 2 1/2 Stunden, während mit dem Pkw ca 1 1/2 Stunden von Nöten waren.

26

Der Kläger gelangt mit der Bahn ebenso wie mit dem Auto an sein Ziel. Beide Reisemöglichkeiten sind daher grundsätzlich "gleich gut" im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet, das Umgangsrecht auszuüben. Die Aufwendungen für die Bahnfahrt sind jedoch um den 2,8-fachen oder, legt man das BRKG zugrunde, um den 1,5-fachen monatlichen Regelbedarf niedriger als die für die Fahrt mit dem Pkw. Im Hinblick auf die Orientierung der Leistungshöhe an der Deckung nur einfacher und grundlegender Bedürfnisse kann daher eine Kostensenkung bei gleichen Ausgangsbedingungen vom Leistungsberechtigten gefordert werden. Die mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verbundene Verlängerung der Fahrtzeit um eine Stunde pro Fahrtstrecke ist im Hinblick auf die Preisdifferenz zwischen den vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Nutzung des Pkw und dem Preis für ein Bahnticket nicht unangemessen.

27

Anders als in dem vom 14. Senat zu entscheidenden Fall wäre das Umgangsrecht des Klägers auch nicht unzumutbar durch die Verlängerung der Fahrtzeit beeinträchtigt worden. Im Fall des 14. Senats wäre durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zwar auch eine zusätzliche Fahrtzeit entstanden. Die Verlängerung der Fahrtzeit hätte jedoch das ohnehin nur fünf Stunden dauernde Umgangsrecht des dortigen Klägers mit dem damals vierjährigen Kind um eine weitere Stunde verkürzt (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 24 - zur Veröffentlichung vorgesehen) und damit in nicht hinzunehmendem Maße beschränkt. Vorliegend wäre das mindestens 48 Stunden dauernde Umgangsrecht durch die Fahrtzeitverlängerung nur unerheblich eingeschränkt worden. Soweit es die Fahrtzeiten mit der Tochter des Klägers betrifft, konnte während der Bahnfahrt, anders als je nach den Umständen des Falles bei einem vierjährigen Kind, das Umgangsrecht durch Unterhaltung und Beschäftigung mit dem Kind bereits ausgeübt werden. Soweit es die Fahrten betrifft, die der Kläger auf dem Hin- und Rückweg jeweils alleine zurückgelegt hat, ist die Verlängerung der Fahrtzeit um je eine Stunde ebenfalls nicht unzumutbar. Es sind nach den Feststellungen des LSG keine Gründe ersichtlich, die für den Kläger eine zwingende Verkürzung erforderlich gemacht hätten, etwa, weil er aufgrund einer Erwerbstätigkeit erst zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte starten oder früher wieder zurück sein müssen.

28

4. Durch die Beschränkung der Mehrbedarfsleistung in dem zuvor dargelegten Umfang wird der Kläger auch nicht in seinem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf Gleichbehandlung oder in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Im Hinblick auf die klägerische Rüge der Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG ist bereits nicht erkennbar, gegenüber welcher Gruppe von Normadressaten er durch die Bewilligung von Leistungen zur Wahrnehmung des Umgangsrechts in Höhe der Kosten für ein Bahnticket ungleich behandelt werden könnte. Hierdurch wird auch weder das Persönlichkeitsrecht des Klägers, noch dessen Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG beeinträchtigt. Die Bewilligung staatlicher Leistungen tangiert nicht dessen abwehrrechtliche Dimension (BVerfG Beschluss vom 29.5.2013 - 1 BvR 1083/09 - RdNr 10). Maßstab ist hier vielmehr das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, für dessen Ausgestaltung aus grundrechtlicher Sicht allein Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG maßgeblich ist (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12). Die Leistung nach § 21 Abs 6 SGB II ist jedoch gerade Ausfluss dessen auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 207).

29

5. Der Tenor war klarstellend neu zu fassen, da das LSG den Verpflichtungsantrag des Klägers nicht tenoriert hat, obwohl es ebenfalls davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem Bescheid vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011 um einen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 31.5.2010 ändernden Bescheid handelt.

30

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2013.

2

Die miteinander verheirateten Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 2003 erworbenen Grundstücks mit selbst bewohntem Wohnhaus von 85 m² Wohnfläche, für dessen Erwerb sie der 1946 geborenen vormaligen Eigentümerin (im Folgenden: Voreigentümerin) und deren 1939 geborenem Ehemann eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von monatlich 440 Euro zu entrichten haben. Bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsraten ist die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, ohne dass ein Ausgleich für die bis dahin empfangenen Zahlungen zu leisten wäre (Ziffern III. 1. und 2. des notariellen Übergabevertrages vom 16.6.2003 mit Nachtrag vom 20.2.2004).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2013 Arbeitslosengeld II (Alg II) zunächst in Höhe der Regelbedarfe sowie eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Bescheid vom 16.1.2013). Auf den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen an die Voreigentümerin setzte der Beklagte das Alg II wie zuvor in Höhe der Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs fest und anerkannte als Bedarfe für Unterkunft und Heizung je Kläger 107,46 Euro für die Zeit vom 1.2. bis 28.2.2013 und 58,51 Euro bzw 58,50 Euro für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.2013 für Betriebskosten (Änderungsbescheide vom 30.1.2013). Den Widerspruch im Übrigen wies er zurück, da die Rente der Tilgung für ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims gleich stehe und daher nicht nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigungsfähig sei(Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).

4

Auf Klage - beschränkt auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung - hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16.1.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013 zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich je 220 Euro für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 verurteilt (Urteil vom 10.5.2013): Aufwendung für Unterkunft sei jede Zahlungsverpflichtung, die eine Wohnraumüberlassung zum Gegenstand habe und deren Nichterfüllung einen Räumungsanspruch des Gläubigers begründen könne. In diesem Sinne sei die monatliche Zahlungspflicht hier ein Leibrentenversprechen, das ähnlich einer Mietzahlung oder eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Gegenleistung für die Überlassung von Wohnraum sei und bei dem im Falle des Zahlungsverzugs mit mehr als drei Monatsraten ein Rücktrittsrecht und Rückübereignungsanspruch zugunsten der Übergeberin bestehe. Diese Zahlungen seien nicht mit Tilgungsraten zu vergleichen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilieneigentum zu entrichten seien; sie sicherten allein den bereits erlangten Vermögensvorteil und dienten nicht unmittelbar der Vermögensmehrung.

5

Mit der mit Zustimmung der Kläger eingelegten und vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Leibrentenzahlungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Tilgungsleistungen keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen iS dieser Vorschrift, denn sie seien Gegenleistung für die Eigentumsübertragung am Hausgrundstück und damit als Ratenzahlungen eines seiner Höhe nach unbestimmten, weil bis zum Tod der Berechtigten zu zahlenden Kaufpreises zu verstehen. Bei vollständiger Erfüllung werde Lastenfreiheit des Grundstücks erreicht. Damit führe die Zahlung zu einer Vermögensbildung.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG entschieden, dass die von den Klägern zu zahlende Rente von 440 Euro monatlich als weiterer Unterkunftsbedarf anzuerkennen ist. Die Rente steht der Tilgung einer ratenweisen Kaufpreisschuld für das Hausgrundstück gleich und ist - da die Tilgung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Voreigentümerin noch nicht bereits weitgehend abgeschlossen war - auch nicht ausnahmsweise als Bedarf für Unterkunft anzuerkennen.

9

1. Gegenstand des Verfahrens sind die den Zeitraum von Februar bis Juli 2013 betreffenden Alg II-Bewilligungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013, wogegen sich die Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 Sozialgerichtsgesetz) wenden. Nicht (mehr) Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ausgangsbescheid vom 16.1.2013, nachdem er durch die im laufenden Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 30.1.2013 vollständig ersetzt worden ist (§ 86 SGG) und sich mangels weitergehender rechtlicher Wirkungen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -).

10

2. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klagantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des SG mit der Sprungrevision angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der ihnen vom SG insoweit zugesprochenen 220 Euro je Kläger - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1.1.2011, im Folgenden: § 19 Abs 1 SGB II nF) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1.1.2011 nichts geändert (zu Verfahren über zuvor abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

11

a) Der Rechtslage bis zum 31.12.2010 haben die Grundsicherungssenate des BSG in ständiger Rechtsprechung entnommen, dass die Gewährung höherer oder überhaupt von Leistungen für Unterkunft und Heizung einen abtrennbaren prozessualen Anspruch bildet, soweit sie - wie vorliegend auch - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X) des betreffenden Bescheids sind. Zwar sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (stRspr; vgl nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54Nr 21, RdNr 32). Hiervon hat das BSG indes eine Ausnahme für Unterkunft und Heizung gemacht, weil die Zuständigkeiten für die Regelleistung (heute: Regelbedarf) einerseits und für die Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm § 19 S 2 bzw 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit 1.8.2006: § 19 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 , BGBl I 1706; im Folgenden § 19 S 2 bzw 3 SGB II aF)unterschiedlich und die Leistungen inhaltlich voneinander abgrenzbar waren, es sich rechtlich also um zwei eigenständige Leistungen und Verfügungen handelte (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff).

12

b) Eigenständige Leistungen in diesem Sinne bilden die Leistungen für den Regelbedarf einerseits und für Unterkunft und Heizung andererseits auch unter Geltung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Unverändert sind danach die Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern ungeachtet des im Hinblick auf die Weiterentwicklung von § 19 SGB II (dazu unten c) geringfügig unterschiedlichen Wortlauts von § 6 Abs 1 S 1 SGB II alter und neuer Fassung weiter vom Prinzip geteilter Trägerschaft geprägt, wie es seit Einführung des SGB II gilt(vgl BT-Drucks 15/2816, S 10): Sofern nicht eine einheitliche Zuständigkeit eines kommunalen Trägers nach §§ 6a f SGB II besteht, sind für Unterkunft und Heizung ausschließlich zuständig die kommunalen Träger und für das Alg II sowie das Sozialgeld mit Ausnahme der Kosten von Unterkunft und Heizung die Bundesagentur für Arbeit; daran hat sich im Gefolge des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nichts geändert (ebenso Rixen/Weißenberg in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6 RdNr 3; Luik, ebenda § 22 RdNr 31). Eher ist die Trennung der Zuständigkeiten nochmals verdeutlicht durch die Neufassung des § 44b Abs 3 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 mWv 1.1.2011 , BGBl I 1112), wonach die Verantwortung für die recht- und zweckmäßige Erbringung jeweils "ihrer Leistungen" in der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II(idF des GSiOrgWG) ausdrücklich jedem Träger gesondert obliegt (zum Zweck dieser Verantwortlichkeitszuweisung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 zu § 44 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vgl BR-Drucks 226/10 S 37 sowie Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 44b RdNr 26 ff, Stand 10/2013).

13

c) Nichts anderes folgt aus der partiellen Neufassung von § 19 und § 22 Abs 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Leistungsrechtlich waren die Kosten für Unterkunft und Heizung schon bis zu dessen Inkrafttreten als Teil des Anspruchs auf Alg II gefasst (vgl § 19 S 1 SGB II idF des GSiFoG: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Sachlich bedeutet es deshalb keinen Unterschied, wenn nunmehr die Leistungen, also Alg II und Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung "umfassen" (§ 19 Abs 1 S 3 SGB II nF) und nach Maßgabe von § 22 SGB II bei Unterkunft und Heizung "Bedarfe" in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen "anerkannt" werden(§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), während zuvor "Leistungen" zu erbringen waren (§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II in der insoweit bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Das verdeutlicht zwar weiter, dass die Leistungsbereiche in dem Sinne aufeinander bezogen sind, als jeweils nach denselben Maßstäben umfassend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, insbesondere die der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, vorliegen(so bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso BT-Drucks 17/3404 S 97 zu § 19). Jedoch trägt dies nicht die Einschätzung, dass hiermit Änderungen substantieller Art verbunden wären (so aber BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22: Leistungen für Unterkunft und Heizung sind nunmehr integraler Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, das den Bedarf für Unterkunft und Heizung als nicht mehr abtrennbaren Teil enthält). Das wäre angesichts der fortbestehenden organisationsrechtlichen Aufspaltung der Verantwortlichkeiten auch schwerlich möglich: Solange die Trägerschaft für die Kosten von Unterkunft und Heizung einerseits und den Regelbedarf andererseits getrennt ist, können Alg II und Sozialgeld keine einheitliche "Gesamtleistung" bilden (so schon BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31).

14

d) Ein prozessuales Verbot der abgetrennten Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung oder den Regelbedarf begründen die Änderungen in § 19 und § 22 Abs 1 SGB II ebenfalls nicht. Zwar stehen dem Gesetzgeber partielle Begrenzungen der grundsätzlich umfassend gewährleisteten Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) zu. Dass dies hier geschehen wäre, ist aber nicht hinreichend deutlich. Einerseits ist das in den Materialien zwar angedeutet (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22). Andererseits findet eine solche Begrenzung schon im Gesetzestext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag, nachdem - wie dargelegt - die Neufassung von § 19 Abs 1 SGB II nF erhebliche Unterschiede zur vorherigen Rechtslage nicht erkennen lässt. Zudem kommt in den Materialien gegenläufig ebenso das Bestreben zum Ausdruck, in Verfahren nach dem SGB II auch künftig Teilelemente abschichten zu können, auch wenn der dazu in Betracht gezogene Ansatz im geltenden Prozessrecht kaum Grundlagen findet (vgl BT-Drucks 17/3404, S 97 zu § 19: "dass … einzelne, dem angefochtenen Leistungsanspruch zugrunde liegende Tatsachen unstreitig gestellt werden"; vgl aus der stRspr hierzu nur BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 14; vgl ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 19 RdNr 82, Stand 1/2012, und Straßfeld, SGb 2011, 436, 442); auch das spricht dagegen, § 19 Abs 1 SGB II als Sperre der isolierten Geltendmachung der Bedarfe von Unterkunft und Heizung zu verstehen(so im Ergebnis auch: Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, Stand 6/2013, § 19 RdNr 30; Lauterbach in Gagel, Online-Ausgabe Stand 2014, § 22 SGB II RdNr 8; Nolte, NZS 2013, 10, 12 ff; Straßfeld, SGb 2011, 436, 442; aA : Berlit in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 9; S. Knickrehm in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 1; offen gelassen Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, K § 19 RdNr 81).

15

3. Anspruch auf weitere jeweils 220 Euro monatlich als Leistung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II nF haben die Kläger ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit im Übrigen nicht.

16

a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Weiteren sind gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II nF Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

17

b) Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, von der abzurücken kein Anlass besteht, Tilgungsraten grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 35; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 169 ff, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 61). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; ebenso 4. Senat, BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Entscheidungen des erkennenden Senats, BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

18

c) Nicht ohne Bedeutung ist hiernach entgegen der Auffassung des SG die "vertragliche Ausgestaltung" der im Streit stehenden Aufwendungen. Maßgebend ist vielmehr, ob die von den Klägern entrichteten Zahlungen an die Voreigentümerin wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Das beurteilt sich nach der Rechtsprechung allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet sein können (vgl BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 21). Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung ist bei Grundstückskäufen auf Leibrentenbasis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wie eng das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Rentenzahlung und Grundstücksgeschäft beschaffen ist. Als Leibrente im eigentlichen Sinne des § 759 BGB erachtet der BGH ein "einheitlich nutzbares Recht …, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus wiederkehrenden, gleichmäßigen und in gleichen Zeitabständen zu gewährenden Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen"(BGH Urteil vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 - BB 1966, 305 - juris RdNr 22). Der Leibrente zugeordnet wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag deshalb nur, wenn die Gegenleistung für dessen Überlassung mit der Einräumung des Stammrechts, aus dem die Einzelansprüche erwachsen, formal bereits als vollständig erbracht anzusehen ist und die Rentenzahlungen deshalb im strengen Sinne nicht Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung sind, sondern Erfüllung des bereits vorher gewährten Rentenstammrechts. Steht dagegen nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung - und hat sich der Überlasser deshalb den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten für den Fall, dass der Übernehmer mit Zahlungen in Rückstand gerät - dann bilden die "Rentenzahlungen in ihrer Gesamtheit den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks" (BGH Beschluss vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 - WM 1991, 1644, juris RdNr 2 ff, RdNr 5).

19

d) Hiernach könnten Leibrenten der Miete allenfalls gleich zu stellen sein, wenn es sich um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB handelt. Muss dagegen eine "Leibrentenzahlung" bei vorbehaltenem Rücktritt - wie hier vertraglich ausbedungen - als Kaufpreisteil gesehen werden, so ist nicht anzunehmen, dass die Zahlungen nicht der Finanzierung des Grunderwerbs dienen. Maßgeblich ist dann nach der Rechtsprechung des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist" (vgl erkennender Senat: BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; 4. Senat: BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden, nachdem die 2005 - dem Jahr des erstmaligen Bezugs von SGB II-Leistungen der Kläger - 59 Jahre alte Voreigentümerin statistisch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren hatte (Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2008/2010, S 342).

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2013 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind die Gewährung von Leistungen für den Regelbedarf im Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2011 an die Klägerin zu 2, trotz des zeitgleichen Bezugs von Teilhabeleistungen nach §§ 97 ff SGB III, und höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin zu 1.

2

Der im streitigen Zeitraum 19- bzw 20-jährigen Klägerin zu 2 ist ein GdB von 100 wegen einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit zuerkannt worden. Sie erhielt in dem hier streitigen Bewilligungsabschnitt Teilhabeleistungen nach §§ 97 ff SGB III iVm §§ 33 ff und §§ 44 ff SGB IX durch die BA in Gestalt einer Ausbildung zur Buchbinderin - Buchfertigung (Serie) im Berufsbildungswerk M und wohnte im dortigen Internat mit Vollverpflegung. Während der Ferien und jedes zweite Wochenende (Heimfahrtwochenende) war das Internat geschlossen. Das Ausbildungsgeld betrug 104 Euro monatlich. Zudem erhielt sie Fahrtkosten in Höhe von 236 Euro monatlich und einmalig für die An- und Abreise 118 Euro. Der Ausbildungsvertrag vom 28.6.2010 war ins Ausbildungsverzeichnis der IHK eingetragen.

3

Die erwerbsfähige Klägerin zu 1 ist die Mutter der Klägerin zu 2. Sie lebte mit einer weiteren, 1993 geborenen Tochter (im Weiteren S) im streitigen Zeitraum in einer gemeinsamen Wohnung in H Dorthin kehrte die Klägerin zu 2 auch während der Schließungszeiten des Internats zurück. Die Klägerin zu 1 und S erhielten bereits vor dem streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Beklagten. S erzielte 140 Euro aus einer Praktikumstätigkeit. Die Klägerin zu 1 erhielt für beide Kinder Kindergeld in Höhe von 368 Euro insgesamt (2 x 184 Euro).

4

Durch Bescheid vom 29.11.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1 - einschließlich einer Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehung - und S Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, jedoch ohne Unterkunftsleistungen, die der kommunale Träger gewährte. Diesen Bescheid änderte er durch Bescheid vom 26.3.2011 wegen der gesetzlichen Erhöhung der Leistungen für den Regelbedarf, durch Bescheid vom 30.3.2011 wegen einer fiktiven Einkommensberücksichtigung der S, durch Bescheid vom 25.5.2011 wegen des Zuflusses von Einkommen der S unter Aufhebung der vorhergehenden Bewilligung und Geltendmachung einer Erstattungsforderung und wiederholte dies durch Bescheid vom 27.7.2011. Die Widersprüche der Klägerinnen und S gegen den ersten Bewilligungsbescheid wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 4.8.2011 zurück. Zur Begründung führte er ua aus, die Klägerin zu 2 habe aufgrund ihres Ausschlusses als Auszubildende keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und bilde keine zumindest temporäre Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1 und S. Die Ausnahmeregelung des § 7 Abs 6 SGB II greife hier nicht. Das der Klägerin zu 1 für die Klägerin zu 2 gezahlte Kindergeld sei als Einkommen der Kindergeldberechtigten bei der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen, denn die Klägerin zu 2 sei volljährig und das Kindergeld werde nicht nachweislich an sie weitergeleitet.

5

Das SG hat die Klagen der Klägerinnen zu 1 und 2 sowie von S - Letztere ist durch Berufungsrücknahme im zweitinstanzlichen Verfahren als Verfahrensbeteiligte ausgeschieden - abgewiesen (Urteil vom 28.3.2012). Zuvor hatte sich der Beklagte bereit erklärt, über einen Anspruch der Klägerin zu 2 (im Urteil des SG als Klägerin zu 3 bezeichnet) auf Darlehensleistungen nach § 7 Abs 5 S 2 SGB II bzw § 27 Abs 4 SGB II zu entscheiden, den er später anerkannt hat, soweit von einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II auszugehen sei. Das SG hat die Bescheide des Beklagten für rechtmäßig befunden und einen Leistungsausschluss der Klägerin zu 2 bejaht. Die von der Klägerin zu 2 absolvierte Ausbildung sei dem Grunde nach förderfähig nach dem SGB III. Hieraus folge, dass auch die Klägerin zu 1 keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe. Ebenso wenig sei ein Anspruch der Klägerin zu 2 auf Mehrbedarfsleistungen nach dem SGB II gegeben, insbesondere nicht nach § 21 Abs 4 und § 27 Abs 2 SGB II. Das LSG hat die Berufung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des SG und einen Verweis auf zahlreiche Entscheidungen anderer Landessozialgerichte zurückgewiesen (Urteil vom 15.5.2013). Leistungen für Unterkunft und Heizung hat es als nicht streitgegenständlich bewertet, denn der Beklagte habe hierüber im streitigen Zeitraum nicht zu entscheiden gehabt. Von einer Beiladung des Jobcenters M habe abgesehen werden können, denn die Klägerin zu 2 habe ihren Lebensmittelpunkt in H bei ihrer Mutter aufrecht erhalten.

6

Mit ihrer - durch Beschluss des erkennenden Senats vom 1.11.2013 zugelassenen - Revision haben die Klägerinnen ua eine Verletzung von § 7 Abs 5 S 1 SGB II geltend gemacht. Die Klägerin zu 2 sei nicht von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Bereits der Wortlaut des § 7 Abs 5 SGB II zeige, dass die beim Berufsbildungswerk M erbrachte Teilhabeleistung keine dem Grunde nach förderfähige Ausbildung sei. Ausgangspunkt der Bewertung insoweit sei das konkrete Ausbildungsverhältnis. Es mangele hier an dem nach § 57 SGB III erforderlichen Ausbildungsvertrag und die Klägerin zu 2 habe auch keine Vergütung erhalten. Zudem sei die Berufsausbildungsbeihilfe monetär deutlich höher als das hier erbrachte Ausbildungsgeld. Das Ausbildungsgeld selbst und die ihr gewährten Leistungen für Fahrtkosten seien nicht als Einkommen bei der Berechnung der der Klägerin zu 2 zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen. Es handele sich insoweit um zweckgebundene Einnahmen. Die Klägerin zu 2 habe als nach dem SGB II Leistungsberechtigte auch Anspruch auf die Mehrbedarfsleistung des § 21 Abs 4 SGB II.

7

Die Klägerinnen beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2013 und des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. März 2012 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 29. November 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. März 2011, 30. März 2011 und 25. Mai 2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2011 zu ändern, und den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2011 der Klägerin zu 2 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich einer Mehrbedarfsleistung nach § 21 Abs 4 SGB II sowie der Klägerin zu 1 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Er hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, dass die Klägerin zu 2 eine Ausbildung entsprechend der Buchbinder-Ausbildungsverordnung absolviert habe. Ihr seien zudem neben dem Ausbildungsgeld weitere Leistungen in Gestalt der Unterbringung im Internat, Verpflegung und Reisekosten gewährt worden.

Entscheidungsgründe

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Die Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet.

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Die Klägerin zu 2 hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie ist von diesen nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II idF des Gesetzes vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) bzw § 7 Abs 5 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453, mWv 1.4.2011) ausgeschlossen, da sie mit der Ausbildung zur Buchbinderin eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung nach dem SGB III absolviert (2.). Eine Rückausnahme nach § 7 Abs 6 SGB II ist hier nicht gegeben (3.) Sie hat auch keinen Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen nach § 21 Abs 4 SGB II. Anhaltspunkte für einen anderen Mehrbedarf iS des § 21 SGB II oder § 27 Abs 2 SGB II idF der Neubekanntgabe vom 13.5.2011 (BGBl I 850, mWv 1.4.2011) sind ebenfalls nicht gegeben (4.). Die Klägerin zu 1 hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das ihr als Kindergeldberechtigter gezahlte Kindergeld für die Klägerin zu 2 ist im Rahmen der Berechnung der Leistungen der Klägerin zu 1 als deren Einkommen zu berücksichtigen (5.).

12

1. Streitgegenstände des Revisionsverfahrens sind die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Mehrbedarfsleistungen an die Klägerin zu 2 sowie höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin zu 1 im Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2011 als von dem Beklagten im Bewilligungsbescheid vom 29.11.2010 idF der Änderungsbescheide vom 26.3.2011, 30.3.2011 und 25.5.2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.8.2011, verfügt. Die Verfügung des Beklagten im Bescheid vom 30.3.2011 ist zwar, soweit sie die Leistungen der S betrifft, nicht mehr Gegenstand des Verfahrens vor dem Revisionsgericht. S hat die Berufung vor dem LSG zurückgenommen und ist keine Revisionsklägerin. Sollte jedoch das Kindergeld für die Klägerin zu 2 nicht als Einkommen bei der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen sein, würde sich das Verhältnis des eigenen Bedarfs der Klägerin zu 1 zum Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft auch unter Berücksichtigung des Einkommens von S ändern, sodass die Bemessung der Leistung für die Klägerin zu 1 in diesem Bescheid insoweit streitgegenständlich bleibt. Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist hingegen der Bescheid des Beklagten vom 27.7.2011, denn er wiederholt nur die Verfügung vom 25.5.2011. Ebenfalls nicht Streitgegenstand sind Leistungen für Unterkunft und Heizung. Abgesehen davon, dass der Beklagte insoweit keine Verfügungen in den angefochtenen Bescheiden getroffen hat, weil er den kommunalen Träger hierfür in der Pflicht sah, haben die Klägerinnen auch keine Klage wegen der Unterkunfts- und Heizkosten erhoben. Die Trennung der Streitgegenstände Regelbedarf sowie Bedarf für Unterkunft und Heizung ist auch zulässig. Insoweit schließt sich der erkennende Senat dem 14. Senat des BSG an, der mit Urteil vom 4.6.2014 in einem zu dem vorliegenden umgekehrten Fall befunden hat, die Beschränkung der Klage auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung sei zulässig, auch wenn sie - wie hier - einen Zeitraum nach dem Inkrafttreten des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG (BGBl I 453, mWv 1.1.2011 bzw 1.4.2011) betreffe (B 14 AS 42/13 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die darlehensweise Leistungsgewährung aufgrund eines Härtefalls nach § 7 Abs 5 S 2 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) bzw § 27 Abs 4 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453, mWv 1.4.2011) war im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen, da der Beklagte insoweit ein von den Klägerinnen angenommenes Anerkenntnis für den Fall des Leistungsausschlusses der Klägerin zu 2 abgegeben hat.

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2. Unabhängig von den fehlenden Feststellungen des LSG zur Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 2 iS des § 7 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 SGB II war sie im streitigen Zeitraum bereits wegen des Absolvierens einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gemäß § 7 Abs 5 S 1 bzw dem wortgleichen § 7 Abs 5 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453, mWv 1.4.2011) ausgeschlossen. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung …. nach den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die von der Klägerin zu 2 absolvierte Ausbildung zur Buchbinderin führt zu einem derartigen Leistungsausschluss. Es handelt sich bei dieser um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung iS des § 7 Abs 5 SGB II. Hieran ändert es nichts, dass deren Förderung durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen erfolgt ist (Ausschluss auch bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Sächsisches LSG vom 9.9.2013 - L 7 AS 1237/13 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen 22.1.2014 - L 13 AS 140/11, beim BSG anhängig unter dem Aktenzeichen B 14 AS 16/14 R; kein Ausschluss: s LSG Berlin-Brandenburg vom 11.2.2008 - L 5 B 10/08 AS ER; kein Ausschluss bei einer berufsvorbereitenden Maßnahme als Teilhabeleistung: LSG Berlin-Brandenburg vom 10.3.2009 - L 20 AS 47/09 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.11.2011 - L 20 AS 1663/10; LSG Berlin-Brandenburg vom 16.1.2011 - L 26 AS 2360/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 26.6.2013 - L 34 AS 2690/12; LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.3.2014 - L 9 AS 310/13, anhängig beim BSG unter dem Aktenzeichen B 14 AS 25/14 R). Dies lässt sich bereits aus dem Wortlaut iVm der bisherigen Auslegung des § 7 Abs 5 SGB II in der Rechtsprechung des BSG erschließen (a) und wird gestützt durch die Betrachtung der gesetzlichen Entwicklung des Leistungsauschlusses für Auszubildende im Sozialhilfe- und Grundsicherungsrecht (b), des systematischen Zusammenhangs, in dem § 7 Abs 5 SGB II steht (c), sowie von Sinn und Zweck des Ausschlusses von Auszubildenden im Hinblick auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (d).

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a) Der Wortlaut des § 7 Abs 5 SGB II umfasst auch besondere Leistungen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben in Gestalt einer Ausbildung. Zwar weisen die Klägerinnen zutreffend darauf hin, dass die in § 7 Abs 5 SGB II aufgeführte Normenkette des SGB III die von der Klägerin zu 2 bezogenen Förderleistungen nicht ausdrücklich benennt. Der Klägerin zu 2 sind nach den Feststellungen des LSG keine Leistungen für eine berufliche Ausbildung nach §§ 59 ff SGB III von der BA gewährt worden, sondern besondere Leistungen nach §§ 102 ff SGB III in den zu Beginn der Ausbildung im August 2010 jeweils geltenden Fassungen(§ 422 SGB III), also Leistungen im Rahmen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (§§ 97 ff SGB III). Die BA hat dabei die Teilnahmekosten für die Maßnahme der Ausbildung zur Buchbinderin im Berufsbildungswerk M nach § 103 S 1 Nr 3 SGB III iVm § 109 SGB III übernommen, die Klägerin zu 2 in einem Internat mit Vollverpflegung untergebracht(§ 106 Abs 3 SGB III) sowie Ausbildungsgeld nach § 104 Abs 1 Nr 1 SGB III iVm § 105 Abs 1 Nr 2 SGB III gezahlt und die Fahrtkosten für die Heimfahrten übernommen. Die Klägerin hat damit - unabhängig von der nicht ausdrücklichen Erwähnung dieser Vorschriften im § 7 Abs 5 SGB II - eine nach dem Wortlaut des Ausschlusstatbestandes dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung iS der §§ 60 bis 62 SGB III absolviert. Wie beide für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden haben, kommt es für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II allein auf die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung an(BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 15 mwN; BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 9 juris RdNr 17; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 20 juris RdNr 15; BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 145/10 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 26 RdNr 14; zuletzt BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R, SozR 4-3200 § 7 Nr 27 RdNr 13). Diese ist bei der von der Klägerin zu 2 absolvierten Ausbildung zur Buchbinderin gegeben.

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Nach § 60 Abs 1 SGB III ist eine berufliche Ausbildung förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Bei der von der Klägerin zu 2 absolvierten Ausbildung zur Buchbinderin handelt es sich nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)um eine in diesem Sinne förderungsfähige. Auch die Klägerinnen bestreiten weder, dass es sich bei der Ausbildung zur Buchbinderin um eine solche in einem anerkannten Ausbildungsberuf handelt, noch dass sie in das Ausbildungsverzeichnis der IHK eingetragen worden ist. Sie vertreten jedoch die Auffassung, dass der Ausbildungsvertrag nicht den Anforderungen des § 60 Abs 1 SGB III genüge, da für die Klägerin zu 2 keine angemessene Ausbildungsvergütung vereinbart, diese im Gegenteil ausgeschlossen worden sei. Mit diesem Vortrag können sie jedoch aus zweierlei Gründen nicht durchdringen.

16

Zum einen ist nach der Rechtsprechung des für die Arbeitsförderung zuständig gewesenen 7a-Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, die Eintragung bzw die Nichteintragung des Berufsausbildungsverhältnisses in das Berufsausbildungsverzeichnis für Gerichte, andere Behörden und Dritte insoweit bindend, als damit ua im Hinblick auf das Vorliegen eines Ausbildungsverhältnisses Tatbestandswirkung eintritt (BSG vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 100/04 R, juris RdNr 16). Mit der Aufnahme von Berufsausbildungsverhältnissen in das nach dem BBiG einzurichtende und zu führende Verzeichnis durch die hierfür zuständige Stelle erfolgt zugleich eine Entscheidung darüber, ob eine Ausbildung der durch das BBiG vorgeschriebenen Form entspricht (BSG vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 100/04 R, juris RdNr 16; s auch BSG vom 21.6.1994 - 11 RAr 81/93, SozR 3-4100 § 40 Nr 8 S 36 juris RdNr 19). Eine Überprüfung der inhaltlichen Übereinstimmung der Ausbildung mit den Vorschriften des BBiG und der jeweiligen Ausbildungsordnung steht den Gerichten im Rahmen der Überprüfung der Entscheidung der BA über die Berufsausbildungsbeihilfe dann folglich nicht mehr zu.

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Ist die iS des § 7 Abs 5 SGB II erforderliche abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung gegeben, so kommt es - wie ebenfalls beide für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits entschieden haben - auf die individuelle Förderungsfähigkeit, die im Verhältnis zum Träger der Ausbildungsförderleistung eingetreten ist, nicht mehr an(BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 15 mwN; BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 9 juris RdNr 17; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 20 juris RdNr 15; BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 145/10 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 26 RdNr 14; zuletzt BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R, SozR 4-3200 § 7 Nr 27 RdNr 13). Dies betrifft sowohl Gründe, die zum Versagen von Förderleistungen führen (vgl hierzu die zitierte Rspr) als auch den individuell bedingten Umfang der Förderung und die Förderleistungen im Einzelnen. Soweit die Klägerin zu 2 mithin ihre Ausbildung nicht in einem Betrieb, sondern in einem Berufsbildungswerk absolviert und deswegen keine Ausbildungsvergütung, sondern die oben beschriebenen Leistungen von der BA als Teilhabeleistungen erhalten hat, ist dies den individuellen, in der Person der Klägerin zu 2 liegenden Umständen geschuldet und keine Frage der abstrakten Förderungsfähigkeit der Ausbildung. Als ein solcher individueller Grund machte die Behinderung der Klägerin zu 2 die Erbringung der Ausbildungsförderung als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich (§ 97 Abs 1 SGB III iVm §§ 33 ff, 44 ff SGB IX).

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Solche Leistungen können nach § 98 SGB III als allgemeine oder besondere erbracht werden. Die Klägerin hat hier die bereits erwähnten besonderen Leistungen nach § 102 ff SGB III erhalten. Grundsätzlich gilt jedoch gemäß § 99 SGB III, dass die allgemeinen und besonderen Leistungen sich nach den Vorschriften des ersten und vierten bis sechsten Abschnitts(Fünfter Abschnitt des SGB III = §§ 60 bis 62 SGB III)richten, soweit in den nachfolgenden Normen nichts Abweichendes bestimmt ist. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung (s auch Großmann in Hauck/Noftz, SGB III K § 114 RdNr 2, Stand 05/2014; Lauterbach in Gagel, SGB II/III, § 99 SGB III RdNr 1, Stand 04/201; s auch Luik, in Eicher/Schlegel, SGB III, § 114 RdNr 2 und 15, Stand 04/2013). Dies bedeutet, dass die Voraussetzungen etwa der §§ 59 ff SGB III im Hinblick auf die Förderungsfähigkeit gegeben sein müssen, soweit nicht ab § 100 ff SGB III Besonderheiten normiert sind, die der spezifischen - hier - Ausbildungssituation behinderter Menschen Rechnung tragen(s Luik, in Eicher/Schlegel, SGB III, § 114 RdNr 2 und 15, Stand 04/2013). Damit wird berücksichtigt, dass zwar das Vorliegen einer Behinderung Voraussetzung für die Leistungserbringung nach §§ 97 ff SGB III ist, das Eingliederungsziel jedoch - soweit nichts Abweichendes bestimmt ist - mit den Instrumentarien der allgemeinen aktiven Arbeitsförderung erreicht werden soll(vgl Großmann in Hauck/Noftz, SGB III, K § 114 RdNr 9, Stand 05/2014; Lauterbach in Gagel, SGB II/III, § 99 SGB III RdNr 1, Stand 04/2001). Letztlich soll damit eine Gleichbehandlung behinderter erwerbsfähiger und nichtbehinderter erwerbsfähiger Auszubildender durch einen wegen der Behinderung erforderlichen Ausgleich bewirkt werden (vgl Treichel, NZS 2013, 805, 809). Aufgrund dieses systematischen Zusammenhangs bedurfte es im Hinblick auf den Grundgedanken, dass für den Leistungsausschluss die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach erforderlich ist und die individuelle Situation insoweit keine Rolle spielt, keiner ausdrücklichen Erwähnung der Vorschriften über das Ausbildungsgeld nach §§ 103 Nr 2 iVm 104, 105 SGB III im Wortlaut der Regelung des § 7 Abs 5 Abs 1 SGB II. Die abstrakte Förderungsfähigkeit auch einer Teilhabeleistung in Gestalt der Ausbildung bestimmt sich nach den Regeln der §§ 60 ff SGB III unter Berücksichtigung der Besonderheiten der §§ 97 ff SGB III.

19

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist dem Urteil des erkennenden Senats vom 22.3.2012 (B 4 AS 102/11 R, SozR 4200 § 7 Nr 27 RdNr 17)zum "Urlaubssemester" nichts Anderes zu entnehmen. Voraussetzung für die Beurteilung des Leistungsausschlusses der dortigen Klägerin war die abstrakte Förderungsfähigkeit des von ihr absolvierten Studiums. Der erkennende Senat hat insoweit darauf hingewiesen, dass auch der Leistungsanspruch während eines Urlaubssemesters sich nach der abstrakten Förderungsfähigkeit des Studiums bemessen müsse. Daher könne ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II während eines Urlaubssemesters nur dann gegeben sein, wenn der Studierende während dessen entweder aus organisationsrechtlichen Gründen der Hochschule nicht mehr angehört oder die organisationsrechtliche Zugehörigkeit zwar weiterhin vorliegt, er sein Studium jedoch tatsächlich nicht betreibt. Es mangelt dann bereits an der zum Leistungsausschluss iS des § 7 Abs 5 SGB II führenden "Ausbildung".

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b) Dieses Ergebnis nach der Wortlautbetrachtung in Kombination mit ersten systematischen Überlegungen wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialien zum SGB II und einen Blick auf die Entwicklung der vergleichbaren Ausschlussregelung des § 26 BSHG, nunmehr § 22 SGB XII.

21

Zwar finden sich in den Gesetzentwürfen zur Einführung des SGB II keine ausdrücklichen Hinweise darauf, dass ein Leistungsausschluss auch der Bezieher von Teilhabeleistungen zur Ausbildung nach dem SGB III mitbedacht worden ist. Erstmals in der Begründung zu § 22 Abs 7 SGB II, der durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vom 20.7.2006 (BGBl I 1706 mWv 1.1.2007) ergänzende Unterkunftsleistungen für von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossene Auszubildende geschaffen hat, wird jedoch deutlich, dass die zuvor dargelegte Wortlautauslegung auch durch den Gesetzgeber intendiert war. § 22 Abs 7 S 1 SGB II in der Ausgangsfassung lautet: Abweichend von § 7 Abs 5 erhalten Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem SGB III … erhalten und deren Bedarf sich nach § 65 Abs 1, § 66 Abs 3, § 101 Abs 3, § 105 Abs 1 Nr 1, 4, § 106 Abs 1 Nr 2 SGB III... bemisst, einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II). Bereits im Wortlaut kommt hier zum Ausdruck, dass auch Bezieher von Ausbildungsgeld von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sein können und nicht nur solche Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe aufgrund der §§ 59 ff SGB III erhalten. In der Entwurfsbegründung wird auch erstmals ausdrücklich hierauf hingewiesen (BT-Drucks 16/1410, S 24). Während die Rückausnahme zum Leistungsausschluss durch § 7 Abs 6 SGB II zunächst nicht parallel zu § 22 Abs 7 SGB II geändert wurde, ist mit dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen vom 20.12.2011 (BGBl I 2854) mWv zum 1.4.2012 auch dort eine Bezugnahme auf die Regelungen zum Ausbildungsgeld nach dem SGB III erfolgt. In der Entwurfsbegründung hierzu heißt es, dass die Neufassung des § 7 Abs 6 Nr 2 SGB II mit den Worten: "… deren Bedarf sich nach § 62 Abs 1 oder § 124 Abs 1 Nr 1 SGB III bemisst …", iS der gängigen Praxis klarstelle, dass auch behinderte Menschen, die mit Anspruch auf Ausbildungsgeld eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme besuchten(Parallelität zu § 61 SGB III für nichtbehinderte erwerbsfähige Leistungsberechtigte)und im Haushalt der Eltern untergebracht seien - als Rückausnahme zu deren Ausschluss - einen Anspruch auf Alg II oder Sozialgeld (unter Anrechnung des Ausbildungsgeldes) hätten (BT-Drucks 17/3404, S 93). Die mit dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführte Regelung des § 27 SGB II, die alle Leistungen an ausgeschlossene Auszubildende zusammenfasst, hat die Verweisungstechnik auf die Vorschriften zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB III für "behinderte Auszubildende" in § 27 Abs 3 SGB II(Ersatz für § 22 Abs 7 SGB II) fortgeführt. Dort ist sodann auf die Vorschriften der §§ 105 Abs 1 Nr 1(Bedarf eines Ausbildungsgeldbeziehers während der Berufsausbildung bei Unterbringung im Elternhaus) und 4 (dessen anderweitige Unterbringung) sowie § 106 Abs 1 Nr 2 SGB III(Bedarf eines Ausbildungsgeldbeziehers ua während einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme) Bezug genommen worden, mit dem Hinweis, dass die Vorschrift im Wesentlichen § 22 Abs 7 SGB II entspreche(BT-Drucks 17/3404, S 103). Soweit also in den Entwurfsbegründungen im Wesentlichen ohne nähere Erläuterung auch Bezieher von Ausbildungsgeld im Rahmen von Teilhabeleistungen nach dem SGB III als vom Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II umfasst angesehen wurden, ist der Blick - im Sinne der gängigen Praxis - dem Sozialhilferecht zuzuwenden.

22

Die Einfügung des Leistungsausschlusses für Auszubildende in das SGB II aufgrund des Vorschlags des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit ist mit der Angleichung der Regelungen von SGB II und SGB XII begründet worden, um mit dem neuen Sozialhilferecht ein Referenzsystem steuerfinanzierter Fürsorgeleistungen einschließlich des Alg II zu schaffen (Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 16.10.2003, BT-Drucks 15/1749, S 31). Der Leistungsausschluss von Auszubildenden war bereits im BSHG (§ 31 Abs 4 BSHG) durch das 1. Haushaltsstrukturgesetz 1975 (BGBl I 3091) eingeführt worden (ersetzt 1982 durch § 26 BSHG, 2. Haushaltsstrukturgesetz von 1981, BGBl I 1523), verbunden mit der Streichung der "Ausbildungshilfe" als originäre Leistung der Sozialhilfe. Hierbei ist es in der Folgezeit trotz intensiver sozialpolitischer Diskussionen auch geblieben (vgl hierzu Birk ua in LPK - BSHG, 3. Aufl 1990, § 26 RdNr 3, 4; s auch Brühl in LPK - BSHG, 6. Aufl 2003, § 26 RdNr 2; Schellhorn, BSHG, 15. Aufl 1997, § 26 RdNr 2 ff). Die Regelung des § 26 BSHG wurde damit zum Vorbild für den heutigen Leistungsausschluss für Auszubildende nach § 22 SGB XII(vgl Voelzke in juris-PK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 22 RdNr 5; so auch BT-Drucks 15/1514 S 57) und § 7 Abs 5 SGB II. Die Ausschlussvorschrift des BSHG enthielt jedoch auch nur einen Verweis auf die Förderfähigkeit durch Berufsausbildungsbeihilfe (§ 40 AFG) und nicht auf berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation (§ 58 AFG - vergleichbar den heutigen Teilhabeleistungen des SGB III). Aus der Anwendungspraxis des § 26 BSHG kann jedoch geschlossen werden, dass die mangelnde Erwähnung des zuletzt benannten Personenkreises in den ersten Entwurfsbegründungen zum SGB II darauf zurückzuführen ist, dass deren Ausschluss - wie im BSHG - als umfasst angesehen worden war. Denn nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung waren auch ohne Bezugnahme auf die Vorschriften zur Rehabilitation im AFG behinderte Auszubildende von der Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen (vgl nur VGH Baden-Württemberg vom 5.1.1996 - 6 S 2979/95; VG Meiningen vom 5.2.2004 - 8 E 31/04.Me).

23

c) Auch die systematische Betrachtung des Normgefüges im SGB II bestätigt das nach der Wortlautauslegung und dem geschichtlichen Hintergrund des Leistungsausschlusses für durch Teilhabeleistungen zur Arbeit geförderte Auszubildende gefundene Ergebnis. Bei der Betrachtung der Gesetzesmaterialien ist bereits deutlich geworden, dass § 7 Abs 5 S 1 SGB II im Zusammenhang mit dem System der Rückausnahme vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 6 SGB II und Leistungsgewährung trotz Leistungsausschlusses nach § 22 Abs 7 SGB II sowie später § 27 SGB II steht. Sowohl § 7 Abs 6 SGB II als auch § 22 Abs 7 SGB II und § 27 SGB II setzen voraus, dass der nach diesen Vorschriften Leistungsberechtigte von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Wenn aber sowohl die Rückausnahme als auch die Gleichwohlleistungsgewährung im Normtext ausdrücklich auch Bezieher von besonderen Leistungen zur Teilhabe nach §§ 102 ff SGB III berücksichtigen, ist es systematisch stimmig, dass sie bereits vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II umfasst waren.

24

d) Der Ausschluss der SGB II - Leistungen auch für Auszubildende, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von der BA erbracht werden, entspricht auch dem Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 5 SGB II. Bereits vom BVerwG war erkannt worden, dass das Sozialhilferecht grundsätzlich nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Denn die Leistungsansprüche zur Ausbildungsförderung seien - so die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung - außerhalb des BSHG sondergesetzlich abschließend geregelt (BVerwG vom 12.2.1981 - 5 C 51/80, BVerwGE 61, 352, 356; BVerwG vom 14.10.1993 - 5 C 16/91, BVerwGE 94, 224, 226 f). Die Ausschlussregelung für Auszubildende sollte die Sozialhilfe mithin davon befreien, eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen, insbesondere für die Auszubildenden, die aus individuellen Gründen keine anderen Ausbildungsförderleistungen erhielten (BVerwG vom 12.2.1981 - 5 C 51/80 - BVerwGE 61, 352, 358 f; BVerwG vom 17.1.1985 - 5 C 29/84 - BVerwGE 71, 12, 15 ff; BVerwG vom 7.6.1989 - 5 C 3/86 - BVerwGE 82, 125, 129; BVerwG vom 14.10.1993 - 5 C 16/91 - BVerwGE 94, 224, 226). Aus dem Zusammenspiel von Leistungsausschluss und auch bereits im BSHG normierter Härteregelung (§ 26 Abs 1 S 2 BSHG) hat das BVerwG gefolgert, dass "Hilfebedürftige", die eine abstrakt förderfähige Ausbildung betrieben und nach den dafür vorgesehenen Leistungsgesetzen nicht (mehr) gefördert würden, in der Regel gehalten seien, von der Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen, um für die Dauer der Hilfebedürftigkeit den Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzuwenden. Den so vom BVerwG umschriebenen Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses von Auszubildenden haben die beiden für die Grundsicherungsangelegenheiten zuständigen Senate des BSG auch als für die Leistungen nach dem SGB II maßgeblich angesehen (s nur BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 17 ff; BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 67/08 R - juris RdNr 17). Insoweit gilt für die Förderung zumindest einer Ausbildung im Rahmen der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nichts anderes (Jenak in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 122 SGB III, RdNr 41).

25

Auch bei behinderten Menschen erfolgt die Förderung der Ausbildung - in einem anderen System als dem SGB II - durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit einer - auch der Klägerin zu 2 - gewährten Übernahme der Maßnahmekosten. Die Sicherung des Lebensunterhalts darüber hinaus wird nach § 45 SGB IX iVm § 104 Abs 1 Nr 1 iVm § 105 Abs 1 Nr 2 SGB III durch das Ausbildungsgeld bewirkt(vgl Reyels in jurisPK-SGB IX, § 45 RdNr 21, Stand 04/2014). Der behinderte Mensch wird insoweit dem nichtbehinderten Menschen, der eine nach dem SGB III dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung betreibt, gleichgestellt. Er erhält Ausbildungsgeld an Stelle der Berufsausbildungsbeihilfe (vgl BSG vom 8.6.1989 - 7 RAr 122/88, SozR 4100 § 59 Nr 8 juris RdNr 28). Das Ausbildungsgeld wiederum ist der Höhe nach davon abhängig, wo und in welcher Form die Ausbildung erfolgt. Vorliegend hat die BA der Klägerin zu 2 Internatsunterbringung und Verpflegung nach den hier noch anzuwendenden §§ 102 ff SGB III als Leistungen neben dem Ausbildungsgeld erbracht. Das Ausbildungsgeld war entsprechend niedriger als bei der anderweitigen Unterbringung oder im Elternhaus. Damit war der Lebensunterhalt der Klägerin zu 2 während der Ausbildung jedoch sichergestellt und eine darüber hinausgehende Gewährung von Leistungen für den Regelbedarf nach dem SGB II würde auf die Schaffung des soeben als Zweck des Leistungsausschlusses benannten zweiten Standbeines für die Ausbildungsförderung hinauslaufen.

26

Den Einwand der Klägerinnen, das Ausbildungsgeld sei lediglich eine Art Motivationsunterstützung, damit die Ausbildung tatsächlich betrieben werde und daher kein Standbein einer Ausbildungsförderung, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Zum einen hat der 8. Senat des BSG bereits ausführlich dargelegt, dass es sich beim Ausbildungsgeld nicht um eine Leistung handelt, deren Zweck über die Unterhaltssicherung hinausgeht; der erkennende Senat schließt sich dem an (BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R, BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6, juris RdNr 24, 26). Auch handelt es sich insoweit nicht um eine "Mehraufwandsentschädigung", denn - hierauf weist der 8. Senat ebenfalls zutreffend hin - ausbildungsbedingte Mehraufwendungen sind nach Maßgabe der §§ 109 f SGB III von der BA zu übernehmen(BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R, BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6, juris RdNr 25). Im Übrigen erfolgt im vorliegenden Fall die Unterhaltssicherung nicht ausschließlich über das Ausbildungsgeld, sondern auch durch die für die Klägerin zu 2 kostenfreie Unterbringung in einem Internat sowie die Verpflegung dort. Auch die Reisekosten werden ihr von der BA ersetzt.

27

3. Die Voraussetzungen für eine Rückausnahme nach § 7 Abs 6 SGB II sind hier nicht gegeben. Danach galt bis 31.3.2012, dass vom Leistungsausschluss ausgenommen waren: Auszubildende, 1. die aufgrund von § 2 Abs 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 64 Abs 1 SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hatten oder 2. deren Bedarf sich nach § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG oder nach § 66 Abs 1 S 1 oder § 106 Abs 1 Nr 1 SGB III bemaß. Die Rückausnahme der Nr 1 betraf also Auszubildende, die im Elternhaus wohnten und deshalb keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hatten. Von der Rückausnahme der Nr 2 sollten diejenigen profitieren, die eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme durchliefen und ebenfalls im Elternhaus wohnten. Beide Voraussetzungen sind in der Person der Klägerin zu 2 im hier streitigen Zeitraum nicht gegeben.

28

4. Die Klägerin zu 2 vermag auch nicht mit ihrem Begehren nach einer Mehrbedarfsleistung nach § 21 Abs 4 SGB II(idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453 mWv 1.1.2011) durchzudringen. Danach wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Zwar werden der Klägerin zu 2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS des § 33 SGB IX erbracht. Da sie jedoch von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen ist, soweit es sich um ausbildungsbedingten Bedarf und ausbildungsgeprägten Mehrbedarf handelt, hat sie auch keinen Anspruch auf die an die Teilhabeleistung anknüpfende Leistung nach § 21 Abs 4 SGB II(vgl Lang/Knickrehm in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 40, unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu § 23 Abs 3 BSHG, OVG Lüneburg vom 22.3.2006 - 4 LB 153/04 - juris RdNr 26; so auch für das SGB II bereits angedeutet BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 19; anders bei nichtausbildungsbezogenen Mehrbedarfen, s BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 23; BSG vom 30.8.2010 - B 4 AS 97/09 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 19 juris RdNr 10; nunmehr § 27 Abs 2 SGB II). Für die Zeit ab dem 1.4.2011 hat der Gesetzgeber dies auch klar zum Ausdruck gebracht, indem er in § 27 Abs 2 SGB II für den Personenkreis der nach § 7 Abs 5 SGB II ausgeschlossenen Auszubildenden lediglich einen Anspruch auf Leistungen für Mehrbedarf nach § 21 Abs 2, 3, 5 und 6 und in Höhe der Leistungen nach § 24 Abs 3 Nr 2 SGB II anerkannt hat.

29

Den bindenden - weil nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen - Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)lassen sich keine Anhaltspunkte für einen anderen Mehrbedarf iS des § 21 SGB II oder § 27 Abs 2 SGB II idF der Neubekanntgabe vom 13.5.2011 (BGBl I 850, mWv 1.4.2011) entnehmen.

30

5. Die Klägerin zu 1 hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das ihr als Kindergeldberechtigter gezahlte Kindergeld für die Klägerin zu 2 hat der Beklagte zutreffend bei ihr im Rahmen der Leistungsberechnung als Einkommen berücksichtigt. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)hat die Klägerin zu 1 das Kindergeld nicht nachweislich an die Klägerin zu 2 weitergeleitet. Damit könnte nur dann das Kindergeld der Klägerin zu 2 und nicht der Klägerin zu 1 als Einkommen nach § 11 Abs 1 S 4 SGB II zugerechnet werden, wenn sie Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 wäre. Die Klägerin zu 2 ist jedoch kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1.

31

Insoweit ist es zwar entgegen der Auffassung des Beklagten unerheblich, dass sie - wie zuvor dargelegt - von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen war. Grundsätzlich kann ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter auch mit einem von diesen Leistungen Ausgeschlossenen eine Bedarfsgemeinschaft bilden (für den Fall der Ehe zwischen einem Altersrentner und einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach dem SGB II s nur BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 juris RdNr 31; s auch BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, juris RdNr 12 ff). Ein volljähriges unverheiratetes Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres bildet nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II jedoch nur dann eine Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern oder einem Elternteil, wenn es dem Haushalt eines Elternteils angehört und seine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken kann. Die Klägerin zu 2 hat nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)im streitigen Zeitraum dem Haushalt der Klägerin zu 1 nicht dauerhaft angehört. Sie war nur temporär während der Schließungszeiten des Internats dem Haushalt der Mutter zugehörig. Für eine Ausweitung des von der Rechtsprechung entwickelten Instituts der "temporären" Bedarfsgemeinschaft (vgl BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 35 zur temporären Bedarfsgemeinschaft und BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, juris RdNr 27)auch auf Fallkonstellationen, in denen das volljährige Kind (unter 25 Jahren) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist, besteht jedoch nach Auffassung des Senates keine Veranlassung.

32

Bisher ist von der Rechtsprechung eine "temporäre" Bedarfsgemeinschaft nur zwischen einem leistungsberechtigten Elternteil und den minderjährigen Kindern in der Situation der zeitweisen Wahrnehmung des Umgangsrechts angenommen worden. Erst als Mitglied der "temporären" Bedarfsgemeinschaft erhalten diese Kinder - abgeleitet vom erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - für jeden Tag des Aufenthalts (mit mehr als zwölf Stunden) in der Bedarfsgemeinschaft mit dem Umgangsberechtigten Anspruch auf (zumindest) Regelleistungen nach dem SGB II (vgl BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13). Damit wird die wechselnde Aufnahme von minderjährigen Kindern in den jeweiligen Haushalt ihrer getrennt lebenden Eltern leistungsrechtlich - soweit erforderlich - ausgeglichen. Die Annahme einer "temporären" Bedarfsgemeinschaft trägt zudem der besonderen Förderungspflicht des Staates nach Art 6 Abs 1 GG Rechnung (BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 35 RdNr 18). Die hier vorliegende Bedarfslage der Klägerin zu 2 unterscheidet sich jedoch deutlich von der eines minderjährigen Kindes im Rahmen der zeitweisen Aufnahme in den Haushalt des umgangsberechtigten Elternteils. Bei einem volljährigen Kind, das einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II unterfällt, scheidet bereits wegen des Leistungsausschlusses eine Bedarfsdeckung durch Grundsicherungsleistungen während des temporären Aufenthalts im Haushalt des Elternteils aus. Die temporäre Bedarfsgemeinschaft selbst verschafft hier keinen eigenen Leistungsanspruch. Allein der Umstand, dass der Mutter über die Annahme einer "temporären" Bedarfsgemeinschaft ein höherer Bedarf aufgrund der Verschiebung der Einkommenszurechnung des Kindergeldes verschafft werden kann, stellt keinen Gesichtspunkt dar, der den Erwägungen des BSG zur Begründung der temporären Bedarfsgemeinschaft als gleichrangig zu erachten ist.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:

für den
Geburtsjahrgang
erfolgt eine
Anhebung
um Monate
auf den Ablauf des Monats,
in dem ein Lebensalter
vollendet wird von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom beklagten Jobcenter höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 aufgrund eines geltend gemachten Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

2

Die im Jahr 1955 geborene, alleinlebende Klägerin bezieht seit dem 1.1.2005 Alg II. Nachdem ihr Hausarzt das Vorliegen einer Eisenmangelanämie bescheinigt hatte, bewilligte ihr der Beklagte bis zum 31.3.2009 einen monatlichen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 30,68 Euro, im anschließenden Bewilligungsabschnitt jedoch nicht mehr. Für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II in Höhe von monatlich 359 Euro Regelleistung und 564,80 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung, lehnte aber einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ab, weil sie aufgrund der Eisenmangelanämie Vollkost benötige, die nach neueren medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen und unter Berücksichtigung der neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 (kurz: Mehrbedarfsempfehlungen 2008 ) nur eine ausgewogene Ernährung erfordere, die aus dem Ernährungsanteil in der Regelleistung finanziert werden könne (Bescheid vom 22.9.2009, Widerspruchsbescheid vom 15.10.2009).

3

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mainz (SG) hat dieses verschiedene ärztliche Unterlagen sowie ein ärztliches Gutachten von Dr. S, nach dem bei der Klägerin insbesondere eine Sprue, die eine glutenfreie Kost erfordere, sowie eine Eisenmangelanämie vorliegen, beigezogen. Das SG hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 72,00 Euro monatlich zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.12.2011). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) das Urteil des SG geändert und die Klage insgesamt ab- sowie die Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie einen höheren Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung begehrt hatte, zurückgewiesen (Urteil vom 26.6.2012). Ein Mehrbedarfsanspruch wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehe trotz der Erkrankungen an Zöliakie/Sprue und Eisenmangelanämie nicht, obwohl die Zöliakie/Sprue durch das Gutachten von Dr. S vom 10.9.2010 und den Befundbericht von Dr. K vom 30.5.2010 eindeutig belegt sei. Wegen der Zöliakie/Sprue bestehe schon deshalb kein Anspruch, weil sie der Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht bekannt gewesen sei und eine durch sie veranlasste besondere und kostenaufwändige Ernährung nicht stattgefunden habe. Die rückwirkende Anerkennung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II komme nicht in Betracht. Eine krankheitsangemessene besondere Ernährung könne nicht für die Vergangenheit nachgeholt werden. Der Umstand, dass die Klägerin wegen ihrer gesundheitlichen Leiden auf ihre Ernährung geachtet und höherpreisige Lebensmittel konsumiert habe, begründe keinen Mehrbedarf. Die Ernährungsweise der Klägerin sei in der strittigen Zeit nicht auf ihre Erkrankung abgestimmt gewesen, weil zu dieser Zeit noch keine zutreffende Krankheitsdiagnose vorgelegen habe und die Besserung der Symptome erst eingetreten sei, als sie, ernährungsmedizinisch geschult, später zu speziell glutenfreier Kost übergegangen sei. Wegen der Eisenmangelanämie, an der die Klägerin leide und bereits im streitgegenständlichen Zeitraum gelitten habe, habe keine Notwendigkeit einer besonderen, kostenaufwändigen Ernährung bestanden.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin die Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II geltend. Ein Mehrbedarfsanspruch bestehe auch dann, wenn der Leistungsberechtigte zwar keine Kenntnis von der konkreten Krankheit habe, sich aber aufgrund krankheitsbedingter Beschwerden kostenaufwändiger ernähre und erst später eine Krankheit diagnostiziert werde, deren Heilung bzw Linderung der damit einhergehenden Beschwerden eine kostenaufwändige Ernährung erfordere. Der Wortlaut der Norm setze keine subjektive Kenntnis des Leistungsberechtigten von der den Mehrbedarf auslösenden Erkrankung im Zeitpunkt der Antragstellung voraus. Es sei allein sein objektiver Gesundheitszustand maßgeblich und daher auch die erst nach Antragstellung erkannte Krankheit anspruchsauslösend. Die Argumentation des LSG, dass die krankheitsbedingte Ernährung nicht nachgeholt werden könne, gehe fehl, da bei ihr - der Klägerin - ernährungsbedingte Kosten aufgelaufen seien. Sie habe nicht nur eine Vollwert-Diät-Kost eingehalten, sondern sich auch eiweißhaltig, eisen- und vitaminreich ernährt und aufgrund der andauernden Beschwerden verschiedenste kostenaufwändige Diäten eingehalten. Da der Regelsatz an der untersten Schwelle des Existenzminimums angesiedelt sei und demzufolge jegliche Mehrbelastung der Leistungsberechtigten zu einer Unterschreitung des Existenzminimums führe, müsse auch eine fälschlicherweise, aber nachvollziehbar angenommene Belastung ausgeglichen werden. Die Kausalität zwischen der Zöliakie/Sprue und der eingehaltenen kostenaufwändigen Ernährung habe vorgelegen, da diese Erkrankung letztlich für ihre Beschwerden im streitigen Bewilligungszeitraum verantwortlich gewesen sei. Die Unsicherheit, aufgrund welcher Erkrankung letztlich ein ernährungsbedingter Mehrbedarf vorliege, könne nicht zu Lasten des Leistungsberechtigten gehen. Bei Vorlage eines ärztlichen Attestes, in dem eine bestimmte Erkrankung genannt werde, die nicht in den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 enthalten ist, sei der Leistungsträger zur weiteren Amtsermittlung durch individuelle Begutachtung sowohl bezüglich der Erkrankung als auch des durch sie ausgelösten Ernährungsbedarfs und dessen Kosten verpflichtet.

5

Die Klägerin beantragt,
 das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 16. Dezember 2011 zurückzuweisen.

6

Der Beklagte beantragt,
 die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zu Recht auf die Berufung des beklagten Jobcenters das Urteil des SG geändert und die Klage insgesamt abgewiesen, denn die Klägerin hat für den strittigen Zeitraum keinen Anspruch auf höheres Alg II wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II.

8

Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Entscheidung nicht entgegen. Die Klägerin hat zu Recht eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 22.9.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 erhoben, weil der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Mehrbedarf nach §§ 19, 21 Abs 5 SGB II(in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Modernisierung des Arbeitsmarktes vom 24.12.2003, BGBl I 2954, zuletzt geändert durch Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2.3.2009, BGBl I 416; im Folgenden SGB II aF) kein eigenständiger Streitgegenstand im Rahmen der Bewilligung von Alg II ist (stRspr: BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290-295 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 12; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48-57 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9; BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - RdNr 11 f).

9

1. Rechtsgrundlagen für den von der Klägerin geltend gemachten und vom LSG verneinten Anspruch auf höheres Alg II aufgrund eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung sind § 19 Satz 1, §§ 7, 21 Abs 5 SGB II aF. Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

10

Zwar erfüllte die Klägerin im streitigen Zeitraum vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 die Grundvoraussetzungen nach § 7 SGB II, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, auch hatte sie rechtzeitig einen Fortzahlungsantrag auf Alg II gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II aF gestellt, jedoch sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II aF für einen Anspruch auf Mehrbedarf nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG nicht gegeben, wie sich aus dem Zusammenhang des Mehrbedarfs mit dem Regelbedarf(dazu 2.) und den Voraussetzungen des Mehrbedarfs im Einzelnen (dazu 3.) ergibt.

11

Nach § 21 Abs 5 SGB II aF erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Die seit dem 1.1.2011 geltende Neufassung des § 21 Abs 5 SGB II, nach der bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt wird, beinhaltet, wie sich aus dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung ergibt, keine inhaltliche Änderung, sondern nur eine redaktionelle Anpassung(BT-Drucks 17/3404 S 97).

12

2. Die Konkretisierung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II muss im Zusammenhang mit § 20 SGB II erfolgen, der den Regelbedarf, früher Regelleistung, in Form einer pauschalierten Leistung vorsieht. Denn § 20 SGB II umfasst die für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wesentlichen und üblichen Bedarfslagen und Bedürfnisse des täglichen Lebens, wie sich aus der nicht abschließenden Aufzählung in seinem Abs 1 - "insbesondere" Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, einen Teil der Haushaltsenergie sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens - ergibt. Grundlage für die Ermittlung der regelbedarfsrelevanten Anteile der einzelnen Bedarfsabteilungen und damit der Höhe des Regelbedarfs insgesamt sind die statistisch ermittelten Ausgaben und das Verbrauchsverhalten von Haushalten in unteren Einkommensgruppen auf der Datengrundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Die typisierend anerkannten Bedarfe gelten mit den in den Absätzen 2 bis 3 (aF) bzw bis 4 (nF) vorgesehenen Pauschalen als befriedigt (vgl § 3 Abs 3 Halbs 2 SGB II). Die Typisierung von existenzsichernden Bedarfen sowie deren Deckung durch einen pauschalen Festbetrag ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungskonform bestätigt worden (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, RdNr 205).

13

Der notwendige Bedarf für Ernährung ist als ein Teil dieses Regelbedarfs typisierend zuerkannt worden, wobei von der Deckung der laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen ausgegangen wurde (vgl Saitzek in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 20 RdNr 44; Busse in MEDSACH 2009, 142, 142; Adolph in Adolph/Linhart, SGB II/SGB XII, Stand 8/2013, § 21 RdNr 56). Damit gilt im Ergebnis eine Vollkosternährung als vom Regelbedarf gedeckt, weil es sich hierbei um eine ausgewogene Ernährungsweise handelt, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt (vgl Mehrbedarfsempfehlungen 2008, S 19, auf die das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 31 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 RdNr 152 verweist; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 25, 26; Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 2014, § 21 SGB II RdNr 34; von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 24).

14

Nach dem Ziel der Pauschalierung soll der Leistungsberechtigte über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen eigenverantwortlich entscheiden (vgl § 20 Abs 1 S 4 SGB II nF sowie zur alten Rechtslage bereits § 1 Abs 2 S 1 SGB II aF)und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen, was ihm auch zumutbar ist (vgl BVerfG, aaO). Zudem ist es dem Leistungsberechtigten zumutbar, in unregelmäßigen Abständen entstehende Bedarfe - zB für Bekleidung, langlebige Gebrauchsgüter usw - vom Regelbedarf zu decken (vgl hierzu nun ausdrücklich § 20 Abs 1 S 4 SGB II nF) und dies bei seinem individuellen Verbrauchsverhalten, zB durch Ansparungen, zu berücksichtigen.

15

Da § 20 SGB II keine im Einzelfall abweichende Bedarfsermittlung und -festsetzung zulässt, soll nach § 21 SGB II für bestimmte, laufende, aufgrund besonderer Lebensumstände bestehende Bedarfe, die nicht (ggf ausreichend) vom Regelbedarf abgedeckt sind, Zugang zu zusätzlichen Leistungen eröffnet werden(§ 21 Abs 1 SGB II; BT-Drucks 15/1516 S 57). Als einer dieser Mehrbedarfe soll der wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen nach § 21 Abs 5 SGB II helfen, im Hinblick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eine Ernährung zu finanzieren, mit der der Verlauf einer (bestehenden) gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Abmilderung von deren Folgen, Verhinderung oder Hinauszögern einer Verschlechterung oder deren (drohenden) Eintretens beeinflusst werden kann(vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 20; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 52).

16

3. Unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs setzt der Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II zunächst eine erwerbsfähige, hilfebedürftige - heute eine leistungsberechtigte - Person voraus(vgl für Sozialgeldbezieher § 28 SGB II aF bzw § 19 Abs 1 Satz 2, 3, § 23 SGB II nF), was nach dem oben Gesagten vorliegend erfüllt ist. Weitere Voraussetzungen sind medizinische Gründe, womit gesundheitliche Beeinträchtigungen gemeint sind (dazu a), eine kostenaufwändige Ernährung (dazu b), ein Ursachenzusammenhang zwischen den medizinischen Gründen und der kostenaufwändigen Ernährung (dazu c), ohne dass es auf deren Einhaltung ankommt (dazu d); hinzu kommt die Kenntnis der betreffenden Person von diesem medizinisch bedingten besonderen Ernährungsbedürfnis, die im Unterschied zu den zuvor genannten anderen Voraussetzungen hier fehlte (dazu e) (vgl zu den ersten Voraussetzungen: BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 17 bis 20; Behrend in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 21 RdNr 55, Stand Einzelkommentierung 11/2013; von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 24; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 52; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 5/2011, K § 21 RdNr 60; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, Stand 11/2009, § 21 RdNr 34; Busse, MEDSACH 2009, 142).

17

a) Die Voraussetzung "medizinische Gründe" lag vor, weil die bei der Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum bestehende Eisenmangelanämie eine Krankheit ist und damit eine gesundheitliche Beeinträchtigung iS des § 21 Abs 5 SGB II gegeben war. Hinsichtlich der Zöliakie/Sprue hat das LSG keine klaren Feststellungen getroffen, ist aber davon ausgegangen, dass diese Erkrankung zwar unerkannt war, aber "anscheinend tatsächlich" bei der Klägerin im streitigen Zeitraum vorhanden war. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits zur Aufklärung dieser Frage scheidet aus, weil die Entscheidung des LSG sich im Hinblick auf die Verneinung der Voraussetzung "Kenntnis" als zutreffend erweist (vgl § 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Für die Prüfung der weiteren Voraussetzungen ist aber zugunsten der Klägerin vom objektiven Vorliegen auch dieser Erkrankung im strittigen Zeitraum auszugehen.

18

b) Eine glutenfreie Ernährung - als hier in Betracht kommende, besondere Kostform - ist, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, eine kostenaufwändige Ernährung iS des § 21 Abs 5 SGB II, für eine Vollkosternährung gilt dies aber nicht(siehe oben 2.).

19

Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf ist kostenaufwändiger iS des § 21 Abs 5 SGB II eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt ist(so im Ergebnis auch BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12). Da die Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist, besteht eine kostenaufwändige Ernährung iS des § 21 Abs 5 SGB II grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährung(sform). Dass eine glutenfreie Kost eine solche kostenaufwändige Ernährung ist, folgt aus den Mehrbedarfsempfehlungen 2008. Bei diesen handelt es sich zwar nicht um ein antizipiertes Sachverständigengutachten, das normähnlich angewandt werden kann, sie können jedoch als Orientierungshilfe herangezogen werden, von der fachlich begründet abgewichen werden darf (vgl ausführlich BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 16; von Boetticher/Münder in Münder-LPK, SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 25; Herold-Tews in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 21 RdNr 30; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 57). Anhaltspunkte für eine Abweichung sind vorliegend nicht zu erkennen.

20

Eine andere in Betracht kommende kostenaufwändigere Ernährung der Klägerin als eine glutenfreie hat das LSG nicht festgestellt. Es hat lediglich ausgeführt, dass die Klägerin wegen gesundheitlicher Leiden auf ihre Ernährung geachtet und höherpreisige Lebensmittel konsumiert habe. Dies beinhaltet jedoch nicht die Feststellung einer besonderen, von der Vollkosternährung abweichenden Ernährung. Aufklärungsrügen wurden von der Klägerin im Revisionsverfahren nicht erhoben. Aus dem Vorbringen der Revision, der Beklagte habe seine Amtsermittlungspflichten verletzt, folgt nichts anderes, weil es nicht Aufgabe des Jobcenters ist, der leistungsberechtigten Person Kenntnis von ihrem konkreten Ernährungsbedarf zu verschaffen.

21

c) Der Ursachenzusammenhang zwischen einer Zöliakie/Sprue und einer glutenfreien Ernährung ergibt sich aus den Feststellungen des LSG, die ihrerseits auf den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 beruhen.

22

Diese aus dem Wortlaut der Norm ("aus ... Gründen") folgende und in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 15/1516 S 57) bestätigte Voraussetzung des Ursachenzusammenhangs ist - wie auch sonst im Sozialrecht - nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen (vgl zB BSG Urteil vom 9.5.2012 - B 5 R 68/11 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 18; BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 14/06 R - SozR 4-4100 § 128 Nr 6; zusammenfassend BSG Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 17 ff) und muss zwischen einem medizinischen Grund und der besonderen, kostenaufwändigen Ernährung bestehen (BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 16; Behrend in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 21 RdNr 64.1, Stand Einzelkommentierung 11/2013; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, Stand 11/2009, § 21 RdNr 34).

23

d) Die tatsächliche Einhaltung einer solchen Ernährung oder ggf der Nachweis tatsächlicher Mehraufwendungen seitens des Anspruchstellers ist keine Anspruchsvoraussetzung. Auch wenn § 21 Abs 5 SGB II anders als die übrigen in den Absätzen 2 bis 4 und 7 geregelten typisierten Mehrbedarfe keine prozentual am Regelbedarf orientierte pauschalierte Höhe des Mehrbedarfs vorsieht(so auch Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 2014, § 21 SGB II RdNr 29; Gerenkamp in Mergler/Zink, SGB II, Band 2, Stand April 2013, § 21 RdNr 6; O. Loose in Hohm-GK-SGB II, Stand 7/2012, § 21 RdNr 3), hat der Gesetzgeber das Erfordernis eines zweckentsprechenden Einsatzes der konkreten Leistung in § 21 SGB II nicht normiert, obwohl ihm die Möglichkeit einer solchen Regelung bekannt war(vgl § 29 Abs 4 SGB II nF, § 24a S 4 SGB II aF).

24

Vielmehr sind die bislang geprüften Voraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II bereits beim Vorliegen der objektiven Bedarfslage erfüllt, zumal das Jobcenter im Entscheidungszeitpunkt vor oder bei Beginn des Bewilligungsabschnittes allein die objektive Bedarfslage beurteilen kann und nicht auch die Frage, ob tatsächlich - in dem in der Zukunft liegenden Bewilligungsabschnitt - eine kostenaufwändige Ernährung durchgeführt werden wird. Bei einer Entscheidung über einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum kann nichts anderes gelten, wenn die mit der Antragstellung begehrte Leistung rechtswidrigerweise abgelehnt wurde, der Leistungsberechtigte innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt und sich im Rechtsbehelfsverfahren der Mehrbedarf bestätigt hat, er mithin bis dahin bereits wegen fehlender Geldmittel nicht gedeckt werden konnte. Zwar kann bei einer durch das Gericht nach Ablauf des streitgegenständlichen Bewilligungsabschnitts und damit den Leistungsträger nachträglich verpflichtenden Gewährung des Mehrbedarfs dessen Zweck nicht mehr erreicht werden, da die besondere Ernährung für diesen Zeitraum nicht mehr nachholbar und damit auch die Einflussnahme auf die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr möglich ist (vgl LSG Hamburg Urteil vom 27.6.2013 - L 4 AS 287/10 - Juris RdNr 23; Hessisches LSG Urteil vom 21.3.2013 - L 6 AS 665/10 - Juris RdNr 30). In diesen Fällen ist aber dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz) Vorrang zu geben, da andernfalls der Sozialleistungsträger durch unberechtigtes Bestreiten des Anspruchs den Beginn der Leistung oder gar den ab Antragstellung entstandenen Anspruch vereiteln könnte und so die Einklagbarkeit abgelehnter Leistungen nicht effektiv wäre (vgl bereits BVerwG Urteil vom 14.9.1972 - V C 62.72, V B 35.72 - BVerwGE 40, 343; BVerwG Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 12/87 - BVerwGE 90, 154). Die Entscheidung des 8. Senats des BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R (BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 17) steht hierzu nicht im Widerspruch, weil diese im Kontext der Anwendbarkeit von § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch im Sozialhilferecht zu sehen ist.

25

e) Der Anspruch der Klägerin scheitert daran, dass sie nach den unangegriffenen und für den Senat bindenden Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 31.3.2010 keine Kenntnis von ihrem Bedarf an glutenfreier und damit kostenaufwändiger Ernährung hatte.

26

Zwar ist dem Wortlaut des § 21 Abs 5 SGB II nicht ausdrücklich die Kenntnis der betreffenden Person von ihrem objektiv bestehenden und medizinisch begründeten besonderen Ernährungsbedarf zu entnehmen, diese weitere Voraussetzung folgt jedoch aus dem subjektive Elemente beinhaltenden Wort "bedürfen", der Zusammenschau mit den anderen Mehrbedarfen und den Sonderbedarfen sowie dem Sinn und Zweck des ernährungsbedingten Mehrbedarfs.

27

Wie sich aus dem Wortlaut des § 21 Abs 5 SGB II ergibt, muss die betreffende Person der kostenaufwändigen Ernährung "bedürfen". Dieses Tatbestandsmerkmal knüpft zunächst an eine objektive Bedarfslage an, die sich aus einer wertenden Berücksichtigung des aktuellen Stands der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklung zur Sicherung des physischen Existenzminimums ergibt und daran orientiert, was hiernach als notwendig betrachtet wird, wie etwa das Ersetzen von allergenhaltigen durch allergenfreie Nahrungsmittel oder der ersatzlose Verzicht auf allergenhaltige Nahrungsmittel. Diese Wertungen fließen in der Bundesrepublik Deutschland aktuell etwa in die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge zusammen mit Ernährungsmedizinern erarbeiteten Mehrbedarfsempfehlungen 2008 ein, nach denen bei einer Zöliakie/Sprue eine glutenfreie, spezielle Kost notwendig ist. Darüber hinaus enthält der Begriff des "Bedürfens" auch ein subjektives Element, das auf die Handlungsnotwendigkeiten des jeweiligen Anspruchstellers verweist.

28

Für die Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2 bis 4 SGB II und § 21 Abs 6 und 7 SGB II nF hingegen ist allein die objektive Bedarfslage anspruchsauslösend, da lediglich an den objektiven Umstand der Schwangerschaft(Abs 2), des Zusammenlebens mit und die Alleinerziehung von minderjährigen Kindern (Abs 3), der Erbringung bestimmter Leistungen für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte (Abs 4), des im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfes (Abs 6) und der Warmwassererzeugung durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen (Abs 7) als Tatbestandsvoraussetzung angeknüpft wird. Gleiches gilt für die Sonderbedarfe in Form der Einmalleistungen nach § 23 Abs 3 SGB II aF(Erstausstattungen und mehrtägige Klassenfahrten) bzw § 24 Abs 3 SGB II nF(Erstausstattungen und Anschaffung/Reparatur orthopädischer Schuhe, Reparatur/Miete von therapeutischen Geräten, Reparatur von therapeutischen Ausrüstungen) und die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II nF. Hiervon grenzt sich § 21 Abs 5 SGB II ab, in dem er nicht allein auf den "Bedarf" für kostenaufwändige Ernährung abstellt, sondern auch darauf, dass die betreffenden Personen dieser Ernährung "bedürfen", womit auf ein subjektives Element abgestellt wird.

29

Im Gegensatz zu Leistungsberechtigten mit den zuvor genannten objektiv bestehenden Bedarfslagen muss der gesundheitlich beeinträchtigten Person der objektiv bestehende besondere, jedenfalls von der ausgewogenen Ernährung in Form der Vollkost und damit vom Regelbedarf abweichende Ernährungsbedarf bekannt sein. Ohne Kenntnis des Zusammenhangs zwischen den gesundheitlichen Einschränkungen und einer bestimmten Ernährungsempfehlung, also der bedarfsauslösenden Umstände, besteht kein "Bedürfnis" der Person, eine besondere Kostform einzuhalten und hierfür höhere Beträge als im Regelbedarf eingepreist aufzuwenden, weil sie um die Handlungsnotwendigkeiten nicht weiß, der zu folgen der Mehrbedarf ermöglichen soll. Dies erfordert kein Wissen des Leistungsberechtigten um die genaue medizinische Ursache im Sinne einer zutreffenden Diagnose, wohl aber um die aus medizinischen Gründen einzuhaltende besondere - zB glutenfreie - Ernährung. Der Sinn und Zweck des Mehrbedarfsanspruchs würde leer laufen, wenn dem Leistungsberechtigten trotz fehlender Kenntnis seines objektiv bestehenden besonderen medizinisch begründeten Ernährungsbedarfs die Mehrbedarfsleistung gewährt würde, weil die bezweckte Möglichkeit, auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch eine besondere Ernährung Einfluss zu nehmen und damit den objektiven Bedarf zu decken, bei fehlender Kenntnis nicht umgesetzt werden kann.

30

Dass der Klägerin in der strittigen Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 nicht bekannt war, dass sie an Zöliakie/Sprue litt, hat das LSG ausführlich begründet unter Hinweis auf die eingeholten ärztlichen Unterlagen, einschließlich des Gutachtens von Dr. S vom 10.9.2010, sowie die mündliche Anhörung der Klägerin vor dem Senat. Von Seiten der Klägerin wurden insofern keine Rügen erhoben.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005.

2

Die 1959 geborene Klägerin ist alleinstehend und bewohnt eine Ein-Zimmer-Wohnung, die durch zwei Gas-Einzelöfen und einen Heizlüfter im Bad beheizt wird. Im Oktober 2004 beantragte sie bei dem Beklagten die Gewährung von Alg II und legte dabei eine Bescheinigung ihrer Hausärztin vor, wonach bei ihr aufgrund eines Diabetes mellitus Typ I Krankenkost (Diabeteskost) erforderlich sei.

3

Mit Bescheid vom 13.11.2004 bewilligte der Beklagte Alg II von Januar bis Mai 2005 in Höhe von 794,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 777,16 Euro, wobei er neben einem befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 134 Euro einen monatlichen Mehrbedarf von 25,56 Euro für kostenaufwändige Ernährung wegen Diabetes mellitus Typ I berücksichtigte. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu gering sei und ihr einschließlich Praxisgebühr und Zuzahlung monatliche Kosten in Höhe von mindestens 50 Euro entstünden. Mit Widerspruchsbescheid vom 4.2.2005 bewilligte der Beklagte daraufhin für die Zeit von Januar bis Mai 2005 monatlich 795,23 Euro und für Juni 2005 775,18 Euro. Den darüber hinausgehenden Widerspruch wies er als unbegründet zurück.

4

Am 1.3.2005 erhob die Klägerin Klage zum SG und begründete ihre Klage insbesondere damit, dass eine Anpassung des seit 1997 nicht erhöhten Mehrbedarfsbetrages zu erfolgen habe, die Regelleistung in Höhe von 345 Euro zu gering sei und zusätzliche Stromkosten von monatlich 11 Euro zu berücksichtigen seien, weil sie ihr Bad mit einem Heizlüfter beheize. Während des Klageverfahrens hat der Beklagte mit Änderungsbescheiden vom 4.3.2005, 7.9.2005 und 15.11.2005 zuletzt Leistungen für Januar und Februar in Höhe von monatlich 806,33 Euro, für März 689,26 Euro, für April 810,33 Euro, für Mai 802,82 Euro und für Juni 2005 782,72 Euro bewilligt. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beklagte am 29.6.2006 ein Teilanerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, der Klägerin über die mit Bescheid vom 15.11.2005 zuerkannten Leistungen hinaus für März 2005 Leistungen in Höhe von 795,23 Euro (gemäß dem Widerspruchsbescheid), für Mai 2005 in Höhe von 807,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 784,46 Euro (gemäß dem Bescheid vom 4.3.2005) zu bewilligen. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen. Mit Urteil vom 29.6.2006 hat das SG die darüber hinausgehende Klage abgewiesen.

5

Mit Urteil vom 15.12.2006 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie einen Bedarf habe, der in der Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Insofern werde auf die Entscheidungsgründe des SG verwiesen, wonach ein Mehrbetrag für kostenaufwändige Ernährung nach dem Krankheitsbild der Klägerin nicht gerechtfertigt sei und die Kosten für Arztbesuche und Zuzahlungen im Regelbetrag enthalten seien.

6

Auf die Revision der Klägerin hat das BSG mit Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R - das Urteil des LSG vom 15.12.2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, da es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen fehle, insbesondere für die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für eine kostenaufwändige Krankenernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II.

7

Das LSG hat hierauf die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Außerdem hat das LSG ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei dem Internisten Dr. S. eingeholt. Mit Urteil vom 23.10.2009 hat das LSG der Klägerin einen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zugesprochen. Insoweit sei bei den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) ein Anteil an den Stromkosten, der für eine angemessene Beheizung des Bades mittels des vorhandenen Heizlüfters erforderlich sei, ergänzend zu berücksichtigen. Der konkrete Stromverbrauch des Heizlüfters zur Beheizung des Bades - etwa über einen getrennten Zähler - werde nicht erfasst. Die vom SG berücksichtigte Betriebsdauer des Heizlüfters von einer halben Stunde täglich sei sehr knapp bemessen, weshalb zu Gunsten der Klägerin im Rahmen der Schätzung eine volle Stunde zugrunde gelegt werde. Insgesamt belaufe sich die der Klägerin zustehende Nachzahlung für Kosten der Unterkunft und Heizung für den streitgegenständlichen Zeitraum auf 60,69 Euro. Im Übrigen hat das LSG die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es bestehe unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme kein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Wegen des Verbots der reformatio in peius verbleibe es jedoch bei dem von der Beklagten zuerkannten Mehrbedarf in Höhe von 25,56 Euro monatlich. Eine Verrechnung mit dem Nachzahlungsanspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung komme nicht in Betracht.

8

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 21 Abs 5 SGB II. Das Tatbestandsmerkmal "medizinische Gründe" in § 21 Abs 5 SGB II umfasse auch nicht krankheitsbedingte und in der körperlichen Verfassung eines Menschen liegende Umstände, die ärztlich festgestellt werden könnten. Vorliegend bestehe ein erhöhter Grundumsatz bzw ein erhöhter Kalorienverbrauch, der zu einer finanziellen Mehrbelastung führe, welche die bereits monatlich gewährten 25,56 Euro deutlich übersteige. Weder der Wortlaut der Norm noch die Gesetzesbegründung würden die Beschränkung auf Gesundheitsschäden hergeben. Ausgehend von ihren Angaben, wonach sie bereits seit ihrer Kindheit habe sehr viel essen müssen, hätte das LSG eine individuelle Kaloriemetrie zur Ermittlung ihres erhöhten Grundbedarfs durchführen müssen. Der Hinweis des LSG auf die Regelleistung des § 20 Abs 1 SGB II gehe fehl, da ein pauschaler Regelleistungsbetrag nur den durchschnittlichen Bedarf decke. Die vorliegend erforderliche Vollkost lasse sich nicht aus dem Regelsatz finanzieren. Auch hierzu fehle es an Feststellungen des LSG. Es liege eine Verletzung des § 170 Abs 5 SGG vor, da das LSG insoweit entgegen der Rechtsprechung des BSG die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 herangezogen und hieraus abgeleitet habe, dass Vollkost aus dem Regelsatz finanzierbar sei. Hilfsweise bestehe ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Bedarfs, der nicht von den Leistungen nach § 20 SGB II erfasst werde, jedoch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken sei. Schließlich sei der vom LSG errechnete Betrag für die Leistungen für Unterkunft und Heizung wegen fehlerhafter Anwendung der Rundungsregel des § 41 Abs 2 SGB II um 1 Euro zu niedrig.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2009 abzuändern und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seiner Bescheide vom 13. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2005, dieser in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 4. März 2005, 7. September 2005 und 15. November 2005 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen im streitigen Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005.

12

1. Die Klägerin ist im streitigen Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005 nach den Feststellungen des LSG leistungsberechtigt als erwerbsfähige Hilfebedürftige iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Damit hat sie Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II, idF des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954).

13

2. Die Klägerin hat weder wegen eines erhöhten Kalorienbedarfs noch aufgrund einer etwaigen Ernährung mit sog "Vollkost" einen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

14

a) Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten nach § 21 Abs 5 SGB II einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Dieser ergänzt die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 21 SGB II idF des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Er umfasst Bedarfe, die nicht durch die Regelleistung abgedeckt sind (§ 21 Abs 1 SGB II).

15

Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ist kein abtrennbarer Teil der Regelung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Gewährung des Mehrbedarfs allein kann damit nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

16

b) Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 19). Es muss also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor.

17

aa) Mit "medizinischen Gründen" sind nur krankheitsbedingte Gründe gemeint. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 21 Abs 5 SGB II bewusst an den Rechtszustand des § 23 Abs 4 BSHG angeknüpft. Danach war für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anzuerkennen. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur war ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs (Hofmann in: LPK-BSHG, 6. Aufl 2003, § 23 RdNr 28; vgl auch Behrend in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 43). Unter der Geltung des BSHG wurde die kostenaufwändige Ernährung gemäß § 23 Abs 4 BSHG deshalb auch als "Krankenkostzulage" bezeichnet(vgl Knopp/Fichtner, BSHG, 5. Aufl 1983, § 23 RdNr 22; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl 1997, § 23 RdNr 30; Schoch, Sozialhilfe, 3. Aufl 2001, S 167; Hofmann in LPK-BSHG, 6. Aufl 2003, § 23 RdNr 28; Linhart, BSHG § 23 RdNr 14 - Stand 39. EL, Juli 2004).

18

Wie in der früheren Sozialhilfe, dem Referenzsystem für das SGB II (BT-Drucks 15/1514 S 1), wollte der Gesetzgeber auch im Rahmen des Alg II einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung vorsehen. In der Gesetzesbegründung ist unter Bezugnahme auf den Rechtszustand des BSHG zum Tatbestandsmerkmal "aus medizinischen Gründen" ausgeführt worden: "Wie in der Sozialhilfe ist auch im Rahmen des Arbeitslosengeldes II ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung vorgesehen. Hierbei ist eine Präzisierung dahin gehend vorgenommen worden, dass der Mehrbedarf nur bei Nachweis des Bedarfs aus medizinischen Gründen anzuerkennen ist. Zur Angemessenheit des Mehrbedarfs können die hierzu vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden." (BT-Drucks 15/1516, S 57).

19

Auch die vergleichende Betrachtung der Vorschriften des § 21 Abs 5 SGB II und des § 30 Abs 5 des SGB XII bestätigt, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung erforderlich ist. Die Definition des Kreises der Anspruchsberechtigten ist in § 21 Abs 5 SGB II zwar anders formuliert als in § 30 Abs 5 SGB XII, der dem früheren § 23 Abs 4 BSHG nachgebildet ist. Gemäß § 30 Abs 5 SGB XII in der ab 1.1.2005 gültigen Fassung des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) wird für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Hingegen sind auch anspruchsberechtigt erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer aufwendigen Ernährung bedürfen. Wie aufgezeigt, sollte nach der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs 5 SGB II(BT-Drucks 15/1516, S 57) mit der Formulierung klargestellt werden, dass der Mehrbedarf nur bei Nachweis des Bedarfs aus medizinischen Gründen anzuerkennen sei.

20

Folglich hat der Gesetzgeber inhaltliche Unterschiede zwischen § 21 Abs 5 SGB II und § 30 Abs 5 SGB XII nicht beabsichtigt. Sinn und Zweck der Leistungen ist es in beiden Fällen, durch die krankheitsbedingte besondere Ernährung drohende oder bestehende Gesundheitsschäden abzuwenden oder zu verhindern (Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 49 f; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr 31; O. Loose in GK-SGB II § 21 RdNr 32, 34; Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 25; Simon in: jurisPK-SGB XII, § 30 RdNr 92; vgl auch Behrend in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 43). Anspruchsvoraussetzung bei § 21 Abs 5 SGB II ist daher immer das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung. Dementsprechend hat auch das BSG bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II bislang stets von "Krankenernährung" oder "krankheitsbedingtem Mehrbedarf" gesprochen(BSG vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R) und ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nur vorliegen, wenn eine oder mehrere Erkrankungen eine kostenaufwändige Ernährung bedingen (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5; vgl auch BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

21

bb) Der von der Klägerin behauptete erhöhte Kalorienbedarf ist nach den Feststellungen des LSG nicht auf eine Krankheit, also auf einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, zurückzuführen. Nach diesen Feststellungen liegen bei der Klägerin zwar verschiedene Krankheiten, insbesondere ein Diabetes mellitus Typ I vor; diese verursachen jedoch weder einen erhöhten Kalorienbedarf noch einen anderen Ernährungsmehrbedarf iS des § 21 Abs 5 SGB II. Das LSG hat den Sachverhalt vollständig und ausreichend ermittelt, indem es sachverständige Zeugenauskünfte sowie ein internistisches ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt hat, um sich die erforderliche Sachkunde zu verschaffen. Damit hat das LSG von den Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung gestanden haben, Gebrauch gemacht (vgl BSG vom 12.2.2009 - B 5 R 48/08 B; BSG vom 11.12.1969 - GS 2/68 - BSGE 30, 192, 205 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO). Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) liegt nicht vor.

22

Nach den Feststellungen, die das LSG nach ausreichenden Ermittlungen des Sachverhalts getroffen hat, liegen keine begründeten Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Krankenkost vor. Das LSG konnte nach der vorgenommenen eigenständigen Aufklärung des Sachverhalts und der Prüfung der Umstände des Einzelfalles dahinstehen lassen, ob die überarbeiteten, aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind (zum Meinungsstand siehe Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr 40). Auch durch die aktuellen Empfehlungen wird die grundsätzliche Verpflichtung der Verwaltung und der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts von Amts wegen aufzuklären ( § 20 SGB X bzw § 103 SGG ), nicht aufgehoben. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (abgedruckt in NDV 2008, 503 ff) ersetzen nicht eine ggf erforderliche Begutachtung im Einzelfall.

23

Unabhängig von der in der Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob die Empfehlungen 2008 als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen sind (bejahend zB Sächsisches LSG vom 27.8.2009 - L 3 AS 245/08 - und vom 22.6.2009 - L 7 AS 250/08; Bayerisches LSG vom 23.4.2009 - L 11 AS 124/08; LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 9.3.2009 - L 8 AS 68/08; offen gelassen: LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.3.2010 - L 19 <20> AS 50/09 - und vom 4.10.2010 - L 19 AS 1140/10), können die Empfehlungen 2008 jedenfalls als Orientierungshilfe dienen und es sind weitere Ermittlungen im Einzelfall nur dann erforderlich, sofern Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe, substantiiert geltend gemacht werden (so bereits zu den Empfehlungen 1997: BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 7 f). Da die Empfehlungen des Deutschen Vereins keine Rechtsnormqualität aufweisen (BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83, 89 f = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 S 44 und - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 6 f), gibt es auch keine Hinderungsgründe, die darin enthaltenen medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse auch mit den Ergebnissen der Amtsermittlung zu vergleichen bzw in diese einfließen zu lassen, wenn diese Zeiträume betreffen, die vor der Veröffentlichung der neuen Empfehlungen am 1.10.2008 lagen (so bereits Sächsisches LSG vom 26.2.2009 - L 2 AS 152/07; LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 9.3.2009 - L 8 AS 68/08). Wenn dann - wie vorliegend - nach dem Ergebnis der im Einzelfall durchgeführten Amtsermittlung eine Abweichung von den Empfehlungen nicht festzustellen ist (vgl zu diesem Gesichtspunkt auch BVerfG vom 20.6.2006 - 1 BvR 2673/05 - juris RdNr 19), ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich.

24

cc) Da nur für eine krankheitsbedingt erforderliche kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II ein Mehrbedarf zu gewähren ist, hat das LSG zu Recht davon abgesehen, den individuell angemessenen Ernährungsbedarf bzw den tatsächlichen individuellen Grundumsatz und Kalorienbedarf der Klägerin zu ermitteln. Auf die Gewährung eines individuell angemessenen Bedarfs für Ernährung besteht kein Anspruch. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlich zulässigen System der Gewährung einer statistisch ermittelten Regelleistung als Festbetrag. Maßgeblich für die Bestimmung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II sind in diesem System stets die im Einzelfall medizinisch begründeten tatsächlichen Kosten für eine besondere Ernährung, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist. Für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, ist § 21 Abs 5 SGB II jedoch kein Auffangtatbestand(Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 24).

25

dd) Die Ernährung mit einer sog "Vollkost" bei Diabetes mellitus I/II unterfällt nicht § 21 Abs 5 SGB II, da es sich nicht um eine Krankenkost handelt, auf die die Vorschrift abzielt, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt.

26

Die Vollkost ist jedoch aus der Regelleistung zu bestreiten. Auch insoweit gilt, dass für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, § 21 Abs 5 SGB II kein Auffangtatbestand ist.

27

3. Der Sache nach ist das Begehren der Klägerin demnach darauf gerichtet, für ihren geltend gemachten individuellen Ernährungsbedarf eine höhere Regelleistung zu erstreiten. Dieses Begehren hat gleichfalls keinen Erfolg.

28

a) Im streitgegenständlichen Zeitraum besteht lediglich ein Anspruch auf eine monatliche Regelleistung in Höhe von 345 Euro. Zwar hat das BVerfG die Vorschriften über die Höhe der Regelleistung, ua die des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II, mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Daraus folgt aber nicht, dass einem Hilfebedürftigen ein höherer Anspruch auf Leistungen zusteht. Vielmehr gilt die Vorschrift des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II in der jeweils anzuwendenden Fassung bis zum 31.12.2010 fort. Der Gesetzgeber wurde lediglich verpflichtet, die Regelleistung für die Zukunft neu festzusetzen (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 ff - juris RdNr 210 ff; BVerfG vom 18.2.2010 - 1 BvR 1523/08; BVerfG vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09; BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 17/10 R). Folglich ist im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass die der Klägerin im Jahre 2005 bewilligte Regelleistung in Höhe von 345 Euro für den hier streitigen Zeitraum hinzunehmen ist (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 17/10 R - juris RdNr 16).

29

b) Zudem hat das BVerfG ausgeführt, die Regelleistung reiche zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums aus: "Für den Betrag der Regelleistung von 345 Euro nach § 20 Abs 2 1. Halbsatz SGB II aF kann eine evidente Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil die Regelleistung zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums weiter ist. So kommt beispielsweise eine Untersuchung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu dem Ergebnis, dass die Beträge des § 2 Abs 2 Regelsatzverordnung für 'Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren' sowie für 'Beherbergungsdienstleistungen, Gaststättenbesuche' die Ernährung eines Alleinstehenden mit Vollkost decken können (vgl seine Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3. Aufl., sub III 2 )" (RdNr 152 des Urteils vom 9.2.2010).

30

c) Eine abweichende Bedarfsermittlung kommt nicht in Betracht. Nach dem Leistungssystem des SGB II ist eine individuelle Bedarfsermittlung bzw abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung nicht vorgesehen (vgl dazu BSG 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 76 f = SozR 4-4200 § 11 Nr 11 S 65 f). Dies gilt sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des Grundsicherungsempfängers. Bei der Ernährung handelt es sich um einen Grundbedarf, der von der Regelleistung des § 20 Abs 1 SGB II gedeckt werden soll. Es ist konstitutiver Bestandteil des Systems des SGB II, eine abweichende Festsetzung der Bedarfe, wie sie § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, gerade nicht vorzusehen. Folglich gestattet es das SGB II nicht, außerhalb von § 21 Abs 5 SGB II einen individuellen Ernährungsbedarf bedarfserhöhend geltend zu machen.

31

Der Verzicht auf eine individuelle Bedarfsbestimmung entspricht im Übrigen auch dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit einer Pauschalierung der Regelleistung im SGB II verband. Die pauschalierte Regelleistung sollte gerade die Selbstverantwortung und Eigenständigkeit der Hilfeempfänger fördern (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 11 RdNr 24). Diese sind darauf angewiesen, mit dem in der Regelleistung pauschaliert enthaltenen Betrag ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken. Außerhalb der gemäß § 21 SGB II gewährten Mehrbedarfe und der gemäß § 23 Abs 3 SGB II aF - in der ab 1.1.2005 gültigen Fassung - gewährten einmaligen Leistungen sind monetäre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Das System des SGB II ist insofern abschließend (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83, 91 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 S 45).

32

In diesem vom Gesetzgeber in zulässiger Weise gewählten System der pauschalierten Regelleistung ist weder - wie von der Klägerin begehrt - eine individuelle Kaloriemetrie vorzunehmen, noch durch eine isolierte Herausnahme und Überprüfung einzelner Bedarfspositionen zu prüfen, ob eine bestimmte individuell gewünschte Ernährungsweise von einer bestimmten Bedarfsposition der Regelleistung direkt erfasst und abgebildet wird. Das BVerfG hat hierzu im Urteil vom 9.2.2010, aaO, RdNr 205 ausgeführt: "Die Gewährung einer Regelleistung als Festbetrag ist grundsätzlich zulässig. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen darf der Gesetzgeber typisierende und pauschalierende Regelungen treffen (vgl BVerfGE 87, 234 <255 f>; 100, 59 <90>; 195 <205>). Dies gilt auch für Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Allerdings verlangt Art 1 Abs 1 GG , der die Menschenwürde jedes einzelnen Individuums ohne Ausnahme schützt, dass das Existenzminimum in jedem Einzelfall sichergestellt wird. Der Hilfebedürftige, dem ein pauschaler Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird, kann über seine Verwendung im Einzelnen selbst bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen. Dies ist ihm auch zumutbar. Dass sich der Gesamtbetrag aus statistisch erfassten Ausgaben in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zusammensetzt, bedeutet nicht, dass jedem Hilfebedürftigen die einzelnen Ausgabenpositionen und -beträge stets uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssen. Es ist vielmehr dem Statistikmodell eigen, dass der individuelle Bedarf eines Hilfebedürftigen vom statistischen Durchschnittsfall abweichen kann. Die regelleistungsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge sind von vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert, die nicht bei jedem Hilfebedürftigen exakt zutreffen müssen, sondern erst in ihrer Summe ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten sollen. Wenn das Statistikmodell entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben angewandt und der Pauschalbetrag insbesondere so bestimmt worden ist, dass ein Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen möglich ist […], kann der Hilfebedürftige in der Regel sein individuelles Verbrauchsverhalten so gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskommt; vor allem hat er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotenzial zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten ist.“

33

Folglich ist nicht individuell zu ermitteln, ob eine bestimmte Ernährungsweise, die nicht von § 21 Abs 5 SGB II umfasst wird, sondern aus der Regelleistung zu bestreiten ist, im Einzelnen von der entsprechenden Bedarfsposition gedeckt wird. Denn es ist Sache des Hilfebedürftigen selbst, über die Verwendung des bewilligten Festbetrages im Einzelnen zu bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen.

34

4. Ansprüche auf Gewährung einer von der Regelleistung abweichenden Leistung auf der Grundlage sonstiger Anspruchsgrundlagen bestehen gleichfalls nicht.

35

a) Die Klägerin kann keinen Anspruch aus einer entsprechenden Anwendung des § 73 SGB XII herleiten. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des 7b. Senats, der sich auch der 14. Senat des BSG angeschlossen hat, eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Zugleich muss auch der Bereich der Grundrechtsausübung tangiert sein (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 250 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 22 f; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 19 f). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil es sich bei der Ernährung mit ausgewogener Mischkost bzw sog "Vollkost" um einen typischen, innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf handelt.

36

b) Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht im Hinblick auf die durch eine Anordnung des BVerfG im Urteil vom 9.2.2010 (aaO) geschaffene Härtefallregelung, die der Gesetzgeber mittlerweile mWv 3.6.2010 in § 21 Abs 6 SGB II geregelt hat(Gesetz vom 27.5.2010, BGBl I 671). Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (insbesondere RdNr 207) klargestellt, dass der von ihm verfassungsrechtlich abgeleitete, zusätzliche Anspruch immer dann notwendig werde, wenn ein bestimmter fortlaufender atypischer Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II nicht gedeckt werden könne. Nach den Feststellungen des LSG kann die Klägerin keinen derartigen besonderen Bedarf geltend machen.

37

5. Schließlich hat die Klägerin keinen Anspruch auf einen höheren Leistungsbetrag mit Rücksicht auf die fehlerhafte Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II durch das LSG. Hierbei geht der Senat davon aus, dass der Ansatz des LSG hinsichtlich der hier ausnahmsweise als KdU anteilig zu berücksichtigenden Stromkosten nicht zu beanstanden ist. Das LSG hat jedoch nicht beachtet, dass lediglich Endzahlbeträge der monatlichen Leistung nach § 41 Abs 2 SGB II zu runden sind, Zwischenberechnungsschritte aber von der Rundung ausgenommen sind(vgl BSG SozR 4-4200 § 24 Nr 3 RdNr 25).

38

Aus einer fehlerhaften Anwendung der Rundungsregelung folgt hier schon deshalb kein höherer Zahlbetrag, weil der Beklagte - wie bereits ausgeführt worden ist - bei der Leistungsbewilligung einen Betrag von monatlich 25,56 Euro für kostenaufwändige Ernährung in Ansatz gebracht hatte, auf den die Klägerin keinen Anspruch hatte. Zwar folgt hieraus nicht, dass die Bescheide durch den erkennenden Senat zu Lasten der Klägerin zu ändern waren, denn einer solchen Änderung steht das Verbot der reformatio in peius entgegen (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 8; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274, 281 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18 S 130). Da jedoch im Verfahren der Anspruch auf Alg II einschließlich der angemessenen KdU insgesamt streitig ist, kann die Klägerin einen höheren Zahlbetrag nur beanspruchen, wenn der Verfügungssatz der Bewilligung von Alg II sich insoweit der Höhe nach als unrichtig erweist. Insoweit ist die Höhe der Leistung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen.

39

Dem steht nicht entgegen, dass das BSG eine Beschränkung des Klagebegehrens auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw die Kosten für Unterkunft für zulässig erachtet hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18), denn die Klägerin hat eine Beschränkung ihres Klagebegehrens nicht vorgenommen. Eine (Teil-)Bestandskraft ist hinsichtlich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich des zuerkannten Mehrbedarfs folglich nicht eingetreten.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom beklagten Jobcenter höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 aufgrund eines geltend gemachten Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

2

Die im Jahr 1955 geborene, alleinlebende Klägerin bezieht seit dem 1.1.2005 Alg II. Nachdem ihr Hausarzt das Vorliegen einer Eisenmangelanämie bescheinigt hatte, bewilligte ihr der Beklagte bis zum 31.3.2009 einen monatlichen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 30,68 Euro, im anschließenden Bewilligungsabschnitt jedoch nicht mehr. Für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II in Höhe von monatlich 359 Euro Regelleistung und 564,80 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung, lehnte aber einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ab, weil sie aufgrund der Eisenmangelanämie Vollkost benötige, die nach neueren medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen und unter Berücksichtigung der neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 (kurz: Mehrbedarfsempfehlungen 2008 ) nur eine ausgewogene Ernährung erfordere, die aus dem Ernährungsanteil in der Regelleistung finanziert werden könne (Bescheid vom 22.9.2009, Widerspruchsbescheid vom 15.10.2009).

3

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mainz (SG) hat dieses verschiedene ärztliche Unterlagen sowie ein ärztliches Gutachten von Dr. S, nach dem bei der Klägerin insbesondere eine Sprue, die eine glutenfreie Kost erfordere, sowie eine Eisenmangelanämie vorliegen, beigezogen. Das SG hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 72,00 Euro monatlich zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.12.2011). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) das Urteil des SG geändert und die Klage insgesamt ab- sowie die Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie einen höheren Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung begehrt hatte, zurückgewiesen (Urteil vom 26.6.2012). Ein Mehrbedarfsanspruch wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehe trotz der Erkrankungen an Zöliakie/Sprue und Eisenmangelanämie nicht, obwohl die Zöliakie/Sprue durch das Gutachten von Dr. S vom 10.9.2010 und den Befundbericht von Dr. K vom 30.5.2010 eindeutig belegt sei. Wegen der Zöliakie/Sprue bestehe schon deshalb kein Anspruch, weil sie der Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht bekannt gewesen sei und eine durch sie veranlasste besondere und kostenaufwändige Ernährung nicht stattgefunden habe. Die rückwirkende Anerkennung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II komme nicht in Betracht. Eine krankheitsangemessene besondere Ernährung könne nicht für die Vergangenheit nachgeholt werden. Der Umstand, dass die Klägerin wegen ihrer gesundheitlichen Leiden auf ihre Ernährung geachtet und höherpreisige Lebensmittel konsumiert habe, begründe keinen Mehrbedarf. Die Ernährungsweise der Klägerin sei in der strittigen Zeit nicht auf ihre Erkrankung abgestimmt gewesen, weil zu dieser Zeit noch keine zutreffende Krankheitsdiagnose vorgelegen habe und die Besserung der Symptome erst eingetreten sei, als sie, ernährungsmedizinisch geschult, später zu speziell glutenfreier Kost übergegangen sei. Wegen der Eisenmangelanämie, an der die Klägerin leide und bereits im streitgegenständlichen Zeitraum gelitten habe, habe keine Notwendigkeit einer besonderen, kostenaufwändigen Ernährung bestanden.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin die Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II geltend. Ein Mehrbedarfsanspruch bestehe auch dann, wenn der Leistungsberechtigte zwar keine Kenntnis von der konkreten Krankheit habe, sich aber aufgrund krankheitsbedingter Beschwerden kostenaufwändiger ernähre und erst später eine Krankheit diagnostiziert werde, deren Heilung bzw Linderung der damit einhergehenden Beschwerden eine kostenaufwändige Ernährung erfordere. Der Wortlaut der Norm setze keine subjektive Kenntnis des Leistungsberechtigten von der den Mehrbedarf auslösenden Erkrankung im Zeitpunkt der Antragstellung voraus. Es sei allein sein objektiver Gesundheitszustand maßgeblich und daher auch die erst nach Antragstellung erkannte Krankheit anspruchsauslösend. Die Argumentation des LSG, dass die krankheitsbedingte Ernährung nicht nachgeholt werden könne, gehe fehl, da bei ihr - der Klägerin - ernährungsbedingte Kosten aufgelaufen seien. Sie habe nicht nur eine Vollwert-Diät-Kost eingehalten, sondern sich auch eiweißhaltig, eisen- und vitaminreich ernährt und aufgrund der andauernden Beschwerden verschiedenste kostenaufwändige Diäten eingehalten. Da der Regelsatz an der untersten Schwelle des Existenzminimums angesiedelt sei und demzufolge jegliche Mehrbelastung der Leistungsberechtigten zu einer Unterschreitung des Existenzminimums führe, müsse auch eine fälschlicherweise, aber nachvollziehbar angenommene Belastung ausgeglichen werden. Die Kausalität zwischen der Zöliakie/Sprue und der eingehaltenen kostenaufwändigen Ernährung habe vorgelegen, da diese Erkrankung letztlich für ihre Beschwerden im streitigen Bewilligungszeitraum verantwortlich gewesen sei. Die Unsicherheit, aufgrund welcher Erkrankung letztlich ein ernährungsbedingter Mehrbedarf vorliege, könne nicht zu Lasten des Leistungsberechtigten gehen. Bei Vorlage eines ärztlichen Attestes, in dem eine bestimmte Erkrankung genannt werde, die nicht in den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 enthalten ist, sei der Leistungsträger zur weiteren Amtsermittlung durch individuelle Begutachtung sowohl bezüglich der Erkrankung als auch des durch sie ausgelösten Ernährungsbedarfs und dessen Kosten verpflichtet.

5

Die Klägerin beantragt,
 das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 16. Dezember 2011 zurückzuweisen.

6

Der Beklagte beantragt,
 die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zu Recht auf die Berufung des beklagten Jobcenters das Urteil des SG geändert und die Klage insgesamt abgewiesen, denn die Klägerin hat für den strittigen Zeitraum keinen Anspruch auf höheres Alg II wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II.

8

Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Entscheidung nicht entgegen. Die Klägerin hat zu Recht eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 22.9.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 erhoben, weil der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Mehrbedarf nach §§ 19, 21 Abs 5 SGB II(in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Modernisierung des Arbeitsmarktes vom 24.12.2003, BGBl I 2954, zuletzt geändert durch Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2.3.2009, BGBl I 416; im Folgenden SGB II aF) kein eigenständiger Streitgegenstand im Rahmen der Bewilligung von Alg II ist (stRspr: BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290-295 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 12; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48-57 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9; BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - RdNr 11 f).

9

1. Rechtsgrundlagen für den von der Klägerin geltend gemachten und vom LSG verneinten Anspruch auf höheres Alg II aufgrund eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung sind § 19 Satz 1, §§ 7, 21 Abs 5 SGB II aF. Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

10

Zwar erfüllte die Klägerin im streitigen Zeitraum vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 die Grundvoraussetzungen nach § 7 SGB II, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, auch hatte sie rechtzeitig einen Fortzahlungsantrag auf Alg II gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II aF gestellt, jedoch sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II aF für einen Anspruch auf Mehrbedarf nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG nicht gegeben, wie sich aus dem Zusammenhang des Mehrbedarfs mit dem Regelbedarf(dazu 2.) und den Voraussetzungen des Mehrbedarfs im Einzelnen (dazu 3.) ergibt.

11

Nach § 21 Abs 5 SGB II aF erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Die seit dem 1.1.2011 geltende Neufassung des § 21 Abs 5 SGB II, nach der bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt wird, beinhaltet, wie sich aus dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung ergibt, keine inhaltliche Änderung, sondern nur eine redaktionelle Anpassung(BT-Drucks 17/3404 S 97).

12

2. Die Konkretisierung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II muss im Zusammenhang mit § 20 SGB II erfolgen, der den Regelbedarf, früher Regelleistung, in Form einer pauschalierten Leistung vorsieht. Denn § 20 SGB II umfasst die für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wesentlichen und üblichen Bedarfslagen und Bedürfnisse des täglichen Lebens, wie sich aus der nicht abschließenden Aufzählung in seinem Abs 1 - "insbesondere" Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, einen Teil der Haushaltsenergie sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens - ergibt. Grundlage für die Ermittlung der regelbedarfsrelevanten Anteile der einzelnen Bedarfsabteilungen und damit der Höhe des Regelbedarfs insgesamt sind die statistisch ermittelten Ausgaben und das Verbrauchsverhalten von Haushalten in unteren Einkommensgruppen auf der Datengrundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Die typisierend anerkannten Bedarfe gelten mit den in den Absätzen 2 bis 3 (aF) bzw bis 4 (nF) vorgesehenen Pauschalen als befriedigt (vgl § 3 Abs 3 Halbs 2 SGB II). Die Typisierung von existenzsichernden Bedarfen sowie deren Deckung durch einen pauschalen Festbetrag ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungskonform bestätigt worden (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, RdNr 205).

13

Der notwendige Bedarf für Ernährung ist als ein Teil dieses Regelbedarfs typisierend zuerkannt worden, wobei von der Deckung der laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen ausgegangen wurde (vgl Saitzek in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 20 RdNr 44; Busse in MEDSACH 2009, 142, 142; Adolph in Adolph/Linhart, SGB II/SGB XII, Stand 8/2013, § 21 RdNr 56). Damit gilt im Ergebnis eine Vollkosternährung als vom Regelbedarf gedeckt, weil es sich hierbei um eine ausgewogene Ernährungsweise handelt, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt (vgl Mehrbedarfsempfehlungen 2008, S 19, auf die das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 31 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 RdNr 152 verweist; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 25, 26; Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 2014, § 21 SGB II RdNr 34; von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 24).

14

Nach dem Ziel der Pauschalierung soll der Leistungsberechtigte über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen eigenverantwortlich entscheiden (vgl § 20 Abs 1 S 4 SGB II nF sowie zur alten Rechtslage bereits § 1 Abs 2 S 1 SGB II aF)und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen, was ihm auch zumutbar ist (vgl BVerfG, aaO). Zudem ist es dem Leistungsberechtigten zumutbar, in unregelmäßigen Abständen entstehende Bedarfe - zB für Bekleidung, langlebige Gebrauchsgüter usw - vom Regelbedarf zu decken (vgl hierzu nun ausdrücklich § 20 Abs 1 S 4 SGB II nF) und dies bei seinem individuellen Verbrauchsverhalten, zB durch Ansparungen, zu berücksichtigen.

15

Da § 20 SGB II keine im Einzelfall abweichende Bedarfsermittlung und -festsetzung zulässt, soll nach § 21 SGB II für bestimmte, laufende, aufgrund besonderer Lebensumstände bestehende Bedarfe, die nicht (ggf ausreichend) vom Regelbedarf abgedeckt sind, Zugang zu zusätzlichen Leistungen eröffnet werden(§ 21 Abs 1 SGB II; BT-Drucks 15/1516 S 57). Als einer dieser Mehrbedarfe soll der wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen nach § 21 Abs 5 SGB II helfen, im Hinblick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eine Ernährung zu finanzieren, mit der der Verlauf einer (bestehenden) gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Abmilderung von deren Folgen, Verhinderung oder Hinauszögern einer Verschlechterung oder deren (drohenden) Eintretens beeinflusst werden kann(vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 20; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 52).

16

3. Unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs setzt der Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II zunächst eine erwerbsfähige, hilfebedürftige - heute eine leistungsberechtigte - Person voraus(vgl für Sozialgeldbezieher § 28 SGB II aF bzw § 19 Abs 1 Satz 2, 3, § 23 SGB II nF), was nach dem oben Gesagten vorliegend erfüllt ist. Weitere Voraussetzungen sind medizinische Gründe, womit gesundheitliche Beeinträchtigungen gemeint sind (dazu a), eine kostenaufwändige Ernährung (dazu b), ein Ursachenzusammenhang zwischen den medizinischen Gründen und der kostenaufwändigen Ernährung (dazu c), ohne dass es auf deren Einhaltung ankommt (dazu d); hinzu kommt die Kenntnis der betreffenden Person von diesem medizinisch bedingten besonderen Ernährungsbedürfnis, die im Unterschied zu den zuvor genannten anderen Voraussetzungen hier fehlte (dazu e) (vgl zu den ersten Voraussetzungen: BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 17 bis 20; Behrend in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 21 RdNr 55, Stand Einzelkommentierung 11/2013; von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 24; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 52; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 5/2011, K § 21 RdNr 60; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, Stand 11/2009, § 21 RdNr 34; Busse, MEDSACH 2009, 142).

17

a) Die Voraussetzung "medizinische Gründe" lag vor, weil die bei der Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum bestehende Eisenmangelanämie eine Krankheit ist und damit eine gesundheitliche Beeinträchtigung iS des § 21 Abs 5 SGB II gegeben war. Hinsichtlich der Zöliakie/Sprue hat das LSG keine klaren Feststellungen getroffen, ist aber davon ausgegangen, dass diese Erkrankung zwar unerkannt war, aber "anscheinend tatsächlich" bei der Klägerin im streitigen Zeitraum vorhanden war. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits zur Aufklärung dieser Frage scheidet aus, weil die Entscheidung des LSG sich im Hinblick auf die Verneinung der Voraussetzung "Kenntnis" als zutreffend erweist (vgl § 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Für die Prüfung der weiteren Voraussetzungen ist aber zugunsten der Klägerin vom objektiven Vorliegen auch dieser Erkrankung im strittigen Zeitraum auszugehen.

18

b) Eine glutenfreie Ernährung - als hier in Betracht kommende, besondere Kostform - ist, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, eine kostenaufwändige Ernährung iS des § 21 Abs 5 SGB II, für eine Vollkosternährung gilt dies aber nicht(siehe oben 2.).

19

Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf ist kostenaufwändiger iS des § 21 Abs 5 SGB II eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt ist(so im Ergebnis auch BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12). Da die Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist, besteht eine kostenaufwändige Ernährung iS des § 21 Abs 5 SGB II grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährung(sform). Dass eine glutenfreie Kost eine solche kostenaufwändige Ernährung ist, folgt aus den Mehrbedarfsempfehlungen 2008. Bei diesen handelt es sich zwar nicht um ein antizipiertes Sachverständigengutachten, das normähnlich angewandt werden kann, sie können jedoch als Orientierungshilfe herangezogen werden, von der fachlich begründet abgewichen werden darf (vgl ausführlich BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 16; von Boetticher/Münder in Münder-LPK, SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 25; Herold-Tews in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 21 RdNr 30; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 57). Anhaltspunkte für eine Abweichung sind vorliegend nicht zu erkennen.

20

Eine andere in Betracht kommende kostenaufwändigere Ernährung der Klägerin als eine glutenfreie hat das LSG nicht festgestellt. Es hat lediglich ausgeführt, dass die Klägerin wegen gesundheitlicher Leiden auf ihre Ernährung geachtet und höherpreisige Lebensmittel konsumiert habe. Dies beinhaltet jedoch nicht die Feststellung einer besonderen, von der Vollkosternährung abweichenden Ernährung. Aufklärungsrügen wurden von der Klägerin im Revisionsverfahren nicht erhoben. Aus dem Vorbringen der Revision, der Beklagte habe seine Amtsermittlungspflichten verletzt, folgt nichts anderes, weil es nicht Aufgabe des Jobcenters ist, der leistungsberechtigten Person Kenntnis von ihrem konkreten Ernährungsbedarf zu verschaffen.

21

c) Der Ursachenzusammenhang zwischen einer Zöliakie/Sprue und einer glutenfreien Ernährung ergibt sich aus den Feststellungen des LSG, die ihrerseits auf den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 beruhen.

22

Diese aus dem Wortlaut der Norm ("aus ... Gründen") folgende und in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 15/1516 S 57) bestätigte Voraussetzung des Ursachenzusammenhangs ist - wie auch sonst im Sozialrecht - nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen (vgl zB BSG Urteil vom 9.5.2012 - B 5 R 68/11 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 18; BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 14/06 R - SozR 4-4100 § 128 Nr 6; zusammenfassend BSG Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 17 ff) und muss zwischen einem medizinischen Grund und der besonderen, kostenaufwändigen Ernährung bestehen (BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 16; Behrend in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 21 RdNr 64.1, Stand Einzelkommentierung 11/2013; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, Stand 11/2009, § 21 RdNr 34).

23

d) Die tatsächliche Einhaltung einer solchen Ernährung oder ggf der Nachweis tatsächlicher Mehraufwendungen seitens des Anspruchstellers ist keine Anspruchsvoraussetzung. Auch wenn § 21 Abs 5 SGB II anders als die übrigen in den Absätzen 2 bis 4 und 7 geregelten typisierten Mehrbedarfe keine prozentual am Regelbedarf orientierte pauschalierte Höhe des Mehrbedarfs vorsieht(so auch Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 2014, § 21 SGB II RdNr 29; Gerenkamp in Mergler/Zink, SGB II, Band 2, Stand April 2013, § 21 RdNr 6; O. Loose in Hohm-GK-SGB II, Stand 7/2012, § 21 RdNr 3), hat der Gesetzgeber das Erfordernis eines zweckentsprechenden Einsatzes der konkreten Leistung in § 21 SGB II nicht normiert, obwohl ihm die Möglichkeit einer solchen Regelung bekannt war(vgl § 29 Abs 4 SGB II nF, § 24a S 4 SGB II aF).

24

Vielmehr sind die bislang geprüften Voraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II bereits beim Vorliegen der objektiven Bedarfslage erfüllt, zumal das Jobcenter im Entscheidungszeitpunkt vor oder bei Beginn des Bewilligungsabschnittes allein die objektive Bedarfslage beurteilen kann und nicht auch die Frage, ob tatsächlich - in dem in der Zukunft liegenden Bewilligungsabschnitt - eine kostenaufwändige Ernährung durchgeführt werden wird. Bei einer Entscheidung über einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum kann nichts anderes gelten, wenn die mit der Antragstellung begehrte Leistung rechtswidrigerweise abgelehnt wurde, der Leistungsberechtigte innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt und sich im Rechtsbehelfsverfahren der Mehrbedarf bestätigt hat, er mithin bis dahin bereits wegen fehlender Geldmittel nicht gedeckt werden konnte. Zwar kann bei einer durch das Gericht nach Ablauf des streitgegenständlichen Bewilligungsabschnitts und damit den Leistungsträger nachträglich verpflichtenden Gewährung des Mehrbedarfs dessen Zweck nicht mehr erreicht werden, da die besondere Ernährung für diesen Zeitraum nicht mehr nachholbar und damit auch die Einflussnahme auf die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr möglich ist (vgl LSG Hamburg Urteil vom 27.6.2013 - L 4 AS 287/10 - Juris RdNr 23; Hessisches LSG Urteil vom 21.3.2013 - L 6 AS 665/10 - Juris RdNr 30). In diesen Fällen ist aber dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz) Vorrang zu geben, da andernfalls der Sozialleistungsträger durch unberechtigtes Bestreiten des Anspruchs den Beginn der Leistung oder gar den ab Antragstellung entstandenen Anspruch vereiteln könnte und so die Einklagbarkeit abgelehnter Leistungen nicht effektiv wäre (vgl bereits BVerwG Urteil vom 14.9.1972 - V C 62.72, V B 35.72 - BVerwGE 40, 343; BVerwG Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 12/87 - BVerwGE 90, 154). Die Entscheidung des 8. Senats des BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R (BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 17) steht hierzu nicht im Widerspruch, weil diese im Kontext der Anwendbarkeit von § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch im Sozialhilferecht zu sehen ist.

25

e) Der Anspruch der Klägerin scheitert daran, dass sie nach den unangegriffenen und für den Senat bindenden Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 31.3.2010 keine Kenntnis von ihrem Bedarf an glutenfreier und damit kostenaufwändiger Ernährung hatte.

26

Zwar ist dem Wortlaut des § 21 Abs 5 SGB II nicht ausdrücklich die Kenntnis der betreffenden Person von ihrem objektiv bestehenden und medizinisch begründeten besonderen Ernährungsbedarf zu entnehmen, diese weitere Voraussetzung folgt jedoch aus dem subjektive Elemente beinhaltenden Wort "bedürfen", der Zusammenschau mit den anderen Mehrbedarfen und den Sonderbedarfen sowie dem Sinn und Zweck des ernährungsbedingten Mehrbedarfs.

27

Wie sich aus dem Wortlaut des § 21 Abs 5 SGB II ergibt, muss die betreffende Person der kostenaufwändigen Ernährung "bedürfen". Dieses Tatbestandsmerkmal knüpft zunächst an eine objektive Bedarfslage an, die sich aus einer wertenden Berücksichtigung des aktuellen Stands der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklung zur Sicherung des physischen Existenzminimums ergibt und daran orientiert, was hiernach als notwendig betrachtet wird, wie etwa das Ersetzen von allergenhaltigen durch allergenfreie Nahrungsmittel oder der ersatzlose Verzicht auf allergenhaltige Nahrungsmittel. Diese Wertungen fließen in der Bundesrepublik Deutschland aktuell etwa in die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge zusammen mit Ernährungsmedizinern erarbeiteten Mehrbedarfsempfehlungen 2008 ein, nach denen bei einer Zöliakie/Sprue eine glutenfreie, spezielle Kost notwendig ist. Darüber hinaus enthält der Begriff des "Bedürfens" auch ein subjektives Element, das auf die Handlungsnotwendigkeiten des jeweiligen Anspruchstellers verweist.

28

Für die Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2 bis 4 SGB II und § 21 Abs 6 und 7 SGB II nF hingegen ist allein die objektive Bedarfslage anspruchsauslösend, da lediglich an den objektiven Umstand der Schwangerschaft(Abs 2), des Zusammenlebens mit und die Alleinerziehung von minderjährigen Kindern (Abs 3), der Erbringung bestimmter Leistungen für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte (Abs 4), des im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfes (Abs 6) und der Warmwassererzeugung durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen (Abs 7) als Tatbestandsvoraussetzung angeknüpft wird. Gleiches gilt für die Sonderbedarfe in Form der Einmalleistungen nach § 23 Abs 3 SGB II aF(Erstausstattungen und mehrtägige Klassenfahrten) bzw § 24 Abs 3 SGB II nF(Erstausstattungen und Anschaffung/Reparatur orthopädischer Schuhe, Reparatur/Miete von therapeutischen Geräten, Reparatur von therapeutischen Ausrüstungen) und die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II nF. Hiervon grenzt sich § 21 Abs 5 SGB II ab, in dem er nicht allein auf den "Bedarf" für kostenaufwändige Ernährung abstellt, sondern auch darauf, dass die betreffenden Personen dieser Ernährung "bedürfen", womit auf ein subjektives Element abgestellt wird.

29

Im Gegensatz zu Leistungsberechtigten mit den zuvor genannten objektiv bestehenden Bedarfslagen muss der gesundheitlich beeinträchtigten Person der objektiv bestehende besondere, jedenfalls von der ausgewogenen Ernährung in Form der Vollkost und damit vom Regelbedarf abweichende Ernährungsbedarf bekannt sein. Ohne Kenntnis des Zusammenhangs zwischen den gesundheitlichen Einschränkungen und einer bestimmten Ernährungsempfehlung, also der bedarfsauslösenden Umstände, besteht kein "Bedürfnis" der Person, eine besondere Kostform einzuhalten und hierfür höhere Beträge als im Regelbedarf eingepreist aufzuwenden, weil sie um die Handlungsnotwendigkeiten nicht weiß, der zu folgen der Mehrbedarf ermöglichen soll. Dies erfordert kein Wissen des Leistungsberechtigten um die genaue medizinische Ursache im Sinne einer zutreffenden Diagnose, wohl aber um die aus medizinischen Gründen einzuhaltende besondere - zB glutenfreie - Ernährung. Der Sinn und Zweck des Mehrbedarfsanspruchs würde leer laufen, wenn dem Leistungsberechtigten trotz fehlender Kenntnis seines objektiv bestehenden besonderen medizinisch begründeten Ernährungsbedarfs die Mehrbedarfsleistung gewährt würde, weil die bezweckte Möglichkeit, auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch eine besondere Ernährung Einfluss zu nehmen und damit den objektiven Bedarf zu decken, bei fehlender Kenntnis nicht umgesetzt werden kann.

30

Dass der Klägerin in der strittigen Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 nicht bekannt war, dass sie an Zöliakie/Sprue litt, hat das LSG ausführlich begründet unter Hinweis auf die eingeholten ärztlichen Unterlagen, einschließlich des Gutachtens von Dr. S vom 10.9.2010, sowie die mündliche Anhörung der Klägerin vor dem Senat. Von Seiten der Klägerin wurden insofern keine Rügen erhoben.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung (§ 30 Abs. 5 SGB XII) zusteht.

Der 1960 geborene Kläger bezieht seit 01.03.2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Diese wurde mit Bescheid vom 05.08.2013 bis 31.12.2015 bewilligt.

Seit 01.09.2008 bezieht der Kläger ergänzende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Dabei wurde zunächst für den Bewilligungszeitraum 01.09.2008 bis 30.04.2009 ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von monatlich 38,- Euro als Bedarf berücksichtigt (Bescheide vom 05.08.2008 und vom 29.09.2008).

Mit Bescheid vom 17.04.2009 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum 01.05.2009 bis 30.04.2010 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 703,59 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 17.04.2009 lehnte die Beklagte die Weitergewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändigere Ernährung ab 01.05.2010 (gemeint: 2009) ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die diagnostizierte Erkrankung, nämlich Hyperlipidämie, ergebe nach den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins keine Anhaltspunkte für einen Mehrbedarf.

Mit zwei Schreiben vom 28.04.2009 und vom 07.05.2009 erhob der Kläger Widerspruch gegen „die Bescheide vom 17.04.2009“. Mit einem Widerspruchsbescheid vom 11.01.2010 wies die Regierung von ... den Widerspruch zurück. Die Beklagte habe zu Recht Warmwasserkosten in Höhe von monatlich 15,76 Euro von den berücksichtigungsfähigen Heizkosten abgezogen. Ein ernährungsbedingter Mehrbedarf bestehe nicht; dies ergebe sich aus den Empfehlungen des Deutschen Vereins.

Am 25.01.2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Er hat zunächst beantragt, beide Bescheide vom 17.04.2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 11.01.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII weiter zu gewähren. Außerdem sei die Beklagte zu verurteilen, die rückständige Leistung des Mehrbedarfszuschlags in Höhe von 342,- Euro zu erbringen.

Das Gericht hat einen Befundbericht von Dr. B. eingeholt. Diese hat eine cholesterinarme Ernährung als geboten erachtet. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Befundberichts Bezug genommen.

Am 18.03.2010 ist beim SG ein Schreiben des Klägers eingegangen, in dem er ausführt, er lege Widerspruch gegen den zwischenzeitlich ergangenen Bescheid vom 08.03.2010 ein. Mit diesem Bescheid war die Bewilligung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs - ohne Angabe eines Zeitraums oder Zeitpunkts - nochmals abgelehnt worden. Weiter hat der Kläger ausdrücklich beantragt, den Bescheid vom 08.03.2010 in die Klage einzubeziehen.

Die Beklagte hat sich zu einer Klageänderung nicht ausdrücklich geäußert; sie hat allerdings mitgeteilt, dass der Kläger am 15.02.2010 einen nochmaligen ausdrücklichen Antrag gestellt habe und dass dieser mit Bescheid vom 08.03.2010 abgelehnt worden sei. Sie hat außerdem auf die BSG-Rechtsprechung (Urteil vom 11.12.2007, B 8/9b SO 12/06 R, Rn. 8; Urteil vom 31.10.2007, B 14/11b AS 59/0AS 59/06 R, Rn. 13) verwiesen, nach der eine erneute Antragstellung den streitgegenständlichen Zeitraum begrenze.

Am 02.08.2011 hat die Beklagte selbst (Referat für Gesundheit und Umwelt) ein ärztliches Gutachten erstellt. In diesem wird ausgeführt, zur Behandlung der vorliegenden Erkrankungen seien teilweise spezielle Ernährungsformen/Diäten einzuhalten, jedoch könne die erforderliche Kost aus dem Lebensmittelangebot des täglichen Bedarfs zusammengestellt werden. Mehrkosten entständen dadurch nicht.

Mit Gerichtsbescheid vom 11. Juli 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe ab 01.05.2009 kein Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung zu. Das SG hat sich dabei auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins und auf das von der Beklagten erstellte Gutachten berufen.

Am 19.07.2012 hat der Kläger Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe 2012 gegen mehrere Bescheide Widerspruch eingelegt. Der Mehrbedarf betrage monatlich 147,- Euro.

Der Senat hat den Kläger aufgefordert, den geltend gemachten Mehrbedarf zu beziffern und mitzuteilen, ob und ggf. wie er diesen Mehrbedarf in der Vergangenheit gedeckt habe. Darauf hat der Kläger erwidert, er mache einen Mehrbedarf in Höhe von monatlich 38,- Euro für den Zeitraum 01.05.2009 bis 30.04.2010 geltend. Weiter hat er ausgeführt, er begehre nunmehr monatlich 128,- Euro. Er halte sich strikt an die Ernährungsempfehlungen seiner Ärzte. Er habe bisher versucht, sich so gut wie möglich gesund zu ernähren. Dennoch reiche das Geld nicht aus. Er lebe seit Jahrzehnten auf Diät, also ohne Schweinefleisch und cholesterinsteigernde Lebensmittel. Es sei offensichtlich, dass eine Ernährungslücke entstehe. Um sich gesund zu ernähren, habe er an der Kleidung gespart.

Der Senat hat Befundberichte von Dr. C. (Physikalische und Rehabilitative Medizin), Dr. B. (Prakt. Ärztin) und Dr. D. (Psychiatrie) sowie ein internistisch-cardiologisches Gutachten von Dr. E. (Internistin, Ernährungsmedizin) eingeholt. Die Sachverständige bestätigt in ihrem schriftlichen Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens. So leide der Kläger an chronisch rezidivierenden Lumbalgien und Zervikalgien sowie einer seelischen Störung. Außerdem sei wegen eines großen teilthrombosierten Bauchaortenaneurysmas 2009 eine Aortendakronprothese implantiert worden. Ferner leide der Kläger an essentieller arterieller Hypertonie, gemischtförmiger Hyperlipidämie, Diabetes mellitus Typ 2, COPD Grad II bei Lungenemphysem und vordiagnostizierter Niereninsuffizienz II. Die bestehenden Gesundheitsstörungen bedürften keiner besonderen Ernährung (Krankenkost); ihnen werde mit der Einhaltung der für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung generell empfohlenen gesunden Vollkost adäquat Rechnung getragen.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 26.09.2014 sinngemäß eingewendet, das Gutachten berücksichtige weder seine gesundheitlichen Einschränkungen noch die Preise der Lebensmittel, die er benötige. Der Verzicht auf Fertigprodukte führe zu Mehrkosten. Die Sachverständige habe selbst eingeräumt, dass fettarmes Fleisch und fettarme Wurst sehr teuer seien. Milchprodukte seien schädlich. Seefisch sei sehr teuer. Sonnenblumen-, Oliven-, Weizenkeim- oder Soja-Öl sei teurer als normales Salat-Öl. Er dürfe nur mageren Fisch essen wie z.B. Scampi oder Garnelen. Dies könne er sich nicht leisten. Auch verkenne die Sachverständige, dass seine psychiatrischen Krankheiten ebenfalls einen Mehrbedarf verursachten. Geld- und daraus resultierende Ernährungsmängel hätten dazu geführt, dass er teilweise Zahnprothesen trage.

Der Kläger hat zum wiederholten Mal Stellungnahmen seiner Hausarztpraxis vorgelegt, in denen sein Anliegen unterstützt wird.

Der Kläger beantragt

weiterhin einen Mehrbedarf und deswegen die Aufhebung des Bescheides vom 18.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2010 sowie des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 11.07.2012.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere nach §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 21.11.2014 einen Antrag gestellt, in dem er weder die Höhe des geltend gemachten Mehrbedarfs noch den streitgegenständlichen Zeitraum bezeichnet hat. Der Senat geht zu Gunsten des Klägers davon aus, dass er einen ernährungsbedingten Mehrbedarf für den Zeitraum 01.05.2009 bis 21.11.2014 (Tag der mündlichen Verhandlung) begehrt. Damit kommt es auf die Frage des Wertes des Beschwerdegegenstandes nicht an (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).

Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Streitgegenstand wurde zulässigerweise von dem Kläger inhaltlich mit seinem Antrag (§ 123 SGG) auf die Frage begrenzt, ob ihm ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zusteht (zur Abtrennbarkeit eines Anspruchs auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs BSG, Urteil vom 10.11.2011, B 8 SO 12/10 R, Rn. 11 m. w. N.). Dies gilt aber nicht für die beanspruchte Dauer der Leistung.

Die Klage ist nur zulässig, soweit sie den Zeitraum vom 01.05.2009 bis zum 30.04.2010 betrifft.

Der Kläger hat die Bescheide vom 17.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von ... vom 11.01.2010 angefochten, soweit ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nicht berücksichtigt wurde. Dem Klageschriftsatz ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Kläger sich gegen beide Bescheide (Bewilligungs- und Ablehnungsbescheid) wendet. Der Bewilligungsbescheid betrifft den Zeitraum 01.05.2009 bis 30.04.2010. Der separate Ablehnungsbescheid vom selben Tag könnte nur für sich allein gesehen auch über den 30.04.2010 hinaus Geltung beanspruchen (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 29.08.2013, L 8 SO 157/10, Rn. 21 ff. zu einem Ausnahmefall).

Diese Frage kann aber letztlich offen bleiben. Denn auf einen neuerlichen Antrag des Klägers lehnte die Beklagte die Berücksichtigung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs mit Bescheid vom 08.03.2010, zugestellt am 17.03.2010, nochmals isoliert ab (vgl. dazu Urteil des Senats vom 20.08.2014, L 8 SO 46/14). Wenn der Ablehnungsbescheid vom 17.04.2009 ursprünglich über den 30.04.2010 hinaus Geltung beansprucht hätte, so wäre dies durch die neuerliche Entscheidung hinfällig. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 02.02.2010, B 8 SO 21/08 R, Rn. 9) führen zwischenzeitlich ergangene neue Bescheide für den von ihnen betroffenen Zeitraum zu einer Erledigung eines früheren Ablehnungsbescheides nach § 39 Abs. 2 SGB X.

Damit regelt der Bewilligungsbescheid vom 17.04.2009 den Anspruch im Zeitraum 01.05.2009 bis 30.04.2010 und der separate Ablehnungsbescheid vom 17.04.2009 den Zeitraum vom 01.05.2009 bis 16.03.2010. Für weitere Zeiträume ist die Klage nicht zulässig. Insbesondere hat die Beklagte einer Klageänderung nicht zugestimmt (siehe dazu später unter 2.).

1. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie nicht begründet.

Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 30 Abs. 5 SGB XII. Dieser sieht vor, dass für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt wird.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die für den Kläger unter medizinischen Aspekten gebotene Ernährungsweise ist nicht mit Mehrkosten verbunden. Der Senat stützt sich dabei auf das ausführliche und schlüssige Sachverständigengutachten von Dr. E., A-Stadt, vom 05.09.2014, welches auf einer persönlichen Untersuchung des Klägers und der Auswertung umfangreicher Gesundheitsdaten und Stellungnahmen anderer behandelnder Ärzte wie Dr. C. (Physikalische und Rehabilitative Medizin), Dr. B. (Prakt. Ärztin) und Dr. D. (Psychiatrie) beruht. Die gerichtliche Sachverständige ist als Ernährungsmedizinerin in besonderem Maße für die Begutachtung von Fragen im Zusammenhang mit Ernährungserfordernissen qualifiziert. Der Senat stützt sich also nicht nur auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, die keine normähnlich anwendbaren, antizipierten Sachverständigengutachten sind (BSG, Urteil vom 22.11.2011, B 4 AS 138/10 R), sondern er hat seine Überzeugung auf Grund einer den Einzelfall betreffenden Beweiserhebung gewonnen. Die von der Sachverständigen zutreffend festgestellten Gesundheitsstörungen (chronisch rezidivierende Lumbalgien und Zervikalgien, seelische Störung, Implantierung einer Aortendakronprothese wegen eines großen teilthrombosierten Bauchaortenaneurysmas, essentielle arterielle Hypertonie, gemischtförmiger Hyperlipidämie, Diabetes mellitus Typ 2, COPD Grad II bei Lungenemphysem und vordiagnostizierte Niereninsuffizienz II) bedürfen nach den überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen der Sachverständigen keiner besonderen Ernährung (Krankenkost). Ihnen wird mit der Einhaltung der für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung generell empfohlenen gesunden Vollkost adäquat Rechnung getragen. Diese berücksichtigt bereits die Erkenntnisse zur Prävention und Therapie von arterieller Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes mellitus Typ 2. Die Nierenfunktionsstörung ist noch keineswegs höhergradig, die Nierenretentionswerte liegen im oberen Normbereich bzw. gering darüber. Ein nephrotisches Syndrom mit erhöhter Eiweißausscheidung besteht nach den Feststellungen der Sachverständigen nicht.

Demgegenüber sind die vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen seiner Hausärztin (zuletzt vom 30.09.2014 und vom 14.10.2014) nicht begründet. Sie erklärt, der Kläger benötige fettarme und zuckerfreie Kost und behauptet pauschal, diese sei mit Mehrkosten verbunden. Dabei setzt sie sich nicht mit der Frage auseinander, wodurch sich die von ihr empfohlene Kost von gesunder Vollkost unterscheiden soll und für welche Lebensmittel in welcher Höhe konkret Mehrkosten anfallen sollen.

Da die allgemein empfohlene Vollkost für den Kläger ausreicht und § 30 Abs. 5 SGB XII keinen Auffangtatbestand für die allgemeine Kritik darstellt, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren (zu der inhaltsgleichen Vorschrift des § 21 Abs. 5 SGB II BSG, Urteil vom 10.05.2011, B 4 AS 100/10 R, Rn. 24 und 26 m. w. N.), sind weitere Ermittlungen zu Lebensmittelpreisen nicht erforderlich.

Offen bleiben kann vor diesem Hintergrund auch die Frage, wie sich der Kläger in der Vergangenheit tatsächlich ernährt hat (Selbstbeschaffung von Sonderernährung oder Wegfall des Bedarfs durch Zeitablauf, vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2007, B 8/9b SO 12/06 R). Der Kläger behauptet, er folge strikt den Ernährungsempfehlungen seiner Ärzte; die gerichtliche Sachverständige hat ausgeführt, mehrere Krankheiten seien „hervorragend“ bzw. „sehr gut“ eingestellt, was für eine adäquate Ernährung spricht. Dies indiziert jedoch nicht, dass der Kläger notwendige Mehraufwendungen gegenüber dem im Regelsatz vorgesehenen Ernährungsanteil hat (s. o.).

2. Soweit der Kläger einen Antrag gestellt hat, der weiter gehende als die unter 1. genannten Zeiträume betrifft, ist die Klage unzulässig. Weder wurden weitere Bescheide über § 96 SGG in das Klageverfahren einbezogen noch hat sich der Kläger hinreichend deutlich gegen bestimmte Widerspruchsbescheide innerhalb der jeweiligen Frist gewendet. Auf etwaige Klageänderungen hat sich die Beklagte nicht rügelos eingelassen oder sonst eingewilligt. Klageänderungen wären auch nicht sachdienlich (§ 99 Abs. 1 SGG). Soweit ein form- und fristgerecht eingelegter Widerspruch fehlt, sind die Bescheide bestandskräftig, so dass die geänderte Klage unzulässig wäre. Soweit ein Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen wurde, müsste das Verfahren zunächst ausgesetzt werden (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 78 Rn. 3a). Dies würde zu einer Verfahrensverzögerung führen, die der Senat nicht für angezeigt hält. Darin liegt kein Ermessensfehler (Leitherer, a. a. O., Rn. 10a am Ende; BSG, Urteil vom 08.05.2007, B 2 U 14/06 R, Rn. 15). Ein solcher ergibt sich auch nicht daraus, dass das Widerspruchsverfahren nach dem Urteil des BSG vom 03.03.2009, B 4 AS 37/08 R, Rn. 18 f. wohl entbehrlich ist, wenn die Widerspruchsbehörde sich - wie hier - zu der streitigen Rechtsfrage bereits eine Meinung gebildet und diese auch geäußert hat. Durch die Behandlung der Klageänderung als unzulässig wird der Rechtsschutz des Klägers nicht verkürzt. Gegen einen etwaigen Widerspruchsbescheid konnte bzw. kann der Kläger erneut klagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.