Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 17. Aug. 2016 - L 11 AS 681/15

bei uns veröffentlicht am17.08.2016
vorgehend
Sozialgericht Nürnberg, S 10 AS 2032/10, 22.05.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.05.2015 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Verzinsung von Nachzahlungen aus einem Anerkenntnis bzw. Vergleich sowie die Zahlung von Schadensersatz wegen verspätet gezahlter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger bezog vom Beklagten Alg II. Im Rahmen eines Berufungsverfahrens vor dem Bayer. Landessozialgericht (L 11 AS 221/07) hatte der Beklagte im Rahmen eines Anerkenntnisses einen Rücknahmebescheid vom 14.07.2005 in der Fassung des Bescheids vom 06.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.12.2005 aufgehoben und sich zur Nachzahlung von Leistungen aus dem Bewilligungsbescheid vom 07.06.2005 im Hinblick auf das mit Fortzahlungsantrag vom 25.05.2005 beantragte Alg II für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 in Höhe von monatlich 636,05 EUR, soweit noch nicht geschehen, bereit erklärt. Nachdem zunächst eine Zahlung durch den Beklagten nicht erfolgt war, hat der Kläger am 31.12.2010 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben (S 10 AS 2032/10). Am 04.07.2011 zahlte sodann der Beklagte das Alg II für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 in der vollen ursprünglich bewilligten Höhe und für den gesamten Zeitraum nach, obgleich aufgrund eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (S 8 AS 66/07 ER) bereits die Regelleistung für die Monate September bis November 2005 am 05.03.2007 ausgezahlt worden waren. Der nachgezahlte Betrag wurde mit Bescheid vom 29.06.2011 darüber hinaus für die Zeit vom 01.09.2005 bis 31.07.2008 mit insgesamt 507,70 EUR verzinst. In den Akten des Beklagten ist der genannte Bescheid nicht adressiert und auch die Verfügung „Bescheid erstellen“ nicht abgezeichnet. Mit einem Änderungsbescheid vom 06.05.2014 führte der Beklagte aus, der Bescheid ergehe in Abänderung des Bescheides vom 29.06.2011 und regle die Verzinsung der Nachzahlung für die Zeit von Mai 2005 bis Juli 2008, wobei der errechnete Zinsbetrag in Höhe von 507,70 EUR bereits überwiesen worden sei.

Nach einem Vergleich im Berufungsverfahren L 11 AS 225/07 vom 31.07.2008 hatte sich der Beklagte verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheides vom 18.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 - mit diesem war der Fortzahlungsantrag vom 30.11.2005 abgelehnt worden - dem Kläger die Regelleistung für die Zeit vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 nachzuzahlen sowie Kosten der Unterkunft iHv 278,66 EUR auf Nachweis des Klägers in Höhe der tatsächlich gezahlten Unterkunftskosten zu erstatten. Nachdem zunächst eine Auszahlung durch den Beklagten nicht erfolgt war, hat der Kläger am 31.12.2010 Klage beim SG erhoben (S 10 AS 2033/10). Der Beklagte brachte sodann am 22.09.2011 die Regelleistung für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 in Höhe von 8.081,80 EUR (Bescheide vom 20.09.2011) zur Auszahlung. Nach Vorlage der Nachweise zu den Kosten der Unterkunft erfolgte am 13.12.2011 die Auszahlung der Unterkunftskosten für den genannten Zeitraum in Höhe von 6.520,65 EUR (Bescheide vom 13.12.2011).

Mit Beschluss vom 16.11.2011 hat das SG die beiden Klageverfahren S 10 AS 2032/10 und S 10 AS 2033/10 verbunden. Neben der Verzinsung mit einem Zinssatz von 5% über dem Basiszinssatz hat der Kläger die Auszahlung der nachzuzahlenden Beträge und auch den Ausgleich von Nachteilen begehrt, die sich daraus ergeben hätten, dass er Vergünstigungen für Hartz-IV-Empfänger seinerzeit nicht habe in Anspruch nehmen können. Für den entgangenen billigeren Tarif beim öffentlichen Nahverkehr, für die entgangene Inanspruchnahme von Tafeln, verbilligtem Essen und Einkaufsmöglichkeiten im Sozialkaufhaus etc. seien monatlich 150 EUR anzusetzen, mithin insgesamt 5.350 EUR. Den Bescheid vom 29.06.2011 habe er nicht erhalten und die Zinsberechnungen seien nicht nachvollziehbar. Die Heizkosten seien ebenfalls Gegenstand des Anerkenntnisurteils gewesen und neben den Kosten der Unterkunft zu zahlen. So habe der Vergleich keine Abgeltungsklausel oder ähnliches enthalten.

Am 13.05.2014 hat der Beklagte das Original und eine Zweitschrift des Bescheides vom 06.05.2014 (Verzinsung der Nachzahlung Mai 2005 bis Juli 2008) an das SG übersandt und darauf verwiesen, dass dieser nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden sein dürfte. Nach den Akten des SG wurde eine Übersendung an den Kläger nicht verfügt oder veranlasst.

Mit Urteil vom 22.05.2015 hat das SG den Beklagten verpflichtet, die aufgrund des geschlossenen Vergleichs im Verfahren L 11 AS 225/07 am 22.09.2011 für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 ausgezahlten Regelleistungen in Höhe von 8.081,80 EUR und die am 13.12.2011 für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 ausgezahlten Kosten der Unterkunft in Höhe von 6.520,65 EUR mit vier vom Hundert zu verzinsen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Bezüglich der Auszahlung sei der Rechtsstreit vorliegend erledigt. Der Zinsanspruch bestehe als unselbstständige Nebenforderung, auch wenn er im Vergleichstext nicht explizit erwähnt worden sei. Weder habe der Kläger darauf verzichtet, noch sei er stillschweigend ausgeschlossen worden. Hieraus folge die Pflicht zur Verzinsung der nachgezahlten Leistungen gestaffelt nach den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten mit einem Zinssatz von vier vom Hundert. Die Verzinsung beginne frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages. Im Übrigen habe sich mit der Gewährung und Verzinsung der Leistungen für die Zeit von 01.06.2005 bis 30.11.2005 während des gerichtlichen Verfahrens der Rechtsstreit diesbezüglich erledigt. Für eine Erstattung von Verzugszinsen gebe es keine Anspruchsgrundlage. Weder das SGB II noch das Erste Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sehe den Ersatz eines Schadens vor, der bei einer verzögerten Ausführung einer Leistungsbewilligung entstehe. Die Vorschriften der §§ 288, 280, 286 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seien nicht einschlägig, weil sich diese auf zivilrechtliche Rechtsverhältnisse beziehen würden. Ebenso wenig sei eine analoge Anwendung auf das Verhältnis zwischen Leistungsträger und Leistungsempfänger angezeigt, weil der Gesetzgeber die Verzinsung abschließend im SGB I geregelt habe. Dies obliege seinem alleinigen Gestaltungsspielraum. Allenfalls komme im Hinblick auf den geltend gemachten Schaden ein Amtshaftungsanspruch in Betracht, der aber vor den Zivilgerichten zu verfolgen sei.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sämtliche bisher gestellten Anträge würden aufrechterhalten werden, soweit sie vom SG abgelehnt worden seien. Hilfsweise würden die Leistungsanträge als Feststellungsanträge gestellt und zusätzlich allgemein der Antrag gestellt, die Nachteile und Schäden festzustellen, die ihm durch die Behandlung seiner Anträge durch den Beklagten und die Nichteinhaltung der Vorentscheidung des Senats bzw. des Vergleichs entstanden seien. Darüber hinaus seien diesbezüglich aber auch im öffentlichen Recht Spezialnormen anzuwenden. So würden die Grundsätze der früheren „c.i.c.“ bzw. „pVV“ auch im Sozialrecht gelten. Über die Zinsen sei ohne Antrag und von Amts wegen zu entscheiden. Daran fehle es. Zwischen Verzugszinsen und Prozesszinsen sei zu differenzieren. Nach dem Prozessvergleich von 2008 sei die Beklagte untätig geblieben. Auch seine Klage im Jahr 2010 habe nicht zu einer Änderung geführt, so dass schließlich ein Rechtsanwalt beauftragt worden sei. Auf den diesbezüglichen Kosten dürfe er nicht sitzenbleiben. Einschlägig dürfte der sozialrechtliche Herstellungsanspruch sein, der die Durchführung eines Schadensersatzprozesses wegen Amtshaftung vor den Zivilgerichten entbehrlich machen solle. Hier komme die Rechtsfolge der „Naturalrestitution“ in Betracht bzw. ein „allgemeiner Kostenerstattungsanspruch“. Der Beklagte habe ihn einfach abgemeldet und dennoch weiter mit ihm zum Schein korrespondiert. Ein jahrelang missbräuchliches Vorgehen des Beklagten rechtfertige den gestellten Feststellungsantrag im Hinblick auf das pflichtwidrige Vorgehen, zumal eine diesbezügliche „Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses“ anerkannt sei. Der Beklagte habe - bereits vor einem Gerichtstermin - eine Gesamtabrechnung vorzulegen. Es widerspreche dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, wenn diese nicht nachvollziehbar sei und er sich erst „durchwurschteln“ müsse, um geschickt versteckte Fehler aufzuspüren. Eigene Unterlagen seien ihm (derzeit) nicht zugänglich. Ohne eine entsprechende Abrechnung sei ein Amtshaftungsprozess für ihn gar nicht zu bewältigen und er komme in neue Schwierigkeiten. Zinsen aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag seien anders zu verzinsen. Ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis sei verletzt worden. Für die für die Zeit vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 habe der Beklagte zudem noch immer lediglich Kosten der Unterkunft i. H. v. 278,66 EUR gezahlt, nicht aber darüber hinausgehende Heizkosten.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.05.2015 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, weitere Zinsen im Hinblick auf die nachgezahlten Leistungen bezüglich des Anerkenntnisses im Verfahren L 11 AS 221/07 und des Vergleichs im Verfahren L 11 AS 225/07 und Heizkosten für die Zeit vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 zu zahlen sowie Schadenersatz im Hinblick auf die verspätete Auszahlung von Leistungen zu gewähren, hilfsweise den ihm durch die verspätete Zahlung der Leistungen entstandenen Schaden festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zuletzt unter dem 01.07.2016 eine Neuberechnung der Verzinsung vorgenommen. Bezüglich der Verzinsung der Nachzahlung des Alg II für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 hat er dem Kläger - unter Berücksichtigung eines Verzinsungsbeginns jeweils sechs Monate nach Fälligkeit; Auszahlung der Regelleistung für die Monate September bis November 2005 am 05.03.2007; Zinssatz mit 4%; Verzinsungsende 04.07.2011 bzw. 05.03.2007 - weitere 151,22 EUR bewilligt. Für die nachgezahlte Regelleistung für die Zeit vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 wurden Zinsen i. H. v. 1.530,88 EUR und für die Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 Zinsen i. H. v. 1.295,15 EUR bewilligt. Auch hier erfolgte eine Berechnung unter Berücksichtigung eines Verzinsungsbeginns jeweils sechs Monate nach Fälligkeit, eines Zinssatzes von 4% und einem Verzinsungsende am 22.09.2011 bzw. 13.12.2011.

Der Klageänderung in Bezug auf die begehrte Feststellung der durch die verspätete Zahlung der Leistungen entstandenen Schäden hat der Beklagte nicht zugestimmt.

Mit Beschluss vom 01.12.2015 hat der Senat das Begehren des Klägers auf Zahlung von Schadensersatz aus Amtshaftung abgetrennt und unter dem Aktenzeichen L 11 SF 350/15 KL fortgeführt. Einen sinngemäßen Antrag des Klägers auf Vertagung des Rechtsstreits bis eine nachvollziehbare Zinsberechnung durch den Beklagten vorliege, hat der Senat mit Beschluss vom 17.08.2016 abgelehnt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine weitergehende Zinszahlung für die aus dem Vergleich bzw. Anerkenntnis vom 31.07.2008 nachgezahlten Leistungen, noch im Hinblick auf einen Schadensersatz wegen verspätet ausgezahlter Leistungen bzw. einer entsprechenden Feststellung.

Streitgegenstand ist vorliegend zunächst die Zahlung von Zinsen für die erst am 04.07.2011 ausgezahlten Leistungen für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 bzw. für die am 22.09.2011 gezahlte Regelleistung für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 12.11.2007 sowie für die am 13.12.2011 gezahlten Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.12.2005 bis 12.11.2007. Weiter geht es um die Zahlung von Schadenersatz durch den Beklagten für Schäden, die dem Kläger wegen der verspätet ausgezahlten Leistungen entstanden sein sollen bzw. hilfsweise nun die Feststellung, welche Schäden durch die verspätete Zahlung eingetreten sind. Letztlich begehrt der Kläger noch Heizkosten für die Zeit vom 01.12.2005 bis 12.11.2007, die bislang nicht berücksichtigt worden seien. Nicht Streitgegenstand ist ein Schadensersatz im Hinblick auf Amtshaftungsansprüche, da das Begehr des Klägers insoweit vom vorliegenden Verfahren abgetrennt und unter dem Az. L 11 SF 350/15 KL fortgeführt worden ist.

Dem Kläger steht - nach der Zinsfestsetzung durch den Beklagten im Schreiben vom 01.07.2016 - kein Anspruch gegen den Beklagten auf eine weitere Verzinsung der aus dem Anerkenntnis bzw. dem Vergleich vom 31.07.2008 nachgezahlten Beträge zu. Es kann vorliegend dahinstehen, ob eine diesbezügliche Klage überhaupt zulässig ist, da der Kläger bereits am 31.12.2010 Klage beim SG erhoben hat, obwohl die Bescheide über die Verzinsung vom 29.06.2011, 06.05.2014 bzw. 15.10.2015 und 26.01.2016 noch gar nicht erlassen waren. Damit lagen seinerzeit noch keine anfechtbaren Verwaltungsakte (zum Erfordernis, einen Zinsanspruch nach § 44 SGB I erst durch Bescheid festzustellen: BSG, Urteil vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96) vor. Auch eine Überprüfung der Zinsbescheide im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens ist nicht erfolgt. Dies kann vorliegend jedoch dahinstehen, da eine entsprechende Klage jedenfalls unbegründet ist. Dem Kläger steht kein höherer Anspruch auf Zinszahlung, als ihn der Beklagte festgestellt hat, zu.

Nach § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt dabei frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung (§ 44 Abs. 2 SGB I). Bei den Ansprüchen auf Alg II für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005, zu deren Zahlung sich der Beklagte im Anerkenntnis vom 31.07.2008 (Az. L 11 AS 221/07) verpflichtet hatte, stellen ebenso solche Ansprüche auf Geldleistungen dar, wie die Zahlungen aufgrund des Vergleichs vom 31.07.2008 im Verfahren L 11 AS 225/07 in Bezug auf das Alg II für die Zeit vom 01.12.2005 bis 12.11.2007.

Für die am 04.07.2011 ausgezahlten Leistungen für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 ergibt sich demnach, dass - ausgehend vom vollständigen Leistungsantrag im Mai 2005 - der Verzinsungsbeginn der für Juni 2005 bis November 2005 gezahlten Leistungen in Höhe von monatlich 612,35 EUR auf den 01.12.2005 fällt. Dies folgt aus § 44 Abs. 2 1. Alt SGB I, wonach die Verzinsung sechs Monate nach Vorliegen des vollständigen Leistungsantrages beginnt. Da die Leistungen im Juli 2011 zur Auszahlung gebracht worden sind, endet die Verzinsung mit Ablauf des Juni 2011 (§ 44 Abs. 1 SGB I). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nur vollständige Euro-Beträge verzinst werden (§ 44 Abs. 3 SGB I), sind die Leistungen für Juni 2005 bis August 2005 jeweils für 2010 Tage (Dezember 2005 bis Juni 2011; Monat wird mit 30 Tagen gerechnet, § 44 Abs. 3 SGB I), womit sich unter Berücksichtigung des Zinssatzes in Höhe von vier vom Hundert (§ 44 Abs. 1 SGB I) ein Zinsbetrag in Höhe von jeweils 136,68 EUR ergibt. Für die Monate September bis November 2005 war die Regelleistung von 345 EUR jeweils nur für die Zeit von Dezember 2005 bis Februar 2007 zu verzinsen, da eine Auszahlung diesbezüglich aufgrund eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (S 8 AS 66/07 ER) am 05.03.2007 erfolgt ist. Mithin ergibt sich bei einem Verzinsungszeitraum von 450 Tagen und 4% Zinsen eine Verzinsung in Höhe von jeweils 17,25 EUR. Für die Unterkunftskosten war wiederum der Zeitraum von Dezember 2005 bis Juni 2011 zu verzinsen, so dass sich für den jeweiligen monatlichen Zahlungsbetrag von 291,05 EUR je eine Verzinsung von 65 EUR ergibt.

Dementsprechend folgt ein Zinsanspruch für die aufgrund des Anerkenntnisses im Verfahren L 11 AS 221/07 nachgezahlten Leistungen i. H. v. 656,79 EUR (3x136,68 EUR + 3x17,25 EUR + 3x65 EUR). Der Beklagte hat insofern hierfür einen Betrag von 658,92 EUR anerkannt, so dass sich aus § 44 SGB I hierfür kein weitergehender Anspruch ergeben kann. Die Berechnung der Zinsen hat der Beklagte - unter Berücksichtigung seines Ansatzes - schlüssig und nachvollziehbar in seinem Schreiben vom 01.07.2016 dargestellt.

Soweit es um eine Verzinsung der Nachzahlungen aus dem Vergleich vom 31.07.2008 (L 11 AS 225/07) geht, wurde der Beklagte bereits vom SG mit Urteil vom 22.05.2015 zur Verzinsung nach § 44 SGB I verurteilt. Er hat das Urteil nicht angefochten, so dass es im Berufungsverfahren alleine um eine darüber hinausgehende Verzinsung gehen kann. Sofern der Beklagte der Verpflichtung aus dem Urteil vom 22.05.2015 nicht nachkommt, wäre es eine Frage der Vollstreckung aus der Entscheidung des SG nach § 201 SGG, für die das SG selbst auf Antrag des Klägers zuständig wäre. Im Übrigen wurde die Verzinsung der diesbezüglich nachgezahlten Leistungen nach den oben genannten Berechnungsmaßstäben vorgenommen und darüber hinaus sogar noch die Cent-Beträge verzinst und die Verzinsung nicht nur bis zum Ende des Monats vor der Auszahlung vorgenommen, sondern bis zum tatsächlichen Tag der Auszahlung. Der Beklagte hat damit Zinsen iHv 1.530,88 EUR bzw. 1.295,15 EUR anerkannt. Ein weitergehender Zinsanspruch nach § 44 SGB I ist insofern nicht ersichtlich. Auch hier ergibt sich die Berechnung des Beklagten nachvollziehbar und verständlich aus dem Schreiben vom 01.07.2016.

Ein Anspruch auf eine Verzinsung der nachgezahlten Beträge mit einem höheren Zinssatz aufgrund anderer Rechtsgrundlagen besteht nicht. § 44 SGB I trifft eine Sonderregelung über die Verzinsung von Geldleistungen im Sozialrecht, so dass auch keine Rechtsgrundlage und ein allgemeiner Rückgriff auf die §§ 288 ff BGB möglich ist (vgl. dazu Mrozynski, SGB I, 5. Auflage 2014, Rn. 1 und 1a). Mit dem Anspruch auf Zinsen nach § 44 SGB I hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass soziale Geldleistungen in der Regel die Lebensgrundlage des Leistungsberechtigten bilden und bei verspäteter Zahlung nicht selten Kreditaufnahmen, die Auflösung von Ersparnissen oder die Einschränkung der Lebensführung notwendig wird (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27.08.2011 - B 4 AS 1/10 R). Damit kommt ein Bedürfnis für eine darüber hinausgehende Anwendung der §§ 288 ff BGB nicht in Betracht, insbesondere kommt der vom Kläger geltend gemachte Zinsanspruch von 5% über dem Basiszinssatz nicht zur Anwendung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Beklagte sich im Rahmen des Vergleichs vom 31.07.2008 zu einer Zahlung von Leistungen verpflichtet hat. Zwar kommt einem gerichtlichen Vergleich im Hinblick auf seine Doppelnatur auch der Charakter eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Hinblick auf die materiell-rechtliche Regelung zu (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 101 Rn. 3). Jedoch ändert dies nichts daran, dass es sich im Hinblick auf die Verpflichtung zur Leistung um eine solche in Bezug auf Sozialleistungen im Sinne von § 44 SGB I handelt, mithin diese Vorschrift den zivilrechtlichen Regelungen der §§ 288 ff BGB vorgeht.

Ein Anspruch auf Ersatz des vom Kläger geltend gemachten Schadens im Hinblick auf die Folgen der verspäteten Zahlungen durch den Beklagten ist nicht gegeben. Soweit vorliegend diesbezüglich ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Betracht kommen könnte (vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.10.2014 - L 19 AS 1287/14 B; Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, Stand Juli 2014, § 44 Rn. 20), hat der Senat dieses Begehren abgetrennt (Fortführung unter dem Az. L 11 SF 350/15 KL) und eine Verweisung an das dafür zuständige Zivilgericht angekündigt. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage, die vom Senat im Rahmen des Sozialrechtswegs zu prüfen wäre, ist dem Sozialrecht nicht zu entnehmen. Soweit der Kläger sich diesbezüglich auf die zivilrechtlichen Rechtsinstitute der culpa in contrahendo (c.i.c.) oder der positiven Vertragsverletzung (pVV) stützen möchte, fehlt es schon an einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten. Vielmehr besteht zwischen ihnen allein ein Sozialrechtsverhältnis. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch vermag keinen Schadensersatzanspruch zu begründen. Die Verletzung von Pflichten, die dem Sozialleistungsträger gegenüber den Leistungsberechtigten aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegen, können zwar für Leistungsberechtigte grundsätzlich einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 15.12.1994 - 4 RA 64/93). Allerdings folgt für einen Betroffenen selbst bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lediglich das Recht, vom Leistungsträger zu verlangen, zur Verwirklichung seiner sozialen Rechte auf der Primärebene so behandelt zu werden, als stehe ihm das infolge der Pflichtverletzung beeinträchtigte Recht in vollem Umfang zu (BSG a. a. O.). Dies bedeutet alleine, dass in Folge ein sozialrechtlicher Anspruch dem Betroffenen zugestanden wird, obwohl - infolge einer Pflichtverletzung durch den Leistungsträger - nicht alle Voraussetzungen hierfür vorliegen. Der Ersatz eines anderweitigen Schadens ist hiervon jedoch nicht umfasst und muss im Rahmen der Amtshaftung nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 Grundgesetz (GG) vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden.

Es war auch nicht die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung vorzunehmen, welche Schäden der Beklagte durch die verspätete Leistungszahlung verursacht habe. Ein solches Begehren war beim SG nicht geltend gemacht worden, vielmehr hat der Kläger dort alleine auf Schadenersatzleistungen geklagt. Insofern hat sich auch die Rechts- und Sachlage nicht geändert. Sofern der Kläger nunmehr eine Feststellungsklage im Hinblick auf mögliche Pflichtverletzungen des Beklagten wegen verspäteter Leistungsauszahlung bzw. dadurch verursachter Schäden erhebt, handelt es sich um eine Klageänderung im Sinne von § 99 SGG. Eine solche ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§ 99 Abs. 1 SGG). Beides ist vorliegend nicht der Fall. Der Beklagte hat sich vorliegend auf den Feststellungsantrag nicht eingelassen und hierzu auch nichts Weiteres ausgeführt. Eine Sachdienlichkeit ist ebenfalls nicht anzunehmen, da der Zinsanspruch, über den vorliegend zu entscheiden war, und der sich im Rahmen der sozialgerichtlichen Zuständigkeit alleine aus § 44 SGB I ergibt, verschuldensunabhängig ist, so dass diesbezüglich alleine wegen des Feststellungsantrages ein Verschulden des Beklagten zu prüfen wäre. Dies ist aus prozessökonomischen Gründen nicht angezeigt, vielmehr kann dies im Rahmen des vom Kläger angekündigten Amtshaftungsprozesses geklärt werden.

Schließlich ist der Beklagte nicht zur Zahlung von weiteren Kosten für Heizung den Zeitraum vom 01.11.2005 bis 12.11.2007 zu verurteilen. Unabhängig von der Zulässigkeit einer solchen Klage ergibt sich ein entsprechender Anspruch aus dem Vergleich vom 31.07.2008 (L 11 AS 225/07) nicht. Danach schuldete der Beklagte für den genannten Zeitraum lediglich die Zahlung der Regelleistung und - soweit der Kläger entsprechende Nachweise erbringt - der Unterkunftskosten i. H. v. maximal 278,66 EUR. Dem Vergleichstext ist eindeutig zu entnehmen, dass Alg II für diese Zeit auf die Obergrenze von Regelleistung zuzüglich nachgewiesener Unterkunftskosten von 278,66 EUR beschränkt ist. Eine Aufspaltung des Verfahrensgegenstandes in Kosten der Unterkunft einerseits und Kosten der Heizung andererseits wäre auch nicht möglich gewesen, da es sich dabei nur um Berechnungselemente des Anspruchs auf Alg II handelt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 78). Darüberhinausgehende Ansprüche für diesen Zeitraum bestehen demnach nicht.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 17. Aug. 2016 - L 11 AS 681/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 17. Aug. 2016 - L 11 AS 681/15 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landessozialgericht NRW Beschluss, 20. Okt. 2014 - L 19 AS 1287/14 B

bei uns veröffentlicht am 20.10.2014

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 22.05.2014 wird zurückgewiesen. 1Gründe: 2I. 3Durch Bescheid vom 28.08.2013 bewilligte der Beklagte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus dem Kläger,

Bundessozialgericht Urteil, 04. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R

bei uns veröffentlicht am 04.06.2014

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 27. Aug. 2011 - B 4 AS 1/10 R

bei uns veröffentlicht am 27.08.2011

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Juli 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Lan
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 17. Aug. 2016 - L 11 AS 681/15.

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 08. Mai 2017 - L 10 AL 73/17 NZB

bei uns veröffentlicht am 08.05.2017

Tenor I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 07.12.2016 - S 7 AL 104/14 - wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Gründe

Referenzen

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

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(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 131 der im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis zu tausend Euro durch Beschluß androhen und nach vergeblichem Fristablauf festsetzen. Das Zwangsgeld kann wiederholt festgesetzt werden.

(2) Für die Vollstreckung gilt § 200.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Juli 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin für den Zeitraum vom 7.3. bis 6.9.2005 einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt gegen die Beklagte hat. Hilfsweise macht sie gegen den Beigeladenen einen Anspruch auf Wertersatz im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs geltend.

2

Das beigeladene Jobcenter bewilligte der beklagten Arbeiterwohlfahrt mit Bescheid vom 21.1.2005 pauschale Förderleistungen für die "Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung in Form von Zusatzjobs nach § 16 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)" für verschiedene Tätigkeiten in Einrichtungen der Beklagten, zB in Kindertagesstätten, in Pflegeheimen sowie im ambulanten Altenpflegebereich. Es sollte sich dabei um nicht versicherungspflichtige Beschäftigungen von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Sozialrechtsverhältnissen handeln, für die zuzüglich zum Alg II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen war; die Arbeiten sollten ua im öffentlichen Interesse liegen sowie zusätzlich sein und kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründen.

3

Die Klägerin erhielt von dem Beigeladenen laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 2.2.2005 schlug er ihr eine "Beschäftigungsgelegenheit für Alg II-Bezieher" mit verschiedenen "Anforderungen: Einsatz in der mobilen Altenhilfe, Waschküche, L Café, Hausmeisterservice und Bautrupp, Pflege, Reinigung, Schulen, Kita, Vereinen, Grünbereich, Bürobereich" bei der Beklagten mit einer Arbeitszeit von 15 bis 20 Stunden vor. Nach einem Vorstellungsgespräch arbeitete die Klägerin dort vom 7.3. bis 6.9.2005 als Reinigungskraft in der Gebäudereinigung eines Altenheimes in einem Umfang von 20 Stunden pro Woche, befristet für die Dauer von sechs Monaten sowie gegen die Zahlung von 2 Euro Mehraufwandsentschädigung je geleisteter Beschäftigungsstunde.

4

Eine von der Klägerin im August 2005 erhobene Klage auf Feststellung des Bestehens und Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses wies das Arbeitsgericht K (ArbG) ab (Urteil vom 20.1.2006 - 1 Ca 336/05). Zur Begründung führte es aus, es sei selbst dann kein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten entstanden, wenn es an einer Zusätzlichkeit der Arbeitsgelegenheit gefehlt habe. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg (Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 4.7.2006 - 14 Sa 24/06). Das LAG ging davon aus, dass die Beschäftigung der Klägerin nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien nur die Verschaffung einer förderungswürdigen Arbeitsgelegenheit sein sollte. Im Oktober 2005 hat die Klägerin eine weitere Klage gegen die Beklagte auf Zahlung von Arbeitslohn anhängig gemacht. Mit Beschluss vom 23.3.2007 (1 Ca 377/05) hat das ArbG den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das SG verwiesen.

5

Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von arbeitsvertraglich geschuldetem Arbeitsentgelt, weil sie nicht im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrags iS des § 611 BGB gearbeitet habe. Sie sei vielmehr allein im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung tätig gewesen. Solche Arbeitsgelegenheiten begründeten ein von den Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägtes Rechtsverhältnis und kein Arbeitsverhältnis. Auch die Einbeziehung eines privaten Dritten führe nicht dazu, dass das Rechtsverhältnis zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Dritten privatrechtlich gestaltet werde. Eine Missachtung der gesetzlichen Grenzen für Arbeitsgelegenheiten führe allenfalls zur deren Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit und auch nicht zu einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen den Parteien (Gerichtsbescheid vom 15.12.2008).

6

Das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 10.7.2009): Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt, weil im arbeitsgerichtlichen Verfahren zwischen den Beteiligten rechtskräftig festgestellt worden sei, dass kein Arbeitsverhältnis bestehe. Diese Feststellung habe Bindungswirkung im sozialgerichtlichen Verfahren. Auch wenn die Arbeitsgelegenheit möglicherweise nicht zusätzlich bzw im öffentlichen Interesse gewesen sei, bestehe weder ein Anspruch auf eine höhere Mehraufwandsentschädigung noch auf Arbeitsentgelt nach den Grundsätzen des sogenannten faktischen Arbeitsverhältnisses. Eine Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen komme nicht in Betracht. Im Übrigen hat das LSG auf die Ausführungen des SG Bezug genommen.

7

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 16 Abs 3 SGB II. Die bisherigen Entscheidungen des BSG ließen nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, ob und welche Ansprüche ein Hilfebedürftiger gegen einen Maßnahmeträger habe, wenn eine Eingliederungsvereinbarung und ein Zuweisungsbescheid nicht vorhanden seien, zwischen Maßnahmeträger und -teilnehmer gesonderte Vereinbarungen über Ausmaß und Art der Tätigkeit vorlägen und vom Teilnehmer begründete Zweifel an der Erfüllung der Voraussetzungen einer Arbeitsgelegenheit im Sinne des § 16 Abs 3 SGB II vorgebracht würden. Zwischen ihr und der Beklagten sei ein "privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis eigener Art" zustande gekommen, das ihr einen arbeitnehmerähnlichen Status vermittelt habe. Geschäftsgrundlage dieses Vertrags sei gewesen, dass die Voraussetzungen für eine Beschäftigung gegen Mehraufwandsentschädigung jedenfalls bei Vertragsschluss vorgelegen hätten. Eine Zusätzlichkeit der Tätigkeit habe von Anfang an gefehlt. Wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestehe ein Anspruch auf Anpassung des Vertrags. Als Gegenleistung für ihre Arbeitsleistung könne sie die ortsübliche Vergütung rückwirkend erhalten bzw dies im Wege eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen geltend machen.

8
  

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Juli 2009 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2008 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, ihr

            1.  724,28 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 136 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16. April 2005,
            2.  800,52 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 168 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16. Mai 2005,
            3.  838,64 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 96 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16. Juni 2005,
            4.  838,64 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 176 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16. Juli 2005,
          5.  800,52 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 168 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16. August 2005,
              6.  876,76 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 184 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16. September 2005
zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Der Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Die Beklagte führt aus, zwischen ihr und der Klägerin sei kein privatrechtlicher Vertrag sui generis entstanden, weil es nicht einmal zu zwei sich inhaltlich entsprechenden Willenserklärungen gekommen sei. Auch ein konkludenter Vertragsschluss sei zu verneinen. Es liege keine Handlung vor, aus der die Klägerin habe schließen können, dass sie eine auf einen privatrechtlichen Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abgegeben habe. Einen solchen Vertragsschluss hätte sie der zuständigen Agentur für Arbeit anzeigen müssen. Die Klägerin habe weiterhin SGB II-Leistungen in unveränderter Form in Anspruch genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 10.7.2009 ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Allerdings ist die Revision unbegründet, soweit die Klägerin mit ihrem Hauptantrag gegen die Beklagte Ansprüche aus einem privaten Beschäftigungsverhältnis geltend macht.

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1. a) Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig. Dies gilt sowohl für den geltend gemachten Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen die Beklagte als auch für einen etwaigen Anspruch gegen den Beigeladenen auf Wertersatz im Wege eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Über einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch braucht das in Anspruch genommene Jobcenter nicht zunächst durch Verwaltungsakt zu entscheiden (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R, RdNr 13). Dies gilt auch bei begehrter Verurteilung eines Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG(BSG SozR 4100 § 57 Nr 9 S 28).

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b) Der Senat hat das Jobcenter K nach § 168 Satz 2 SGG iVm § 75 Abs 2 Alternative 2 SGG mit dessen Zustimmung beigeladen. Nach § 75 Abs 2 Alternative 2 SGG ist eine Beiladung möglich, wenn sich im Revisionsverfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt. Zwar liegt hier nicht die typische Fallkonstellation der sogenannten unechten notwendigen Beiladung iS des § 75 Abs 2 Alternative 2 SGG vor, in der die gegen einen nicht passiv legitimierten Versicherungsträger erhobene Klage darauf gerichtet ist, den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten ("anderen") Versicherungsträger nach Beiladung zu verurteilen. Vom Wortlaut ausgeschlossen ist die Beiladung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende bei einer Klage gegen einen privaten Dritten jedoch nicht. Aus den Gesetzesmaterialien zur Aufnahme der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende und Sozialhilfe in § 75 Abs 2 SGG durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) ergibt sich nur, dass das Rechtsinstitut der notwendigen Beiladung auf diese Träger erstreckt werden sollte (BT-Drucks 16/1410 S 34). Zumindest eine entsprechende Anwendung des § 75 Abs 2 Alternative 2 SGG ist möglich. Es besteht - bezogen auf den hier geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch - ein enger rechtlicher Zusammenhang, weil die Beklagte im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses im Verwaltungsverbund mit dem beigeladenen Jobcenter als Verwaltungshelfer bzw Beauftragter mit der Erbringung von Eingliederungsleistungen befasst war (vgl zur Konstellation eines nur beauftragten, zu Unrecht verurteilten beklagten Trägers der öffentlichen Verwaltung anstelle des materiell-rechtlich zuständigen Beigeladenen bei öffentlich-rechtlichem Auftragsverhältnis BSGE 50, 203, 204 ff = SozR 2200 § 1241 Nr 16). Der "dahinter stehende" Beigeladene als SGB II-Träger bleibt auch dann Schuldner der sich allein aus den Rechtssätzen des öffentlichen Rechts ergebenden Ansprüche, wenn er sich - wie hier durch den Förderungsbescheid vom 21.1.2005 dokumentiert - nach § 6 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm § 17 Abs 1 SGB II privater Dritter zur Durchführung der Arbeitsgelegenheiten(s dazu näher unter 3c) bedient (vgl BAG Beschluss vom 8.11.2006 - 5 AZB 36/06 = BAGE 120, 92 ff).

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Ausreichend ist die ernsthafte Möglichkeit, dass anstelle der Beklagten ein (anderer) Leistungsträger die Leistung zu erbringen hat (BSG SozR 1500 § 75 Nr 74). Die Klägerin hat die unterbliebene unechte notwendige Beiladung auch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) gerügt (BSGE 59, 284, 290 = SozR 2200 § 539 Nr 114; BSGE 61, 197, 199 = SozR 7323 § 9 Nr 1; BSGE 97, 242 = BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 15; BSG SozR 4-4300 § 64 Nr 3, RdNr 13). Einer Einbeziehung des Beigeladenen in den Rechtsstreit steht nicht entgegen, dass die Klägerin gegen diesen in einem anderen anhängigen Berufungsverfahren bei dem LSG Baden-Württemberg dieselben Ansprüche verfolgt (L 12 AS 873/11). Insofern hat das BSG bereits entschieden, dass das BSG aus Gründen der Prozessökonomie grundsätzlich befugt ist, nach Beiladung einen ursprünglich nicht verklagten, aber in Wirklichkeit passiv legitimierten Leistungsträger zu verurteilen (§ 75 Abs 5 SGG). Damit soll auch bei anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 SGG)erreicht werden, dass bei im Wesentlichen denselben Tat- und Rechtsfragen schon in einem ersten Verfahren widersprechende Entscheidungen vermieden werden (vgl BSGE 57, 1, 2 = BSG SozR 2200 § 1237a Nr 25 S 71; BSG SozR 2200 § 1239 Nr 2 S 9).

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2. a) Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Arbeitsentgelt bestehen nicht, weil der Beschäftigung der Klägerin vom 7.3. bis 6.9.2005 kein Arbeitsverhältnis zugrunde lag. Vielmehr handelte es sich nach übereinstimmenden sozial- und arbeitsrechtlichen Grundsätzen um eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II(in der Normfassung des bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem SGB II vom 30.7.2004, BGBl I 2014).

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b) Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, deren Voraussetzungen seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917) zum 1.1.2009 in § 16d Satz 2 SGB II geregelt sind, gehören systematisch zum Katalog der Eingliederungsleistungen, deren Aufgabe die umfassende Unterstützung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit ist. Nach § 16 Abs 3 SGB II(in der Normfassung des bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem SGB II vom 30.7.2004, BGBl I 2014) sollen Arbeitsgelegenheiten für erwerbsfähige Hilfebedürftige geschaffen werden, die keine Arbeit finden können (Satz 1). Werden Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten nicht nach § 16 Abs 1 SGB II als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert, ist den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzüglich zum Alg II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen; solche Arbeiten begründen nach § 16 Abs 3 Satz 2 Halbs 2 SGB II kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts(vgl BSG Urteile vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R, B 14 AS 101/10 R; BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 66/07 R - BSGE 102, 73, 74 = SozR 4-4200 § 16 Nr 3 S 10 mwN). Diese gesetzgeberische Anordnung steht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsarbeitsgerichts (BAG), nach der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, nicht jedoch ein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis zwischen Hilfebedürftigem und Maßnahmeträger begründen (BAG Urteil vom 26.9.2007 - 5 AZR 857/06 - AP Nr 3 zu § 16 SGB II, RdNr 9; BAG Beschluss vom 8.11.2006 - 5 AZB 36/06 - BAGE 120, 92, 94 mwN; vgl zu § 19 BSHG: BAG Urteil vom 14.12.1988 - 5 AZR 759/87: vgl zur stRspr des BVerwG: Urteil vom 20.11.1997 - 5 C 1/96 - BVerwGE 105, 370, 371; BVerwG Urteil vom 16.12.2004 - 5 C 71/03 - Buchholz 436.0 § 19 BSHG Nr 11; BVerwG Urteil vom 21.3.2007 - 6 P 4/06 - BVerwGE 128, 212, 217 f; Harks in jurisPK-SGB II, § 16d RdNr 59, Stand 15.8.2011; aA Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Aufl 2008, § 16 RdNr 239).

18

Veranlasst das Jobcenter eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, besteht die Eingliederungsleistung nicht in der Verschaffung einer auf einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag beruhenden Beschäftigungsmöglichkeit, sondern in der öffentlich-rechtlichen Bereitstellung einer Arbeitsgelegenheit (vgl BAG Beschluss vom 8.11.2006 - 5 AZB 36/06 - BAGE 120, 92, 94) im Rahmen eines Sozialrechtsverhältnisses (BT-Drucks 15/1749 S 32). Die wesentlichen, mit der Arbeitsgelegenheit verbundenen Rechte und Pflichten des Hilfebedürftigen, wie die Verpflichtung zur Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung und die Ansprüche auf Zahlung von Mehraufwandsentschädigung neben dem Alg II, folgen aus den Vorschriften des SGB II und bestehen im Rechtsverhältnis zum beigeladenen Jobcenter, nicht jedoch zur Beklagten (vgl auch BAG Urteil vom 19.11.2008 - 10 AZR 658/07 - AP Nr 4 zu § 67 BMT-G II, RdNr 20). Wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist, hat der erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB II eine ihm angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit zu übernehmen. § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II bestimmt gerade keine Vergütung durch den Maßnahmeträger, sondern regelt eine "Entschädigung" durch das Jobcenter. Pflichtverletzungen des Hilfebedürftigen können - unter den weiteren Voraussetzungen des § 31 SGB II - Sanktionen durch den SGB II-Träger in Form einer Absenkung des Alg II zur Folge haben.

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Auch die Missachtung einzelner der für Arbeitsgelegenheiten geltenden gesetzlichen Vorgaben, zB der hier fraglichen Zusätzlichkeit, führt allenfalls zu deren Rechtswidrigkeit, nicht jedoch zu deren Nichtigkeit oder zur (konkludenten) Begründung eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses (BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 66/07 R - BSGE 102, 73 = SozR 4-4200 § 16 Nr 3, RdNr 15 f; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 16d RdNr 64,Stand 6/2011; vgl BAG Urteil vom 19.11.2008 - 10 AZR 658/07 - AP Nr 4 zu § 67 BMT-G II, RdNr 22; BAG Urteil vom 20.2.2008 - 5 AZR 290/07 - AP Nr 4 zu § 16 SGB II, RdNr 19; BAG Urteil vom 26.9.2007 - 5 AZR 857/06 - AP Nr 3 zu § 16 SGB II, RdNr 11; aA Kothe in Gagel, SGB II/SGB III, § 16d SGB II RdNr 45, Stand 7/2006). Da die Durchführung der Arbeitsverpflichtung im Rahmen der Beschäftigungsgelegenheit nach ihrem regelmäßigen Zustandekommen nicht auf einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Maßnahmeträger beruht, sondern der Erfüllung der Rechte und Pflichten dient, die der Anspruchsberechtigte gegenüber dem Leistungsträger hat, wirkt es sich im Rechtsverhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Jobcenter aus, wenn sich der Maßnahmeträger nicht an die Vorgaben der Vereinbarung mit dem Leistungsträger, hier also den Inhalt des Förderungsbescheides vom 21.1.2005, hält. Eine ggf rechtswidrige Heranziehung zu einer Arbeitsgelegenheit für sich allein kann kein faktisches Arbeitsverhältnis begründen, weil auch bei einem solchen der "Tatbestand des Vertragsabschlusses" gegeben sein muss; ein fehlender (wenngleich nichtiger oder fehlerhafter) rechtsgeschäftlicher Bindungswille kann nicht ersetzt werden (BAG Urteil vom 14.12.1988 - 5 AZR 759/87; BAG Urteil vom 14.1.1987 - 5 AZR 166/85, NVwZ 1988, 966, 967; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Aufl 2008, § 611 BGB RdNr 170). Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn weitere Umstände Anhaltspunkte dafür liefern, dass sich Hilfebedürftiger und Maßnahmeträger trotz des (ursprünglichen) Vorschlags einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach ihrem übereinstimmenden Willen konkludent auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem von der Zuweisung abweichenden Inhalt verständigt haben (vgl BAG Urteil vom 26.9.2007 - 5 AZR 857/06 - AP Nr 3 zu § 16 SGB II, RdNr 12 "zum Sozialrechtsverhältnis hinzutretender Vertragsschluss mit dem Maßnahmeträger").

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c) Nach diesen Maßstäben kann auf der Grundlage der vom LSG festgestellten Gesamtumstände des Zustandekommens sowie der Durchführung der Tätigkeit nicht von einem (faktischen) Arbeitsverhältnis oder einem privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis eigener Art ausgegangen werden. Der Beigeladene hat die beklagte Arbeiterwohlfahrt mit dem Förderungsbescheid vom 21.1.2005 ausdrücklich mit der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten gegen Mehraufwandsentschädigung beauftragt. Er hat der Klägerin mit dem Zuweisungsschreiben vom 2.2.2005 eine solche Arbeitsgelegenheit bei der Beklagten vorgeschlagen und mit der reduzierten Arbeitszeit sowie dem Umstand und der Höhe der Mehraufwandsentschädigung wesentliche Merkmale einer solchen Tätigkeit benannt. Auch ist dieses Schreiben unter Hinweis auf mögliche Sanktionen nach dem SGB II mit einer Rechtsfolgenbelehrung verbunden. Zwar wird in diesem "Vorschlag" die von der Klägerin ab 7.3.2005 tatsächlich verrichtete Reinigungstätigkeit nur neben weiteren möglichen Einsatzfeldern genannt. Unabhängig davon, ob dieses Schreiben (als auf § 16 Abs 3 SGB II gestütztes Verwaltungshandeln) als Verwaltungsakt angesehen werden kann (vgl dazu näher unter 3 f), begründete es aber jedenfalls im Zusammenhang mit der in dem Förderungsbescheid vom 21.1.2005 zum Ausdruck kommenden Vereinbarung zwischen dem Beigeladenen und der Beklagten zur Durchführung von Arbeitsgelegenheiten die Grundlage für öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem beklagten Maßnahmeträger (vgl BAG Urteil vom 20.2.2008 - 5 AZR 290/07 - AP Nr 4 zu § 16 SGB II RdNr 17 f). Die von der Klägerin während der Dauer ihrer Tätigkeit vom 7.3. bis 6.9.2005 verrichteten Arbeiten bewegten sich im Rahmen des Vorschlags vom 2.2.2005 und der Beauftragung vom 21.1.2005. Nach den Feststellungen des LSG lagen weder eine Änderung der Beschäftigungsinhalte noch der Vergütung als mögliche Anhaltspunkte für eine von dem Zustandekommen der Arbeitsgelegenheit abweichende Einigung auf einen Austausch von Arbeitskraft gegen Arbeitsentgelt vor.

21

d) Entsprechend hat die Klägerin gegen den Beklagten auch nicht den im Revisionsverfahren geltend gemachten Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in einer entsprechenden Anwendung des § 313 BGB und einen daraus resultierenden Anspruch auf Zahlung einer ortsüblichen bzw tariflichen Vergütung.

22

Haben sich Umstände, die zur Grundlage eines Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss grundlegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann gemäß § 313 Abs 1 BGB unter weiteren Voraussetzungen die Anpassung des Vertrags verlangt werden. Einer Veränderung der Umstände steht es gemäß § 313 Abs 2 BGB gleich, wenn sich wesentliche Vorstellungen als falsch herausstellen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind(vgl hierzu näher: Jenak, Arbeit gegen Mehraufwandsentschädigung, Jur. Diss. Universität Jena, 2009, S 237 ff). An den Voraussetzungen dieser Regelung fehlt es schon deshalb, weil die "Geschäftsgrundlage" des Rechtsverhältnisses zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Maßnahmeträger vom Jobcenter bestimmt wird. Wesentliche Punkte, die üblicherweise zwischen Privaten bei Abschluss eines Arbeitsvertrags verhandelt werden und welche die Geschäftsgrundlage eines Arbeitsvertrages bilden, werden im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nach dem SGB II vom Grundsicherungsträger festgelegt.

23

3. a) Das hilfsweise Begehren der Klägerin, das auf Wertersatz für die geleistete Arbeit im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gegen das beigeladene Jobcenter gerichtet ist, führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht entscheiden kann, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen.

24

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt als aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts abgeleitetes Rechtsinstitut voraus, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht wurden oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen stattgefunden haben. Auch ohne ausdrückliche Normierung wird dem Anspruchsinhaber durch den in weitgehender Analogie zu den §§ 812 ff BGB entwickelten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ein Recht auf Herausgabe des Erlangten verschafft(vgl BSG Urteile vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R, RdNr 14 ff, und - B 14 AS 101/10 R, RdNr 22; BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 11/08 R = FEVS 61, 385; sowie BSG Urteil vom 30.1.1962 - 2 RU 219/59 - BSGE 16, 151, 156 f = SozR Nr 1 zu § 28 BVG; zu Arbeitsgelegenheiten nach § 19 BSHG siehe BVerwG Urteil vom 20.11.1997 - 5 C 1/96 - BVerwGE 105, 370, 371; BVerwG Urteil vom 16.12.2004 - 5 C 71/03 - Buchholz 436.0 § 19 BSHG Nr 11). Die Anwendung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist dabei nicht auf Fälle beschränkt, in denen eine Behörde oder ein Versicherungsträger einem Versicherten oder einem anderen Leistungsträger ohne Rechtsgrund eine Leistung erbracht hat. Auf diesen Anspruch kann sich auch der Bürger stützen, wenn zu seinen Lasten eine Vermögensverschiebung eingetreten ist und ein Sozialleistungsträger etwas erhält, was ihm nicht zusteht (BSGE 75, 167 ff, 168 = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 S 3; Ossenbühl NVwZ 1991, 513, 514).

25

b) Die Arbeitsleistung der Klägerin im Rahmen der Beschäftigungsgelegenheit stellt eine wirtschaftlich verwertbare Leistung dar. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige erbringt mit der Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit die für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch erforderliche Leistung im anspruchsbegründenden Sinne, die als eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens definiert ist (vgl ausführlich BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R, RdNr 17, unter Hinweis auf BGHZ 40, 272, 277). Auch wenn die Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit in erster Linie die Funktion hat, erwerbsfähige Hilfebedürftige, die regelmäßig bereits über einen längeren Zeitraum keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausgeübt haben, wieder an eine regelmäßige Tätigkeit zu gewöhnen (vgl auch Urteil des Senats vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R - BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, RdNr 22), handelt es sich - auch ohne arbeitsvertragliche Grundlage - um eine wertschöpfende, fremdnützige Tätigkeit ("Arbeit") des Hilfebedürftigen. Es sollen im Wege der Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II Arbeiten geschaffen werden, die "im öffentlichen Interesse" liegen, die mithin ein bestimmtes, nämlich allgemeinwohlförderndes Arbeitsergebnis erreichen(vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 16d RdNr 40, Stand 6/2011; Thie in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 16d RdNr 13). Die Klägerin hat nach den Feststellungen des LSG bei der Beklagten als Reinigungskraft gearbeitet, also eine Tätigkeit verrichtet, die als "wertschöpfende Tätigkeit" qualifiziert werden kann.

26

c) Der Beigeladene muss sich die von der Klägerin erbrachte Leistung ungeachtet des Umstands zurechnen lassen, dass diese Arbeitsgelegenheit von der Beklagten und nicht von ihm selbst durchgeführt worden ist. Mit der Beauftragung der Beklagten zur Durchführung von Arbeitsgelegenheiten nach § 6 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm § 17 SGB II hat er die Arbeitsgelegenheit geschaffen. Zudem hat er mit dem Vorschlag an die Klägerin vom 2.2.2005 die Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse veranlasst und an die Klägerin als Maßnahmeteilnehmerin vermittelt (vgl im Einzelnen: BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R, RdNr 19). Auch die wesentlichen Entscheidungen, die das Rechtsverhältnis zwischen Maßnahmeträger und Hilfebedürftigen betreffen, sind vom Jobcenter zu treffen, während dem Maßnahmeträger als Verwaltungshelfer (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 16d RdNr 68, Stand 6/2011) bzw Beauftragtem nur die Entscheidung darüber verbleibt, ob er den Hilfebedürftigen zu den vom Jobcenter festgelegten Konditionen in einer von ihm bereitzustellenden Tätigkeit beschäftigen will (vgl BAG Urteil vom 19.11.2008 - 10 AZR 658/07 - AP Nr 4 zu § 67 BMT-G II, RdNr 22). Die Arbeitsleistung wird vom Hilfebedürftigen in Erfüllung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsmaßnahme dem Jobcenter zugewandt, der auch die Kosten für die Mehraufwandsentschädigung trägt (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R, RdNr 19).

27

d) Der Senat kann aber nicht abschließend beurteilen, ob bei dem Beigeladenen der für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch erforderliche Vermögensvorteil eingetreten ist. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG insofern an, als die für diesen Erstattungsanspruch erforderliche Vermögensmehrung jedenfalls dann gegeben ist, wenn die gesetzliche Voraussetzung der Zusätzlichkeit für eine Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nicht vorgelegen hat (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R, RdNr 18). In Anlehnung an § 261 Abs 2 Satz 1 SGB III sind Arbeiten zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden(BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R, BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4 RdNr 27). Fehlt es an der Zusätzlichkeit in diesem Sinne, gehören die Arbeiten zum notwendigen Aufgabenspektrum des Maßnahmeträgers. Entscheidend ist ein die konkrete Tätigkeit und die Gesamtumstände berücksichtigender Maßstab (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 16d SGB II RdNr 63b, Stand 6/2011). Insofern wird zu prüfen sein, ob die Klägerin Aufgaben verrichtet hat, die aufgrund rechtlicher Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung gehören und für die marktgängige Preise gezahlt werden müssen (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 16d RdNr 45 ff, Stand 6/2011; Harks in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2011, § 16d RdNr 33).

28

Liegt eine Zusätzlichkeit der Reinigungsarbeiten nicht vor, kann sich der Beigeladene im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auch nicht darauf berufen, dass ein Vermögensvorteil nur im Verhältnis zwischen dem Maßnahmeträger und der Klägerin auszugleichen wäre. Bedient sich ein Jobcenter bei der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten (privater) Dritter, kann er nicht vorbringen, dass eine ggf durch die Beschäftigung eingetretene rechtsgrundlose Vermögensverschiebung nicht oder nicht in diesem Umfang bei ihm selbst eingetreten sei. Insofern werden die im bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsrecht geltenden Maßstäbe durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung modifiziert. Da das Interesse des öffentlich-rechtlichen Trägers darauf gerichtet sein muss, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen, sind ihm entsprechende Einwendungen gegen den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch verwehrt (s auch zu der nicht möglichen Berufung einer Behörde auf eine Entreicherung nach den Maßstäben des bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsrechts: BVerwG Urteil vom 12.3.1985 - 7 C 48/82 - BVerwGE 71, 85 ff; Ossenbühl NVwZ 1991, 513, 520; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 29 RdNr 25 ff). Bei fehlender Zusätzlichkeit rechtfertigt insofern bereits die Zweckverfehlung innerhalb des sozialrechtlichen Leistungsverhältnisses zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Maßnahmeträger die Anwendung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 16d RdNr 63c ff, Stand 6/2011; vgl zum drittschützenden Charakter des Merkmals der Zusätzlichkeit in Bezug auf den Konkurrentenschutz: BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R, BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, RdNr 28; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R, SozR 4-4200 § 31 Nr 3, RdNr 21).

29

e) Kommt das LSG aufgrund weiterer Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass die gesetzliche Voraussetzung der Zusätzlichkeit für eine Beschäftigung der Klägerin im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nicht vorgelegen hat und daher ein Vermögensvorteil bei dem beigeladenen Jobcenter entstanden ist, ist die Leistung nach der für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch maßgebenden materiell-rechtlichen Rechtslage (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 29 RdNr 24)ohne Rechtsgrund erbracht worden. Allerdings könnte ein Rechtsgrund für die Arbeitsleistung der Klägerin gleichwohl gegeben sein, wenn ein rechtswirksamer Zuweisungsbescheid bzw eine Eingliederungsvereinbarung mit konkreter Benennung der Arbeitsgelegenheit vorliegt. Dies wird das LSG noch näher aufzuklären haben.

30

f) Ein rechtswirksamer Zuweisungsbescheid ist aber nicht bereits in dem Schreiben des Beigeladenen an die Klägerin vom 2.2.2005 zu sehen.

31

Zwar kann bei Zuweisungen zu Arbeitsgelegenheiten nach dem Gesamtzusammenhang der gesetzlich vorgegebenen Vorgehensweise regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es sich um Verwaltungsakte iS des § 31 Satz 1 SGB X handelt. Anders als etwa Angebote einer Trainingsmaßnahme (vgl hierzu BSG Urteil vom 19.1.2005 - B 11a/11 AL 39/04 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 2) sind Zuweisungsbescheide zu Arbeitsgelegenheiten nicht lediglich behördliche Vorbereitungshandlungen, die der eigentlichen Sachentscheidung dienen. Vielmehr gibt der Gesetzgeber für den Einsatz von Leistungsberechtigten bei im öffentlichen Interesse liegenden zusätzlichen Maßnahmen einen weit gesteckten Rahmen vor, der durch den konkreten Inhalt der Arbeitsgelegenheit und die Erbringung der Mehraufwandsentschädigung auszufüllen ist (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 16d SGB II RdNr 53 f, Stand 6/2011; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 101/10 R, RdNr 15; Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II.4 RdNr 25, Stand Februar 2009). Hiervon zu unterscheiden ist aber, ob auch nach den Umständen des konkreten Einzelfalls eine Regelung iS des § 31 SGB X vorliegt. Bei der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ist vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten auszugehen, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl BSG vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 f = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f mwN; BSG vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 - SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 26 mwN; vgl zur Nachprüfbarkeit im Revisionsverfahren: BSG vom 1.3.1979 - 6 RKa 3/78 - BSGE 48, 56, 58 f = SozR 2200 § 368a Nr 5 S 10 mwN; BSG vom 18.2.1987 - 7 RAr 41/85; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 3b).

32

Dem Schreiben des Beigeladenen vom 2.2.2005 konnte die Klägerin nicht entnehmen, dass dieser eine insgesamt abschließende Regelung für den Einzelfall treffen und verbindlich regeln wollte, was rechtens sein sollte (vgl zu diesem Maßstab: Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 24). Zwar beinhaltet dieser "Vorschlag" neben der Form der Arbeitsgelegenheit ("gegen Mehraufwandsentschädigung") Bestimmungen zum Maßnahmeträger, dem Arbeitsort, dem zeitlichen Umfang, dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit sowie zur Höhe der Mehraufwandsentschädigung. Die der Klägerin vorgeschlagene Arbeitsgelegenheit umfasste aber eine Vielzahl möglicher Einsatzfelder, denen die Bestimmung einer konkreten Tätigkeit als wesentliches Merkmal der Arbeitsgelegenheit nicht entnommen werden konnte. Bei der Benennung der von dem Hilfebedürftigen konkret auszuführenden Beschäftigung handelt es sich jedoch um einen unverzichtbaren Regelungsinhalt der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit, weil nach der Konzeption des § 16 SGB II allein dem Grundsicherungsträger die Prüfung der Voraussetzungen des § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II obliegt. Die Festlegungen des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende müssen ausreichend konkret sein, damit der Hilfebedürftige auf dieser Grundlage seine Entscheidung über die Teilnahme an der Maßnahme treffen kann (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 101/10 R, RdNr 16; vgl zur notwendigen Bestimmtheit des Vorschlags einer Eingliederungsmaßnahme in anderem Zusammenhang: BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R, RdNr 33 f). Der Beigeladene hat aber hinsichtlich der Einzelheiten der angebotenen Stelle lediglich auf ein Vorstellungsgespräch bei der Beklagten verwiesen. Insofern wird das LSG noch näher aufzuklären haben, ob die Klägerin der Aufforderung zur Rückmeldung nach diesem Gespräch nachgekommen ist, eine das konkrete Einsatzfeld oder die Verbindlichkeit einer Teilnahme an einer Arbeitsgelegenheit näher regelnde Eingliederungsvereinbarung vorgelegen (vgl zur Bedeutung einer Eingliederungsvereinbarung auch Urteile des 14. Senats des BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 101/10 R, B 14 AS 98/10 R) und/oder der Beigeladene zu einem späteren Zeitpunkt eine abschließende Regelung zu einer konkret von der Klägerin zu verrichtenden Arbeitsgelegenheit getroffen hat (vgl zB BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 101/10 R, RdNr 16 ff).

33

g) Kommt das LSG zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch vorliegen, ist dieser seiner Höhe nach auf den Ersatz des Wertes für die rechtsgrundlos erlangte Arbeitsleistung gerichtet. Unter Berücksichtigung eines üblichen Arbeitsentgelts werden erbrachte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19, 22 SGB II, die bereits geleistete Mehraufwandsentschädigung sowie die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung von dem Wert der erbrachten Arbeitsleistungen in Abzug gebracht(vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R, RdNr 22 ff).

34

h) Ergibt die Gegenüberstellung des Wertes der von der Klägerin geleisteten Arbeit und der an sie erbrachten Leistungen eine Differenz zu ihren Gunsten, hätte die Klägerin allerdings keinen Anspruch auf Verzinsung. Hierfür bedarf es im öffentlichen Recht einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die nicht vorliegt. Neben der gesetzlich vorgeschriebenen Verzinsung des hier nicht einschlägigen Erstattungsanspruchs bei Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnlichen Leistungen nach § 50 Abs 2a SGB X findet sich eine ausdrückliche Regelung für die Verzinsung eines Erstattungsanspruchs zwar in § 27 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Diese Vorschrift gilt jedoch nur für zu erstattende, weil zu Unrecht entrichtete Beiträge zur Sozialversicherung. Auch aus § 44 SGB I könnte die Klägerin keinen Zinsanspruch herleiten. Danach sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen (§ 44 Abs 1 SGB I). Bei dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Rechtsgrundlosigkeit der Ausübung einer Arbeitsgelegenheit handelt es sich nicht um eine Geldleistung iS des § 11 Satz 1 SGB I, die dem Einzelnen nach den Vorschriften des SGB zur Verwirklichung seiner sozialen Rechte gewährt wird(BSGE 71, 72 = SozR 3-7610 § 291 Nr 1 S 4 mwN). Vielmehr dient dieser (nur) der Rückgängigmachung einer Vermögensverschiebung und besteht nur in Höhe desjenigen Betrags, der nach Abzug der Sozialleistungen (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, Sozialversicherungsbeiträge, Mehraufwandsentschädigung) verbleibt. Die Klägerin hat die ihr zustehenden Sozialleistungen tatsächlich erhalten; ein Nachteil ist ihr erst durch die rechtswidrige Arbeitsgelegenheit entstanden. Derartige Nachteile sollen jedoch nach dem Sinn und Zweck der Verzinsungsvorschriften nicht ausgeglichen werden, weil der Gesetzgeber mit § 44 SGB I nur der Tatsache Rechnung tragen wollte, dass soziale Geldleistungen in der Regel die Lebensgrundlage des Hilfebedürftigen bilden und bei verspäteter Zahlung nicht selten Kreditaufnahmen, die Auflösung von Ersparnissen oder die Einschränkung der Lebensführung notwendig machen(BT-Drucks 7/868 S 30 zu § 44). Da nur solche Nachteile durch die Verzinsung ausgeglichen werden sollen, kommt auch eine analoge Anwendung des § 44 SGB I oder - für Verzugs- oder Prozesszinsen - der §§ 284, 285, 288 oder 291 BGB nicht in Betracht(BSGE 71, 72, 74 = SozR 3-7610 § 291 Nr 1; BSG SozR 3-1300 § 61 Nr 1).

35

Das LSG wird ggf noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 22.05.2014 wird zurückgewiesen.


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(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2013.

2

Die miteinander verheirateten Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 2003 erworbenen Grundstücks mit selbst bewohntem Wohnhaus von 85 m² Wohnfläche, für dessen Erwerb sie der 1946 geborenen vormaligen Eigentümerin (im Folgenden: Voreigentümerin) und deren 1939 geborenem Ehemann eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von monatlich 440 Euro zu entrichten haben. Bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsraten ist die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, ohne dass ein Ausgleich für die bis dahin empfangenen Zahlungen zu leisten wäre (Ziffern III. 1. und 2. des notariellen Übergabevertrages vom 16.6.2003 mit Nachtrag vom 20.2.2004).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2013 Arbeitslosengeld II (Alg II) zunächst in Höhe der Regelbedarfe sowie eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Bescheid vom 16.1.2013). Auf den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen an die Voreigentümerin setzte der Beklagte das Alg II wie zuvor in Höhe der Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs fest und anerkannte als Bedarfe für Unterkunft und Heizung je Kläger 107,46 Euro für die Zeit vom 1.2. bis 28.2.2013 und 58,51 Euro bzw 58,50 Euro für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.2013 für Betriebskosten (Änderungsbescheide vom 30.1.2013). Den Widerspruch im Übrigen wies er zurück, da die Rente der Tilgung für ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims gleich stehe und daher nicht nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigungsfähig sei(Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).

4

Auf Klage - beschränkt auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung - hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16.1.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013 zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich je 220 Euro für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 verurteilt (Urteil vom 10.5.2013): Aufwendung für Unterkunft sei jede Zahlungsverpflichtung, die eine Wohnraumüberlassung zum Gegenstand habe und deren Nichterfüllung einen Räumungsanspruch des Gläubigers begründen könne. In diesem Sinne sei die monatliche Zahlungspflicht hier ein Leibrentenversprechen, das ähnlich einer Mietzahlung oder eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Gegenleistung für die Überlassung von Wohnraum sei und bei dem im Falle des Zahlungsverzugs mit mehr als drei Monatsraten ein Rücktrittsrecht und Rückübereignungsanspruch zugunsten der Übergeberin bestehe. Diese Zahlungen seien nicht mit Tilgungsraten zu vergleichen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilieneigentum zu entrichten seien; sie sicherten allein den bereits erlangten Vermögensvorteil und dienten nicht unmittelbar der Vermögensmehrung.

5

Mit der mit Zustimmung der Kläger eingelegten und vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Leibrentenzahlungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Tilgungsleistungen keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen iS dieser Vorschrift, denn sie seien Gegenleistung für die Eigentumsübertragung am Hausgrundstück und damit als Ratenzahlungen eines seiner Höhe nach unbestimmten, weil bis zum Tod der Berechtigten zu zahlenden Kaufpreises zu verstehen. Bei vollständiger Erfüllung werde Lastenfreiheit des Grundstücks erreicht. Damit führe die Zahlung zu einer Vermögensbildung.

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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG entschieden, dass die von den Klägern zu zahlende Rente von 440 Euro monatlich als weiterer Unterkunftsbedarf anzuerkennen ist. Die Rente steht der Tilgung einer ratenweisen Kaufpreisschuld für das Hausgrundstück gleich und ist - da die Tilgung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Voreigentümerin noch nicht bereits weitgehend abgeschlossen war - auch nicht ausnahmsweise als Bedarf für Unterkunft anzuerkennen.

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1. Gegenstand des Verfahrens sind die den Zeitraum von Februar bis Juli 2013 betreffenden Alg II-Bewilligungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013, wogegen sich die Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 Sozialgerichtsgesetz) wenden. Nicht (mehr) Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ausgangsbescheid vom 16.1.2013, nachdem er durch die im laufenden Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 30.1.2013 vollständig ersetzt worden ist (§ 86 SGG) und sich mangels weitergehender rechtlicher Wirkungen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -).

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2. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klagantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des SG mit der Sprungrevision angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der ihnen vom SG insoweit zugesprochenen 220 Euro je Kläger - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1.1.2011, im Folgenden: § 19 Abs 1 SGB II nF) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1.1.2011 nichts geändert (zu Verfahren über zuvor abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

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a) Der Rechtslage bis zum 31.12.2010 haben die Grundsicherungssenate des BSG in ständiger Rechtsprechung entnommen, dass die Gewährung höherer oder überhaupt von Leistungen für Unterkunft und Heizung einen abtrennbaren prozessualen Anspruch bildet, soweit sie - wie vorliegend auch - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X) des betreffenden Bescheids sind. Zwar sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (stRspr; vgl nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54Nr 21, RdNr 32). Hiervon hat das BSG indes eine Ausnahme für Unterkunft und Heizung gemacht, weil die Zuständigkeiten für die Regelleistung (heute: Regelbedarf) einerseits und für die Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm § 19 S 2 bzw 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit 1.8.2006: § 19 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 , BGBl I 1706; im Folgenden § 19 S 2 bzw 3 SGB II aF)unterschiedlich und die Leistungen inhaltlich voneinander abgrenzbar waren, es sich rechtlich also um zwei eigenständige Leistungen und Verfügungen handelte (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff).

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b) Eigenständige Leistungen in diesem Sinne bilden die Leistungen für den Regelbedarf einerseits und für Unterkunft und Heizung andererseits auch unter Geltung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Unverändert sind danach die Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern ungeachtet des im Hinblick auf die Weiterentwicklung von § 19 SGB II (dazu unten c) geringfügig unterschiedlichen Wortlauts von § 6 Abs 1 S 1 SGB II alter und neuer Fassung weiter vom Prinzip geteilter Trägerschaft geprägt, wie es seit Einführung des SGB II gilt(vgl BT-Drucks 15/2816, S 10): Sofern nicht eine einheitliche Zuständigkeit eines kommunalen Trägers nach §§ 6a f SGB II besteht, sind für Unterkunft und Heizung ausschließlich zuständig die kommunalen Träger und für das Alg II sowie das Sozialgeld mit Ausnahme der Kosten von Unterkunft und Heizung die Bundesagentur für Arbeit; daran hat sich im Gefolge des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nichts geändert (ebenso Rixen/Weißenberg in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6 RdNr 3; Luik, ebenda § 22 RdNr 31). Eher ist die Trennung der Zuständigkeiten nochmals verdeutlicht durch die Neufassung des § 44b Abs 3 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 mWv 1.1.2011 , BGBl I 1112), wonach die Verantwortung für die recht- und zweckmäßige Erbringung jeweils "ihrer Leistungen" in der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II(idF des GSiOrgWG) ausdrücklich jedem Träger gesondert obliegt (zum Zweck dieser Verantwortlichkeitszuweisung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 zu § 44 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vgl BR-Drucks 226/10 S 37 sowie Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 44b RdNr 26 ff, Stand 10/2013).

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c) Nichts anderes folgt aus der partiellen Neufassung von § 19 und § 22 Abs 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Leistungsrechtlich waren die Kosten für Unterkunft und Heizung schon bis zu dessen Inkrafttreten als Teil des Anspruchs auf Alg II gefasst (vgl § 19 S 1 SGB II idF des GSiFoG: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Sachlich bedeutet es deshalb keinen Unterschied, wenn nunmehr die Leistungen, also Alg II und Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung "umfassen" (§ 19 Abs 1 S 3 SGB II nF) und nach Maßgabe von § 22 SGB II bei Unterkunft und Heizung "Bedarfe" in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen "anerkannt" werden(§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), während zuvor "Leistungen" zu erbringen waren (§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II in der insoweit bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Das verdeutlicht zwar weiter, dass die Leistungsbereiche in dem Sinne aufeinander bezogen sind, als jeweils nach denselben Maßstäben umfassend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, insbesondere die der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, vorliegen(so bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso BT-Drucks 17/3404 S 97 zu § 19). Jedoch trägt dies nicht die Einschätzung, dass hiermit Änderungen substantieller Art verbunden wären (so aber BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22: Leistungen für Unterkunft und Heizung sind nunmehr integraler Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, das den Bedarf für Unterkunft und Heizung als nicht mehr abtrennbaren Teil enthält). Das wäre angesichts der fortbestehenden organisationsrechtlichen Aufspaltung der Verantwortlichkeiten auch schwerlich möglich: Solange die Trägerschaft für die Kosten von Unterkunft und Heizung einerseits und den Regelbedarf andererseits getrennt ist, können Alg II und Sozialgeld keine einheitliche "Gesamtleistung" bilden (so schon BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31).

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d) Ein prozessuales Verbot der abgetrennten Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung oder den Regelbedarf begründen die Änderungen in § 19 und § 22 Abs 1 SGB II ebenfalls nicht. Zwar stehen dem Gesetzgeber partielle Begrenzungen der grundsätzlich umfassend gewährleisteten Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) zu. Dass dies hier geschehen wäre, ist aber nicht hinreichend deutlich. Einerseits ist das in den Materialien zwar angedeutet (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22). Andererseits findet eine solche Begrenzung schon im Gesetzestext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag, nachdem - wie dargelegt - die Neufassung von § 19 Abs 1 SGB II nF erhebliche Unterschiede zur vorherigen Rechtslage nicht erkennen lässt. Zudem kommt in den Materialien gegenläufig ebenso das Bestreben zum Ausdruck, in Verfahren nach dem SGB II auch künftig Teilelemente abschichten zu können, auch wenn der dazu in Betracht gezogene Ansatz im geltenden Prozessrecht kaum Grundlagen findet (vgl BT-Drucks 17/3404, S 97 zu § 19: "dass … einzelne, dem angefochtenen Leistungsanspruch zugrunde liegende Tatsachen unstreitig gestellt werden"; vgl aus der stRspr hierzu nur BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 14; vgl ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 19 RdNr 82, Stand 1/2012, und Straßfeld, SGb 2011, 436, 442); auch das spricht dagegen, § 19 Abs 1 SGB II als Sperre der isolierten Geltendmachung der Bedarfe von Unterkunft und Heizung zu verstehen(so im Ergebnis auch: Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, Stand 6/2013, § 19 RdNr 30; Lauterbach in Gagel, Online-Ausgabe Stand 2014, § 22 SGB II RdNr 8; Nolte, NZS 2013, 10, 12 ff; Straßfeld, SGb 2011, 436, 442; aA : Berlit in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 9; S. Knickrehm in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 1; offen gelassen Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, K § 19 RdNr 81).

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3. Anspruch auf weitere jeweils 220 Euro monatlich als Leistung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II nF haben die Kläger ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit im Übrigen nicht.

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a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Weiteren sind gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II nF Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

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b) Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, von der abzurücken kein Anlass besteht, Tilgungsraten grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 35; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 169 ff, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 61). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; ebenso 4. Senat, BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Entscheidungen des erkennenden Senats, BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

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c) Nicht ohne Bedeutung ist hiernach entgegen der Auffassung des SG die "vertragliche Ausgestaltung" der im Streit stehenden Aufwendungen. Maßgebend ist vielmehr, ob die von den Klägern entrichteten Zahlungen an die Voreigentümerin wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Das beurteilt sich nach der Rechtsprechung allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet sein können (vgl BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 21). Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung ist bei Grundstückskäufen auf Leibrentenbasis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wie eng das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Rentenzahlung und Grundstücksgeschäft beschaffen ist. Als Leibrente im eigentlichen Sinne des § 759 BGB erachtet der BGH ein "einheitlich nutzbares Recht …, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus wiederkehrenden, gleichmäßigen und in gleichen Zeitabständen zu gewährenden Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen"(BGH Urteil vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 - BB 1966, 305 - juris RdNr 22). Der Leibrente zugeordnet wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag deshalb nur, wenn die Gegenleistung für dessen Überlassung mit der Einräumung des Stammrechts, aus dem die Einzelansprüche erwachsen, formal bereits als vollständig erbracht anzusehen ist und die Rentenzahlungen deshalb im strengen Sinne nicht Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung sind, sondern Erfüllung des bereits vorher gewährten Rentenstammrechts. Steht dagegen nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung - und hat sich der Überlasser deshalb den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten für den Fall, dass der Übernehmer mit Zahlungen in Rückstand gerät - dann bilden die "Rentenzahlungen in ihrer Gesamtheit den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks" (BGH Beschluss vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 - WM 1991, 1644, juris RdNr 2 ff, RdNr 5).

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d) Hiernach könnten Leibrenten der Miete allenfalls gleich zu stellen sein, wenn es sich um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB handelt. Muss dagegen eine "Leibrentenzahlung" bei vorbehaltenem Rücktritt - wie hier vertraglich ausbedungen - als Kaufpreisteil gesehen werden, so ist nicht anzunehmen, dass die Zahlungen nicht der Finanzierung des Grunderwerbs dienen. Maßgeblich ist dann nach der Rechtsprechung des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist" (vgl erkennender Senat: BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; 4. Senat: BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden, nachdem die 2005 - dem Jahr des erstmaligen Bezugs von SGB II-Leistungen der Kläger - 59 Jahre alte Voreigentümerin statistisch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren hatte (Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2008/2010, S 342).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.