Arbeitsgericht Essen Urteil, 07. Aug. 2013 - 6 Ca 1164/13
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten werden der Klägerin auferlegt.
3.Streitwert: 4.000,00 €.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die Auslegung des nicht gekündigten Manteltarifvertrages für das N. vom 1. Dezember 2011 (im Folgenden MTV2011).
3Die Klägerin ist die tarifschließende und tarifzuständige Gewerkschaft, der Beklagte ist der tarifschließende Arbeitgeberverband.
4Der MTV2011 enthält unter anderem die folgende Regelung:
5"§ 4
6Höhe der Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
71.Mehrarbeit [...]
82.Nachtarbeit (s. § 3 Ziffer 2)20%
93. Arbeit an Sonn- und Feiertagen (s. § 3 Ziffer 3)
10a)Arbeit an Sonntagen70%
11b)Arbeit am 1. Mai, am Neujahrstag, an den Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertagen sowie in der dem 1. Weihnachtsfeiertag und dem Neujahrstag vorangehenden Nachtschicht 150%
12c)Arbeit an den übrigen gesetzlichen Feiertagen 100%
13d)Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der jeweils höchste zu zahlen.
14Beispiel 1:
15Am Neujahrstag werden 7,4 Stunden gearbeitet, die gleichzeitig auch Mehrarbeit sind. Es entsteht ein Anspruch nach § 4 Ziff. 3 b) auf insgesamt 150 % Zuschlag, da der höchste Zuschlag gemäß Ziffer 4 d) Anwendung findet.
16Beispiel 2: [...]"
17Wegen der Einzelheiten wird auf den MTV2011 zu Bl. 30-50, insbesondere Bl. 36 d.A. Bezug genommen.
18Der vorhergehende MTV aus dem Jahr 2003 (im Folgenden MTV2003) war in gleicher Weise formuliert. Der davor geltende Tarifvertrag aus 1987 (MTV1987) war wie dessen Vorgänger aus dem Jahr 1979 (MTV1979) wie folgt gefasst:
19"§ 4
20Höhe der Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
211.Mehrarbeit [...]
222.Nachtarbeit [...]
233. Arbeit an Sonn- und Feiertagen
24a)Arbeit an Sonntagen70%
25b)Arbeit am 1. Mai, am Neujahrstag, an den Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertagen sowie in der dem 1. Weihnachtsfeiertag und dem Neujahrstag vorangehenden Nachtschicht 150%
26c)Arbeit an gesetzlichen Feiertagen mit Ausnahme der unter b)genannten 100%
274.Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der jeweils höchste zu zahlen.
28Beispiel 1:
29Am Neujahrstag werden 7,4 Stunden gearbeitet, die gleichzeitig auch Mehrarbeit sind. Es entsteht ein Anspruch nach § 4 Ziff. 3 b) auf insgesamt 150 % Zuschlag, da der höchste Zuschlag gemäß Ziffer 4 d) Anwendung findet.
30Beispiel 2: [...]"
31Wegen der Einzelheiten wird auf die Auszüge aus dem MTV1987 zu Bl. 19-21 und aus dem MTV1979 zu Bl. 26 Bezug genommen.
32Die Gewerkschaft ist der Auffassung, im MTV2011 regele § 4 Ziff. 3 d) nur das Zusammentreffen von Zuschlägen wegen Sonn- und Feiertagsarbeit mit anderen Zuschlägen, Soweit lediglich Nacht- und Mehrarbeit an einem Tag zusammenfielen, der kein Sonn- oder Feiertag ist, müssten sich die Zuschläge nach dem MTV2011 kumulieren. Der MTV2011 sei dahingehend auszulegen. Eine Auslegung sei nötig, da der Wortsinn "mehrere Zuschläge" in Ziff. 3 d) sowohl diejenigen in Ziff. 3 als auch diejenigen in Ziff. 1 und 2 meinen könne. Aus dem Gesamtzusmamenhang sei indes zu folgern, dass schon wegen der drucktechnischen Einrückung der Kollisionsregelung diese ebenso wie durch die Gliederungsnummer nur für die Ziff. 3 gelten könne. Ansonsten würde die besondere Erschwernis etwa der Sonntagsarbeit gegenüber dem Zusammentreffen von Mehr- und Nachtarbeit nicht mehr berücksichtigt werden. Die Tarifgeschichte zeige, dass vom MTV1987 auf den MTV2003 sich die Änderung ereignet habe, die im MTV2011 weiterhin enthalten ist.
33Die Hinweise im "Beispiel 1" seien nicht zu verwerten, da dort auf eine "Ziffer 4 d)" Bezug genommen wird, die aber im MTV2011 in § 4 nicht existiert. Es handele sich insofern auch nicht um einen bloßen Formatierungsfehler, da nicht keine Anpassung im Beispiel 1 erfolgt sei, sondern durchaus der vermeintlich für die Regelung zutreffende Buchstabe "d)", wenn auch mit der falschen, nämlich alten, Ziff. "4" angegeben worden war.
34Die Abrechnungspraxis sei von einer Addition der Zuschläge von Mehr- und Nachtarbeit ausgegangen. Erst kürzlich habe etwa das Unternehmen H. die Abrechnungspraxis umgestellt, was Auslöser für das vorliegende Verfahren gewesen sei, nachdem der Beklagte einen Hinweis an seine Mitglieder zur Auslegung des MTV2011 im Sinne der von der Gewerkschaft im hiesigen Verfahren verfolgten Rechtsauffassung ablehnte. Dass schon immer nicht im Sinne der von der Gewerkschaft vertretenen Rechtsauffassung abgerechnet wurde, hindere die dahingehende Auslegung des MTV2011 nicht.
35Die Gewerkschaft beantragt,
36festzustellen, dass Arbeitsleistungen, die sowohl Mehrarbeit nach § 3
37Ziffer 1 des Manteltarifvertrages für das Metallbauerhandwerk, G. vom 1. Dezember 2011 als auch Nachtarbeit nach § 3 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages für das N., nicht aber Arbeit an Sonn- und Feiertagen bzw. am 24. Dezember und 31. Dezember ab 22.00 Uhr ist, sowohl mit Zuschlägen nach § 4 Ziffer 1 des Manteltarifvertrages für das N. vom 1. Dezember 2011 als auch mit Zuschlägen nach § 4 Ziffer 2 des vorgenannten Tarifvertrages abzugelten ist und nicht mit dem sich aus § 4 Ziffer 1 oder 2 jeweils ergebenden höheren Zuschlag.
38Der Arbeitgeberverband beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Der Arbeitgeberverband ist der Auffassung, der Antrag sei bereits mangels hinreichender Bestimmtheit des Antrages unzulässig. Im Übrigen fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis, da kein konkreter Anlass für das Verfahren nach § 9 TVG bestehe. Ferner sei der Beklagte auch nicht passiv legitimiert, da die den Tarifvertrag anwendenden Firmen nicht seine Mitglieder seien, sondern in den entsprechenden Innungen organisiert wären, die wiederum Mitglieder des Beklagten seien. So sei etwa die Firma H. Mitglied der Metallinnung B..
41Soweit dies überhaupt noch zu überprüfen wäre, sei der Antrag jedenfalls unbegründet. Eine Änderung der Abrechnungspraxis habe nicht stattgefunden, der MTV2011 sei immer so angewandt worden, wie auch die Vorgängertarifverträge. Es habe sich bei der Formatierung lediglich ein Redaktionsversehen ergeben, was dazu geführt habe, die streitgegenständliche Kollisionsregelung von Ziffer 4 nach Ziffer 3 d) umzuformatieren. Daher sei auch die alte Fassung vor 1997 neben der jeweils aktuellen ausgelegt worden. Dies werde dadurch gestützt, dass bei der Neufassung nicht über eine Änderung des Bezuges in der alten Regelung Ziffer 4. verhandelt worden ist, was sich auch daraus ergibt, dass in dem von der Klägerin seinerzeit gefertigten Verhandlungsentwurf die zu ändernden Punkte gegenüber dem alten MTV grau hinterlegt waren, nicht aber die faktisch von Ziffer 4. auf Ziffer 3 d) geänderte alte Ziffer 4.
42Im Übrigen impliziere auch der Wortlaut der jetzigen Ziffer 3 d), wonach auf "mehrere Zuschläge" abgestellt wird, dass damit nicht allein auf Ziffer 3 Bezug genommen werden könne.
43Die am 30.04.2013 beim Arbeitsgericht Essen eingegangene Klage ist dem Beklagten am am 05.05.29013 zugestellt worden. Wegen des weiteren Vorbringens, sowie wegen der Einzelheiten, wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
44E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
45Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
46A. Die Zulässigkeit ist aus Sicht der Kammer gegeben.
47I. Der Antrag ist nicht zu unbestimmt. Die klagende Gewerkschaft begehrt hier die Auslegung eines Tarifvertrages nach § 9 TVG
481. Aus der in § 9 TVG vorausgesetzten Möglichkeit von Tarifvertragsparteien, einen Prozess zur Feststellung eines abstrakten Rechtsverhältnisses zu führen, und der Bindungswirkung der darauf ergehenden gerichtlichen Entscheidung, ergeben sich bestimmte Anforderungen an die Zulässigkeit eines in einem solchen Rechtsstreit gestellten Antrages (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10).
49a. Hiernach sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend (ebenda). Diese Möglichkeit setzt voraus, dass Tarifvertragsparteien einen Rechtsstreit über die Feststellung eines klärungsfähigen und klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsverhältnisses führen (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10; BAG vom 04.07.2007 - 4 AZR 491/06). Diese besondere und insofern von der Zulässigkeitsvoraussetzung eines konkreten Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO abweichende Möglichkeit begründet keine eigenständige Klageart neben den in der Zivilprozessordnung vorgesehen Klagen (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10). Sie spezifiziert lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen in einem zwischen den Tarifvertragsparteien über Bestand oder Inhalt des von ihnen geschlossenen Tarifvertrages geführten Prozess (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10).
50b. § 9 TVG hat vorrangig den Zweck, die normative Wirkung des Tarifvertrages mit einer möglichst einheitlichen Auslegung von Tarifbestimmungen zu unterstützen (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10; BAG vom 04.07.2007 - 4 AZR 491/06). Für den Fall, dass es in einer Verbandsklage um die Auslegung einer Tarifnorm geht, sind im Antrag der fragliche Tarifvertrag, die betreffende Tarifnorm sowie umstrittene Tarifbegriffe zu benennen (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10). Sodann ist der von der klagenden Tarifvertragspartei als zutreffend angesehene Auslegungsschritt zu formulieren (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10). Die zwischen den Parteien zu entscheidende Rechtsfrage hat die Verbindung eines abstrakten Tarifbegriffs mit einem ausgelegten Tarifbegriff zum Gegenstand (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10). Auch letzterer muss jedoch abstrakt sein und darf sich nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10; BAG vom 15.2..2010, 4 AZR 197/09). Das Gericht darf keine Subsumtion eines konkreten Sachverhaltes unter die auslegungsbedürftige Tarifnorm vornehmen müssen, um den Rechtsstreit zu entscheiden (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10).
51Da die erweiterte Bindungswirkung nur den Urteilstenor, nicht aber dessen Gründe umfasst, ist die von der klagenden Tarifvertragspartei gewählte Formulierung von maßgebender Bedeutung für die Bestimmung des Streitgegenstandes und die Reichweite der streitigen und zu klärenden Rechtsfrage (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10). Eine Auslegung des Antrages darf nicht dazu führen, dass über eine andere als die von der klagenden Partei gestellte Rechtsfrage mit erweiterter Bindungswirkung entschieden wird (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10).
522. Diese Anforderungen erfüllt der Antrag. Die Gewerkschaft nimmt ausdrücklich Bezug auf den auszulegenden Tarifvertrag und formuliert mit ihrem Antrag hinreichend deutlich diejenige Auslegung, die sie als die zutreffende ansieht. Aus dem Antrag ist hinreichend deutlich erkennbar, dass die Gewerkschaft eine Auslegung des MTV2011 dahingehend gerichtlich festschreiben lassen möchte, dass eine Kumulation der Zuschläge für Mehr- und Nachtarbeit stattfindet, sofern diese nicht mit Zuschlägen für Sonn- oder Feiertagsarbeit zusammenfallen, und eben nicht über die Anwendung der Kollisionsregelung in Ziff. 3 d) nur der jeweils höchste Zuschlag wirksam wird.
53II. Die Parteien sind für den Rechtsstreit nach § 9 TVG auch parteifähig, da es sich um die Tarifvertragsparteien des streitgegenständlichen Tarifvertrages handelt.
54III. Es fehlt der Klägerin nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 9 TVG. Unabhängig davon, ob tatsächlich ein Auslegungsstreit dadurch ausgelöst wurde, dass ein konkretes Unternehmen seine Abrechnungspraxis hin zu einer mit der Auslegung der Gewerkschaft nicht mehr konformen Anwendung des MTV2011 geändert hat, besteht jedenfalls Streit über dessen Auslegung. Die Gewerkschaft hat vom Beklagten die Information seiner Mitglieder im Sinne der Auslegung der Gewerkschaft erbeten. Eben das hat der Beklagte unter Verweis auf eine andere Auslegung abgelehnt, so dass jedenfalls hierdurch ein im Wege des Verfahrens nach § 9 TVG überprüfbarer Auslegungsstreit besteht.
55B. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Tarifvertrag ist nicht im Sinne des Antrages auszulegen.
56I. Der Beklagte ist zunächst passiv legitimiert. Parteien des Verfahrens nach § 9 TVG sind die Tarifvertragsparteien, also auch der Beklagte. Unabhängig davon, ob er selbst Mitgliedsunternehmen in einem bestimmten Sinne berät, oder ob dies die ihm wiederum angeschlossenen Metallinnungen tun, kann die Festschreibung einer bestimmten Auslegung nur gegenüber ihm als Tarifvertragspartei erfolgen (vgl. oben A. I.)
57II. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08; BAG vom 19.2..2007, 4 AZR 670/06; BAG vom 07.07.2004, 4 AZR 433/03; BAG vom 08.09.1999, 4 AZR 661/98). Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften (BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08). Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat; abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können (BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08). Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen, bis hin zur Frage der Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse (BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08). Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08).
58III. Danach ist davon auszugehen, dass die Kollisionsregelung in Ziff. 3 d) des § 4 MTV2011 auch für die Zuschläge nach Ziff. 1. und 2. gelten sollte, so dass entgegen dem Auslegungsbegehren der Klägerin gerade ausschließlich der jeweils höhere Zuschlag zur Anwendung kommt.
591. Der Wortlaut ist zunächst nicht eindeutig. In der Regelung ist die Rede von "mehreren Zuschlägen" was vom Wortsinn sowohl auf Ziffer 3. allein, wie auch auf den gesamten § 4 bezogen sein könnte. Auch Ziffer 3. regelt ihrerseits nämlich "mehrere Zuschläge" da nicht nur zwischen Sonntagszuschlägen einerseits und Feiertragszuschlägen andererseits unterschieden wird, sondern sogar innerhalb des Feiertagszuschlages noch einmal zwischen verschiedenen Zuschlagsarten und -höhen.
602. Die Systematik hingegen suggeriert zwar ein Ergebnis im Sinne des Antrages dadurch, dass durch die Art der drucktechnischen Gestaltung als Unterpunkt der Ziffer 3. und auch deren systematische Eingliederung der Kollisionsregelung in Ziffer 3. als Unterpunkt d) ein Bezug allein zu den Sonn- und Feiertagszuschlägen erzeugt wird. Allerdings wird dies wiederum durch die anderen getroffenen Regelungen wieder durchbrochen. Insbesondere ergibt sich aus dem angeführten "Beispiel 1", dass die Tarifvertragsparteien zur Verdeutlichung des Regelungsgehaltes des § 4 MTV2011 einpflegten, dass bei einem Zusammentreffen von Mehrarbeit und Feiertagsarbeit gerade die Regelung nach Ziffer 3d) Anwendung finden sollte. Die Kollisionsregelung soll also erkennbar nicht lediglich innerhalb der Ziffer 3. wirken sondern insoweit eindeutig auch darüber hinaus, nämlich mindestens wenn Nacht- oder Mehrarbeitszuschläge mit Sonn- oder Feiertagszuschlägen zusammentreffen.
61Aus der Systematik lassen sich indes keine Anhaltspunkte gewinnen, warum vor diesem Hintergrund die Regelung zwar entgegen ihrer optischen Eingliederung nicht auf Ziffer 3. beschränkt sein soll, gleichsam aber für den Konfliktfall des Zusammentreffens lediglich der Nacht- mit den Mehrarbeitszuschlägen keine Anwendung finden soll, so dass aus Sicht der Kammer damit gerade von einer dem Klageantrag entgegen gesetzten Auslegung von § 4 MTV2011 auszugehen ist.
623. Ein solches Ergebnis erschiene zudem als nicht mit Sinn und Zweck der Regelung vereinbar. Soweit evident die zusätzlichen Mühen, die durch die bezuschlagten Formen der Arbeitsleistung entstehen, belohnt werden sollen, erscheint es widersinnig, die zusätzlichen Mühen beim Zusammentreffen von Nacht- mit Mehrarbeit doppelt zu berücksichtigen, beim Zusammentreffen zusätzlich mit Sonntagsarbeit, dies aber wieder zu revidieren. So würde bei derartiger Auslegung etwa Mehrarbeit ab der 45. Stunde zur Nachtzeit zu einem Zuschlag von 50%+20%, mithin 70% führen, während durch die zusätzliche Belastung der Sonntagsarbeit wegen der dann unstreitig fehlenden Kumulierung weiterhin nur 70% anfallen würden.
634. Überdies wäre eine solche Auslegung auch nicht mit der Tarifgeschichte zu vereinbaren. Bis zum MTV2003 war die Kollisionsregelung als Ziffer 4. gleichberechtigt neben die unterschiedlichen Zuschlagsarten gestellt, so dass dies auf alle Zuschläge anzuwenden war. Die Änderung im Jahr 2003 war nicht Teil der Verhandlungen, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Tarifvertragsparteien diese Änderung bewusst erreichen wollten, um etwa das Zuschlagsystem neu zu gestalten. Dabei wäre zwar denkbar darauf zu verweisen, dass - nachdem die Umstrukturierung in der Folgezeit als Redaktionsversehen betrachtet wurde - die dann wiederum ungeänderte Übernahme vom MTV2003 in den MTV2011 als Ausdruck eines Gestaltungswillens der Tarifvertragsparteien zu verstehen. Dies erscheint der Kammer aber als eher fernliegend, würde doch eine zu jenem Zeitpunkt noch übereinstimmende, abweichende Auslegung durch die Tarifvertragsparteien keinen Handlungsbedarf auslösen.
64C. Die Kosten waren der Klägerin nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO. Die Berufung war nach § 64 Abs. 3 Ziffern 1, 2 Buchst. b) ArbGG zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und eine Rechtsstreitigkeit über die Auslegung eines über den Bezirk des hiesigen Arbeitsgerichtes hinaus geltenden Tarifvertrages betrifft.
65RECHTSMITTELBELEHRUNG
66Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
67Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
68Landesarbeitsgericht Düsseldorf
69Ludwig-Erhard-Allee 21
7040227 Düsseldorf
71Fax: 0211-7770 2199
72eingegangen sein.
73Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
74Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
75Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
761.Rechtsanwälte,
772.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
783.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
79Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
80* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
81- Pletsch -
ra.de-Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Essen Urteil, 07. Aug. 2013 - 6 Ca 1164/13
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Urteil einreichenArbeitsgericht Essen Urteil, 07. Aug. 2013 - 6 Ca 1164/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Tarifvertrags ergangen sind, sind in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend.
Tenor
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1. Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 6. Oktober 2009 - 7 Sa 36/09 - werden zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Klagen als unzulässig abgewiesen werden.
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2. Die Kosten der Revisionen haben die Klägerinnen zu gleichen Teilen zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Zulässigkeit von Feststellungsanträgen und in diesem Zusammenhang über die konkrete Anwendung der zwischen den klagenden Gewerkschaften und der Beklagten (eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts) geschlossenen Haustarifverträge, bestehend aus Mantel- und Gehaltstarifvertrag vom 14. Mai 1957/30. November 1977 (im Folgenden: MTV und GTV).
- 2
-
Der zwischen den Parteien geschlossene MTV enthält Regelungen zur Befristung von Arbeitsverhältnissen (Tarifziffer - TZ 250 ff.), zu den arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbezeichnungen (TZ 311.1 f.), zu Grundsätzen der Eingruppierung und der Umgruppierung (TZ 410 ff.) und zur Gewährung von Funktionszulagen (TZ 434 f.). Im GTV sind die für die Eingruppierung maßgebenden Tätigkeitsmerkmale und Voraussetzungen (TZ 720 ff.) sowie sog. Richtpositionsbeschreibungen geregelt, denen insgesamt 18 Gehaltsgruppen zugeordnet sind. Seit dem Jahr 2003 überträgt die Beklagte Führungspositionen, die den drei Gehaltsgruppen 16 bis 18 zugeordnet sind, bei innerbetrieblichen Besetzungen zunächst nur befristet auf zwei bis fünf Jahre. Die betreffenden Arbeitnehmer werden dabei nicht der maßgebenden Gehaltsgruppe zugeordnet, sondern erhalten für diesen Zeitraum eine Funktionszulage in Höhe der Differenz zu der ihrer jeweiligen Führungsposition entsprechenden Gehaltsgruppe.
- 3
-
Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, diese Praxis der Beklagten widerspreche den tariflichen Regelungen. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer müsse nach den tarifvertraglichen Bestimmungen vielmehr ab Übertragung der Aufgabe entsprechend der vertraglich festgelegten Tätigkeit erfolgen. Nach dem Tarifvertrag müsse eine Neueingruppierung mit Beginn der geänderten Tätigkeit vorgenommen werden, wenn die höherwertige Tätigkeit dauernd übertragen werde (TZ 414 MTV). „Dauernd“ entspreche nicht dem Begriff „nicht nur vorübergehend“ aus der TZ 727.1 GTV, der einen deutlich kürzeren Zeitraum zum Inhalt haben könne. Zudem seien Art und Umfang von Zulagen tariflich abschließend geregelt, was auch für die Funktionszulage in TZ 434 MTV gelte. Der MTV sehe eine Funktionszulage, wie sie die Beklagte zahle, nicht vor. Zudem sei die befristete Übertragung höherwertiger Tätigkeiten tarifwidrig. Die im MTV (TZ 250 bis 255) vereinbarten Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverhältnissen seien auch auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anzuwenden. Die befristete Übertragung von Führungspositionen für die Dauer von zwei bis fünf Jahren zu Erprobungszwecken sei nach dem Tarifvertrag nicht möglich.
-
Die Klägerinnen haben in der Revisionsinstanz - jeweils einzeln und bezogen auf ihre jeweiligen Mitglieder - noch beantragt:
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1.
Es wird festgestellt, dass es nicht zulässig ist, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglieder der Klägerin sind und deren von ihnen ausgeübte Tätigkeiten den Richtpositionsbeschreibungen 16, 17 oder 18 des bei der Beklagten zur Anwendung kommenden Gehaltstarifvertrages entsprechen, lediglich in die Gehaltsgruppen 14 oder 15 einzugruppieren und die Vergütungsdifferenz zur richtigen Gehaltsgruppe über Funktionszulagen auszugleichen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Befristung der Übertragung von Tätigkeiten, die nach den Richtpositionsbeschreibungen den Gehaltsgruppen 16, 17 oder 18 des bei der Beklagten zur Anwendung kommenden Gehaltstarifvertrages zuzuordnen sind, bei den Mitgliedern der Klägerin nicht zulässig ist.
- 5
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Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Die Feststellungsanträge seien zu unbestimmt und daher unzulässig, weil sie die Namen der jeweiligen betroffenen Mitglieder der Klägerinnen nicht enthielten. Weiterhin fehle das erforderliche Feststellungsinteresse. Eine Höhergruppierung von Arbeitnehmern, denen höherwertige Tätigkeiten lediglich befristet übertragen werde, sehe der Tarifvertrag nicht vor. Eine zwei- bis fünfjährige Übertragung von Aufgaben erfolge weder „dauernd“ noch „nicht nur vorübergehend“ im tariflichen Sinne. Der Tarifvertrag sehe für die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit weder eine Höchstdauer vor noch seien die tariflichen Bestimmungen des MTV (TZ 250 ff.) einschlägig. Diese beträfen nur die Befristung von Arbeitsverhältnissen insgesamt und nicht diejenige einzelner Arbeitsbedingungen. Schließlich sei die Gewährung einer Funktionszulage zulässig.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Auf die Berufungen der Klägerinnen hat das Landesarbeitsgericht die Klagen als unzulässig abgewiesen. Mit den vom Bundesarbeitsgericht hinsichtlich der noch gestellten Anträge zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihr bisheriges Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revisionen.
Entscheidungsgründe
- 7
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Die Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet. Die von den Klägerinnen gestellten Anträge sind weder als allgemeine Feststellungsanträge nach § 256 Abs. 1 ZPO(unter I) noch unter besonderer Berücksichtigung der Voraussetzungen einer Klage nach § 9 TVG(unter II) zulässig.
- 8
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I. Die Anträge sind nicht auf die Feststellung eines von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzten Rechtsverhältnisses gerichtet. In der Folge fehlt auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse.
- 9
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1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Entscheidung hat.
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a) Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache(st. Rspr., s. nur BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 76 mwN). Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen(BAG 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9; 24. April 2007 - 1 ABR 27/06 - Rn. 15 mwN, BAGE 122, 121). Hierzu gehört grundsätzlich auch die rechtliche Bewertung eines konkreten Verhaltens der Gegenseite. Namentlich die Rechtswidrigkeit des gegnerischen Verhaltens kann nicht Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO sein(BGH 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74 - BGHZ 68, 331; Musielak/Foerste ZPO 9. Aufl. § 256 Rn. 2). Gleiches gilt für die Unwirksamkeit oder Wirksamkeit der Rechtshandlung einer Partei (BAG 21. Dezember 1982 - 1 AZR 411/80 - BAGE 41, 209; BGH 4. Juli 1962 - V ZR 206/60 - BGHZ 37, 331, 333; s. auch BAG 8. November 1957 - 1 AZR 274/56 - BAGE 5, 115: zur „Tarifwidrigkeit“ eines Arbeitsplatzbewertungsverfahrens; 14. April 1966 - 2 AZR 503/63 - zu IV der Gründe, BAGE 18, 223: zur „Rechtswidrigkeit“ einer Nichtanrechnung; 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 - BAGE 46, 322: zur „Rechtswidrigkeit“ einer Arbeitskampfmaßnahme).
- 11
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b) Weiterhin muss das festzustellende Rechtsverhältnis grundsätzlich zwischen den Parteien bestehen. Geht es um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, an dem sie nicht beteiligt ist, handelt es sich um ein sog. Drittrechtsverhältnis. Ein solches kann zwar Inhalt eines Feststellungsantrages sein. Dann werden aber von der Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an das besondere Feststellungsinteresse gestellt. Die begehrte Feststellung muss gerade die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien berühren (BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 190/08 - Rn. 42 mwN, AP TVG § 3 Nr. 48 = EzA TVG § 3 Nr. 34). Insbesondere muss der Kläger selbst von dem festgestellten Rechtsverhältnis in seinem Rechtskreis betroffen sein und ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung haben (zB BGH 25. Februar 1982 - II ZR 174/80 - BGHZ 83, 122, 125 f.; 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92 - BGHZ 123, 44; 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - NJW 2008, 69). Außer in den Fällen einer Prozessstandschaft mangelt es ansonsten an der Prozessführungsbefugnis des Klägers (MünchKommZPO/Becker-Eberhard 3. Aufl. § 256 Rn. 34; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 256 Rn. 3b).
- 12
-
2. Die begehrten Feststellungen betreffen kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern erstreben die Bewertung eines bestimmten Verhaltens der Beklagten gegenüber Arbeitnehmern, die Mitglieder der Klägerinnen sind, als „nicht zulässig“.
- 13
-
Dabei kann dahinstehen, ob der Feststellungsantrag nicht schon deshalb unzulässig ist, weil die Anträge aufgrund des jeweils aufgenommenen Begriffs „nicht zulässig“ nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind. Mit ihm wird in der konkreten, von den Klägerinnen gebrauchten Form ein Unwerturteil ohne Einbeziehung oder gar den Ausspruch möglicher rechtlicher Folgen der Beanstandung für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien begehrt.
- 14
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Die Beanstandung einer bestimmten betrieblichen Praxis eines tarifgebundenen Arbeitgebers ist kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern allenfalls eine Vorfrage, auf die es für - kollektivrechtliche oder individualrechtliche - Ansprüche ankommen mag. Eine Sachentscheidung des Senats über die gestellten Anträge würde auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens über die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers in einem Rechtsverhältnis zu einzelnen Dritten den tariflichen Vorgaben entspricht, hinauslaufen, das für sich selbst ohne unmittelbare rechtliche Folgen für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien bliebe. Die Erstellung von Rechtsgutachten ist den Gerichten indes verwehrt (etwa BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 76; 3. Mai 2006 - 1 ABR 63/04 - Rn. 19 mwN, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61; 20. Mai 2008 - 1 ABR 19/07 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 81 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 19).
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3. Die Anträge sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Feststellung eines sog. Drittrechtsverhältnisses zulässig.
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a) Die Unzulässigkeit der Anträge ergibt sich aus den vorgenannten Gründen (unter I 2) schon daraus, dass auch in Bezug auf die von den Maßnahmen der Beklagten betroffenen tarifgebundenen Arbeitnehmer die rechtliche Bewertung eines Verhaltens beantragt wird, nicht aber die Feststellung eines zwischen diesen und der Beklagten bestehenden Rechtsverhältnisses.
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b) Weiterhin haben die Klägerinnen auch kein besonderes rechtlich geschütztes Interesse an der von ihnen verlangten Feststellung dargetan. Die in den jeweiligen konkreten Einzelmaßnahmen liegende - möglicherweise fehlerhafte - Tarifvertragsanwendung berührt lediglich die Rechtssphäre der betroffenen einzelnen tarifgebundenen Arbeitnehmer, denen selbst insoweit die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes obliegt.
- 18
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c) Eine Prozessstandschaft der Klägerinnen für die rechtlichen Interessen ihrer Mitglieder scheidet ungeachtet der die Arbeitnehmer nicht betreffenden Anträge aus. Eine Gewerkschaft hat keine Befugnis, Individualansprüche ihrer Mitglieder einzuklagen. Geht es um Rechte einzelner Arbeitnehmer, müssen diese selbst tätig werden (BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 91, 210).
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4. Die Anträge sind auch keiner Auslegung zugänglich, die eine Sachentscheidung ermöglichen würde (zu einer solchen Verpflichtung des Gerichts vgl. nur BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 242/10 - Rn. 11 mwN ; 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9).
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a) Eine Auslegung des in den Anträgen jeweils enthaltenen Begriffs „nicht zulässig“ durch einen anderen, das erkennbare Interesse der Klägerinnen vollständig, aber nicht überschießend erfassenden Wortlaut ist nicht möglich. Nach dem Vorbringen der Klägerinnen ist ein Rechtsschutzziel, das mit der Feststellung eines Rechtsverhältnisses angestrebt werden soll, nicht hinreichend deutlich ersichtlich.
- 21
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Die Klägerinnen rügen in der Sache ein tarifwidriges Verhalten des Arbeitgebers, ohne dass erkennbar ist, worauf diese angestrebte rechtliche Bewertung im Ergebnis abzielt. Bei der erstmaligen Erhebung der zuletzt gestellten Anträge haben sie ausgeführt, die Parteien seien bei der Anwendung des Tarifvertrages hinsichtlich der umstrittenen befristeten Übertragung von Führungspositionen unterschiedlicher Ansicht, was auf eine unterschiedliche Auslegung des Tarifvertrages zurückzuführen sei. Es sei trotz zahlreicher Verhandlungen seit dem Jahr 2003 nicht gelungen, die Meinungsverschiedenheiten hierüber in Gesprächen beizulegen. Dies spricht dafür, dass es für die Klägerinnen selbst um eine abstrakte Auslegungsfrage des Tarifvertrages geht. Eine solche kann jedoch nur Gegenstand einer Feststellungsklage nach Maßgabe der besonderen Voraussetzungen des § 9 TVG sein(dazu unter II). Gegenstand der Anträge und Bezugspunkt des gesamten Sachvortrages ist indes die konkrete Anwendungspraxis der Beklagten.
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b) Eine Auslegung der Anträge iSd. Klägerinnen kommt überdies nicht in Betracht, weil über das im Wortlaut des Antrages zu 1 beschriebene Verhalten der Beklagten kein Streit besteht. Dass Tätigkeiten, die den Richtpositionsbeschreibungen der Gehaltsgruppen 16, 17 und 18 entsprechen, auch eine entsprechende Eingruppierung und Vergütungsverpflichtung zur Folge haben, ist evident und wird auch von der Beklagten so gesehen. Streitig ist allein die Frage, ob auch bei der befristeten Übertragung eine Tätigkeit nach diesen Richtpositionsbeschreibungen vorliegt. Diese ist nach dem Wortlaut des Antrages nicht Gegenstand der begehrten Feststellung. Auch der Sachvortrag der Klägerinnen zielt nicht auf diese Frage ab, sondern auf die Beanstandung der dargestellten Praxis der Beklagten.
- 23
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c) Gleiches gilt im Grundsatz für das im Antrag zu 2 beanstandete Verhalten der Beklagten. Seinem Wortlaut nach sind hiervon jegliche vorübergehenden - auch ganz kurzfristige - Übertragungen von Tätigkeiten erfasst. Deren „Zulässigkeit“ bezweifeln selbst die klagenden Gewerkschaften nicht. Eine Auslegung des Antrages durch das Gericht müsste hier eine zeitliche Grenze ziehen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass der Streitgegenstand von den Klägerinnen bestimmt wird, nicht möglich. Die gebotene Einschränkung lässt sich dem klägerischen Vortrag nicht in hinreichend klarer Weise entnehmen. Zwar tragen die Parteien zu tatsächlichen Befristungen zwischen zwei und fünf Jahren vor. Dass die klagenden Gewerkschaften eine gleichartige Befristung von beispielsweise 18 Monaten für zulässig hielten, ergibt sich aus ihrem Vorbringen jedoch nicht. Im Übrigen zeigt ihr Vortrag, auch eine Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen bedürfe eines sie rechtfertigenden Sachgrundes, da es um die Ausgestaltung einzelner Arbeitsverhältnisse geht, die kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien betreffen.
- 24
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d) Eine Umdeutung der unzulässigen Anträge (dazu BGH 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - zu 1 der Gründe, NJW 2000, 354) in Leistungs-, namentlich Unterlassungsanträge kommt vorliegend nicht in Betracht. Einen Unterlassungsantrag wollten die Klägerinnen erklärtermaßen gerade mit den Feststellungsanträgen nicht geltend machen. Zudem haben sie gegenüber der Beklagten in diesem Rechtsstreit in den Vorinstanzen von ihnen als Geltendmachung des „Durchführungsanspruchs“ bezeichnete - und vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesene - Leistungsanträge gestellt (etwa auf Verurteilung der Beklagten zur „Eingruppierung“). Dies steht der Annahme entgegen, auch die Feststellungsanträge beinhalteten einen Leistungsanspruch, dessen mögliches Rechtsschutzziel jedoch darüber hinaus nicht erkennbar wäre.
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II. Die Anträge sind auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 9 TVG zulässig.
- 26
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1. Aus der in § 9 TVG vorausgesetzten Möglichkeit von Tarifvertragsparteien, einen Prozess zur Feststellung eines abstrakten Rechtsverhältnisses zu führen, und der Bindungswirkung der darauf ergehenden gerichtlichen Entscheidung, ergeben sich bestimmte Anforderungen an die Zulässigkeit eines in einem solchen Rechtsstreit gestellten Antrages.
- 27
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a) Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Damit setzt § 9 TVG die Möglichkeit voraus, dass Tarifvertragsparteien einen Rechtsstreit über die Feststellung eines klärungsfähigen und klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsverhältnisses führen(vgl. dazu näher BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18, BAGE 123, 213). Diese besondere und insofern von der Zulässigkeitsvoraussetzung eines konkreten Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO abweichende Möglichkeit begründet keine eigenständige Klageart neben den in der Zivilprozessordnung vorgesehen Klagen. Sie spezifiziert lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen in einem zwischen den Tarifvertragsparteien über Bestand oder Inhalt des von ihnen geschlossenen Tarifvertrages geführten Prozess.
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b) § 9 TVG hat vorrangig den Zweck, die normative Wirkung des Tarifvertrages mit einer möglichst einheitlichen Auslegung von Tarifbestimmungen zu unterstützen(BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18, BAGE 123, 213). Die Vorschrift ordnet hinsichtlich der Wirkung einer Entscheidung über den Bestand oder die Auslegung eines Tarifvertrages deren Verbindlichkeit für Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten an. Damit entfaltet die Entscheidung in der Sache eine im gesetzlich benannten Geltungs- und Anwendungsbereich verbindliche Wirkung, die dem Geltungsanspruch der auszulegenden Norm selbst entspricht, unabhängig davon, ob man dies auf eine subjektive Rechtskrafterstreckung zurückführt (so etwa Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 9 Rn. 10 ff.; Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 4 Rn. 213; s. auch noch BAG 30. Mai 1984 - 4 AZR 512/81 - BAGE 46, 61, 64) oder sie unmittelbar als materiell-rechtlich normative Wirkung gleich derjenigen der Tarifnorm selbst ansieht (so Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bd. I S. 551; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 81 ff.; ähnlich Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 9 Rn. 4).
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c) Aus dieser Funktion der auch als sog. Verbandsklage bezeichneten Möglichkeit einer Feststellungsklage nach Maßgabe der Voraussetzungen des § 9 TVG ergeben sich konkrete Anforderungen an den entsprechenden Klageantrag.
- 30
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Für den Fall, dass es in einer Verbandsklage um die Auslegung einer Tarifnorm geht, sind im Antrag der fragliche Tarifvertrag, die betreffende Tarifnorm sowie umstrittene Tarifbegriffe zu benennen. Sodann ist der von der klagenden Tarifvertragspartei als zutreffend angesehene Auslegungsschritt zu formulieren. Die zwischen den Parteien - mit der in § 9 TVG geregelten weiterreichenden Bindungswirkung - zu entscheidende Rechtsfrage hat die Verbindung eines abstrakten Tarifbegriffs mit einem - notwendig weniger abstrakten - ausgelegten Tarifbegriff zum Gegenstand. Auch letzterer muss jedoch abstrakt sein und darf sich nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen (vgl. zB den Tenor des Senatsurteils vom 15. Dezember 2010 - 4 AZR 197/09 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 215 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 137). Das Gericht darf keine Subsumtion eines konkreten Sachverhaltes unter die auslegungsbedürftige Tarifnorm vornehmen müssen, um den Rechtsstreit zu entscheiden.
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Die erweiterte Bindungswirkung eines sog. Verbandsklageurteils nach § 9 TVG ist auf den Tenor der Entscheidung begrenzt; die Urteilsgründe entfalten keine Bindungswirkung (s. nur Löwisch/Rieble § 9 Rn. 104). Demgemäß ist die von der klagenden Tarifvertragspartei gewählte Formulierung von maßgebender Bedeutung für die Bestimmung des Streitgegenstandes und die Reichweite der streitigen und zu klärenden Rechtsfrage. Eine Auslegung des Antrages darf nicht dazu führen, dass über eine andere als die von der klagenden Partei gestellte Rechtsfrage mit erweiterter Bindungswirkung entschieden wird.
- 32
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2. Diese Anforderungen erfüllen die Anträge nicht. Das ergibt sich bereits aus dem - hierzu in beiden Anträgen identischen - Wortlaut. Die begehrte Feststellung zielt nicht auf die im Wege der Auslegung gewonnene Konkretisierung eines Tarifbegriffs ab, sondern hat das konkrete Verhalten der Beklagten zum Gegenstand. Damit geht es nicht um eine abstrakte Auslegungsfrage aus dem Tarifvertrag.
- 33
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3. Die Anträge können nicht in einer Weise ausgelegt werden, die zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt von § 9 TVG führt. Soweit sich die Klägerinnen für die Zulässigkeit ihrer Anträge ausdrücklich auf die Bestimmung des § 9 TVG beziehen, verkennen sie, dass sich diese nach ihrem Wortlaut nicht mit der Auslegung eines Tarifbegriffs, sondern mit der Anwendung verschiedener Tarifbestimmungen auf einen konkreten Lebenssachverhalt befassen.
- 34
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a) Die Klägerinnen haben noch in der Revisionsbegründung ausdrücklich ausgeführt, dass der Antrag zu 1 das „Anwendungsergebnis“ feststellen solle, wonach „die Eingruppierung der Arbeitnehmer (in) die Gehaltsgruppen 14 oder 15 … unzulässig sein (soll)“, wenn höherwertige Tätigkeiten befristet übertragen werden. Die angestrebte Feststellung, dass eine bestimmte Maßnahme „nicht zulässig“ sei, ist kein abstraktes Auslegungsergebnis einer Tarifvertragsnorm, sondern lediglich eine Bewertung ihrer konkreten Anwendung. Dementsprechend hätte eine Sachentscheidung über die gestellten Anträge auch eine Subsumtion des konkreten Verhaltens der Beklagten erfordert, was bei einer Verbandsklage nach § 9 TVG jedoch nicht statthaft wäre.
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b) Der Umstand, dass dem Rechtsstreit der Parteien letztlich die Auslegung von Tarifbegriffen zugrunde liegt, kann nicht zu einer Antragsumdeutung führen, die die Klage nach § 9 TVG zulässig macht.
- 36
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Die Klägerinnen verweisen noch in ihrer Revisionsbegründung darauf, die Eingruppierungs- und Vergütungspraxis der Beklagten widerspreche den „im Streit stehenden tarifvertraglichen Eingruppierungsvorschriften des GTV im Zusammenhang mit dem MTV“. Dies verdeutlicht zwar, dass der vorliegende Rechtsstreit auf eine unterschiedliche Auslegung mehrerer Tarifnormen zurückgeführt werden kann. Deren Auslegung ist aber nicht zum Streitgegenstand erhoben worden.
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Eine Auslegung oder gar Umdeutung der gestellten Anträge in solche mit einem zulässigen Inhalt würde erfordern, dass seitens des Gerichts die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsfragen über die Auslegung der maßgebenden Tarifbestimmungen in einem ersten Schritt ermittelt werden müssten, um sodann - in einem weiteren Schritt - den oder die konkreten Anträge über die für zutreffend gehaltene fallübergreifende abstrakte Auslegung zu formulieren. Angesichts der insbesondere bei einem Auslegungsrechtsstreit nach § 9 TVG gebotenen Bindung an die Parteianträge ist dem Gericht ein solches Vorgehen verwehrt.
- 38
-
III. Der Senat ist - auch wenn sich seine Begründung auf andere Erwägungen stützt als diejenige des Landesarbeitsgerichts - nicht daran gehindert, nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Eine Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts nach § 562 Abs. 1 ZPO und die Zurückverweisung der Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht ist nur dann geboten, wenn die klagenden Parteien nach dem Verfahrensverlauf nicht ausreichend Gelegenheit und Veranlassung gehabt hatten, einen Antrag zu stellen, der den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO entspricht(vgl. BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 16, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte hat sich bereits in den Tatsacheninstanzen auf die Unzulässigkeit der Anträge berufen. Aufgrund dieses Vortrages und eines richterlichen Hinweises nach § 139 Abs. 1 ZPO in der Berufungsinstanz hatten die klagenden Parteien ausreichend Anlass, ihre Anträge zu korrigieren(vgl. BAG 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 37 ff. mwN, NZA-RR 2007, 495).
-
IV. Die Klägerinnen haben die Kosten der Revisionen zu tragen, weil sie erfolglos bleiben (§ 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO).
-
Der Vorsitzende Richter am
Bundesarbeitsgericht Prof. Bepler ist in den
Ruhestand getreten und daher an der
Unterschriftsleistung gehindert.
CreutzfeldtTreber
Creutzfeldt
Steding
Rupprecht
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Tenor
-
1. Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 6. Oktober 2009 - 7 Sa 36/09 - werden zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Klagen als unzulässig abgewiesen werden.
-
2. Die Kosten der Revisionen haben die Klägerinnen zu gleichen Teilen zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Zulässigkeit von Feststellungsanträgen und in diesem Zusammenhang über die konkrete Anwendung der zwischen den klagenden Gewerkschaften und der Beklagten (eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts) geschlossenen Haustarifverträge, bestehend aus Mantel- und Gehaltstarifvertrag vom 14. Mai 1957/30. November 1977 (im Folgenden: MTV und GTV).
- 2
-
Der zwischen den Parteien geschlossene MTV enthält Regelungen zur Befristung von Arbeitsverhältnissen (Tarifziffer - TZ 250 ff.), zu den arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbezeichnungen (TZ 311.1 f.), zu Grundsätzen der Eingruppierung und der Umgruppierung (TZ 410 ff.) und zur Gewährung von Funktionszulagen (TZ 434 f.). Im GTV sind die für die Eingruppierung maßgebenden Tätigkeitsmerkmale und Voraussetzungen (TZ 720 ff.) sowie sog. Richtpositionsbeschreibungen geregelt, denen insgesamt 18 Gehaltsgruppen zugeordnet sind. Seit dem Jahr 2003 überträgt die Beklagte Führungspositionen, die den drei Gehaltsgruppen 16 bis 18 zugeordnet sind, bei innerbetrieblichen Besetzungen zunächst nur befristet auf zwei bis fünf Jahre. Die betreffenden Arbeitnehmer werden dabei nicht der maßgebenden Gehaltsgruppe zugeordnet, sondern erhalten für diesen Zeitraum eine Funktionszulage in Höhe der Differenz zu der ihrer jeweiligen Führungsposition entsprechenden Gehaltsgruppe.
- 3
-
Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, diese Praxis der Beklagten widerspreche den tariflichen Regelungen. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer müsse nach den tarifvertraglichen Bestimmungen vielmehr ab Übertragung der Aufgabe entsprechend der vertraglich festgelegten Tätigkeit erfolgen. Nach dem Tarifvertrag müsse eine Neueingruppierung mit Beginn der geänderten Tätigkeit vorgenommen werden, wenn die höherwertige Tätigkeit dauernd übertragen werde (TZ 414 MTV). „Dauernd“ entspreche nicht dem Begriff „nicht nur vorübergehend“ aus der TZ 727.1 GTV, der einen deutlich kürzeren Zeitraum zum Inhalt haben könne. Zudem seien Art und Umfang von Zulagen tariflich abschließend geregelt, was auch für die Funktionszulage in TZ 434 MTV gelte. Der MTV sehe eine Funktionszulage, wie sie die Beklagte zahle, nicht vor. Zudem sei die befristete Übertragung höherwertiger Tätigkeiten tarifwidrig. Die im MTV (TZ 250 bis 255) vereinbarten Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverhältnissen seien auch auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anzuwenden. Die befristete Übertragung von Führungspositionen für die Dauer von zwei bis fünf Jahren zu Erprobungszwecken sei nach dem Tarifvertrag nicht möglich.
-
Die Klägerinnen haben in der Revisionsinstanz - jeweils einzeln und bezogen auf ihre jeweiligen Mitglieder - noch beantragt:
-
1.
Es wird festgestellt, dass es nicht zulässig ist, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglieder der Klägerin sind und deren von ihnen ausgeübte Tätigkeiten den Richtpositionsbeschreibungen 16, 17 oder 18 des bei der Beklagten zur Anwendung kommenden Gehaltstarifvertrages entsprechen, lediglich in die Gehaltsgruppen 14 oder 15 einzugruppieren und die Vergütungsdifferenz zur richtigen Gehaltsgruppe über Funktionszulagen auszugleichen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Befristung der Übertragung von Tätigkeiten, die nach den Richtpositionsbeschreibungen den Gehaltsgruppen 16, 17 oder 18 des bei der Beklagten zur Anwendung kommenden Gehaltstarifvertrages zuzuordnen sind, bei den Mitgliedern der Klägerin nicht zulässig ist.
- 5
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Die Feststellungsanträge seien zu unbestimmt und daher unzulässig, weil sie die Namen der jeweiligen betroffenen Mitglieder der Klägerinnen nicht enthielten. Weiterhin fehle das erforderliche Feststellungsinteresse. Eine Höhergruppierung von Arbeitnehmern, denen höherwertige Tätigkeiten lediglich befristet übertragen werde, sehe der Tarifvertrag nicht vor. Eine zwei- bis fünfjährige Übertragung von Aufgaben erfolge weder „dauernd“ noch „nicht nur vorübergehend“ im tariflichen Sinne. Der Tarifvertrag sehe für die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit weder eine Höchstdauer vor noch seien die tariflichen Bestimmungen des MTV (TZ 250 ff.) einschlägig. Diese beträfen nur die Befristung von Arbeitsverhältnissen insgesamt und nicht diejenige einzelner Arbeitsbedingungen. Schließlich sei die Gewährung einer Funktionszulage zulässig.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Auf die Berufungen der Klägerinnen hat das Landesarbeitsgericht die Klagen als unzulässig abgewiesen. Mit den vom Bundesarbeitsgericht hinsichtlich der noch gestellten Anträge zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihr bisheriges Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revisionen.
Entscheidungsgründe
- 7
-
Die Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet. Die von den Klägerinnen gestellten Anträge sind weder als allgemeine Feststellungsanträge nach § 256 Abs. 1 ZPO(unter I) noch unter besonderer Berücksichtigung der Voraussetzungen einer Klage nach § 9 TVG(unter II) zulässig.
- 8
-
I. Die Anträge sind nicht auf die Feststellung eines von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzten Rechtsverhältnisses gerichtet. In der Folge fehlt auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse.
- 9
-
1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Entscheidung hat.
- 10
-
a) Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache(st. Rspr., s. nur BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 76 mwN). Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen(BAG 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9; 24. April 2007 - 1 ABR 27/06 - Rn. 15 mwN, BAGE 122, 121). Hierzu gehört grundsätzlich auch die rechtliche Bewertung eines konkreten Verhaltens der Gegenseite. Namentlich die Rechtswidrigkeit des gegnerischen Verhaltens kann nicht Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO sein(BGH 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74 - BGHZ 68, 331; Musielak/Foerste ZPO 9. Aufl. § 256 Rn. 2). Gleiches gilt für die Unwirksamkeit oder Wirksamkeit der Rechtshandlung einer Partei (BAG 21. Dezember 1982 - 1 AZR 411/80 - BAGE 41, 209; BGH 4. Juli 1962 - V ZR 206/60 - BGHZ 37, 331, 333; s. auch BAG 8. November 1957 - 1 AZR 274/56 - BAGE 5, 115: zur „Tarifwidrigkeit“ eines Arbeitsplatzbewertungsverfahrens; 14. April 1966 - 2 AZR 503/63 - zu IV der Gründe, BAGE 18, 223: zur „Rechtswidrigkeit“ einer Nichtanrechnung; 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 - BAGE 46, 322: zur „Rechtswidrigkeit“ einer Arbeitskampfmaßnahme).
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b) Weiterhin muss das festzustellende Rechtsverhältnis grundsätzlich zwischen den Parteien bestehen. Geht es um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, an dem sie nicht beteiligt ist, handelt es sich um ein sog. Drittrechtsverhältnis. Ein solches kann zwar Inhalt eines Feststellungsantrages sein. Dann werden aber von der Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an das besondere Feststellungsinteresse gestellt. Die begehrte Feststellung muss gerade die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien berühren (BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 190/08 - Rn. 42 mwN, AP TVG § 3 Nr. 48 = EzA TVG § 3 Nr. 34). Insbesondere muss der Kläger selbst von dem festgestellten Rechtsverhältnis in seinem Rechtskreis betroffen sein und ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung haben (zB BGH 25. Februar 1982 - II ZR 174/80 - BGHZ 83, 122, 125 f.; 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92 - BGHZ 123, 44; 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - NJW 2008, 69). Außer in den Fällen einer Prozessstandschaft mangelt es ansonsten an der Prozessführungsbefugnis des Klägers (MünchKommZPO/Becker-Eberhard 3. Aufl. § 256 Rn. 34; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 256 Rn. 3b).
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2. Die begehrten Feststellungen betreffen kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern erstreben die Bewertung eines bestimmten Verhaltens der Beklagten gegenüber Arbeitnehmern, die Mitglieder der Klägerinnen sind, als „nicht zulässig“.
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Dabei kann dahinstehen, ob der Feststellungsantrag nicht schon deshalb unzulässig ist, weil die Anträge aufgrund des jeweils aufgenommenen Begriffs „nicht zulässig“ nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind. Mit ihm wird in der konkreten, von den Klägerinnen gebrauchten Form ein Unwerturteil ohne Einbeziehung oder gar den Ausspruch möglicher rechtlicher Folgen der Beanstandung für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien begehrt.
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Die Beanstandung einer bestimmten betrieblichen Praxis eines tarifgebundenen Arbeitgebers ist kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern allenfalls eine Vorfrage, auf die es für - kollektivrechtliche oder individualrechtliche - Ansprüche ankommen mag. Eine Sachentscheidung des Senats über die gestellten Anträge würde auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens über die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers in einem Rechtsverhältnis zu einzelnen Dritten den tariflichen Vorgaben entspricht, hinauslaufen, das für sich selbst ohne unmittelbare rechtliche Folgen für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien bliebe. Die Erstellung von Rechtsgutachten ist den Gerichten indes verwehrt (etwa BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 76; 3. Mai 2006 - 1 ABR 63/04 - Rn. 19 mwN, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61; 20. Mai 2008 - 1 ABR 19/07 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 81 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 19).
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3. Die Anträge sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Feststellung eines sog. Drittrechtsverhältnisses zulässig.
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a) Die Unzulässigkeit der Anträge ergibt sich aus den vorgenannten Gründen (unter I 2) schon daraus, dass auch in Bezug auf die von den Maßnahmen der Beklagten betroffenen tarifgebundenen Arbeitnehmer die rechtliche Bewertung eines Verhaltens beantragt wird, nicht aber die Feststellung eines zwischen diesen und der Beklagten bestehenden Rechtsverhältnisses.
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b) Weiterhin haben die Klägerinnen auch kein besonderes rechtlich geschütztes Interesse an der von ihnen verlangten Feststellung dargetan. Die in den jeweiligen konkreten Einzelmaßnahmen liegende - möglicherweise fehlerhafte - Tarifvertragsanwendung berührt lediglich die Rechtssphäre der betroffenen einzelnen tarifgebundenen Arbeitnehmer, denen selbst insoweit die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes obliegt.
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c) Eine Prozessstandschaft der Klägerinnen für die rechtlichen Interessen ihrer Mitglieder scheidet ungeachtet der die Arbeitnehmer nicht betreffenden Anträge aus. Eine Gewerkschaft hat keine Befugnis, Individualansprüche ihrer Mitglieder einzuklagen. Geht es um Rechte einzelner Arbeitnehmer, müssen diese selbst tätig werden (BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 91, 210).
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4. Die Anträge sind auch keiner Auslegung zugänglich, die eine Sachentscheidung ermöglichen würde (zu einer solchen Verpflichtung des Gerichts vgl. nur BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 242/10 - Rn. 11 mwN ; 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9).
- 20
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a) Eine Auslegung des in den Anträgen jeweils enthaltenen Begriffs „nicht zulässig“ durch einen anderen, das erkennbare Interesse der Klägerinnen vollständig, aber nicht überschießend erfassenden Wortlaut ist nicht möglich. Nach dem Vorbringen der Klägerinnen ist ein Rechtsschutzziel, das mit der Feststellung eines Rechtsverhältnisses angestrebt werden soll, nicht hinreichend deutlich ersichtlich.
- 21
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Die Klägerinnen rügen in der Sache ein tarifwidriges Verhalten des Arbeitgebers, ohne dass erkennbar ist, worauf diese angestrebte rechtliche Bewertung im Ergebnis abzielt. Bei der erstmaligen Erhebung der zuletzt gestellten Anträge haben sie ausgeführt, die Parteien seien bei der Anwendung des Tarifvertrages hinsichtlich der umstrittenen befristeten Übertragung von Führungspositionen unterschiedlicher Ansicht, was auf eine unterschiedliche Auslegung des Tarifvertrages zurückzuführen sei. Es sei trotz zahlreicher Verhandlungen seit dem Jahr 2003 nicht gelungen, die Meinungsverschiedenheiten hierüber in Gesprächen beizulegen. Dies spricht dafür, dass es für die Klägerinnen selbst um eine abstrakte Auslegungsfrage des Tarifvertrages geht. Eine solche kann jedoch nur Gegenstand einer Feststellungsklage nach Maßgabe der besonderen Voraussetzungen des § 9 TVG sein(dazu unter II). Gegenstand der Anträge und Bezugspunkt des gesamten Sachvortrages ist indes die konkrete Anwendungspraxis der Beklagten.
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b) Eine Auslegung der Anträge iSd. Klägerinnen kommt überdies nicht in Betracht, weil über das im Wortlaut des Antrages zu 1 beschriebene Verhalten der Beklagten kein Streit besteht. Dass Tätigkeiten, die den Richtpositionsbeschreibungen der Gehaltsgruppen 16, 17 und 18 entsprechen, auch eine entsprechende Eingruppierung und Vergütungsverpflichtung zur Folge haben, ist evident und wird auch von der Beklagten so gesehen. Streitig ist allein die Frage, ob auch bei der befristeten Übertragung eine Tätigkeit nach diesen Richtpositionsbeschreibungen vorliegt. Diese ist nach dem Wortlaut des Antrages nicht Gegenstand der begehrten Feststellung. Auch der Sachvortrag der Klägerinnen zielt nicht auf diese Frage ab, sondern auf die Beanstandung der dargestellten Praxis der Beklagten.
- 23
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c) Gleiches gilt im Grundsatz für das im Antrag zu 2 beanstandete Verhalten der Beklagten. Seinem Wortlaut nach sind hiervon jegliche vorübergehenden - auch ganz kurzfristige - Übertragungen von Tätigkeiten erfasst. Deren „Zulässigkeit“ bezweifeln selbst die klagenden Gewerkschaften nicht. Eine Auslegung des Antrages durch das Gericht müsste hier eine zeitliche Grenze ziehen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass der Streitgegenstand von den Klägerinnen bestimmt wird, nicht möglich. Die gebotene Einschränkung lässt sich dem klägerischen Vortrag nicht in hinreichend klarer Weise entnehmen. Zwar tragen die Parteien zu tatsächlichen Befristungen zwischen zwei und fünf Jahren vor. Dass die klagenden Gewerkschaften eine gleichartige Befristung von beispielsweise 18 Monaten für zulässig hielten, ergibt sich aus ihrem Vorbringen jedoch nicht. Im Übrigen zeigt ihr Vortrag, auch eine Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen bedürfe eines sie rechtfertigenden Sachgrundes, da es um die Ausgestaltung einzelner Arbeitsverhältnisse geht, die kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien betreffen.
- 24
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d) Eine Umdeutung der unzulässigen Anträge (dazu BGH 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - zu 1 der Gründe, NJW 2000, 354) in Leistungs-, namentlich Unterlassungsanträge kommt vorliegend nicht in Betracht. Einen Unterlassungsantrag wollten die Klägerinnen erklärtermaßen gerade mit den Feststellungsanträgen nicht geltend machen. Zudem haben sie gegenüber der Beklagten in diesem Rechtsstreit in den Vorinstanzen von ihnen als Geltendmachung des „Durchführungsanspruchs“ bezeichnete - und vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesene - Leistungsanträge gestellt (etwa auf Verurteilung der Beklagten zur „Eingruppierung“). Dies steht der Annahme entgegen, auch die Feststellungsanträge beinhalteten einen Leistungsanspruch, dessen mögliches Rechtsschutzziel jedoch darüber hinaus nicht erkennbar wäre.
- 25
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II. Die Anträge sind auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 9 TVG zulässig.
- 26
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1. Aus der in § 9 TVG vorausgesetzten Möglichkeit von Tarifvertragsparteien, einen Prozess zur Feststellung eines abstrakten Rechtsverhältnisses zu führen, und der Bindungswirkung der darauf ergehenden gerichtlichen Entscheidung, ergeben sich bestimmte Anforderungen an die Zulässigkeit eines in einem solchen Rechtsstreit gestellten Antrages.
- 27
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a) Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Damit setzt § 9 TVG die Möglichkeit voraus, dass Tarifvertragsparteien einen Rechtsstreit über die Feststellung eines klärungsfähigen und klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsverhältnisses führen(vgl. dazu näher BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18, BAGE 123, 213). Diese besondere und insofern von der Zulässigkeitsvoraussetzung eines konkreten Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO abweichende Möglichkeit begründet keine eigenständige Klageart neben den in der Zivilprozessordnung vorgesehen Klagen. Sie spezifiziert lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen in einem zwischen den Tarifvertragsparteien über Bestand oder Inhalt des von ihnen geschlossenen Tarifvertrages geführten Prozess.
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b) § 9 TVG hat vorrangig den Zweck, die normative Wirkung des Tarifvertrages mit einer möglichst einheitlichen Auslegung von Tarifbestimmungen zu unterstützen(BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18, BAGE 123, 213). Die Vorschrift ordnet hinsichtlich der Wirkung einer Entscheidung über den Bestand oder die Auslegung eines Tarifvertrages deren Verbindlichkeit für Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten an. Damit entfaltet die Entscheidung in der Sache eine im gesetzlich benannten Geltungs- und Anwendungsbereich verbindliche Wirkung, die dem Geltungsanspruch der auszulegenden Norm selbst entspricht, unabhängig davon, ob man dies auf eine subjektive Rechtskrafterstreckung zurückführt (so etwa Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 9 Rn. 10 ff.; Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 4 Rn. 213; s. auch noch BAG 30. Mai 1984 - 4 AZR 512/81 - BAGE 46, 61, 64) oder sie unmittelbar als materiell-rechtlich normative Wirkung gleich derjenigen der Tarifnorm selbst ansieht (so Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bd. I S. 551; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 81 ff.; ähnlich Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 9 Rn. 4).
- 29
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c) Aus dieser Funktion der auch als sog. Verbandsklage bezeichneten Möglichkeit einer Feststellungsklage nach Maßgabe der Voraussetzungen des § 9 TVG ergeben sich konkrete Anforderungen an den entsprechenden Klageantrag.
- 30
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Für den Fall, dass es in einer Verbandsklage um die Auslegung einer Tarifnorm geht, sind im Antrag der fragliche Tarifvertrag, die betreffende Tarifnorm sowie umstrittene Tarifbegriffe zu benennen. Sodann ist der von der klagenden Tarifvertragspartei als zutreffend angesehene Auslegungsschritt zu formulieren. Die zwischen den Parteien - mit der in § 9 TVG geregelten weiterreichenden Bindungswirkung - zu entscheidende Rechtsfrage hat die Verbindung eines abstrakten Tarifbegriffs mit einem - notwendig weniger abstrakten - ausgelegten Tarifbegriff zum Gegenstand. Auch letzterer muss jedoch abstrakt sein und darf sich nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen (vgl. zB den Tenor des Senatsurteils vom 15. Dezember 2010 - 4 AZR 197/09 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 215 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 137). Das Gericht darf keine Subsumtion eines konkreten Sachverhaltes unter die auslegungsbedürftige Tarifnorm vornehmen müssen, um den Rechtsstreit zu entscheiden.
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Die erweiterte Bindungswirkung eines sog. Verbandsklageurteils nach § 9 TVG ist auf den Tenor der Entscheidung begrenzt; die Urteilsgründe entfalten keine Bindungswirkung (s. nur Löwisch/Rieble § 9 Rn. 104). Demgemäß ist die von der klagenden Tarifvertragspartei gewählte Formulierung von maßgebender Bedeutung für die Bestimmung des Streitgegenstandes und die Reichweite der streitigen und zu klärenden Rechtsfrage. Eine Auslegung des Antrages darf nicht dazu führen, dass über eine andere als die von der klagenden Partei gestellte Rechtsfrage mit erweiterter Bindungswirkung entschieden wird.
- 32
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2. Diese Anforderungen erfüllen die Anträge nicht. Das ergibt sich bereits aus dem - hierzu in beiden Anträgen identischen - Wortlaut. Die begehrte Feststellung zielt nicht auf die im Wege der Auslegung gewonnene Konkretisierung eines Tarifbegriffs ab, sondern hat das konkrete Verhalten der Beklagten zum Gegenstand. Damit geht es nicht um eine abstrakte Auslegungsfrage aus dem Tarifvertrag.
- 33
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3. Die Anträge können nicht in einer Weise ausgelegt werden, die zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt von § 9 TVG führt. Soweit sich die Klägerinnen für die Zulässigkeit ihrer Anträge ausdrücklich auf die Bestimmung des § 9 TVG beziehen, verkennen sie, dass sich diese nach ihrem Wortlaut nicht mit der Auslegung eines Tarifbegriffs, sondern mit der Anwendung verschiedener Tarifbestimmungen auf einen konkreten Lebenssachverhalt befassen.
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a) Die Klägerinnen haben noch in der Revisionsbegründung ausdrücklich ausgeführt, dass der Antrag zu 1 das „Anwendungsergebnis“ feststellen solle, wonach „die Eingruppierung der Arbeitnehmer (in) die Gehaltsgruppen 14 oder 15 … unzulässig sein (soll)“, wenn höherwertige Tätigkeiten befristet übertragen werden. Die angestrebte Feststellung, dass eine bestimmte Maßnahme „nicht zulässig“ sei, ist kein abstraktes Auslegungsergebnis einer Tarifvertragsnorm, sondern lediglich eine Bewertung ihrer konkreten Anwendung. Dementsprechend hätte eine Sachentscheidung über die gestellten Anträge auch eine Subsumtion des konkreten Verhaltens der Beklagten erfordert, was bei einer Verbandsklage nach § 9 TVG jedoch nicht statthaft wäre.
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b) Der Umstand, dass dem Rechtsstreit der Parteien letztlich die Auslegung von Tarifbegriffen zugrunde liegt, kann nicht zu einer Antragsumdeutung führen, die die Klage nach § 9 TVG zulässig macht.
- 36
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Die Klägerinnen verweisen noch in ihrer Revisionsbegründung darauf, die Eingruppierungs- und Vergütungspraxis der Beklagten widerspreche den „im Streit stehenden tarifvertraglichen Eingruppierungsvorschriften des GTV im Zusammenhang mit dem MTV“. Dies verdeutlicht zwar, dass der vorliegende Rechtsstreit auf eine unterschiedliche Auslegung mehrerer Tarifnormen zurückgeführt werden kann. Deren Auslegung ist aber nicht zum Streitgegenstand erhoben worden.
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Eine Auslegung oder gar Umdeutung der gestellten Anträge in solche mit einem zulässigen Inhalt würde erfordern, dass seitens des Gerichts die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsfragen über die Auslegung der maßgebenden Tarifbestimmungen in einem ersten Schritt ermittelt werden müssten, um sodann - in einem weiteren Schritt - den oder die konkreten Anträge über die für zutreffend gehaltene fallübergreifende abstrakte Auslegung zu formulieren. Angesichts der insbesondere bei einem Auslegungsrechtsstreit nach § 9 TVG gebotenen Bindung an die Parteianträge ist dem Gericht ein solches Vorgehen verwehrt.
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III. Der Senat ist - auch wenn sich seine Begründung auf andere Erwägungen stützt als diejenige des Landesarbeitsgerichts - nicht daran gehindert, nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Eine Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts nach § 562 Abs. 1 ZPO und die Zurückverweisung der Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht ist nur dann geboten, wenn die klagenden Parteien nach dem Verfahrensverlauf nicht ausreichend Gelegenheit und Veranlassung gehabt hatten, einen Antrag zu stellen, der den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO entspricht(vgl. BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 16, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte hat sich bereits in den Tatsacheninstanzen auf die Unzulässigkeit der Anträge berufen. Aufgrund dieses Vortrages und eines richterlichen Hinweises nach § 139 Abs. 1 ZPO in der Berufungsinstanz hatten die klagenden Parteien ausreichend Anlass, ihre Anträge zu korrigieren(vgl. BAG 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 37 ff. mwN, NZA-RR 2007, 495).
-
IV. Die Klägerinnen haben die Kosten der Revisionen zu tragen, weil sie erfolglos bleiben (§ 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO).
-
Der Vorsitzende Richter am
Bundesarbeitsgericht Prof. Bepler ist in den
Ruhestand getreten und daher an der
Unterschriftsleistung gehindert.
CreutzfeldtTreber
Creutzfeldt
Steding
Rupprecht
Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Tarifvertrags ergangen sind, sind in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend.
Tenor
-
1. Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 6. Oktober 2009 - 7 Sa 36/09 - werden zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Klagen als unzulässig abgewiesen werden.
-
2. Die Kosten der Revisionen haben die Klägerinnen zu gleichen Teilen zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Zulässigkeit von Feststellungsanträgen und in diesem Zusammenhang über die konkrete Anwendung der zwischen den klagenden Gewerkschaften und der Beklagten (eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts) geschlossenen Haustarifverträge, bestehend aus Mantel- und Gehaltstarifvertrag vom 14. Mai 1957/30. November 1977 (im Folgenden: MTV und GTV).
- 2
-
Der zwischen den Parteien geschlossene MTV enthält Regelungen zur Befristung von Arbeitsverhältnissen (Tarifziffer - TZ 250 ff.), zu den arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbezeichnungen (TZ 311.1 f.), zu Grundsätzen der Eingruppierung und der Umgruppierung (TZ 410 ff.) und zur Gewährung von Funktionszulagen (TZ 434 f.). Im GTV sind die für die Eingruppierung maßgebenden Tätigkeitsmerkmale und Voraussetzungen (TZ 720 ff.) sowie sog. Richtpositionsbeschreibungen geregelt, denen insgesamt 18 Gehaltsgruppen zugeordnet sind. Seit dem Jahr 2003 überträgt die Beklagte Führungspositionen, die den drei Gehaltsgruppen 16 bis 18 zugeordnet sind, bei innerbetrieblichen Besetzungen zunächst nur befristet auf zwei bis fünf Jahre. Die betreffenden Arbeitnehmer werden dabei nicht der maßgebenden Gehaltsgruppe zugeordnet, sondern erhalten für diesen Zeitraum eine Funktionszulage in Höhe der Differenz zu der ihrer jeweiligen Führungsposition entsprechenden Gehaltsgruppe.
- 3
-
Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, diese Praxis der Beklagten widerspreche den tariflichen Regelungen. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer müsse nach den tarifvertraglichen Bestimmungen vielmehr ab Übertragung der Aufgabe entsprechend der vertraglich festgelegten Tätigkeit erfolgen. Nach dem Tarifvertrag müsse eine Neueingruppierung mit Beginn der geänderten Tätigkeit vorgenommen werden, wenn die höherwertige Tätigkeit dauernd übertragen werde (TZ 414 MTV). „Dauernd“ entspreche nicht dem Begriff „nicht nur vorübergehend“ aus der TZ 727.1 GTV, der einen deutlich kürzeren Zeitraum zum Inhalt haben könne. Zudem seien Art und Umfang von Zulagen tariflich abschließend geregelt, was auch für die Funktionszulage in TZ 434 MTV gelte. Der MTV sehe eine Funktionszulage, wie sie die Beklagte zahle, nicht vor. Zudem sei die befristete Übertragung höherwertiger Tätigkeiten tarifwidrig. Die im MTV (TZ 250 bis 255) vereinbarten Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverhältnissen seien auch auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anzuwenden. Die befristete Übertragung von Führungspositionen für die Dauer von zwei bis fünf Jahren zu Erprobungszwecken sei nach dem Tarifvertrag nicht möglich.
-
Die Klägerinnen haben in der Revisionsinstanz - jeweils einzeln und bezogen auf ihre jeweiligen Mitglieder - noch beantragt:
-
1.
Es wird festgestellt, dass es nicht zulässig ist, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Mitglieder der Klägerin sind und deren von ihnen ausgeübte Tätigkeiten den Richtpositionsbeschreibungen 16, 17 oder 18 des bei der Beklagten zur Anwendung kommenden Gehaltstarifvertrages entsprechen, lediglich in die Gehaltsgruppen 14 oder 15 einzugruppieren und die Vergütungsdifferenz zur richtigen Gehaltsgruppe über Funktionszulagen auszugleichen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Befristung der Übertragung von Tätigkeiten, die nach den Richtpositionsbeschreibungen den Gehaltsgruppen 16, 17 oder 18 des bei der Beklagten zur Anwendung kommenden Gehaltstarifvertrages zuzuordnen sind, bei den Mitgliedern der Klägerin nicht zulässig ist.
- 5
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Die Feststellungsanträge seien zu unbestimmt und daher unzulässig, weil sie die Namen der jeweiligen betroffenen Mitglieder der Klägerinnen nicht enthielten. Weiterhin fehle das erforderliche Feststellungsinteresse. Eine Höhergruppierung von Arbeitnehmern, denen höherwertige Tätigkeiten lediglich befristet übertragen werde, sehe der Tarifvertrag nicht vor. Eine zwei- bis fünfjährige Übertragung von Aufgaben erfolge weder „dauernd“ noch „nicht nur vorübergehend“ im tariflichen Sinne. Der Tarifvertrag sehe für die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit weder eine Höchstdauer vor noch seien die tariflichen Bestimmungen des MTV (TZ 250 ff.) einschlägig. Diese beträfen nur die Befristung von Arbeitsverhältnissen insgesamt und nicht diejenige einzelner Arbeitsbedingungen. Schließlich sei die Gewährung einer Funktionszulage zulässig.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Auf die Berufungen der Klägerinnen hat das Landesarbeitsgericht die Klagen als unzulässig abgewiesen. Mit den vom Bundesarbeitsgericht hinsichtlich der noch gestellten Anträge zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihr bisheriges Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revisionen.
Entscheidungsgründe
- 7
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Die Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet. Die von den Klägerinnen gestellten Anträge sind weder als allgemeine Feststellungsanträge nach § 256 Abs. 1 ZPO(unter I) noch unter besonderer Berücksichtigung der Voraussetzungen einer Klage nach § 9 TVG(unter II) zulässig.
- 8
-
I. Die Anträge sind nicht auf die Feststellung eines von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzten Rechtsverhältnisses gerichtet. In der Folge fehlt auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse.
- 9
-
1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Entscheidung hat.
- 10
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a) Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache(st. Rspr., s. nur BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 76 mwN). Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen(BAG 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9; 24. April 2007 - 1 ABR 27/06 - Rn. 15 mwN, BAGE 122, 121). Hierzu gehört grundsätzlich auch die rechtliche Bewertung eines konkreten Verhaltens der Gegenseite. Namentlich die Rechtswidrigkeit des gegnerischen Verhaltens kann nicht Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO sein(BGH 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74 - BGHZ 68, 331; Musielak/Foerste ZPO 9. Aufl. § 256 Rn. 2). Gleiches gilt für die Unwirksamkeit oder Wirksamkeit der Rechtshandlung einer Partei (BAG 21. Dezember 1982 - 1 AZR 411/80 - BAGE 41, 209; BGH 4. Juli 1962 - V ZR 206/60 - BGHZ 37, 331, 333; s. auch BAG 8. November 1957 - 1 AZR 274/56 - BAGE 5, 115: zur „Tarifwidrigkeit“ eines Arbeitsplatzbewertungsverfahrens; 14. April 1966 - 2 AZR 503/63 - zu IV der Gründe, BAGE 18, 223: zur „Rechtswidrigkeit“ einer Nichtanrechnung; 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 - BAGE 46, 322: zur „Rechtswidrigkeit“ einer Arbeitskampfmaßnahme).
- 11
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b) Weiterhin muss das festzustellende Rechtsverhältnis grundsätzlich zwischen den Parteien bestehen. Geht es um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, an dem sie nicht beteiligt ist, handelt es sich um ein sog. Drittrechtsverhältnis. Ein solches kann zwar Inhalt eines Feststellungsantrages sein. Dann werden aber von der Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an das besondere Feststellungsinteresse gestellt. Die begehrte Feststellung muss gerade die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien berühren (BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 190/08 - Rn. 42 mwN, AP TVG § 3 Nr. 48 = EzA TVG § 3 Nr. 34). Insbesondere muss der Kläger selbst von dem festgestellten Rechtsverhältnis in seinem Rechtskreis betroffen sein und ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung haben (zB BGH 25. Februar 1982 - II ZR 174/80 - BGHZ 83, 122, 125 f.; 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92 - BGHZ 123, 44; 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - NJW 2008, 69). Außer in den Fällen einer Prozessstandschaft mangelt es ansonsten an der Prozessführungsbefugnis des Klägers (MünchKommZPO/Becker-Eberhard 3. Aufl. § 256 Rn. 34; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 256 Rn. 3b).
- 12
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2. Die begehrten Feststellungen betreffen kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern erstreben die Bewertung eines bestimmten Verhaltens der Beklagten gegenüber Arbeitnehmern, die Mitglieder der Klägerinnen sind, als „nicht zulässig“.
- 13
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Dabei kann dahinstehen, ob der Feststellungsantrag nicht schon deshalb unzulässig ist, weil die Anträge aufgrund des jeweils aufgenommenen Begriffs „nicht zulässig“ nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind. Mit ihm wird in der konkreten, von den Klägerinnen gebrauchten Form ein Unwerturteil ohne Einbeziehung oder gar den Ausspruch möglicher rechtlicher Folgen der Beanstandung für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien begehrt.
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Die Beanstandung einer bestimmten betrieblichen Praxis eines tarifgebundenen Arbeitgebers ist kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern allenfalls eine Vorfrage, auf die es für - kollektivrechtliche oder individualrechtliche - Ansprüche ankommen mag. Eine Sachentscheidung des Senats über die gestellten Anträge würde auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens über die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers in einem Rechtsverhältnis zu einzelnen Dritten den tariflichen Vorgaben entspricht, hinauslaufen, das für sich selbst ohne unmittelbare rechtliche Folgen für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien bliebe. Die Erstellung von Rechtsgutachten ist den Gerichten indes verwehrt (etwa BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 76; 3. Mai 2006 - 1 ABR 63/04 - Rn. 19 mwN, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61; 20. Mai 2008 - 1 ABR 19/07 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 81 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 19).
- 15
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3. Die Anträge sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Feststellung eines sog. Drittrechtsverhältnisses zulässig.
- 16
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a) Die Unzulässigkeit der Anträge ergibt sich aus den vorgenannten Gründen (unter I 2) schon daraus, dass auch in Bezug auf die von den Maßnahmen der Beklagten betroffenen tarifgebundenen Arbeitnehmer die rechtliche Bewertung eines Verhaltens beantragt wird, nicht aber die Feststellung eines zwischen diesen und der Beklagten bestehenden Rechtsverhältnisses.
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b) Weiterhin haben die Klägerinnen auch kein besonderes rechtlich geschütztes Interesse an der von ihnen verlangten Feststellung dargetan. Die in den jeweiligen konkreten Einzelmaßnahmen liegende - möglicherweise fehlerhafte - Tarifvertragsanwendung berührt lediglich die Rechtssphäre der betroffenen einzelnen tarifgebundenen Arbeitnehmer, denen selbst insoweit die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes obliegt.
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c) Eine Prozessstandschaft der Klägerinnen für die rechtlichen Interessen ihrer Mitglieder scheidet ungeachtet der die Arbeitnehmer nicht betreffenden Anträge aus. Eine Gewerkschaft hat keine Befugnis, Individualansprüche ihrer Mitglieder einzuklagen. Geht es um Rechte einzelner Arbeitnehmer, müssen diese selbst tätig werden (BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 91, 210).
- 19
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4. Die Anträge sind auch keiner Auslegung zugänglich, die eine Sachentscheidung ermöglichen würde (zu einer solchen Verpflichtung des Gerichts vgl. nur BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 242/10 - Rn. 11 mwN ; 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9).
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a) Eine Auslegung des in den Anträgen jeweils enthaltenen Begriffs „nicht zulässig“ durch einen anderen, das erkennbare Interesse der Klägerinnen vollständig, aber nicht überschießend erfassenden Wortlaut ist nicht möglich. Nach dem Vorbringen der Klägerinnen ist ein Rechtsschutzziel, das mit der Feststellung eines Rechtsverhältnisses angestrebt werden soll, nicht hinreichend deutlich ersichtlich.
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Die Klägerinnen rügen in der Sache ein tarifwidriges Verhalten des Arbeitgebers, ohne dass erkennbar ist, worauf diese angestrebte rechtliche Bewertung im Ergebnis abzielt. Bei der erstmaligen Erhebung der zuletzt gestellten Anträge haben sie ausgeführt, die Parteien seien bei der Anwendung des Tarifvertrages hinsichtlich der umstrittenen befristeten Übertragung von Führungspositionen unterschiedlicher Ansicht, was auf eine unterschiedliche Auslegung des Tarifvertrages zurückzuführen sei. Es sei trotz zahlreicher Verhandlungen seit dem Jahr 2003 nicht gelungen, die Meinungsverschiedenheiten hierüber in Gesprächen beizulegen. Dies spricht dafür, dass es für die Klägerinnen selbst um eine abstrakte Auslegungsfrage des Tarifvertrages geht. Eine solche kann jedoch nur Gegenstand einer Feststellungsklage nach Maßgabe der besonderen Voraussetzungen des § 9 TVG sein(dazu unter II). Gegenstand der Anträge und Bezugspunkt des gesamten Sachvortrages ist indes die konkrete Anwendungspraxis der Beklagten.
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b) Eine Auslegung der Anträge iSd. Klägerinnen kommt überdies nicht in Betracht, weil über das im Wortlaut des Antrages zu 1 beschriebene Verhalten der Beklagten kein Streit besteht. Dass Tätigkeiten, die den Richtpositionsbeschreibungen der Gehaltsgruppen 16, 17 und 18 entsprechen, auch eine entsprechende Eingruppierung und Vergütungsverpflichtung zur Folge haben, ist evident und wird auch von der Beklagten so gesehen. Streitig ist allein die Frage, ob auch bei der befristeten Übertragung eine Tätigkeit nach diesen Richtpositionsbeschreibungen vorliegt. Diese ist nach dem Wortlaut des Antrages nicht Gegenstand der begehrten Feststellung. Auch der Sachvortrag der Klägerinnen zielt nicht auf diese Frage ab, sondern auf die Beanstandung der dargestellten Praxis der Beklagten.
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c) Gleiches gilt im Grundsatz für das im Antrag zu 2 beanstandete Verhalten der Beklagten. Seinem Wortlaut nach sind hiervon jegliche vorübergehenden - auch ganz kurzfristige - Übertragungen von Tätigkeiten erfasst. Deren „Zulässigkeit“ bezweifeln selbst die klagenden Gewerkschaften nicht. Eine Auslegung des Antrages durch das Gericht müsste hier eine zeitliche Grenze ziehen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass der Streitgegenstand von den Klägerinnen bestimmt wird, nicht möglich. Die gebotene Einschränkung lässt sich dem klägerischen Vortrag nicht in hinreichend klarer Weise entnehmen. Zwar tragen die Parteien zu tatsächlichen Befristungen zwischen zwei und fünf Jahren vor. Dass die klagenden Gewerkschaften eine gleichartige Befristung von beispielsweise 18 Monaten für zulässig hielten, ergibt sich aus ihrem Vorbringen jedoch nicht. Im Übrigen zeigt ihr Vortrag, auch eine Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen bedürfe eines sie rechtfertigenden Sachgrundes, da es um die Ausgestaltung einzelner Arbeitsverhältnisse geht, die kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien betreffen.
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d) Eine Umdeutung der unzulässigen Anträge (dazu BGH 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - zu 1 der Gründe, NJW 2000, 354) in Leistungs-, namentlich Unterlassungsanträge kommt vorliegend nicht in Betracht. Einen Unterlassungsantrag wollten die Klägerinnen erklärtermaßen gerade mit den Feststellungsanträgen nicht geltend machen. Zudem haben sie gegenüber der Beklagten in diesem Rechtsstreit in den Vorinstanzen von ihnen als Geltendmachung des „Durchführungsanspruchs“ bezeichnete - und vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesene - Leistungsanträge gestellt (etwa auf Verurteilung der Beklagten zur „Eingruppierung“). Dies steht der Annahme entgegen, auch die Feststellungsanträge beinhalteten einen Leistungsanspruch, dessen mögliches Rechtsschutzziel jedoch darüber hinaus nicht erkennbar wäre.
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II. Die Anträge sind auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 9 TVG zulässig.
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1. Aus der in § 9 TVG vorausgesetzten Möglichkeit von Tarifvertragsparteien, einen Prozess zur Feststellung eines abstrakten Rechtsverhältnisses zu führen, und der Bindungswirkung der darauf ergehenden gerichtlichen Entscheidung, ergeben sich bestimmte Anforderungen an die Zulässigkeit eines in einem solchen Rechtsstreit gestellten Antrages.
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a) Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Damit setzt § 9 TVG die Möglichkeit voraus, dass Tarifvertragsparteien einen Rechtsstreit über die Feststellung eines klärungsfähigen und klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsverhältnisses führen(vgl. dazu näher BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18, BAGE 123, 213). Diese besondere und insofern von der Zulässigkeitsvoraussetzung eines konkreten Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO abweichende Möglichkeit begründet keine eigenständige Klageart neben den in der Zivilprozessordnung vorgesehen Klagen. Sie spezifiziert lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen in einem zwischen den Tarifvertragsparteien über Bestand oder Inhalt des von ihnen geschlossenen Tarifvertrages geführten Prozess.
- 28
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b) § 9 TVG hat vorrangig den Zweck, die normative Wirkung des Tarifvertrages mit einer möglichst einheitlichen Auslegung von Tarifbestimmungen zu unterstützen(BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18, BAGE 123, 213). Die Vorschrift ordnet hinsichtlich der Wirkung einer Entscheidung über den Bestand oder die Auslegung eines Tarifvertrages deren Verbindlichkeit für Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten an. Damit entfaltet die Entscheidung in der Sache eine im gesetzlich benannten Geltungs- und Anwendungsbereich verbindliche Wirkung, die dem Geltungsanspruch der auszulegenden Norm selbst entspricht, unabhängig davon, ob man dies auf eine subjektive Rechtskrafterstreckung zurückführt (so etwa Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 9 Rn. 10 ff.; Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 4 Rn. 213; s. auch noch BAG 30. Mai 1984 - 4 AZR 512/81 - BAGE 46, 61, 64) oder sie unmittelbar als materiell-rechtlich normative Wirkung gleich derjenigen der Tarifnorm selbst ansieht (so Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bd. I S. 551; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 81 ff.; ähnlich Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 9 Rn. 4).
- 29
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c) Aus dieser Funktion der auch als sog. Verbandsklage bezeichneten Möglichkeit einer Feststellungsklage nach Maßgabe der Voraussetzungen des § 9 TVG ergeben sich konkrete Anforderungen an den entsprechenden Klageantrag.
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Für den Fall, dass es in einer Verbandsklage um die Auslegung einer Tarifnorm geht, sind im Antrag der fragliche Tarifvertrag, die betreffende Tarifnorm sowie umstrittene Tarifbegriffe zu benennen. Sodann ist der von der klagenden Tarifvertragspartei als zutreffend angesehene Auslegungsschritt zu formulieren. Die zwischen den Parteien - mit der in § 9 TVG geregelten weiterreichenden Bindungswirkung - zu entscheidende Rechtsfrage hat die Verbindung eines abstrakten Tarifbegriffs mit einem - notwendig weniger abstrakten - ausgelegten Tarifbegriff zum Gegenstand. Auch letzterer muss jedoch abstrakt sein und darf sich nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen (vgl. zB den Tenor des Senatsurteils vom 15. Dezember 2010 - 4 AZR 197/09 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 215 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 137). Das Gericht darf keine Subsumtion eines konkreten Sachverhaltes unter die auslegungsbedürftige Tarifnorm vornehmen müssen, um den Rechtsstreit zu entscheiden.
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Die erweiterte Bindungswirkung eines sog. Verbandsklageurteils nach § 9 TVG ist auf den Tenor der Entscheidung begrenzt; die Urteilsgründe entfalten keine Bindungswirkung (s. nur Löwisch/Rieble § 9 Rn. 104). Demgemäß ist die von der klagenden Tarifvertragspartei gewählte Formulierung von maßgebender Bedeutung für die Bestimmung des Streitgegenstandes und die Reichweite der streitigen und zu klärenden Rechtsfrage. Eine Auslegung des Antrages darf nicht dazu führen, dass über eine andere als die von der klagenden Partei gestellte Rechtsfrage mit erweiterter Bindungswirkung entschieden wird.
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2. Diese Anforderungen erfüllen die Anträge nicht. Das ergibt sich bereits aus dem - hierzu in beiden Anträgen identischen - Wortlaut. Die begehrte Feststellung zielt nicht auf die im Wege der Auslegung gewonnene Konkretisierung eines Tarifbegriffs ab, sondern hat das konkrete Verhalten der Beklagten zum Gegenstand. Damit geht es nicht um eine abstrakte Auslegungsfrage aus dem Tarifvertrag.
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3. Die Anträge können nicht in einer Weise ausgelegt werden, die zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt von § 9 TVG führt. Soweit sich die Klägerinnen für die Zulässigkeit ihrer Anträge ausdrücklich auf die Bestimmung des § 9 TVG beziehen, verkennen sie, dass sich diese nach ihrem Wortlaut nicht mit der Auslegung eines Tarifbegriffs, sondern mit der Anwendung verschiedener Tarifbestimmungen auf einen konkreten Lebenssachverhalt befassen.
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a) Die Klägerinnen haben noch in der Revisionsbegründung ausdrücklich ausgeführt, dass der Antrag zu 1 das „Anwendungsergebnis“ feststellen solle, wonach „die Eingruppierung der Arbeitnehmer (in) die Gehaltsgruppen 14 oder 15 … unzulässig sein (soll)“, wenn höherwertige Tätigkeiten befristet übertragen werden. Die angestrebte Feststellung, dass eine bestimmte Maßnahme „nicht zulässig“ sei, ist kein abstraktes Auslegungsergebnis einer Tarifvertragsnorm, sondern lediglich eine Bewertung ihrer konkreten Anwendung. Dementsprechend hätte eine Sachentscheidung über die gestellten Anträge auch eine Subsumtion des konkreten Verhaltens der Beklagten erfordert, was bei einer Verbandsklage nach § 9 TVG jedoch nicht statthaft wäre.
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b) Der Umstand, dass dem Rechtsstreit der Parteien letztlich die Auslegung von Tarifbegriffen zugrunde liegt, kann nicht zu einer Antragsumdeutung führen, die die Klage nach § 9 TVG zulässig macht.
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Die Klägerinnen verweisen noch in ihrer Revisionsbegründung darauf, die Eingruppierungs- und Vergütungspraxis der Beklagten widerspreche den „im Streit stehenden tarifvertraglichen Eingruppierungsvorschriften des GTV im Zusammenhang mit dem MTV“. Dies verdeutlicht zwar, dass der vorliegende Rechtsstreit auf eine unterschiedliche Auslegung mehrerer Tarifnormen zurückgeführt werden kann. Deren Auslegung ist aber nicht zum Streitgegenstand erhoben worden.
- 37
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Eine Auslegung oder gar Umdeutung der gestellten Anträge in solche mit einem zulässigen Inhalt würde erfordern, dass seitens des Gerichts die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsfragen über die Auslegung der maßgebenden Tarifbestimmungen in einem ersten Schritt ermittelt werden müssten, um sodann - in einem weiteren Schritt - den oder die konkreten Anträge über die für zutreffend gehaltene fallübergreifende abstrakte Auslegung zu formulieren. Angesichts der insbesondere bei einem Auslegungsrechtsstreit nach § 9 TVG gebotenen Bindung an die Parteianträge ist dem Gericht ein solches Vorgehen verwehrt.
- 38
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III. Der Senat ist - auch wenn sich seine Begründung auf andere Erwägungen stützt als diejenige des Landesarbeitsgerichts - nicht daran gehindert, nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Eine Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts nach § 562 Abs. 1 ZPO und die Zurückverweisung der Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht ist nur dann geboten, wenn die klagenden Parteien nach dem Verfahrensverlauf nicht ausreichend Gelegenheit und Veranlassung gehabt hatten, einen Antrag zu stellen, der den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO entspricht(vgl. BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 16, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte hat sich bereits in den Tatsacheninstanzen auf die Unzulässigkeit der Anträge berufen. Aufgrund dieses Vortrages und eines richterlichen Hinweises nach § 139 Abs. 1 ZPO in der Berufungsinstanz hatten die klagenden Parteien ausreichend Anlass, ihre Anträge zu korrigieren(vgl. BAG 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 37 ff. mwN, NZA-RR 2007, 495).
-
IV. Die Klägerinnen haben die Kosten der Revisionen zu tragen, weil sie erfolglos bleiben (§ 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO).
-
Der Vorsitzende Richter am
Bundesarbeitsgericht Prof. Bepler ist in den
Ruhestand getreten und daher an der
Unterschriftsleistung gehindert.
CreutzfeldtTreber
Creutzfeldt
Steding
Rupprecht
Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Tarifvertrags ergangen sind, sind in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend.
Tenor
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1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 22. Oktober 2008 - 13 Sa 77/08 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Strukturausgleich nach § 12 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst(TVöD) und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13. September 2005.
- 2
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Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 15. März 1989 in einer Forschungsanstalt der Beklagten als Chemielaborantin in der Funktion einer Chemisch-Technischen Assistentin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag(BAT) Anwendung. Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis aufgrund beiderseitiger Tarifbindung nach dem TVöD und dem TVÜ-Bund. Die Klägerin war zunächst in der Vergütungsgruppe VI b, Fallgruppe 1, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Im Wege eines Zeitaufstiegs wurde sie zum 1. Januar 1997 in die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert. Sie erhielt vor der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD zuletzt Grundgehalt dieser Vergütungsgruppe nach Lebensaltersstufe 39. Im Rahmen der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD wurde die Klägerin der Entgeltgruppe E 8 TVöD und einer ihrem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Endstufe zugeordnet, weil das Vergleichsentgelt über der höchsten Stufe 6 der Entgeltgruppe E 8 TVöD lag.
- 3
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In einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 unterrichtete die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel die Klägerin über die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD und teilte ua. mit, dass sie einen Strukturausgleich in Höhe von 40,00 Euro(auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung) erhält, dieser Ausgleichsbetrag ab dem 1. Oktober 2007 dauerhaft gezahlt, jedoch nicht dynamisiert wird und daher an künftigen Tariferhöhungen nicht teilnimmt. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass es der Information dient und keinen Rechtsanspruch begründet.
-
Die mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigte Klägerin hat ohne Erfolg von der Beklagten ab Oktober 2007 Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund iVm. Anlage 3 TVÜ-Bund (Strukturausgleichstabelle) in Höhe von monatlich 20,00 Euro verlangt. In dieser Tarifvorschrift und der Strukturausgleichstabelle heißt es:
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„§ 12 Strukturausgleich
(1) 1Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O übergeleitete Beschäftigte erhalten ausschließlich in den in Anlage 3 TVÜ-Bund aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt einen nicht dynamischen Strukturausgleich. 2Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensalterstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) ist der 1. Oktober 2005, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.
(2) Die Zahlung des Strukturausgleichs beginnt im Oktober 2007, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht etwas anderes bestimmt ist.
(3) …
(4) Bei Teilzeitbeschäftigung steht der Strukturausgleich anteilig zu (§ 24 Abs. 2 TVöD). ...
Protokollerklärung zu Absatz 4:
Bei späteren Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der/des Beschäftigten ändert sich der Strukturausgleich entsprechend.
…
Anlage 3 TVÜ-Bund
Strukturausgleiche für Angestellte (Bund)
...
Entgeltgruppe
Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ
Aufstieg
Orts-Zuschlag Stufe 1, 2
Lebensaltersstufe
Höhe Ausgleichsbetrag
Dauer
bei In-Kraft-Treten TVÜ
2
X
IX b nach 2 Jahren
OZ 2
23
40 €
für 4 Jahre
…
…
…
…
…
…
…
8
V c
ohne
OZ 2
39
40 €
dauerhaft
…
…
…
…
…
…
…“
-
Die Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund lauten:
-
„1.
1Die Tarifvertragsparteien sind sich angesichts der Fülle der denkbaren Fallgestaltungen bewusst, dass die Festlegung der Strukturausgleiche je nach individueller Fallgestaltung in Einzelfällen sowohl zu überproportional positiven Folgen als auch zu Härten führen kann. 2Sie nehmen diese Verwerfungen im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten hin.
2.
1Die Tarifvertragsparteien erkennen unbeschadet der Niederschriftserklärung Nr. 1 an, dass die Strukturausgleiche in einem Zusammenhang mit der zukünftigen Entgeltordnung stehen. 2Die Tarifvertragsparteien werden nach einer Vereinbarung der Entgeltordnung zum TVöD, rechtzeitig vor Ablauf des 30. September 2007 prüfen, ob und in welchem Umfang sie neben den bereits verbindlich vereinbarten Fällen, in denen Strukturausgleichsbeträge festgelegt sind, für einen Zeitraum bis längstens Ende 2014 in weiteren Fällen Regelungen, die auch in der Begrenzung der Zuwächse aus Strukturausgleichen bestehen können, vornehmen müssen. 3Sollten zusätzliche Strukturausgleiche vereinbart werden, sind die sich daraus ergebenden Kostenwirkungen in der Entgeltrunde 2008 zu berücksichtigen.“
- 6
-
Die Klägerin hat gemeint, sie habe nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich in Höhe von monatlich 20,00 Euro. Sie sei bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund in der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT eingruppiert gewesen und habe alle anderen für diese Vergütungsgruppe in der Strukturausgleichstabelle genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Ohne Bedeutung sei, dass sie aus der Vergütungsgruppe VI b in die Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT aufgestiegen sei. Die tarifliche Regelung stelle für den Anspruch auf den Strukturausgleich nicht auf die „originäre“ Vergütungsgruppe oder die „Ausgangsvergütungsgruppe“ ab. Maßgeblich sei die Eingruppierung am Stichtag. Für die Monate Oktober und November 2007 stünde ihr aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung Strukturausgleich in Höhe von jeweils 20,00 Euro brutto zu.
-
Die Klägerin hat beantragt:
-
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund zu bezahlen.
- 8
-
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, für den Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle sei nicht auf die am Stichtag tatsächlich erreichte, sondern die originäre Vergütungsgruppe abzustellen. Die Spalten 2 und 3 der Tabelle seien nur verständlich, wenn sie als Einheit verstanden würden. Die Tarifvertragsparteien hätten die Aufstiegsmöglichkeiten der Beschäftigten in der Strukturausgleichstabelle nachgezeichnet. So sei in Spalte 3 stets eine höhere Vergütungsgruppe als in Spalte 2 der Tabelle ausgewiesen. Anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund hätten die Tarifvertragsparteien in der Strukturausgleichstabelle nicht zwischen vorhandenem, vollzogenem und noch ausstehendem Aufstieg differenziert. Die Fallvariante „nach Aufstieg“ enthalte diese Tabelle nicht. Dies zeige, dass es für den Anspruch auf den Strukturausgleich auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme. Die Fallgruppe der originären Vergütungsgruppe ohne weitere Aufstiegsmöglichkeit könne nicht mit der nach erfolgtem Aufstieg erreichten Vergütungsgruppe gleichgestellt werden. Für dieses Auslegungsergebnis spreche auch, dass die nach dem Überleitungsstichtag vollzogenen Aufstiege gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund zum Wegfall des Strukturausgleichs führten.
-
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung darf die Klage nicht abgewiesen werden. In der Sache kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es bedarf der Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht, ob sich die Tarifvertragsparteien - wie die Beklagte behauptet - in den Tarifvertragsverhandlungen einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in der Strukturausgleichstabelle nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist.
- 11
-
I. Die Klage ist zulässig.
- 12
-
1. Der auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Strukturausgleich gerichtete Feststellungsantrag hat eine Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand(vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 528/03 - BAGE 112, 112, 115). Für diesen Antrag liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann erwartet werden, dass die Beklagte einem gegen sie ergangenen Feststellungsurteil nachkommen und die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfüllen wird. Die Klägerin musste den beanspruchten Ausgleichsbetrag auch nicht beziffern, nachdem dieser Betrag bei Teilzeitbeschäftigung anteilig zu zahlen ist (§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) und die Höhe des Strukturausgleichs damit vom jeweiligen zeitlichen Umfang der Beschäftigung der Klägerin abhängt.
- 13
-
2. Allerdings bedarf der Feststellungsantrag bezüglich des Beginns des streitbefangenen Zeitraums der Auslegung, nachdem die Klägerin insoweit von einer Datumsangabe abgesehen hat. Die Klägerin beansprucht für die Monate Oktober und November 2007 Strukturausgleich im Wege der Zahlungsklage. Ihr Feststellungsbegehren ist daher so auszulegen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, ihr ab Dezember 2007 Strukturausgleich zu zahlen.
- 14
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II. Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifbindung ua. nach den Bestimmungen des TVÜ-Bund. Der mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigten Klägerin könnte deshalb nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle ab dem 1. Oktober 2007 anteiliger Strukturausgleich(§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) in Höhe von monatlich 20,00 Euro brutto zustehen. Für die Monate Oktober und November 2007 schuldete ihr die Beklagte in diesem Fall Strukturausgleich in Höhe des im Wege der Zahlungsklage geltend gemachten Betrags von 40,00 Euro brutto.
- 15
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1. Die Tarifvertragsparteien haben in der Strukturausgleichstabelle den Anspruch auf den Ausgleichsbetrag an fünf Voraussetzungen geknüpft. Sie haben zu jeder „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ für bestimmte Lebensaltersstufen und Stufen des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt. Die Klägerin hat am 1. Oktober 2005 und damit am gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund maßgeblichen Stichtag die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für einen dauerhaft zu zahlenden Strukturausgleich in Höhe von monatlich 40,00 Euro bei Vollzeitbeschäftigung nur dann erfüllt, wenn es für das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Sie wurde im Rahmen der Überleitung in den TVöD der Entgeltgruppe E 8 zugeordnet. Seit dem 1. Januar 1997 und damit bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund am 1. Oktober 2005 war sie in der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Darüber, dass der Klägerin bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund Ortszuschlag der Stufe 2 zustand, sie zu diesem Zeitpunkt die Lebensaltersstufe 39 erreicht hatte und im Wege eines Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstiegs nicht mehr höhergruppiert werden konnte, besteht kein Streit.
- 16
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2. Strittig ist, ob es sich bei der in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle genannten Vergütungsgruppe entsprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsauffassung der Beklagten um die „originäre“ Vergütungsgruppe handelt und spätere Höhergruppierungen durch Bewährungs- oder Zeitaufstiege nicht zu berücksichtigen sind(so auch Kutzki RiA 2009, 256; Görgens ZTR 2009, 562; Kuner Der neue TVöD Rn. 114a; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Juni 2009 TVÜ-Bund § 12 Rn. 18, 19; Hinweise zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund des Bundesministeriums des Innern [Hinweise des BMI] vom 10. August 2007 - D II 2-220 210 1/12 - Nr. 3.4.1 und 3.4.2), oder ob es entsprechend der Ansicht der Klägerin auf die am Stichtag tatsächlich erreichte Vergütungsgruppe ankommt (so Hanau ZTR 2009, 403; Dannenberg PersR 2009, 193; Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12 Rn. 2 und 4).
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3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BAGE 124, 110; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204, 209; 8. September 1999 - 4 AZR 661/98 - BAGE 92, 259, 263) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.
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4. Der Wortlaut der tariflichen Regelungist nicht eindeutig. § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund bestimmt, dass maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen(Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) der 1. Oktober 2005 ist, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Damit verweist der Wortlaut der Tarifbestimmung zwar nicht auf eine „originäre“ Vergütungsgruppe, eine „Ausgangsvergütungsgruppe“ oder die „Vergütungsgruppe bei erstmaliger Übertragung der Tätigkeit“. Die in Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle unter der Überschrift „Aufstieg“ enthaltene Angabe „ohne“ kann vom Wortsinn her aber auch so verstanden werden, dass die in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle angegebene Vergütungsgruppe ohne vorherigen Aufstieg erreicht sein muss und keinen künftigen Aufstieg vorsehen darf. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund hindert nicht ein Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 die für die Überleitung in den TVöD maßgebliche Vergütungsgruppe nicht mit einem früheren oder zukünftigen Aufstieg verbunden sein darf.
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5. Auch die Tarifsystematik führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis.
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a) Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien in der Anlage 2 TVÜ-Bund, die die Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen regelt, in der Spalte 2 zwischen Vergütungsgruppen „ohne Aufstieg“, „nach Aufstieg“ und „mit ausstehendem Aufstieg“ unterschieden und in der Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle mit dem Wort „ohne“ von dieser Differenzierung abgesehen haben, spricht noch nicht entscheidend dafür, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausschließlich das Fehlen künftiger Aufstiegsmöglichkeiten erfasst und Vergütungsgruppen nach erfolgtem Aufstieg nicht vom Strukturausgleich ausgenommen sind. Die Strukturausgleichstabelle und die Anlage 2 TVÜ-Bund verfolgen nicht nur unterschiedliche Regelungszwecke. Sie unterscheiden sich auch in der Regelungstechnik, indem in der Strukturausgleichstabelle anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund der Aufstieg unter der entsprechenden Überschrift in einer gesonderten Spalte behandelt wird. Dies könnte gegen eine Anknüpfung an die in Anlage 2 TVÜ-Bund getroffenen Differenzierungen und für eine eigenständige Auslegung sprechen, zumal in der Strukturausgleichstabelle anders als in Anlage 2 Spalte 2 TVÜ-Bund nach dem Wort „ohne“ die für einen Aufstieg in Betracht kommende höhere Vergütungsgruppe nicht genannt wird. Würde das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in einem weiteren Sinne als die Worte „ohne Aufstieg“ in der Anlage 2 TVÜ-Bund verstanden, dürfte die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden sein.
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b) Wenn die Strukturausgleichstabelle bei den genannten Vergütungsgruppen mit Aufstieg nur Vergütungsgruppen mit einem am Stichtag noch nicht erfolgten, also einem zukünftigen Aufstieg bezeichnet, liegt die Annahme nahe, auch das Wort „ohne“ erfasse nur einen zukünftigen Aufstieg. Allerdings lässt sich dieser Auslegung entgegenhalten, dass in den Fällen mit Aufstieg die höhere Vergütungsgruppe genannt ist, in den Fällen ohne Aufstieg dagegen nicht.
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c) Aus dem Wort „ausschließlich“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund kann zwar abgeleitet werden, dass die Zahlung von Strukturausgleich Ausnahmecharakter hat. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ auch solche Vergütungsgruppen vom Strukturausgleich ausschließen soll, die von den Beschäftigten im Wege des Aufstiegs erreicht wurden. Ob es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien mehr oder weniger Ausnahmefälle geben soll, in denen Strukturausgleich zu zahlen ist, erschließt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund nicht.
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d) Das Argument, dass in den Fällen eines nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund nachgeholten Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt ein etwaiger Strukturausgleich entfällt und dass ein Wertungswiderspruch entstünde, wenn man die nach dem Stichtag erfolgte Gleichstellung mit den früher Aufgestiegenen mit dem Wegfall des Strukturausgleichs bestrafe, die früheren Höhergruppierungen hingegen noch durch Zahlungen eines Strukturausgleichs belohne, trägt nicht( aA Görgens ZTR 2009, 562, 563). Es berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Folgen der Überleitung nach einem Aufstieg aus einer höheren Vergütungsgruppe und der Überleitung vor einem nach dem alten Tarifrecht möglichen Aufstieg aus der niedrigeren Vergütungsgruppe. Die Tarifvertragsparteien waren aufgrund des Stichtagsprinzips nicht gehindert, nur danach zu differenzieren, ob am 1. Oktober 2005 ein (weiterer) Aufstieg noch möglich war.
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6. Auch Sinn und Zweck des Strukturausgleichs geben kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor.
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a) Mit dem Strukturausgleich wollten die Tarifvertragsparteien Erwartungen auf zukünftige Entgeltsteigerungen nach dem bisherigen Tarifsystem Rechnung tragen. Bei der Ermittlung der begünstigten Personengruppen war entscheidend, welche Einkommensentwicklung bei der bisher erreichten Vergütungsgruppe und Lebensaltersstufe sowie dem jeweiligen Familienstand(Ortszuschlag Stufe 1 oder Stufe 2) noch möglich gewesen wäre. Dies erklärt, warum die Strukturausgleichsbeträge innerhalb einer Vergütungsgruppe bei verschiedenen Lebensaltersstufen nicht stets gleich hoch sind (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Dezember 2009 Teil IV/3 TVÜ-Bund/TVÜ-VKA Rn. 150). Im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten haben die Tarifvertragsparteien Verwerfungen in Einzelfällen ausdrücklich hingenommen (Nr. 1 Satz 2 der Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund). Mit den Spalten 2 und 3 der Strukturausgleichstabelle haben sie zwar auch mögliche Karriereentwicklungen der Angestellten nach dem BAT/BAT-O abgebildet, soweit sie den Anspruch auf Strukturausgleich in der Spalte 3 an den Aufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe geknüpft haben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien mit dem Strukturausgleich nicht ausschließlich nach dem bisherigen Tarifsystem bestehenden Exspektanzen im Hinblick auf eine Höhergruppierung Rechnung getragen. Sie haben vielmehr auch Exspektanzverluste aufgrund der Beseitigung des Aufstiegs nach dem Lebensalter abmildern wollen. In Spalte 5 der Strukturausgleichstabelle haben sie deshalb auf die Lebensaltersstufe des Angestellten bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund abgestellt (vgl. Hanau ZTR 2009, 403, 408).
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b) Dieses Abmilderungsziel spricht zwar für das Verständnis, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ bereits erfüllt ist, wenn am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Entgeltsteigerungen aufgrund des Erreichens einer höheren Lebensaltersstufe wären nach bisherigem Tarifrecht unabhängig davon eingetreten, ob die aktuelle Eingruppierung noch einen Bewährungs- oder Tätigkeitsaufstieg zugelassen hätte oder ein solcher Aufstieg bereits vor dem Inkrafttreten des TVÜ-Bund erfolgt war. Der Verlust der Altersexspektanz trifft alle Beschäftigte einer Vergütungsgruppe gleich, unabhängig davon, ob sie in diese originär eingruppiert waren oder durch Aufstieg gelangt sind(Hanau ZTR 2009, 403, 407). Eine Bindung des Anspruchs auf Strukturausgleich an eine originäre Vergütungsgruppe könnte deshalb dem Willen der Tarifvertragsparteien, auch mit der Abschaffung der Lebensaltersstufen verbundene Exspektanzverluste auszugleichen (vgl. Dannenberg PersR 2009, 193, 195), widersprechen.
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c) Zwingend ist dies jedoch nicht. Auch eine Regelung, wonach das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde die Grenzen der autonomen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund nicht überschreiten, sondern wäre von der Tarifautonomie gedeckt.
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7. Das von der Klägerin befürwortete Auslegungsergebnis ist auch nicht nennenswert praktikabler als das Abstellen auf originäre Vergütungsgruppen. Die Prüfung, ob im Überleitungszeitpunkt eine bestimmte Aufstiegsmöglichkeit bzw. keine Aufstiegsmöglichkeit bestand, erfordert ohnehin den Rückgriff auf die bei der Überleitung einschlägige Fallgruppe der Vergütungsgruppe des BAT, so dass ohne Weiteres festgestellt werden kann, ob der Angestellte in die Vergütungsgruppe mit der entsprechenden Fallgruppe erst durch einen vorherigen Aufstieg gelangt ist. Aufgrund dieses notwendigen Rückgriffs auf die einschlägige Fallgruppe kann aus der Strukturausgleichstabelle auch dann nicht „problemlos“ abgelesen werden, wer ab wann für wie lange welchen Betrag erhält, wenn ohne Weiteres auf die Vergütungsgruppe abgestellt wird, in der der Angestellte bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund eingruppiert war(aA Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12).
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8. Ob es nach § 12 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006 für den Anspruch auf Strukturausgleich darauf ankommt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe ohne Aufstieg erreicht worden ist, ist für die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ in der Anlage 3 TVÜ-Bund nicht entscheidend. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder auf die originäre Vergütungsgruppe abgestellt haben sollten, könnte daraus kein entsprechender Regelungswille der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund abgeleitet werden, die diesen Tarifvertrag bereits am 13. September 2005 vereinbart hatten.
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9. Ebenso wenig Rückschlüsse auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund lässt der zeitgleich vereinbarte Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-VKA) mit seiner in Anlage 2 geregelten Strukturausgleichstabelle zu. Diese ist anders strukturiert als die Tabelle für die Beschäftigten des Bundes und nicht mit vergleichbaren Auslegungsproblemen verbunden. Soweit dort auch für einige Fälle ein Strukturausgleich vorgesehen ist, in denen der Angestellte im Wege des Aufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe gelangt war, unterscheidet er sich nach Betrag, Beginn und Dauer von den Fällen, in denen die Überleitung des Angestellten aus der originären Vergütungsgruppe erfolgte.
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10. Bezogen auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund hat das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 5. Februar 2008 an das Eisenbahn-Bundesamt behauptet, die Gewerkschaften hätten in den Tarifvertragsverhandlungen umfangreiche Vergleichsberechnungen vorgelegt, die auf den „originären“ Vergütungsgruppen basierten und zur tariflichen Regelung des Strukturausgleichs geführt hätten. Die Beklagte hat dieses Schreiben in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt, sich darauf bezogen und sich damit die Behauptung des Bundesministeriums des Innern zu Eigen gemacht. Sollte diese Behauptung zutreffen und wären die Tarifvertragsparteien sich in den Tarifverhandlungen einig gewesen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich voraussetzt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde dies die Auslegung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten rechtfertigen(zu den Voraussetzungen eines Rückgriffs auf die Entstehungsgeschichte der tariflichen Regelung als für die Auslegung entscheidenden Anhaltspunkt vgl. auch BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 -).
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Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund seiner Annahme, bereits die Systematik der tariflichen Regelung spreche entscheidend dafür, dass es zur Erfüllung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme, nicht geprüft, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund in den Tarifverhandlungen die Strukturausgleichsbeträge auf der Basis der originären Vergütungsgruppen mit und ohne Aufstiegsmöglichkeit festgelegt haben und sich einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist. Diese Prüfung hat es nachzuholen. Dazu hat es beiden Parteien zunächst Gelegenheit zu geben, ihren jeweiligen Sachvortrag zur Entstehungsgeschichte der Regelung des Strukturausgleichs zu ergänzen und weiter zu substantiieren. Sodann wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob die Tarifvertragsparteien sich einig gewesen sind, dass die originäre Vergütungsgruppe maßgeblich ist. Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte nicht zu einer zweifelsfreien Auslegung führen, kann auch Veranlassung zur Einholung einer Tarifauskunft bestehen(vgl. BAG 17. Mai 1994 - 1 ABR 57/93 -). Gemäß § 293 ZPO können so Mittel der Rechtsanwendung und die dazu erforderlichen Erkenntnisquellen gewonnen werden, indem zB Auskünfte der Tarifvertragsparteien darüber eingeholt werden, ob es zu der Regelung des Strukturausgleichs Protokollnotizen oder vergleichbare Unterlagen gibt, aus denen ein übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ersichtlich ist(vgl. BAG 16. Oktober 1985 - 4 AZR 149/84 - BAGE 50, 9, 21).
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11. Kann eine solche Einigkeit der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden, wäre das Merkmal „Aufstieg - ohne“ so auszulegen, dass es ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Für diese Auslegung streitet dann entscheidend der Gesichtspunkt der Normenklarheit. Wenn die Tarifvertragsparteien in den ersten fünf Spalten der Strukturausgleichstabelle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Strukturausgleich und in den Spalten 6 und 7 der Tabelle die Höhe des jeweiligen Ausgleichsbetrags bzw. die Bezugsdauer aufgelistet haben, spricht dies dafür, dass sie den Strukturausgleich möglichst transparent regeln wollten. Müsste erst ermittelt werden, ob der Beschäftigte in die in der Spalte 2 der Tabelle bezeichnete Vergütungsgruppe im Wege des Aufstiegs gelangt ist oder nicht, wäre die Regelung weniger durchschaubar. Für Normadressaten, die sich allein anhand des Wortlauts von § 12 TVÜ-Bund und der Strukturausgleichstabelle Gewissheit über Ansprüche auf Strukturausgleich verschaffen wollen, ist dies entscheidend. Auch die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel hat die tarifliche Regelung zunächst so verstanden, dass es für den Anspruch auf Strukturausgleich auf die „gegenwärtige Eingruppierung bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund“ ankommt. Sie hat der Klägerin deshalb in einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 mitgeteilt, dass diese Strukturausgleich erhält, und diese Mitteilung erst nach Kenntnis der Hinweise des Bundesministeriums des Innern zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund korrigiert. Bei einem unbefangenen Durchlesen der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen liegt die Interpretation, entscheidend sei die bei der Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe des BAT ohne Rücksicht auf einen vorangegangenen Aufstieg, deutlich näher als die von der Beklagten befürwortete Auslegung. Wenn alle anderen Auslegungsgesichtspunkte zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, muss dies den Ausschlag geben, weil von den Normadressaten typischerweise nicht zu erwarten ist, dass sie sich zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen sämtlicher Auslegungsmethoden bedienen und alle in Betracht kommenden Auslegungsgesichtspunkte heranziehen.
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Fischermeier
Brühler
Spelge
D. Knauß
Matiaske
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.