Amtsgericht München Endurteil, 22. Nov. 2018 - 213 C 15498/18
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
-
1.Der Beklagte wird verurteilt, die auf dem Anwesen ... München, unterhalb des östlichen, gartenseitigen Dachvorsprungs montierte, auf das Anwesen ... ausgerichtete, Überwachungskamera zu beseitigen.
-
2.Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, auf dem Anwesen ... München, Überwachungskameras dergestalt zu montieren oder zu betreiben, dass der den Klägern zugängliche Bereich des Anwesens ... München, erfasst wird.
2.Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass diese nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
-
3.Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die ... Rechtsschutz-Versicherung AG, ... Köln, unter der Schadennummer ..., nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbare vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 330,28 € zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
die Klage abzuweisen.
Gründe
I.
„Nach Ansicht des erkennenden Senats kommt es insoweit auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, ist dann gerechtfertigt, wenn sie auf Grund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit (vgl. OLG Köln, NJW 2009, 1827 = NZM 2009, 600) oder auf Grund objektiv Verdacht erregender Umstände. Liegen solche Umstände vor, kann das Persönlichkeitsrecht des (vermeintlich) Überwachten schon auf Grund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte beeinträchtigt hingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, nicht. Deshalb ist die Installation einer Überwachungsanlage auf einem privaten Grundstück nicht rechtswidrig, wenn objektiv feststeht, dass dadurch öffentliche und fremde private Flächen nicht erfasst werden, wenn eine solche Erfassung nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich ist und wenn auch sonst Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden. Insoweit kommt etwa die Beeinträchtigung der Rechte von Mietern in einem privaten Miethaus (vgl. dazu etwa KG, NZM 2009, 736 = WuM 2008, 663; LG Darmstadt, NZM 2000, 360; Horst, NZM 2000, 937 [940]), von Betroffenen in einer Wohnungseigentumsanlage (vgl. KG, NJW 2002, 2798 = NZM 2002, 702; OLG Karlsruhe, NJW 2002, 2799 = NZM 2002, 703; Huff, NZM 2002, 89, 688 f.), aber auch von Grundstücksnachbarn in Betracht.“
II.
III.
IV.
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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie
- 1.
zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, - 2.
zur Wahrnehmung des Hausrechts oder - 3.
zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
- 1.
öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen, oder - 2.
Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs
(2) Der Umstand der Beobachtung und der Name und die Kontaktdaten des Verantwortlichen sind durch geeignete Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennbar zu machen.
(3) Die Speicherung oder Verwendung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen überwiegen. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur weiterverarbeitet werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.
(4) Werden durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person zugeordnet, so besteht die Pflicht zur Information der betroffenen Person über die Verarbeitung gemäß den Artikeln 13 und 14 der Verordnung (EU) 2016/679. § 32 gilt entsprechend.
(5) Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte, eine Firma für Sicherheits- und Kommunikationstechnik, installierte im Auftrag des Klägers zu 1 (nach Vortrag der Kläger auch der Klägerin zu 2) an der von den Klägern gemieteten Doppelhaushälfte sieben Videokameras zur videotechnischen Überwachung des von ihnen bewohnten Grundstücks. Die Kameras waren unstreitig so installiert und eingestellt, dass eine Überwachung ausschließlich des Grundstücks der Kläger erfolgte. Durch (manuelle ) Veränderungen der Kameraeinstellungen hätten allerdings auch Vorgänge auf dem Nachbargrundstück erfasst werden können. Nach Inbetriebnahme der Anlage wurden die Kläger von Grundstücksnachbarn in einem Rechtsstreit auf Entfernung der Kameras, hilfsweise auf Unterlassung der Videoüberwachung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts in Anspruch ge- nommen. Das angerufene Amtsgericht gab nur dem Hilfsantrag statt, das Landgericht verurteilte die Kläger auf die Berufung der Grundstücksnachbarn, die Kameras zu beseitigen. Mit der vorliegenden Klage verlangen die Kläger von der Beklagten Ersatz der ihnen durch den Rechtsstreit mit den Grundstücksnachbarn entstandenen Kosten. Sie sind der Ansicht, die Beklagte hätte sie auf die Möglichkeit einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Nachbarn hinweisen müssen. Die Beklagte hält ihre Leistung für mangelfrei, da die Kame- ras nur das Grundstück der Kläger erfasst hätten; nur dies habe sie den Klägern bestätigt.
- 2
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht führt aus:
- 4
- Die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht durch eine fehlerhafte Aufklärung liege nicht vor. Eine Zusicherung, dass Persönlichkeitsrechte Dritter durch die Installation nicht verletzt würden, habe die Beklagte nicht gegeben. Was sie in ihren Schreiben bestätigt habe, entspreche den Tatsachen. Die Anlage sei so installiert gewesen, dass zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme eine Überwachung des Nachbargrundstücks nicht erfolgte. Mehr habe die Beklagte nicht zugesichert.
- 5
- Die Anlage sei auch nicht mangelhaft gewesen. Zwar könne ein Rechts- mangel im Sinne des § 633 Abs. 3 BGB vorliegen, wenn das Werk, das der Unternehmer errichtet habe, Unterlassungsansprüchen Dritter ausgesetzt sei, wozu auch ein Unterlassungsanspruch Dritter aus dem Persönlichkeitsrecht gehören könne, sofern dieser der Benutzung der Sache entgegenstehe. Im vorliegenden Fall liege aber in der Installation der Videokameras, so wie sie von der Beklagten vorgenommen worden sei, kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Nachbarn, so dass diesen kein Unterlassungsanspruch gegen die Kläger zugestanden habe. Die theoretische Möglichkeit, die Kameras zu verändern, beinhalte - jedenfalls in Fällen, in denen ein berechtigtes Interesse des Grundstückseigentümers oder Mieters an der Überwachung bestehe - noch keine widerrechtliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Das Recht am eigenen Bild schütze als allgemeines Persönlichkeitsrecht nur vor tatsächlich erfolgten missbräuchlichen Bildaufzeichnungen, nicht aber vor der bloßen Mög- lichkeit, unzulässige Abbildungen anzufertigen. Hier habe auf Seiten der Nachbarn lediglich ein subjektives Befürchten vorgelegen, während ihr Grundstück objektiv nicht gefilmt worden sei und die Kameras auch nicht ohne äußerlich wahrnehmbaren Aufwand hätten verändert werden können. Eine abweichende Ausrichtung, etwa durch Fernsteuerung, sei nicht möglich gewesen. Die Kläger hätten hingegen ein berechtigtes Interesse an der Überwachung ihres Grundstücks gehabt, da es unstreitig bereits Übergriffe auf ihr Grundstück gegeben habe.
- 6
- Das Urteil im Rechtsstreit zwischen den Klägern und ihren Nachbarn stehe dieser Wertung nicht entgegen, da die Beklagte an jenem Prozess nicht beteiligt gewesen und ihr auch nicht der Streit verkündet worden sei.
II.
- 7
- Die dagegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, den Klägern stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatz der Prozesskosten aus den §§ 634 Nr. 4, 280 BGB zu.
- 8
- 1. Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur fehlenden Rechtskraftwirkung des Urteils, das im Rechtsstreit mit den Nachbarn ergangen ist, wendet sich die Revision nicht. Insoweit sind auch Rechtsfehler nicht ersichtlich.
- 9
- 2. Ob, wie die Kläger in der Revisionsverhandlung geltend gemacht haben , die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht durch die Beklagte in Betracht kommt, kann im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen (unten zu
3) dahinstehen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass in Anbetracht der Umstände des Falles sowohl die Verletzung einer solchen Pflicht als auch das Vorliegen eines Mangels der gelieferten Überwachungsgeräte bereits im Ansatz als zweifelhaft erscheinen. Der Lieferant einer Überwachungsanlage hat dem Erwerber vollständige Auskunft über Zustand und Eigenschaften der Anlage zu geben. Das hat die Beklagte hier getan. Hingegen dürfte der Lieferant im Regelfall nicht verpflichtet sein, auf die selbstverständliche Tatsache hinzuweisen, dass die Anlage nicht derart umgestaltet werden darf, dass dadurch die Rechte Dritter verletzt werden. Auch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung der Umstände , unter denen die Anlage ohne Verletzung der Rechte Dritter benutzt werden darf, ist in der Regel keine Belehrung durch den Lieferanten zu erwarten ; insoweit muss der Erwerber in Zweifelsfällen kompetenten Rechtsrat einholen.
- 10
- 3. Die Revision bekämpft die Annahme des Berufungsgerichts, die Installation der Kameras auf dem Grundstück der Kläger habe das Persönlichkeitsrecht der Nachbarn nicht beeinträchtigt; der Unterlassungsanspruch der Nach- barn sei begründet gewesen, so dass das Werk der Beklagten mangelhaft gewesen sei. Das ist indes unrichtig.
- 11
- a) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung mittels einer Videokamera, auch in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen, etwa auf einem öffentlichen Weg, einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen kann, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht besteht, wobei die Frage, ob ein derartiger rechtswidriger Eingriff anzunehmen ist, nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer die (verfassungs-) rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigenden Güter- und Interessenabwägung beantwortet werden kann (Senatsurteil vom 25. April 1995 - VI ZR 272/94 - VersR 1995, 841 ff.). Eine Videoüberwachung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein; dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden , wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.; 67, 100, 143; BVerfG, NVwZ 2007, 688 ff.; NJW 2009, 3293 f.). Bei der Installation von Anlagen der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück muss deshalb sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. April 1995 - VI ZR 272/94 - aaO; OLG Karlsruhe, OLGR 1999, 83 f.; AG Nürtingen, NJW-RR 2009, 377 f.) von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann.
- 12
- b) Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht Dritter liegt vor, wenn diese durch die Überwachung tatsächlich betroffen sind. Kann dies festgestellt werden und ergibt die erforderliche Abwägung, dass das Interesse des Betreibers der Anlage das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen nicht überwiegt, ist der Unterlassungsanspruch begründet.
- 13
- Ein Unterlassungsanspruch kann auch bestehen, wenn Dritte eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten müssen ("Überwachungsdruck", vgl. dazu etwa LG Bonn, NJW-RR 2005, 1067 ff.; LG Darmstadt, NZM 2000, 360; AG Winsen, Urteil vom 30. Dezember 2005 - 16 C 1642/05 - Juris). In der Rechtsprechung wird allerdings ein Anspruch auf Unterlassung des Betriebs solcher Videokameras, die auf das Nachbargrundstück lediglich ausrichtbar sind, verneint, wenn der Nachbar die Anfertigung von Aufnahmen lediglich befürchtet und die Kameras nur mit erheblichem und äußerlich wahrnehmbarem Aufwand, also nicht etwa nur durch das Betätigen einer Steuerungsanlage, auf sein Grundstück gerichtet werden können (vgl. LG Bielefeld , NJW-RR 2008, 327 f.; LG Itzehoe, NJW-RR 1999, 1394 f.).
- 14
- Nach Ansicht des erkennenden Senats kommt es insoweit auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, ist dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit (vgl. OLG Köln, NJW 2009, 1827) oder aufgrund objektiv Verdacht erregender Umstände. Liegen solche Umstände vor, kann das Persönlichkeitsrecht des (vermeintlich) Überwachten schon aufgrund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte beeinträchtigt hingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, nicht. Deshalb ist die Installation einer Überwachungsanlage auf einem privaten Grundstück nicht rechtswidrig, wenn objektiv feststeht, dass dadurch öffentliche und fremde private Flächen nicht erfasst werden, wenn eine solche Erfassung nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich ist und wenn auch sonst Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden. Insoweit kommt etwa die Beeinträchtigung der Rechte von Mietern in einem privaten Miethaus (vgl. dazu etwa KG, WuM 2008, 663; LG Darmstadt, aaO; Horst, NZM 2000, 937, 940), von Betroffenen in einer Wohnungseigentumsanlage (vgl. KG, NZM 2002, 702 f.; OLG Karlsruhe, NZM 2002, 703 f.; Huff, NZM 2002, 89 ff., 688 f.), aber auch von Grundstücksnachbarn in Betracht.
- 15
- c) Nach diesem Maßstab hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Recht angenommen, dass den Nachbarn der Kläger kein Unterlassungsanspruch zustand. Ihr Persönlichkeitsrecht war nicht verletzt. Denn nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erfassten die von den Klägern installierten Kameras ausschließlich deren eigenes Grundstück, wobei diese Ausrichtung nur durch äußerlich wahrnehmbare Arbeiten hätte geändert werden können. Konkrete Gründe für den Verdacht der Nachbarn, die Überwachung könne sich auch auf ihr Grundstück erstrecken, sind nicht festgestellt.
- 16
- Die Leistung der Beklagten war demnach nicht mangelhaft, so dass ein Anspruch der Kläger auf Erstattung der ihnen durch den Rechtsstreit mit den Nachbarn entstandenen Kosten zu verneinen ist. Galke Zoll Wellner Diederichsen Pauge
AG Königs Wusterhausen, Entscheidung vom 15.12.2008 - 4 C 322/08 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 22.04.2009 - 13 S 9/09 -
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 6.1.2016 (18 O 69/15) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a. die an der Vorderfront der Immobilie unter der Anschrift W Straße 53, C, in ca. 3,50 m Höhe rechtsseitig oberhalb des Hauseingangs angebrachte Kamera,
b. die im hinteren Bereich der Immobilie unter der Anschrift W Straße 53, C, am Anbau im Innenhof zur Terrasse hin zeigend, etwa in Höhe von 2,50 m angebrachte Kamera sowie
c. die im Garten der Immobilie unter der Anschrift W Straße 53, C, an der Grenze zum Nachbargrundstück Hausnummer 55 an einem verzinkten Rohr angebrachte Kamera zu entfernen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die im unmittelbaren Hauseingang über der Haustür des Hauses W Straße 53, C, angebrachte Kamera zu entfernen,
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Beklagte. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 4/9 und die Beklagte zu 5/9.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte, seine unmittelbare Nachbarin, auf Entfernung von vier verschiedenen Kameras, die auf dem Grundstück der Beklagten installiert sind sowie auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der gestellten Anträge wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 131 d.A.) Bezug genommen.
4Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 6.1.2016 im Hinblick auf die Hilfsanträge (Einstellung und dauerhafte Fixierung der Kameras) stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf gänzliche Entfernung der Kameras nicht zu, da er analog § 1004 BGB zwar die Beseitigung der gegenwärtigen Beeinträchtigung verlangen könne, es jedoch grundsätzlich der Beklagten als Schuldnerin überlassen bleibe, wie dies geschehe. Eine Verurteilung zu einer bestimmen Maßnahme komme nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigung nur durch diese eine Maßnahme beseitigt werden könne bzw. weitere mögliche Maßnahmen vernünftigerweise nicht in Betracht kämen. Diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Soweit der Kläger behauptet habe, seine Rechtsgutsverletzung könne ausschließlich mittels Entfernung der Kameras beseitigt werden und dies durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt habe, sei dieser Vortrag gemäß § 296a ZPO verspätet. Wenn es im Übrigen der Beklagten nicht möglich sei, objektiv nachprüfbar nachzuweisen, dass das Grundstück des Klägers von den drei Kameras nicht erfasst werde, führe dies faktisch dazu, dass sie (jedenfalls diese) Kameras nicht mehr nutzen dürfe.
5Der Kläger könne jedoch – wie mit dem Hilfsantrag geltend gemacht – die Einstellung und dauerhafte Fixierung der Kameras dergestalt verlangen, dass sein Terrassen- und Wohnzimmerbereich sowie der öffentliche Gehweg vor der Immobilie W Straße 53 und der öffentliche Durchgangsweg von der W Straße zur Nstraße nicht erfasst werde. Durch die von der Beklagten angebrachten Kameras werde der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Auch die Filmaufnahmen der öffentlichen Wege stellten bei Würdigung der Gesamtumstände einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Der Kläger werde nicht – zum Festhalten eines bestimmten Straßenbildes – quasi als Beiwerk aufgezeichnet, sondern es werde der Gehweg gefilmt, den der Kläger ständig benutzen müsse. Insofern müsse er sich dort stets von der Beklagten kontrolliert fühlen. Dem Schutzinteresse der Beklagten könnte bereits dadurch Rechnung getragen werden, dass sie mittels der Kameras den Bereich ihres eigenen Grundstücks überwache.
6Dahinstehen könne, ob die Kameras derzeit immer noch auf das Grundstück des Klägers bzw. den öffentlichen Straßenraum gerichtet seien. Denn eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts komme auch in Betracht, wenn der Betroffene eine Überwachung durch die Kameras objektiv ernsthaft befürchten müsse (sog. Überwachungsdruck). Einem solchen Überwachungsdruck sei der Kläger ausgesetzt, da ausweislich der aus den Akten ersichtlichen Kameraeinstellung jedenfalls in der Vergangenheit Teile des klägerischen Grundstücks sowie Teile des öffentlichen Weges durch die Beklagte gefilmt worden seien. Darüber hinaus seien die Kameras der Beklagten nach Aufnahmewinkel und Reichweite in der Lage, das klägerische Grundstück und die öffentlichen Wege dauerhaft zu überwachen und könnten ohne sichtbare Einwirkung von außen verstellt werden. Vor dem Hintergrund der unstreitigen Auseinandersetzungen sei daher – auch wenn es sich nicht um einen „eskalierenden Nachbarschaftsstreit“ handele – die Befürchtung des Klägers gerechtfertigt, dass die Beklagte (erneut) sein Grundstück und die von ihm benutzten Wege überwachen werde.
7Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und verfolgt seine erstinstanzlichen Hauptanträge auf Entfernung der Kameras weiter. Darüber hinaus verlangt er die Entfernung (hilfsweise Einstellung und dauerhafte Fixierung) einer vierten Kamera sowie die Zahlung einer Geldentschädigung.
8Er ist der Ansicht, der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Beseitigungsanspruch ergebe sich hinsichtlich der Kameras Nr. 1 und Nr. 3 (Antrag zu 1a und 1c) schon aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i.V.m. § 6b BDSG, weil durch diese Kameras Aufnahmen im öffentlichen Raum gefertigt würden. Die Überwachung diene weder der Wahrnehmung des Hausrechts, noch habe die Beklagte ein berechtigtes Interesse an der Überwachung der öffentlichen Flächen substantiiert vorgetragen oder nachgewiesen. Weder die Beschmutzung des Garagentores einer Nachbarin mit Graffiti am 24.1.2015 noch das angebliche (und bestrittene) Überklettern der Grundstücksmauer der Beklagten durch ihn selbst am 9.5.2011 könnten eine hinreichende Gefährdungslage für die Installation der Kameras im Februar 2014 begründen. Als Schadensersatzanspruch im Rahmen eines Verstoßes gegen § 6b BDSG könne er die Herstellung des früheren Zustands durch Beseitigung der Kameras verlangen. Der Grundsatz, dass ein Störer selbst entscheiden könne, wie er die Beeinträchtigung beseitige, greife im Hinblick auf eine unzulässige Videoüberwachung im Sinne von § 6b BDSG nicht, da bereits das Installieren einer Kamera im öffentlichen Raum unzulässig sei.
9Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass auch im Rahmen des Anspruchs nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegend lediglich eine Maßnahme, nämlich die Entfernung aller Kameras, die Beseitigung der Beeinträchtigung gewährleiste. Die Kamera Nr. 1 zeige bereits im kleinsten Winkel zur Hauswand nach unten, so dass eine „dauerhaft sichtbare Fixierung“, bei der kein öffentlicher Raum gefilmt werde, nicht möglich sei. Auch im Hinblick auf die Kameras Nr. 2 und Nr. 3 gelte, dass lediglich ein Rückbau die Rechtsverletzung beseitigen könne. Sonstige Maßnahmen kämen wegen mangelnder Überprüfbarkeit nicht in Betracht, weil von außen nicht beurteilt werden könne, ob an der Kameraeinstellung (erneut) manipuliert worden sei. Soweit das Landgericht diesen Vortrag, dass ausschließlich die Entfernung der Kameras die Rechtsverletzung entfallen lasse, nicht als hinreichend substantiiert angesehen habe, hätte es hieraus hinweisen müssen. Er – der Kläger – hätte dann ergänzend vorgetragen und Beweis durch Sachverständigengutachten angeboten.
10Der Kläger macht weiter geltend, auch durch eine dauerhafte und sichtbare Fixierung der Kameras werde der Überwachungsdruck nicht ausgeschlossen. Er könne aus der Perspektive der Straße oder seiner Terrasse nie unzweifelhaft wissen, ob seine Lebensbereiche tatsächlich nicht gefilmt würden.
11Mit dem weiteren Antrag zu 2) verlangt der Kläger die Entfernung einer vierten Kamera, die sich rechts in der Ecke über der Eingangstür der Beklagten befindet. Diese erfasse den öffentlichen Gehweg und die Straße, die er täglich nutze. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte könne mildere Mittel zu Gefahrenabwehr nutzen, beispielsweise eine Klingelanlage mit Videoüberwachung, so dass nur Personen gefilmt würden, die sich im Eingangsbereich unmittelbar vor der Haustür befänden. Auch bei dieser vierten Kamera sei eine Verblendung, Fixierung oder sonstige Maßnahme zur Beseitigung der Beeinträchtigung nicht möglich, zumal es ihm nicht zuzumuten sei, täglich zu kontrollieren, ob diese Maßnahmen fortbestünden.
12Der Kläger ist weiter der Ansicht, aufgrund der schwerwiegenden und dauerhaften Persönlichkeitsrechtsverletzung stünde ihm ein Anspruch auf eine angemessene Geldentschädigung von mindestens 4.000 Euro zu. Die Beklagte beobachte und filme ihn seit dem 5.2.2014 in seinem privaten Lebensbereich, so dass Privat- und Intimsphäre betroffen seien. Die Verletzung erfolge auch vorsätzlich, da die Beklagte die Kamera auch nach Beseitigungsaufforderung bzw. erstinstanzlicher Verurteilung nicht verändert habe. Sie habe die Kamera lediglich kurzzeitig verstellt, um den Landesbeauftragten für Datenschutz von dem veränderten Zustand Fotos zu schicken. Bereits wenige Tage später am 14.4.2015 habe sie die ursprüngliche Position der Kamera wieder eingestellt und somit hartnäckig und nachhaltig in seine Rechte eingegriffen. Die mit dem Antrag zu 5) geltend gemachten Anwaltskosten für die Aufforderung zur Zahlung der Geldentschädigung schulde die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
13Der Kläger beantragt,
141. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 6.1.2016 (18 O 69/15) die Beklagte zu verurteilen,
15a. die an der Vorderfront der Immobilie unter der Anschrift W Straße 53, C, in ca. 3,50 m Höhe rechtsseitig oberhalb des Hauseingangs angebrachte Kamera,
16b. die im hinteren Bereich der Immobilie unter der Anschrift W Straße 53, C, am Anbau im Innenhof zur Terrasse hin zeigend, etwa in Höhe von 2,50 m angebrachte Kamera sowie
17c. die im Garten der Immobilie unter der Anschrift W Straße 53, C, an der Grenze zum Nachbargrundstück Hausnummer 55 an einem verzinkten Rohr angebrachte Kamera
18zu entfernen.
192. die im unmittelbaren Hauseingang über der Haustür des Hauses W Straße 53, C, angebrachte Kamera zu entfernen,
203. hilfsweise die im Klageantrag zu 2) bezeichnete Kamera so einzustellen und sichtbar dauerhaft so zu fixieren, dass diese nicht den vor der Immobilie W Straße 53, C, befindlichen öffentlichen Raum (Gehweg und Straße) erfasst,
214. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 4.000 Euro zu zahlen
225. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 323,68 Euro Nebenforderung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.12.2015 zu zahlen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft ihre erstinstanzlichen Ausführungen.
26Die Beklagte ist der Ansicht, aus der Regelung in § 6b BDSG folge kein Rückbauanspruch, sondern nur ein Anspruch auf Löschung von Daten. Im Übrigen habe der Landesbeauftragte für Datenschutz mit Schreiben vom 19.6.2015 mitgeteilt, dass gegen die Videoüberwachung durch die Kameras Nr. 1 und Nr. 3 keine Bedenken bestünden. Die Kameras könnten, wie sich aus dem Prozessverlauf ergebe, so eingestellt werden, dass eine Erfassung des klägerischen Grundstücks ausscheide. Den Vortrag des Klägers aus dem Schriftsatz vom 5.11.2016 habe das Landgericht zutreffend als verspätet zurückgewiesen. Die Tatsache, dass der Kläger primär auf den Rückbau der Kameras abgestellt habe, habe ihn in erster Instanz nicht von der Verpflichtung entbunden, diesen Anspruch auch durch substantiierten Vortrag zu untermauern.
27Hinsichtlich der Kamera Nr. 4 bestreitet die Beklagte, dass der Kläger den Gehweg und die Straße täglich nutzt. Hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs treffe es nicht zu, dass sie – die Beklagte – die ursprüngliche Position der Kameras am 14.4.2015 oder später wiederhergestellt habe.
28Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
29II.
30Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet und führt in diesem Umfang zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Entfernung aller vier Kameras aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 analog BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu, weil die Beklagte – jedenfalls wegen eines objektiv vorliegenden Überwachungsdrucks – sein Persönlichkeitsrecht verletzt, die von der Beklagten geltend gemachten Schutzinteressen im Rahmen einer Güterabwägung zurücktreten müssen und die Entfernung der Kameras aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles die einzig in Betracht kommende Möglichkeit ist, die Beeinträchtigung des Klägers zu beseitigen. Dagegen steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung sowie auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten zu.
31Im Einzelnen:
321. Die in zweiter Instanz erfolgte Klageerweiterung (Antrag auf Entfernung der Kamera Nr. 4 bzw. auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 4.000 Euro nebst außergerichtlichen Anwaltskosten) ist als Klageänderung nach § 533 ZPO zulässig. Denn sie ist nach § 533 Nr. 1 ZPO sachdienlich und kann nach § 533 Nr. 2 ZPO auf den Tatsachenstoff der ersten Instanz gestützt werden. Die Entscheidung sämtlicher Streitpunkte zwischen den Parteien über die vermeintlich unzulässige Videoüberwachung entspricht dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit, da die Entscheidung über die beiden neuen Anträge zu keiner Verzögerung eines im Übrigen entscheidungsreifen Rechtsstreits führt. Auch der maßgebliche Tatsachenvortrag ist gegeben. Denn die Beklagte hat weder die konkrete Position der Kamera Nr. 4 noch den Umstand bestritten, dass durch diese Bilder vom öffentlichen Straßenraum aufgenommen werden können. Sie hat lediglich geltend gemacht, dass der Kläger den Weg im „Einzugsbereich“ der Kamera Nr. 4 nicht täglich nutze, was jedoch im Rahmen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nicht von Bedeutung ist. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers hängt, wie nachfolgend ausgeführt, nicht davon ab, ob er täglich oder aber in größeren Intervallen von dieser Kamera droht, gefilmt zu werden. Aufgrund des damit als unstreitig anzusehenden Vortrages ist die Tatsachengrundlage vorhanden, um auch über den Anspruch hinsichtlich Kamera Nr. 4 entscheiden zu können. Gleiches gilt für den Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung nebst der dafür entstandenen außergerichtlicher Anwaltskosten.
332. Ein Anspruch des Klägers auf Beseitigung der Kameras ergibt sich nicht aus §§ 22, 23 KUG, weil es vorliegend nicht um das Verbreiten oder das öffentliche Zurschaustellen von Bildnissen, sondern um die Aufnahme derselben durch die Beklagte geht (vgl. dazu BGH, Urt. v. 25.4.1995 – VI ZR 272/94, juris Rn. 15).
343. Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Beseitigung aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 1 (analog) BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
35a. Die Beklagte hat dadurch, dass sie – zumindest in der Vergangenheit – die vom Kläger benutzten öffentlichen Zugangs- und Durchgangswege bzw. sein Grundstück gefilmt hat, in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.
36b. Dieser Eingriff war auch rechtswidrig, weil im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen die persönlichkeitsrechtlichen Belange des Klägers überwiegen. Dabei kommt es letztlich nicht darauf an, ob es tatsächlich Angriffe des Klägers oder eines Dritten auf das Eigentum der Beklagten in Form von Graffiti-Verschmutzungen oder Überklettern der Grundstücksmauer gab. Denn selbst wenn – in Unterstellung der betreffenden Ereignisse – die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran haben sollte, ihr Grundstück zu überwachen, rechtfertigt dies unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Mittel keine Überwachung fremder Grundstücke oder des öffentlichen Straßenraums vor bzw. hinter diesem Grundstück (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2011 – V ZR 265/10, juris Rn. 13). Ebenso ist für den Unterlassungsanspruch unbeachtlich, ob die Kameras derzeit in einer Position betrieben werden, die den öffentlichen Raum bzw. das Grundstück des Klägers erfasst. Denn schon allein die aufgrund der früheren (unstreitigen) Filmaufnahmen dieser Bereiche besteht aus Sicht eines objektiven Dritten in der Position des Klägers die naheliegende Befürchtung, wiederum zum Gegenstand einer Überwachung der Beklagten zu werden, zumal die Kameras ausweislich der nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffenen Feststellungen des Landgerichts (vgl. Seite 3 UA) ohne manuelle Einwirkung, d.h. ohne sichtbare Einwirkung von außen, in ihrem Aufnahmebereich durch Betätigung der Zoomfunktion sowie durch Änderung der Winkeleinstellung verändert werden können.
37c. Der damit bestehende Unterlassungsanspruch rechtfertigt auch die vom Kläger begehrte Rechtsfolge, nämlich die Entfernung der vier Kameras. Ein Störer kann im Rahmen eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB dann zu einer konkreten Maßnahme verurteilt werden, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet bzw. weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2003 – V ZR 98/03, juris Rn. 15; BGH, Urt. v. 10.6.2005 – V ZR 251/04, juris Rn. 10). Vorliegend ist unter Zugrundelegung des unstreitigen Sachverhalts feststellbar, dass es neben der Entfernung der Kameras keine alternativen, für die Beklagten milderen Maßnahmen gibt, die die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers beseitigen.
38Dabei kann dahinstehen, ob es – wie der Kläger geltend macht – aufgrund der technischen Besonderheiten der Kameras, nämlich der Verstellbarkeit ihrer Objektive bzw. der konkreten Position ihrer Montage, gar keine Möglichkeit gibt, eine Einstellung und sodann dauerhafte Fixierung der Kameras so vorzunehmen, dass das klägerische Grundstück bzw. der öffentliche Raum nicht erfasst werden und diese Veränderung von außen kontrollierbar ist. Denn maßgeblich ist vorliegend ein anderer Gedanke: Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers beruht auf dem Umstand, dass er sich einem sog. Überwachungsdruck ausgesetzt sieht. Dieser Überwachungsdruck resultiert zum einen daraus, dass die Beklagte in der Vergangenheit unstreitig sein Grundstück bzw. die öffentlichen Zugangs- und Durchgangswege mit den Kameras gefilmt hat. Zum anderen resultiert er daraus, dass die Kameras unstreitig dergestalt ausgestattet sind, dass ihre Einstellung (und damit der von einer Aufnahme erfasste Bereich) verändert werden kann, ohne dass dies in Art und Umfang von einem außenstehenden Beobachter verlässlich wahrgenommen werden könnte. Selbst wenn also ein Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis käme, dass die Kameras in einer bestimmten Position weder das Grundstück des Klägers noch öffentliche Wege filmen können, wäre der Kläger weiterhin der Ungewissheit ausgesetzt, ob die Beklagte die entsprechende Position der Kameras oder aber technische Vorrichtungen zur Begrenzung des Aufnahmewinkels „unmerklich“ wieder verändert hätte, so dass letztlich auch der Überwachungsdruck permanent bestehen bleibt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht nur eingeräumt hat, dass die Kameras – jedenfalls zu einem früheren Zeitpunkt – das Grundstück des Klägers bzw. die öffentlichen Zugangs- und Durchgangswege erfasst haben, sondern dass darüber hinaus das Verhältnis zwischen den Parteien durch nachbarschaftliche Auseinandersetzungen geprägt ist. Auch insofern ist es aus Sicht des Klägers nicht ganz fernliegend, dass die Beklagte die der Kameraanlage immanenten Möglichkeiten nutzen könnte, um ihn erneut zu überwachen.
394. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung steht dem Kläger dagegen nicht zu, so dass dieser erstmals in zweiter Instanz geltend gemachte Antrag unbegründet ist.
40Eine schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet einen auf den grundgesetzlichen Gewährleistungen der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG fußenden (vgl. BVerfGE 34, 269; BVerfG, Beschl. v. 26.8.2003 - 1 BvR 1338/00, NJW 2004, 591) Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist. Bei der erforderlichen Einzelfallbetrachtung sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Persönlichkeitsrechtsverletzung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Außerdem ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rechnung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff besteht als auch ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe. Zudem soll die Geldentschädigung der Prävention dienen (vgl. zu allem BGHZ 160, 298; BGHZ 199, 237; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500; BVerfGE 34, 269).
41Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt vorliegend die Zubilligung einer Geldentschädigung nicht in Betracht. Zwar wird der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und dies geschieht auch rechtswidrig, weil die von der Beklagten geschilderten – und insofern zu ihren Gunsten als wahr unterstellen Vorkommnisse – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Mittel keine Videoüberwachung des klägerischen Grundstücks bzw. der öffentlichen Zuwege rechtfertigen. Es erscheint jedoch schon zweifelhaft, ob diese Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers als schwerwiegend einzustufen ist und damit die Zubilligung einer Geldentschädigung rechtfertigt. Zwar wird der Kläger durch die Videoüberwachung seines Grundstücks in seiner Privatsphäre betroffen – ein Eingriff in die Intimsphäre ist dagegen selbst bei einer (unterstellten) Beobachtung durch die Kameras zur Sommerzeit und der dann möglicherweise vorhandenen leichten Bekleidung des Klägers im Garten nicht anzunehmen. Jedoch erschöpft sich diese Beeinträchtigung darin, dass die Beklagte die entsprechenden Bilder zur Kenntnis nimmt. Eine Veröffentlichung von ihn betreffenden Aufnahmen oder ein sonstiges öffentliches Zurschaustellen der Bildnisse durch die Beklagte hat der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit nicht behauptet. Ebenso wenig hat er behauptet, dass die von den Kameras aufgenommenen Bilder ihn in anderen als alltäglichen Situationen zeigen oder gar anstößige Inhalte hätten, die private Details über ihn verraten könnten.
42Unabhängig davon fehlt es aber jedenfalls an einem unabweisbaren Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung: Es handelt sich vorliegend, wie der Senat nach der mündlichen Verhandlung vom 1.9.2016 aus eigener Anschauung beurteilen kann, um ein durch das Verhalten beider Parteien nachhaltig gestörtes Nachbarschaftsverhältnis, die möglicherweise angefertigten Aufnahmen sind über diesen Bereich der Nachbarschaft hinaus nicht an die Öffentlichkeit geraten und der Kläger hat keine konkreten Beeinträchtigungen vorgetragen, die über das Gefühl des Überwacht-Werdens hinausgehen. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass vorliegend durch die titulierte Verpflichtung der Beklagten, die Kameras zu entfernen, ausreichend Genugtuung eingetreten ist, ohne dass der Kläger zusätzlich noch eines finanziellen Ausgleichs bedarf.
435. Mangels Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung kann der Kläger auch nicht die Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten verlangen, die im Zuge der Geltendmachung dieser Forderung entstanden sind. Diese Kosten werden mit der Berufung ausdrücklich unter dem Aspekt geltend gemacht, dass der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 30.11.2015 unter Fristsetzung zur Zahlung der Entschädigung in Höhe von 4.000 Euro aufgefordert habe (vgl. Bl. 178 d.A.). Insofern kommt es nicht (mehr) darauf an, ob der Kläger diese Kosten – wie er es in erster Instanz geltend gemacht hat – hinsichtlich der anwaltlichen Vertretung im Rahmen des Unterlassungsanspruchs (vgl. Bl. 7 d.A.) verlangen könnte.
446. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 92 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen beruht. Höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
457. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 9.000 Euro festgesetzt. Dieser berechnet sich aus je 1.000 Euro verbleibender Beschwer für die drei bereits in erster Instanz streitgegenständlichen Kameras, weiteren 2.000 Euro für den Antrag auf Entfernung der vierten Kamera sowie 4.000 Euro für den Antrag auf Zahlung einer Geldentschädigung.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, die auf ihrem Grundstück befindlichen Überwachungskameras K1, K2, K3, K4, K5,
Bild entfernt
zu entfernen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte ¾ zu tragen und die Kläger als Gesamtschuldner ¼.
Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.500,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Für die Beklagte ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
- 1
Die Kläger begehren die Entfernung der Überwachungskameras der Beklagten sowie Unterlassung des Betriebs.
- 2
Die Parteien sind direkte Grundstücksnachbarn. Die Beklagte ist Eigentümerin des Flurstücks in der Gemarkung E.. Die Klägerin zu 1) ist Eigentümerin der Flurstücke und in der Gemarkung E.. Der Kläger zu 2) ist der Lebensgefährte der Klägerin zu 1) und wohnt dauerhaft in deren Haus. Das Nachbarschaftsverhältnis ist durch diverse, wechselseitige Rechtsstreitigkeiten und gegenseitige Strafanzeigen geprägt.
- 3
Wegen der einzelnen Verfahren wird auf die Ausführungen im klägerischen Schriftsatz vom 07.11.2017 (Bl. 60 ff. d.A.), Gliederungsziffern 1. bis 9. sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 16.08.2017 (Bl. 32 ff. d.A.) verwiesen.
- 4
Die Klägerin installierte eine Reihe von Kameras K 1, K3, K4, K5 an ihrem Haus.
- 5
Bei den als Kamera K 2 und K 6 bezeichneten Überwachungsmöglichkeiten handelt es sich jeweils um das Bedienpult der Klingel. Zumindest hinsichtlich des Bedienpultes K 2 ist streitig, ob eine funktionsfähige Kamera darin enthalten ist.
- 6
Bei der Kamera K6 handelt es sich um das Bedienpult der Klingel zum Büro der Beklagten. Dieses enthält eine nicht verstellbare Kamera, die auf den unmittelbar vor der Eingangstür befindlichen Bereich ausgerichtet ist. Der Aufnahmebereich reicht zwei Meter in Richtung Haus Nr. 192.
- 7
Hinsichtlich der Lage von Überwachungskameras und Bedienpulten (K 1 bis K 6) wird auf die als Anlage K 1 zur Akte gelangte Anlage verwiesen.
- 8
Die Kläger behaupten, dass die Kamera im Bedienpult der Klingel der Haustür (K 2) noch funktionsfähig und im Betrieb sei.
- 9
Im Übrigen seien die Kameras so ausgerichtet, dass sie zumindest auch das Grundstück der Klägerin bzw. den von den Klägern benutzten Zuweg zu ihrem Grundstück überwachten. Zudem seien die Kameras schwenkbar. Die Ausrichtung der Linsen habe sich in der Vergangenheit hinsichtlich mehrerer Kameras verändert. Wegen der diversen Streitigkeiten in der Vergangenheit und des stark zerrütteten Nachbarschaftsverhältnisses müssten die Kläger eine Überwachung zudem auch objektiv ernsthaft befürchten.
- 10
Die Kläger beantragen,
- 11
1. Die Beklagte wird verurteilt, die auf ihrem Grundstück befindlichen Überwachungskameras, wie sie sich aus der Anlage K1 ergeben, zu entfernen.
- 12
2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000 Euo – ersatzweise Ordnungshaft bis zwei Jahren – zu unterlassen, auf ihrem Grundstück etwaige Überwachungskameras zu betreiben.
- 13
3. Die Beklagte wird hilfsweise verurteilt, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000 Euro – ersatzweise Ordnungshaft bis zwei Jahren – zu unterlassen, die auf ihrem Grundstück befestigten Überwachungskameras, wie sie sich aus der Anlage K1 ergeben, soweit sie auf die Grundstücke der Klägerin zu 1) (Flurstück und in der Gemarkung E.) gerichtet sind, in einer unzulässigen Art und Weise zu betreiben.
- 14
Die Beklagte beantragt,
- 15
die Klage abzuweisen.
- 16
Bei dem Gerät, das die Kläger für die Kamera K2 halten, handele es sich um das Bedienpult der Haustürklingel der Beklagten, das seit mehreren Jahren defekt sei und keine Kamera enthalte. Die restlichen Überwachungskameras seien so montiert, dass sie ausschließlich das Grundstück der Beklagten zum Schutz vor Einbrechern überwachen. Der Zuweg zum Grundstück der Kläger werde nicht überwacht. Die Kameras seien in die Richtung des Grundstücks der Kläger abgeschirmt. Die Kameras seien auch nicht schwenkbar und seien in der Vergangenheit auch nicht bewegt worden.
- 17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 18
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Entfernungsbegehrens überwiegend begründet. Hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens ist die Klage unbegründet genau wie der Hilfsantrag, soweit über diesen zu entscheiden war.
I.
- 19
Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Entfernung der im Tenor genannten Kameras gemäß § 1004 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.
- 20
Eine Videoüberwachung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen. Bei der Installation von Anlagen der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück muss deshalb sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann (vgl. BGH NJW 2010, 1533).
- 21
Allerdings kann auch bei der Ausrichtung von Überwachungskameras allein auf das eigene Grundstück des Grundstückseigentümers das Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigt sein. Dies ist dann der Fall, wenn Dritte eine Überwachung durch die Kameras objektiv ernsthaft befürchten müssen (sog. Überwachungsdruck). Eine solche Befürchtung ist dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit oder aufgrund objektiv Verdacht erregender Umstände. Liegen solche Umstände vor, kann das Persönlichkeitsrecht des (vermeintlich) Überwachten schon aufgrund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch eine Videokamera beeinträchtigt das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, hingegen nicht. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH NJW-RR 2012, 140).
- 22
So ist es hier.
- 23
Vorliegend ist zwischen den Parteien streitig, ob die Kameras lediglich das Grundstück der Beklagten überwachen, oder auch auf das Grundstück der Kläger gerichtet sind. Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an. Die Kläger müssen eine Überwachung durch die Beklagte derzeit objektiv ernsthaft befürchten. Für einen entsprechenden Überwachungsdruck sprechen verschiedene Aspekte dieses Nachbarschaftsverhältnisses.
- 24
Dass die Parteien verschiedene Rechtsstreitigkeiten gegeneinander führen, reicht für sich allein genommen allerdings noch nicht aus, um einen entsprechenden Überwachungsverdacht zu begründen (BGH aaO). Vorliegend kommt allerdings erschwerend hinzu, dass es schon mehrfach zu verbalen, aber auch tätlichen Übergriffen zwischen den Parteien gekommen ist. Zudem ist ein häufiger Streitpunkt bei den verschiedenen Streitigkeiten eine wechselseitige Aufnahme durch Foto oder Video.
- 25
Im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg zum Aktenzeichen 648 C 143/16 trug die Beklagte vor, dass sie ständig gefilmt und fotografiert werde, insbesondere von der Klägerin zu 1) und auch vom Kläger zu 2). Zuletzt habe der hiesige Kläger zu 2) am 16.04.2016 gefilmt, wie sie und ihr Lebensgefährte über den Zaun geklettert seien.
- 26
In diesem Verfahren hat das Amtsgericht Hamburg-Harburg mit Urteil vom 1. Juni 2016, indem die hiesige Beklagte die Verfügungsklägerin und der hiesige Kläger zu 2) der Verfügungsbeklagte war, ausgeführt:
- 27
„Gericht hält es unter Zugrundelegung der Einlassung des Verfügungsbeklagten selbst für hinreichend wahrscheinlich, dass der Verfügungsbeklagte in der Vergangenheit bereits häufiger Film- und Fotoaufnahmen fertigte. Er gab an, aufgrund der zahlreichen Gerichtsverfahren, die zwischen den Parteien oder mit anderen Nachbarn angestrengt wurden, Aufnahmen zu machen. Wörtlich nahm das Gericht ins Protokoll auf: „Des Weiteren kann ich ausführen, dass es nicht stimmt, dass wir permanent filmen. Es ist nur dann, wenn wir etwas für das Gericht beweisen können, dass wir die Kamera holen. (...) Im letzten Jahr haben wir deswegen tatsächlich öfter gefilmt, allerdings nur, um uns zu verteidigen.“
- 28
Die Anfertigung von Fotoaufnahmen gegen den Wunsch desjenigen, von dem gerade Aufnahmen gemacht werden, stellt eine widerrechtliche Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, die auch nicht durch laufende Gerichtsverfahren gerechtfertigt ist. Es besteht gerade vor dem Hintergrund, dass der Beklagte keine Einsicht in das Unrecht dieser Handlungen hat, und insbesondere aufgrund der anhaltenden Streitigkeiten zwischen den Parteien auch Wiederholungsgefahr, so dass ein Unterlassungsanspruch zu bejahen ist.
- 29
Die Verfügungsklägerin sei allerdings an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sie selbst ebenfalls nach ihren Angaben Fotoaufnahmen vom Verfügungsbeklagten gegen dessen Willen fertigt und diesen damit verständlicherweise sehr verärgert. In diesem Verfahren obsiegt zwar die Verfügungsklägerin; die Fertigung von Fotoaufnahmen der Verfügungsklägerin vom Verfügungsbeklagten billigt das Gericht damit allerdings in keiner Weise. „
- 30
Auf die Anlage B 6 wird verwiesen. Das wechselseitige Nachbarschaftsverhältnis ist von Misstrauen und gegenseitigen Überwachungs- und Beweisaufnahmen geprägt.
- 31
Der Aufnahmedruck hat auch in der letzten Zeit nicht nachgelassen. Im Gegenteil.
- 32
Die hiesige Beklagte hat in dem Verfahren 304 S 26/16 (Beklagte gegen Kläger zu 2)) mit Schriftsatz vom 11. November 2017 ein zumindest ohne Zustimmung der Kläger aufgenommenes Video zu den Akten gereicht, in dem sich die Parteien wechselseitig beschimpfen. In diesem Verfahren haben sich die Parteien zwar nunmehr gegenseitig verpflichtet keine Videoaufnahmen des jeweils anderen mehr zu erstellen. Dieser Vergleich wirkt aber erstens nur zwischen der Beklagten und dem Kläger zu 2.) und kann zweitens den vorliegenden Überwachungsdruck auch nicht entschärfen, weil entsprechende Vereinbarungen in der Vergangenheit bereits öfter getroffen worden sind und nach kurzer Zeit wieder gebrochen wurden. Eine vom Gericht vorgeschlagene Mediation zur Lösung des Gesamtkonflikts wurde ebenfalls abgebrochen. Insofern liegt ein in jeder Hinsicht eskalierter Nachbarschaftsstreit vor, in dem die Beklagte in der Vergangenheit die Kläger bereits ohne deren Zustimmung mehrfach aufgenommen bzw. gefilmt hat, so dass die Gefahr einer weiteren Überwachung objektiv gegeben ist. Unter Berücksichtigung der Natur, der Intensität des Gegenstandes und der gegenseitigen Aufnahmen bejaht das erkennende Gericht einen vorhandenen Überwachungsdruck.
- 33
In Bezug auf die Kameras K1, K3, K4 und K5 besteht auch nicht nur eine hypothetische Überwachungsmöglichkeit der Kläger. Die Kameras sind so angebracht, dass sie das Grundstück der Kläger bzw. den Weg dorthin erfassen können. Auch angebrachte Abschirmbleche ändern hieran nichts. Diese können abgenommen werden. Eine Drucksituation bleibt vorhanden.
- 34
Im Übrigen ist eine entsprechende Veränderung der Ausrichtung der Linsen jederzeit ohne größeren technischen Aufwand möglich.
- 35
Die Kameras sind im Übrigen vom Grundstück der Klägerin zu 1) sichtbar und von daher (wegen der physikalischen Umkehrbarkeit des Lichtweges) grundsätzlich geeignet, dieses Grundstück zu überwachen.
- 36
Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Überwachungskameras überhaupt bewegbar bzw. schwenkbar seien, ist dies aus obigen Gründen unerheblich aber auch unbeachtlich. Dieses Bestreiten erfolgt nämlich ins Blaue hinein. Die streitgegenständlichen Kameras sind am Haus der Beklagten montiert. In der mündlichen Verhandlung gab die Beklagte zu, dass sie kein genaues Wissen über die Fixierbarkeit der Kameras hat, obwohl es ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre sich entsprechend zu informieren.
- 37
Gleiches gilt im Ergebnis für die Kamera K2. Die Beklagte bestreitet zwar, dass hinter der dunklen Scheibe am Klingelpult tatsächlich eine Kamera angebracht sei. Insofern ist ihr Vortrag aber als unsubstantiiert zurückzuweisen. Die Beklagte hat in dieser Frage eine sekundäre Darlegungslast, der sie durch einfaches Bestreiten nicht genügen kann. Die Kläger können von ihrem Grundstück aus nicht erkennen, was sich hinter der schwarzen Scheibe befindet. Über diese Information verfügt nur die Beklagte. Sie legt insofern keine Bedienungsanleitung, keine Fotos oder keine sonstigen Belege vor, aus denen sich ergeben würde, was sich hinter der dunklen Scheibe befindet, obwohl ihr das ohne weiteres möglich gewesen wäre. Es erfolgt lediglich der Hinweis, dass das Klingelpult seit mehreren Jahren defekt und außer Betrieb sei, was aber nicht die Frage beantwortet, ob sich hinter der schwarzen Scheibe eine Kamera befindet. Da das Klingelpult direkt auf das Grundstück der Kläger gerichtet ist, besteht insofern zumindest auch die objektiv ernsthafte Gefahr einer Überwachung.
- 38
Auch aufgrund der Bauart der Kameravorrichtung im Klingelboard K 2 ist ein Entfernungsanspruch überdies gegeben. Aufgrund der Bauart der Kameras ist für die Klägerin nicht erkennbar, ob die Kameras auf ihr Grundstück ausgerichtet sind oder nicht. Die Behauptungen der Beklagten, dass die Kamera defekt sei oder sich hinter der Scheibe nicht verberge, lassen den Überwachungsdruck nicht entfallen. Die Kamera könnte jederzeit, ohne dass dies durch die Kläger zu bemerken wäre, nachgerüstet bzw. in Gang gesetzt werden.
- 39
Lediglich in Bezug auf die Kamera K6 besteht noch nicht einmal eine hypothetische Überwachungsmöglichkeit. Die Kamera an der Eingangstür zum Büro ist nach den eingereichten Fotos auf den Bereich vor der Bürotür in Richtung Hausnummer gerichtet und kann insofern rein physikalisch schon nicht den vor dem Haus laufenden Weg erfassen. Dies ist auch zwischen den Parteien unstreitig. Ein Beseitigungsanspruch ist daher in Bezug auf die Kamera K6 mangels Rechtsbeeinträchtigung der Kläger ausgeschlossen.
- 40
Ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Videoüberwachung ist im konkreten Fall schließlich auch nicht erkennbar. Dass die Beklagte ihr Eigentum vor Einbrüchen schützen will, stellt zwar durchaus ein legitimes Interesse dar. Vorliegend geht dieser Zweck aber mit einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger einher. Es bestehen bereits Zweifel daran, ob die Videoüberwachung der Beklagten überhaupt geeignet ist, um Einbrecher wirksam abzuschrecken, weil sie nur Teilbereiche des Grundstücks erfasst und sich Einbrecher daher auf anderen Wegen weiterhin unbemerkt Zugang zum Gebäude der Beklagten verschaffen können. In jedem Fall ist die Videoüberwachung aber unangemessen. Angesichts des derzeitigen Zustands des Nachbarschaftsverhältnisses muss eine weitere Eskalation bzw. ein entsprechender Anlass dafür verhindert werden.
- 41
Das Interesse der Beklagten am Schutz ihres Eigentums durch Einsatz einer Überwachungskamera hat zurückzutreten. Die Beklagte kann sich durch andere Maßnahmen, etwa Bewegungsmelder, vor einem Einbruch schützen.
- 42
Der Beklagten ist es zumutbar, andere Maßnahmen als eine Videoüberwachung zum vorbeugenden Schutz ihres Eigentums zu ergreifen, zumal es hierfür hinreichend andere gleich geeignete Möglichkeiten gibt.
- 43
Auch die Überlegung, dass die Videoanlage zu Nachweiszwecken unerlässlich sei, greift nicht. Gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer eventuellen Identifizierung und Überführung eines Täters hat das Persönlichkeitsrecht der Kläger nicht zurückzutreten (BGH in ZWE 2012, 83f.).
- 44
Auch das Argument, die Kameras schützten die Beklagte vor Übergriffen des Klägers zu 2), greift nicht. Zum einen betrifft dies nicht die Klägerin zu 1), zum anderen hält dies nicht von Übergriffen ab, da diese auch außerhalb des Aufnahmebereiches erfolgen können und bereits erfolgt sind.
- 45
Die Kläger haben somit einen Beseitigungsanspruch gegen die Beklagte in Bezug auf die Kameras K1, K2, K3, K4 und K5.
II.
- 46
Der Klageantrag zu 2) muss allerdings als unbegründet abgewiesen werden. Den Betrieb von Überwachungskameras auf dem Grundstück der Beklagten generell auch für die Zukunft zu untersagen, wäre mit den Eigentumsrechten der Beklagten nicht vereinbar. Sofern die Beklagte sicherstellt, dass Überwachungskameras das Grundstück der Kläger nicht erfassen können, kann sie diese auch in Zukunft betreiben. Neben dem Beseitigungsanspruch, der nur auf Grund des derzeitigen Zustands des Nachbarschaftsverhältnisses besteht, kommt ein in die Zukunft gerichteter – zeitlich unbegrenzter – Unterlassungsanspruch auch nicht in Betracht. Der Zustand des Nachbarschaftsverhältnisses kann sich in der Zukunft durchaus verändern, weswegen die dauerhafte Untersagung des Betriebs von Überwachungskameras im Hinblick auf die Eigentumsrechte der Beklagten unverhältnismäßig wäre.
III.
- 47
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht. In Bezug auf die Kameras K1-K5 hatten die Kläger bereits mit dem Hauptantrag Erfolg. Die Kamera K6 ist nicht auf das Grundstück der Kläger gerichtet, weswegen sie von dem Antrag nicht erfasst wird, der nur Kameras erfasst, die auf das Grundstück der Klägerin zu 1) gerichtet sind.
- 48
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 22. Dezember 2017, der Kläger vom 6. Januar 2018 und der Beklagten vom 16. Januar 2018 gebieten keine Wiedereröffnung der Verhandlung, die Voraussetzungen des § 156 ZPO liegen nicht vor.
IV.
- 49
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.