Urteils-Kommentar zu Landgericht Bochum Beschluss, 24. Apr. 2020 - 12 KLs-450 Js 18/16-6/19 von Dirk Streifler

erstmalig veröffentlicht: 03.07.2024, letzte Fassung: 04.07.2024

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Urteilsbesprechung zu dem Beschluss des LG Bochum, der das Unterbleiben der Einziehung im Vollstreckungsverfahren anordnet

 

Unterbleiben der Einziehung bei Entreicherung oder Unverhältnismäßigkeit

Die Einziehung von Vermögenswerten im Strafrecht dient der Abschöpfung illegal erlangter Vorteile. § 459g Abs. 5 StPO sieht vor, dass die Vollstreckung einer Einziehungsanordnung unter bestimmten Umständen zu unterbleiben hat, nämlich bei Entreicherung oder Unverhältnismäßigkeit.

 

Hintergrund der Entscheidung

In dem Fall vor dem LG Bochum (24. Apr. 2020 - 12 KLs-450 Js 18/16-6/19) wurde ein Angeklagter wegen Untreue verurteilt, nachdem er Gelder eines Vereins für persönliche Zwecke verwendet hatte. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens stellte sich die Frage, unter welchen Umständen die Einziehung der Gelder auszusetzen ist.

 

Entreicherung als Voraussetzung

Nach § 459g Abs. 1 Satz 1 StPO muss die Vollstreckung unterbleiben, wenn der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist. Dies ist zwingend vorgeschrieben, im Gegensatz zur früheren Rechtslage, die noch eine Ermessensentscheidung zuließ. Im hiesigen Fall konnte der Angeklagte nachweisen, dass er keine Vermögenswerte mehr besitzt.

 

Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung

Neben der Entreicherung kann auch die Unverhältnismäßigkeit ein Grund sein, die Vollstreckung auszusetzen. Dies ist gegeben, wenn die Einziehung zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Das Gesetz soll die Effektivität der Vermögensabschöpfung sicherstellen, ohne die betroffene Person existenziell zu gefährden.

 

Abgrenzung zum Zivilrecht

Ein wesentlicher Unterschied zum Zivilrecht besteht darin, dass die verschärfte Haftung nach §§ 818 Abs. 4 und 819 BGB im Rahmen der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung keine Anwendung findet. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass strafrechtliche Einziehungen die Betroffenen nicht übermäßig belasten.

 

Fazit und Praxisrelevanz

Die Entscheidung des LG Bochum betont, dass Entreicherung und Unverhältnismäßigkeit zwingende Gründe sind, von der Vollstreckung einer Einziehungsanordnung abzusehen. Anwälte sollten diese Aspekte sorgfältig prüfen, um ihre Mandanten vor unangemessenen Härten zu schützen. § 459g StPO bietet somit einen wichtigen Schutzmechanismus und sorgt für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Abschöpfung illegaler Gewinne und dem Schutz der Betroffenen.

 
Die Einziehung im Vollstreckungsverfahren nach § 459g StPO ist ein wichtiger Aspekt des Strafrechts, der sicherstellt, dass rechtswidrig erlangte Vermögenswerte abgeschöpft werden, jedoch unter der Bedingung, dass die betroffene Person dadurch nicht unverhältnismäßig belastet wird. Dies zeigt sich deutlich im Fall des LG Bochum, wo die Entreicherung des Angeklagten dazu führte, dass die Vollstreckung der Einziehungsanordnung unterblieb. Die klare Trennung vom Zivilrecht und die zwingende Regelung bieten den Betroffenen Schutz und gewährleisten gleichzeitig die Effektivität der Vermögensabschöpfung.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 818 Umfang des Bereicherungsanspruchs


(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt

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Referenzen

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.

(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.